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Der Wächter

von

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Schicksalsschlag

Vorwort:

1. In meiner FF beschränkt sich die mentale Verbindung der Wölfe nicht auf ihre Wolfsgestalt. Auch als Menschen ist das Rudel miteinander verbunden.

2. Ich habe mir erlaubt Quileute allgemein als sehr homophob darzustellen. Bitte bekommt das nicht in den falschen Hals. Dieser Umstand entspringt rein meiner Fantasie. Was wäre ein Geschichte auch ohne Probleme? Eben, langweilig.

3. Harry Clearwater ist nicht gestorben. Leah und Seht haben sich noch nicht verwandelt.

4. Quil hat sich bereits dem Rudel angeschlossen
 

Wie so oft in den letzten Tagen sprintete Jacob in seiner Wolfsgestalt durch den Wald. Warum nur war diese verdammte Blutsaugerin zurückgekehrt? Es hätte so schön sein können. Bella hatte sich doch in seiner Obhut erholt. Er hatte fest daran geglaubt diesen elendigen Edward endgültig aus ihren Gedanken vertreiben zu können. Es hätte bestimmt nicht mehr lange gedauert und sie hätte erkannt, dass er wesentlich besser zu ihr passen würde als dieser stinkende Untote. Wie sehr er sich doch wünschte Bellas Herz zu erobern und mehr als nur ihr bester Freund zu werden. Er wollte mit ihr zusammen sein. Sie auf Händen tragen und ihr seine Gefühle zeigen. Für sie würde er alles geben, auch sein Leben.

Und dennoch kamen ihm immer diese kalten Wesen in die Quere. Für ihn waren die Vampire nicht mehr als eine unnatürliche Anomalie, welche ausgelöscht werden sollte. Aber nein er war gezwungen sich an das Abkommen zwischen den Quileute und den Cullens zu halten und durfte sie nicht zerstören. Sein Leitwolf hatte es ihm verboten und er musste sich fügen. Verdammte Rudeldynamik. Wie sehr Jake auch rebellierte, gegen Sams Befehle konnte er nichts machen. Er musste sich dem Alpha unterordnen, er konnte gar nicht anders.

Vor lauter Zorn heulte er laut auf und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Er beschleunigte weiter und achtete gar nicht auf seine Umgebung. Die Stimmen der anderen Wölfe verdrängte er. Er wollte ihre Gedanken nicht hören. Wollte weder ihr Mitleid noch ihre Sorgen um ihn wahrnehmen.

Fast hätte er es geschafft sein Ziel zu erreichen, fast! Als Edward anrief hatte er ihn getäuscht. Und dieser Bastard wollte sich umbringen. Sollte er doch. Dann hätte Jake freie Bahn gehabt. Aber nein, diese vermaledeite Alice mit ihren abnormalen Vorhersagen kam ihm auf die Schliche und erzählte Bella alles. Der Blick mit dem Bella ihn dabei bedachte hatte sein Herz tief aufgewühlt. Dieser verletzte anklagende Blick als hätte er ihr das Herz herausgerissen machte ihn fast wahnsinnig, wenn er daran dachte. Und er musst ständig daran denken, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt. Bella hatte ihm den Rücken gekehrt und war mit Alice auf und davon, um diesen untoten Bastard zu retten. Jake hatte sie angefleht bei ihm zu bleiben, aber er hätte auch genauso gut mit einem Stein reden können, so wenig beachtete sie ihn.

Nachdem sie ihn dann zurückgelassen hatte, war in ihm ein unbändiger Zorn angeschwollen. Er hatte sich mitten im Sprung, ohne sich auch nur umzuschauen, verwandelt und seine Kleidung in Fetzen gerissen. Nun streifte er schon seit Tagen völlig kopflos durch die nahen Wälder. Er wusste selbst nicht wo er hinrannte, aber das war ihm auch vollkommen egal. Die Anderen aus seinem Rudel hatten versucht ihn zu beruhigen, aber ebenso wenig wie Bella auf ihn hörte, hörte er auf seine Kameraden.

Jake wusste, dass Sam ihn aufhalten könnte, aber bis jetzt hatte sich der Alpha nicht eingemischt und dafür war er dankbar. Sie alle wussten wie sehr er Bella vergötterte, auch wenn er nicht auf sie geprägt war. Aber was nicht ist kann ja noch kommen. Zuerst musste er sich abreagieren und dann vor ihr zu Kreuze kriechen. Denn egal wie lange er ziellos umherziehen würde, könnte er dem Drang zu ihr zurückzukehren nicht ewig unterdrücken. Nicht wenn es auch nur eine Spur einer Hoffnung gab, dass sie endlich die Augen öffnete und ihn als ihren Partner anerkennen würde.

Alle Wölfe wussten, was er für sie empfand und wie er dachte, dank dieser bescheuerten mentalen Verbindung. Seine größte Angst war es auf jemand anderen geprägt zu werden, aber das war eher unwahrscheinlich. Die Wölfe konnten zwar die Prägung nicht beeinflussen, aber dennoch war es für ihn schier unmöglich, dass es eine andere Frau als Bella in seinem Leben geben könnte. Nein, das war unmöglich. Es gab nur Bella, es konnte nur Bella sein. Die Frau für die er, schon so lange er denken konnte, schwärmte. Auch wenn sie ihn nicht so wahrnahm wie er sie.

Plötzlich wurde es still und er blieb wie angewurzelt stehen. Kein Vogel oder sonst irgendein Tier war zu hören. Äußerst irritiert nahm er einen unbekannten Geruch war und schnupperte, um die Spur auf zu nehmen. Es roch weder nach Mensch, Wolf oder Vampir. Seine Instinkte mahnten ihn zur Vorsicht und sein innerer Wolf war in Aufruhe. Er war an einem Ort, an dem er nicht sein sollte und sein ganzes Wesen wollte dieses Areal schnellstmöglich verlassen.

Mit Aufgebot seiner Willenskraft blieb er wo er war und gab diesem Drang nicht nach. Er war Jacob Black und er würde sich nicht seinem Instinkt unterordnen. Außerdem versprach dieser Geruch vielleicht ein Gegner zu sein mit dem er kämpfen konnte. Auch wie gerne würde er jetzt die Fährte eines Vampirs aufnehmen und diesen zerstören. Ein Kampf auf Leben und Tod wäre jetzt ganz nach seinem Geschmack.

Irgendetwas störte ihn aber, er wusste nicht was, aber er maß diesem Gefühl keine größere Bedeutung bei. Er wusste, dass es töricht war, sich einfach so in eine unbekannte Gefahr zu begeben, aber sein Zorn brauchte ein Ventil und er glaubte es gefunden zu haben. Außerdem war er immer noch im Hoheitsgebiet seines Rudels und er musste sicherstellen, dass kein Feind ungesehen in ihren Wäldern umherschlich.

Also spürte er dem Geruch nach und setzte sich langsam in Bewegung. Angespannt und bereit sich jederzeit zu verteidigen schlich er durch das dichte Unterholz und folgte der Spur. Das ungute Gefühl, dass er hier nicht sein sollte verstärkte sich mit jedem seiner Schritte. Doch nur ein Gedanke an Bellas Blick und sein Zorn schwemmte alles andere hinfort. Fast schon wie eine Katze auf Samtpfoten schlich er weiter und streckte seinen Kopf durch eine Buschwand vor sich, um dahinter zu sehen und gleichzeitig ungesehen zu bleiben. Was dann geschah änderte alles.

Vor dem Busch befand sich eine Lichtung. Auf dieser stand eine unbekannte Gestalt mit dem Rücken zu ihm. Die Luft um diese Gestalt herum flimmerte und das obwohl es nicht besonders warm war. Zudem umgab sie eine unheilvolle Aura. Er erzitterte bei diesem Gedanken. Das Etwas gestikulierte mit den Armen und machte seltsame Gesten in der Luft vor sich. Es redete offenbar mit sich selbst, aber in einer Sprache, welche er nicht verstehen konnte. Jake war sich nicht einmal sicher ob es überhaupt eine Sprache war. Die Geräusche welches das Wesen von sich gab waren einfach zu unmenschlich. Durch das seltsame Schlieren der Luft um die Person konnte er jedoch nichts weiter erkennen.

Offenbar war Jacob noch nicht entdeckt worden und sein Gegner schien unachtsam zu sein. Bevor er jedoch irgendetwas tun konnte oder auch nur einen Muskel bewegen konnte, drängten sich seine Instinkte mit aller Gewalt an die Oberfläche und ihn übermannte eine unbändige Angst. Egal wer oder was da vor ihm stand, von ihm oder ihr ging eine monströse Gefahr aus. Ohne es sich bewusst zu sein hielt er den Atem an. Er konnte sich nicht rühren und so schickte er in aufkommender Panik einen Hilferuf zu seinem Rudel. Aber er bekam keine Antwort.

In seinem Kopf war es still, zu still. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er seitdem er diesen Abschnitt des Waldes betreten hatte keinen seiner Kameraden mehr gehört hatte. Er hatte es nicht wirklich wahrgenommen, zu sehr war er mit sich und seine eigenen Gedanken beschäftigt gewesen. Die mentale Verbindung zwischen ihm und den anderen war nicht mehr da. Er war abgeschnitten vom Rudel. Er war allein!

Seine Angst schlug nun vollends in Panik um. So etwas war noch nie vorgekommen. Das sollte einfach nicht möglich sein. Noch nie war die Verbindung des Rudels gestört worden. Er kam zu dem Schluss, dass er sich schleunigst verdrücken sollte. Was auch immer hier vor sich ging überstieg seinen Horizont.

Als hätte die Gestalt seine Gedanken gehört drehte sie sich ruckartig um. Die Geschwindigkeit dieser Bewegung erinnerte ihn stark an einen Vampir. Der Kopf der Gestalt war direkt auf ihn gerichtet. Mit einer Handbewegung des Fremden lichtete sich der Luftschleier und Jake schnappte nach Luft.

Auf der Lichtung stand ein Mann. Dieser trug ein einfaches und schlichtes schwarzes T-Shirt. Dazu eine ebenso einfache schwarze Stoffhose. Schuhe trug er keine. Durch den dünnen Stoff konnte Jake gut dessen trainierten Körperbau erkennen, welcher seinem ähnelte.

Rotblonde kurze Haare standen dem Mann wirr vom Kopf. Zudem besaß er ein eigenartig zeitloses Gesicht, wie bei den Vampiren. Seine Haut war hingegen nicht aus dem marmorartigen Material, welches den Blutsaugern zu eigen war. Sie war leicht gebräunt und hatte einen europäischen Einschlag. Doch ähnlich wie bei den kalten Wesen war sie schlichtweg makellos. Rein von der Optik her gesehen war er ein verdammt gutaussehender Mann, welcher mit der zeitlosen Schönheit der Vampire konkurrieren konnte.

Seine Gesichtszüge wirkten wie die eines unerfahrenen Jünglings, aber seine strahlenden blauen Augen straften dies als Trugschluss. Wie der Fremde dastand mit angespannten Muskeln bereit zu kämpfen zeigen eindeutig, dass dieser kein Anfänger war und sich verteidigen konnte. In den Augen konnte Jake eine Art animalische Wildheit erkennen und eine nichtmenschliche Kraft. Das erinnerte Jake an den Blick der Gestaltwandler, kurz vor ihrer Verwindung.

Die kristallblaue Iris weitete sich als der Mann das Ziel seiner Bewegung fand und seine Anspannung ließ nach, als ob er keine Angst vor dem Wolf haben musste. Einen Wimpernschlag lang musterten sich die beiden Männer gegenseitig, dann trafen sich ihre Augen.
 

Die Welt wurde kurz schwarz. Dann sah Jake sich und den anderen Mann in seinem Bett liegend. Oberkörperfrei den Rest ihrer Körper von seiner Decke bedeckt. Dann wandelte sich die Umgebung und sie lagen auf einer weitläufigen Wiese. Er mit dem Kopf im Schoß des anderen. Die Szene änderte sich und sie standen sich gegenüber auf einer der Klippen im Reservat und küssten sich. Dieses Bild verschwand abermals und machte einem weiteren Platz. Er rannte in seiner Wolfsgestalt durch die Wälder, der andere Mann hielt mit ihm Schritt und sprang mitten in der Bewegung auf seinen Rücken. Der Fremde streichelte sein Fell und Jake heulte zufrieden auf. Als Nächste erblickte er sie beide zusammen mit dem ganzen Rudel an einem Lagerfeuer sitzen. Der Mann saß auf einem Baumstumpf, Jake zwischen dessen Beinen, an den anderen gelehnt. Eine Hand des Mannes streichelte sanft seine Brust und ihm entfuhr ein wolliges Seufzen. Die Stimmung war ausgelassen und offenbar störte ihre Vertrautheit niemanden. Dann lagen sie beide nackt und eng aneinandergeschmiegt auf einer Lichtung mitten im dunklen Wald. Jake hatte die Arme von hinten um den anderen Mann geschlungen und beide schliefen seelig. Als letztes kam ein seltsames Bild. Er und der Fremde standen vor dem Haus der Cullens Arm in Arm, daneben Bella mit Edward. Mit Schrecken stellte er fest, dass Bella rote Augen hatte und offenbar ein Vampir war. Auch die anderen Blutsauger waren da, hielten aber Abstand. Alle lächelten und freuten sich über etwas.
 

Dies alles lief im Bruchteil einer Sekunde vor seinen Augen ab. Alle Szenen hatten etwas gemeinsam, nämlich die Vertrautheit und die Liebe, welche sie beide verband und welche sie nicht versteckten. Zudem war die Welt um sie herum immer in einem Schimmer getaucht, wie in rosa Watte eingepackt.

Aber es gab auch etwas Verstörendes. Die Übergänge der einzelnen Augenblicke waren nicht ganz nahtlos. Etwas schien immer wieder etwas gegen das nächste Ereignis anzukämpfen und die Bilder waren für den Bruchteil einer Sekunde unscharf. Auch blitzten seltsame Dinge zwischendrin auf, welche nicht zu den eigentlichen Geschehnissen passten. Aber sie zogen so schnell vorbei, dass er sie nicht erfassen konnte. Sie hinterließen in ihm lediglich ein ungutes Gefühl.
 

Es war nur ein Augenblick vergangen als die Bilderflut nachließ. Überrascht und zutiefst verstört wusste Jacob, dass er sich soeben auf diesen Fremden, diesen MANN, geprägt hatte. Die blauen Augen des Unbekannten weiteten sich erschrocken und blankes Entsetzen stand diesem ins Gesicht geschrieben. Der rostbraune Wolf hatte das eigenartige Gefühl, dass der andere genau wusste was soeben geschehen war und dass dieser damit überhaupt nicht einverstanden war.

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Der Mann ließ die Hände sinken und sofort senkte sich erneut der Luftschleier zwischen ihnen. Erschrocken hob der Man den Kopf und es gab eine Art Lichtexplosion.

Geblendet schloss Jake die Augen und wandte sich ab. Die Geräusche des Waldes kehrten zurück und er sah schnell auf. Der Mann war verschwunden. An der Stelle an der er gestanden hatte war das Gras schwarz verkohlt und Rauch stieg auf. Auch die unheimliche Aura war verschwunden und Jake konnte die panischen Rufe des Rudels hören, die alle nach ihm schrien.

Erleichterung durchströmte ihn. Er war nicht mehr allein. Auf sein Rudel konnte er bauen. Als er gerade ansetzen wollte zu erzählen was vorgefallen war, stockte er mitten in seinen Gedanken. Was sollte er ihnen sagen? Was konnte er ihnen sagen? Das hatte es noch nie gegeben. Noch nie war ein Wolf auf einem Mann geprägt worden. So etwas durfte es nicht geben. Das war gegen die Natur. Er war nicht schwul, aber dennoch war er auf einen Mann geprägt. Was würde die anderen dazu sagen?

Vollkommen neben sich ergriff der Gestaltwandler erstmal die Flucht und rannte so schnell er konnte weg. Weg von dieser Lichtung, weg von diesem Ereignis, weg von diesem Mann. Es dauerte einen Augenblick bis sein Rudel seine Gedanken hörte, denn alle schrien immer noch durcheinander und Jake wusste, dass sie alle in Wolfsgestalt auf ihn zuliefen.

Sam bemerkte als Erster seine Stimme und befahl mit der Macht des Alphas: „Ruhe!“ Kein einziger Gedanke drang mehr durch die Verbindung. Es herrschte erneut Totenstille. Aber anders als zuvor konnte Jake die anderen spüren und das beruhigte ihn etwas.

Dann wandte der Ältere sich direkt an Jacob: „Was ist passiert? Du warst auf einmal verschwunden. Wir dachten schon du wärst tot. Wir sind auf dem Weg zu dir.“

Jake bemühte sich seine Gedanken zu ordnen und schwieg. Er wollte nicht darüber reden. Er wollte seinen Kameraden nicht erzählen was geschehen war. Und vor allem wollte er es sich selbst gegenüber nicht eingestehen. Er schwieg wohl einen Moment zu lange und der Alpha befahl: „Rede!“

Er blieb wie angewurzelt stehen und kämpfte einen Augenblick gegen die Macht seines Leitwolfes, aber er musste sich seinem Willen beugen, da führte kein Weg dran vorbei: „Ich bin im Wald auf einen seltsamen Geruch gestoßen. Ich dachte es wäre ein Feind und habe mich ihm genähert. Ich war noch so außer mir, dass ich erst nicht mitbekommen habe, dass die Verbindung unterbrochen wurde. Es war ein seltsamer Mann, aber er ist verschwunden. Ich glaube wir sind nicht in Gefahr.“ An dieser Stelle hielt er inne und betete zu den alten Göttern, dass er nicht alles offenbaren musste.

„Was ist passiert? Rede!“, befahl Sam eindringlich und Jake konnte spüren, wie die anderen unruhig wurden.

„Ich will nicht. Bitte Sam zwing mich nicht“, flehte Jake in die Verbindung hinein.

Einen Augenblick schwieg der Alpha und Jake konnte spüren wie Sam ebenfalls anhielt. „War er ein Vampir?“

„Nein. Ich weiß nicht was ES war. Es hatte die Schönheit eines Vampirs aber weder ihren Geruch noch ihre Haut oder Augen. Ich kann dir nicht sagen was es war. Ich kann dir nur sagen was es nicht war. Es war kein Mensch, kein Vampir und kein Gestaltwandler.“

„Jake du lässt mir keine Wahl. Die Sicherheit des Rudels steht auf dem Spiel. Ich muss wissen was passiert ist.“

„Sam bitte!“, winselte Jacob, der Verzweiflung nahe.

„Rede!“

Erneut wehrte sich Jake gegen die Macht des Alphas und erneut unterlag er: „Er, es stand auf einer Lichtung. Meine Instinkte übernahmen die Kontrolle und ich wollte mit eingezogenem Schwanz wegrennen.“ Jacob bebte vor Schmach und stotterte weiter: „Ich hatte Angst. Entsetzliche Angst vor diesem Ding. Ich habe nach euch gerufen und da habe ich gemerkt, dass die Verbindung unterbrochen war. Also wollte ich weglaufen, aber es drehte sich um und sah mich an. Dann… dann…“ er sträubte sich und sein Fell stellte sich auf. Er wollte nicht weiter reden, aber er musste. Sam verstärkte seine Kontrolle über ihn und er schloss: „Dann ist es verschwunden.“

„Das ist alles? Warum hast du uns das nicht gleich erzählt?“, quäkte Quil dazwischen.

Da mischte sich auch Embry mit Schalk in der Stimme ein: „Echt mal. Wir machen uns hier tierisch Sorgen und rennen wie die Wilden. Und du ziehst den Schwanz ein? Ein schöner Beta bist du.“

„Ruhe!“, blaffte Sam und befahl: „Was ist noch passiert?“

„Ich will nicht!“, flehte Jake zum wiederholten Male.

„Nun rede endlich!“, keifte der Alpha und ließ seinem Ärger freien Lauf.

Durch die Verbindung konnte Jake spüren wie die anderen stehen blieben und sich zu Boden warfen. Die Macht eines Alphas über sein Rudel war groß. Alle spürten Sams Ärger und unterwarfen sich seiner Kraft. Alle, außer Jake, dieser hielt stand und widersetzte sich diesmal dem Befehl: „Nein!“

Sam war einen Augenblick verdutzt über den Ungehorsam. Dann schwenkte sein Ärger in Wut um und durchflutete das Rudel. Alle anderen winselten und rollten sich auf ihre Rücken um sich eindeutig zu Ergeben und den Alpha zu besänftigen.

Jake jedoch blieb stehen und duellierte sich mental. Er wusste selbst nicht wo er die Kraft auf einmal hernahm gegen den Alpha zu rebellieren, aber das war ihm gerade auch vollkommen egal. Er wollte nicht reden und er würde es auch nicht.

Der Kampf der beiden Wölfe spitzte sich zu. Die anderen jaulten mittlerweile so laut, dass Jake sie beinahe hören konnte. Aber er gab nicht klein bei. Er wusste, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Sie waren alle miteinander verbunden. Es gab keine Geheimnisse untereinander. Das ging einfach nicht, wenn alle die Gedanken der anderen hören konnten. Aber dennoch wollte und konnte er nicht über seinen Schatten springen. Er musste sich zur Wehr setzten. Er gab sich der Illusion hin, dass wenn er diesen Kampf gewann er auch der Prägung widerstehen könnte. Aber er durfte nicht daran denken, sonst würden sie es erfahren. Sie würden erfahren, dass er auf diesen seltsamen Mann geprägt war.

Die Wut des Alphas ebbte plötzlich ab und der Druck verschwand. Erschrocken riss Jake die Augen auf. Er hatte gedacht. Er hatte daran gedacht und nun wussten es alle. Unglaube durchflutete die Verbindung. Unglaube und Entsetzen. Dann konnte Jake spüren wie einige seiner Kameraden sich angewidert schüttelten.

„Komm, nach Hause wir müssen reden“, sagte Sam völlig tonlos. Es war kein Befehl und er nutzte nicht die Macht des Alphas um ihn zu zwingen.

Rudeldynamik

Langsam drängten sich die Stimmen der Rudelmitglieder in die Verbindung. Alle hatten ihre eigene Meinung zu der Prägung und begannen darüber nachzudenken.

Im Befehlston sorgte Sam für Ruhe und erstickte den aufkeimenden Gedankenstrom: „Alle zurück. Ich möchte so wenig wie möglich hören, verstanden?“

Widerwillig beugte sich das Rudel und in der Verbindung wurde es erneut ruhig. Nur hin und wieder schossen einzelne Gedankenblitze auf, aber alle versuchten sich auf ihren Weg zu konzentrieren, um nicht ihren Gedanken nachzugeben.

Kurz überlegte Jacob, ob er nicht einfach wegrennen sollte, aber wo sollte er denn hin? Alle die er liebte waren in La Push. Dort war sein Zuhause. Dort lebten sein Vater, seine Freunde und auch Bella. An sie hatte er seit dem Vorfall gar nicht mehr gedacht. Er konnte spüren, dass sein Zorn über ihren Streit verraucht war. Weggeblasen durch DAS Ereignis. Zurück blieb allerdings die Sehnsucht sie zu sehen und mit ihr zu reden. Immerhin war sie seine beste Freundin. Aber zurzeit würde sie ihn wohl nicht sehen wollen, außerdem war sie nicht da, jagte ja ihrer großen Liebe nach.

Kollektives Aufstöhnen drang durch die Verbindung. „Nicht die Leier schon wieder“, nörgelte Embry und versuchte so wie immer zu klingen.

„Ich sagte Ruhe! Das gilt auch für euch beide“, ermahnte der Alpha.

Jake seufzte schwer und besann sich, wie die anderen, auf den Weg und seinen Körper.

Nach knapp eineinhalb Stunden sprintete Jake auf sein Haus zu, in dem er mit seinem Vater wohnte. Am Waldrand hatte er ein kleines Versteck eingerichtet, wo er einige Kleidung aufbewahrte. Alle Wölfe hatten überall in ihrem Territorium solche Verstecke errichtet, da sie sonst ihre Kleidung im Maul mitschleppen mussten. Und es kam auch immer mal wieder vor, dass einer der ihren sich nicht zügeln konnte und aus einem Wutimpuls heraus zum Wolf wurde. Das war dann das Ende für dessen Klamotten, welche in Fetzen gerissen wurden.

Schnell nahm er Menschengestalt an und zog sich eine seiner kurzen braunen Hosen über, da traten auch schon Sam, Embry und Quil aus dem Wald und auf ihn zu. Jake hob den Blick und versuchte die Gefühle der Anderen zu lesen. Seine besten Freunde zeigten unterschiedliche Emotionen. Während Embry etwas peinlich berührt wirkte und offenbar nicht wusste, wie er auf ihn reagieren sollte, sich aber die Mühe machte es nicht zu deutlich zu zeigen und wie immer zu wirken, stand in Quils Gesicht deutlich seine Abscheu und Verachtung für ihn. Der Alpha hingegen ließ sich nicht in die Karten schauen und hatte eine steinerne Miene aufgesetzt.

Jake konnte es Quil nicht verdenken. Er fühlte sich selbst elend, beschmutzt und war von sich selbst angewidert. Ein Glück war es nur, dass sie nun in Menschengestalt reden würden. Da waren die Stimmen der anderen leichter zu ertragen und man konnte sie einfach in den Hintergrund drängen. Aber er war sich sicher, dass das gesamte Rudel aufmerksam diesem Gespräch folgen würden.

Niedergeschlagen senkte Jacob den Blick und scharrte unruhig mit den nackten Füßen auf dem Boden.

„Du hast dich also geprägt?“ eröffnete Sam auch sogleich das Gespräch.

Unwirsch kam die geknurrte Antwort: „Ja.“

„Auf den Fremden, den du getroffen hast?“

Unfähig zu sprechen nickte Jacob kaum merklich. Sam hingegen studierte das Gebaren seines Betas und schwieg, tief in Gedanken.

Bevor Jake noch etwas sagen konnte, um sich zu verteidigen, keifte Quil dazwischen: „Abartig. Und ich dachte ich kenne dich. Ich wusste nicht, dass du eine verdammte Schwuchtel bist.“

Getroffen zuckte Jake zusammen. Ja, er war abartig, so etwas gehörte sich einfach nicht.

„Lass ihn in Ruhe, du Nervensäge. Siehst du nicht, wie er darunter leidet. Er hat es sich nicht ausgesucht und er wollte bestimmt nicht auf einen Kerl geprägt werden. Keiner von uns kann es sich aussuchen auf wen er sich prägt. Vergiss das mal nicht“, sprang Embry für ihn in die Bresche.

Jake war dankbar für diese Unterstützung und das obwohl der andere noch nicht so lange im Rudel war. Mit Embrys erster Verwandlung konnte ihre alte Freundschaft wiederaufleben. Zuvor hatte sich Jake nach seiner eigenen Verwandlung von ihm abwenden müssen, so wie es auch zuvor Quil bei Embry und Jake getan hatte. Nur wenige, außer dem Ältestenrat und den Mitglieden des Rudels, kannten die Wahrheit. Alle anderen des Stammes glaubten nicht wirklich an die Legenden der Gestaltwandler.

Nach der ersten Verwandlung gab es so viel Neues zu lernen und zu beachten, dass sie ihr altes Leben weitestgehend hinter sich lassen mussten. Außerdem verbot Sam den Kontakt mit anderen, solange die neuen Wölfe sich nicht beherrschen konnten. Nicht mal ihren Eltern durften die Gestaltwandler einweihen. So entstand auch das Gerücht, dass Sam eine eigenartige Gang anführte und alle Eltern ihren Kindern einschärften, diese Gruppe zu meiden.

Außerhalb des Stammes kannten nur die Cullens, welche allesamt Vampire waren und mit ihnen einen Vertrag hatten, das Geheimnis ihrer Verwandlung. Vampire und Wölfe waren natürliche Feinde und ihre Anwesenheit löste auch die Verwandlung bei den Jungen aus. Nur aufgrund der Tatsache, dass diese Gruppe von Vampiren kein Menschenblut trank, sondern Tierblut, kam diese Absprache zustande. Sobald sie allerdings einem Menschen Schaden zufügen würden, oder von einem tranken, erlosch der Vertrag und das Rudel würde umgehend angreifen. Ansonsten gab es nur einen einzigen normalen Menschen, der über beide Rassen Bescheid wusste und das war natürlich Bella, welche sich in Edward verliebte und zudem auch noch dabei war als einer vom Rudel sich verwandelte.

„Alter, noch nie hat sich ein Wolf auf einen Mann geprägt, da muss doch was falsch laufen bei dir. Sag mir, hast du schon immer insgeheim auf Kerle gestanden? Hat es dich geil gemacht, uns nackt zu sehen, wenn wir uns verwandelt haben?“

Abermals war sein Freund schneller und konterte: „Tickst du noch richtig? Wir hören die Gedanken der anderen und ich habe nie auch nur einen Gedanken von einem der Unseren gehört, welcher auch nur ansatzweise in diese Richtung gegangen wäre. Keiner von uns ist schwul und Jake ist es auch nicht. Er hat immer nur an Bella gedacht und Bella ist eine Frau!“

Quil, der seine Wut nicht mehr zügeln konnte, knurrte erbost: „Ja, er hat NUR an Bella gedacht, wie ein Mantra, damit keiner von seiner Abartigkeit erfährt.“

„Jake ist nicht abartig nimm das zurück“, knurrte nun auch Embry, vor unterdrückter Wut zitternd.

Die beiden sahen sich noch einen Augenblick lang an, bevor sie aufeinander losgingen. Beide bebten vor Zorn und verwandelten sich in Wölfe. Sie krachten gegeneinander und versuchten den jeweils anderen zu beißen. Dann rollten sie als eine unförmige Fellkugel umher und walzten einen nahen Busch nieder, bevor sie mit einem Mordsradau im Unterholz verschwanden. Zurück blieben nur die Fetzen ihrer Kleidung, welche nun sanft zu Boden fielen und durch den Wind hin und her schaukelten.

Die Zurückgebliebenen sahen ihnen nach und hörten das Jaulen und Knurren, wenn die beiden einander in die Fänge bekamen. Ganz normaler Alltag für Mitglieder eines Rudels. Wenn zwei sich stritten wurde das meist mit einem Kampf entschieden. Alle Gestaltwandler hatten ein aufbrausendes Temperament, welches von ihrer wölfischen Seite herrührte. Da war es ganz normal, dass öfters mal die Fetzen flogen. Ein solches Verhalten hatte viele Vorteile. Zum einen konnten sie ihr Geschick im Kampf auf die Probe stellen und zusätzlich wurde auch so die Rangordnung innerhalb des Rudels ermittelt, zum anderen konnten sie sich abreagieren und ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Als kleinen Bonus wurde auch der Streit, wenn das der Auslöser für den Kampf war, beigelegt, denn der Verlierer des Kampfes übernahm die Meinung des Gewinners.

Ein Kampf endete meist erst dann, wenn einer der Beiden sich dem anderen unterwarf. Äußerst selten kam es vor, dass beide gleichstark waren und es keinen Sieger gab. In so einem Fall war es ein Unentschieden. Beide behielten ihre Meinung bei, aber der Streit war dennoch beendet. Da ihre Wunden sehr schnell heilten, trugen sie normalerweise keine dauerhaften Verletzungen davon. Eines der ungeschriebenen Gesetze des Rudels war, dass nicht bis zum bitteren Ende gekämpft wurde. Sollte doch einmal ein Kampf außer Kontrolle geraten, mischte sich Sam ein und beendete das Treiben indem er beide Kontrahenten unterwarf. Unter seiner Führung hatte es noch nie einen Schwerverletzten oder gar Toten gegeben.

Normalerweise würde Jake grinsend den Kopf schütteln und zusehen wie die Rangelei ausging, aber diesmal war alles anders. Angespannt horchte er in sich hinein und verfolgte die Auseinandersetzung. Sollte Quill gewinnen, würde er die Freundschaft von beiden verlieren. Also hoffte er, auch wenn er das gar nicht verdient hatte, dass Embry gewann.

Schweigend fühlten alle in die Verbindung hinein und beobachten die Gedanken und Gefühle der beiden Duellanten. Embry gewann und beide kehrten rasch zu ihnen zurück. Ohne mit der Wimper zu zucken verwandelten sie sich und standen nun nackt vor den Anderen.

Jake konnte einfach nicht anders und hob den Blick. Er sah in das strahlende Gesicht des Gewinners und ließ dann seinen Blick sinken. Er musste es einfach wissen. Ungeniert betrachtete er erst Embry dann Quil. Beiden war anzusehen, dass sie sich unwohl fühlten und das Grinsen in Embrys Gesicht gefror, als er verstand, was Jake da tat. Beide blieben standhaft und verfolgten gespannt seine Reaktion auf diese Situation.

Jacob gab sich keinen Illusionen hin; wenn er jetzt an das Falsche dachte oder auch nur eine falsche Reaktion zeigte, dann würden sich alle von ihm abwenden. Zugegebenermaßen sahen die beiden einigermaßen gut aus. Für Kerle jedenfalls und soweit er das beurteilen konnte. Muskulös und durchtrainiert, wie alle Gestaltwandler in denen das Gen erwacht war. Das war eben ein Teil ihrer Verwandlung. Er versuchte sich selbst zu ergründen und kam zu dem Schluss, dass ihre Körper ihn vollkommen kalt ließen. Allein der Gedanke daran, mit einem der beiden ins Bett zu gehen, widerte ihn an. Er wandte den Blick ab und stieß erleichtert die Luft aus. Nun war er sich sicher.

Erleichterung machte sich auf den Gesichtern seiner besten Freunde breit. Embry boxte Quil gegen die Schulter und frotzelte: „Siehst du. Er ist weder abartig noch schwul.“

Quil grinste schief und rieb sich den Arm. Ohne einem der anderen ins Gesicht zu schauen sagte er verlegen: „Sorry, eh. Habe nicht nachgedacht.“ Wobei er offen ließ zu wem er eigentlich sprach. Dann gingen sie an Jake vorbei zu dessen Kleiderhaufen und fischten sich je eine Hose heraus.

Besser gelaunt, da er sich selbst bewiesen hatte, dass er eindeutig nicht vom anderen Ufer war, knurrte Jacob: „Hey, das sind meine Sachen. Ihr schuldet mir jeder eine Hose.“

Grinsend und mit in die Hüften gestemmten Fäusten schnatterte Quil: „Alter, deine verranzten Sachen bekommste später wieder.“

„Oder glaubst du wir würden länger als nötig diese hässlichen Fetzen tragen?“, feixte Embry und alle Drei brachen in Gelächter aus. Die Stimmung war gerettet und das Rudel beruhigte sich allmählich.

Nachdenklich mischte sich nun Sam ein und sagte: „Leider ist das nicht ganz so einfach wie ihr drei glaubt. Wenn ein Wolf sich auf eine Person prägt, dann findet er auch nur noch diese Person reizvoll. Vor meiner Prägung konnten mich auch andere Frauen erregen, wie ihr wisst. Ich war damals mit Leah zusammen. Allerdings nach meiner Prägung auf Emily, gibt es nur noch Emily für mich. Vollkommen egal wie attraktiv eine andere Frau auch sein mag, und ob ich sie vor der Prägung heiß fand, ich kann mir nicht einmal vorstellen mit einer anderen ins Bett zu steigen. Das heißt nicht, dass ich keine anderen Frauen ansehen kann oder mir gefallen können, aber es gibt einfach keine körperliche Reaktion mehr. Das ist ein elementarer Teil der Prägung.“

Die drei anderen wurden schlagartig wieder ernst. Erschrocken dachte Jake über diese Information nach und erinnerte sich an die Magazine unter seinem Bett.

Resolut schüttelte Sam den Kopf: „Das kannst du vergessen Jake. Es tut mir leid, aber an diesen Gedanken wirst du dich wohl gewöhnen müssen.“

Die Stimmung des Rudels änderte sich abermals und alle dachten über die daraus resultierenden Konsequenzen nach. Sie konnten die Gedanken der Anderen, wenn sie in Menschengestalt waren, zwar in den Hintergrund drängen, bekamen aber dennoch immer alles mit. Da sie das nicht ändern konnten, hatten sie sich stillschweigend darauf geeinigt, möglichst wegzuhören, wenn einer aus dem Rudel mal Sex hatte. Sie alle waren Männer und standen auf Frauen, was ja auch normal war. Außer, dass der eine oder andere peinlich berührt die Beule in seiner Hose verstecken musste, gab es bisher keinerlei Konsequenzen.

Die Vorstellung, dass sie nun aber auch mitbekommen würden, wenn Jake und dieser Fremde intim wurden, überflutete die Verbindung mit Ekel und Ablehnung. Die Stimmen der anderen wurden lauter und einige begannen bereits sich zu beschweren.

Sam der einsah, dass er in ein Wespennest gestochen hatte, bellte mit der Macht des Alphas: „Ruhe!“ Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und erklärte dann: „So weit ist es noch nicht. Ich werde eine Versammlung der Ältesten einberufen und die ganze Angelegenheit mit ihnen diskutieren. Jake, geh und rede mit deinem Vater. Es ist wohl besser, er erfährt von dir was passiert ist, und nicht von mir, vor versammeltem Rat. Alle anderen halten den Ball flach.“

Wie geschlagen zuckten die Drei zusammen. An seinen Vater hatte Jake bisher noch gar nicht gedacht und daran, ihm alles erzählen zu müssen. Er wurde bleich und begann leicht zu zittern. Das würde nicht gut ausgehen. In ihrem Stamm wurde Homosexualität als abartig und wider die Natur angesehen. Einige wenige, die bei solcherlei Perversität erwischt wurden, jagten sie in Schimpf und Schande davon. Ein solches Verhalten war vollkommen inakzeptabel und der Verbannte durfte nie wieder zurückkehren.

Trostspendend legten ihm seine Freunde je eine Hand auf eine seiner Schultern und drücken ihm so ihr Mitgefühl aus. Dann machen sie sich schleunigst davon. Bei diesem Gespräch wollte keiner von ihnen anwesend sein. Und doch würden sie es mitbekommen, egal wo sie auch hingehen.

Als Jake keine Anstalten machte sich in Bewegung zu setzten, schüttelte Sam den Kopf und schob ihn langsam auf das Haus der Blacks zu.

Versammlung der Ältesten

Black Junior stand nun schon seit mehreren Minuten vor der Haustür. Sam hatte sich derweil mit dem Rücken an die Hauswand neben ihm gelehnt. Mit geschlossenen Augen gab er dem Jüngeren zu verstehen, dass er ihn nicht drängen würde. Beide wussten, dass Jacobs Vater zu Hause war. Sie konnten ihn dank ihrer Wolfssinne wittern.

Mit einem Seufzen auf den Lippen sprach er sich Mut zu und öffnete die Tür. Im Wohnzimmer sitzend schaute Billy auf. Nach einem kurzen prüfenden Blick grüßte er: „Willkommen zu Hause mein Sohn. Es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht und du deinen alten Vater mal wieder besuchen kommst. Wenn du Hunger hast, im Kühlschrank steht noch ein Auflauf von Sue Clearwater.“ Auf Jakes Verhalten die letzten Tage ging er nicht ein. Er hatte Verständnis für seinen Sohn. Er war zwar auch der Meinung, dass sein Sohn eine bessere Partie für Bella darstellte, aber was sollte man machen? Sie hatte sich entschieden.

Jake schloss die Tür und ließ sich seinem Vater gegenüber in einen der Sessel fallen, während dieser weiterredete: „Sie hat mich gestern aufgesucht und um Rat gebeten. Ihre Tochter Leah ist in letzter Zeit einfach nicht mehr sie selbst. Ich vermute mal, dass sie es einfach nicht verkraften kann, dass Sam nun mit Emily zusammen ist. Tja da kann man wohl nichts machen. Sie kennt die Hintergründe nicht. Armes Mädchen. Wenn sie nur…“

Bei der Erwähnung von Sams Prägung erbleichte Jake und wandte rasch den Blick ab. Unbeabsichtigt hatte Billy genau das entscheidende Thema aufgegriffen. Als sein Vater sein Verhalten sah, wurde er still und fragte: „Was ist los Jacob? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“

Jake schluckte mehrere Male und erwiderte: „Dad ich muss dir was sagen.“ Nach dieser Einleitung verließ ihn sein Mut und er knetete seine Hände im Schoß. Wie sollte er seinem stolzen Vater diese Geschichte erklären? Würde er ihn verstoßen, weil er auf einen Mann geprägt war?

Billy rollte seinen Rollstuhl ein wenig herum, um ihn besser ansehen zu können. Dann faltete er seine Hände im Schoß und wartete geduldig.

Als nach einigen Minuten immer noch Schweigen herrschte, erklang Sams Stimme in der Verbindung: „Jake, ich weiß du hast Angst vor seiner Reaktion, aber er wird es erfahren. Diese Angelegenheit muss vor den Rat. Und ich möchte Billy nicht vor den anderen Ältesten bloßstellen. Entscheide dich: Entweder du sagst es ihm jetzt oder ich mache das.“

Jacobs Entsetzen durchdrang das Rudel, gemischt mit dessen Angst. Plötzlich giftete Paul: „Ja, sag es ihm. Sag dem Häuptling, dass sein Sohn ein perverser Homo ist. Er wird dir bestimmt eine Party schmeißen.“

„Ruhe! Wie kannst du es wagen? Paul das wird ein Nachspiel haben!“, bellte Sam. In seinem Zorn hatte er auch laut gesprochen und die beiden Backs zuckten kurz zusammen. Während Billys Stirn sich in Falten legte und er zur Tür schaute, wo die Stimme des Alphas hergekommen war, begann Jake zu zittern. Er war kurz davor in Tränen auszubrechen und wie ein Baby zu heulen. Mit aller Gewalt drängte er das Wasser in seinen Augen zurück.

Sam besann sich seiner Umgebung und wurde still. Dann konnte Jake die Stimme des Alphas in seinem Kopf hören: „Jake, du bist der Sohn des Häuptlings und Nachfahre einer langen Reihe stolzer Krieger. Du hast deinen Mut schon oft unter Beweis gestellt. Du bist nach mir der stärkste Wolf des Rudels und hast dich in Windeseile zu meinem Beta hochgekämpft. Dein Vater liebt dich Jake. Er wird dich nicht verstoßen. Er weiß, was die Prägung ist und, dass du keinen Einfluss darauf hattest. Ich bin dein Alpha und du bist Teil meines Rudels. Das Rudel beschützt sich gegenseitig, du bist nicht allein. Außerdem stehe ich vor der Tür und dein Vater weiß das jetzt auch. Wenn es sein muss, kann ich jederzeit einschreiten.“

Erleichterung durchflutete Jake und sprach ihm neuen Mut zu. Sam stand immer noch hinter ihm. Genau wie Quil und Embry. Er war kein Weichei und schon gar nicht feige. Er war Jacob Black und es wurde Zeit, dass er auch dementsprechend handelte. Rasch sammelte er sich und machte mit einem Räuspern auf sich aufmerksam. Sofort wandten sich die Augen seines Vaters wieder ihm zu.

„Dad, als ich heute durch den Wald gelaufen bin ist etwas vorgefallen…“ Mit fester Stimme redete er weiter und erzählte die ganze Geschichte. Währenddessen sah er seinem Vater unverwandt direkt in die Augen. Erst war Billy besorgt, dann verblüfft und schlussendlich wütend.

Nachdem sein Sohn fertig war, sah der Häuptling so wütend aus, wie Jake ihn noch nie gesehen hatte. Seine Augen verengten sich und er fragte mit beunruhigend ruhiger Stimme: „Bist du schwul, mein Sohn?“

Jake hielt dem Blick stand und erwiderte: „Nein. Ich schwöre, dass ich noch nie eine solche Neigung hatte. Für mich gab es immer nur Bella und sonst niemanden.“

Das beruhigte Billy und sein Blick wurde etwas weicher, als er zu sprechen begann: „Das ändert aber leider nichts an dieser unnatürlichen Situation. Du bist auf einen Mann geprägt. Wenn du es nicht warst, dann bist du jetzt schwul. Die Blutlinie der Blacks stirbt also mit mir.“

Jake knurrte erbost: „Die Blutlinie endet mit mir Vater, nicht mit dir.“

„Du bist auf einen Mann geprägt. Du wirst nie eigene Kinder haben. Das Geschlecht der Blacks ist dem Untergang geweiht. Noch nie war ein Gestaltwandler auf einen Mann geprägt. Das ist eine Abscheulichkeit. Du bist eine Abscheulichkeit“, spie Billy ihm entgegen.

Bei diesen Worten zerbrach etwas in Jake. Sein Vater war drauf und dran sich in Rage zu reden und würde ihn womöglich auf der Stelle enterben und rauswerfen. Er konnte einfach nicht anders, senkte den Blick, fiel in sich zusammen und begann wie ein kleines Kind zu schluchzen.

Plötzlich öffnete sich die Haustür und Sam betrat ungebeten das Haus. Mit kaum unterdrücktem Zorn bellte er: „Es gibt Wichtigeres als deine Erblinie zurzeit. Deinem Sohn geht es schlecht. Siehst du das denn nicht? Außerdem leben wir nicht mehr im Mittelalter. Auch wenn Jake keine Frau schwängern kann, so gibt es heutzutage andere Mittel und Wege, um Kinder zu zeugen.“

„Du vergisst dich Sam. Das ist immer noch mein Haus. Raus hier, das geht nur mich und meinen Sohn etwas an!“, schrie Billy und wenn er es gekonnt hätte, wäre er wohl auf der Stelle aufgesprungen und hätte Sam rausgeworfen. Da dies aber seine Fähigkeiten überstieg, griff er nach einer alten staubigen Vase neben sich und warf sie gegen den Eindringling.

Der Alpha wischte den Einwand mit einer Geste einfach weg und fing gleichzeitig die Vase mit derselben Hand auf. Diese Bewegung schien so mühelos, dass Billy zurückschreckte. Bemüht ruhig und um den Frieden wiederherzustellen sprach Sam seine Gedanken aus: „Jacob ist Teil des Rudels, vergiss das nicht Billy. Das Rudel beschützt sich gegenseitig. Somit geht es mich eine Menge an, wenn du Jake wehtust. Außerdem gibt es, wie gesagt, Wichtigeres zu klären. Du musst umgehend die Ältesten einberufen. Sie müssen von dieser Angelegenheit erfahren.“

„Du willst mich also vor allen bloßstellen? Das werde ich nicht zulassen!“, zeterte der Häuptling und spuckte beim Sprechen vor lauter Zorn.

„Es geht nicht um die Frage, ob Jake schwul ist und was das für deine Erblinie bedeutet. Das können wir später immer noch im Ruhigen erörtern. Dieser Aspekt geht den Rat nichts an.“

Misstrauisch fragte Billy und wurde wieder beunruhigend ruhig dabei: „Und um was geht es? Was ist deiner Meinung nach in diesem Augenblick so wichtig?“

Sam war froh, dass der Ältere aufgehört hatte zu schreien und auch keine Anstalten mehr machte, weitere Dinge gegen ihn zu werfen. So erklärte er sachlich: „Es geht um diesen Mann auf den Jake geprägt ist. Dieser Mann hat die Fähigkeit die Verbindung des Rudels zu stören. Zudem schleicht er schon, wer weiß wie lange, ungesehen und unerkannt in unserem Revier umher. Er ist weder Mensch, Vampir noch Gestaltwandler. Aber was ist er dann? Stellt er eine Bedrohung für den Stamm dar? Was wenn ja? Nach unserem obersten Gesetz darf kein Wolf einer geprägten Person etwas zuleide tun, aber was, wenn er uns feindlich gesonnen ist? Diese Dinge müssen wir erörtern und zwar so schnell wie möglich.“

Beide Männer taxierten sich einen Augenblick, dann knickte Billy ein. Sein Verhalten war nicht hinnehmbar und eines Häuptlings nicht würdig. Sams Einwände hatten Hand und Fuß und waren wirklich wichtiger als seine Belange. Immerhin stand das Schicksal des gesamten Stammes auf dem Spiel.

Von der Rangordnung her gesehen standen die Beiden auf derselben Stufe. Billy war der Häuptling aller Einwohner in La Push, mit Ausnahme der Wölfe, diese wurden von Sam als Alpha des Rudels vertreten. Beide stellten einen Teil ihres Stammes dar. Und beide waren Mitglieder des Ältestenrates und diesem Gremium Rechenschaft schuldig. Aber die Entscheidung den Rat einzuberufen blieb allein dem Häuptling vorbehalten. In ihrer Stammesgeschichte hatte es auch hin und wieder den Fall gegeben, dass der Häuptling und der Alpha dieselbe Person waren. Dies wollte der Ältestenrat aber wenn möglich vermeiden um keine Interessenkonflikte zu schaffen und die Aufgaben zu teilen erwies sich als der bessere Weg den Frieden zu bewahren.

„Du hast Recht Sam, diese Angelegenheit muss geklärt werden. Ich werde sofort den Rat einberufen“, offenbarte der Älteste der Runde seinen Entschluss. Seine Stimme war dabei wieder zu ihrer normalen ruhigen Tonlage zurückgekehrt und sein Wutausbruch war wohl fürs Erste ausgestanden.

Billy griff bereits nach dem Telefon, da bemerkte Sam trocken: „Das kann jetzt auch noch fünf Minuten warten. Als allererstes solltest du dich um deinen Sohn kümmern. Das Gesagte sollte so nicht im Raum stehen bleiben.“

Der Rollstuhlfahrer sah zu dem Häufchen Elend, was einmal sein stolzer Sohn gewesen war. Er war eindeutig zu weit gegangen und bereute nun seinen Ausbruch. Er legte die Hände auf die Räder seines Rollstuhles und manövrierte sich zu seinem Sohn hin. Nach nur wenigen Sekunden stellte sich Sam hinter ihn und half ihm bei seiner Bemühung den Raum zu durchqueren.

Jake hatte sich derweil vollkommen abgeschottet und war in sich gekehrt. Die Ablehnung seines Vaters schmerze ihn so sehr, dass er einfach nicht anders konnte, als sich seinen Tränen hinzugeben. Er hatte die Beine auf den Sessel hochgezogen und mit den Armen eng umschlossen. Dabei versuchte er sich so klein wie möglich zu machen und wippte aufgelöst vor und zurück. Wie ein Mantra brabbelte er dabei vor sich hin: „Ich bin nicht schwul. Ich bin nicht schwul. Ich…“

Der Jüngste zuckte entsetzlich zusammen, als er eine Hand auf seinem Kopf spürte. Dann wurde er in eine enge Umarmung gezogen. Mit lauterer Stimme wiederholte er seine Worte und schluchzte: „Ich bin nicht schwul!“

„Sch… Jake, beruhige dich. Es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht. Bitte entschuldige meine Reaktion. Ich wollte dir nicht weh tun. Du bist nicht schwul. Es ist nicht deine Schuld. Dieser fremde Mann ist schuld. Er alleine trägt die Schuld. Beruhige dich“, tröstete Billy seinen Sohn und seine Worte zeigten Wirkung.

Jake klammerte sich an seinen Vater, rutschte vom Sessel und vergrub den Kopf in Billys Schoß. Dann ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Er konnte einfach nicht mehr. Die ganze Situation war zu viel für ihn und er brauchte das jetzt. Wie ein Kleinkind streichelte sein Vater ihm beruhigend über den Kopf und redete ihm gut zu.

Sam schien zufrieden und wandte sich zum Gehen. Da griff der Ältere nach seinem Arm und er drehte sich nochmals um. „Danke Sam. Ich danke dir, dass du mich aufgehalten hast, bevor ich etwas Unverzeihliches tun konnte.“ Der Alpha nickte dem Mann kurz zu und ging dann. Es gab noch viel zu tun und Jake war fürs erste außer Gefahr.

Es dauerte ein geschlagene Viertelstunde bis sich Jake wieder einigermaßen gefangen hatte. Dann stand er auf und nuschelte: „Ich gehe schnell duschen und ziehe mir was Ordentliches an.“

Mit vor Scham geröteten Wangen stand er lange unter dem warmen Wasser. Er fühlte sich beschmutzt und versuchte sich mit aller Kraft sauber zu waschen. Zudem hatte er sich seiner Schwäche hingegeben. Das Rudel würde ihn bestimmt auslachen. Das durfte nicht noch einmal geschehen. Er ermahnte sich stark zu sein und schritt erhobenen Hauptes aus der Kabine. Anschließend trocknete er sich schnell ab, schwang sich das Handtuch um die Hüften und besah sich im angelaufenen Spiegel.

Die Spuren seiner Tränen und den Schmutz des Waldes war er losgeworden. Dennoch fühlte er sich weiterhin dreckig. Aber dieses Gefühl würde er nicht so einfach wegspülen können. Er hatte es versucht und sich dabei die Haut wund gescheuert. Zum Glück regelten das aber seine Selbstheilungskräfte als Wolf. In wenigen Minuten würden die wunden Stellen verschwunden sein und keiner würde davon erfahren.

Er klatschte sich die Hände an die Wangen und entschied, sich nicht unterkriegen zu lassen. Egal was noch kommen würde, er war stark genug alles zu verkraften. Schluss mit der Kleinkindnummer.

„Sei ein Mann“, sagte er zu sich selbst und ging in sein Zimmer. Dort suchte er eine Weile nach was Brauchbarem zum Anziehen. Da in seinem Kleiderschrak kaum noch was vorhanden war, zum einen seinem übermäßigen Verschleiß durch die Verwandlungen geschuldet, zum anderem weil er schon lange nicht mehr die Wäsche gemacht hatte, bewaffnete er sich mit einer frischen Boxershorts und suchte im Sammelsurium seines Junggesellenzimmers nach weiteren Kleidungstücken. Er fand auf seinem Bürostuhl ein T-Shirt, dessen Geruch noch akzeptabel war und seine Muskeln gut betonen würde. Zudem förderte er unter seinem Bett eine noch als brauchbar eingestufte lange Jeans hervor. Socken fand er leider keine mehr und so stibitzte er seinem Vater ein Paar. Dann ging er vor die Tür, wo sein letztes Paar Schuhe stand. Er hatte in letzter Zeit einfach zu viele zerfetzt und musste dringend mal für Nachschub sorgen.

Die mangelnde Kleidervielfalt war eben ein Berufsrisiko als Wolf. Deshalb liefen Mitglieder des Rudels meistens barfuß umher und trugen nur eine Hose, wenn’s hoch kam noch eine Boxer darunter. Das war ihre kollektive Art ihr Budget im Auge zu behalten.

Kaum, dass er fertig war, schob sich auch schon sein Vater aus dem Haus. Sie sahen sich kurz in die Augen und verständigten sich stumm darauf, über das letzte Gespräch und seine Folgen kein Wort mehr zu verlieren. So lief das eben bei ihnen. Keiner würde die Situation nochmal ansprechen und alles war in Ordnung. Manche Dinge änderten sich nie und dafür war Jake auch dankbar. Den abschätzigen Blick in den Augen des alten Mannes überging er einfach. Beide mussten sich an die neuen Umstände erst gewöhnen. Doch überkam ihn dunkel die Ahnung, dass das Thema seiner Sexualität noch nicht ausgestanden war.

In der Dusche konnte er Billy mit den Mitgliedern des Rates sprechen hören und wusste daher, dass sie sofort losfahren würden. Sein Vater hingegen wusste, dass er ihn gehört hatte. Jake lief zu ihrem alten Pickup und öffnete die Beifahrertür. In der Zwischenzeit rollte Billy neben ihn und ließ sich dann auf den Sitz heben. Bevor in Jacob das Wolfsgen erwacht war, hatte er immer Mühe gehabt den alten Mann ins Auto zu bekommen, aber nun hätte er ihn locker mit einer Hand heben können, wenn er das wollte. Nur wenige Augenblicke später hatte der Gestaltwandler auch den Rollstuhl auf die Ladefläche geworfen und sie fuhren los.

Als sie an dem geheimen Treffpunkt, fernab des Dorfes, ankamen, fanden sie Sam vor, welcher bereits seinen Platz eingenommen hatte und offenbar tief in Gedanken schien. Jake hörte in die Verbindung hinein, hörte aber nicht allzu viel. Nur hin und wieder blitzten einzelne Gedanken auf. Offenbar hatte Sam das Rudel zum Schweigen verdonnert, als Jake aufgrund seines Gefühlsausbruchs nichts mitbekommen hatte.

Kaum das Billy seinen Platz als Häuptling eingenommen hatte, tauchte auch der Rest des Rates auf. Es wurde langsam dunkel und Jake sammelte sich. Er würde gleich wieder alles erzählen müssen.

Die Sitzung verlief sehr schlecht. Die Mitglieder des Rates waren fassungslos über die Prägung und in ihren Blicken konnte Jacob deutlich die Abscheu erkennen. Auch wenn alle versuchten möglichst sachlich zu bleiben, musste er einige Spitzen einstecken. Aber nach allem was heute schon passiert war, prallten diese scharfen Worte einfach an ihm ab. Er versuchte sich wie immer zu geben und zeigte sich von seiner besten Seite. Selbst sein Vater war erstaunt, wie gut er mit dem Verhör umging und schenkte ihm ein anerkennendes Kopfnicken. Alles in allem bereitete er weder sich, noch dem Häuptling, Schande.

Nachdem dann Sam das Wort ergriffen und seine Gedanken bezügliches des Fremden geäußert hatte, entstand eine hitzige Diskussion. Überrascht und auch etwas entsetzt war Jake darüber, dass Billy scharf darauf plädierte, den Mann als Feind einzustufen und ihn vom Rudel verjagen zu lassen. Jacob wurde bei diesem Gedanken ganz flau im Magen, setzte aber eine steinerne Maske auf und versuchte nicht an die Folgen für ihn, bei diesem Unterfangen, zu denken. Sam hingegen war sehr ruhig und mischte sich kaum in die Debatten mit ein, sprach sich aber gegen die Ermordung oder Zerstörung des Mannes aus, solange dieser nicht zu einer Bedrohung wurde.

Mitten in der Nacht und nach mehreren Stunden, in denen der Rat alle Fürs und Widers abgewogen hatte, überstimmte der Rat Billy. Sie mahnten Sam, und somit das ganze Rudel, allerdings zur äußersten Vorsicht. Sollte der Mann sich erneut zeigen, bekam das Rudel den Auftrag ihn gefangen zu nehmen, oder ihn zu verjagen. Das oberste Gesetz sollte jedoch um Jakes Willen eingehalten werden, es sei denn der Fremde griffe an oder stellte eine Bedrohung für Menschen da. Mit dieser Entscheidung konnte Jake leben. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt nach dem Fremden zu suchen und wollte dessen Nähe tunlichst meiden.

Während der gesamten Rückfahrt tobte Billy und schimpfte den Rat Narren. Sie würden die immense Bedrohung nicht sehen, dass würde ein schlimmes Ende nehmen, prophezeite er. So kannte Jake seinen Vater nicht. Aber er konnte ihn sehr gut verstehen, behielt seine Gedanken allerdings für sich. Erst nachdem er seinem Vater ins Bett geholfen hatte, beruhigte dieser sich und wünschte ihm eine gute Nacht. Vollkommen erledigt schmiss Jake sich auch gleich auf seine Matratze, ohne Zeit mit dem ausziehen zu verschwenden und schlief fast sofort ein.
 

Tief im Wald, auf eben derselben verhängnisvollen Lichtung, gab es einen zweiten unheimlichen Lichtblitz und der fremde Mann stand wieder dort. Er schüttelte sich und suchte schnell die Umgebung ab. Leise redete er dabei vor sich hin: „Ihr Götter, steht mir bei. Das hätte nicht passieren dürfen.“ Als er sicher war allein zu sein, entspannte er sich wieder und sah zum dunklen wolkenverhangenen Nachthimmel empor.

„Wie hat es dieser Gestaltwandler geschafft meine Barriere zu durchdringen? Das sollte eigentlich nicht möglich sein. Er hätte es nicht bis zur Lichtung schaffen dürfen.“

Nachdenklich faltete er die Hände vor der Brust und dachte laut nach. „Ich muss einen Fehler bei der Barriere gemacht habe, das ist die einzige Erklärung. Und dann taucht er auch noch ausgerechnet in diesem Moment hier auf. Das war der denkbar ungünstigste Zeitpunkt meine Konzentration zu stören. Ich habe sein Schicksal geändert. Er hat sich auf mich geprägt. Ich konnte es nicht verhindern. Das darf nicht sein.“

Wütend knurrte der Mann: „Das ist alles meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen und nicht so sorglos sein sollen. Das wird Ärger geben. Gewaltigen Ärger. Ich muss das wieder in Ordnung bringen. Aber wie?“

Er schloss die Augen und spürte in sich hinein. Da war eine neue Verbindung, welche da nicht hätte sein dürfen. Sie ging von dem Wolf aus und führte zu ihm. Distanzen spielten bei derlei Verbindungen keine Rolle. Mit aller Macht versuchte er sich davon zu lösen, aber es gelang ihm nicht.

Wütend aufgrund seines Misserfolges öffnete er seine Augen und sah in die Richtung, von der er wusste, dass da der Gestaltwandler war.

„Ich muss ihn im Auge behalten und eine Lösung für dieses Problem finden. Aber zunächst muss ich herausfinden wer dieser Junge überhaupt ist. Ich hoffe es geht ihm gut“, und mit diesen Worten machte er sich auf den Weg.

Täglich grüßt das Murmeltier

Es waren nun schon einige Tage seit dem Vorfall vergangen. Zwischen Jake und seinem Vater lief es einigermaßen gut. Ihre Beziehung zueinander war zwar etwas abgekühlt, aber beide gaben sich Mühe ganz normal zu sein.

Im Rudel allerdings herrschte Chaos. Schon am nächsten Tag in aller Herrgottsfrühe war Paul bei ihnen aufgetaucht und hatte Jake so lange beschimpft, bis es zu einem Kampf kam. Nach seinem Sieg starrte Jacob angefressen auf die Überreste seiner Schuhe. „Verdammt. Das waren meine Letzten. Das wird Dad nicht gefallen.“

Paul hatte sich ihm zwar unterworfen, aber seltsamerweise war die Angelegenheit damit nicht aus der Welt geschafft. Er gab zwar einige Stunden Ruhe, aber dann begann er erneut zu sticheln. Auch der Rest des Rudels war nicht gut auf Jake zu sprechen.

In den darauffolgenden Tagen hatten ihn alle, außer Embry, immer wieder zum Kampf herausgefordert. Paul sogar bis zu drei Mal am Tag. Sogar Quil hatte seine Meinung geändert und war in das Lager „schlagt den Jake“ übergegangen.

Sam war ratlos, hielt sich aber weitestgehend raus. Er achtete nur darauf, dass sein Beta zwischen den Kämpfen genug Zeit hatte sich zu erholen und dass sich keiner ernsthaft verletzte. Auch Embry, weil er sich eben nicht gegen Jacob stellte, musste einiges einstecken und wurde in Kämpfe verwickelt.

Es war ein zermürbendes Unterfangen sich gegen so viele zur Wehr zu setzen. Jake hielt bisher wacker Stand, auch wenn er langsam nicht mehr weiterwusste. Die Wölfe weigerten sich auch mit ihm zusammen auf Streife zu gehen und rebellierten ein ums andere Mal, wenn Sam sie dazu zwang. Am Ende überließ der Alpha es dann Embry mit Jake umherzuziehen. Solange dieser Fremde noch in der Gegend sein konnte, sollte keiner allein patrouillieren.

Heute Morgen dann, wurde Embry von Paul besiegt und Jacob verlor seinen letzten Fürsprecher. Daraufhin war er wütend in den Wald gestürmt und verschaffte sich eine Ruhepause in dem er das Rudel weit hinter sich ließ.

Zu allem Überfluss hatten die Wölfe mehrere Male schon eine fremde Fährte gewittert und Jake hatte bestätigt, dass es sich um den Fremden handelte. Jedoch konnten sie ihn einfach nicht finden. Die Spur begann einfach im Nichts und endete kurze Zeit später auch wieder. Den Mann selbst hatten sie noch nicht gesehen. Das bereitete vor allem Sam Sorge, da die Fährtenschnippsel rund um das Dorf verteilt lagen.

Jake war außer sich und rannte als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Seine anfänglichen Bedenken den Fremden anzugreifen waren verflogen. Sollte er ihn finden, würde er ihn töten. Zu viel Leid hatte er schon wegen diesem Mann ertragen müssen und es schien kein Ende zu nehmen.

Plötzlich nahm er Witterung auf und folgte im raschen Tempo der Spur. Diesmal allerdings war die Fährte sehr frisch, nur wenige Minuten alt und er rief das Rudel zusammen. Aus allen Richtungen vor ihm erklang Wolfsgeheul und sie versuchten den Feind einzukesseln.

Und tatsächlich: Diesmal schienen sie Erfolg zu haben. Nur einige Momente später durchbrach Jake einen Busch und keine fünfzig Meter vor ihm stand der fremde Mann auf einer Wiese. Er sah ihn direkt an und zeigte keine Anzeichen von Angst, als Jake noch einem beschleunigte und zum Angriff überging.

„Jake nein, lass das. Warte bis wir da sind“, schrie ihn Sam an, aber er ignorierte seinen Alpha einfach. Genug war genug. Der Fremde musste sterben, dann würde vielleicht alles wieder wie früher werden.

Mit einem bedrohlichen Knurren aus seiner Kehle stürzte er sich auf den Mann und riss ihn in mit voller Geschwindigkeit von den Füßen. Nur am Rande bekam er mit, dass der Mann sich nicht wehrte.

Nun stand er über ihn gebeugt und geiferte auf ihn nieder. Sein Fell war gesträubt und in seinen bernsteinfarbenen Augen glühte sein Zorn. Sein Kiefer stand halb offen bereit für den Todesstoß und er knurrte so böse, wie noch nie in seinem Leben.

Der Mann sah ihn einfach nur an, sagte nichts, bewegte sich auch nicht nur einen Millimeter. Einzig das Auf und Ab seiner Brust und die Bewegung seiner Augen verrieten, dass er am Leben war und keine leblose Puppe. In dieser Position verharrten sie eine unendliche Weile. Nur ein Zucken des Mannes und Jake würde ihn töten. Das schwor er sich. Die blauen Kristalle musterten den Wolf über sich. Noch immer lag nicht eine Spur von Angst in ihnen.

Aus dem Unterholz preschte nun auch der Rest des Rudels hervor und sie blieben wie angewurzelt stehen. Alle sahen dem Schauspiel zu und warteten ab was geschehen würde. Erneut versuchte Sam mit Jake zu reden, aber dieser bekam das gar nicht wirklich mit. Ungehalten knurrte der Alpha auf.

Als wäre das das Zeichen gewesen, schrie Jake im Geiste: „Stirb!“ und ließ seinen gewaltigen Kiefer niederfahren. Er umschloss mit seinen alleszerstörenden Zähnen den Hals des Mannes und berührte dessen Haut. Er spürte die Wärme des anderen auf seiner Zunge und das Pulsieren von Blut in den Adern unter seinen Zähnen, aber er konnte sein Maul nicht schließen.

Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild auf. Er sah das grinsende Gesicht des Anderen vor, wie dieser ihn voller Liebe und Vertrauen ansah. Dieses Bild lähmte Jake und er konnte sein Werk nicht beenden. Er wusste, dass das die Prägung war. Sie hinderte ihn daran dem Mann das Leben zu nehmen.

Seine Wut war wie weggeblasen. Sein Nackenfell legte sich und das Knurren seiner Kehle erstarb. Einige Momente verharrte er in dieser Position, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, oder sich zu bewegen. Dann entwich dem Mann ein schwerer Seufzer und er schüttelte den Kopf. Jake spürte diese Bewegung an seinen Zähnen. Sie kratzten über dessen Haut, konnten sie aber nicht durchdringen.

Erschrocken machte Jake einen Satz zurück und der Mann drückte sich verzweifelt die Hände ins Gesicht. „Was für ein Schlamassel. Wenn du nur hättest zubeißen können, dann wäre das Problem gelöst und du wärst wieder frei.“

Die Stimme des Mannes war melodisch und Jake war sich sicher, dass er noch nie in seinem Leben eine lieblichere Stimme gehört hatte. Für ihn war sie wie ein Sirenengesang. Er war ihr vollkommen verfallen, unfähig zu widerstehen.

Verzweifelt schloss er die Augen und presste die Lider aufeinander. „Ich bin Jacob Black. Ich bin nicht schwul!“, ermahnte er sich unter Aufbietung all seiner Willenskraft. Dann schrie er in die Verbindung: „TÖTET IHN! TÖTET IHN!“

Paul, Embry und Quil sprangen auf seinen Befehl hin los und sprinteten auf den Mann zu. Doch bevor sie ihn erreichten zwang Sam sie mit seiner Macht stehen zu bleiben: „Nein, keiner greift ihn an!“

„Das durfte doch nicht wahr sein“, schoss es Jacob durch den Kopf. Am Ende seiner Kraft öffnete er die Augen und sah, dass der Mann auf die Ellbogen gestützt die drei Wölfe um sich musterte. Noch immer zeigte er kein Anzeichen von Angst. Es schien ihn eher zu amüsieren, denn er begann leicht zu lächeln.

Das war zu viel für Jake: Er machte auf dem Absatz kehrt und sprintete in den Wald. Er wollte nur eines, nämlich den Mann so weit hinter sich zu lassen wie es nur möglich war. Am Rande bekam er noch mit, wie dieser eine Hand nach ihm ausstreckte und sagt: „Warte Jacob, wir müssen reden.“ Da brach er auch schon durch einen Busch und verschwand im Unterholz.

Er rannte und rannte, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach und nach Luft hechelnd auf dem Waldboden zum Liegen kam. Von den Gedanken der anderen erfuhr er, dass der Mann aufgesprungen war und ihm kurz folgte, das Rudel an den Fersen. Keiner hatte damit gerechnet, dass dieser Fremde sich so schnell wie ein Vampir bewegen konnte. Aber nur wenige Momente nach Beginn der Verfolgungsjagd besann er sich offenbar anders, drehte ab und rauschte wie der Wind davon. Das Rudel konnte nicht mal annähernd Schritt halten und hatte ihn nach wenigen Sekunden bereits aus den Augen verloren. Wie schon so oft endete auch die Fährte wenige Meter weiter und der Mann war spurlos verschwunden.

Jake war wütend auf sich selbst, weil er den Mann einfach nicht töten konnte. Nebenher verfolgte er der Diskussion im Rudel. Viele hielten Sams Eingreifen für falsch und stellten sich auf Jacobs Seite. Der Mann musste sterben, allein schon deswegen, um den Frieden in ihrer Gemeinschaft wiederherzustellen. Aber keiner schaffte es Sam zu überzeugen und er beendete das Gespräch, indem er alle zum Schweigen verdonnerte.

Erst spät in der Nacht kehrte Jake nach Hause zurück und fiel todmüde auf sein Bett. Noch bevor er die Matratze richtig berührte, war er auch schon eingeschlafen.

 

Die nächsten Wochen spitzte sich die Lage langsam zu und Jacob stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Das einzig Gute seit der zweiten Begegnung mit dem Unbekannten war, dass sein Rudel nun wieder hinter ihm stand und ihn in Ruhe ließ. Selbst Paul war beeindruckt von Jakes Initiative und wie er sich gegen die Prägung zur Wehr setzte. Für alle war es mehr als nur bedeutend, dass Jake zumindest versucht hatte den Mann zu töten und dass trotz oder gerade wegen ihrer Verbindung zueinander.

Keiner der anderen wollte mit ihm tauschen und sich in so einer Situation wiederfinden. Sie wussten aus den Gedanken von Sam, wie stark einen die Prägung beeinflusste und waren davon überzeugt gewesen, dass sich Jake dem Mann um den Hals werfen würde und sich gegen sie stellte, wenn es zum Kampf kommen sollte. Das wäre jedenfalls normal gewesen. Doch Jake trotzte seinem aufkommenden Verlangen nach der Nähe des Mannes dank seiner immensen Willenskraft. Wann immer der Zwiespalt in ihm aufkam, wiederholte er sein Mantra und das Rudel unterstützte ihn dabei.

Aber das half nichts gegen die aktuelle Situation. Schon am nächsten Tag, als Jake kopflos im Wald umher rannte, traf er erneut auf den Mann. Dieser stand urplötzlich einfach vor ihm und er musste scharf bremsen, um ihn nicht umzurennen. Vollkommen baff hatte der Gestaltwandler dagestanden und den Anderen angestarrt. Dieser hob beschwichtigend eine Hand und wiederholte seine Worte vom Vortag: „Jacob, wir müssen reden.“

Auch wenn die Stimme des Mannes ihn lockte darauf einzugehen, sträubte sich sein Fell und er sprintete davon, während er das Rudel informierte. Als sie dann aber, Sam allen voran, an der Stelle ankamen, war der Mann schon weg. Eigenartigerweise gab es diesmal überhaupt keine Spur, der sie folgen konnten. Der Geruch des Mannes war vorhanden, das war nicht das Problem, aber er begann und endete an genau der Stelle, an der er gestanden hatte.

Seit diesem erneuten aufeinandertreffen wurde es immer schlimmer. Wann immer Jake in den Wald ging traf er auf den Mann. Mal wartete dieser auf einem Stein stehend oder auf einer Lichtung, andere Male saß er auf einer Wiese oder auf einem niedrig hängenden Ast. Wann immer Jake auf ihn traf machte er einen Haken wie ein Hase und rannte einfach weiter. Der Fremde hingegen bewegte sich nicht und schaute ihm nur mitleidig hinterher. Er versuchte nie ihm zu folgen und war stets unauffindbar, wenn das Rudel die Stelle erreichte.

Nachdem Embry scherzhaft dachte, dass es so schien, als ob der Kerl aus dem Boden wachsen würde, ließ Sam das Rudel eine ganze Nacht lang die Umgebung einer der Stellen umgraben, um sicherzustellen, dass der Fremde keine Tunnel benutzte. Aber außer ein paar Hasen, zwei Fuchsbauten und einem zu Tode erschrockenen Dachs fanden sie nichts.

Jake hatte schon alles Mögliche ausprobiert, um diese Treffen zu vermeiden. Er war in verschiedene Richtungen losgerannt, hatte mehrere Tage im Wald verbracht, um ihn abzuhängen; hatte sich eine ganze Flasche Parfüm übergeschüttet, um seinen Geruch zu überdecken; waghalsig und am Verzweifeln hatte er es sogar mit dem Revier der Cullens versucht, alles ohne Erfolg.

Einmal war er sogar völlig entnervt zu Hause geblieben und hatte fast einen Herzinfarkt bekommen, als er aus dem Küchenfenster sah und den Mann am Waldrand vorfand. Das Letzte was er wollte war, dass der Mann vielleicht noch auf die Idee kam bei ihnen zu klingeln und er auf Billy traf. Sein Vater hatte ohnehin schon öfters einen Wutausbruch. So kannte er ihn gar nicht, aber wenigstens verstanden sie sich noch. Beide mieden allerdings DAS Thema. Nachdem er dann Hals über Kopf aus dem Haus geflohen war, hatte er sich nicht mehr getraut zurückzukehren. Er schlief im Wald und wenn er hungrig war ging er jagen.

Entgegengesetzt zu Jakes Bestreben, den Fremden zu meiden, hatte der Rest des Rudels genau das Gegenteil im Sinn. Unter Sams Anweisung suchten sie akribisch alles ab und drehten gefühlt jeden Stein im Wald um, ohne Erfolg. Was sie mit ihm vorhatten wussten sie selbst nicht so genau. Der Kerl war einfach unheimlich und ihnen nicht geheuer.

Mehrere Male hatten Sam verschiedene Wölfe als Jakes Begleitung abgestellt, aber jedes Mal nachdem Jake das Weite gesucht hatte, verschwand der Mann spurlos. Das Seltsame dabei war allerdings, dass nie einer der Wölfe ihn direkt dabei beobachten konnte wie er entkam. Immer geschah etwas Unerwartetes, was den betreffenden Wolf kurz ablenkte. Ein Blitzschlag ohne Gewitter; ein Blätterrascheln hinter sich; eine schattenhafte Bewegung, am Rande des Sichtfeldes; ein Geruch oder sogar einfach nur ein Blinzeln und schwupp war er weg. Sie hatten sogar Jake als Köder eingesetzt, um dem Mann eine Falle zu stellen, aber er tauchte nie auf, wenn sie ihn erwarteten.

In einer weiteren Sondersitzung des Rates wurde der Vorschlag geäußert, dass Jake doch mal mit dem Mann reden sollte. Sam und Billy waren allerdings strikt gegen diesen Vorschlag und darüber war Jake auch froh. Es graute ihm davor mit dem Mann reden zu müssen. Außerdem hätte er sich dafür verwandeln müssen und er weigerte sich vehement nackt vor diesem Kerl zu stehen.

Bei diesem Gespräch erfuhr er auch, dass Bella wieder da war, natürlich von den Blutsaugern begleitet. Aber er hatte einfach gesagt weder die Nerven noch die Zeit sich mit ihr auseinanderzusetzen. Er wollte nicht, dass sie erfuhr was los war und hoffte, dass er sie auf Distanz halten konnte. Das Rudel hielt ihm in dieser Hinsicht vollkommen den Rücken frei und blockte alle Versuche der Kontaktaufnahme seitens Bella ab. Die Angelegenheit mit dem Fremden ging niemanden außerhalb des Rudels etwas an und sie wollten nicht, dass die Blutsauger involviert wurden. Sie hatten schon genug zu tun und wollten sich nicht auch noch mit diesem Pack herumschlagen müssen.

Jake ging es mittlerweile sehr schlecht. Die ständige Angst vor dem Fremden ließ ihn einfach nicht mehr zu Ruhe kommen. Selbst in seinen Träumen tauchte dieser auf und stand einfach nur schweigend da. Wie sollte das nur weitergehen? Zum ersten Mal seit seinem Gefühlsausbruch bei seinem Vater war er den Tränen erneut so nahe, dass er sie kaum zurückhalten konnte.

Er lag mit schmerzenden Muskeln auf der Seite und hechelte nach Luft. Seine lange Zunge hing ihm seitlich aus dem offenen Maul. Er war am Verzweifeln und wusste einfach nicht mehr weiter. Körperlich, wie seelisch, war er am Ende seiner Kräfte.

 

Unbemerkt von Jake wurde dieser aus einem nahem Baumwipfel beobachtet. Der Mann seufzte schwer, wohl wissend, dass der Wolf ihn weder hören, sehen, riechen oder spüren konnte. Er hatte seine Präsenz vollständig verborgen. Immerhin das klappte noch. „So komme ich nicht weiter. Jake ist ganz schön stur. Ich sollte aufhören ihn zu bedrängen. Aber, wie bekomme ich es hin, dass er freiwillig mit mir spricht?“

Erneut seufzte er schwer und schüttelte den Kopf: „Dann muss ich eben die Initiative ergreifen. Oh, dass wird ihm nicht gefallen. Ich hatte gehofft, diesen Weg nicht einschlagen zu müssen.“

Mit einem Satz sprang er von dem Baum und rauschte in Windeseile durch den Wald.

 

Der Wächter

Embry war ausnahmsweise allein auf Patrouille. In seinen Augen war das eh vollkommen unnötig. Seitdem der Fremde Jake auflauerte, war nirgends auch nur ein Hauch seines Geruches zu finden. Aber ihr Alpha war da anderer Meinung und er hatte mal wieder den Kürzeren im Rudel gezogen. Wie gerne würde er mal wieder richtig ausschlafen und nicht wie gestört durch den Wald hetzen.

Er machte sich viel mehr Sorgen um Jake, dessen Gedankenmuster ihm gar nicht gefielen. Sein bester Freund schottete sich immer mehr ab und ließ niemanden mehr an sich ran. Zusätzlich war die Stimmung im Rudel kurz davor erneut zu kippen. Alle hatten zwar Mitleid mit Jake, dennoch wollten sie ihn nicht in ihrer Nähe haben. Erst gestern war Paul so dreist und dachte darüber nach, wie er Sam überzeugen konnte Jake aus dem Rudel zu werfen.

„Soll er doch allein mit seiner Abartigkeit zurechtkommen, was geht uns das an?“, hatte Paul gefragt. Ihr Alpha hatte ihn zwar zur Räson gebracht, aber diesen Gedanken nicht aus dem Rudel vertreiben können. Mittlerweile hatte sich auch Quil dieser neuen Fraktion angeschlossen. Sam würde es schwer haben für Ordnung zu sorgen, wenn das so weiterging. Spätestens wenn alle im Rudel sich gegen ihn stellen würden, dann blieb ihm wohl nichts anderes mehr übrig, als diesen Stimmen nachzugeben.

Tief in Gedanken streift er umher und achtete kaum auf seine Umgebung. Plötzlich sagte jemand: „Guten Tag, Embry.“

Er drehte den Kopf und sah den Fremden auf einem Findling zu seiner Rechten sitzen. Er war einfach an ihm vorbeigelaufen und hatte diesen nicht gesehen. Bei seinem Versuch eine Vollbremsung hinzulegen, stolperte er über seine eigenen Beine und rollte knapp fünfzehn Meter über den Boden. Hastig entwirrte er sich und machte sich bereit, zum Kampf. Schnell warf er dem Fremden einen Blick zu. Dieser saß noch immer in gemütlich Haltung da und schaute gelassen zu ihm.

Sofort schickte er einen Hilferuf in die Verbindung, stellte die Haare auf und begann zu knurren.

Abwehrend hob der Mann die Hände und offenbarte: „Ich bin nicht hier um zu kämpfen. Aber ich werde mich verteidigen, wenn du mich angreifst.“

Irritiert schüttelte Embry den Kopf und hörte auf zu knurren.

„Du fragst dich bestimmt was ich von dir will?“

Embry nickte leicht ohne den Fremden aus den Augen zu lassen oder zu blinzeln. Er wusste, dass in wenigen Minuten das halbe Rudel hier sein würde. Diesmal würden sie ihn schnappen.

„Tu mir bitte den Gefallen und sag deinem Alpha, dass ich bereit bin mit ihm zu reden. Ich werde hier sitzen bleiben bis Sam zu uns stößt. Vorzugsweise in Menschengestalt und mit einer Hose“, sagte der Mann und grinste leicht.

Damit hatte Embry nicht gerechnet. Ohne es bewusst wahrzunehmen legte sich sein Fell und er gab die Worte des Mannes in der Verbindung weiter. Stimmen wurden laut, dass das eine Falle war und Paul plädierte darauf die Gelegenheit zu nutzen und sofort anzugreifen. Sam hingegen dachte kurz nach und stimmte zu in Menschengestalt zu kommen. Sie brauchten Antworten und wenn Jake nicht mit dem Fremden reden wollte oder konnte, dann musste das eben sein Alpha machen.

Embry wusste nur nicht wie er diese Information weitergeben sollte. Er würde den Teufel tun und sich verwandeln. Der Fremde stellte eine Gefahr dar und er wollte auch nicht mit heruntergelassenen Hosen vor diesem stehen.

Doch das Problem erledigte sich von selbst, da der Fremde aus heiterem Himmel fragte: „Hat Sam zugestimmt sich mit mir zu treffen?“

Vorsichtig nickte der Gestaltwandler und wusste, dass Paul genau in diesem Moment sich von hinten an den Mann anschlich.

„Gut“, erwiderte der Mann, machte es sich bequem und begann leise eine unheimliche Melodie zu summen.

Nach wenigen Minuten war das ganze Rudel, mit Außnahme von Jake und Sam, anwesend. Quil hatte sich gegenüber von Embry vor dem Mann aufgestellt. Jared hingegen hatte sich wie Paul von hinten angeschlichen und hielt sich versteckt. So verharrten sie knapp fünf weitere Minuten. Sam war mitten auf dem Weg umgekehrt, um sich was zum Anziehen zu holen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Sam endlich bei ihnen an und zog sich hinter einem Baum eine Hose und ein Shirt über. Von seinen Gedanken her wusste Embry, dass er einen guten ersten Eindruck machen wollte. Auch der Fremde hatte Sam offenbar bemerkt, da er aufgehört hatte zu Summen und in die Richtung des Alphas sah.

Mit festem Schritt kam Sam nun in Sichtweite und ging langsam auf die versammelte Gruppe zu.

Der Fremde sprang von dem Stein und das Rudel machte sich bereit zuzuschlagen. Dann erhob der Mann das Wort: „Sei gegrüßt, werter Alpha des Wolfsrudels. Es freut mich, dass du mir eine Audienz gewährst.“ Mit einem Grinsen im Gesicht deutete er eine Verbeugung an.

„Sei gegrüßt Fremder“, knurrte Sam und ahmte die Sprechweise und dessen Gebaren nach.

„Mein Name ist Isaak. Und bevor wir weiterreden eine Warnung. Ich habe es aufgrund der besonderen Umstände Jacob gestattet mich anzugreifen, aber ich werde mich verteidigen, wenn Paul oder Jared mich anspringen. Ich lasse mich doch nicht von jedem x-beliebigen Kerl bespringen. So geht das nicht“, erklärte Isaak ernst und deutete mit den Daumen über die Schulter zu den beiden versteckten Wölfen hin.

Embry hörte Sams zornige Gedanken. Die beiden hätten dem Mann verbogen bleiben sollen und ihm den Fluchtweg abschneiden sollen. Wäre es zum Kampf gekommen, hätten sie auch das Überraschungsmoment auf ihrer Seite gehabt. Aber jetzt war das alles hinfällig geworden und Sam gab den Befehl aus der Deckung zu kommen. Äußerst unwillig kamen die Jungs dem nach und stellten sich zu ihren Kameraden, den Feind nicht aus den Augen lassend.

Möglichst ruhig und diplomatisch frage Sam: „Du wolltest mit mir reden. Darf ich erfahren worum es geht?“

Ernst wurde ihm geantwortet: „Es geht natürlich um Jacob und um seine Prägung auf mich.“

„Du weißt erstaunlich viel über uns, wenn man bedenkt, dass wir nichts über dich wissen. Woher weißt du wer und was wir sind?“

Nachdenklich wurde der Alpha gemustert. Dann sagte Isaak: „Ich studiere die Quileute, im Besonderen die Gestaltwandler und Geistwanderer vergangener Zeiten schon länger und weiß daher so einiges über dieses Thema. Eure Namen hingegen haben ich erst kürzlich erfahren. Bis dahin bestand keine Notwenigkeit sich dieses Wissen anzueignen.“

Sam wusste nicht so recht wie er mit dieser Information umgehen sollte. Der Fremde war anscheinend schon länger in ihrem Revier unterwegs und das unbemerkt. Aber es gab noch andere Fragen zu klären. Verjagen konnten sie ihn immer noch. „Und was bist du?“

Gelassen antwortete ihm der Andere: „Ich bin der letzte auf Erden wandelnde Nachfahre einer uralten Rasse. Der Name meiner Art würde dir nichts sagen. Wir wandeln stehts im Schatten und zeigen uns nur in absoluten Ausnahmesituationen. Daher weiß kein lebendes Wesen etwas über uns. Der Einfachheit halber sagen wir mal ich bin ein Wächter.“

„Ein Wächter? Ein Wächter wofür?“, fragte der Leitwolf irritiert.

Vollkommen ernst erwiderte Isaak: „Für alles und nichts.“

Sam runzelte die Stirn. Die Antworten gefielen ihm nicht und er knurrte: „Was hast du in unserem Revier zu suchen?“

„Wenn, dann ist das hier mein Revier, in dem ich euch dulde“, mahnte Isaak und eine Spur von Verärgerung zeigte sich in seinem zeitlosen Gesicht. Dann fuhr er fort und belehrte sie: „Meine Art wandelte schon auf diesem Boden, als es euren Stamm noch gar nicht gab. Und um gleich einigen Fragen vorzubeugen, ich bin weder ein Vampir und ernähre mich nicht von Menschen, noch stelle ich eine Gefahr für euch, euren Stamm oder die Menschen im Allgemeinen dar. Ohne Jacobs Prägung wären wir uns höchstwahrscheinlich nie begegnet.“

Die Wölfe knurrten wütend, aufgrund dieser dreisten Behauptungen. Sam wollte weitere Fragen stellen, kam aber nicht dazu. Als er den Mund öffnete, hob Isaak eine Hand und erklärte: „Ich habe schon mehr gesagt, als ich eigentlich darf. Nimm es mir nicht übel Sam, aber frag bitte nicht weiter nach. Das Wissen nach dem du suchst ist zu gefährlich, für dich, dein Rudel und deinen Stamm, wie auch für mich.“

Beschwichtigend hob er die Hände und sagte dabei: „Ich bin auch nicht hier, um zu streiten. Mein Interesse gilt allein Jacob.“

Mit vor Zorn verengten Augen schnauzte Sam: „Was willst du von Jake?“

„Ich will ihm helfen, wenn ich das kann. Es war nicht vorgesehen, dass er sich auf mich prägt. Daran trage ich die Schuld und muss nun zu meinen Fehlern stehen.“

„Wie genau meinst du das? Keiner kann die Prägung beeinflussen oder willentlich steuern“, fuhr der Leitwolf auf.

Isaak seufzte und offenbarte: „Im Normalfall stimmt das so in etwa. Aber in diesem besonderen Fall trage ich allein die Schuld. Und daher sehe ich es als meine Verantwortung an, dass von mir verursachte Problem zu lösen und mich bis dahin um Jacobs Wohlergehen zu kümmern.“

Sam wollte etwas einwerfen, wurde aber erneut von einer erhobenen Hand zum Schweigen gebracht.

„Ich werde nicht näher auf dieses Thema eingehen. Ich bin hier, um eine Lösung zu finden. Mein Vorgehen in den letzten Wochen hat Jacob nur geschadet, das sehe ich nun ein. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Das war nicht meine Absicht.“

Demütig beugte sich Isaak weit nach vorne und drückte so sein Bedauern über das Geschehene aus. „Von nun an werde ich nicht mehr den Kontakt zu ihm suchen. Ich werde warten bis er bereit ist und von sich aus zu mir kommt. Das verspreche ich.“ Der Mann erhob sich wieder und wartete auf eine Reaktion seitens des Alphas.

„Jake ist nicht schwul. Das Beste wäre es, wenn du einfach verschwinden würdest“, spie Sam dem anderen entgegen. Er hatte irgendwie das Gefühl Jake beschützen zu müssen.

„Das sehe ich anders. Denk doch mal nach Sam. Wenn ich einfach abhauen würde, dann würde ich Jacob Schmerzen zufügen. Du bist auch geprägt, du solltest das eigentlich wissen. Aber egal, ich bitte dich nur ihm das auszurichten. Das ist alles.“

Embry der die ganze Zeit über hochkonzentriert alles Gesagte und Gesehene an Jake weitergegeben hatte war erstaunt, als dieser sich nun endlich einmischte.

Kurz hörte auch Sam dem Gedankenstrom zu bevor er das Gehörte zusammenfasste und möglichst ruhig wiedergab: „Jake will dich nie wiedersehen. Wenn es nach ihm ginge sollst du verrecken. Du bist an allem schuld. Scher dich zum Teufel du Missgeburt.“

Nachdenklich wurde der Wolf in Menschengestalt gemustert. „Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Worte von Jacob stammen?“

„Ja“, knurrte Sam und ging nicht weiter darauf ein.

Sorge stand dem Fremden ins Gesicht geschrieben als er fragte: „Ist er sich der möglichen Konsequenzen für sich bewusst? Er kann die Prägung nicht einfach ungeschehen machen oder ignorieren.“

In Jakes Namen redete Sam weiter und gab dessen Gedanken preis: „Das ist mir vollkommen egal. Du bist eine abscheuliche Bestie. Ich will weder mit dir reden, noch dich treffen. Lass mich endlich in Ruhe du verdammte Schwuchtel und verpiss dich.“

Wie geschlagen zuckte der Mann zusammen und ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht. Dann straffte sich Isaak, nickte und erklärte: „Gut, wenn das dein Wille ist, dann werde ich mich fügen und euer Revier umgehend verlassen. Solltest du doch irgendwann mal mit mir reden wollen, komm zu der Lichtung, auf der wir uns das erste Mal begegnet sind und ruf laut meinen Namen. Dann komme ich zurück und werde dich finden, das verspreche ich dir. Ich entschuldige mich nochmals in aller Form für all die Umstände, welche ich verursacht habe. Leb wohl, Jake.“

Ohne ein weiteres Wort drehte Isaak sich um und rauschte wie ein Blatt in einem Orkan davon. Irritiert über diese plötzliche Wendung sahen ihm die Wölfe nach. Sam schüttelte den Kopf, verwandelte sich, und rannte der Fährte des Mannes hinterher. Er wollte sicherstellen, dass dieser auch wirklich und endgültig verschwand. Den Rest des Rudels schickte er nach Hause.
 

Einige Tage vergingen, in denen sich Jake auch weiterhin im Wald verschanzte. Sam hatte den Mann bis zu ihrer Grenze weit im Norden verfolgt und war dort angekommen umgekehrt. Der Rest des Rudels hatte jeden Tag den Wald nach Spuren abgesucht, konnte aber nichts finden, was auf die Anwesenheit des selbsternannten Wächters hinwies. Auch Jake traf kein einziges Mal mehr auf den Mann. Isaak hielt offenbar Wort und war gegangen.

Außer ab und zu mal was zu fressen zu jagen, hatte Jake im Wald nicht viel zu tun gehabt und er konnte sich endlich wieder entspannen. Auch hatte er viel über das Gespräch mit Isaak nachgedacht. Massenhaft gesagt hatte dieser zwar nicht und das Meiste war recht unverständlich, aber sein Bedauern über die Situation und seine Reue schienen ernst gemeint zu sein.

Zuerst war er sehr wütend auf den Mann gewesen, sah er doch seine und die Meinung der anderen mehr als nur bestätigt, dass Isaak die Schuld an der ganzen Misere trug. Als sich seine Wut dann legte, spürte er ein aufkommendes Bedauern. Er würde ihn nie wiedersehen und das setzte ihm mehr zu, als er bereit war zuzugeben. Erst jetzt, da er zur Ruhe kam, bemerkte er die fast schon körperlich schmerzende Sehnsucht nach der Nähe zu diesem Mann.

Sam der das bemerkte, erklärte ihm, dass das auf die Prägung zurückzuführen sei. Als er sich damals auf Emily prägte, spürte er das Gleiche, wenn er ihr nicht nahe sein konnte. Nur irritierte es den Alpha, dass die Auswirkungen der Prägung bei Jake offenbar wesentlich schwächer waren als bei ihm. Auch das Verhalten seines Betas war in diesem Zusammenhang eigenartig. Eigentlich hätte sich Jake ganz anders verhalten müssen, als er es getan hatte.

Wenn sich ein Wolf prägt, ist das Ziel der Prägung alles für ihn. Die Welt dreht sich nur noch um diese Person, alles andere erscheint unwichtig. Sein ganzer Lebenszweck war es von da an sie zu schützen und dafür zu sorgen, dass es ihr gut ging. Wenn möglich dann ihr Herz zu erobern und mit ihr glücklich zu werden. Sollte die Person den Wolf abweisen, würde er sie dennoch auch weiterhin beschützen. Wenn es sein musste würde er auch ewig warten und hoffen, dass sie ihre Meinung änderte.

In ihren Legenden hieß es auch, dass sollte diese Person sterben, der Wolf kurz darauf in den Tod folgen würde, von unendlicher Trauer zerfressen. Wurde die Person allerdings getötet, egal ob Unfall oder mit Absicht, war sein einziger Lebensinhalt von da an den oder die Täter zur Strecke zu bringen, vollkommen ungeachtet um wen es sich handelte. Anschließend käme dann die Trauer und er würde ebenfalls zu Grunde gehen. Daher auch das Gesetz mit der Unantastbarkeit einer Person auf die ein Wolf geprägt war.

Es gab auch Fälle in denen sich ein Wolf auf ein Kind prägte. In so einem Fall wartete der Gestaltwandler, bis die Person erwachsen war, um ihr den Hof zu machen. Die körperliche Bindung war aber von Anfang an dieselbe. Wobei der Gestaltwandler erst die Rolle als großer Bruder, über einen guten Freund bis hin zum Geliebten einnahm.

Auch hieß es in den Legenden, dass noch nie eine Person den Avancen eines Wolfes widerstanden hatte. Zu stark waren die Hingabe und Verehrung des Gestaltwandlers, als dass sie ihm auf Dauer widerstehen konnte.

Das einzige Problem war nur, dass aktuell neben Sam nur Jake geprägt war. Und auch wenn die Beschreibungen in den Legenden sich bei Sam als richtig erwiesen, konnte es auch sein, dass die Prägung nicht immer so drastische Folgen hatte. Im Laufe der Jahre war einfach zu viel Wissen verloren gegangen, um das mit Bestimmtheit zu sagen. Zudem hatte sich auch noch nie ein Wolf auf einen Mann oder eine andere Rasse geprägt. Es konnte durchaus sein, dass auch diese Umstände berücksichtigt werden mussten. Dies war jedenfalls die Meinung des Ältestenrates als Sam dieses Thema ansprach. Billy hingegen war der Auffassung, dass sein Sohn einfach stärker war als diese unnatürliche Bindung.

Der Rat war zwar nicht begeistert über das Gespräch mit Isaak, entschied aber, dass das die beste Lösung sei, solange Jake den Auswirkungen widerstehen konnte. Alles Weitere zu diesem Thema überließen sie Sam. Da die Bedrohung für den Stamm abgewendet war, würde sich der Rat nicht mehr in die Angelegenheiten des Rudels einmischen.

Nach der Sitzung hielt Billy Sam kurz auf und erkundigte sich nach Jakes Befinden und fragte wann sein Sohn wieder nach Hause kommen würde. Der Alpha gab die Gedanken des anderen weiter und erklärte, dass Jake morgen zurückkäme. Und so kam es auch.

Sehnsucht

Jake hatte angenommen, dass der ganze Spuk nun vorbei war und sein Leben endlich wieder in normalen Bahnen verlief. Mit den Auswirkungen seiner Prägung käme er schon zurecht, redete er sich ein. Wie sehr er sich irrte, wurde ihm schnell bewusst. Seit dem Aufeinandertreffen des Rudels mit Isaak war dieser nicht mehr aufgetaucht. Dieses Problem schien gelöst, aber von Normalität konnte Jake dennoch nicht reden.

Wann immer er nicht aufpasste und sich gedanklich treiben ließ, wanderten seine Gedanken automatisch zu Isaak hin. Fast wie bei einer Kompassnadel, welche immer nach Norden zeigte. Man konnte die Nadel zwar einfach wegdrehen, aber sobald man sie losließ, pendelte sie sich sofort wieder nach Norden aus. Egal wie sehr er sich dagegen zur Wehr setzte, er konnte den anderen Mann nicht vollkommen aus seinem Kopf vertreiben. So, wie er vor der Prägung nicht im Stande gewesen war, Bella aus seinen Gedanken zu verbannen.

Zudem beunruhigte ihn auch der Umstand, dass seine Sehnsucht nach der Nähe zu Isaak mit jedem verstrichenen Tag wuchs. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte und sich mit Händen und Füßen krampfhaft wehrte, so hatte er doch Gefühle für Isaak entwickelt. Er wollte zu ihm. Ihm nahe sein. Ihn beschützen und einfach alles tun, dass dieser glücklich wurde.

Natürlich bekam das Rudel seine Gedanken mit und bestärkte Paul in dem Bestreben ihn aus ihrer Gemeinschaft zu werfen. Bisher hielten sich seine übrigen Kameraden noch zurück und zeigten ein Mindestmaß an Verständnis. Allein Embry machte sich für Jake stark und legte sich ein ums andere Mal mit Paul an.

Erst hatte Sam sich rausgehalten, musste aber immer öfters für Ruhe sorgen, wenn Jakes Gedanken sich um Isaak drehten. Die Meisten versuchen dann Jake in den Hintergrund zu drängen, während Paul nicht müde wurde, sofort Beleidigungen in die Verbindung zu schicken.

Das Verhältnis zwischen ihnen war zwar noch nie wirklich gut gewesen, aber sie hatten sich verstanden und waren als Rudel eine Einheit. Aber nun kristallisierte sich immer mehr eine offene Feindschaft heraus. Paul konnte „Schwuchteln“ einfach nicht ausstehen und ließ sich nicht umstimmen. Die anderen waren zwar auch nicht gerade begeistert, ließen aber Jake weitestgehend in Ruhe, solange er seine Gedanken beisammenhielt.

Jake wusste nur nicht, wie lange er noch gegen die Prägung, und die damit einhergehenden Gefühle ankämpfen konnte. So schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich auch der Rest des Rudels gegen ihn wenden würde. Er wünschte sich Jemanden zu haben, mit dem er alles besprechen konnte, ohne gleich beschimpft zu und mit Vorurteilen gebrandmarkt zu werden. Keiner des Rudels kam dafür in Frage, von seinem Vater gar nicht zu reden. Der einzige Mensch, der ihm noch einfiel, war Bella, aber gerade vor ihr wollte er alles geheim halten und blockte weiterhin jeden Kontaktversuch ihrerseits ab.

Er verschloss sich nach außen hin und vergrub seine unangebrachten Gefühle in den Tiefen seines Unterbewusstseins. Dort bauten sie sich auf, wie ein Stausee ohne Abfluss. Diese mentale Barriere aufrecht zu erhalten kostete ihn immer mehr Kraft.

Ohne es zu merken verschlechterte sich sein körperlicher und geistiger Zustand mit jedem weiteren Tag. Er bekam kaum noch etwas runter und stocherte meist nur lustlos in seinem Essen rum. Dazu zwang er sich krampfhaft nicht an Isaak zu denken und verfiel oft gedanklich in sein stetiges Mantra: „Ich bin nicht schwul!“

Das half am Anfang, aber nicht sehr lange. Nach nur drei Wochen reichte es nicht mehr aus, nur in seinem Kopf zu reden, und er begann vor sich hin zu brabbeln, wann immer seine Gedanken abschweiften. Immer verbissener widerstand er der Prägung, bis er vollkommen angespannt auch noch die Augen zupresste, um der Versuchung zu widerstehen.

Zudem zeigten sich dunkle Ringe unter seinen Augen und er war höchst unkonzentriert. Was alles nur verschlimmerte. Das war das Resultat des Schlafentzuges. Denn, wann immer er die Augen schloss und einschlief, sah er Isaak. In der Traumwelt sah er eine heile Welt, in der er mit Isaak zusammen verschiedene Dinge unternahm, wobei sich Traum-Jake nicht gegen die Prägung zur Wehr setzte.

Er sah sie beide zusammen Zeit verbringen. Ins Kino gehen, gemeinsam jagen, im Mondschein sitzen, zusammen ausgelassen lachen, miteinander tanzen oder abwechselnd aus einer Flasche Bier trinken. Kurzum: Seine Träume zeigten, was er in seinem Innersten erstrebte, es sich aber nicht eingestand. Solange er träumte, fand er es schön, Zeit mit Isaak verbringen. Er wollte ihn kennenlernen und sein Freund werden.

Nach dem Aufwachen allerdings sträubte er sich gegen diese Gefühle und verbot sich selbst, dieses abnormale Verhalten gut zu heißen. Meist ging er dann kalt duschen, um die Bilder loszuwerden.

Wäre das alles gewesen, hätten seine Träume ihn aber nicht um den Schlaf gebracht. Es war ihm zwar lästig, aber damit hätte er gut leben können. Jedoch, allmählich, mit schleichender Intensität, änderte sich die Traumwelt. Aus dem miteinander Zeit verbringen wurde Vertrautheit. Dann Zuneigung. Es begann mit zufälligen Berührungen. Wenn beide nach ein und demselben Glas griffen oder einer von ihnen eine unbedachte Bewegung machte. Auch schauten sie sich ab und an tief in die Augen. Dann machte die Traumwelt einen Sprung nach vorne und sie hielten bereits Händchen, wobei sie dämlich grinsten, wie zwei verliebte Jugendliche.

Nach einigen Nächten gingen seine Gedanken allerdings wesentlich weiter. Sie saßen beide in Traum-Jakes Zimmer und unterhielten sich. Als wäre es das normalste der Welt, hielten sie dabei Händchen und sahen sich immer wieder traumverloren an. Aus heiterem Himmel, wie das eben manchmal so ist, kabbelten sie miteinander und kitzelten sich gegenseitig. Nach einer Weile, waren es Stunden oder Sekundenbruchteile, im Traum hatte Zeit eine nahezu willkürliche Bedeutung, lag Traum-Jake auf Traum-Isaak. Sie sahen sich tief in die Augen und beide atmeten noch schwer von ihrem Kampf. Plötzlich aus einem Impuls heraus, schloss Traum-Jake die Augen und küsste den Anderen. Der Kuss wurde erwidert. Da endete der Traum schlagartig.

Jake war entsetzt und schreiend aufgewacht. Fluchtartig sprang er aus dem Bett. Er konnte noch immer die Lippen des anderen auf den Seinen spüren und auch dessen Geruch lag ihm in der Nase. Bevor Billy es geschafft hatte zu ihm zu kommen, war Jake schon auf und davon und rannte in Wolfsgestalt im Wald umher. Ab diesem Augenblick war er immer auf der Hut vor seinen Träumen. Es graute ihn vor dem nächsten Eintauchen in die Traumwelt. Das wollte er nicht sehen. Aber das Schlimmste war, dass es Traum-Jake gefallen würde. Da war er sich sicher. Ihm schauderte es allein bei dem Gedanken an den Kuss, auch wenn es nur ein Traum gewesen war.

Billy und Sam behielten ihn die ganze Zeit über genau im Auge und sahen was die Prägung mit ihm anstellte, beziehungsweise seine Weigerung dieser nachzugeben. Nachts, wenn Jake glaubte keiner würde ihn hören, öffnete er sich etwas und ließ seiner Sehnsucht freien Lauf. Die stummen Schluchzer wurden immer lauter, bis auch Billy sie hören konnte.

Abermals wurde eine Sitzung des Rates einberufen, nachdem weder Billy noch Sam eine Idee hatten, wie sie Jake helfen konnten. Der Rat hatte allerdings auch keinen brauchbaren Vorschlag. Und so konnten sie alle nur schweigend mitverfolgen was passieren würde.

Natürlich war das ein gefundenes Fressen für Paul und Quil, welcher sich dem Anderen mittlerweile angeschlossen hatte. Beide zeterten wann immer Jakes Wille bröckelte und seine Gedanken abschweiften. Sam hingegen gab sich alle Mühe die drei Streithähne auseinander zu halten.
 

Es waren mittlerweile mehr als drei Monate vergangen, seitdem Jake im Wald auf den Fremden gestoßen war. Plötzlich, eines Abends, wurde das Rudel erneut in Aufruhe versetzt und Jake konnte sich eine kleine Pause von seinen Sorgen gönnen. Eine neue Stimme drängte sich in die Verbindung. Sie war verängstigt und verstand nicht was los war. Fremde Gedanken rasten umher und das Rudel verstummte sofort, um ihren neuen Kameraden nicht zu überfordern. Es war die Aufgabe des Leitwolfes, den Neuzugang einzuweisen. So war es schon immer gewesen.

Eigentlich hätte das aber auch nicht passieren sollen. Nach Sams erster Verwandlung hatte der Rat stets ein Auge auf die Jugendlichen und hielt Ausschau nach den Vorzeichen der Verwandlung. Somit wussten sie meist im Vorfeld, wann das Rudel größer werden würde. Dieser Wolf war ihnen wohl durch die Lappen gegangen.

Sogleich gebot der Alpha dem Neuen zu schweigen, um sich Gehör zu verschaffen. Dann erklärte er was gerade passiert war. Anschließend fragte er wo sich ihr neustes Mitglied aufhielt, sodass er es abholen konnte.

„Sam bist du das?“, fragte eine weibliche Stimme in die Verbindung hinein. Das gesamte Rudel hielt den Atem an. Einige erkannten die Stimme. Es war Leah Clearwater, Sams Exfreundin. Kaum war der Schock überwunden, wurde die Verbindung durch das Stimmengewirr fast aller überflutet, wobei ihr Leitwolf versteinert schien.

Jake seufzte laut auf und brüllte: „Ruhe!“ Als Beta hatte er immerhin etwas zu sagen, auch wenn ihm die Macht des Alphas fehlte. Sein Befehl wirkte und es wurde wieder leiser. Lediglich Leah konnte sich nicht zügeln und war es nicht gewohnt so zu kommunizieren. Ihre Gedanken rasten und ihre Emotionen schwankten erheblich. Vor Freude Sams Stimme zu hören, über den Unglauben über die Situation, bis hin zu Angst, weil sie es nicht verstand. Doch am Stärksten war ihre Wut, welche auch der Auslöser der Verwandlung war.

Da sich Sam immer noch nicht rührte, übernahm Jake: „Leah, ich bin es, Jacob Black, beruhige dich.“ Er wartete einen Augenblick bis sie erkannte, dass er mit ihr sprach. Dann fuhr er fort: „Alles ist in Ordnung. Das ist kein Traum. Beruhige dich. Ich werde dir helfen.“

Abermals wartete Jake, bis er spürte, dass sie ihn verstanden hatte und bereit war ihm zuzuhören. „Schließ die Augen und konzentriere dich nur auf meine Stimme. Blende alles andere aus. Denk an einen Wald. Einen stillen ruhigen Wald. Ja genau so. Nun fühle in dich hinein. Achte auf deinen Atem. Spüre wie die Luft aus und in deine Lungen strömt. Konzentriere dich auf jeden einzelnen Atemzug.

Du hast die Kontrolle. Du spürst wie du langsam zur Ruhe kommst. Du machst das gut, weiter so. Dein Herz schlägt wild, bändige es. Alles ist in Ordnung. Dein Atem verlangsamt sich, dein Herz folgt deinem Willen und beruhigt sich. Du spürst ein eigenartiges Gefühl in dir. Es ist eine Art ziehen in der Nähe deines Magens. Konzentriere dich nun auf dieses Gefühl. Es will dich überwältigen, lass es geschehen. Alles ist in Ordnung. Du wirst nun wieder zum Menschen werden. Halte die Augen geschlossen und bleib ruhig.“

Nach einer Weile zeigen seine Worte Wirkung und Jake spürte, wie Leahs Gedanken flüchtiger wurden. „Du hast es fast geschafft. Lass dich fallen. Das Ziehen ist dein Freund. Lass es geschehen.“

Ihre Gedanken wurden immer leiser und unfassbarer, bis sie das Niveau ihrer Menschengestalt annahmen. „Gut so. Du hast es geschafft du bist wieder ein Mensch. Bleib ruhig und sage mir wo du bist.“

„Ich bin in meinem Wohnzimmer“, erwiderte sie und wurde plötzlich wieder panisch: „Meine Eltern…, mein Bruder, was werden sie denken? Sie waren bei mir als… Was wenn ich sie verletzt habe? Was wenn…“

„Leah, schließ deine Augen, konzentriere dich auf deine Atmung und deinen Herzschlag. Du musst ruhig bleiben. Wut ist der Auslöser der Verwandlung, aber Panik kann dich unkontrolliert werden lassen. Bleib einfach ruhig stehen oder sitzen und warte bis ich da bin.“

„Ich bin nackt“, brauste Leah erneut auf. „Wehe du kommst rein!“ Jake konnte sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Typisch Mädchen. Verwandelt sich in einen Wolf und macht sich Gedanken nackt gesehen zu werden.

„Hey, das habe ich gehört“, empörte sie sich pikiert.

„Leah bleib ruhig, wir sind gleich da. Quil, Embry wir treffen uns dort.“

„Alter, ich bin als Wolf unterwegs. Ich habe nichts zum Anziehen in der Nähe ihres Hauses“, warf Quil nörgelnd ein.

Nun war es an Leah zu schmunzeln und sie bluffte: „So viel zu typisch Mädchen, nicht wahr Quil?“

Jake konnte spüren wie peinlich das dem Anderen war und griff schnell ein bevor ein Streit entstand: „Ich bring dir was mit.“

Wütend keifte Quil zurück: „Deine Sachen trage ich nicht du verdammter…“

„Genug, nicht jetzt“, schnauzte Jake und befahl: „Embry bring ihm was mit. Und nun Ruhe. Erinnert euch an eure erste Verwandlung. Macht es Leah nicht schwerer als es ist.“

So schnell sie konnten, rannten die drei zu ihrem neuen Mitglied, während Leah es nicht lassen konnte und sich schnell etwas überzog. Sie konnten ihre Gedanken hören, wie sie ihr Outfit zusammenstellte.

Mitten auf dem Weg trafen Embry und Jake aufeinander und Embry quasselte: „Ich hoffe mal das wir nicht immer zuhören müssen, welche Farben ihre Augen besser zu Geltung bringen. Und welches Muster ihre Figur besser betont.“

„Das habe ich auch gehört Embry. Nicht jeder zieht so geschmacklose Fetzen an wie du.“

„Hey wir sind Männer und keine Weiber.“

„Und deshalb muss man halbnackt rumlaufen? Was bist du, ein Penner?“

„Alter, hör auf zu grinsen Jake“, beschwerte sich Embry und wollte diesem Streit aus dem Weg gehen. Leah würde es noch früh genug am eigenen Leib erfahren.

„Du bist auch nicht besser, Jacob Black. Du läufst auch wie ein Vagabund umher“, stichelte Leah. Dann frage sie: „Wer ist da noch alles in meinem Kopf? Und kann man das ausschalten?“

Jake seufzte und erklärte möglichst sachlich: „Das Rudel besteht aus Embry, Quil, Paul, Jared, mir und Sam. Ich bin der Beta des Rudels. Sowas wie die rechte Hand des Alphas. Sam ist der Leitwolf oder Alpha. Und nein, leider kann man die Verbindung nicht ausschalten. Damit musst du ab jetzt leben. Wir hören deine Gedanken und du unsere. Aber wenn du in Menschengestalt bist, kannst du die Stimmen der anderen leicht wegschieben und ignorieren, solange sie nicht direkt mit dir reden.“

„Sam ist der Leitwolf? Ich muss tun was er sagt?“, fragte Leah angespannt.

„Ja“, mischte sich Sam nun mit ein. „Aber nur in Angelegenheiten des Rudels.“

Daraufhin wurde es leise und Leah bemühte sich offenbar nichts zu denken, was ihr recht gut gelang.

Jake und Embry waren kurz vor Leahs Wohnung und sie konnten Quils leuchtende Wolfsaugen hinter einem Baum sehen. Überrascht waren sie allerdings, dass Sam direkt vor der Haustür stand. Nachdem sich Quil verwandelt hatte gingen alle drei zu ihrem Alpha.

Jake räusperte sich und fragte: „Alles in Ordnung Sam? Willst du jetzt übernehmen?“

„Nein, kümmere du dich um Leah. Ich rede mit ihren Eltern“, erwiderte der Leitwolf und klopfte an.

Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet und ein Auge erschien. Dann wurde sie aufgerissen und Harry Clearwater trat zur Seite, wobei er tonlos herausbrachte: „Da seid ihr ja endlich. Sie ist oben.“ Er griff sich ans Herz und hatte offensichtlich Schmerzen.

„Ich weiß. Harry, komm wir gehen ins Wohnzimmer. Ich nehme mal an du hast deine Frau schon etwas beruhigt, immerhin weißt du ja Bescheid?“, fragte Sam und schob den älteren Mann in die gute Stube.

Bevor die drei Jungs auch nur einen Schritt in das Haus gegangen waren, sprang ihnen Leah entgegen. Sie trug ein reizendes schwarzes Kleid und sah ängstlich in die Runde. Mutiger als sie sich fühlte bluffte sie: „Ihr ungewaschenen Stinktiere kommt mir nicht in mein Zimmer.“ Mit einem leichten Zittern in ihrer Stimme fragte sie: „Wie geht es nun weiter?“

Jake sammelte sich und offenbarte: „Wir gehen nun zu unserem Unterschlupf im Wald. Du bist eine Gefahr für dich und alle um dich herum, solange du deine Verwandlung nicht beherrschst. Also wirst du so lange bei uns bleiben, bis du das kannst. Dann kannst du wieder nach Hause. Aber eines nach dem Anderen.“

Dann wurde er unruhig und ihm schwante Böses: „Leah, du musst noch viel lernen. Raste jetzt bitte nicht aus, aber unser Unterschlupf im Wald ist Sams Bude. Emily ist auch dort.“

Das waren die falschen Worte und Leah sah rot.

Jake versuchte noch sie zu beruhigen, aber es war sinnlos. Schnell sprangen die Jungs einen Schritt zurück und somit weg von der Haustür.

Da verwandelte sie sich auch schon und sprang in rasender Wut auf Jake zu. Sie erwischte ihn und riss ihn von den Füßen. Noch während die beiden über den Boden rollten, verwandelten sich alle drei Jungs und gemeinsam trieben sie Leah in den Wald.

Sam sah ihnen kurz hinterher und sein Blick fiel auf die flatternden Stofffetzen, welche sich nun vor dem Haus verteilten. „Schade“, dachte er: „Das schwarze Kleid stand ihr immer gut.“

Vom Pech verfolgt

Leah verpasste Jake einige Biss- und Kratzwunden, bis er es geschafft hatte sie unverletzt unter Kontrolle zu bringen. Die beiden anderen sahen nur zu und warteten ab, ob ihre Hilfe erforderlich war. Es stellte kein größeres Problem für den Beta dar, die widerspenstige Wölfin zu unterwerfen. Instinktiv handelte sie und erkannte seine Überlegenheit an, für den Moment jedenfalls. Alle neuen Wölfe mussten erst ihren Platz im Rudel finden und legten sich am Anfang immer wieder mit jedem anderen an.

Entschuldigend stupste Leah ihn mit ihrer Schnauze an und Jake erklärte: „Keine Sorge. Ich nehme dir den Angriff nicht übel.“ Er zuckte mit den Schultern. „Uns allen fällt es schwer unsere Wut im Zaum zu halten. Vor allem am Anfang. Das wird nicht der letzte Kampf sein, das verspreche ich dir. Wenn dich jemand ärgert, dann fordere ihn zum Kampf, so läuft das bei uns. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, die Jungs werden es dir nicht übelnehmen. Außerdem wird Sam eingreifen bevor es zu wild wird. Die einzige Regel für einen Kampf lautet: Keine schweren Verletzungen. Ansonsten tob dich ruhig aus.“

Dann trat er zurück und ließ die Wölfin aufstehen. „Es gibt aber noch ein paar Dinge, die du wissen musst, dazu später. Das Wichtigstes ist, uns darf keiner sehen, der nicht Bescheid weiß. Aber genug davon. Lass mal sehen wie schnell du bist.“

Spielerisch biss er ihr leicht ins Vorderbein, sprang dann um sie herum und reizte sie weiter. Schnell erlag Leah ihrer Wut und jagte Jake hinterher durch den Wald. Quil und Embry folgten und achteten darauf, dass sie nicht die Richtung wechselte.

Auf halben Weg zur Wolfshöhle, wie sie Sams Haus auch nannten, erklang Sams ernste Stimme: „Leah, dein Vater ist gerade zusammengebrochen. Wir werden ihn ins Krankenhaus bringen.“

„Dad“, schrie die Wölfin und machte augenblicklich kehrt.

„Leah bleib stehen“, knurrte Jake, während die drei Jungs sie bereits einkesselten und ihr den Weg abschnitten.

„Weg mit euch, lasst mich durch, ich muss zu meiner Familie“, keifte sie und biss nach den Vorderbeinen der anderen.

„Hör auf!“, befahl der Alpha und Leah blieb zitternd stehen. Zum ersten Mal spürte sie Macht des Leitwolfes und das gefiel ihr gar nicht. „Wie Jake schon sagte bist du momentan eine Gefahr für dich und alle in deiner Umgebung. Im Rudel bist du gut aufgehoben. Ich befehle dir bei Jake zu bleiben. Jake du übernimmst. Ich halte euch auf dem Laufenden.“

Vor lauter Verzweiflung begann Leah laut zu jaulen. Sie konnte sich Sam nicht widersetzen. Sie wollte nicht hier sein, sie wollte zu ihrem Dad.

Jake konnte sie verstehen, aber es ging nicht anders. Er wusste aus eigener Erfahrung wie widerspenstig ein neuer Wolf sein konnte und rief das gesamte Rudel zu sich, nur um sicher zu gehen. Sie durfte ihnen nicht entkommen. Insgeheim hatte er gehofft, in ihr jemanden zum Reden gefunden zu haben, aber nachdem was er nun tun musste, würde sie ihn bestimmt hassen.

Vollkommen außer sich biss und kratzte Leah wild um sich. Das Rudel umstellte sie und Jake warf sich auf sie. Nach einem kurzen Gerangel, bei dem er einige weitere Wunden kassierte, zwang er sie nieder. Dann biss er ihr ins Ohr und machte ihr seine Überlegenheit deutlich. Er konnte ihr Blut schmecken, aber es ging einfach nicht anders. Sie musste sich ihm fügen. Dafür musste er sie unterwerfen. Der Biss würde schnell heilen und keine Narben hinterlassen. Aber es war eine beschämende und brutale Art zu dominieren, dass wusste Jake.

Leah winselte und präsentierte ihren ungeschützten Hals. Darauf hatte Jake gewartet, ließ ihr Ohr los und biss ihr in die freiliegende Kehle. Diesmal sehr behutsam. Ein richtiger Biss wäre tödlich gewesen. Die Wölfin zappelte noch einige Augenblicke, dann ergab sie sich und ihr Körper erschlaffte.

Schnell zog sich Jake zurück und beteuerte: „Lass gut sein. Du kannst jetzt nichts mehr ändern. Komm einfach mit.“

Mit eingezogenem Schwanz stand Leah auf, duckte sich und stupste Jakes Kopf von unten her an. Zufrieden ließ er sie kurz gewähren und ging ihr voran auf ihren Unterschlupf zu. Der Rest des Rudels deckte sie von Hinten und den Seiten.

Leah schien gebrochen und gab sich ihrer Trauer hin. Die Wölfe entspannten sich etwas, blieben aber wachsam. Dann urplötzlich brach sie aus der Formation aus und stürzte sich zähnefletschend auf Paul. Dieser ließ sich das nicht gefallen und unterwarf sie ebenfalls, aber wesentlich zärtlicher. Jake sah zu und fragte sich, ob er Rücksicht nahm, weil sie eine Frau war. Bei ihm war der andere damals jedenfalls nicht so vorsichtig gewesen. Nach diesem Kampf gab es noch drei weitere mit je einem anderen Wolf, bis sie endlich kleinbeigab und sich eskortieren ließ.

Kurze Zeit später hatten sie Sams Bude erreicht und wurden dort von Emily begrüßt, welche in der Tür stand und von Jared bereits im Vorfeld informiert war. Als Leah ihre Cousine sah, wollte sie sich auf sie stürzen, aber Jake warf sich dazwischen und sie kämpften abermals, mit demselben Ausgang.

Die Situation war alles andere als perfekt. Noch nie hatte das Rudel so viele Probleme mit einem Neuling gehabt. Aber es war auch eine perfide und komplizierte Situation. Leah wusste noch nichts von der Prägung und hasste Emily, welche, ihrer Meinung nach, ihr Sam ausgespannt hatte.

Nach einer Weile ging Emily ins Haus und begann für die Bande zu kochen. Auch für sie war es nicht einfach. Das konnte man ihr ansehen. Leah hingegen weigerte sich vehement auf Jake zu hören und ihre menschliche Gestalt anzunehmen. Sie saß hinter dem Haus umringt vom Rudel und schmollte vor sich hin.

Jake stöhnte auf und ließ sie kurz in der Obhut der anderen. Schnell verwandelte er sich und ging einfach nackt ins Haus. Emily sah nicht mal auf, sie war es längst gewohnt, dass die Jungs ab und an hier so rumliefen. Sie hatte schon ganze Säcke voll mit Kleidungsfetzen aufgesammelt. Und das bei normalen Umständen. Wann immer es einen Neuzugang gab stieg der Kleidungsverbrauch exponentiell an. Daher war es ihr so lieber. Es machte weniger Arbeit.

„Hi“, grüßte Jake und lehnte sich ungeniert an den Tresen. Ein Kopfnicken war die Antwort. „Sag mal hast du vielleicht etwas, was deiner liebreizenden Cousine passen würde? Ich glaube nicht, dass sie sich verwandelt, wenn sie dann nackt rumlaufen muss. Nicht, solange die Jungs dann gaffen.“

Scharf wurde er gemustert, wobei sie spitz erwiderte: „Bei dir besteht wohl nicht die Gefahr, was? Aber egal. Ich will nicht streiten, du hast es schwer genug.“ Emily seufzte und wurde versöhnlicher: „Ja, ich habe was zum Anziehen für sie. Auch, wenn ich das Kleid wohl nie wieder zurückbekommen werde. Einer von euch soll bei ihr Sachen holen oder wir stecken sie in eure Lumpen. Ich für meinen Teil möchte meine Garderobe behalten.“ Trotz ihrer Worte ging sie in das Schlafzimmer und kam mit einem leicht verwaschenen lila Kleid zurück. Zusätzlich drückte sie Jake einen Slip und einen BH in die Hände und mustere ihn dabei. Mit einem Lächeln nahm Emily seinen beschämten Blick war und sah zu, wie der ach so mächtige Beta knallrot anlief.

Schnell zog er den Stoff des Kleides über die anderen Dinge und drehte sich weg. Das war ja mega peinlich. Er wusste gar nicht, dass Emily so heimtückisch sein konnte. Sie wusste doch das er noch Jungfrau war und noch nie eine Frau in Unterwäsche und schon gar nicht nackt gesehen hatte. Traurig dachte er daran, dass das eigentlich eine Reaktion bei ihm auslösen hätte sollen, aber da unten regte sich nichts mehr seit seiner Prägung. Nur die Träume von Isaak zeigen eine Wirkung. Und das leugnete er verbissen. Niemals würde er das zugeben oder darüber sprechen.

„Danke“, nuschelte er trübsinnig und wurde sich abermals bewusst wie abartig er nun war. Seit Leahs Verwandlung hatte er nicht mehr an seine Sorgen gedacht, nun brach das brüchige Kartenhaus ein. Mit aller Gewalt drängte er seine Gedanken ins hier und jetzt, es gab noch einiges zu tun.

In der Verbindung konnte Jake genau spüren, dass Paul sich anstrengte nicht zu toben und ihn zu beleidigen, wie er es sonst immer tat. Also nahm sich der Beta schnell zusammen und kehrte zum Rudel zurück. Ohne eine Spur von Scham ging er auf Leah zu. Diese war die ganze Zeit am zetern und er glaubte kaum, dass sie seine Gedanken in der Verbindung mitbekommen hatte.

Erst als er direkt vor ihr stand, und in die Knie ging, sah sie auf. Sie begutachtete einen Augenblick lang die mitgebrachte Kleidung, dann ließ sie ihren Blick wandern und drehte schnell den Kopf weg, als sie seinen Körper erfasste. Wütend knurrte sie in Gedanken: „Zieh dir was über du Spinner.“

„Daran wirst du dich eh gewöhnen müssen, aber gut für jetzt mache ich mal ne Ausnahme“, sagte Jake, legte seine Mitbringsel auf einen umgedrehten Eimer und zog los sich zu bedecken. Keine zwei Minuten später hatte er sich auch schon eine Hose und ein T-Shirt übergezogen und kehrte zu den Wölfen zurück.

Er ließ sich neben ihr nieder und verscheuchte die Jungs. „Und wehe einer spannt. Das dürft ihr dann mit Sam ausbaden“, rief er der Bande nach. Entsetzt drehte sie ihren Wolfkopf zu ihm und fragte: „Du glaubst nicht wirklich, dass ich mich vor dir verwandele, oder?“

Während sie in Gedanken sprach nutzte Jake seine Stimme: „Du weißt genau, dass ich dich nicht allein lassen werde.“ Traurig sprach er weiter: „Du brauchst dir keine Sorgen wegen mir zu machen. Ich habe kein Interesse an dir. Da kannst du beruhigt sein.“ Er wurde immer leiser und den letzten Satz flüsterte er. „Es gibt nur eine Person die mich interessiert.“

„Wie meinst du das?“, fragte Leah skeptisch.

Auf einmal fand Jake einen Grashalm äußerst interessant und drehte diesen energisch zwischen den Fingern.

„Jake.“

Keine Antwort.

„Erde an Jake, aufwachen.“

Immer noch keine Reaktion. Da wurde es ihr zu bunt und sie schnappte nach dem Grashalm. Nur dank seiner guten Reflexe konnte Jake seine Finger noch in Sicherheit bringen bevor das Wolfsmaul sich genau dort schloss, wo seine Hände zuvor waren.

„Hey, spinnst du?“, fragte er bissig und sah wütend auf.

„Erkläre es mir, du Schafskopf. Warum gibt es nur eine noch Person für dich?“, schnaubte Leah und zermahlte den Grashalm.

„Ich wurde auf eine Person geprägt. Einfach ausgedrückt. Es gibt nur noch diese Person für mich. Völlig egal wie aufreizend du dich vor mir räkeln würdest, oder was auch immer du tust, es gäbe keine Reaktion von mir. Das ist auch so ein Wolfsding“, erklärte er und sackte in sich zusammen. „Wir haben keinerlei Kontrolle, wann es passiert und auf welche Person man sich prägt. Es ist wirklich keine Liebe auf den ersten Blick. Es ist mehr wie… die Schwerkraft bewegt sich plötzlich. Es ist nicht mehr die Erde, die dich hier festhält, sie tut es ... Du wirst zu dem, was sie braucht, egal ob es sich um einen Beschützer, einen Liebhaber oder einen Freund handelt.“

„Und bei dir ist das ein Mann, dieser Isaak“, fragte sie scharf nach.

Erschreckt wurde Jake bleich. Leah hatte doch etwas mitbekommen. Er schluckte hart, wandte den Blick ab und nickte.

„Das ist aber nicht normal bei euch…, ähm…, uns oder?“, bohrte sie angewidert nach.

Jake konnte nicht reden und schüttelte nur den Kopf. Dann fügte er leise hinzu, während er die Arme um die Beine schlang: „Ich habe es mir nicht ausgesucht und nicht darum gebeten. Aber du wirst es eh mitbekommen. Du kannst meine Gedanken lesen. Ich bin da wohl ein Sonderfall, genauso wie du. Noch nie hat sich ein Wolf auf einen Mann geprägt und noch nie gab es eine Wölfin.“

Erleichtert atmete Leah aus und begann sich zu verwandeln. Nur am Rande behielt Jake sie im Auge und war in sich gekehrt. Nachdem sie sich angezogen hatte ließ sie sich neben ihm auf den Boden sinken und sagte: „Puh, und ich dachte schon alle Wölfe wären schwul und ich müsste zur Lesbe werden.“

Plötzlich fauchte Paul, welcher sich nicht mehr zügeln konnte: „Nein, wir sind keine verdammten Homos. Nur Jake ist so abartig und gestört sich an einen Kerl zu binden. Wirf uns nicht in einen Topf mit diesem Schwanzlutscher.“

Jake war das mittlerweile gewohnt und verschloss sich vor den Anderen. Er wollte nicht streiten, hatte Paul doch irgendwie Recht.

„Halt die Fresse, du Stinktier!“, keifte auf einmal Leah und sprang auf die Füße. „Wo bist du, du hässlicher Bettvorleger? Dich würde ohnehin nicht mal einer mit der Kneifzange anfassen. Egal ob Mann oder Frau.“

Jake war sprachlos, Leah nahm ihn in Schutz und ging auf Paul los. Vielleicht hatte er doch Glück und jemanden zum Reden gefunden.

„Genug!“, befahl Sam und hielt Paul von einer Antwort ab.

„Da haste nochmal Glück gehabt, zieh den Schwanz ein und versteck dich hinter Sam. Wer ist jetzt der Schwanzlutscher, na?“

„Leah! Das gilt auch für dich“, knurrte Sam und zwang auch sie Ruhe zu geben.

Sie kämpfte gegen die Macht des Alphas. Still stand sie da und begann zu zittern. Dann sackte Leah zusammen und ließ sich wieder neben Jake nieder.

„Wird das immer so sein?“, fragte sie laut.

„Sam ist unser Alpha und er hat die Macht uns seinem Willen zu unterwerfen“, bestätigte Jake ihre Befürchtungen.

Panik stieg in ihr auf und sie dachte daran, was er ihr alles befehlen könnte. Ein Bild tauchte vor ihrem inneren Augen auf. Sie zusammen mit Emily und Sam im Bett. Er als Pascha zwischen ihnen liegend.

Ihren Gedanken zu lauschen ließ Jake schmunzeln. Erst war ihr Blick fragend dann verstand sie, dass alle ihre Überlegungen mitverfolgten. Sie wurde knallrot und Jake besänftigte: „Also zum einen erstreckt sich die Macht des Alphas nur auf das Rudel. Emily ist nicht Teil des Rudels. Sie würde ihm den Arsch aufreißen.“

Bei der Erwähnung von diesem Namen verengte sich ihre Pupillen und Jake gab den anderen ein Zeichen, indem er eine Hand um die Ecke streckte und winkte.

„Zweitens, rein theoretisch könnte Sam zwar alles befehlen, aber wenn er es übertreibt, würden wir ihm das nicht verzeihen. Auch ein Alpha kann sich nicht gegen das ganze Rudel auf einmal zur Wehr setzen. Nicht bei unserer aktuellen Größe. Drittens, mischt sich Sam nur dann ein, wenn Gefahr droht oder um den Frieden im Rudel zu wahren. Viertens…“

Jake hielt inne und sah sie von der Seite heraus an. Sie starrte zurück und knurrte: „Viertens?“

„Versprichst du mir ruhig zu bleiben?“, stellte Jake die Gegenfrage.

Auf das was nun folgen würde hatten alle gewartet. Jake wusste, dass die andern immer noch in Wolfsgestalt waren und sich nun, von Leah unbemerkt, im Kreis um sie verteilten.

Zaghaft nickte die Wölfin und machte sich innerlich bereit etwas Schlimmes zu hören.

Jake wartet noch einen Augenblick bis alle ihre Plätze eingenommen hatten, dann erhob er wieder die Stimme: „Viertens, Sam ist auf Emily geprägt.“

Einen Moment herrschte Stille, dann begann Leah vor unbändiger Wut zu zittern und verwandelte sich. Stoff riss und das dritte Kleid des Tages fand ein jähes Ende.

Schnell mahnte Jake: „Beruhig dich! Wenn du mich zwingst meine letzte Hose zu schreddern, beschwer dich nicht, wenn ich hier nackt rumlaufe.“

Sie richtete ihre Augen auf ihn und bleckte die Zähne, aber sie griff nicht an. Dann sah sie auf die Stofffetzen rund um sich und begriff so langsam, warum die Jungs immer halbnackt herumrannten. Wenn sie in dem Tempo weitermachte, würde sie spätestens nach einer Woche auch nichts mehr zum Anziehen haben.

Mit einem unscheinbaren Kopfnicken gab er Entwarnung und das Rudel verstreute sich wieder. Alles weitere würden sie ihm überlassen. Die wichtigsten Aufreger waren fürs Erste geklärt.

„So, du hast die Wahl, Leah“, redete Jake weiter als wäre nichts von Bedeutung geschehen. „Entweder ich gehe ins Haus und bettle bei Emily nach noch einem Kleid, welches wohl das gleiche Schicksal erleiden wird als das Letzte.“

Sie schüttelte den Kopf und knurrte erbost auf.

„Oder ich schicke einen der Jungs zu dir.“

„Niemals, wehe einer von euch wühlt in meinen Sachen rum“, drohte sie aufgebracht.

„Dann bleiben nur noch eine Decke oder nackt rumlaufen“, seufzte Jake und griff nach einem alten Stofffetzen, welche neben ihm in einer Nische lag. Diese Bedeckung hatte dem Rudel schon gute Dienste geleistet. Die meisten sträuben sich am Anfang ohne Kleidung rumzulaufen, aber es gab einfach keine andere Lösung solange die Neulinge sich nicht beherrschen konnten, waren Klamotten einfach sinnlos. Selbst danach verbrauchten sie immer noch eine enorme Menge davon. Wenn sie unter sich waren verzichteten sie daher der Einfachheit halber darauf. Das würde sich jetzt vielleicht ändern. Bisher hatten sie keine Frau im Rudel.

„Ich würde dir zur Decke raten. Wenn du merkst, dass deine Wut mit dir durchgeht, wirf sie einfach von dir. Dann kannst du sie öfters benutzen.“ Er hielt sie ihr hin und sie ergab sich ihrem Schicksal. In wenigen Momenten nahm sie ihre Menschengestalt an und warf sich schnell die Decke um. Dennoch sah sie, dass Jake sie musterte. Aber sein Blick war recht desinteressiert. Dann runzelte er die Stirn, griff nach der Decke, zog sie ein wenig weg und besah sich ihre Bauchmuskeln.

Empört über diese Unverschämtheit verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. Doch obwohl seine Wange glühte, bemerkte Jake das offenbar gar nicht. Dann hörte sie seine Gedanken und hielt inne, da sie bereits erneut ausholte.

„Seltsam, ihre Muskulatur ist nicht so stark ausgeprägt wie bei uns.“ Er stupste gegen ihren Bauch. „Aber dennoch hart wie Stahl. Gut, das hätte sonst für Probleme gesorgt. Passt irgendwie zu ihr. Sie sieht damit besser aus. Wäre auch hässlich gewesen, wenn sie unsere Muskulatur übernommen hätte. Bein- und Armmuskeln sind gut trainiert. Sie wird keine Probleme mit dem Laufen als Wolf haben. Ich denke, ihre filigranere Statur wird ihr einen Vorteil in Geschwindigkeit und Wendigkeit bieten. Mit unserer Kraft wird sie aber nicht mithalten können…“

Leah war sich nicht sicher, ob sie rot werden sollte, wegen den Komplimenten oder ihm das Gesicht zerkratzen, weil er sie so offensichtlich anglotzte. Dann fielen ihr seine Worte ein. Er war geprägt und kein einziger seiner Gedanken ging in die falsche Richtung. Er war anscheinend einfach nur neugierig und prüfte ihren Körper auf Kampftauglichkeit.

„Aber über ihre Frisur muss ich mit ihr reden. Als Wolf sah sie sehr struppig aus, viel zu lange Haare, dass könnte sie beim Kämpfen behindern. Tja aus demselben Grund musste ich auch meine Mähne loswerden.“

„Das erklärt deinen plötzlichen Sinneswandel vor knapp einem Jahr“, warf sie ein und er hob tief in Gedanken den Kopf um ihr in die Augen zu sehen. Zuckersüß fragte Leah: „Fertig?“

Unbedacht nickte er einfach. Jakes Wolfinstinkte warnten ihn noch, da bekam er schon eine weitere Ohrfeige und diesmal spürte er diese auch. Sie hatte alle ihr zur Verfügung stehende Kraft benutzt und sein Kopf ruckte herum, wobei seine Wange aufplatzte und Blut spritzte.

Wäre er ein normaler Mensch gewesenen, hätte sie ihm wohl das Genick gebrochen. Aber so krümmte er sich nur kurz vor Schmerz und hielt sich die Wange.

„Tschuldige, kommt nicht mehr vor“, brabbelte Jake kleinlaut und betastete den Schaden.

„Oh Gott“, rief sie bestürzt als sie sah, was sie ihm angetan hatte.

Jake zuckte mit den Schultern und erklärte: „Ach, schon gut. Einer der Vorteile ein Wolf zu sein sind unsere guten Selbstheilungskräfte. Deine Bisse und Kratzer sind auch schon fast wieder verheilt.“ Zur Bestätigung zeigte er ihr seine lädierten Arme und deutete auf eine Bisswunde an seinem Bein, welche aussah, als wäre sie vor Wochen entstanden. „Du solltest aber deine Kraft zügeln. Du bist nun stärker als ein normaler Mensch.“

„Geschieht der Schwuchtel ganz recht“, lachte Paul. Er war um die Ecke getreten und sah sich die Szene mit eigenen Augen an.

„Was ist eigentlich dein Problem?“, fuhr Leah ihn an.

„Der da…“, Paul deutete auf Jake: „… ist eine Schwuchtel.“ Damit war für ihn die Sache eindeutig klargestellt.

„Na und? Jedem das seine. Wo leben wir denn, im Mittelalter? Geh und such dir ne Höhle, du Neandertaler. Oder in deiner Sprache: Uga, Uga, Höhle gut, Uga.“

Sprachlos starrte Paul sie an und fragte entsetzt: „Du nimmt den Homo in Schutz? Der ist abartig. Das ist wider der Natur.“

„Deine Hirnmasse und dein Geruch sind abartig und wider der Natur. Uga, Uga Wasser Freund, Uga.“

Paul konnte nur den Kopf schütteln, so hatte noch keiner mit ihm gesprochen. Dann wurde er zornig und Jake mischte sich ein: „Paul verpiss dich jetzt. Wenn du dich verwandelst werde ich dich unterwerfen. Ich warne dich. Oder willst du von der bösen Schwuchtel niedergemacht werden.“

Der andere trollte sich und Leah fragte: „Ist der immer so drauf?“

„Seit meiner Prägung ja. Ich meine er war schon immer ein Arschloch, aber jetzt hat er mich auf dem Kieker“, offenbarte Jake.

Auf einmal hörten sie Sams Stimme: „Macht euch bereit.“

Ohne mit der Wimper zu zucken sprang Jake mit einem Satz auf, entledigte sich rasch seiner Hose und wurde zum Wolf. Leah konnte die Emotionen der anderen noch nicht auseinanderhalten, es war alles zu neu für sie. Aber Jake wusste genau was Sam zu sagen hatte und was gleich los sein würde. Auch die anderen sprangen hastig aus dem Haus und entledigten sich ihrer Wäsche.

Leah erbleichte und fragte panisch: „Wie geht es meinem Vater? Sam nun rede endlich.“

„Leah es tut mir leid…“, mehr hörte sie nicht. Die Stimmlage war eindeutig und sie verlor nun vollends die Kontrolle.

Ein Unglück kommt selten allein. Im Nachhinein dachte Jake, er hätte es wissen müssen. Während er und die anderen alle Pfoten und Mäuler voll zu tun hatten Leah zu bändigen, tickte auch ihr Bruder Seth aus. Noch am Sterbebett verwandelte dieser sich und Sam hatte Mühe, den Teenie in einem so beengten Raum unter Kontrolle zu bekommen.

Der dadurch entstandene Lärm rief das Krankenhauspersonal auf den Plan und sie konnten sich nur ungesehen retten, indem sie als Wölfe im 3.OG aus dem Fenster sprangen. Sam, welcher nur Augen für Seth hatte und darauf achtete, dass dieser sich nicht verletzte, kam ungünstig auf und brach sich ein Bein auf dem Asphalt.

Jake blieb keine andere Wahl, er behielt Jared und Paul, die Stärksten nach ihm, bei sich und schickte Quil und Embry los um Sam und Seth einzusammeln und diese sicher hierher zu bringen.
 

Nach diesem Tag war mit Leah nicht mehr zu reden. Sie zeterte nur noch und gab den Wölfen die Schuld für den Tod ihres Vaters. Vor allem auf Jake und Sam hatte sie sich eingeschossen. Sie wurde allmählich zur Furie und alle gingen ihr möglichst aus dem Weg.

Sam hingegen fiel für eine Woche aus. Auch wenn die Wölfe schneller heilten, zaubern konnten sie nicht. Bei einem komplizierten Beinbruch dauerte es eben ein wenig, bis er vollständig genesen war.

Zudem war da dann auch noch Seth, welcher sich hinter seiner großen Schwester versteckte und die Jungs misstrauisch und ängstlich beäugte. Er war zu jung, zu unerfahren und sein Körper hatte keine Zeit gehabt sich auf die Verwandlung vorzubereiten.

Das Rudel wurde auf eine harte Probe gestellt und die Nerven aller lagen blank. Da die anderen sich nicht an Leah oder Seth abreagieren durften, weil Sam diese unter Welpenschutz gestellt hatte, bis sie sich wehren konnten, ließen alle ihren Unmut an Jake aus. Selbst Embry konnte sich nicht immer beherrschen und ging ihn an. Alles in allem war es nun noch schlimmer als zuvor. Er war wieder allein mit seinen Ängsten und hatte niemanden zum Reden. Außerdem musste er als Prügelknabe herhalten und das zehrte noch mehr an seinen fast erschöpften Reserven.
 

Weit entfernt sah Isaak auf und dachte über die Situation nach. Er war einen Berg hochgeklettert und hatte sich auf dessen Spitze auf dem Gipfelkreuz niedergelassen. Dort saß er nun und schaute in die Richtung des jungen Wolfes. Er spürte dessen Unruhe und Verzweiflung durch die Verbindung. Insgeheim hatte er gehofft, dass es besser werden würde, aber das tat es nicht.

Nachdem er das Revier der Wölfe verlassen hatte, probierte er verschiedene Entfernungen aus, darauf bedacht, Jake keine Schmerzen zuzufügen. Schnell verstand er, dass sein Versuch die Prägung abzublocken in gewisser Weise erfolgreich war. Jake war zwar auf ihn geprägt, verhielt sich nicht so, wie er sollte und auch die Distanz zwischen ihnen machte dem Wolf weitaus weniger aus, als allen Geprägten vor ihm.

Immerhin hatte Jake so die Wahl die Prägung anzunehmen oder sich ihr zu widersetzen. Auch wenn er den Kampf wohl am Ende verlieren würde. Denn die Verbindung wurde mit der Zeit stärker, dass konnte Isaak nun eindeutig feststellen.

Er seufzte tief und begann zu sprechen: „So ein Schlamassel. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm helfen könnte.“ Traurig schüttelte er den Kopf: „Aber so kann das nicht weitergehen. Ich muss etwas unternehmen. Egal was es mich kostet, ich muss ihm einfach helfen.“

Miesepetrig dreinsehend sprang er vom Kreuz und gleich auch noch die etwa eineinhalb Kilometer hohe steile Bergflanke hinunter. Er hatte sich einen Plan zurechtgelegt und den würde er nun umsetzen. Dafür benötigte er aber die Hilfe eines Anderen. Denn er würde sich Jake nicht mehr nähern, dass hatte er ihm versprochen.

Unerwarteter Überfall

Sie saß im Unterricht und kritzelte geistesabwesend auf ihrem Block herum. Edward neben ihr spielte, wie immer, den Musterschüler. Warum er das tat, war ihr ein Rätsel. Dabei kannte er den Stoff doch schon lange auswendig, so oft, wie er diese Klassenstufe schon durchlaufen hatte in seinem Leben. Segen und Fluch eines Vampirs; sie alterten nicht mehr und so musste er sich als Schüler ausgeben, wenn er in der normalen Gesellschaft wandeln wollte.

Bella sah auf ihr Gekritzel und konnte, wenn sie den Kopf leicht neigte, sogar eine Form sehen. Es war die Karikatur eines Wolfes und sie seufzte ein leises: „Jake.“

„Also ich finde nicht, dass ihm dieses Gemälde ihm ähnelt, aber ich habe ihn mir auch noch nie so genau angesehen“, meinte ihr Freund trocken, nachdem er einem prüfenden Blick auf ihre Zeichnung geworfen hatte.

Erneut seufzte sie und schaute zur Tafel, wobei sie kein einziges Wort des Lehrers mitbekam. Ihr bester Freund Jake hatte ihr übel mitgespielt. Fast wäre er für Edwards Tod verantwortlich gewesen. Das war nun aber schon mehrere Monate her und ihrem nun festen Freund ging es gut. Sie konnte ihn retten, traf danach aber auf die Volturi. Ein übler und mächtiger Haufen Vampire.

Nach ihrer Rückkehr hatte sie kaum an Jake gedacht. Sie war bei ihrem Edward und mehr brauchte sie nicht, um auf Wolke sieben zu schweben. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie auch nicht an ihn denken, nach dem was er getan hatte. Das war nun aber schon lange her und sie machte sich langsam wirklich Sorgen.

Klar war Edward nicht gerade begeistert davon, dass „Sie sich Umgang mit einem Wolf wünschte“, wie er es gerne ausdrückte, aber er hielt sie auch nicht davon ab. Für ihn zählte nur, dass sie glücklich war. Wenn sie mit dem Hund Stöckchen holen spielen wollte, sollte sie das ruhig machen. Solange er sie wohlbehalten wiederbekam, konnte er sich mit diesem Arrangement abfinden.

Da Bella schon seit knapp zwei Monaten versuchte mit Jake in Kontakt zu treten, dieser jedoch nicht reagierte, wollte er schon selbst zu den Wölfen gehen. Aber der Vertrag verbot ihm den Zutritt in das Revier des Rudels. Wären diese Wilden etwas umgänglicher gewesen, hätte er es gewagt, um Bella glücklich zu machen, aber so konnte man nie wissen, was dieser Haufen tollwütiger Hunde anstellen würde. Doch fiel ihm kein anderer Weg mehr ein. Jake reagierte nicht auf Bellas Briefe und wenn sie anrief, hob immer sein Vater ab.

Es klingelte und Edward sammelte ihrer beiden Sachen ein. Seine Freundin war zu sehr in Gedanken und da wollte er sie nicht mit solchen Kleinigkeiten stören. Dann nahm er beide Rucksäcke an sich und schob Bella sachte aus dem Raum.

Da es die letzte Stunde war, trafen sie sich in der Halle mit dem Rest seines Zirkels und gemeinsam verließen sie das Gebäude. Anschließend teilten sie sich auf, weil er mit Bella in seinem Wagen fuhr und das Auto der andern ein gutes Stück entfernt stand.

Er hatte nur Augen für seine Freundin und achtete in erster Linie darauf, dass sie in ihren Träumereien nicht gestört wurde. Plötzlich nahm er einen seltsamen Geruch wahr und seine Nackenhaare stellten sich auf. Instinktiv wusste er, dass dieses Aroma nichts Gutes bedeutete. Auch, wenn er den Duft weder einem Vampir, Menschen noch einem Wolf zuordnen konnte.

Sofort stellte sich Edward vor Bella auf und streckte einen Arm aus, um sie am Weitergehen zu hindern. Dann sah er sich wachsam um und versuchte die Gefahr zu erspähen. An seinem Wagen wurde er fündig. Dort stand ein eigenartiger Mann.

Rein optisch gesehen sah er aus wie ein Vampir, aber seine Haut war nicht blass und marmorartig. Auch die Augen passten nicht zu diesem Bild. Er hatte rotblonde kurze Haare, die ihm wirr vom Kopf standen und erstaunlich blaue Augen. Er sah genauer hin und konnte am Hals des Mannes die Venen pulsieren sehen. Auch hörte er dessen Herz schlagen. Also war es schon mal kein Vampir. Aber was war dieser Kerl dann?

Als hätte der Mann seinen Blick gespürt, sah er zu ihnen herüber und lächelte freundlich.

„Was ist denn los?“, fragte Bella, die wieder in der Realität angekommen war.

„Der Mann an meinem Auto riecht sehr seltsam“, flüsterte er und fügte hinzu: „Entweder denkt er nicht oder ich kann seine Gedanken nicht lesen.“ Diese Bemerkung galt nicht ihr, sondern den anderen Cullens. Auch wenn sie bereits in ihrem Auto saßen und bestimmt einhundert Meter weit weg waren, wusste Bella, dass sie ihn hören konnten.

Sie sah schnell in diese Richtung und betrachtete die Anderen, wie sie unbewegt kerzengerade dasaßen. Der Anblick wäre für alle anderen Schüler seltsam gewesen, wenn diese darauf geachtet hätten. Die vier sahen aus wie Statuen. Kein Härchen krümmte sich. Sie atmeten, aber auch nur, um etwas riechen zu können.

Dann wandte sie sich ab und dem Fremden zu. Dieser hatte sich ebenfalls nicht bewegt und lehnte immer noch an Edwards Auto. Offenbar wartete er darauf, dass sie zu ihm kamen. Diese Schlussfolgerung äußerte sie auch leise zu ihrem Freund.

Edward kam zu demselben Ergebnis und flüsterte: „Ich gehe allein und frage was er will, du gehst zu den Anderen.“

Bevor sie etwas erwidern konnte, schüttelte der Mann den Kopf. Dann deutete er auf sich und anschließend auf Bella.

„Das gefällt mir nicht“, murmelte Edward. Dieser Fremde hatte ihn gehört. Er war also auch kein Mensch.

Dann seufzte der Unbekannte, stieß sich locker vom Wagen ab und kam direkt auf sie zu.

Aus den Gedanken der anderen Cullens erfuhr Edward, dass sie ausgestiegen waren und ebenfalls zu ihnen kamen. Der Fremde war ihnen nicht geheuer und sie wollten kein Risiko eingehen.

Als sich alle trafen deutete der Mann eine leichte Verbeugung an und sagte mit einer melodischen Stimme: „Sei gegrüßt Bella. Ich bin Isaak. Ich würde mich gerne mit dir unterhalten.“

„Sie aber nicht mit dir“, blaffte Edward ihn unfreundlich an und stellte sich nun vollends vor Bella auf.

„Edward“, entrüstete seine Freundin sich und versuchte an ihm vorbei zu sehen.

Die Augen des Mannes blitzten gefährlich auf, als er seinen Blick auf den Vampir richtete. Dann sprach er mit ruhiger Stimme: „Ich habe nicht mir dir gesprochen, Vegetarier. Dein Verhalten ist sehr unhöflich. Aber was will man auch von einem der Deinen erwarten.“

Sprachlos wurde er von sechs Augenpaaren angestarrt. Dieser Mann kannte ihr Geheimnis.

Isaak kniff kurz die Augen zusammen und rieb sich die Nasenwurzel. Mit versöhnlicher Stimme sagte er: „Verzeih, auch ich vergaß meine Manieren. Ich bin kein Freund von deinen Verwandten und ich sollte euch nicht alle über einen Kamm scheren. Es liegt mir fern, einen Streit zu beginnen. Solange ihr euch an den Vertrag haltet, habe ich keinen Grund für Feindseligkeiten.“

Zu Bella Gewand sprach er einfach weiter: „Bella ich muss mit dir reden, es geht um Jake.“

Isaak hatte das magische Wort gesagt und Bella schob sich energisch an Edward vorbei. Dieser ließ sie gewähren, spannte aber die Muskeln an. Er und die anderen machten sich bereit jederzeit einzugreifen, um ihre Freundin zu schützen, wenn es sein musste.

„Was ist mit Jake?“, fragte Bella und achtete nur noch auf den Fremden.

Ein Seufzen entrann Isaaks Kehle und er stellte die Gegenfrage: „Bist du immer noch wütend auf ihn?“

Irritiert schüttelte sie den Kopf und fragte sich woher dieser Mann das wusste.

Dann erklärte Isaak: „Es geht Jake nicht gut. Du bist seine beste Freundin. Er könnte deine Hilfe gut gebrauchen.“

„Was ist denn los?“, wollte sie unbedingt wissen. In ihrer Stimme schwang eine leichte Hysterie mit.

Nachdenklich sagte er: „Es steht mir nicht zu, dir diese Information zu geben. Er würde es nicht wollen. Du musst ihn schon selbst fragen.“

Abermals seufzte Isaak und fügte hinzu: „Du darfst ihm aber auf keinen Fall sagen, dass ich bei dir war. Glaub mir, dass wäre nicht gut. Ich vermute, Jake würde sofort die Flucht ergreifen.“

„Ich verstehe nicht.“

„Du wirst es verstehen. Geh zu ihm er braucht dich. Jetzt mehr denn je.“ Dann griff er in seine Hose. Bei dieser Bewegung zischten die Vampire und gingen in Kampfhaltung.

Isaak beachtete diese Drohgebärde gar nicht und fragte Bella: „Wie gut bist du im auswendig lernen?“

Das Gespräch wurde immer absurder und sie erwiderte verunsichert: „Ganz gut, wieso?“

Dann zog er einen eigenartigen Anhänger an einer dicken Goldkette hervor wobei er erklärte: „Gib ihm dieses Amulett. Das wird ihm helfen. Aber er muss glauben, dass es von dir kommt. Sonst wird er es nicht tragen. Sag ihm einfach du hättest es in Volterra auf dem Markt erstanden, weil es dich an ihn erinnert, oder sowas in der Art.“

Dieser Mann wusste Dinge, die er nicht wissen sollte, dachte Edward und fragte zornig: „Woher weißt du das alles?“

Isaak wandte sich ihm zu und plauderte so dahin: „Man schnappt so das eine oder andere auf.“

„Gehörst du zu den Quileute?“, mischte sich Rosalie wissbegierig ein und rümpfte die Nase.

Nachdenklich musterte der Fremde sie und sagte nur ein Wort: „Nein.“

Emmet fragte angespannt: „Was bist du dann?“

Der andere ignorierte ihn, sah zu der Menschenfrau und hob die Hand mit dem Kleingut. Bella hob ebenfalls eine Hand und Isaak ging einen Schritt auf sie zu. Nun knurrten die Vampire leise und bleckten ihre Zähne. Abermals beachtete der Mann sie nicht und übergab ihr das Schmuckstück. Dann trat er einen Schritt zurück und das Knurren aus fünf Kehlen erstarb.

„Was ich dir nun sage musst du dir gut merken. Es ist sehr wichtig, dass du Jake Folgendes sagst…“
 

Zehn Minuten später düsten sie in Edwards Wagen über die Straße und fuhren auf das Reservat zu. Nachdem sie sich alles gemerkt hatte, was Isaak erzählte, schärfte er ihr nochmals ein: „Sag ihm auf keinen Fall, dass die Kette von mir ist oder, dass ich bei dir war.“ Dann hatte sich der Mann einfach umgedreht und war in Menschentempo gegangen, ohne sich auch nur noch einmal umzusehen.

Bella hatte noch viele Fragen, aber wichtiger war Jake. Er brauchte sie und sie würde sich diesmal nicht abwimmeln lassen. Also setzte sie sich resolut gegen die Einwände der anderen durch. Edward, der seine bessere Hälfte gut genug kannte, knickte schlussendlich ein. Aber, er bestand darauf sie zu der Grenze zu bringen und ihr dann seinen Wagen zu geben. Anschließend würde er sich im nahen Wald verstecken und auf ihre Rückkehr warten. Er wusste, dass sie zu Jake gegangen wäre, egal was alle anderen auch sagten mochten. Zur Not wäre sie auch gelaufen, da war er sich sicher. So konnte er sie wenigstens einen Teil des Wegs im Auge behalten.

Bella fuhr dieses Auto selten und wünschte sich ihren Truck. Mit dem kam sie besser klar, als mit diesem PS-Monster. Auch wenn sie es eilig hatte, fuhr sie langsam. Sie trauten den ganzen Pferdestärken nur dann, wenn Edward die Zügel hielt. Er konnte sie auch beschützen, sollte mal was passieren.

Langsam kam die Siedlung der Quileute mitten im Wald in Sicht. In ihrer Ungeduld ließ sie den Motor kurz aufheulen, dann bog sie auf den Weg ein, der zu Jakes Haus führte. Als sie dann, ohne einen Unfall zu bauen, ankam, sah sie ein Mitglied des Rudels im Wald verschwinden. Sie glaubte, dass es Paul sein musste, war sich aber auch nicht ganz sicher. Das Fell des Wolfs war sehr zerzaust gewesen. Aber Jake war es definitiv nicht. Ihn hätte sie ganz bestimmt erkannt.

Sie stellte das Auto neben dem Truck der Blacks ab, stieg aus und klopfte kräftig an die Tür. Warum hatten die Blacks eigentlich keine Türklingel, wie moderne Leute, fragte sie sich beim Wartete.

Dann plötzlich wurde die Tür so voller Wut aufgerissen, dass sie fast aus den Angeln sprang. Ein tobender Jake in einer kurzen schwarzen Hose kam zum Vorschein: „Paul, ich schwöre ich ziehe dir das Fell ab, wenn du nicht gleich…“ Er verstummte als er seinen Peiniger nirgends sah. Dann senkte er den Blick und fand Bella auf der Türmatte stehend vor. Er erbleichte und schmiss die Tür zu.

Aber damit hatte sie gerechnet und stellte ihren Fuß in den Spalt. Als die Tür sie traf durchzuckte sie ein stechender Schmerz und sie jaulte ein: „Aua.“

Sofort wurde die Tür wieder aufgerissen und Jake sah zu ihrem malträtierten Fuß hinunter. „Tschuldige“, nuschelte er verlegen und kniete sich hin, um ihre Verletzung zu untersuchen. Behutsam bewegte er das Gelenk und Bella zog scharf die Luft ein.

„Kannst du laufen“, frage er als er sie freigab.

„Geht schon“, antwortete die junge Dame und prüfte, ob das Bein ihr Gewicht trug. Sie dachte daran, wie sie das Edward erklären sollte. Er würde bestimmt gleich hier her rennen und Jake vermöbeln wollen. Andererseits sollte er es aber auch langsam gewöhnt sein, dass sie sich gerne mal aus Schusseligkeit verletzte.

Jake riss sie aus ihren Gedanken und blaffte: „Gut, dann geh jetzt wieder. Ich kann dich hier nicht gebrauchen.“

Abermals versuchte er die Tür zu schließen und abermals landete ein Fuß im Türspalt.

Wütend flog die Tür an die Hausinnenwand und er keifte: „Was soll das? Willst du etwa, dass ich dir weh tue?“

Stur, wie sie eben war, schritt sie nun auf die Schwelle, bohrte ihm einen Finger in die nackte Brust und motzte: „Nein, ich will nur wissen, warum du mich ignorierst.“

Er wich zurück und seine Mine wurde ausdruckslos als er sagte: „Du hast dich gegen mich entschieden. Warum glaubst du sollte ich noch Kontakt zu dir wollen?“ Jake wusste, dass seine Worte sie verletzen würden aber, dass war immer noch besser, als ihr die Wahrheit zu erzählen.

Isaak hatte sie gewarnt, dass Jake so etwas sagen könnte, um sie los zu werden. Deshalb war sie vorbereitet und schob sich einfach in das Haus. „Ich wusste, dass so etwas kommen würde. Aber, so leicht kommst du mir nicht davon, Mr. Bizeps.“

Kurz sah sie in das kleine Wohnzimmer und fand dort Billy vor, welche sie misstrauisch betrachtete. „Hi, Billy, wie geht’s dem Rücken?“, fragte sie ihn und der Mann erwiderte entwaffnet: „Hi, Bella. Wie immer schlecht.“

Jake war verunsichert. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie würde sich wohl nicht so einfach verscheuchen lassen und er wollte ihr nicht mehr weh tun als nötig. Dennoch startete er einen zweiten Versuch: „Bella, du hast dich für einem Blutsauger entschieden. Wir sind natürliche Feinde. Geh einfach und mache es uns beiden nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Wir sind keine Freunde mehr, solange du mit denen rumhängst.“

Das traf sie dann doch etwas und sie zuckte kurz zusammen. Isaak hatte also recht gehabt: Hier war eindeutig was im Busch, so vehement, wie Jake sie verjagen wollte. Sie warf ihm schnell einen bösen Blick zu und wandte sich vom Wohnraum ab. Anschließend ging sie einfach weiter auf Jakes Zimmer zu. Als sie bemerkte, dass sich ihr bester Freund nicht rührte sagte sie spitzbübisch: „Bei Fuß, Jake.“

Dieser grollte und sah zur offenen Tür. Das entging seinem Gast allerdings nicht und Bella sagte: „Wenn du abhaust, dann niste ich mich so lange in deinem Zimmer ein, bis du bereit bist mit mir zu reden.“

„Das würdest du nicht machen“, versuchte er sich selbst zu überzeugen.

„Ich würde Sam um die Erlaubnis bitten, dass mir einer meiner Freunde meine Schulsachen vorbeibringt und mich zwischen hier und der Schule chauffieren darf.“ Nachdenklich fügte sie hinzu: „Vielleicht sollte ich als erstes Mal nachsehen, was die Herren so im Vorratsraum haben. Dann kann man auch gleich noch eine Einkaufliste erstellen. Ich nehme mal nicht an, dass ihr auf Frauenbesuch eingestellt seid, oder?“

Aus dem Wohnzimmer kam eine miesepetriger Konter: „Bella, ich habe auch noch zwei Töchter.“

„Stimmt ja. Dann wäre das geklärt. Billy was willst du zu Abend essen?“, fragte sie und wusste genau, dass sie gewonnen hatte.

Bevor der Hausherr antworten konnte, schloss Jake die Tür und sagte: „Ist ja gut. Ich komme schon. Kein Grund meinem Vater zu drohen.“

„Hey, ich kann kochen?“, platzte es aus Bella heraus. Aber sie hatte bekommen was sie wollte und ging in sein Zimmer. Dort schob sie mit den Füßen ein paar Kleidungstücke zur Seite, um sich Platz bis zum Bett zu verschaffen, wo sie sich anschließend niederließ.

Jake schloss auch die Zimmertür und warf sich falsch herum auf seinen alten Bürostuhl, sodass die Stuhllehne vor ihm war. Dieser ächzte und quietschte, als ob er schon sehr lange nicht mehr bewegt worden wäre. Oben auf der Lehne verschränkte er die Arme, legte den Kopf darauf nieder und starrte zu Boden. Dann herrschte Schweigen.

Die junge Dame besah sich ihr Gegenüber genauer. Jake sah schlecht aus. Dunkle Augenringe zeigten seine Müdigkeit und sein sonst so strahlendes Gemüt hatte sich in eine depressive Miene verwandelt. Zudem hatte er überall blaue Flecken, Kratzer und Bisswunden. Jedenfalls an den Körperpartien, die sie sehen konnte. Das fand sie sehr irritierend, wusste sie doch von den starken Selbstheilungskräften der Wölfe.

Nach den Abdrücken der Zähne zu schließen, hatte er sich entweder mit einem Rudel wilder Tiere angelegt, oder… Sie dachte an Paul, den sie gesehen hatte und Jakes Reaktion bei ihrem klopfen. Dann zählte sie eins und eins zusammen und verzog wütend das Gesicht. Für sie stand eindeutig fest, dass Paul für diese Wunden verantwortlich war.

Wenn sie den in die Finger bekam, würde sie ihn rund machen. Wobei sie sich nicht sicher war, ob Jake ihr das übel nehmen würde. Männer tickten eben anders und er könnte sich in seiner Ehre gekränkt fühlen, wenn sie sich einmischte. Sie seufzte schwer. Ja, das würde Jake ähnlich sehen.

Dennoch sah ihr bester Freund schlimm aus. Das konnte doch kein normales Gerangel sein, wie sie es schon so oft gesehen hatte. Da war doch noch mehr im Busch, sagte ihr ihre Intuition, welche überraschenderweise mal aus ihrer Lethargie erwachte. In der sie sich sonst immer versteckte. Immerhin war sie so „dumm“ sich in eine Killermaschine zu verlieben und ihre Intuition hatte einfach desinteressiert zugesehen.

Nach einer Weile seufzte Bella und sagte: „Ok, du willst nicht anfangen, dann mache ich das.“ Sie machte es sich bequem. Dieses Gespräch würde wohl einige Zeit benötigen, so wie Jake dreinschaute. „Jake, sieh mich an.“ Sie wartete bis er den Blick hob und zuckte zusammen. Seine Augen waren stumpf und abgekämpft. Allgemein wirkte er dem Zusammenbruch gefährlich nahe.

Was war hier nur los, fragte sie sich und versteckte ihre Reaktion in einem gekünsteltem Hüsteln. Hätte sie Billy nicht vor wenigen Minuten noch gesehen, dann hätte sie geglaubt, er sei gestorben, und das der Grund für das Auftreten seines Sohnes. Aber Jake hatte noch andere Geschwister. Bella dachte kurz darüber nach ihn darauf anzusprechen, entschied sich aber dagegen. Was auch immer in ihm vor sich ging, war etwas, das er anscheinend vor ihr zu verbergen versuchte. Gäbe es einen Todesfall in der Familie, dann hätte er sich bestimmt nicht so abgeschottet, entschied sie innerlich.

Von ihrem Vater wusste sie, dass Harry Clearwater an einem Herzinfarkt gestorben war, aber auch das schloss sie als Ursache aus. Sie musste wohl oder übel warten bis er mit der Sprache rausrückte.

„Jake, ich bin nicht mehr böse auf dich“, eröffnete sie und sah irritiert, wie er desinteressiert schnaubte, als ob das sein kleinstes Problem gewesen wäre. So langsam beschlich Bella eine dunkle Vorahnung. Jake war in sie verliebt und hatte bisher keinen Hehl daraus gemacht. Auch, wenn er es ihr nie ins Gesicht gesagt hatte, wusste sie es doch. Deshalb konnte diese Reaktion nur bedeuten, dass sich seine Gefühle ihr gegenüber geändert hatten, aber warum?

„Was ist los?“, versuchte sie einen Vorstoß.

Jake wandte sich von ihr ab und sagte nicht sehr überzeugend: „Nichts. Alles in bester Ordnung.“

„Jake, wir kennen uns doch schon so lange. Ich sehe es dir doch an, dass da etwas ist.“

Er schwieg ertappt, machte sich aber nicht die Mühe es zu leugnen. Das war sowieso sinnlos. Bella würde weiter bohren, egal was er sagte.

Erneut seufzte sein Besuch schwer. Dann schlug sie eine andere Taktik ein und wollte erstmal die Stimmung lockern. Mit einem Lächeln auf den Lippen offenbarte sie: „Ich habe dich vermisst, Jake. Du bist doch mein bester Freund. Und deshalb, habe ich dir etwas mitgebracht.“ Schnell griff sie ihn ihre Hosentasche und holte eine kleine Schatulle hervor.

Edward, geistesgegenwärtig, wie er eben war, hatte noch kurz einen Abstecher zu einem Juwelier gemacht und dort dieses Kästchen erworben, bevor Bella selbst daran gedacht hatte. „Ein Geschenk muss doch ordentlich verpackt sein“, hatte er gesagt. Und genau für solche Dinge liebte sie ihn über alle Maßen. Sie wusste genau, dass er das nur für sie tat. Damit es ihr gut ging.

Jake hingegen sah nicht mal auf und schnaubte nur: „Ich brauche nur meine Ruhe. Wenn du einfach gehen würdest?“

„Nein, je mehr du dich sträubst, desto mehr bohre ich nach. Du kennst mich doch. Egal. Nachdem ich Edwa…“ sie verhaspelte sich. Es war wohl keine gute Idee seinen Namen, oder den der anderen Cullens, vor ihm zu nennen. Schnell korrigierte sie sich: „Als ich über den Markt in Volterra schlenderte, habe ich das hier gesehen und musste an dich denken. Ich konnte gar nicht anders und habe es einfach für dich gekauft. Ich fand es würde dir gutstehen. Hoffentlich gefällt es dir.“

Nun war sein Interesse geweckt und Jake sah auf. Er sah auf das kleine Kästchen, welches Bella ihm hinhielt. Vorsichtig, als wäre es sehr zerbrechlich, nahm er ihr das Geschenk ab und öffnete die Klappe. Seine Augen wurden groß und er zog das Kleingut an einer großgliedrigen Goldkette heraus.

Der Anhänger hatte die Form eines Schildes oder Wappens: Oben abgerundet, unten spitz gezackt zulaufend. Es bestand aus einem dunkelroten, schuppenähnlichen Material, umfasst von einem mattgoldenen Rand. In der Mitte des etwa drei Zentimeter großen Anhängers war ein goldener Wolfskopf eingraviert. Erstaunt bemerkte er, dass die Augen des Wolfes aus Bernstein bestanden. Sie hatten dieselbe Farbe, wie seine eigenen in Wolfsgestalt und schienen von innen heraus zu leuchten. Kein Wunder, dass Bella bei diesem Schmuckstück an ihn hatte denken müssen.

Undeutlich nuschelte er ein „Danke“ und strich zärtlich über sein Geschenk, als liebkose er etwas ungemein Wertvolles.

„Ach, nichts zu danken“, winkte Bella ab.

Dann schüttelte Jake den Kopf und besann sich anders. Er legte den Anhänger zurück in die Schatulle und streckte den Arm zu ihr aus. „Ich kann das nicht annehmen. Das ist viel zu wertvoll.“

Bella verschränkte die Arme und bluffte: „Wenn du ihn nicht nimmst, werfe ich ihn weg.“ Beschwichtigend fuhr sie fort: „Der Anhänger war nicht teuer. Die hatten dort eine Menge von dem Zeug. Billiger Touristenkrempel eben. Bin mir nicht mal sicher ob das wirklich Gold ist, bei dem Preis. Ich konnte auch keinen Goldstempel finden, als ich nachgesehen habe. Die Kette allerdings ist aus Gold, denn sie ist von meiner Mutter. Ich habe sie aber nie getragen. Sie ist mir zu lang und liegt nur dumm rum. Ich fand schon immer, dass es eher eine Männerkette ist.“

Bedächtig zog Jake die Hand zurück und holte die Kette wieder hervor. Auch er fand keinen Stempel auf dem Anhänger. Die Kette hatte aber einen. Da dieses Geschenk nicht so wertvoll war wie angenommen, hatte er keinen Grund mehr abzulehnen. Es erfüllte sein Herz mit Freude, dass Bella an ihn gedacht hatte, nachdem was er ihr angetan hatte. Auch wenn es nur Tand war, für ihn war es sein wertvollster Besitz in diesem Moment.

„Als ich den Preis erfuhr, habe ich den Anhänger erst enttäuscht weggelegt. Ich wollte dir keinen Müll mitbringen. Aber der Verkäufer erzählte mir eine interessante Geschichte und da konnte ich dann nicht mehr an mich halten“, erzählte sie und tat so, als ob das wirklich geschehen war. Dann erinnerte sie sich an den auswendig gelernten Text und begann:

„Der Legende nach soll in der Gegend mal ein Drache gelebt haben. Mutige Männer erschlugen das Ungetüm und machten aus seinen Schuppen Schmuck. Dieser Schmuck soll erfüllt gewesen sein von der Macht des Drachen und so wurden die Dinger zu einer Art Aberglauben. Wer auch immer einen solchen Anhänger trägt, soll vor dem „Bösen Blick“ geschützt sein. Der Wolfskopf steht zudem für Stärke und Ausdauer. Sogar den Augen sagen sie mystische Kräfte zu. Die Bernsteine sollen helfen den Geist gegen jede Beeinflussung von außen zu schützen. Der Legende nach soll der Anhänger seinen Träger schützen und für Gesundheit sorgen.“

Sie lachte kurz auf. Das war ebenfalls Teil von Isaaks Anweisungen. „Nur schade, dass sie keinen Krebs heilen können oder unsterblich machen. Dann hätte ich mehr davon mitgebracht.“ Innerlich seufzte sie. Damit hatte sie ihre Rolle gespielt. Auch wenn sie nicht verstand, warum der Fremde so genaue Instruktionen gegeben hatte. Aber, so konnte sie Jake eine Freude machen und ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendet hatte, nachdem sie und Edward wiedervereint gewesen waren.

Der junge Mann musste einfach schmunzeln. Der Aberglaube mancher Leute war sehr erheiternd. Erneut dankte er ihr und machte Anstalten den Anhänger anzulegen. Aber seine Männerhände waren zu ungeschickt für den kleinen Verschluss und er schaffte es nicht die Öse einzuhängen. Schmunzelnd nahm Bella ihm das Schmuckstück ab und legte es ihm um.

Der „böse Blick“

Er griff nach dem Anhänger und sah ihn sich abermals an während er wieder ein „Danke“ murmelte. In genau diesem Moment begann Pauls Stimme in seinem Kopf zu randalieren. Jake verengte die Augen und knurrte in die Verbindung: „Halt die Fresse Paul, ich habe heute echt genug von dir.“

Dann blinzelte er. Paul gab wirklich Ruhe. Er konnte sich ein erleichterndes Stöhnen nicht verkneifen und dachte: „Endlich Ruhe.“

„Jake?“, fragte Sam alarmiert.

„Ja, Sam?“, erwiderte der Andere und wurde unruhig.

„Paul, Ruhe. Ich will mit Jake reden“, keifte Sam auf einmal.

Irritiert fragte sich Jake, über von was Sam da sprach. Paul hatte doch gar nichts gedacht, oder doch?

Das wiederum verwirrte den Leitwolf und er fragte: „Hast du Paul nicht gehört?“

„Seit ich ihm gesagt habe, dass er die Fresse halten soll nicht. Wieso?“

„Er hat aber nicht aufgehört zu denken“, offenbarte der Andere. Zu Jakes Verdruss forderte Sam Paul auf weiterzumachen.

Black Junior wartete, aber er hörte nichts.

Dann schnauzte Sam erneut: „Paul, Ruhe. Hast du ihn gehört Jake?“

Erschrocken riss Jacob die Augen auf und sprang hastig auf. Bei dieser Bewegung stieß er Bella um, die unsanft auf einem Wäschehaufen landete. Die ganze Unterhaltung hatte nur wenige Augenblicke gedauert und sie war noch immer vor ihm gestanden.

Ohne auf sie zu achten rief er laut, sowie in seinem Kopf: „Nein, ich kann ihn nicht hören!“

Einen Augenblick war es still und Jake sah panisch aus dem Fenster. Er glaubte Isaak wäre zurückgekehrt und würde seine geheimnisvollen Kräfte einsetzen. Am Waldrand war nichts zu erkennen. Dann sah er sein eigenes Spiegelbild in der Scheibe. Die Bernsteinaugen seines neuen Anhängers blitzten ihm entgegen. „Warte mal Sam, ich habe da so eine Idee.“ Er griff nach dem Kleingut und zog es sich vor sein Gesicht. „Bella, schnell, mach die Kette auf“, quasselte er hastig und sah sich nach eben dieser um.

Sie saß immer noch am Boden, hin und her gerissen zwischen beleidigt und besorgt.

Er war auf einmal ganz hibbelig, zog Bella ohne Mühen auf die Beine und drehte sich um. „Schnell, beeil dich!“, schnatterte er aufgeregt.

Mit geschürzten Lippen kam sie seinem Drängen nach. Das würde er ihr aber noch erklären müssen.

Nachdem er die Kette los war, legte er diese auf das Bett, ging vor ihr in die Hocke und sah sie sich genau an. Dann sagte er laut und in seinem Kopf: „Paul rede weiter und hör nicht auf, bis ich es dir sage.“

Nur zu gerne kam dieser dem Befehl nach und begann mit seinem Repertoire. Jake achtete nicht darauf was er sagte, sondern nur ob er ihn hörte. Dann nahm er den Anhänger in die Hand. Pauls Stimme war nach wie vor zu hören. Enttäuscht ließ er die Schultern sinken. Er hatte ich geirrt. Es wäre auch zu schön gewesen Paul ausblenden zu können. Genau in diesem Moment erstarb die Stimme mitten im Satz.

Jakes Herz klopfte ihm bis zum Hals und er ließ den Schmuck fallen. Sofort kehrte Pauls Schimpftirade in seinem Kopf zurück. Erneut berührte er den Anhänger. Das Gezeter ging weiter. Irritiert sah er auf den Anhänger. Dann überlegte er und ihm kam eine Idee. Er dachte daran Paul zu ignorieren und sogleich verstummte dieser. Anschließend manifestierte er den Gedanken, den Anderen wieder hören zu wollen, und dessen Stimme kehrte zurück.

„Wow“, entfuhr es Jake atemlos. „Der Anhänger funktioniert, wie eine Stummschalttaste.“

Bella, die nun wirklich genug von dem Verhalten ihres Freundes hatte, tippe ihm auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Einen Moment Bella, ich sags dir gleich“, stammelte er und probierte ein wenig herum. Er kam zu dem Schluss, dass er Paul einfach auf Stumm stellen konnte, wenn er das wollte. Das musste er gleich mal mit den anderen ausprobieren. „Paul Ruhe. Embry rede und hör nicht auf, bis ich es dir sage.“

Jake spürte die Verwirrung im Rudel, aber die beiden fügten sich seinem Befehl. Er experimentierte noch etwas herum und kam zu dem Ergebnis, dass er alle im Rudel außer Sam, wenn dieser ihn direkt ansprach, nach Belieben ausblenden konnte, solange er den Anhänger berührte.

Dann fragte Sam vorsichtig: „Jake? Geht es dir gut?“

Ohne auf seinen Alpha zu achten, sprang er auf und fiel Bella um den Hals. Diese war zu perplex, um zu reagieren und sie beide stürzten zu Boden. Er fing den Sturz für die junge Dame ab, indem er ihr als Kissen diente und brabbelte vor sich hin: „Danke, danke, danke.“

Er war so glücklich in diesem Moment, dass er einfach nicht anders konnte und seine Freude mit ihr teilen musste.

„Jake…, Luft…“, krächzte sie und er entließ sie aus seiner schraubstockartigen Umklammerung. Um Atem ringend blieb sie einen Moment auf ihrem durchgedrehten Freund liegen. Dann begann er ausgelassen zu lachen und sie hüpfte auf seinem harten Oberkörper auf und ab. Das war ihr dann aber doch zu viel und sie stand rasch auf.

„Alles ok bei dir?“, fragte sie und schaute zu dem Irren hinunter.

Er beruhigte sich etwas und plapperte fröhlich: „Mann Bella, du bist echt der Hammer.“

„Ok?“, gab sie vorsichtig zurück und spielte mit den Gedanken die Männer in Weiß zu rufen. Jake hatte ganz offensichtlich einen Nervenzusammenbruch und brauchte fachmännische Hilfe. Gab es Therapeuten für Wölfe? Oder brauchten sie einen Tierarzt?

Auch das Rudel war in Aufruhe und Sam knurrte wütend: „Jake, rede endlich!“

In seiner Freude sprach er einfach mit beiden gleichzeitig: „Der Anhänger, den Bella mir geschenkt hat, besitzt die Fähigkeit, die Stimmen des Rudels nach Belieben ein- und auszuschalten. Solange ich ihn berühre, kann ich Paul einfach auf Stumm stellen, wie einen Fernseher. Nur bei dir, Sam, geht das nicht. Ich glaube, weil du der Alpha bist.“

In der Verbindung, sowie im Zimmer, herrschte Totenstille. Dann grinste Jake fies und blaffte: „Paul herzlichen Glückwunsch, du bekommst einen Dauermute von mir. Endlich habe ich Ruhe vor dir.“

Nachdenklich musterte Bella den Anhänger auf dem Bett und dachte nach. Das war also der Grund warum Jake das Schmuckstück bekommen und tragen sollte. Aber, was hatte Isaak davon ihm so ein Geschenk zu machen?

Jake hingegen war in ein Gespräch mit Sam vertieft.

„Das ist doch unmöglich“, hatte der Ältere begonnen.

„Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert, aber ich finde es klasse“, konterte Jake. „Wenn du mir nicht glaubst, dann komm doch her und probiere ihn selbst aus.“

„Ich bin bereits da“, gestand der Alpha und es klopfte an der Haustür.

Jake sprang mit Elan aus dem Liegen in die Hocke und stand auf, dann rief er laut: „Dad, das ist Sam.“ In seinem Kopf fügte er hinzu: „Komm rein.“
 

Wenig später stand das halbe Rudel in Jakes winzigem Zimmer und sie alle testeten den Anhänger auf dessen Funktion. Bella indes sah ihnen vom Bett aus zu und fühlte sich sehr überflüssig.

Seltsamerweise funktionierte er nur bei Jake. Sam hatte ihn als Erstes ausprobiert, aber erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. Black Junior mutmaßte, dass der Schmuck beim Leitwolf vielleicht wirkungslos war und so rief dieser einen nach dem anderen zu ihnen. Lediglich Leah und Seth, von denen Bella noch nichts wusste, ließ Sam außen vor. Zu Jakes Unmut musste er aber auch Paul ertragen.

Die junge Dame im Zimmer hatte bei Pauls Erscheinen einen Todesblick aufgelegt und ließ diesen nicht aus den Augen. Dieser fühlte sich sichtlich unwohl, wobei Bella das als Punkt für sich deklarierte.

Bei keinem zeigte das Kleinod eine Wirkung. Das Wie und Warum, war Jake aber vollkommen egal. Solange es ihm half Paul loszuwerden, vielleicht auch Quil und Leah, war die Welt für ihn in Ordnung. Während einer langen Debatte kam Jared dann auf die Idee, ob das Ding auch umgekehrt funktionierte. Sogleich schnappte sich Jake den Anhänger und er fokussierte sich darauf, dass Quil ihn nicht hören konnte. Dann dachte er daran, wie er, als sie noch Kinder waren, ausversehen eine Vase in dessen Haus kaputt gemacht hatten. Keiner wusste, dass er das damals gewesen war und Quil bekam den Ärger dafür. Er sah dem Anderen ins Gesicht und dieser starrte erwartungsvoll zurück.

Dann grinste Jake und sagte: „Es geht auch umgekehrt. Oder hast du mich gehört?“

Da knurrte Embry angefressen: „Du warst das also. Nicht nur Quil hat Ärger bekommen, sondern ich auch. Mein Arsch ist seitdem nicht mehr derselbe.“

„Was?“, fragte Quil, der als Einziger nicht verstand worum es ging.

Sam wechselte in die Verbindung und sagte nachdenklich: „Das größte Problem der Meisten war es, deine Gedanken an Isaak mitanzuhören. Da du nun deine Gedanken abschalten kannst, sollte das die Gemüter beruhigen. Es besteht nun kein Grund mehr dich anzugehen.“

„Das sehe ich anders“, schnaubte Paul laut. Er war sich offenbar nicht sicher, ob Jake ihn sonst gehört hätte.

„Bella weiß es noch nicht. Also halte dich zurück Paul. Es ist nicht an dir, ihr das zu sagen“, knurrte Sam mental.

Jake hingegen war sehr froh. Er sah es so wie Sam und hoffte endlich wieder Ruhe zu bekommen. Wenn es nur Paul war, Shit Happens. Mit dem kam er schon klar, solange er ihn nicht den ganzen Tag zuhören musste. Ja, dieses Schmuckstück war ein willkommenes Geschenk. Auch wenn es nicht alle Probleme lösen würde. Da waren immer noch Leah, Seth und natürlich seine Prägung. Aber ein Problem nach dem anderen.

Dann hatte er aber auch genug von seinem Rudel und so scheuchte er die Jungs aus dem Haus. Bella legte ihm die Kette wieder um den Hals, als sie wieder unter sich waren. Wie einen unfassbar wertvollen Schatz liebkoste er den Anhänger, denn das war er für ihn auch. Das war wirklich das beste Geschenk, das er je in seinem Leben erhalten hatte. Mit Ausnahme seiner Gestaltwandler-Fähigkeiten vielleicht.

Mittlerweile war es schon dunkel geworden, aber Bella dachte gar nicht daran, jetzt schon zu gehen. Es gab immer noch einiges zu klären. Allem voran die Frage, warum Paul es auf Jake abgesehen hatte. Hinzu kam auch noch die ganze Angelegenheit mit dem rotblonden Fremden.

Im Moment war sie aber einfach nur froh ihren Jake wieder zu haben. Seitdem er die Funktion der Kette kannte, schien er wie ausgewechselt zu sein. Klar sah er immer noch fertig aus, aber nun strahlten seine Augen wieder mit ihrer gewöhnlichen Intensität und er wirkte so ungezwungen als wäre ihm ein gewaltiger Stein vom Herzen gefallen.

Beide lagen ganz unschuldig auf dem Bett. Bella mit angezogen Beinen, Jake ausladend quer und beanspruchte somit Zweidrittel für sich. Zudem zappelte er aufgedreht und spielte mit dem Anhänger.

Sie wollte zwar die Stimmung nicht zerstören, aber es gab leider noch ein paar Dinge zu klären und so drehte sie sich zu ihm. „Jake, erzählst du mir jetzt was los ist?“, fragte sie vorsichtig.

Der junge Mann versteifte sich sofort und der Anhänger sank im auf seine Brust. Von unten her sah er entsetzt und ängstlich zu ihr auf. „Nichts ist los“, versuchte er es sie abzuwimmeln.

Seufzend bohrte sich ihr Blick in seine Augen und sie fragte frei heraus: „Was ist zwischen dir und Paul vorgefallen?“

Jake erbleichte und quietschte mit erstickter Stimme: „Nichts.“

„Bist du ein großer böser Wolf oder eine verängstigte Maus?“, versuchte sie ihn zu reizen, aber es zeigte keine Wirkung. Dann bat sie ihn: „Jake, wir sind beste Freunde. Sag mir bitte was los ist.“

Er sah an die Decke und stammelte: „Ja, sind wir und ich will dich nicht verlieren.“

„Du wirst mich nicht verlieren, egal was du mir sagst.“

„Das habe ich bei Quil auch gedacht. Und jetzt reden wir kaum noch“, gestand er ihr.

So kamen sie nicht weiter und sie begann ins Blaue zu raten: „Geht es um deine Gefühle für mich?“

Mit einem Stirnrunzeln sah er sie wieder an und fragte: „Du weißt was ich für dich empfunden hatte? Warum hast du nie was gesagt oder sie erwidert?“

„Ja, Jake. Ich weiß es schon länger. Ich habe aber nichts gesagt, weil ich nicht dasselbe für dich empfinde. Aber, warum empfunden hatte? Liebst du mich nun nicht mehr?“, fragte sie und war auf die Antwort gespannt.

Jake druckste ein wenig rum dann erwiderte er: „Ich war in dich verliebt. Gott, für mich gab es nur dich auf der ganzen Welt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen eine Andere zu haben. Ich hatte nur Augen für dich. Aber jetzt ist alles anders. Ich liebe dich immer noch, aber nicht mehr so wie früher. Eher so wie eine Schwester.“

Erleichtert lächelte Bella. So fühlte sie auch für ihn und sie war froh ihm keinen Korb geben zu müssen. Dann stürzte sie sich auf diese Information und kombinierte: „Dann liebst du nun eine andere.“ Treffer und versenkt. Jake drehte sich von ihr weg und starrte die Wand an.

Sie glaubte kaum noch daran eine Erwiderung zu hören da erhob er seine Stimme: „Nicht direkt.“

„Komm schon Jake, sag es mir.“

Jake schottete sich ab und unterbrach die Verbindung zum Rudel. Bella würde es ohnehin irgendwann erfahren. Für ewig konnte er so etwas nicht geheim halten. Er seufzte schwer, zog sein Kopfkissen zu sich und malträtierte dieses, während er begann: „Es ist so ein Wolfsding, weißt du. Es nennt sich Prägung.“

Dann erklärte er ihr was es mit der Prägung, und deren Konsequenzen, auf sich hatte, in allen Einzelheiten. Als Beispiel führte er Sam und Emily an und erzählte ihr Sams dramatische Liebesgeschichte, Verschwieg aber den Namen von Sams Ex.

Sie schwieg eine Weile und dachte über diese Informationen nach. Dann zählte sie eins und eins zusammen und stieß hervor: „Du hast dich geprägt, oder?“

Kleinlaut kam ein gemurmeltes: „Ja.“

„Aber, das ist doch gut, oder nicht?“, fragte sie und sah zu was er dem armen Kissen antat. Innerlich machte sie sich eine Gedankennotiz. Falls sie jemals ein solches Gespräch mit ihm in ihrem Zimmer führen sollte, musste sie ihre Kissen vorher verstecken. Dieses Schicksal hatten diese nicht verdient.

Er blieb stumm, drehte sich von ihr weg und machte sich so klein wie möglich. Wie ein Embryo rollte er sich zusammen und das Kissen verschwand zwischen seinen muskulösen Armen und Beinen.

„Sie hat dir einen Korb gegeben“, schlussfolgerte sie und begann seine Schulter zu tätscheln.

„Nein“, schluchzte er.

Sie war irritiert. Weinte Jake etwa? Jake der große böse Wolf, das Testosteronmonster schlechthin, weinte? Dann musste es wirklich schlimm sein. Aber was könnte es nur sein? Wenn er sich geprägt hatte, sie ihm aber keine Abfuhr erteilt hatte, was war es dann? Entsetzt fragte Bella: „Sie ist gestorben?“

„Nein“, schniefte er und nun war eindeutig zu hören, dass er weinte.

„Ach Jake, du kannst es mir sagen. Komm schon es, wird dir dann bestimmt besser gehen“, drang sie weiter auf ihn ein. Sie rutschte hinter ihn und schlang einen Arm um seine Taille. „Jake, sag es mir.“

Auf einmal schüttelte er ihren Arm weg und sprang auf. Kaum, dass er den Boden berührte, riss er, begleitet von einem Ratsch, die Arme auseinander und schrie tobend: „SIE IST EIN ER!“ Erschrocken über sich selbst schlug er sich beide Hände auf den Mund.

Bella starrte ihn an. Bei seinem Gefühlsausbruch hatte Jake das arme Kissen in Stücke gerissen und sein Innenleben verteilte sich nun im gesamten Raum. Dann fokussierte sie sich auf ihn und sah seinen scheuen Blick. Seine Augen huschten zum Fenster und sie wusste, dass er kurz vor einem Fluchtversuch stand.

Ein Mann also. Jake war auf einen Mann geprägt. Sie dachte kurz darüber nach und fragte dann: „Hat dir der Kerl etwa weh getan? Moment mal, es ist nicht Paul oder? Bitte sag mir, dass es nicht Paul ist.“

Sein Blick richtete sich wieder auf sie und er stammelte: „Es ist nicht Paul.“

Sie griff sich übertrieben an die Stirn und sagte: „Gut, damit wäre ich auch nicht klargekommen. Ich mag ihn einfach nicht.“ Dann wurde sie ernst und schaute wütend auf: „Nun sag schon. Was hat der Arsch dir angetan? Den werde ich mir vornehmen. Wenn ich mit dem fertig bin dann…“

Vollkommen entwaffnet brabbelte Jake: „Er hat mir eigentlich nichts angetan. Außer der Prägung an sich.“

Sie dachte kurz nach und erklärte dann: „Ok Mr. „Ich spreche gerne in Rätseln“. Ich verstehe das Problem nicht.“

„Ich bin auf einen Mann geprägt“, wiederholte er tonlos.

„Ja, das habe ich schon mitbekommen, aber was ist das Problem?“, fragte sie und sah ihn eindringlich an.

Er sackte in sich zusammen. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, dachte er sich und fragte vollkommen hilflos: „Du hast kein Problem damit, dass ich auf einen Kerl geprägt bin?“

„Nein, sollte ich?“, fragte sie vorsichtig nach.

„Aber, das ist doch abnormal. Das ist wieder der Natur. Ich bin abartig“, redete er sich von der Seele.

Daher wehte also der Wind, dachte sich Bella und seufzte. Sie musste diesen armen, unwissenden Waldmenschen wohl oder übel mal aufklären: „Wer hat dir denn den diesen Quatsch eingetrichtert? Früher, vor hundert Jahren, da wurde das vielleicht so gesehen, aber die Welt hat sich gedreht. Was glaubst du wie viele Schwulen- und Lesbenpärchen in Phoenix händchenhaltend auf offener Straße rumlaufen? In einigen Städten gibt es sogar ganze Schwulen- und Lesbenviertel. Das ist doch nichts Besonderes mehr.

Sogar die Regierung hat das schon erkannt. Einige Staaten stellen sich zwar noch quer, aber in den meisten arbeiten sie gerade daran die Homoehe zu legalisieren und der Heteroehe gleichzustellen. Mit dieser Einstellung lebt ihr hier im Reservat wirklich hinterm Mond. Ich glaube, die Quileute sollten ein wenig weltoffener sein und ab und an mal den Wald verlassen.“

Sie sah seinen entsetzten Blick und setzte noch einen drauf: „Du weißt schon, der beste Freund einer Frau ist ein Schwuler?“

„Ich bin nicht schwul“, sagte er trocken, aber auch erleichtert darüber, dass Bella ihn nicht fallen ließ.

Sie hörte ihm aber gar nicht mehr zu und quasselte einfach weiter: „Wir können gemeinsam einkaufen gehen. Schwule sind die besten Modeberater, weißt du. Ach, wie vermisse ich John. Der hatte einen guten Geschmack. Aber dann hat er sich von so nem Kerl abschleppen lassen und ist umgezogen. Echt schade. Vielleicht sollte ich ihn mal wieder anrufen…“

Ein Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er und Bella wie sie voller Elan, in einem gigantischen Einkaufscenter, gemeinsam Arm in Arm von einem Geschäft zum Nächsten hüpften. Edward lief hinter ihnen hinterher und trug einen Berg aus Taschen und Beuteln.

Schnell schüttelte er sich, um dieses Bild los zu werden. So war er nicht und würde es auch nie sein. Er hob schnell eine Hand, um ihren Redefluss zu unterbrechen, und wiederholte: „Ich bin nicht schwul. War ich nie.“

Bella verstummte und musterte ihn scharf. Dann zog sie ihn am Arm, sodass er sich wieder zu ihr aufs Bett setzte. Jake war bleich und wusste offenbar nicht mehr wo oben und unten war. In einem Versuch alles zu klären fragte sie: „Sag mir, hast du Gefühle für diesen Mann?“

Die ganze Situation war vollkommen surreal und er nickte einfach ohne nachzudenken. Erschrocken wollte er erneut aufspringen, wurde aber von Bella dran gehindert, in dem sie mit aller Kraft seinen Arm runterzog. Wenn er es gewollt hätte, hätte sie ihn nicht halten können. Aber so sah er sie irritiert an.

„Jake. Erzähl mir doch mal, was eigentlich vorgefallen ist. Vielleicht verstehe ich dann besser wie es dir geht. Moment, warte.“

Völlig neben sich stehend sah er zu ihr runter. Da stupste sie ihn weiter auf das Bett und dirigierte ihn so, dass er mit dem Rücken zur Wand saß. Anschließend drückte sie dem großen bösen Wolf ein weiteres Opferkissen in die Pfoten. Er sah gerade so aus, als bräuchte er etwas, an dem er sich festkrallen konnte. Sie weigerte sich nämlich so zu enden wie das erste Kissen. Sofort wurde auch diese Beute in die Mangel genommen.

„Ok, bin bereit, leg los.“

Gerade nicht ganz in der Realität angekommen, begann er tonlos seine Geschichte vor zu tragen. Mehr als eine halbe Stunde lang sprach er ununterbrochen und redete sich alles von der Seele, das ihn seit der Prägung beschäftigte. Nachdem er einmal angefangen hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Er erzählte ihr einfach alles. Sogar seine tiefsten und geheimsten Gedanken vertraute er ihr an. Einzig den Namen des Mannes behielt er für sich, beschrieb ihn aber. Dabei bemerkte er nicht, wie sich ihre Augen langsam weiteten.

Sie hatte so eine Ahnung, behielt dieses Wissen aber für sich.

Nachdem er fertig war, saß er wie ein Häufchen Elend da und wartete auf ihr Urteil.

Sie ließ einen angemessenen Zeitraum vergehen und dachte über ihre nächsten Züge nach, aber zuerst brauchte sie Gewissheit: „Wie war nochmal der Name des Fremden?“

Er blinzelte und offenbarte: „Habe ich das nicht gesagt? Ach egal. Er heißt Isaak.“

Schnell wandte sie sich ab, atmete kurz durch. Dann sah sie mit einem Lächeln wieder auf. Einige Puzzleteile rückten zusammen und sie verstand nun, warum Isaak darauf bestanden hatte, dass sie sich nie getroffen hatten. Jake hätte die Flucht ergriffen. Da war sie sich sicher. Sie wusste nun zwar, warum der Fremde so handelte, aber seine Absichten langen noch im Dunkeln. Wollte er nur seinen Fehler wiedergutmachen oder sich Jake annähern? Diese Frage galt es noch zu klären.

Nur wusste sie nicht, wie sie Isaak kontaktieren konnte. Sie mussten wohl oder übel warten, bis Jake nach ihm rief und dieser sich dann erklärte. Aber das konnte noch lange dauern. Jake musste sich erst eingestehen, dass er schwul war. Denn in ihren Augen war er das, egal was er dazu sagte oder dachte. Vielleicht nicht vor der Prägung, aber jetzt ganz bestimmt. Zuallererst musste sie ihm die Angst vor dem Schwulsein nehmen. Er glaubte offenbar, dass es sich dabei Art widernatürliche Krankheit war.

„Sag was Bella“, flehte er und schien erneut den Tränen nahe zu sein.

Langsam, und um ja keinen Fehler zu machen, sagte sie langsam: „Du…, bist…“

Seine Augen wurden immer größer und das Opfer war kurz davor, wie sein Bruder zu enden.

„…Jacob Black.“

Wie versteinert sah er sie an und verstand nicht.

„Du bist du. Nicht mehr, nicht weniger. Du bist ein ganz normaler, testosterongesteuerter, böser Wolfsjunge, wie alle anderen. Ich sehe da keinen Unterschied.“

Immer noch starrte er sie ungläubig an.

„Was erwartest du von mir Jake? Für mich hat sich nichts geändert. Wobei schon, eines hat sich geändert.“

Er zuckte zusammen und sein Blick wurde traurig.

„Ich werde dich nie mehr mit meinen Kissen allein lassen. Sieh dir doch mal an, was du dem da angetan hast. Dem in deinen Armen geht es auch gerade an den Kragen“, grinste sie ihn an. Dann wurde sie wieder ernst und sagte: „Ich bin jedenfalls froh, dass wir das zwischen uns geklärt haben und ich dir keinen Korb geben muss.“

Irritiert sah sich Jake in seinem Zimmer um und erblickte überall die Überreste dessen, was einmal sein Kissen gewesen war.

Bella indes überlegte, wie sie nun weiter vorgehen sollte, aber genau in diesem Moment klingelte ihr Handy. Es war Edward und sie ging schnell ran.

„Bella es ist schon 2 Uhr nachts. Du musst schlafen, morgen ist wieder Schule. Bleibst du bei den Blacks über Nacht? Dann hole ich dir Wechselsachen. Jake kann ja einen der Wölfe herschicken, um sie abzuholen oder selbst kommen. Ich werde anschließend hier auf dich warten. Sonst kommen wir morgen zu spät.“

„Nein, ich hatte nicht vor hier zu schlafen. Aber, ich traue mich auch nicht im Dunkeln dein Auto zu fahren. Du weißt doch, dass es mir zu viele Pferdestärken hat. Moment ich frage mal.“ Sie wandte sich an Jake: „Darf Edward mich ausnahmsweise abholen?“

Jake gab die Frage weiter und sprach anschließend in Sams Namen: „Keine Ausnahmen. Jeder Blutsauger der unser Revier betritt, ist vogelfrei und wird zerstört.“

Auch wenn er Edward, abfällig wie immer betitelte, fehlte es ihm gerade an Biss. Er sah auch nicht wütend aus, wie er es sonst immer war, wenn dieser Name fiel. Dann seufzte der Wolfsjunge und sagte: „Ich kann dich fahren, wenn ER mir gestattet sein Auto zu benutzen. Oder ich fahre dich mit unserem bis zur Grenze.“

Bella wartete auf Edwards Entscheidung. Sie wusste, dass beide einander hören konnten, auch wenn sie das Telefon in der Hand hatte.

„Ich habe nichts dagegen. Aber, Jacob sollte sich sicher sein, dass dir nichts passiert.“

Das war mal wieder typisch, dachte sich der Angesprochene. Kein einziges Wort vor Sorge um sein Auto, ihm war nur Bella wichtig. Mann musste das schön sein, in Geld zu schwimmen. Dann musste Jake unwillkürlich lächeln. Er wollte schon immer so einen Sportwagen fahren.

Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und pfefferte sein Kissen gegen die Wand. Dann verbeugte er sich ganz Kavalier und sagte: „Madame, ihre Limousine warte auf Sie.“

Bella murmelte noch ein hastiges „Bis gleich“ ins Telefon und legte auf, während sie seine Hand ergriff.

Jake war bester Laune. Endlich konnte er sich seine Ängste von der Seele reden und gleichsam auch noch mit Bella. Zusätzlich wurde er nicht mehr vom Rudel genervt und durfte diesen Luxusschlitten fahren. Was konnte sein Glück jetzt noch stören?

Nachdem beide im Auto saßen verzog er die Nase. Es roch viel zu stark nach Vampir. Aber er ließ sich davon nicht abhalten und startete den Motor. In jugendlichem Leichtsinn ließ er den Drehzahlmesser nach oben schnellen und hörte dem schönen Klang der Maschine zu. Ja, das war ein himmlisches Geräusch. Er versicherte sich, dass Bella angeschnallt war. Sein Gurt blieb jedoch wo er war. So etwas brauchen nur Normalsterbliche. Dann drückte er aufs Gas und ließ die Reifen durchdrehen. Mit dem alten Truck hätte das nur wenig Spaß gemacht. Aber jetzt lachte er aus vollem Halse und unterwarf die vielen Pferdestärken seinem Willen.

Vom Fenster her sah Billy seinen Sohn davonfahren. Er hatte gemischte Gefühle. Er war froh, dass es Jake besser ging, aber Bellas Ideologie schien ihm sehr gefährlich. Ein wenig hatte er gelauscht und konnte sich deshalb ein solches Urteil erlauben.

So schnell, wie der Wagen es hergab, schoss Jacob über die Waldstraßen dahin. Dank seiner Reflexe brauchte er nicht sonderlich Rücksicht zu nehmen. Sollte doch was passieren, war er sich sicher, Bella mit seinem Körper schützen zu können. Um das Auto scherte er sich nicht.

Für Bellas Geschmack waren sie viel zu schnell unterwegs und Jake hatte auch keine Scheinwerfer angemacht. Dank seiner Wolfssinne sah er so besser als mit dem künstlichen Licht. Aber für sie war es beängstigend im Stockdunkeln mit waghalsiger Geschwindigkeit durch den Wald zu brettern. Sie biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Sollte er seinen Moment des Kindseins haben. Wenn es in glücklich machte.

Als sie die Grenzstraße erreichten, sah Jake den Vampir mitten auf der Straße stehen. Dann testen wir doch mal seinen Nerven, dachte sich Jake und gab Vollgas. Kurz vor dem Untoten zog er die Handbremse, riss den Lenker herum und ließ die Reifen quietschen, als sie quer zur Fahrtrichtung abbremsten. Nur wenige Zentimeter vor dem anderen kam das Auto zum Stehen.

„Fährt sich super, nur der Gestank ist kaum auszuhalten“, begrüßte er den Blutsauger und stieg aus. Dieser hatte nur Augen für Bella, welche leicht grün um die Nase war. Er öffnete bereits den Mund um den Wolf zurechtzuweisen, da schüttelte Bella den Kopf und er sagte stattdessen: „Dein Geruch ist für mich auch nicht gerade angenehm Jake. Aber ich danke dir, dass du Bella sicher hierhergebracht hast.“

Ohne eine Erwiderung ging der Wolf um das Auto und stand etwas unschlüssig vor Bella. Diese schluckte ihre Übelkeit runter und sah zu ihm hoch. „Ich werde nicht aussteigen, mir dreht sich alles. Dein Fahrstil ist gewöhnungsbedürftig.“

„Sorry“, brabbelte er kleinlaut und machte sich Vorwürfe. Er hatte nicht an Bellas Befinden gedacht.

„Schon gut, aber morgen komme ich mit meinem Truck. Noch so ne Spritztour überlebe ich nicht zwei Tage hintereinander.“

„Du kommst morgen wieder?“, fragte er sehr unsicher und vorsichtig.

„Wenn du da bist, dann schon. Wobei wir streng genommen ja schon morgen haben. Also bis später Jake“, sagte Bella und versuchte ihm die Angst vor einer Zurückweisung zu nehmen.

„Bella“, er druckste ein wenig rum und brabbelte dann: „Danke.“ Dabei zeigte er auf die Kette, aber sie war sich sicher, dass er nicht nur das meinte. In Edwards Gegenwart würde er sich aber keine Blöße geben, auch wenn sein Leben davon abhinge.

„Kein Problem. Ich bring dann auch was zu essen mit. Chinesisch oder Thai?“

„Thai“, wurde sie angestrahlt und er sprang einen Schritt zurück, als Edward den Wagen anließ. Dann winkte er überglücklich und sah ihnen nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Anschließend rannte er in die Büsche und zog sich aus. Mit seinen Klamotten im Maul rannte er, mit federnden Schritten, zurück nach Hause. Bella würde wiederkommen, und nur das zählte gerade für ihn.
 

Edward fuhr im Schneckentempo, verglichen mit Jake, und hatte die Scheinwerfer eingeschaltet. Auch wenn er sie nicht brauchte, gaben sie Bella ein Gefühl der Sicherheit. Nur den Gurt legte er wie Jake nicht an. Damit er sich frei bewegen konnte, um sie zu schützen, falls etwas passierte. Neugierig wartete er darauf, dass Bella etwas sagte. Er hatte die Stimmung zwischen den beiden genau beobachtet und auch den Anhänger gesehen. Demnach hatte Bella sich an die Anweisungen des Fremden gehalten.

Sie wollte gerade ansetzen zu sprechen, da sah er vor ihnen eine Gestalt auf der Straße stehen. Er wurde langsamer und Bella sah in fragend an.

„Isaak steht da vorne“, erklärte er trocken.

Bella wusste, dass er um ihre Sicherheit besorgt war. Aber, sie hatte da noch was zu klären und sagte: „Fahr zu ihm. Ich muss mit ihm reden.“

Ohne Widerworte fügte er sich und beschleunigte ein wenig. Etwa zehn Meter von dem Mann entfernt parkte er mitten auf der Landstraße. Licht und Motor ließ er laufen. Bella machte Anstalten auszusteigen, aber Edward hielt sie mit sanfter Gewalt auf. „Edward“, schimpfte sie und sah zu dem Fremden, der sich keinen Millimeter bewegte hatte.

„Ich danke dir Bella. Das werde ich nicht vergessen“, sagte Isaak und verbeugte sich tief. Er machte einen perfekten 90°Winkel und blieb in dieser Haltung für einige Sekunden. Dann erhob er sich, sprang aus dem Lichtkegel und die Böschung hinunter, in den Wald.

„Warte“, rief sie ihm noch nach. Edward stieg blitzschnell aus und suchte den Rotblonden. Dieser aber war spurlos verschwunden.

Tonlos sagte er: „Er ist weg. Soll ich ihn suchen?“

„Nein. Lass uns fahren. Du wirst ihn eh nicht mehr finden. Er zeigt sich nur wenn er will“, meinte Bella und ließ sich in den Sitz zurückfallen.

Einen Lidschlag später saß Edward wieder neben ihr und sah sie fragend an.

„Fährst du bitte? Ich muss noch etwas schlafen, das werden anstrengende Tage werden.“

Sofort richteten sich seine Augen nach vorne und er setzte das Auto in Bewegung. Nachdem sie ihm das Versprechen abgerungen hatte, nichts weiterzugeben, begann sie zu erklären.

Der ganz normale Wahnsinn

Jake schlief die Nacht durch und fühlte wie seine Kräfte zurückkehrten. Ja, das hatte er echt mal nötig gehabt. Zudem erinnerte er sich nicht an irgendwelche Träume und war somit erholt und mit bester Laune in den Tag gestartet. Nach dem Erwachen griff er als Erstes nach seinem Anhänger und betrachtete diesen eine Weile.

Aufgrund seiner Gedanken hörte er auch die Stimmen der anderen. Sein Anhänger war Gesprächsthema Nummer eins. Als dann aber Leah und Paul Anstalten machten, zu ihrem allmorgendlichen Gemotze anzusetzen, schaltete er einfach das gesamte Rudel auf stumm. Auch seine Gedanken schirmte er ab. Ein fieses Grinsen legte sich auf seine Lippen. Diese Macht war einfach herrlich. Einen Tag lang Ruhe und keine Beschimpfungen, dass hatte er sich mehr als verdient. Anschließend ging er fröhlich pfeifend duschen.

Seine Lebensgeister erwachten vollends und er spürte neue Energie in sich aufsteigen. Er hatte sich mit Bella ausgesprochen und sie hatte ihn nicht verstoßen. Zudem hatte er Ruhe vor dem Rudel. Heute würde ihm keiner seine gute Laune nehmen können.

Dann machte er für sich und seinen Vater Frühstück und summte dabei ausgelassen vor sich hin. Billy war sprachlos, als er in den Raum rollte und einen gedeckten Tisch vorfand. Mit einem Stirnrunzeln sah er anschließend zu, wie sein Sohn ausgehungert mehrere gut gefüllte Teller in sich hineinstopfte. Er war wie ausgewechselt und verhielt sich wie vor seiner Prägung. Der neue alte Jake gefiel ihm wesentlich besser als die depressive Variante der vergangenen Monate.

Hätte er gewusst, dass es nur einen einzigen Besuch von Bella benötigte, um seinem Sohn zu helfen, bei Gott er hätte sie an den Haaren herbeigeschliffen, wenn das nötig gewesen wäre. Er würde ihr bei nächster Gelegenheit seinen Dank aussprechen. Das war das Mindeste.

Nachdem Jake dann auch noch den Abwasch erledigt hatte, machte er sich an die Arbeit ein paar liegengebliebene Dinge zu erledigen. Er räumte sein Zimmer auf, machte die Wäsche, putzte das gesamte Haus, schraubte an ihrem Truck herum, mähte den Rasen und kümmerte sich sogar um ein paar Wildblumen, welche sich in ihren Vorgarten verirrt hatten.

Die ganze Arbeit machte ihm nichts aus. Er war froh endlich mal wieder was zu tun zu haben und so gönnte er sich einen Tag Pause von allen Problemen und Sorgen. Als er mit allem fertig war, entschied er sich ein wenig zu trainieren und machte sich auf den Weg zu Sams Bude. Dort hatte das Rudel ein paar selbstgebaute und erdachte Geräte zusammengeschraubt, welche sie nicht gleich mit ihren enormen Kräften demolierten.

Kaum, dass er sich verwandelt hatte, bremste er aber erschrocken ab und ging wieder zum Menschen über. Panisch griff er nach der Kette und bekam die Anhänger zu fassen. „Puh“, entfuhr es ihm. Er hatte gar nicht an das Schmuckstück gedacht. Eigentlich hätte die Kette durch seine Verwandlung reißen müssen und er würde nun verzweifelt nach dem Kleingut suchen. Seltsamerweise war sie aber immer noch da. Irritiert ging er zu ihrer Scheune und sah in einen alten, halb angelaufenen, bodenhohen Spiegel.

Die Kette war eindeutig zu kurz, als dass sie um seinen Wolfskopf passen würde. Entweder hätten die Kettenglieder zerspringen müssen oder das Gold ihn erdrosseln sollen. Sich selbst im Spiegel betrachtend, wechselte er abermals die Gestalt und sah die Spitze des Anhängers aus seinem Fell herausstehen. Er schüttelte sich und spürte die Kette auf seiner Haut. In Menschengestalt zog er an der Kette, diese gab aber nicht nach und wirkte massiv. Dann zuckte Jake mit den Schultern und machte sich wieder auf den Weg. Solange er seinen Schatz nicht verlieren würde, war ihm das Wie völlig egal.

Kurze Zeit später sahen ihm die anderen Jungs ungläubig dabei zu, wie er sich abrackerte und sie keinen einzigen Gedanken oder Emotion von ihm aufschnappen konnten. Paul, welcher nun nicht mehr mental in der Lage war Jake zu beleidigen, versuchte es verbal. Aber, Black Junior hatte vorgesorgt und zückte, kaum, dass er den anderen sah, seinen alten MP3-Player. Demonstrativ drehte er die Lautstärke auf Maximum, sodass er seinem Widersache nicht einmal die Chance gab, ihn zu nerven. Enttäuscht zog Paul von dannen, innerlich kochend.

Nachdem er sich ausgepowert hatte, verwandelte Jake sich und rannte zu den Klippen am Meer. Kurz vor dem Kamm ging er in seine Menschengestalt über und stürzte sich kopfüber in die schäumende Brandung. Er genoss das kalte Wasser, was ihm auch den Schweiß vom Körper spülte. Er schwamm einige hundert Meter ins offene Meer hinaus und dümpelte dort ein wenig vor sich hin.

Dann hörte oder spürte er eine Art Summen in seinem Kopf. Er konzentrierte sich darauf und Embrys Stimme erklang: „Jake? Jake? Ich glaube er hat alle auf stumm gestellt. Sam, ruf du ihn mal.“

Bevor der Alpha sich einmischen konnte, öffnete er die Verbindung und sagte: „Ich kann dich jetzt wieder hören Embry. Was ist los?“

„Gut zu wissen, dass du uns alle über einen Kamm scherst“, maulte der Andere.

„Darüber diskutiere ich jetzt nicht. Heute will ich einfach meine Ruhe haben. Ab morgen schalte ich dann nur noch die Störenfriede auf stumm, versprochen. Aber gönn mir doch mal den einen Tag für mich. Also was willst du von mir?“

„Ach, nichts Wichtiges. Bella steht nur vor deiner Tür. Einen schönen Tag noch. Over and Out“, schwatzte der andere, als ob sie mittels Funkgeräten miteinander reden würden.

Bei diesen Worten verschluckte er sich am Meerwasser und musste husten. „Danke, Alter. Over and Out“, dachte er noch schnell, bevor er die Verbindung erneut schloss. Dann machte er sich eilig auf den Rückweg. In seinem Leichtsinn hatte er die Zeit ganz vergessen.

Als Wolf sprintete er durch den Wald und war keine zehn Minuten später auch schon wieder zu Hause angekommen. Schnell zog er sich eine Hose an und ging als Mensch ins Haus. Dort fand er Bella und Billy im Wohnzimmer vor. Er brabbelte eine Entschuldigung zu seinem Gast und ging schnell duschen, um das Meerwasser los zu werden. Mit nur einem Handtuch um die Hüften stiefelte er in sein Zimmer und fand Bella auf seinem Bett sitzend vor.

Er zuckte mit den Schultern, griff sich was zum Anziehen und zog sich vor ihr um.

„Jake!“, mahnte sie und sah schnell weg.

„Was denn? Wir sind Sandkastenfreunde und wir wollen nichts voneinander. Also, wo liegt das Problem?“, fragte er spitzbübisch und warf ihr sein Handtuch über. „Außerdem sehe ich einfach spitze aus. Also freue dich über die Aussicht.“

„Männer“, empörte Bella sich und zog mit spitzen Fingern den nassen Stoff von sich.

„Wie war das mit, ich soll weltoffener sein? Außerdem bin ich geprägt und stelle keine Gefahr für deine Unschuld dar“, stichelte er ein wenig, nahm ihr das Handtuch ab und warf es über den Stuhl. Anschließend schmiss er sich auf sein Bett und machte es sich bequem.

„Was meinst du damit?“, fragte sie und sah in nachdenklich an.

„Na ja, also es ist so, wenn eine Frau und ein Mann sich ganz doll liebhaben, dann…“ Er bekam ein Kissen gegen den Kopf und verstummte mitten im Satz.

„Du Spinner“, schäkerte sie. „Ich meine den Teil mit der Prägung? Was meinst du damit, dass du keine Gefahr für meine Unschuld darstellst?“

„Na ja“, begann Jake, seufzte und erklärte: „Wenn ein Wolf sich prägt, kann er nur noch mit dieser Person intim werden. Man kann zwar andere attraktiv finden, aber es gibt keine körperliche Reaktion mehr. Nicht mal der Handbetrieb funktioniert noch…“

Rot wie eine Tomate wandte sie sich ab und sagte: „Zu viele Informationen.“ Dann wurde sie wieder ernst und sagte: „Das ist ja schrecklich. Und wenn die Person einen nicht will?“

„Dann wird Mann zum Eunuchen quasi“, antwortete er wahrheitsgemäß und ließ den Kopf hängen.

„Das wusste ich nicht.“

„Ist auch etwas, über das wir Wölfe nicht so gerne sprechen. Du verstehst sicher warum.“

Sie mustere ihn nachdenklich und fragte: „Es geht dir besser, oder?“

„Ja und nein. Heute wollte ich mir mal einen Tag freinehmen von dem ganzen Stress und mal nicht über meine Abartigkeit nachdenken.“

„Du bist nicht abartig, Jake. Das darfst du so nicht sehen.“

Er schnaubte als Erwiderung und schloss die Augen. Wie sollte er das sonst sehen? Er war auf einen Mann geprägt und sehnte sich nach diesem. Plötzlich riss er die Augen auf und saß kerzengerade da. Den spitzen Ausruf des Schreckens seitens Bellas ignorierte er gekonnt.

Er schloss abermals die Augen und konzentrierte sich auf seine Gefühle. Da fehlte doch was. Dann traf es ihn wie ein Schlag in seinem Gesicht. Die Sehnsucht nach Isaak war weg und er hatte den ganzen Tag bisher nicht an ihn gedacht. Er ging tiefer in sich und suchte nach den Gefühlen der Prägung. Er fand sie auch, aber sie waren wie in Watte gepackt nur am Rande seines Seins wahrzunehmen.

„Bella, öffne bitte die Kette“, bat er sie und blieb weiterhin auf diese Gefühle fokussiert. Er spürte ihren fragenden Blick, dann fühlte er wie ihre Hände sich am Verschluss zu schaffen machten. Als sie ihm den Anhänger abnahm, kehrten sofort die Stimmen des Rudels zurück. Zusätzlich überschwemmten ihn die Gefühle für Isaak, als wäre ein Staudamm gebrochen und er zuckte unwillkürlich zusammen. Er begann zu zittern und Isaak tauchte vor seinem inneren Auge auf. Die Sehnsucht übermannte ihn und Tränen sammelten sich in seinen Augen.

Das Rudel spürte seine Rückkehr und hörte seine Gedanken. Die meisten schüttelten sich angewidert und Paul begann sofort Jake mit Beleidigungen zu überschütten. Einige Momente später stieg auch Quil mit ein und die Stimmung im Rudel wandte sich langsam gegen ihn.

Mit zusammengepressten Zähnen und brüchiger Stimme brabbelte er: „Kette…, schnell…“

Kaum, dass der Schmuck seine Haut berührte, verschwanden die Gefühle wieder und ließen eine heilsame Ruhe in ihm zurück. Er wischte sich rasch über seine Augen und verstand, dass der Anhänger auch seine Prägung unterdrückte. Bei seiner Freude am Abend zuvor war er zu aufgeregt gewesen, um diesen Umstand zu bemerken.

Dann schniefte er geräuschvoll und sah zu Bella, welche ihn genau musterte. Er berichtete dem Rudel, wie auch ihr, von seiner Entdeckung. Anschließend entschuldigte er sich für die Unruhe, die er verursacht hatte und sagte seinen Kameraden, dass so etwas nicht mehr vorkommen würde. Daraufhin schottete er sich komplett ab und konzentrierte sich nur noch auf Bella.

Diese war sprachlos und starrte ihn einfach mit offenem Mund an. Sie fragte sich, wo zum Teufel Isaak dieses Ding herhatte oder ob er es sogar selbst anfertigte. Das Schmuckstück hatte jedenfalls große Macht und schien genau auf Jakes Bedürfnisse abgestimmt zu sein. Beziehungsweise auf das, was Jake wollte. Sie war sich aber nicht so sicher, ob das Ausschalten von Gefühlen eine gute Idee war. Das sagte sie ihm auch.

„Ich verstehe deine Bedenken nicht“, brauste Jake auf und stampfte im Zimmer umher. „Dieser Anhänger ist ein Geschenk der Götter für mich. Er macht genau das, was ich mir gewünscht hatte. Er hilft mir diese abartigen Gedanken und Gefühle loszuwerden. Also, wo liegt also dein Problem Bella.“ Er sah ihr wutentbrannt in die Augen und wartete auf eine Antwort.

Vorsichtig wurde ihm erwidert: „Jake, du bist nicht abartig. Schwul sein ist doch keine Krankheit.“

„Ich bin nicht schwul. Ich war es nie und ich will es auch nicht sein“, schrie er vor Wut spuckend.

Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie hatte das Falsche gesagt. So kannte sie ihn nicht und sie begann zu zittern. Furchtsam gestand sie: „Jake, du machst mir Angst.“

Er blinzelte ein paar Mal und sah das Beben ihres Körpers. Sofort wandte er sich ab. Dann atmete er tief durch. „Es tut mir leid. Es ist nicht deine Schuld. Ich bin es, der gestört ist.“

Diesmal ließ sie das so im Raum stehen. Es hatte einfach keinen Zweck in diesem Moment das Thema nochmal anzuschneiden und sie war froh darüber, dass er sich wieder beruhigt hatte. „Ist schon gut. Aber es gefällt mir dennoch nicht, dass du dich so von diesem Schmuckstück abhängig machst.“

Jake zuckte mit den Schultern. „Wenn das der Preis ist, um wieder normal zu sein, dann zahle ich ihn gerne.“

Das ging ihr dann aber doch zu weit und sie sagte behutsam: „Jake, du bist normal. Mit und ohne Kette. Lass dir von niemanden etwas anderes einreden. Wenn du die Kette behalten willst, ist das deine Entscheidung. Ich sage nur, dass du deine Gefühle nicht verstecken brauchst.“

Er starrte auf die Wand und sagte: „Ich will diese Gefühle aber nicht. Ich will nicht schwul sein. Ich hasse es, was die Prägung mit mir macht. Du kannst das nicht verstehen. In unserem Stamm wird so etwas nicht toleriert und mein Rudel hasst mich dafür. So ist es besser, glaub mir.“

„In Ordnung. Ich werde nicht weiter nachbohren. Wenn du denkst, dass es so besser ist, dann glaube ich dir.“ Aber in ihrem Inneren wusste sie, dass das noch böse enden würde. Wenn der Anhänger verloren ginge, oder seine Kraft einbüßte, dann würde das schrecklich werden für Jake. Ihrer Meinung nach verdrängte er das Problem nur und verschob es auf später. Er musste sich damit auseinandersetzen, aber sie konnte ihm nur gut zureden. Es war sein Weg und den konnte nur er gehen.

Um vom Thema abzulenken fragte sie: „Wie geht es eigentlich den Clearwaters? Dad hat mich gebeten nachzufragen. Harry und er waren ja gute Freunde und er kann Sue seit Wochen nicht erreichen.“

Jake schnaubte und ließ sich wieder auf die Matratze sinken. „Würde mich auch wundern. Sie hat momentan ganz andere Sorgen. Aber davon weißt du ja nichts. Sam möchte es eigentlich geheim halten, aber dir darf ich es sagen. Glaube ich zumindest.“ Er sah ihr in die Augen und offenbarte: „Leah und Seth gehören nun zum Rudel.“

Mit einem schiefen Grinsen sagte er: „Jey, ich bin nicht die einzige Abnormität im Rudel. Ich bin auf einen Mann geprägt. Leah ist der erste weibliche Wolf, den es je gab und Seth ist viel zu jung für die Verwandlung gewesen. Alles Dinge, die so noch nie vorgekommen sind. Alle sind begeistert, singen und tanzen.“

„Jake“, ermahnte sie ihn.

Mit vor Ironie triefender Stimme begann er alles zu erklären: „Ist doch so. Zu allem Überdruss ist Leah auch noch Sams Ex, die er nach seiner Prägung auf Emily ohne Erklärung abgeschossen hat. Nun haben wir also einen heißen Draht zu beiden und können ihre Gefühle live miterleben. Ist das nicht ein Spaß? Leah ist sauer und immer noch in ihn verliebt, kann aber nichts machen. Sam hingegen ist geprägt, liebt Leah zwar auch noch, aber nicht mehr so wie früher, weil das einfach nicht mehr geht und ist sauer auf sich selbst, weil er ihre Gefühle verletzt hat. Habe ich schon erwähnt, dass alle Clearwaters uns, also Sam und mir, die Schuld an Harrys tot gegeben? Das erhöht den Unterhaltungswert des Ganzen noch einmal ungemein.“

Gespielt nachdenklich fragte er sich laut: „Habe ich noch was vergessen? Ach ja, Sam hat die beiden unter Welpenschutz gestellt und ich, die böse Schwuchtel vom Dienst, darf als Prügelknabe für das ganze Rudel herhalten. Und dann ist da noch Paul, der mich aus dem Rudel werfen will, weil ich ja ach so „normal“ in seinen Augen bin.“ Bei dem Wort „normal“ triefte seine Stimme vor Sarkasmus.

„Mein Freund Quil will nichts mehr mit mir zu tun haben und steht auf Pauls Seite. Bevor du mir diesen Anhänger geschenkt hast, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das ganze Rudel auf Pauls Seite gestellt und mich davongejagt hätte. Sam kann nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen und hat mit Leah und Seth schon genug zu tun. Ja, das wars. Der ganz normale Alltag im Leben des Jacob Black.“

Erneut schnaubte er, lies sich auf den Rücken sinken und schloss die Augen. Dann fragte er: „Willst du immer noch, dass ich die Kette ablege und mich auch noch mit meinen verdammten Gefühlen auseinandersetzten soll? Ich für meinen Teil kann darauf verzichten. Ich habe auch genug andere Sorgen.“

Das hatte Bella nicht erwartet. In nur wenigen Monaten war eine Menge passiert. Sie schüttelte den Kopf und versuchte alles Gesagte zusammen in Einklang zu bringen. Kein Wunder, dass Jake so reagierte. Auf ihm lastete eine Menge Druck.

Sie seufzte und begann ein Thema nach dem anderen mit ihrem besten Freund zu besprechen und Lösungen zu erarbeiten. Sie redeten die ganze Nacht hindurch und als Edward anrief, um sie an die Schule zu erinnern, entschied sie sich einen Tag blau zu machen. Es gab eine Menge wichtige Dinge zu erledigen. Die Schule wirkte daneben geradezu trivial.

Um 4 Uhr morgens sackte Bella ihr Kopf auf die Brust. Sie war viel zu erschöpft um noch zu fahren. Jake half ihr dabei sich vorsichtig auf seine Matratze zu legen und zog seine Decke über sie. Sein Gast war schon im Halbschlaf und bekam kaum etwas mit. Dann warf er sich auf den Boden und schlief ebenfalls ein.

Sams Stimme weckte ihn allerdings keine halbe Stunde später, als dieser alle zu sich rief. Jared hatte die Fährte eines Vampirs gefunden. Es handelte sich um die Rothaarige, Viktoria. Diese hatte es wohl auf Bella abgesehen und war unwissend in ihr Revier eingedrungen, da Bella ja bei Jake war. Das gesamte Rudel, ohne Seth, er war noch zu jung und Sam erlaubte es ihm nicht, machte nun Jagd auf die Blutsaugerin.

Schnell schlich Jake aus dem Zimmer und schloss sich seinen Kameraden an. Dabei öffnete er sich komplett und ließ sämtliche Stimmen zu. Das Rudel bekam das natürlich mit, aber alle waren sich einig, für die Jagd war ihre Verbindung notwendig und so hießen sie Jake als ihren Kameraden willkommen.

Sie verfolgten die Fährte des kalten Wesens bis zu der Grenze zwischen dem Rudel und dem Gebiet der Cullens. Letztere war ebenfalls anwesend und griffen sofort die Vampirin auf ihrem Gebiet an. Schnell wisch sie dem Zirkel aus und sprang hin und her zwischen den Revieren. Somit spielte sie die Gruppen gegen einander aus und beide mussten frustriert einsehen, dass das so nicht funktionieren würde.

Plötzlich sprang Emmett ebenfalls über die Grenze und wollte sich gerade auf Viktoria stürzen, da fiel in Paul ihn rasender Wut über den Vertragsbruch an und schleuderte ihn auf die Grenzlinie zurück. Das gesamte Rudel und der Cullenclan standen sich nun knurrend, fauchend und zähnefletschend gegenüber. Ein Kampf schien unausweichlich.

Emmett rappelte sich hoch und wollte gerade anfangen sich zu beschweren, da mischte sich Carlisle ein. Er stellte sich vor seine Gruppe und hob beide Arme: „Friede, es war keine Absicht. Der Vertrag besteht noch. Wir müssen nicht kämpfen. Emmett, geh zurück.“ Dieser warf dem Rudel einen bösen Blick zu und ging schweigend zu seinem Zirkel.

Dann ging Sam auf den Zirkelführer zu und beide standen im Grenzgebiet. Der Alpha knurrte und sah zu Edward. Dieser las seine Gedanken und übersetzte: „Der Vertrag ist noch gültig. Dies ist die letzte Warnung. Es wird keine Zweite geben. Bei einem weiteren Verstoß wird Krieg herrschen.“

„Gut, wir ziehen uns nun zurück“, sagte Carlisle und ging langsam rückwärts. Sam beobachtete ihn genau und machte kehrt. Er musste den anderen nicht mit eigenen Augen sehen, dafür hatte er alle Augen des Rudels zur Verfügung.

Plötzlich trat Edward vor und sagte: „Jake, wir müssen reden.“

Dieser hatte echt keinen Bock, dass dieser Arsch schon wieder in seinen Gedanken herumstocherte und wünschte sich den Untoten abblocken zu können. Dann sah er den Gedankenleser an und fragte: „Was willst du?“

Edward sah ihn einfach nur an und sagte nach einer Weile: „Wenn du nicht denkst, dann kann ich auch nichts hören, Jake.“

Der Gestaltwandler lachte bellend auf. Der Anhänger funktionierte also auch bei dem Blutsauger. Das war ja mal mega praktisch und sein Vorteil sollte, es irgendwann mal zu einem Kampf kommen.

Edward starrte ihn einfach nur an und sein Blick fiel auf das Schmuckstück, welches unten aus dem braunen Fell ragte. „Ah ich, verstehe“, sagte der Vampir.

Angepisst schnauzte Jake, wobei er die Blockade aufhob: „Bella hat es dir verraten? Das hätte sie nicht tun dürfen.“

„Bella sagt mir alles, Jacob. Aber ich habe ihr versprochen dieses Wissen geheim zu halten“, gestand Edward.

Erschrocken fragte der Wolf: „Dann weißt du auch von…“

Er wurde abgewürgt: „Ja, ich weiß von deinem Martyrium. Aber deshalb will ich nicht reden.“

Wut stieg in ihm auf. Wie konnte es Bella nur wagen diesem Ding von seinen Problemen zu erzählen? Er sah gerade rot, sein Fell stellte sich auf und er bläkte die Zähne.

Da mischte sich der Alpha mit seiner Macht ein und befahl: „Beruhige dich, Jake. Wir halten uns an das Abkommen. Wir werden den Vertrag nicht brechen!“

Bei aller Macht, die der Anhänger besaß, gegen Sam war er offenbar wirkungslos. Jake musste sich fügen. Vor den Untoten mussten sie ihre Einheit demonstrieren und da konnte er Sam auch keine Szene machen.

„Was willst du?“, schnaubte Jake zu Edward und mahlte mit seinen Zähnen. Zudem musste unbedingt mal mit Bella über das Thema Geheimnisse sprechen.

„Bring Bella bitte zu uns. Solange Viktoria hier rumschleicht ist sie in Gefahr.“

Jake schnaubte abermals und knurrte: „Bei uns ist sie sicherer als bei dir. Du hast ihr den ganzen Mist doch eingebrockt. Sie schläft gerade und kann so lange bleiben wie sie will. Sollte Viktoria es erneut wagen unser Revier zu betreten, zerstören wir sie.“

„Viktoria ist aber nicht das einzige Problem“, gestand Edward und schien besorgt. „Ein unbekannter Vampir war bei Bella zu Hause. Ich habe seinen Geruch dort vorgefunden, als ich ihr Wechselkleidung geholt habe.“

„Geht es Charlie gut?“, fragte Jake alarmiert.

„Ja. Der Vampir hat ihn nicht angerührt. Das ist auch sehr seltsam. Zudem fehlen einige Kleidungstücke von ihr.“

„Du kennst ihren Kleiderschrank wohl auswendig, oder was?

„Ja.“

Warum nur überraschte Jake das nicht wirklich? „Egal, wir zerstören JEDEN Blutsauger in unserem Revier“, mahnte Jake großspurig. „Bei uns ist Bella sicher. Ich würde ihr nie so weh tun wie du es getan hast.“

„Und dennoch hast du ihr gestern fast den Fuß gebrochen, oder?“, widerlegte Edward.

„Das war ein Versehen“, knurrte Jake erbost zurück.

„Genug jetzt“, bestimmte Sam und sprach zu dem Vampir: „Jake wird das später mit Bella besprechen. Wenn sie bei uns bleiben will, dann wirst du das akzeptieren müssen. Sie kann immer noch selbst entscheiden was sie will.“

„Ich möchte aber nicht, dass Bella sich fürchtet. Jake, bitte sag es ihr nicht“, ließ Edward nicht locker.

Das Rudel machte kehrt und Jake warf noch schnell einen Satz, bevor er seinen Kopf vor ihm verschloss: „Sie hat ein Recht es zu wissen.“ Dann preschen sie davon und zurück nach Hause.
 

Aus einem Baumwipfel, auf dem Gebiet der Cullens, heraus wurde dieses Zusammentreffen beobachtet. Isaak schmunzelte und freute sich, dass seine Kette genau das tat, was er beabsichtigt hatte. Er sah Jake davonrennen und schaute ihm lange hinterher. „Hoffentlich kommst du jetzt endlich zur Ruhe. Leb wohl Jake.“

Dann dachte er an diese zwei Störenfriede. Sollte er sich einmischen? „Nein“, entschied er. Das ging ihn nichts an. Zwei Vampire stellten für Jake und sein Rudel keine Bedrohung dar. Er konzentrierte sich und suchte nach der Verbindung zu Jake. Sie war noch da, aber deutlich abgeschwächt. So konnte es bleiben und er brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen. Sein Amulett würde den Wolf helfen und ihn beschützen. Auch, wenn der Preis dafür sehr hoch war, musste er dieses Opfer erbringen. Damit war seine Schuld gesühnt und er konnte sich wieder anderen Dingen zuwenden.

Er sprang vom Baum und rannte gen Norden. Dabei vermied er es, aber die Grenze des Rudels zu übertreten. Er hatte sein Wort gegeben und er musste sein Wort auch halten.

Eine neue alte Gefahr

Zuhause angekommen schmiss sich Jake leise vor Bella auf den Fußboden und schlief wieder ein. Nur kurz hatte er überlegt das Sofa zu benutzen, aber solange Bella in Gefahr war, würde er ihr nicht von der Seite weichen.

Als die Sonne dann aufging schreckte er hoch, als sie erwachte, und sah sich erstmal suchend um. „Morgen“, gähnte sie und sachte über den Bettrand zu ihm hinab. „Muss wohl eingeschlafen sein.“

Dann zog sie die Nase kraus: „Jake, es ist nicht gut für den Rücken, auf dem Boden zu schlafen.“

Der Angesprochene streckte sich ausgiebig und erwiderte: „Für einen Menschen vielleicht. Mir macht das nichts aus. Ich habe schon so oft im Wald geschlafen, da ist der Boden ja beinahe Luxus.“ Er sprang in die Hocke und stand dann auf. „Ich mache mal schnell Frühstück. Willst du einen Kaffee?“

Als der Wolf an ihr vorbeiging, schlug ihr sein Geruch entgegen, und sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht: „Jake, du müffelst wie eine ganze Iltisfamilie. Geh erstmal duschen. Ich übernehme das Frühstück.“

Bei diesen Worten beschnupperte er sich selbst und verzog sein Gesicht: „Boah, du hast Recht. Bis gleich.“ Bei der Jagd am Morgen hatte er Viktoria einige Male angesprungen und war dann wohl auf irgendwas Übelriechendem gelandet.

Bella sah ihm nach und fragte sich, woher seine neuen blauen Flecken wohl stammen mochten. Dann seufzte sie und ging in die Küche.

Kurze Zeit später stand das Essen auf dem kleinen Küchentisch und ein morgenmuffliger Billy vergriff sich als Erstes an seiner Kaffeetasse.

Nur mit einer Hose am Körper, und noch feuchten verstrubbelten Haaren, gesellte sich Jake zu ihnen. Billy sah irritiert auf und sagte erstaunt: „Bella, du bist ja schon wieder da. Hast du keine Schule?“

Jake erklärte lächelnd: „Dad, ist vor seiner ersten Tasse nicht ansprechbar. Bella ist über Nacht da gewesen und hat uns Frühstück gemacht. Sie macht heute blau, um Zeit mit ihrem besten Freund zu verbringen. Nicht wahr, Bella?“

Diese nickte und amüsierte sich köstlich über die Miene des älteren Mannes am Tisch, der nur verständnislos dreinschaute.

Nachdem Jake sich um den Abwasch gekümmert hatte, ging er mit ihr nach draußen und sie liefen ein wenig umher. Dabei berichtete er ihr von dem morgendlichen Vorfall. Bella wurde sofort hibbelig und wollte losfahren, um nach den Cullens und vor allem nach ihrem Vater zu schauen.

Schnell sprang Jake auf die Ladefläche des Trucks, stand hinter dem Führerhaus und klopfte auf das Dach. Dazu sagte er: „Kann losgehen.“

„Du kommst mit?“, fragte sie erstaunt.

„Ja, solange du verfolgt wirst bin ich dein Schatten. Gewöhn dich gleich mal daran.“

„Aber wir fahren in das Gebiet der Cullens“, warf sie ein und fragte sich, ob das gut ausgehen würde.

„Mir doch egal. Du bist wie meine kleine Schwester und ich werde dich beschützen.“

„Ich bin älter als du“, erklärte sie ihm.

„Aber kleiner und schutzbedürftiger. Also kleine Schwester, Punkt“, scherzte er und lachte laut auf. Dann wurde er ernst und knurrte: „Ach, apropos Blutsauger. Du hast Edward alles erzählt?“

Bella druckste ein wenig herum und gestand: „Einen Teil, ja. Aber nicht alles.“

„Nur von meinem Anhänger und ….“, er konnte den Namen nicht sagen und schloss: „…IHM.“

„Ich habe keine Geheimnisse vor Edward“, versuchte sie sich zu erklären. Sie konnte ihm ja nicht von Isaaks Auftritt vor der Schule erzählen.

„Bella, ich bin echt enttäuscht von dir. Wenn du alles an die Vampire weitergibst, dann kann ich dir nichts mehr anvertrauen“, schnaubte Jake und sackte ein wenig in sich zusammen. Dieses Thema musste er mit ihr klären. Ansonsten würde Sam sich einmischen.

„Jake, bitte. Ich will mich nicht entscheiden müssen zwischen dir und Edward“, gestand sie ihr Dilemma.

„Das musst du doch gar nicht. Er kann deine Gedanken nicht lesen und meine auch nicht. Ich will nur faire Verhältnisse. Du erzählst mir ja auch nichts über die Vampire, etwa ihre Schwächen und dergleichen.“

„Ich habe ihnen keine eurer Schwächen verraten“, protestierte Bella.

„In unseren Augen schon“, bestätigte er seine Worte und sah sie traurig an. „Sam wird keinen weiteren Vertrauensbruch dieser Art dulden. Er wird mich zwingen dir nichts mehr zu sagen.“

Diplomatisch fragte sie: „Können wir uns nicht irgendwie einigen?“

Jake dachte kurz nach und sagte: „Ja, können wir. Bleib neutral und alle sind zufrieden. Du erzählst Edward nichts über uns und mir nichts über sie. Das ist mein Vorschlag. Du bist die Geheimniswahrerin beider Seiten. Damit ist auch Sam einverstanden.“

Bella dachte kurz nach und sagte dann ergeben: „Ok, ich bin ab sofort die Schweiz. Du hast gewonnen. Ich werde nichts mehr preisgeben.“ Sie sackte etwas zusammen und fügte kleinlaut hinzu: „Auch nicht gegenüber Edward.“

„Danke“, strahlte Jake und klopfte erneut auf das Dach des Wagens. „Na dann, auf und davon. Gib Gummi, Schumi.“

Bella schüttelte den Kopf und stieg ein. Dann musste sie aber grinsen. Jake ging es wirklich viel besser. Vielleicht machte sie sich einfach zu viele Sorgen.

Nach nicht mal einer halben Stunde parkte sie vor ihrem Haus. Edward war bereits da und erwartete sie. Schnell stieg sie aus und er umarmte sie, dann fuhr er Jake an: „Was hast du hier zu suchen? Nach der Aktion gestern traust du dich in unser Gebiet?“

Der Wolfsjunge sprang lässig von der Ladefläche und baute sich zu voller Größe auf: „Und ich dachte Bellas Sicherheit wäre dir ach so wichtig. Wäre es dir lieber gewesen sie ohne Schutz umherziehen zu lassen?“

„Nein, aber jetzt bin ich ja da. Geh nach Hause Jacob. Du wirst nicht mehr gebraucht“, stichelte der Blutsauger.

„Das sehe ich anders. Gewöhn dich besser dran. Ich bleibe so lange bei Bella, bis sie mich fortschickt.“

„Das wird sie. Wölfe gehören in den Wald nicht in die Stadt.“

„Und Vampire gehören auf den Scheiterhaufen.“

„Bella, schick ihn weg“, bat Edward.

„Bella, sag ihm, dass ich bleiben darf“, hielt Jake dagegen.

Beide sahen zu der jungen Dame und warteten auf ihr Urteil. „Jungs, könnt ihr euch nicht vertragen?“

„Nein“, kam es von beiden, wobei Jake einknickte und hinzufügte: „Aber für dich werde ich seine Gegenwart ertragen. Hauptsache du bist sicher.“

„Sie ist sicher bei uns“, protestierte der Untote zornig.

Bella ließ die Schultern hängen und drehte sich zu ihrem Freund: „Edward, Jake hat Recht. Ihr könnt mich und Charlie nicht allein beschützen, Viktoria jagen, zur Schule gehen, euch ernähren und euch auch noch um den anderen fremden Vampir kümmern.“

Frech streckte Jake ihm die Zunge raus und feixte schadenfroh hinter Bellas Rücken. Der Punkt ging an ihn.

Dann drehte sich Bella zu ihm um und sagte: „Jake, Edward hat Recht, ich bin sicher bei ihm.“

Verdutzt schauten beide Jungs zu ihr und sie gab ihren Kompromiss bekannt: „Also, warum wechselt ihr euch nicht einfach ab? Dann kann jeder auch mal eine Pause machen.“

„Reden wir jetzt nur von uns beiden oder gleich von allen? Dann muss ich nämlich erst Sam fragen“, versuchte Jake die Situation zu begreifen.

„Ich meine alle. Den Cullenzirkel und Sams Rudel. Vorausgesetzt, beide Parteien sind einverstanden“, bestätigte Bella.

Edward entrüstete sich: „Natürlich machen bei uns alle mit.“

Jake hielt kurz Rücksprache mit seinem Alpha und gab dann dessen Entscheidung bekannt: „Das Rudel beschützt Bella, wenn sie es möchte. Da dies aber nicht unser Revier ist, muss ein neuer und zeitlich begrenzter Pakt geschlossen werden, zwischen dem Rudel und dem Cullenzirkel. Ungeachtet dessen bietet das Rudel vollständigen Schutz auf unserem Territorium.“

„Würde Sam es den Cullens gestatten, das Gebiet des Rudels zu betreten, um mich gemeinsam zu schützen?“, fragte Bella.

Jake lies den Kopf hängen und sagte: „Nein, kein Blutsauger betritt unser Revier. Das Rudel ist stark und wir sind viele. Wir brauchen keine Hilfe um zwei Vampire zu zerstören.“

Dann zuckte Jake, wie geschlagen, zusammen. Auf Bellas fragenden Blick erklärte er: „Sam ist nicht begeistert, dass ich hier bin. Ohne ein neues Abkommen soll ich sofort zurückkehren. Es tut mir leid Bella. Ich habe keine andere Wahl. Ich muss Sam gehorchen.“

Er sah Edward an und presste zwischen den Zähnen hervor: „Ich entschuldige mich für mein Eindringen. Der Vertrag bleibt bestehen.“

Dann drehte sich der Wolfsjunge niedergeschlagen um und machte Anstalten sofort aufzubrechen.

Bella war entsetzt. Sie wusste, wie groß die Macht des Alphas über sein Rudel war. „Edward bitte“, flehte sie ihren Freund an etwas zu unternehmen.

Dieser zischte und gab klein bei: „Na gut. Du kannst bleiben Jacob. Ich werde Carlisle anrufen. Dann können wir die Einzelheiten besprechen.“

Kurz stand der andere still, dann drehte er sich strahlend um. „Sam ist einverstanden. Ich rede in seinem Namen.“

Hinter dem Haus setzten sich die Beiden auf je einen großen Stein und die Diskussion begann. Bella sah schnell bei ihrem Vater vorbei und hörte dann den Parteien zu.

Über eine Stunde dauerte es, bis alle einverstanden waren. Sie einigten sich darauf, dass Bellas Haus und ein Korridor bis dorthin, zum Niemandsland erklärt wurde. Tagsüber war Bella in der Schule und Charlie auf Arbeit. Da würde es zu viele Zeugen geben – ein Überfall war dementsprechend unwahrscheinlich. Zudem hatte Bella Edward bei sich und die Wölfe würden Charlie jemanden vom Stamm schicken. Bei schönem Wetter würde dann Jake Bella übernehmen und sich in der Nähe aufhalten.

Wenn einer der beiden Menschen dann zu Hause war, würden sie abwechselnd ein Zweiterteam abstellen. Eine Vermischung beider Rassen wurde aber von beiden Seiten strikt abgelehnt. Einzig Jake und Edward wurde es gestattet gleichzeitig zu wachen. Beide Parteien sollten zusätzlich ihre Grenzen im Auge behalten und Feindesbewegungen, begrenzt auf diese beiden Individuen, der jeweils anderen Partei melden.

Dieses Abkommen würde erlöschen, sobald beide Vampire zerstört waren und Bella keine Gefahr mehr drohte. Zudem gestatteten die Cullens es, auf Bellas Drängen hin, dass Jake sie unabhängig von dieser Absprache, jederzeit besuchen und in ihrer Gegenwart auch das Territorium der Cullens durchstreifen durfte.

Das Rudel war beeindruckt, welch gewaltige Zugeständnisse die Cullens machten, um Bellas Sicherheit zu gewährleisten. Von Sams Gedanken her wusste Jake, dass dieser bei getauschten Situationen nicht bereit gewesen wäre, klein bei zu geben.

Bella hingegen freute sich, sah sie es doch als eine Chance, die beiden Gruppen zu befrieden und so Spannungen abzubauen. Immerhin hatte sie in beiden Lagern Freunde und sie wollte keinen Streit.
 

In den folgenden Tagen beobachtete sie wie die beiden so verschiedenen Rassen zusammenarbeiteten, auch wenn die Wölfe den Vampiren nicht vertrauten und sich nie Menschengestalt zeigten, außer Jake, der sich zusammen mit Edward in ihrem Zimmer eingenistet hatte.
 

War Bella einmal mit ihrem besten Freund allein, quatschten sie viel und sie versuchte auf subtile Art an seinen Ängsten und den Problemen innerhalb des Rudels zu arbeiten.

Ersteres gelang ihr nicht wirklich. Nun da Jake sich von dem Einfluss seiner Prägung befreien konnte, entschied er sich den Anhänger nie mehr abzulegen und verdrängte alles was mit Isaak zu tun hatte.

Bei jedem Versuch von Bella die Wurzel des Problems, die Homophobie der Quileute, an zu gehen, schaltete er auf stur. Er sah dann an die Decke und sagte kein Wort, bis das Thema fallen gelassen wurde.

Ansonsten war Jake wie immer und sein Rudel ließ ihn auch wieder in Ruhe. Selbst Paul hatte seinen Dauerangriff eingestellt und ließ nur noch ab und an mal ein Kommentar fallen. Er wusste, dass Jake ihn dann immer sofort für einen Tag auf stumm stellte. Das schmeckte dem Übeltäter überhaupt nicht, half dem Beta aber ungemein dabei, alles zu leugnen.

Was Leah anging, so konnte Bella nur begrenzt helfen. Sie führte mit ihr ein langes Gespräch in Folge dessen sie ihren Groll gegen die Anführer des Rudels aufgab. Aber, gegen ihre Gefühle für Sam, konnte Bella keine Lösung finden und Leah fühlte sich einfach nur unerwünscht im Rudel. Alle anderen mieden sie und wollten möglichst wenig in ihr Drama verwickelt werden. Durch Bellas Einfluss und ein paar scharfe Worte an die „Jungs“ konnte sie es für die Wölfin aber etwas erträglicher machen, sodass diese endlich bereit war, sich von Sam einweisen zu lassen.

Das Problem Seth klärte sich von selbst. Nachdem Leah ihren kleinen Bruder nicht mehr vehement abschirmte, begann der Kleine Jake hinterherzulaufen. Es wirkte so, als habe er sich Jake als Vaterersatz und Bezugsperson ausgesucht und dieser nahm den Jungwolf unter seine Fittiche. Sam hatte nichts dagegen und so übernahm sein Stellvertreter dessen Ausbildung.

Die Tage zogen ins Land und weder Victoria noch der fremde Vampir tauchten wieder auf. Bellas Schuljahr ging mit großen Schritten dem Ende entgegen. Eigentlich hatte sie vorgehabt ihr Leben als Mensch mit Ende des Schuljahres ebenfalls zu beenden. Sie wollte aber unbedingt, dass Edward sie verwandelte, dieser bestand aber im Gegenzug auf eine vorherige Heirat.

Bella verschwieg Jake ihre Zukunftspläne, weil sie den brüchigen Frieden nicht zerstören wollte. Solange das Thema Victoria nicht gelöst war, konnte sie es nicht riskieren einen Streit vom Zaun zu brechen. Der Beta würde toben und sie wollte zuerst sicherstellen, dass er nicht vollkommen austickte.

Zudem braute sich eine neue Bedrohung zusammen. In Seattle verschwanden immer mehr Menschen. Die Cullens schrieben das einem ihrer Art zu. Das Problem daran war, dass dies zu nahe an ihrem Gebiet war. Sie hatten Angst, dass die Volturi sich einmischten, wenn das Morden noch offensichtlicher wurde. Dann würden sie ihnen sicherlich auch einen Besuch abstatten und dabei feststellen, dass Bella noch keine von ihnen war.

Schweren Herzens entschlossen die Cullens dem Treiben selbst Einhalt zu gebieten und machten sich bereit, nach der Abschlussparty, welche Alice in ihrem Haus veranstaltete, los zu ziehen. Die Party war ein voller Erfolg und sogar Jake tauchte dort auf.

Bella freute sich riesig und tanzte ausgelassen mit ihrem besten Freund. Edward schaute ihnen jedoch mit Argusaugen zu. Dann hatte Alice eine Vision und alle Cullens, einschließlich Bella und Jake, zogen sich zurück.

Es war kein einzelner Vampir in Seattle, es war eine Armee aus Neugeborenen und diese marschierte auf sie zu. Jake hielt Rücksprache mit dem Rudel und sie bildeten eine Allianz, um dieser Bedrohung Herr zu werden.

Alle trafen sich auf einer Lichtung im Niemandsland und Jasper, der große Erfahrung mit neugeborenen Vampiren hatte, instruierte beide Gruppen und bereitete alle auf den Kampf vor. Bella und Edward sollten sich allerdings fernhalten und benutzten Jakes „Wolfsgestank“ um Bellas Fährte zu überdecken.

Die drei waren hoch in den Bergen, wo für Bella ein Zelt bereitstand. In der Nacht wurde es dann so kalt, dass Jake sie wärmen musste. Edward gefiel das zwar gar nicht, aber er wusste auch von der Prägung und legte seine Einwände schnell beiseite. Es wurde eine recht stille Nacht. Denn keiner der beiden wollte mit dem jeweils anderen reden. Da der Wolfsjunge seine Gedanken vor dem anderen abschirmte, wusste Edward auch nicht, was dieser dachte.

Als Bella am nächsten Morgen erwachte, waren beide Männer verschwunden und sie streckte den Kopf aus dem Zelt, um nachzusehen, wo sie abgeblieben waren. Am Felsvorsprung stand Edward und sah sich wachsam um. Sie gesellte sich zu ihm und fragte: „Ist Jake schon weg?“

„Er sagte, er erkunde die Gegend und verteile seinen Ode Wolf noch ein wenig“, gab er Auskunft und fügte nachdenklich hinzu: „Da er sich aber vor mir abschirmt, weiß ich nicht, ob er noch da ist oder was er im Moment treibt. Seine Ablöse ist jedenfalls noch nicht eingetroffen.“

„Ablöse?“

„Ja. Er sagte, dass Seth ihn ablöst und er mitkämpfen wird. Seth soll bei uns bleiben. Zum einen als Verbindung zum Rudel, zum anderen, weil er noch nicht bereit ist zu kämpfen.“

„Ok, aber ihr habt hoffentlich nicht gestritten, während ich schlief, oder?“, fragte sie misstrauisch.

Er lachte kurz auf und erklärte: „Nein, Bella. Wir haben so gut wie gar nichts gesagt.“

„Gut. Ich will, dass er einen klaren Kopf für den Kampf hat“, gestand sie und atmete erleichtert durch.

Nachdenklich runzelte Edward die Stirn und sagte: „Ich bin mir nicht sicher, ob man da wirklich von einem klaren Kopf reden kann. Ich vertraue diesem selbsternannten Wächter nicht. Isaaks „Amulett“, wie er es nannte, vernebelt Jakes Gefühle. Das finde ich nicht gut.“

Plötzlich erklang hinter ihnen eine Stimme und beide drehten sich erschrocken um. „Was soll das heißen, Isaaks Amulett?“ Jake stand da und sah ungläubig von Edward zu Bella und wieder zurück. Dann zog er sich seinen Anhänger vor die Augen und betrachtete diesen.

„Du hast mich angelogen, Bella? Das hier stammt nicht von dir, oder? Diese verdammte Schwuchtel hat ihn dir gegeben, oder?“ Mit jedem Wort wurde er immer lauter und vor allem zorniger. Seine Augen verengten sich und er starrte erbost auf seinen bisherigen Glücksbringer.

„Jake, bitte beruhige dich“, versuchte es Bella. „Er wollte, dass du glaubst, dass der Anhänger von mir ist. Er wollte dir helfen, wusste aber, dass du seine Hilfe nicht annehmen würdest. Isaak wollte dir nichts Böses. Die Kette hat dir doch geholfen, oder? Ist es dann nicht egal wo sie herkommt?“

„Es ist nicht egal wo dieses Ding herkommt“, knurrte Jake relativ ruhig. Und genau das machte Bella noch deutlich mehr Angst. Das war die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Jake erbebte und flüsterte: „Ich bin nicht schwul. Er ist an allem schuld. Ich will nichts von Isaak haben, vor allem keinen Schmuck. Ich bin doch nicht seine kleine Freundin.“

Tobend riss er an der Kette und die Glieder gaben unter seinem Zorn nach. So laut er konnte schrie Jake: „ICH BIN NICHT SCHWUL!“ Dabei warf er den Anhänger über die Klippe.

In der Bewegung erstarrte er, als seine unterdrückten Gefühle zurückkehrten. Er zuckte und schüttelte sich im inneren Kampf mit seiner Prägung. Sein Zorn siegte und er verwandelte sich augenblicklich. In rasender Wut und vollkommen vernebeltem Hirn, stürmte er auf den Kampfplatz zu. Er hatte nur noch einen Gedanken: „Töten.“

Bella schrie ihm hinterher, aber er hörte sie gar nicht. Dann tauchte Seth neben ihnen auf, sprintete auf die Klippe zu, bremste scharf ab und sah Jake zu, wie dieser davonpreschte. Er jaulte und seine Kameraden weit unten stiegen mit ein.

Sam versuchte Jake zu beruhigen, aber in genau diesem Moment griffen die Neugeborenen an und das Rudel stürzte sich ins Getümmel. Jakes Zorn war so übermächtig, dass er die Verbindung durchflutete, wie ein reißender Strom. Alle Wölfe, selbst Sam, wurden überrumpelt und verfielen in Mordlust.
 

Hoch im Norden, an der Grenze zwischen Kanada und Alaska, blieb Isaak, wie angewurzelt stehen. Die Verbindung zu Jake hatte sich wieder geöffnet und er spürte dessen allesverzehrenden Zorn. Schnell schottete er sich vor diesem Gefühl ab. Er fragte sich, was geschehen war, dann verstand er: Jake wusste über den Anhänger Bescheid. Mit einem Stirnrunzeln und äußerst besorgt, fokussierte er sein inneres Auge auf den Anderen.

Er sah, wie dieser sich verwandelte und davonrannte. Dann ließ er seinen Blick wandern und betrachtete die Umgebung. Er fand die Schlacht zwischen den Wölfen, den Cullens und einer Horde neugeborener Vampire.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wo kommen die denn her?“, fragte er sich laut und versuchte die Zusammenhänge zu analysieren. In seinem Kopf entstand eine Flut von Bildern mit Ereignissen, welche zu diesem Ausgang geführt hatten.

Nachdem er die Vergangenheit und Gegenwart kannte, fokussierte er sich auf die Zukunft. Er sah viele mögliche Szenarien, aber alle führten zu ein und demselben Ergebnis. Jake würde an den Folgen dieses Kampfes sterben. Das Schicksal des Jungen schien besiegelt. Das sollte so nicht sein. Es war Isaaks Schuld. Seine Verantwortung. Er musste abermals in das Rad des Schicksals eingreifen. Er schwor alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um dessen Leben zu retten.

Wie ein Blitz rannte der Wächter über die Landschaft und gab alles. Er musste sich beeilen. Die Zeit war knapp.

Auf Messers Schneide

Währenddessen tobte die Schlacht. Die Neugeborenen, die nichts von den Wölfen wussten und äußerst irritiert über deren Wildheit waren, schraken zurück. Ohne zu zögern stürzte sich das Rudel auf seine Feinde und nutzte die Verwirrung, um gleich vier von ihnen ohne Gegenwehr auszuschalten. Entsetzt über den Tod ihrer Kameraden, griff die Meute erneut an.

Sam zog sich rasch zurück und schüttelte Jakes Zorn ab. Dann verschaffte er sich einen Überblick. Das Rudel war vollkommen außer Kontrolle. Sie griffen wild und ungestüm an und zerstörten einen Vampir nach dem anderen, konnten dabei aber auch nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden. Mit seiner Macht steuerte er das Rudel und achtete darauf, dass die Wölfe nicht ausversehen die Cullens erwischten. Er war so beschäftigt, dass er kaum etwas anderes tun konnte, als im Hintergrund die Fäden zu ziehen.

Von seiner Position aus konnte er auch sehen, wie die Cullens sich nicht nur um sich selbst kümmerten, sondern auch seinen Wölfen halfen. Einige Male retteten sie ihnen sogar das Leben. Die Neugeborenen waren stärker als die anderen Vampire und drohten einige des Rudels zu zerquetschen, sobald sie diese in die Finger bekamen. Durch das beherzte Eingreifen der Cullens wurden Tote auf beiden Seiten verhindert.

Schnell verbesserte Sam seine Kontrolle über das Rudel und achtete mehr auf ihren Schutz. Als Gegenleistung für diese Hilfe, tat er es ihnen gleich und half auch den verbündeten Vampiren, wenn sie in der Klemme steckten. Erstaunt stellte er dabei fest, dass sie gut zusammenarbeiteten und sehr effizient die Anzahl der Gegner reduzierten.

Nach der ersten Welle kam eine zweite und dann eine dritte. Die Anzahl der Gegner schien nahezu endlos zu sein. Für jeden, den sie vernichteten, rückten mindestens zwei Neue nach.

Vollkommen außer sich tauchte nun auch Jake bei ihnen auf. Mit seinem ersten Sprung erledigte er bereits einen Angreifer und wütete anschließend, wie ein Berserker, in den Reihen der Gegner. Dabei ging er absolut rücksichtslos vor und Sam musste feststellen, dass er ihn nicht kontrollieren konnte, zumindest nicht, während er auch alle anderen bändigen musste.

Sämtliche Vampire, auch die Cullens, wichen rasch vor dem tollwütigen Wolf zurück. Dieser dachte jedoch nicht einmal im Traum daran seine Beute entkommen zu lassen. Es war nun lediglich eine Frage der Zeit, bis Jake auch den ersten Verbündeten zerreißen würde.

Jakes Toben erlaubte es dessen Verbündeten, die vor Schreck gelähmten Neugeborenen rasch zu vernichten.

Der Kampf schien, ohne gröbere Verletzungen seitens der Wölfe und der Cullens, bereits gelaufen zu sein. Plötzlich passierte es: Jake hatte keine Gegner mehr. Ohne Sinn und Verstand, absolut gefangen in seinem unbändigen Zorn, stürzte er sich zähnefletschend auf den erschrockenen Emmett.

Dieser konnte den Angriff zwar abwehren, fauchte aber dennoch: „Hey, komm mal wieder runter, Jacob.“

Der Beta hörte ihm gar nicht erst zu und sprang den Verbündeten erneut an. Schnell wurde klar: Jake würde bis zum bitteren Ende kämpfen, egal ob es sich dabei um Freund oder Feind handelte. Er hatte keine Kontrolle mehr über sich selbst und seine Handlungen. Das konnte Sam nicht zulassen und sprang zwischen die Beiden.

Die Augen des rostbraunen Wolfes fixierten den neuen Gegner, seinen Alpha, und er griff diesen, ohne zu zögern an. Beide Wölfe kämpften verbissen und mussten dabei einige Verletzungen einstecken. Die Umstehenden sahen ihnen ungläubig zu. Jakes ungebändigte Wut drängte Sam in die Defensive und machte dessen Pläne, ihn zu unterwerfen, zunichte.

So langsam wurde es wirklich gefährlich. Das war kein normales Gerangel mehr und dem Leitwolf blieb keine andere Wahl, als ebenfalls ernst zu machen. Er musste seinen Beta unter Kontrolle bringen, koste es, was es wolle.

Urplötzlich hörten alle Mitglieder des Rudels eine Stimme in der Verbindung: „Jake, beruhige dich.“

Die bernsteinfarbenen Augen des Angesprochenen zuckten außer sich hin und her. Es schien so als ob er gerade vollkommen den Verstand verlieren würde. Dann schrie Jake nur ein Wort in die Verbringung: „Isaak!“

Er konnte nicht mehr. Es war zu viel für ihn und Jake sprintete auf einen nahen Felsen zu. Es gab nur noch einen Ausweg für ihn. So konnte er nicht weiterleben.

Entsetzt, und unfähig sich zu bewegen, sahen alle zu, wie er sich dem Felsen rasant schnell näherte. Als er den Kopf senkte, ging ihnen allen ein Licht auf: Jake wollte sich selbst töten, indem er sich den Schädel einschlug.

Erneut erklang die Stimme des Fremden und befahl: „Jake, STOP!“ Die Macht, welche diesen Befehl begleitete, ließ alle Wölfe, auch den Alpha, zu Stein erstarren.

Jake hatte jedoch nicht vor zu gehorchen. Einen Augenblick lang kämpften sie gegeneinander und Jake stolperte. Er fiel in vollem Sprint, verlor die Kontrolle und rollte über den Boden. Dann krachte er gegen den Felsen und stieß sich den Kopf. Schmerz explodierte in seinem Schädel und die Welt wurde schwarz. Reglos blieb er liegen.
 

Ungefähr 1500 km entfernt, auf halber Strecke, stand Isaak schweißgebadet da und zitterte am ganzen Körper. Sein Eingreifen hatte ihn sehr geschwächt, aber es war noch nicht vorbei. Sein ganzer Körper schmerzte, dennoch zwang er sich weiterzurennen und setzte seinen Weg fort.
 

Unterdessen mussten auch Bella, Edward und Seth sich einem Kampf stellen. Seth erledigte dabei einen Vampir namens Riley, während Bella sich selbst verletzte und somit Edward Victoria zerstören konnte. Das Ganze war von der Vampirfrau angezettelt worden, um Bella zu töten und somit Edward für den Tod ihres Gefährten James zu bestrafen.

Durch die Verbindung zwischen Seth und dem Rudel erfuhren sie von den Geschehnissen und eilten rasch zu den Anderen.
 

Während die Wölfe immer noch unter Isaaks Bann standen, rannte Carlisle zu Jake, welcher sich bewusstlos zurückverwandelt hatte. Er untersuchte den jungen Mann fachmännisch und sagte: „Sein Schädel ist nicht gebrochen. Er wird eine Gehirnerschütterung haben, aber er wird wieder.“

Diese Nachricht holte das Rudel aus seinem Schock. Alle verwandelten sich augenblicklich und stürzten auf ihren Kameraden zu. Schnell zog sich der Vampir zurück. Er wusste nicht, wie die Wölfe reagieren würden.

Die anderen Cullens sammelten unterdessen die Körperteile ihrer Feinde ein und warfen sie auf einen improvisierten Scheiterhaufen. Nur so konnten sie ihre Feinde endgültig erledigen. Sam befahl dem Rudel ihnen dabei zu helfen und alle arbeiteten schweigend.

Nachdenklich betrachtete der Alpha den Bewusstlosen und fragte sich, wie es weitergehen sollte. Dann hörte er Seths Gedanken und sah zu ihnen, als die Drei auf sie zukamen. Edward schien äußerst beunruhigt und sah sich im Rennen suchend um. Dann schrie er: „Achtung! Da sind noch zwei.“

Bevor Sam reagieren konnte stieß ihm jemand in den Rücken und er wurde wegkatapultiert. Sogleich stürzten sich die letzten Feinde auf den bewusstlosen Jake. Als die Beiden ihre Zähne in seinen Körper schlugen erwachte dieser und schrie auf. In ihrer Blutgier klammerten sie sich an den Körper vor sich und alle hörten das Knacken von brechenden Knochen.

In tobender Raserei stürzte sich das verwandelte Wolfsrudel auf die beiden Angreifer und rissen sie von ihrem Kameraden weg. Während sie ihrer Wut freien Lauf ließen und die Feinde zu kleinen Fetzen verarbeiteten, stürmte Carlisle zu dem schreienden Jungen und untersuchte dessen Verletzungen.

Schnell stand Sam hinter dem Vampir und mahlte mit den Zähnen. Ein dunkles, unheilvolles Knurren entsprang seiner Kehle. Bella rannte ebenfalls zu ihnen und Tränen liefen ihr dabei über die Wangen.

„Carlisle, bitte. Hilf ihm!“, stieß Bella panisch hervor.

Dieser tastete noch einige Augenblicke den Körper des Betas ab. Seine Schultern sackten nach unten und er offenbarte traurig: „Ich kann ihm nicht helfen Bella. Fast jeder Knochen in seiner Brust ist gebrochen. Zudem fürchte ich, dass er innere Blutungen hat. Das Schlimmste ist aber das Vampirgift.“ Er deutete auf die Zahnabdrücke über seinem Herzen.

Außer sich schrie Bella: „Saug es raus. So, wie Edward bei mir.“

Carlisle erhob sich und sah Sam an: „Das Gift hat bereits das Herz erreicht und verteilt sich in seinem gesamten Blutkreislauf. Ich kann es nicht entfernen. Es tut mir leid. Ich kann nichts tun.“

„Aber ich kann“, sagte eine Stimme und Isaak schoss auf die Lichtung. Er bremste ab und riss den Boden dabei auf. Keuchend kam er zum Stehen. Er ging leicht in die Knie, legte die Hände auf die Oberschenkel und japste heftig nach Luft. Das Rudel stellte sich augenblicklich vor Jake auf und schirmte ihn knurrend ab.

Der Rotblonde hob zitternd eine Hand und offenbarte: „Ich kann Jacob retten. Beiseite. Die Zeit ist knapp.“ Dabei sah er aber nicht auf. Er stand einfach nur da, schweißnass und versuchte seine Atmung in den Griff zu bekommen.

Dann stellte er sich aufrecht hin und knurrte: „Geht beiseite. Ich werde nicht zulassen, dass er stirbt.“

Jake indes verstummte in diesem Moment und verlor abermals das Bewusstsein.

Der selbsternannte Wächter erbleichte und sah zu ihm. „Entscheidet euch. Sein Leben ist auf Messers Schneide.“

Bella sprang auf und rief ihm zu: „Rette Jake!“

Der Alpha warf schnell einen Blick auf den Bewusstlosen und befahl zähneknirschend: „Macht den Weg frei.“ Zu Isaak keifte er aber: „Wenn er stirbt, stirbst auch du.“

„Einverstanden“, sagte der Rotblonde direkt neben Jake. Seine Geschwindigkeit war beeindruckend. Sie hatten die Bewegung nicht einmal gesehen.

Begleitet von dunklem Knurren zog das Rudel einen Kreis um die Gruppe, behielt aber genug Abstand, sodass Isaak arbeiten konnte.

Dieser schloss die Augen, hob eine Hand etwa zehn Zentimeter über Jakes Kopf und fuhr dessen Konturen nach. Er berührte ihn nicht, begann aber mit sich selbst zu sprechen: „Keine Hirnverletzung. Multiple Knochenbrüche im gesamten Brustbereich, sowie rechter Schulter. Massive innere Blutungen. Rechter Lungenflügel mehrmals durchbohrt und außer Funktion. Linker Lungenflügel kurz vor dem Kollaps. Milzriss. Verehrende Schäden am Verdauungstrakt. Dritter Brustwirbel zertrümmert. Multiples Organversagen steht kurz bevor. Und zu allem Überdruss auch noch diese verdammtes Vampirgift.“

Isaak öffnet die Augen und biss sich auf die Unterlippe. Dann sah er auf und suchte Carlisle Blick.

Dieser war erstaunt über die Diagnose und offenbarte: „Niemand kann ihm jetzt noch helfen. Es ist hoffnungslos. Es tut mir sehr leid.“

Der andere ignorierte ihn und sagte: „Du musst meinen Anweisungen genaustens einhalten. Dann kann ich ihn retten. Es mag seltsam aussehen, aber ihr müsst mir vertrauen. Ich weiß was ich tue.“

Der Arzt nickte zaghaft, glaubte dem Rotblonden aber nicht wirklich. Niemand konnte solche Verletzungen überleben, noch nicht einmal ein Gestaltwandler.

Isaak nickte ebenfalls und befahl: „Sieh auf die Uhr. 8 Minuten und 48 Sekunden. Dann zieh den Dolch raus.“ Schneller als alle reagieren konnten legte Isaak seine rechte Hand auf Jakes Brust, genau über dessen Herzen. Es blitzte etwas Silbernes auf. Schon stieß Isaak einen kleinen Dolch, durch seine Hand hindurch, dem Beta direkt ins Herz.

Alle rissen die Augen auf und waren entsetzt über diese Wendung. Isaak zuckte nicht einmal, als die Klinge seine Hand durchbohrte. Kurz darauf sackte er aber kraftlos zusammen und stammelte: „Zieht den Dolch heraus und Jacob wird sterben. Tötet mich, und Jacob wird sterben.“

Mit gewaltiger Anstrengung hob er den Blick und sah zu Carlisle auf. „8 Minuten und 37 Sekunden.“ Der Rotblonde begann zu schwanken und schloss die Augen. „Ich werde gleich bewusstlos. Mein Körper wird von allein handeln und versuchen die Verbindung zu trennen. Der Dolch darf nicht entfernt werden. 8 Minuten und 32 Sekunden.“ Dann fiel der Verrückte um und verlor das Bewusstsein.

Sam und Carlisle sprangen vor. Der Alpha griff nach dem Dolch und wollte ihn gerade herausziehen, als der Arzt ihn davonabhielt: „Warte. Ich verstehe es zwar nicht, aber Jacobs Puls wird stärker.“

Irritiert sahen sich die beiden an.

„Willst du etwa sagen DAS hilft Jake?“

Carlisle schüttelte den Kopf und zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber Jakes Lebenszeichen werden stärker. Sieh doch.“

Der Beta war totenblass, aber quälend langsam kehrte Farbe in sein Gesicht zurück.

Der Arzt sah auf seine Armbanduhr und erklärte: „Was haben wir zu verlieren? Versuchen wir es. Noch 7 Minuten und 57 Sekunden.“

Sam sah zwischen den beiden Bewusstlosen hin und her. In der gleichen Geschwindigkeit, in der Jake erstarkte, schien Isaak schwacher zu werden. Er hatte schon etwas Farbe im Gesicht eingebüßt.

„Versuchen wir es. Aber wenn es nicht funktioniert, dann schwöre ich, werde ich ihn in Stücke reißen“, schnaubte er seine Entscheidung kund. Sein Blick ruhte bei diesen Worten auf dem Rotblonden.

Die Lage entspannte sich etwas. Währenddessen prüfte Carlisle ständig die Lebenzeichen der beiden, ging Sam angespannt auf und ab. Die anderen Cullens hatten sich versammelt, wagten es aber nicht, sich den marodierenden Wölfen zu nähern.

Drei Minuten verstrichen, in denen nichts passierte. Dann zuckte Isaak auf einmal. Sofort stand Sam über ihn gebeugt und funkelte ihn böse an. Es blieb nicht bei einem Zucken. Je mehr Zeit ins Land ging, desto stärker und öfter erbebte der Körper des Mannes.

Zudem konnte Bella erstaunt beobachten, wie sich einige kleine Schnittwunden an Jakes Oberarm wie von Geisterhand zusammenzogen. Kaum einen Augenblick später war die Verletzung gänzlich verschwunden. Sie machte die anderen auf ihre Entdeckung aufmerksam und alle schauten fassungslos zu, wie Schürfwunden, Schnitte und aufgeplatzte Stellen rasant verheilten.

Dann zuckte auch Jakes Körper und es knackte unheimlich. Carlisle war sofort zur Stelle und tastete Jakes Brustkorb ab. „Ich kann spüren, wie die Knochen sich von selbst richten.“ Es knackte erneut und er sagte sprachlos: „Das war eine Rippe. Sie ist nun wieder an ihrem richtigen Platz.“

Der rasselnde Atem des Wolfsjungen verlor allmählich seinen unheilvollen Klang und es wirkte, als würde er einfach nur schlafen.

Der Arzt sah auf die Uhr und sagte: „Noch 2 Minuten und 18 Sekunden.“

Plötzlich erstarb das Zittern bei Isaak und sein linker Arm hob sich. Das Seltsame daran war allerdings, dass der Mann immer noch bewusstlos war. Schnell griff Sam zu und drückte die Gliedmaße nieder, die sich in Richtung des Dolches bewegt hatte. Er griff immer fester zu, da der Widerstand immer stärker wurde. Nach einigen Sekunden knurrte der Alpha: „Der ist ganz schön stark.“ Er benötigte bereits seine ganze Kraft um Isaaks Arm im Zaum zu halten.

Der Leitwolf ruckte nach oben als die Gliedmaße sich, trotz Gegenwehr, erhob. Es mutete seltsam an, einen gestandenen Mann, mit übermenschlichen Kräften, dabei zu beobachten, wie er mit einem Arm rang. Schnell griff auch Carlisle zu und sie konnten die Bewegung stoppen.

Eine weitere Minute verging und beide benötigten mittlerweile ihre volle Kraft. Unentwegt näherte sich dabei die ausgestreckte Hand dem Dolch.

„Sam, lass die anderen durch. Wir brauchen Hilfe. Wir sind stärker als ihr in Menschengestalt.“

Der Alpha lief mittlerweile, vor Anstrengung, rot an und nickte schlussendlich. Sofort öffnete sich eine Lücke und die Vampire stürzten zu ihnen. Emmet übernahm Sams Part, welcher sich atemlos ins Gras sinken ließ.

„Noch 41 Sekunden.“, stieß Carlisle zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Mittlerweile zerrten alle Vampire an dem linken Arm.

Bella war sprachlos und starrte mit offenem Mund auf dieses Schauspiel. Isaak war ein wahres Monster. Wenn sein Körper bewusstlos zu so etwas im Stande war, wollte sie nicht wissen, was er bei vollem Bewusstsein alles anrichten konnte.

Sam sah auf und knurrte: „Schlagt ihm den Arm ab.“

„Er rettet Jake das Leben. Das wäre nicht sehr nett“, zischte Esme.

„Wir haben kaum eine andere Wahl“, erwiderte Emmett. „Er bewegt sich wieder.“

„Noch 18 Sekunden.“

„Beiseite, ich schlage ihm den Arm ab“, knurrte Sam, als sich die Hand, langsam aber stetig, dem Dolch wieder näherte.

Die Vampire machten etwas Platz und der Alpha schlug mit der Handkante zu. Er traf direkt im Ellenbogen. Es knackte entsetzlich und sie glaubten es geschafft zu haben. Dann schrie Sam vor Schmerz auf und zog seine zertrümmerte Hand zu sich.

Erbost knurrte der Gestaltwandler: „Der ist härter als ein Vampir. Was zum Teufel ist das für ein Monster?“ Hilflos sah er zu, wie die linke Hand nun den Dolch erreichte und die Finger sich um den Griff legten.

„Noch 7 Sekunden“, schrie Carlisle und die Vampire warfen sich von oben auf die Gliedmaße, um diese daran zu hindern den Dolch zu entfernen.

Verzweifelt schrie Bella auf. Sie konnte nichts tun. Die Wölfe fingen an zu heulen und zogen den Kreis enger.

In seiner Not biss Edward zu. Aber weder seine Zähne, noch sein Gift, konnten die Haut des Mannes durchdringen.

Bella warf einen Blick auf die Uhr an Carlisles Handgelenk und zählte laut: „Drei.“

Ein Ruck ging durch ihre Körper, als der Arm sie abschütteln wollte, aber sie blieben standhaft.

„Zwei.“

Embry warf sich in Wolfsgestalt auf den Haufen, um das Gewicht zu erhöhen. Die Vampire zischten ungehalten, blieben aber wo sie waren.

„Eins.“

Nun warf sich auch Seth auf den Haufen. Es war allerdings zwecklos. Plötzlich kam eine Art Wind auf und fegte sie alle von Jake herunter. Sie kullerten in verschiedene Richtungen davon und prallten gegen die kreisenden Wölfe.

Entsetzt sah Bella, wie die Hand hochschnellte und den Dolch aus Jakes Brust und der anderen Hand zog.

„Null.“, wimmerte Bella und sackte zusammen.

Nachdem der Dolch entfernt war, zog Isaak die Arme an die Brust und rollte sich in einer Art Embryostellung zusammen. Dabei landete der Dolch auf Jakes Brust und blieb dort liegen.

Augenblicklich sprang Carlisle auf die Füße und zu seinem Patienten. Die anderen Cullens zogen sich zurück und sammelten sich außerhalb des Todeskreises. Sam hingegen schnappte sich Isaak mit seiner unverletzten Hand und schleifte diesen weg. Das Rudel umstellte knurrend den Rotblonden und fletschte die Zähne. Sie warteten nur noch auf Sams Kommando. Diese Monster durfte nicht weiterleben.

Edward hingegen stellte sich hinter Bella auf, um sie zu beschützen und ihr Trost zu spenden. Alle Augen wanderten zu Jake.

Aus der Wunde, welche der Dolch hinterlassen hatte, quoll Blut hervor und die Vampire zischten gefährlich. Sam kam wieder zu ihnen und sie warteten auf das Urteil des Arztes. Dieser untersuchte Jake einen Augenblick lang und sagte: „Soweit ich das beurteilen kann, sind alle Knochen wieder heil und dort, wo sie hingehören. Was seine inneren Verletzungen anbelangt kann ich keine Spur von Blut im Gewebe finden. Aber ohne Ultraschall- und Röntgenaufnahmen kann ich nichts mit Bestimmtheit sagen. Am meisten Sorgen macht mir immer noch das Vampirgift und diese Wunde.“ Er deutete auf das Loch in seiner Brust.

In just diesem Moment versiegte der Blutstrom. Die Wundränder zogen sich zusammen und das Gewebe verheilte rasend schnell. Einen Augenblick später war es nur mehr eine Narbe zu sehen. Dann verschwand auch diese und ließ einen makellosen Oberkörper zurück.

Es zischte und die Bissspuren, die letzten verbliebenen sichtbaren Wunden, begannen leicht zu rauchen. Dann quoll eine schwarze dickflüssige Substanz heraus. Jakes Körper schien das Vampirgift abzustoßen. Carlisle riss sich ein Stück von seinem Ärmel ab und tupfte das Sekret ab. Als das Zischen verebbte und nichts mehr aus der Wunde drang, schloss sich die Haut und wirkte, als wäre nie etwas gewesen.

Plötzlich riss Jake die Augen auf, setzte sich auf und griff sich an die Brust. Mit völlig verklärtem Blick sah und betastete er seinen Körper. „Was ist passiert?“, stammelte er.

„Du wurdest schwer verletzt und…“, Carlisle verstummte und suchte den Blick des Alphas. Dieser schüttelte kaum merklich den Kopf. „Wie geht es dir, Jake?“

Der kratzte nun über seine Brust und zwickte sich in die straffe Haut. Dann sah er auf und sagte: „Gut, glaube ich.“

„Keine Schmerzen oder sonst etwas Ungewöhnliches?“

„Nö.“

„An was erinnerst du dich?“

Er dachte kurz nach. „Ich war bei Bella und ihrem Blutsauger, dann… ist alles verschwommen. Ich glaube ich habe ein paar Vampire erledigt.“

„Ok, und wie gehts deinem Kopf?“

Jake sah in die Runde und ihm wurden die starrenden Blicke der anderen bewusst. Etwas beschämt verschränkte er die Arme im Schoß und knurrte: „Außer, dass ich hier nackt rumsitze und mich alle anstarren, geht’s mit gut.“

Bella konnte nun nicht mehr an sich halten und fiel dem Wolf um den Hals. Sie brach in Tränen aus und schniefte lauthals an seiner Brust. Jake tätschelte sie irritiert und warf Edward einen fragenden Blick zu.

Die Vampire wandten sich ab, während Edward Bella im Auge behielt. Die Scham des Wolfsjungen war ihm völlig egal.

Carlisle trat zu Sam, deutete auf dessen Hand, und fragte: „Darf ich?“ Dieser schnaubte nur und hob seine zertrümmerte Hand. Er bekam kaum etwas mit, war zu sehr in Gedanken. Was sollten sie nun machen? Was sollte mit dem Fremden passieren?

„Sam“, wurde er aus den Gedanken gerissen und knurrte: „Ja, Doc?“

„Die beschleunigte Heilung hat bereits eingesetzt. Ich muss die Knochen richten bevor sie falsch zusammenwachsen. Das wird weh tun.“

Der Alpha zuckte mit den Schultern und sagte: „Dann mach halt.“ Die kalte Haut des anderen fühlte sich falsch an und er hätte sich ihm am liebsten entzogen, aber er brauchte seine Hand noch.

„Ich habe keine Schmerzmittel dabei.“

„Nun mach schon“, knurrte Sam und sah in eine andere Richtung. Dann schrie er vor Schmerz auf, als Carlisle seine Knochen richtete. Wenige Handgriffe später war alles vorbei und der Vampir sagte: „Du solltest deine Hand noch ein paar Tage schonen. Komplikationen bei der Heilung sollten aber keine auftreten.“

Sam wandte sich ab und zur Überraschung aller knurrte er: „Danke.“

Nachdem ihn Bella losgelassen hatte, fasste sich Jake erschrocken an die Brust und brabbelte: „Wo ist mein Anhänger?“

„Jake“, begann Bella besorgt.

Dann verengten sich die dunkelbraunen Augen und er knurrte wütend: „Isaak.“

Sofort wanderten sämtliche Blicke des Rudels zum Beta. Sie spürten seinen aufkeimenden Zorn und ihnen schwante Schlimmes.

„Jake, hör auf“, schnauzte Bella ihn an und unterbrach dessen Gedankenmuster. „Er wollte dir nur helfen. Komm endlich zur Vernunft.“

„Der kann mich mal“, regte er sich erneut auf.

Ungeachtet des aufkommenden Streits, hatte Carlisle den Bewusstlosen ebenfalls untersucht und erklärte Sam: „Er ist schwach, aber am Leben. Soweit ich das jedenfalls sagen kann. Ich weiß nicht was er ist und wie sich seine Physiologie von der unseren unterscheidet. Fakt ist aber, er atmet stoßweise; sein Puls ist schwach und unregelmäßig; er ist unterkühlt und bewusstlos. Ich kann keinerlei äußere Verletzungen erkennen. Außer der Dolchwunde an seiner Hand. Mehr kann ich ohne Geräte nicht sagen.“

Sam dachte kurz über die Situation nach. Da sprang Jake erbost auf und schrie: „Er ist hier? Tötet ihn!“

Diesmal reagierte das Rudel aber nicht auf seinen Befehl und wartete ab, was der Alpha entschied. Nach allem was sie mitangesehen hatten, wussten sie nicht einmal, ob sie ihn überhaupt töten konnten, aber sie würden es versuchen.

„SAM, gib den Befehl“, brüllte Jake und ging auf den Leitwolf zu.

Dann tauchte auf einmal Bella vor ihm auf und gab ihm eine saftige Ohrfeige. Anschließend hüpfte sie vor Schmerz auf und ab und schimpfte: „Du Arschloch. Isaak hat dir gerade das das Leben gerettet und sich Sam ausgeliefert und dir fällt nichts Besseres ein als ihn zu töten? Benutz doch mal zur Abwechslung dein Hirn. Du hast selbst gesagt, dass er dir nichts getan hat. Ganz im Gegenteil. Isaak hat sich Sorgen um dich gemacht. Er hat dir den Anhänger gegeben, um dir zu helfen und ist, von wer weiß woher, angerannt gekommen, nur um dir das Leben zu retten. Er ist gegangen als du ihn fortgeschickt hast, oder? Er verhält sich deinen Wünschen entsprechend, während du dich wie das größte Arschloch der Welt aufführst.“

„Bella“, sagte Jake tonlos und griff nach ihrer malträtierten Hand.

„Fass mich nicht an. Geh und sieh selbst was er für DICH getan hat“, fuhr sie ihn an und deutete in die Mitte der Wölfe. Dann stiefelte sie zornig zu Carlisle und bedachte ihn keines weiteren Blickes.

Jake war sprachlos und starrte ihr nach. Dann, wie in Trance, setzte er sich in Bewegung und das Rudel machte ihm Platz. In ihrer Mitte lag Isaak. Sein Atem ging stoßweise, seine Haut war leichenblass, zudem zitterte und zuckte er unruhig. Er sah sehr schlecht aus.

In Jake rührte sich etwas. Der andere sah einfach so schutzbedürftig aus in diesem Moment. Mit seinen Gedanken tastete Jake nach Sam und ließ sich von ihm zeigen, was vorgefallen war. Isaak war also zu ihm gekommen und hatte sein eigenes Leben riskiert, um ihn zu retten.

Seine Wut war verraucht und seine Gefühle für den Mann überschwemmten ihn. Nein, er konnte nicht zulassen, dass Isaak ein Leid geschah.

Bevor er jedoch etwas sagen oder tun konnte, rief Alice: „Die Volturi kommen. Sie sind gleich da.“

Carlisle sah zu Sam und sagte: „Sie werden den Vertrag zwischen uns nicht respektieren. Ihr müsst sofort verschwinden. Wenn wir kämpfen, werden wir verlieren. Sie sind zu stark.“

Der Alpha knurrte ungehalten, aber er konnte im Moment nicht kämpfen. Rückzug war die bessere Option. „Zurück!“, rief er in die Verbindung und rannte los.

Alle Wölfe machten kehrt und stürmten ihrem Alpha nach. Nur Jake blieb zurück. Er sah immer noch zu Isaak hinunter. Dann griff er zu. Er hob den anderen Mann mit Leichtigkeit hoch, warf ihn sich über die Schulter und folgte dem Rudel. Dabei sah er Bellas Lächeln nicht. Endlich hatte er den ersten Schritt gemacht.

Eine Nacht mit Folgen

Die Wölfe gaben ihren Anführern in Menschengestalt Deckung und umkreisten sie. Nach einigen Kilometern fragte Sam: „Was hast du mit ihm vor?“

Jake zuckte mit den Schultern und antworte kleinlaut: „Ich weiß es nicht. Ich bin nun mal auf ihn geprägt.“ Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf. „Ich kann ihn weder töten noch zulassen, dass ihm etwas geschieht. Das habe ich jetzt begriffen.“ Er seufzte schwer und gestand: „Ich bringe ihn erstmal zu mir nach Hause. Er muss sich erholen. Danach sehen wir weiter.“

Embry merkte nebenbei an, dass Isaak blutete. Er bildete das Schlusslicht und konnte erkennen, dass Jake eine rote Spur hinter sich herzog.

Sofort blieben alle stehen und Sam schaute nach was los war. „Es ist seine rechte Hand. Die Wunde blutet. Ich denke aber nicht, dass die Verletzung lebensbedrohlich ist.“, stellte er fest und Jake fiel ein Stein vom Herzen. Dann knurrte der Alpha: „Weiter.“
 

Es dauerte eine Weile, bis sie, in Menschengestalt, am Haus angekommen waren. Sam schickte Embry vor, damit Billy vorgewarnt war. Einige Zeit später preschte Jake aus dem Wald. Er musste ein seltsames Bild abgeben, war er doch immer noch nackt und trug einen bewusstlosen Mann über seiner Schulter. Billy saß vor dem Haus und sah äußerst wütend aus. Neben ihm stand Embry mit einer Hose bekleidet und hielt die Augen offen.

Als er seinen Dad sah lief der Beta anständigerweise rot an. Jetzt gab es aber kein Zurück mehr und er bereitete sich auf eine Standpauke vor.

„Jake“, schnaubte sein Vater, als dieser in Hörweite kam. „Was soll das? Du bringst mir dieses Etwas nicht ins Haus. Wirf es einfach in die Gosse. Ein Problem weniger.“

„Er hat mir das Leben gerettet“, erwiderte Jake und rannte einfach an dem Rollstuhlfahrer vorbei. Er mahlte mit den Zähnen. Es gefiel ihm nicht, dass sein Dad den Wächter beleidigt hatte. Er musste sich stark zurückhalten den älteren Mann nicht anzuschreien. Was war nur auf einmal in ihn gefahren?

„JAKE. Ich sagte nein“, brüllte ihm sein Vater hinterher, aber der Wolf hatte gerade keinen Nerv dafür. Sam würde sich gleich um den Häuptling kümmern, sobald er es geschafft hatte, sich einhändig eine Hose überzuziehen.

Jacob stürmte in sein Zimmer und legte Isaak vorsichtig auf das Bett. Dann rannte er ins Bad und holte den Verbandskasten. Schnell säuberte er die Stichwunde und legte einen straffen Verband an. Damit war er aber auch schon mit seinem Latein am Ende.

Der andere Mann zitterte immer noch und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Schnell legte Jake ihm seine Hand auf und stellte fest, dass er fieberte. Resignierend ließ der Gestaltwandler den Kopf hängen. Das durfte doch nicht wahr sein. Blieb ihm denn nichts erspart? Dann straffte er sich. Es musste sein und er begann Isaak zu entkleiden. Der andere lag nun nur noch in Boxershorts da. Er hatte sich nicht getraut ihn vollständig auszuziehen.

Anschließend ging er ins Bad und ließ heißes Wasser in eine Schüssel. Zurück im Zimmer wusch er Isaak den Schweiß vom Körper und stellt mit Entsetzen fest, dass er eiskalt war. Nur seine Stirn glühte. Fröstelnd zuckte und zappelte er vor sich hin.

Das erinnerte ihn an die vorige Nacht mit Bella, und er stöhnte unwillig auf. „Och nö“, brabbelte er vor sich hin und ergab sich seinem Schicksal. Mit hängenden Schultern stieg er über Isaak in sein Bett, legte sich auf die Seite und zog das zitternde Bündel an seine Brust. Dann zog er die Decke über sie beide. Mit einem wehleidigen Seufzen schlang er unter der Bettdecke seinen Arm um Isaak und rubbelte etwas über dessen Haut, um noch mehr Wärme zu erzeugen. Einige Minuten später erstarb das Zittern und Isaak glitt in einen erholsamen Schlaf über.

Jake bemerkte nicht, dass Sam ihn beobachtet hatte. Dieser stand in der Zimmertür und hatte alles mitangesehen. Er machte sich Gedanken um die Zukunft. Der Frieden im Rudel war gerade erst wiederhergestellt gewesen. Ohne diese vermaledeite Kette würde das nicht lange gut gehen. Zudem hatte er noch einen tobenden Häuptling vor der Tür. Jared und Embry hielten den Alten davon ab ins Haus zu gelangen, auf seine Anweisung hin.

Er konnte den Unmut im Rudel bereits jetzt spüren. Es musste eine Lösung gefunden werden. Was aber sollten sie tun? Für heute war jedenfalls genug geschehen und Sam entschied sich, das Problem auf Morgen zu verschieben. Schnell gab er den Befehl das Haus zu umstellen. Zudem gebot er Ruhe in der Verbindung. Diese Nacht sollte keiner Jake angehen. Er sollte sich erholen.

Dann schloss Sam die Zimmertür und ging nach draußen. Er musste sich noch um Billy kümmern.

Jake war erleichtert, dass es Isaak besser zu gehen schien, hatte aber ein neues Problem: Dieser wurde zunehmend unruhig und rückte schließlich ein wenig von ihm weg. So nahe bei Isaak zu sein, und dann auch noch mit nur einer Boxershorts zwischen ihnen, machte es unmöglich seine aufkeimende Libido zu unterdrücken. Viel zu lange war es jetzt schon her, dass er zuletzt Hand angelegt hatte und sein Blut geriet auf Abwege.

Bei Bella gab es nicht mal ein Zucken und nun rutschte er unruhig mit einem Ständer umher. Sein Gesicht glühte. Es war ihm mega peinlich, aber er konnte sich einfach nicht von Isaak lösen. Dieser brauchte seine Wärme.

Er versuchte zu schlafen, aber daran war nicht zu denken. Zu seinem Verdruss hatte sich Isaak im Schlaf an ihn gekuschelt und er konnte nicht mehr weiter zurückweichen. Er war sprichwörtlich mit dem Rücken an der Wand. Wenn Isaak aufwachte, würde er es spüren können. Egal was er versuchte, er konnte sich einfach nicht ablenken. Was sollte er nur tun?

„Jake beruhige dich einfach“, flüsterte der Wächter auf einmal und legte eine Hand auf seinen Arm, welcher um dessen Brust geschlungen war.

Der große böse Wolf war versteinert und versuchte so flach wie möglich zu atmen. Er wollte nicht, dass der andere erfuhr, wie rallig er gerade war. Das durfte nicht passieren.

Isaak seufzte schwer und versuchte weg zu rutschen. Aber Jake hielt ihn an sich gepresst. Er wollte ihn nicht gehen lassen, aber er wollte auch nicht so abartig sein.

„Jake, wenn es dir so unangenehm ist, dann lass mich los. Mir geht es besser. Ich benötige deine Wärme nicht mehr.“

Bei dieser Bemerkung bewegte er sanft seine Hand und spürte die Hitze unter seinen Fingern. Er hatte das nicht mitbekommen.

Beide lagen weiterhin reglos da. Dann fragte der Rotblonde: „Was willst du, Jake?“

Ohne nachzudenken sagte dieser: „Dich.“

Isaak seufzte schwer. „Du bist nicht schwul, Jake.“ Es war eine einfache Feststellung und kein Vorwurf.

Jake bestätigte leichthin: „Ja, ich bin nicht schwul.“

„Aber Jake, ich bin ein Mann. Du kannst nicht beides haben.“

„Doch, dass kann ich.“ Jake war kindisch, aber er wollte einfach nicht nachgeben. Er spürte die streichelnden Finger Isaaks auf seinem Arm und das machte ihm Mut. Er begann nun seinerseits die Finger zu bewegen und erkundete die Brust unter ihnen.

Isaak seufzte genießerisch auf. „Ich bin nicht stark genug mich zu wehren“, brabbelte er.

„Dann lass es geschehen“, raunte Jake verführerisch.

„Es wäre ein Fehler. Du bist nicht schwul. Aus dir spricht die Prägung“, versuchte Isaak ihn abzuhalten.

Jake schnaubte und vergrub das Gesicht in den rotblonden Haaren vor sich. „Ist mir egal.“

„Mir aber nicht. Bitte, lass mich los“, stammelte Isaak und machte Anstalten sich von ihm zu lösen.

So einfach würde Jake aber nicht aufgeben und zog ihn einfach wieder zurück. Dann drückte er sich ihm entgegen und Isaak keuchte auf, als er dessen Erregung spürte.

„Jake, bitte nicht. Ich kann mich nicht gegen dich wehren. Bitte, gib mich frei.“

„Nein“, sagte Jake und knabberte an Isaaks Ohr, dieser begann zu zappeln und ihm entfuhr ein erregtes Stöhnen. Das machte Jake mutiger. In diesem Moment warf er seine letzten Bedenken über Bord. Er wollte Isaak und Isaak wollte ihn, dass wusste er.

Dann entließ er den Rotblonden aus seiner Umarmung und drehte ihn auf den Rücken. Der andere ließ es zu und beide sahen sich im Schein des Mondes tief in die Augen.

„Jake, bitte nicht“, flehte er.

Der junge Wolf konnte aber einfach nicht mehr an sich halten und senkte den Kopf. Er wollte die Lippen des anderen spüren. So, wie er es schon so oft in seinen Träumen getan hatte.

„Bitte nicht“, wimmerte der Wächter, unfähig sich ihm zu entziehen.

Sie kamen sich immer näher und ihre Atmungen beschleunigten sich. Jake schloss die Augen und senkte den Kopf weiter. Er spürte Isaaks Atem im Gesicht. In seinem Kopf hörte er die Stimmen der anderen, aber er ignorierte sie. Dieser Moment gehörte ihm. Ihm ganz allein und Isaak.

Im letzten Moment drehte dieser den Kopf beiseite und Jake verfehlte sein Ziel. Überrascht schaute er nach unten und sah eine Träne aus Isaaks Augen perlen. Zitternd hob dieser nun die Hände und drückte Jake von sich.

Der Gestaltwandler verstand die Reaktion nicht. Er kämpfte gegen die zitternden Arme, aber Isaak war stärker.

Dann, schneller als er wahrnehmen konnte, sprang der Untere aus dem Bett und wich keuchend an die Wand zurück. Mit geschlossen Augen versuchte Isaak seine Atmung in den Griff zu bekommen. Mit zittriger Stimme stammelte er: „Nein, das geht nicht. Wir dürfen das nicht tun.“

Jake konnte deutlich sehen, wie erregt Isaak war, aber dennoch entzog er sich ihm.

Eine unbändige Wut stieg in Jake auf. Warum verschmähte er ihn? Warum konnte er es nicht einfach genießen? Tonlos brachte er nur ein Wort heraus: „Warum?“

„Weil es so nicht vorherbestimmt war. Du solltest nicht auf mich geprägt sein.“

Jake stemmte sich auf und knurrte wütend: „Du bist ein Heuchler. Du stehst da, mit ´nem Ständer und hältst mich für abartig?“

Erschrocken öffnete Isaak die Augen und sagte: „Was? Nein, dass habe ich nicht gesagt.“

Jake hörte bereits nicht mehr zu. Die Zurückweisung schmerzte ihn und er begann zu toben: „Ich weiß selbst wie abartig ich bin.“

„Jake, du bist nicht abartig. Das ist nur die Prägung, die aus dir spricht.“

„Ja, verdammt noch mal. Ich bin auf dich geprägt. Und du willst mich nicht.“ Jake hatte genug und stürmte aus dem Zimmer.

Isaak sah ihm nach, hielt ihn aber nicht auf. „Oh, dieser Sturkopf.“ Schnell sammelte er seine Sachen zusammen und zog sich an. Dabei entledigte er sich auch des Verbandes um seine rechte Hand. Diesen brauchte er nicht mehr. Die Wunde hatte sich längst geschlossen, als seine Kräfte zurückkehrten. Er sah nicht einmal hin, weil er wusste, dass es so war. Anschließend folgte er dem Wolf. Vor dem Haus stand das gesamte Rudel und starrte in den Wald. Isaak wusste, dass sie Jake hinterhersahen.

Er musste handeln. Sie mussten endlich miteinander reden. Kaum, dass er die Schwelle übertrat, drehten sich alle zu ihm um. Isaak straffte die Schultern und sagte zum Rollstuhlfahrer: „Ich danke dir für deine Gastfreundschaft. Ich werde nun gehen und dir nicht länger zur Last fallen, Billy.“

Jakes Vater war sprachlos einfach geduzt zu werden und rümpfte empört die Nase. Bevor er aber etwas erwidern konnte, fragte Sam: „Was hast du jetzt vor?“

Isaak wandte sich dem Alpha zu und lächelte sanft: „Ich muss etwas erledigen und dann muss ich einen liebeskranken Wolf einfangen, bevor er durchdreht und sich selbst schadet.“

Wütend knurrte der Alpha: „Du hast ihn zurückgewiesen und nun willst du ihm hinterherjagen? Rede endlich. Was willst du von Jake?“

Nachdenklich musterte er den Leitwolf und kam langsam näher. „Was man will, und was man tun muss, sind nicht immer dieselben Dinge.“

Immer diese rätselhaften Antworten, schoss es Sam durch den Kopf. Dann stand Isaak vor ihm und dieser griff nach seiner verletzten Hand. Der Leitwolf wich zurück, war aber nicht schnell genug. Isaak nahm dessen Hand in die Seinen und sah ihm in die Augen. Diese blauen Iriden hatten etwas Hypnotisierendes und Sam verlor sich in ihren Tiefen.

Dann durchfuhr den Alpha ein heftiger Schmerz, ausgehend von seiner Hand und er sog scharf die Luft ein. Mit dem anderen Arm schlug er nun zu, aber Wächter wich spielend aus. Der Rothaarige zwinkerte und sagte: „Gern geschehen. Auf Wiedersehen, werter Alpha.“

Schneller, als sie reagieren konnten, verschwand der Fremde und rannte in den Wald. Irritiert sahen ihm die Wölfe nach. Erbost ballte Sam die Fäuste und stellte erschrocken fest, dass seine Hand geheilt war.
 

In Windeseile raste Isaak unter dem Blätterdach dahin. Er suchte nach seinem Amulett und kurze Zeit später fand er es auch. Sie waren immerhin miteinander verbunden und er hatte deshalb keine Probleme das Schmuckstück aufzuspüren. Stirnrunzelnd sah er auf die verbogenen und geplatzten Kettenglieder. Er fuhr mit einer Hand darüber, murmelte etwas und das Gold verformte sich, bis die Kette wieder in altem Glanz erstrahlte. Dann wandte er sich um und rannte auf das Haus der Cullens zu. Er brauchte erneut Bellas Hilfe.

Vor der Haustür blieb er stehen und klopfte an. Ein völlig verdatterter Carlisle erschien. Der Rotblonde konnte es sich nicht verkneifen und grinste ihn belustigt an. Der Vampir sagte leise: „Leute, Isaak steht vor der Tür.“

Dessen Grinsen wurde noch breiter und diesmal zügelte er sich. Ihm lag ein schöner Kommentar auf der Zunge, aber man sollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Das wurde allgemein als unhöflich empfunden. Mit Vampirgeschwindigkeit erschien nun auch der Rest der Familie. Durch die Glaswände betrachteten sie den Eindringling.

„Ich kann seine Gedanken nicht lesen“, gestand Edward und Alice fügte hinzu: „Ich habe ihn nicht kommen gesehen.“

Isaak verdrehte kurz die Augen und erklärte: „Könntet ihr diese Diskussion auf später verschieben? Ich habe es eilig.“

„Du kannst uns hören?“, fragte Esme leise.

„Würdet ihr mir glauben, wenn ich nein sagen würde?“, fragte Isaak und genoss die entrückten Gesichter. Nun aber genug des Herumalberns, entschied er und wurde schlagartig ernst. Hinter Edward tauchte Bella auf und Isaak deutete erst auf sich, dann auf sie.

Überflüssigerweise erklärte Edward: „Ich glaube, er will mit Bella sprechen. Das hat er auch schon vor der Schule so gemacht.“

Plötzlich verschwand Isaak und aus dem Wohnzimmer drang seine Stimme: „Wirklich sehr scharfsinnig, Edward. Ich erzittere vor deiner Auffassungsgabe.“

Alle Cullens rauschten in das Zimmer und fanden den Rothaarigen auf dem Sofa vor. Dort saß er und schmunzelte. Dann stürmte Bella herein und fragte: „Ist etwas mit Jake? Geht es ihm gut?“

„Guten Abend, Bella. Ich hoffe ich störe deinen Schlaf nicht. Was Jake betrifft, das liegt wohl im Auge des Betrachters. Körperlich gesehen geht es ihm jedenfalls gut“, erkläre Isaak und machte es sich bequem.

„Wo ist er?“, stellte Bella auch schon die nächste Frage.

Der Rotblonde hob eine Hand und zeigte auf einen Punkt links neben Emmett, wobei er sagte: „Etwa 25,7 km in dieser Richtung.“

Irritiert schüttelten alle Vampire die Köpfe und sahen zum gezeigten Ort.

Bella hingegen setzte sich gegenüber von Isaak auf einen Sessel, begleitet von ihrem Schatten, der hinter ihr Stellung bezog. „Und warum ist er dort und nicht bei dir?“

Isaak seufzte und sackte ein wenig zusammen. Dann erklärte er: „Weil ich ihm einen Korb gegeben habe und er nun wütend durch den Wald streift.“

„Das verstehe ich nicht“, gestand Bella.

„Er auch nicht“, erwiderte ihr Gast.

Nachdenklich sagte die junge Dame: „Aber, ich dachte, du magst ihn?“

Isaak senkte betrübt den Blick und erklärte: „Nimm es mir nicht übel Bella, aber dieses Thema würde ich gerne zuerst mit ihm besprechen. Vorausgesetzt er spricht endlich mit mir.“ Dann seufzte er schwer und gestand: „Aber, du hast recht, ich mag ihn.“

Er sah auf und sein Blick fiel auf ihre gegipste Hand. Daraufhin setzte er sich auf die Kante und streckte seine Hände nach ihr aus, dabei fragte er: „Darf ich?“

Die Vampire zischten gefährlich, aber Bella hatte keine Angst und legte ihre gebrochene Hand in die Seinen.

„Ich schulde dir noch etwas. Sieh das hiermit als erledigt an.“ Dann brach er den Gips auf und ließ ihre Hand los.

Sie zuckte kurz schmerzerfüllt und biss die Zähne zusammen. Rasend stürmte Edward um den Sessel und hatte bereits eine Hand an Isaaks Kehle, als Bella sagte: „Edward, schon gut. Sieh doch, die Hand ist geheilt. Er hat mir nichts getan.“ Langsam krümmte sie die Finger und befreite sich von den Gipsresten. Sofort war Carlisle bei ihr und untersuchte sie.

Edward zischte und wartete auf dessen Urteil. „Sie hat Recht. Die Knochen sind zusammengewachsen. Erstaunlich.“

Isaak räusperte sich und knurrte gefährlich: „Hand weg, oder Hand ab. Du hast die Wahl.“

Sofort ließ Edward ihn los und stellte sich wieder hinter Bella auf.

Der Arzt hob den Blick und fragte: „Wie machst du das?“

„Magie“, antwortete er leichthin und zuckte grinsend mit den Schultern. Dann wurde er wieder ernst: „Ich bin nicht hier um zu kämpfen, aber der Nächste, der meint, mich begrapschen zu müssen, wird das bereuen. Seid gewarnt.“ Er ließ seinen Blick über die Vampire wandern.

Dann schenkte er seine Aufmerksamkeit erneut Bella und setzte sich wieder bequem hin. „Kommen wir zu einem der Gründe meines Besuchs. Ich habe eine Bitte an dich, Bella und an deinen Freund.“

Sie konnte sich schon denken, was gleich kommen würde und sagte: „Ich höre.“

„Wärt ihr beiden so nett und würdet Jake für mich einfangen?“, fragte Isaak.

„Warum tust du das nicht selbst?“, schnauzte Edward ihn an.

„Das führt mich zu meiner zweiten Bitte. Carlisle, ich würde gerne hier mit Jake reden. Vor Zeugen, außerhalb seines Reviers. Wäre das für dich in Ordnung?“

„Warum hier? Ich bezweifle, dass Jacob das gefallen würde“, äußerte der Angesprochene besorgt.

Isaak seufzte und erklärte: „Weil das hier nicht sein Revier ist und ich hoffe, dass er mich hier nicht gleich bespringt, vor allem nicht bei solchen Zeugen. Reine Vorsichtmaßnahme. Wir müssen endlich reden, bevor es zu spät ist.“

„Was..“, begann Bella, wurde aber von Isaak, der eine Hand hob, unterbrochen: „Genug. Alle Fragen werden sich innerhalb dieses Gesprächs klären. Es soll aber euer Schaden nicht sein. Ich zahle stets meine Schulden. Bella und Sam haben mir je einen Gefallen getan. Beiden habe ich ihre Hände geheilt. Was dieses Arrangement betrifft, so wird eure Belohnung die Information aus dem Gespräch sein. Jakes Heilung wird mitunter einer der Punkte sein.“

Er sah zu der Sterblichen und erklärte grinsend: „Bei dir schreibe ich allerdings an. Ich gehe stark davon aus, dass meine Gunst sich in Zukunft für dich als äußerst hilfreich herausstellen wird. Vor allem in Anbetracht deiner bevorstehenden Vermählung und Verwandlung.“

Erschrocken fragte Bella: „Woher…“

„Auch das wird ein Punkt in dem Gespräch sein“, bestätigte Isaak. „Aber, keine Sorge, ich habe nicht vor, mit meinem Wissen zu hausieren. Normal sage ich nur das, was die Leute bereits wissen oder mache rätselhafte Andeutungen, welche erst im Nachhinein einen Sinn ergeben. Dies ist eine einmalige Chance, da ich offen mit Jake reden werde.“

Mit einem verschmitzten Grinsen fügte er hinzu: „Ihr werdet es verstehen, wenn es soweit ist.“ Dann lachte er bei ihren entrückten Gesichtern.

Isaak wurde wieder ernst und sah zu Carlisle, wobei er diesen aufforderte: „Mein letztes Anliegen: Ich hätte gerne meinen Dolch zurück. Versuche gar nicht erst zu leugnen, ich weiß, dass du ihn hast.“ Dann lehnte er sich zurück und wartete.

Rosalie fauchte erbost: „Mir gefällt das nicht. Ich bin dagegen.“

Schnell sagte Bella: „Ich mache es. Edward, hilfst du mir?“

Ihr Schatten flötete ergeben: „Für dich tue ich alles, Bella.“

Isaak räusperte sich und offenbarte: „Das sind dann zwei Gefallen für Bella. Nur, dass wir uns richtig verstehen.“

Edward nickte und sagte: „Ich brauche nichts von dir. Soll mir recht sein.“

Alice wirkte hibbelig und sagte: „Jasper und ich sind dafür.“

Esme und Carlisle sahen sich kurz an. Dann nickte er und erklärte: „Ich würde gerne erfahren wie das mit der Heilung funktioniert. Wir haben nichts dagegen.“

Als Letztes verschränkte Emmett die Arme hinter dem Kopf und sagte leichthin: „Bin dabei. Meine Neugierde ist geweckt und das klingt spannend.“

Offenbarungen

Isaak lächelte, sah zu Bella und gab ihr die Instruktion: „Sag Jake einfach, dass ich vollkommen verzweifelt bei dir aufgetaucht bin und meinen Fehler eingesehen habe. Ich möchte ihm meine Gefühle offenbaren und warte bei den Cullens auf ihn.“ Bedrückt wandte er den Blick ab und sagte, mehr zu sich selbst: „Das ist nicht einmal wirklich gelogen.“ Er schüttelte sich und sprach weiter: „Wie dem auch sei. Seine Prägung hat vollständig die Kontrolle übernommen. Er wird anbeißen, glaube mir.“

Dann sah er zu Edward und deutete diesmal auf einen Punkt auf Emmetts rechter Seite. „Diese Richtung. 32,754 km. Er hat gerade angehalten und liegt auf einer Lichtung. Wenn ihr euch beeilt, schafft ihr es, bevor er weiterrennt.“

Bella sah ihrem Freund in die Augen und nickte. Dann stand sie auf und Edward stellte sich vor sie. Sie sprang ihm auf den Rücken und der Vampir düste davon. Indes lehnte sich Isaak zurück und begann leise zu summen. Die Vampire ihrerseits tauschten schnell Blicke aus und blieben unentwegt stehen.
 

Einige Minuten später entdeckte Edward doch tatsächlich eine Lichtung vor ihnen und auf dieser lag ein hechelnder riesiger rostbrauner Wolf. Er fragte sich, woher Isaak seine Informationen bezog. Edward seufzte und rannte direkt auf Jake zu. Dort angekommen, ließ er Bella absteigen.

Der Wolf hob den Kopf und fletschte die Zähne. In seinen Gedanken sagte er zu dem Vampir: „Verpisst euch. Ich will meine Ruhe haben.“

Dieser gab das Gedachte an die junge Dame weiter. Bella straffte die Schultern und entgegnete: „Isaak ist zu mir gekommen.“

Jake sprang auf und verwandelte sich, um mit ihr sprechen zu können. „Ist mir egal. Er will mich nicht. Niemand will so einen abartigen Kerl wie mich.“ Dabei schaute er traurig zu Boden.

Die junge Dame ging nicht darauf ein und sagte stattdessen: „Isaak hat uns gebeten nach dir zu suchen. Er ist verzweifelt und sagt, er habe einen Fehler gemacht. Er will mit dir reden und dir seine Gefühle gestehen. Isaak wartet bei den Cullens auf dich.“

Jake hob den Blick und in seinen Augen blitzte es. Dann, wie von einer wilden Tarantel gestochen, sprang er, verwandelte sich und rannte in die Richtung, aus der die Beiden gekommen waren.

Einen Augenblick sah ihm Bella verwundert nach. Sie hatte nicht erwartet, dass Isaak wirklich Recht behalten sollte. Schnell sprang sie auf Edwards Rücken, und dieser hatte Mühe, den verrückten Wolf einzuholen.
 

Ohne anzuklopfen stürmte Jake, mit verklärtem Blick, in das Haus der Cullens. Er konnte Isaak riechen und folgte instinktiv seiner Fährte. Er fand ihn auf dem Sofa sitzend vor. Der Wächter sah zu ihm auf, deutete neben sich und sagte: „Jake, es tut mir leid. Bitte lass uns reden.“

Bella und Edward kamen nun auch an und gesellten sich zu den anderen Cullens.

Jake war sich bewusst, dass er nackt dastand, im Haus seiner Erbfeinde und einen Kerl anschmachtete. Aber, er konnte einfach nicht anders. Er wollte Isaak. Er brauchte ihn. Ohne ihn war er nicht komplett, und Isaak wollte ihn auch, dass wusste er einfach. Strahlend, wie ein Honigkuchenpferd, breitete er die Arme aus und sprang auf den Rotblonden zu. Er wollte ihn in die Arme nehmen und ihm einen Kuss rauben.

Eine ausgestreckte Hand seines Geliebten hielt ihn jedoch auf und von seinem Vorhaben ab. Unter der Hand baumelte Isaaks Anhänger, mitsamt reparierter Kette. „Jake, zieh bitte die Kette an.“

Der Wolfsjunge schrak zurück und wedelte abwehrend mit den Armen vor sich. „Du willst meine Gefühle unterdrücken. Das will ich nicht.“ Er sah dem anderen flehend in die Augen und fügte hinzu: „Ich weiß was ich will. Ich will dich. Ich brauche dieses Ding nicht mehr.“

„Jake, denk an das Rudel. Nimm die Kette. Ich verspreche dir mich nicht zu wehren, wenn du mich dann noch küssen willst. Nein, ich werde den Kuss sogar erwidern.“ Er wandte den Blick ab und stammelte leise: „Ich kann mich dir sowieso nicht entziehen. Ich bin nicht stark genug, um dir zu widerstehen.“

Erneut strahlte Jake übers ganze Gesicht und griff nach der Kette. Isaak wollte ihn. Und er nahm sogar Rücksicht auf das Rudel. Ja, dieser Mann verstand ihn.

Er liebte diesen Mann von ganzen Herzen.

Der Anhänger landete auf seiner Brust und die Kette schloss sich.

Er hasste diesen Mann von ganzen Herzen.

Augenblicklich verschwand alle Freude aus Jakes Zügen und er verengte dunkel knurrend die Augen. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und wollte wegrennen. Aber er kam nicht weit.

Alle sahen die gewaltige Veränderung und Isaak nickte zufrieden. Dann sah er, wie Jake die Biege machen wollte und rief: „Nicht schon wieder.“ Schneller, als alle reagieren konnten, stürzte sich der Rotblonde auf den Gestaltwandler, schlug ihm die Beine weg, drückte ihn zu Boden und setzte sich auf dessen Becken. Das alles geschah in Sekundenbruchteilen. Mit den Händen nagelte er Jakes Handgelenke auf dem Boden fest.

Schnaubend knurrte Isaak: „Mir reichts langsam. Du bleibst gefälligst hier.“

Jakes Verstand kam im Hier und Jetzt an und er zappelte mit aller Kraft, um freizukommen. Seine Aktionen waren von keinem Erfolg gekrönt. Der andere war stärker und er konnte ihn nicht abschütteln. Außer sich schrie der Beta ihn verzweifelt an: „Lass mich los, du dreckige Schwuchtel. Fass mich gefälligst nicht an.“

Wie geschlagen zuckte der andere zusammen. Dann straffte er sich und schrie zurück: „Wir müssen endlich reden, bevor es zu spät ist.“

„Was soll das heißen?“, fragte Jake und fixierte den Mann über sich mit seinem allerbesten Todesblick.

Isaak sah ihm einfach nur in die Augen und sagte möglichst ruhig: „Der Anhänger wird in wenigen Tagen seine Kraft verlieren. Ohne ihn kann ich nicht mehr vernünftig mit dir reden.“

„Ist das eine Drohung?“, bellte Jake erbost.

„Nein, lediglich eine Tatsache“, sagte Isaak. So schnell, wie er den Wolfsjungen festgenagelt hatte, gab er ihn jetzt wieder frei und setzte sich erneut auf das Sofa. „Wenn du mir nicht glaubst, dann verschwinde. Ich bleibe einfach hier sitzen und warte bis du schwanzwedelnd angekrochen kommst. Dann lege ich dir ein Halsband an und stecke dich in einen Zwinger. Ich werde mich dir, so lange ich es kann, entziehen. Das schwöre ich dir, Jacob.“

Dann lachte Isaak gehässig auf und sagte: „Vielleicht lass ich dann Bella mit dir Gassi gehen.“

Wutentbrannt schrie der Wolf und sprang auf die Füße: „Das werde ich niemals zulassen. Vorher töte ich dich.“

„Das haben wir schon versucht. Du kannst mich nicht töten.“

„Dann..., dann…, werde ich mich töten“, schloss er kopflos.

„Das hatten wir auch schon. Davon werde ich dich auch erneut abhalten“, stellte Isaak klar und wagte einen weiteren Vorstoß, mit versöhnlicherer Stimme: „Jake, wir drehen uns ständig im Kreis. Setz dich und lass uns endlich reden.“

„Niemals!“, brüllte Jake und spuckte vor Zorn.

„Gut, dann gehe ich mal ein Halsband kaufen. Irgendwelche besonderen Wünsche? Wie wäre es mit rosa und plüschig?“

„ICH BIN NICHT SCHWUL“, tobte Jake mit zum zerreißen lauter Stimme.

Isaak grinste und konterte: „Ich auch nicht.“

Das schockte den Gestaltwandler und er starrte den anderen fassungslos an. „Du… du…“

Dieser wurde ernst und erklärte: „Ich habe nie behauptet schwul zu sein. Oder mich dir angebiedert. Das ist alles nur ein Gespinst in deinem Kopf gewesen.“

„Ähm…“, stottert Jake einen Moment sprachlos.

In diesem Augenblick griff Isaak nach einer Decke auf dem Sofa, stand auf, wickelte den Wolfsjungen darin ein, hob ihn hoch und setzte ihn auf den Sessel ihm gegenüber. Dann ließ sich Isaak wieder auf seinem Platz nieder. Das alles ging so schnell, dass die restlichen Zuschauer dem Spektakel kaum folgen konnten. Der einzige Mensch im Raum sah gar nichts.

„So ist es besser, oder?“, fragte Isaak gutmütig.

Jake griff nach der Decke und zog sie enger um sich. Er war froh nun bedeckt zu sein, aber das würde er niemals zugeben. Dann fragte er zum zweiten Mal: „Du bist nicht schwul?“

Isaak sah ihn nachdenklich an und offenbarte schulterzuckend: „Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich bin bi. Mir ist es eigentlich egal ob Mann oder Frau.“

Jakes Blick verfinsterte sich und er öffnete schon den Mund, um erneut zu schreien, wurde aber von dem Rotblonden unterbrochen: „Denk nach, Jake. Ich habe nie auch nur versucht dir zu nahe zu treten. Heute Morgen, warst du es, der mich nicht hatte gehen lassen wollen. Du hast mich gezwungen dich abzuwehren. Nicht umgekehrt.“

Feuerrot im Gesicht wandte Jake sich ab. Er war aber noch nicht bereit klein bei zu geben und motzte: „Verschwinde doch einfach wieder und lass die Kette hier.“

Traurig gestand Isaak: „Das kann ich nicht. Nicht mehr. Die Lage ist nun wesentlich komplizierter geworden. Ich kann mich dir nicht mehr entziehen, jedenfalls nicht mehr lange.“

„Was soll das heißen?“, fauchte Jake in einem Anflug von Trotz.

Gequält sagte Isaak: „Einfach ausgedrückt: Ich habe mich auf dich geprägt.“

Alle Anwesenden sogen scharf die Luft ein. Das hatte keiner kommen gesehen, nicht einmal Alice.

Jake schüttelte sich angewidert und knurrte: „Dann besorg dir auch so einen Anhänger und verschwinde.“

Belustigt seufzte Isaak und schüttelte ebenfalls den Kopf „Glaubst du etwa die gäbe es wie Sand am Meer?“ Dann wurde er ernst und enthüllte: „Ich habe diesen Anhänger erschaffen. Seine Kräfte werden durch meine Magie gespeist.“

„So ein Quatsch. Es gibt keine Magie“, fuhr Jake ihn an.

„Natürlich nicht. Ebenso wenig, wie glitzernde Untote oder Jungs, die sich in Wölfe verwandeln. Alles nur erdachte Geschichten“, sagte der Rotblonde mit vor Ironie triefender Stimme und rollte mit den Augen.

„Magie ist kein Hirngespinst. Oder zumindest nicht immer. Ich gebe zu, dass die überwiegende Mehrheit dieser Menschen nur Scharlatane sind. Aber, ab und zu, ganz selten, einmal alle rund 1.000 Jahre, wird ein Mensch mit echter Magie geboren. Diese Menschen besitzen gewaltige Kräfte und gehen meist in die Geschichtsbücher ein. Die letzte mir bekannte menschliche Magierin war niemand anderes als Morgan le Fay.“

Bella konnte nicht anders und platzte in das Gespräch hinein: „Die aus der Artus-Sage? Die Schülerin von Merlin?“

„Eigentlich war es andersrum, aber der alte Stümper hat alle Lorbeeren eingeheimst. Merlin war nur ein Scharlatan. Ein Blender. Er riss allen Ruhm an sich, aber Morgan rächte sich. Mit ihrer Magie verbannte sie ihn und alles was er angeblich getan hatte in Welt der Märchen und Legenden. Sie hat sämtliche Beweise ihrer, und der aller anderen Existenzen, in diesen Zusammenhang vollständig ausgelöscht. Leider auch sich selbst. Schade eigentlich, ich hätte sie gerne als Verbündete gehabt. Sie war zwar etwas verrückt, aber auch sehr humorvoll.“ Mit einem Lächeln schwelgte Isaak in vergangen Zeiten.

„Und du bist auch so eine Missgeburt?“, knurrte Jake angepisst.

„Nein, ich bin ein Wächter. Kein menschlicher Magier. Auch, wenn unsere Kräfte ähnlich sind, sind wir doch gänzlich verschieden. Ich bin kein Mensch, oder besser gesagt nicht mehr. Menschliche Magier sind zudem sterblich. Ich hingegen bin nahezu unsterblich.“

Er legte die Stirn in Falten und klatschte in die Hände. „Da fällt mir gerade wieder etwas ein.“ Er schnippte mit den Fingern. Ein Rumoren aus Carlisle Büro erklang und ein silbernes Etwas schoss, wie eine Gewehrkugel, durch den Raum. Isaak griff zu und hielt seinen Dolch in der rechten Hand. Kurz studierte er die kleine Klinge. Dann rammte er sich den Dolch in seine linke Handfläche und schloss beide Hände, wie zum Gebet. Das Seltsame daran war nur, dass die Klinge nicht aus seinem linken Handrücken herausragte. Anschließend öffnete er seine Hände wieder und der Dolch war verschwunden.

Staunend konnte Bella abermals nicht den Mund halten: „Wo ist er hin?“

„Er ist wieder ein Teil von mir, so wie es sein sollte. Dieser Dolch ist eines der wenigen Dingen auf dieser Welt, welche die Macht haben, mir Schaden zuzufügen. Verständlich, dass ich ihn nicht einfach herumliegen lassen kann, oder?“

Nun war es Carlisle, der fragte: „Wie alt bist du, oder sollte ich Sie sagen?“

„Bleiben wir beim du, einverstanden?“, bot Isaak gutmütig an. Dann wandte er sich an Jake und sagte: „Wir sind aneinandergebunden. Du sollst die Wahrheit kennen. Noch nie habe ich jemanden meine Lebensgeschichte erzählt.“ Er schluckte hart und begann zu berichten:

„Ich wurde vor ungefähr 2.484 Jahren als Mensch geboren. Mein Vater war ein Zenturio, der in der römischen Streitmacht gegen die Wilden kämpfte. Dort nahm er auch meine Mutter gefangen und machte sie zu seiner Sklavin. Nach einer Verletzung am Bein kehrte er nach Rom zurück und damit auch sie. Dort kam ich zur Welt, als Bastard eines Säufers. Er erschlug meine Mutter im Suff noch vor meinem fünften Namenstag. Von da an hielt mich mein werter Vater als seinen Lustknaben. Wie sehr ich ihn damals gehasst habe kannst du dir gar nicht vorstellen. Aber egal. Erstaunlicherweise überlebte ich das, was mein Vater mir antat, und wuchs heran.

An meinem achtzehnten Namenstag erwachte in mir die Magie und ich wusste, ich bin der neue Wächter. Ich widerstand meinen Rachegelüsten an meinem Vater und verließ ihn noch in derselben Nacht. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den menschlichen Magiern und einem Wächter. Wir mischen uns nicht ein. Ein Mensch hätte sich der Rache hingegeben.

Wenn ein Wächter stirbt, dann wird ein neuer Wächter erwählt. Wie genau das vonstattengeht konnten selbst wir nie entschlüsseln. Fakt ist, wenn ein Wächter erwacht, erhält er die Magie seines Vorgängers und ihn überkommt der zwingende Drang zur Zitadelle der Wächter zu gehen. Wissen erhalten wir nämlich keines. Das müssen wir uns selbst aneignen. Dort angekommen, verweilte ich mehrere Jahrhunderte im Studium.

Nachdem ich meine Magie zu beherrschen lernte und wusste, was meine Aufgabe war, durchstreifte ich die Welt und hielt nach Bedrohungen Ausschau. Wie ich bereits zu Sam sagte, auch wenn du es nicht verstanden haben wirst, wir Wächter wandeln stets im Schatten. Ungesehen und unerkannt. Wir mischen uns nicht ein. Unsere Aufgabe und Bestimmung ist es, Alles und Nichts, sprich das Leben selbst zu beschützen. Wir agieren nur bei Bedrohungen globalen Ausmaßes. Ein Megavulkan oder ein Asteroid zum Beispiel. Etwas, dass das Leben selbst bedroht.

Aber seit meinem Erwachen gab es nur wenig zu tun und ich begann das Wissen der Zitadelle zu erweitern und zu erneuern. Ich zog umher, studierte Volksgeschichten und sah mir die Errungenschaften der Moderne an.

Dann, eines Tages, studierte ich die Magie einer recht neuen Unterart der Menschen. Ich erschuf eine magische Barriere um mich, damit mich keiner störte. Dabei habe ich die Quelle ihrer Magie angezapft und mir angesehen, wie alles zusammenhing. Ich war fasziniert und achtete nicht auf meine Umgebung, da ich mich sicher fühlte.“

Jake rutschte auf einmal unruhig auf dem Sessel umher. Das kam ihm doch bekannt vor.

„Plötzlich spürte ich eine Präsenz hinter mir. Ich drehte mich um und sah dich. Ich dachte, du willst mich angreifen und so drang ich mit Hilfe meiner Magie in deinen Kopf ein. Ich sah dein gesamtes Leben. Jeden einzelnen Augenblick. Überrumpelt spürte ich auch deine Hingabe und Liebe zu Bella.“

Isaak verstummte und begann seine Hände zu kneten. Sehr traurig gestand er: „In diesem Augenblick wurde ich mir bewusst, wie allein ich bin. Es gibt immer nur einen Wächter. Ich kannte diese Emotionen nur aus Büchern oder von den Leuten, in deren Köpfe ich eindrang. In diesem Moment fühlte ich mich elend und so einsam.“

Er schluckte schwer und hob den Blick. Eine Träne quoll aus seinem rechten Auge und bahnte sich ihren Weg die dazugehörige Wange hinab. „Dann habe ich einen Fehler gemacht. Deine Gefühle brachten etwas in mir hervor. Es war nicht mal ein wirklicher Gedanke. Es war der Wunsch nicht mehr allein zu sein. Ich hätte stärker sein müssen, aber ich konnte in diesem Augenblick nicht klar denken.“

Eine weitere Träne zog ihre Spur über seine Wange. „Ich schwöre, ich wollte das nicht. Mir stand nie der Sinn danach einzugreifen. Ich wollte nicht, dass so etwas passiert.“

Er straffte sich und offenbarte: „Aber ich habe es getan. Die Quelle war noch offen und ich mit ihr verbunden. Mein Wunsch wurde auf sie übertragen und somit auch auf dich. Durch diese unbeabsichtigte Veränderung, durch meine Schuld, wurde die Prägung bei dir ausgelöst. Ich sah es. Ich sah alles, Jake.“

Isaak begann zu zittern und flehte: „Jake, bitte glaube mir. Ich tat alles in meiner Macht Stehende, um meinen Fehler rückgängig zu machen, aber ich konnte deine Prägung nicht aufhalten. Ich konnte sie lediglich abschwächen. Ich habe mich nur noch auf dich konzentriert und habe somit die Kontrolle über den Quell der Magie der Quileute verloren.

Das hätte mich fast umgebracht. Ich musste von dir ablassen und kämpfte gegen die Magie, um nicht zerrissen zu werden. Bei dieser Schlacht büßte ich einen Großteil meiner Kräfte ein. Als ich mich befreit hatte, da warst du weg. Ich ging sofort in mich und spürte die Verbindung, welche nie hätte entstehen dürfen. Ich wusste, dass ich einen Fehler begangen hatte. Dafür musste ich Buße tun. Also machte ich es mir zur Aufgabe, über dich zu wachen und dir zu helfen, so gut ich konnte.“

Isaak atmete einmal durch, um seine Fassung zurückzuerlangen, und berichtete weiter: „Von da an war ich dein ständiger Begleiter. Ich sah alles und bekam alles mit. Ich sah, wie deine Kameraden dich behandelten und legte Geruchsspuren, um sie ein wenig auf Trab zu halten. Das war aber von dürftigem Erfolg beschieden.

Dann nutzte ich deine Wut und wollte dich dazu bringen, mich ernsthaft töten zu wollen. Das hätte ich nutzen können, um die Verbindung zwischen uns zu durchtrennen. Aber die Prägung machte mir abermals einen Strich durch die Rechnung. Du konntest es einfach nicht über dich bringen mich zu töten.

Also musste ein neuer Plan her und ich suchte das Gespräch mit dir. Ich hätte aber mit deinem Dickschädel rechnen müssen.“ Isaak schmunzelte kurz. „Auch das misslang. Ich musste es aber wenigstens versuchen und habe mich Embry gezeigt. Den Rest kennst du ja. Ich weiß, dass er alles an dich weitergegeben hat. Ich war in seinem Kopf und hörte seinen Worten zu.

Du hast mich fortgeschickt und ich war glücklich, dass die Prägung offenbar unter Kontrolle war. Also ging ich und testete, wie weit ich mich entfernen konnte, ohne dich zu beeinflussen. Nebenbei beschäftigte ich mich eingehender mit der Prägung und suchte nach einer Möglichkeit, diese aufzuheben.

Ich konnte dich immer spüren und so bekam ich mit, wie deine Gefühle für mich stärker wurden und dein körperlicher und geistiger Zustand sich rapide verschlimmerte. Abermals beschloss ich einzugreifen und ließ dir durch Bella dieses Amulett zukommen. Dessen Erschaffung hat mich äußerst viel Energie gekostet, aber das war in Ordnung, solange ich dir helfen, dich stützen konnte. Leider ist der Preis für diese Geste eine Schwächung meinerseits. Es bedarf außerordentlich viel Energie, die Kräfte des Anhängers aufrechtzuerhalten. Das ist aber in Ordnung, denn es ist der Preis meiner Buße, den ich zahlen muss, und auch bereit bin, zu zahlen.“

Abermals verließ ich dich, ohne mich zu zeigen. Immerhin gab ich dir mein Wort zu verschwinden. Ich war sehr geschwächt. Ich konnte die Zusammenhänge nicht erkennen, sonst hätte ich eingegriffen. Es tut mir sehr leid. Ich habe die Neugeborenenarmee schlichtweg übersehen. Ich war kurz von Eagle Village, einer Ortschaft in Alaska, nahe der Grenze zu Kanada, als die Verbindung von neuem aufbrach.

Ich fokussierte mich und sah was geschehen war. Dann sah ich in deine Zukunft. Dein Schicksal schien besiegelt. Alle möglichen Szenarien führten zu demselben Ergebnis: deinem Dahinscheiden. Ich rannte, wie noch nie in meinem Leben gerannt war. Ich behielt dich im Auge und musste eingreifen, als du dich mit Sam angelegt hast. Abermals musste ich eingreifen als du dich umbringen wolltest. Das hat mich noch mehr geschwächt. Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst, aber ich musste dich retten. Ich hatte keine andere Wahl. Ich bin für alles verantwortlich.

Als ich dann endlich bei dir eintraf, musste ich eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Ich wusste was es mich kosten würde, dich zu heilen. Magie ist mächtig, aber ich war viel zu schwach. Es gibt aber die Möglichkeit Magie zu verstärken, indem man Bedingungen hinzufügt. Der Preis war meine eigene Gesundheit, denn ich habe allen Schmerz und deine inneren Verletzungen auf mich übertragen. Zudem musste ich die Verbindung zwischen uns zulassen und mich ebenso an dich binden, wie du an mich gebunden bist. Das war der einzige Weg dich zu retten.

Die Magie des Anhängers wird versiegen, weil ich diese nicht mehr aufrechterhalten kann. Ich benötige all meine Macht, um mich gegen die Auswirkungen meiner eigenen Prägung zur Wehr zu setzen. Vorhin hättest du mich fast überrumpelt. Ich war noch geschwächt von deiner Heilung und hätte es fast nicht geschafft dich abzuwehren.

Wie ich bereits sagte, ich kann mich dir nicht ewig entziehen. Meine Magie wird schwächer und wird bald vollständig aufgebraucht sein. Sobald der Anhänger versagt, wirst du dich nicht mehr gegen deine Prägung wehren können und sobald meine Energiereserven erschöpft sind, wird es mir ebenso ergehen.“

Eine neue Bindung?

Nach diesem Vortrag herrschte schweigen. Alle Anwesenden mussten die Fülle an Informationen erstmal verdauen.

Dann knurrte Jake: „Und warum erzählst du mir das alles?“

„Weil ich keinen Ausweg mehr sehe und du die Wahrheit kennen sollst, bevor wir beide durch die Prägung den Verstand verlieren.“

Nachdenklich fragte der Wolfsjunge: „Du sagtest, dass man Magie verstärken kann. Könntest du die Prägung mit genug Power aufheben?“

Diesmal druckste Isaak etwas herum und gestand dann: „Ich könnte deine Prägung aufheben. Aber der Preis ist zu hoch.“

Sofort fauchte Jake: „Du sagtest du tust alles für mich. Hebe sie auf und zahle den Preis, das schuldest du mir.“

Traurig ließ Isaak den Kopf hängen und erklärte: „Ich kann den Preis dafür nicht zahlen. Das kannst nur du, beziehungsweise alle Quileute.“

„Dann zahle ich eben den Preis, du verdammte Missgeburt“, zeterte der Gestaltwandel.

„Na gut, wenn du es unbedingt Wissen willst. Ich hatte genug Zeit über das Problem nachzudenken. Mir sind zwei Möglichkeiten eingefallen deine Prägung aufzuheben. Aber ich habe beide Ideen verworfen. Der Preis ist einfach inakzeptabel.“

„Verdammt noch mal, spucks aus. Was muss ich machen?“

„Jake…“

„Nichts da Jake, sag es oder ich verschwinde. Wenn mir nur noch drei Tage bleiben, dann will ich sie ganz bestimmt nicht mir dir verbringen.“

Isaak sackte in sich zusammen und gab sich geschlagen: „Möglichkeit Nummer eins: Ich zerstöre die Quelle der Magie der Quileute. Das würde deine Prägung sofort aufheben, hätte aber gewaltige Auswirkungen auf den gesamten Stamm. Alle Gestaltwandler würden vollständig ihre Kraft verlieren. Ihr könntet euch nicht mehr verwandeln und ihr verliert alle übermenschlichen Fähigkeiten. Dauerhaft. Eure Kräfte entstammen dieser Quelle. Ohne sie seid ihr nur normale Menschen. Zusätzlich würde das das natürliche Gleichgewicht in globalem Maßstab beeinflussen und das kann ich nicht zulassen. Die Wölfe sind der natürliche Gegenpart zu den Vampiren. Ohne sie würde der Vampirismus die Welt zerstören.“

Ungerührt ob der versteinerten Mienen um sich herum sprach er einfach weiter: „Möglichkeit Nummer Zwei: Ich hebe nur deine Prägung auf. Aber der Preis dafür ist, dass du deine Wolfskräfte verlierst. Ebenso deine Manneskraft und du wirst dich nie mehr verlieben können, da die Verbindung zu mir mit Gewalt durchtrennt wurde. Du wirst nie Nachkommen zeugen können und es gäbe noch weitere Nebenwirkungen. Durch den Entzug deiner Kräfte, würde deine Lebensspanne stark reduziert werden. Dazu wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit körperliche und geistige Gebrechen davontragen. Es kann auch passieren, dass du diesen Prozess nicht überleben wirst. Ich müsste deine DNA komplett umstrukturieren.“

Isaak seufzte schwer und fügte hinzu: „Bei beiden Möglichkeiten bleibt meine Prägung auf dich allerdings bestehen und du wirst mich nicht mehr los werden.“

Jake war geschockt und starrte den anderen mit offenem Mund an. Damit hatte er nicht gerechnet. Isaak schien aber Recht zu haben: Beide Möglichkeiten erschienen inakzeptabel.

Carlisle fragte erstaunt: „Du kannst die DNA umstrukturieren?“

„Ursprünglich hatten wir andere Namen für viele Dinge. Aber für die leichtere Verständigung habe ich einiges In den Chroniken umgeschrieben. Um deine Frage zu beantworten: Ja, das ist möglich. Ähnliches habe ich bei mir selbst getan. Ich habe meine Sinne, meine Geschwindigkeit und Stärke weit über das hinaus gesteigert, was Vampir oder Gestaltwandler können. Meine Haut verhärtet bis sie nahezu undurchdringbar ist. Zusätzlich die Zellregeneration massiv gesteigert und ich bin gegen nahezu jedes Gift und jede Krankheit immunisiert. Das schließt Vampirgift mit ein.

Aber, das war nur möglich, weil ein Wächter vor mir schon lange auf diesem Gebiet geforscht hatte und wir durch unsere Unsterblichkeit vor den Nebenwirkungen geschützt sind. Ein solcher Eingriff führte bei fast allen anderen Testsubjekten zum sofortigen Tod durch Lebenskraftentzug. Diejenigen, die überlebten, konnten nicht wirklich mehr als Lebewesen bezeichnet werden. Ich erspare dir die Einzelheiten.

Der Wächter, der sich mit diesem Gebiet beschäftigte und experimentierte, wurde von seinen Nachfolgern aufs Schärfste kritisiert und alle Forschungsunterlagen wurden so verzaubert, dass man ihr Wissen nicht mehr anwenden kann. Einzig die Anwendung auf uns selbst wurde jedem Wächter freigestellt. Das ist aber wohl eher dem praktischen Nutzen geschuldet.“

Das war zu viel des Guten und der Arzt starrte den Rothaarigen mit offenem Mund an.

Irritiert schlussfolgerte Edward: „Wenn ihr unsterblich seid, du 2.484 Jahre alt bist, es immer nur einen gibt und dieser Wächter schon Generationen zurückliegt, muss das vor rund 20.000 Jahren gewesen sein oder noch früher.“

„Nicht ganz. Ich bin der am längsten lebende Wächter bisher. Einige opferten sich, um eine globale Bedrohung abzuwehren oder deren Auswirkungen zu mildern. Zusätzlich kamen einige nicht mit der Isolation klar oder folgten ihren Liebsten in den Tod. Die Selbstmordrate unter den Wächtern ist recht hoch muss ich sagen. Mein Glück war es wohl, ohne familiäre Bande, und in einer Zeit des großen Umbruchs erwählt zu werden und dass sich Katastrophen bisher in Grenzen hielten.“

Isaak zuckte mit den Schultern und mutmaßte: „Das, oder ich hatte einfach nur Glück.“

„Wie bewahrt ihr dieses ganze Wissen auf?“, fragte nun Bella interessiert.

„Vor viele Äonen wurde ein Zauber aktiviert, der jegliches Wissen, das ein Wächter aufnimmt, in verschiedenen Büchern niederschreibt. Ebenso ihre Lebensgeschichte. Dieser Zauber wurde später überarbeitet, da die Katalogisierung der ganzen Bücher zu einer Mammutaufgabe wurde und zu lange dauerte. Einige Generationen später hatte es der damalige Wächter satt, die Bibliothek ständig zu erweitern und erschuf die Kristallmatrix. Heute würde man Computer sagen. Das erleichterte die Speicherung ungemein.“

Dann lachte Isaak amüsiert auf und sagte: „Dank des Fortschritts der Menschen habe ich vor sechs Jahren unsere Bibliothek ans Internet angeschlossen. Ich musste den Speicher massiv erweitern, aber ich glaube, das nächste Jahrzehnt kann die Kristallmatrix wohl noch alles aufnehmen. Das erspart mir einen Haufen Arbeit.

Zudem hat meine Vorgängerin, eine findige Wächterin namens Beatrix, an der Möglichkeit gearbeitet, Wissen direkt aus der Matrix in unseren Geist zu übertragen. Ich habe ihre Arbeit fortgesetzt und erfolgreich beendet. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich wirklich alles Wissen aus dem Internet in meinem Kopf haben möchte. Da kursieren seltsame Dinge im Darknet. Ich glaube, ich muss eine Art Filter einbauen, wenn ich es je wieder in die Zitadelle zurück schaffe.

Zudem muss ich auch einige Dinge aktualisieren, wie die Aufgabenliste. Nach dieser soll ich nämlich bis 2050 die Bibliothek aktualisieren und erweitern. Dann soll ich mir, mal wieder, ein neues Forschungsgebiet suchen und etwas für das Vorankommen der Wächter tun, dafür sind fünfzig Jahre eingeplant. Meines Erachtens habe ich also bis 2100 frei. Einen ausgiebigen Urlaub habe ich mir auch mal verdient. Wenn ich überhaupt so lange leben werde.

Da ich momentan meine Pflichten sowieso nicht erledigen kann, ist es auch durchaus möglich, dass ich der Wächter bin, der für das Ende allen Lebens verantwortlich sein wird. Das wird meinem Nachfolger nicht gefallen, wenn es dann überhaupt noch einen gibt.“

Erschrocken rissen alle die Augen auf und Isaak lachte mit einem gewissen Maß an Galgenhumor: „Keine Sorge, die nächsten zwanzig Jahre sollten wir noch sicher sein. Soweit habe ich bereits die Zukunft analysiert und mögliche Bedrohungen im Keim erstickt. Klar, die Finanzkrise 2008 und die Pandemie 2020 werden nicht schön werden, aber sie stellen keine Bedrohung für das Leben selbst dar und benötigen keinerlei Eingreifen von mir. Am meisten Sorgen bereiten mir allerdings die Menschen, und ihre Art, extrem zerstörerische Waffen zu entwickeln. Dieses ganze globale Wettrüsten wird bestimmt nicht gut ausgehen. Es ist durchaus möglich, dass ich die Menschheit auslöschen muss, bevor sie den Planeten zerstören.“

Jake schüttelte den Kopf und fragte entsetzt: „Das würdest du tun? Du würdest die Menschheit auslöschen?“

„Wenn es sein muss, ja. Die Menschen haben es selbst in der Hand. Ich kann dir nur sagen, dass in zwanzig Jahren die globale Erwärmung langsam zu einem echten Problem wird. Das Ausrotten einer Spezies zum Wohle aller anderen ist moralisch vertretbar. Ich würde aber einen weniger drastischen Weg bevorzugen.“

Isaak schnaubte angewidert und schimpfte: „Mal Hand aufs Herz: Wie viele Arten müssen noch aussterben, um die Machtgier der Menschen zu befriedigen? Erst gestern ist eine Unterart der australischen Sumpfotter für immer verschwunden. Die Menschen brauchten aber dringend ein neues hochmodernes Einkaufszentrum, da kann man das ja verschmerzen.“

Erneut lachte Isaak. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sagte er glucksend: „Wir schweifen ab. Das wohl wichtigste Problemen der gesamten Menschheitsgeschichte ist immer noch, dass Jake nicht schwul ist, wir aber dennoch in ungefähr drei Wochen ins Bett steigen werden.“ Er brach in Gelächter aus und hielt sich den Bauch, weinte aber gleichzeitig aus Frustration über seine Lage.

Die anderen sahen sich irritiert an und alle fragten sich ob, dass was er da alles erzählt hatte, wirklich der Wahrheit entsprach.

Nach mehreren Minuten beruhigte Isaak sich wieder und wurde ernst. „Ich habe schon viel zu viel gesagt. Nennen wir es einen Lagerkoller und haken das Thema Wächter ab. Ich war wohl zu lange nicht mehr unter Leuten und bisher hatte ich auch noch nie das Bedürfnis alle Regel zu brechen. Der Wächter nach mir wird meinen Namen wohl aus allen Chroniken streichen. Das hätte ich jedenfalls verdient, nach diesem ganzen Schlamassel, den ich angerichtet habe.“

Dann klopfte er sich auf die Oberschenkel. „So, wenn ihr mich nun entschuldigen würdet? Ich werde meine letzten Tage mit freiem Willen allein verbringen“, sagte er und stand zum Erstaunen aller auf.

„Warte“, schnauzte Jake und stand ebenfalls auf, wobei er die Decke um seine Hüfte schwang.

„Warum Jake? Du willst mich nicht und ich will niemanden, der mich nicht will. Ich wollte dich lediglich vorwarnen. Wir sehen uns schon früh genug wieder. Dann wahrscheinlich für den Rest unseres Lebens.“

„Gibt es keine Möglichkeit das noch abzuwenden?“, warf Bella dazwischen.

„Mir fällt nichts mehr ein. Dank unserem homophoben Wolf, und der beiden Prägungen, ist die Lage aussichtslos.“

„Was meinst du damit, Schwuchtel?“, knurrte Jake ihn an. „Du bist an allem schuld. Ich habe nichts falsch gemacht.“

„Ach nein. Wer hat denn den Anhänger weggeworfen und meinte sich umbringen zu müssen? Hättest du das sein lassen, hätte ich den Zauber darauf nahezu ewig aufrechterhalten können. Du aber wolltest ja absolut nichts mit mir zu tun, geschweige denn ein Geschenk von mir haben. Echt mal, deine Einstellung zur Sexualität stammt aus dem Mittelalter und ich muss es wissen, ich habe es miterlebt.“ Er verdrehte die Augen und bemerkte nebenbei: „Was für ein Gestank das damals war.“

„Kann man die Prägung nicht aus dieser Quelle der Magie entfernen, ohne sie zu zerstören?“, versuchte Bella einen Vorstoß.

Nachdenklich betrachtete Isaak sie und erklärte: „Das wäre theoretisch möglich, aber Magie in diesem Ausmaß hat immer Konsequenzen. Die Prägung ist ein elementarer Bestandteil der Gestaltwandler. Wenn ich sie entferne, kann alles Mögliche geschehen. Es kann sein, dass nichts passiert. Ebenso könnte die Magie sich in einer gewaltigen Explosion entladen und den halben Bundesstaat ausradieren. Mit solchen Dingen stümpert man nicht herum.“

„Dann..“, sie überlegte fieberhaft. Isaak durfte jetzt nicht einfach verschwinden. Verzweifelt sah sie zu Edward auf. Dieser seufzte und fragte: „Warum sträubt ihr beide euch eigentlich so gegen die Prägung?“

Jake riss zornig den Mund auf und keifte: „Ich bin…“

„…nicht schwul. Wissen wir“, redete der Rotblonde dazwischen. Sie sahen sich mit blitzenden Augen an und keiner wollte nachgeben.

„Dein Grund Isaak?“, fragte Edward unbeeindruckt.

Dieser blinzelte und wandte sich dem Vampir zu. „Derselbe Grund. Jake ist nicht schwul oder bi. Er ist ja nicht mal in der Lage vernünftig über dieses Thema zu sprechen.“

„Das verstehe ich nicht“, meinte Bella und ergänzte: „Ich dachte du magst ihn.“

Isaak sackte ein wenig in sich zusammen und erklärte: „Jake will mich nicht. Wenn die Prägung ihn dazu zwingt, käme das einer Vergewaltigung gleich, wenn ich ihn gewähren lassen würde. So denke ich jedenfalls darüber. Das will ich ihm nicht antun. Deshalb werde ich ihn abwehren, solange ich kann. Meine Gefühle spielen da keine Rolle.“

„Also magst du ihn?“, bohrte sie nach.

„Himmel, bist du schlimm. Ja, ich mag Jake. Sehr sogar. Warum auch nicht? Er ist intelligent, hat Humor, einen starken Beschützerinstinkt, sieht gut aus, ist eher ein Einzelgänger, und so weiter. Rundum ist er sehr liebenswert und ein Freund fürs Leben. Schade nur, dass ich Jake so nie kennenlernen durfte. Er mag mich nämlich überhaupt nicht.“

„Und, wenn doch?“, mutmaßte Bella.

Jake, der leicht rot im Gesicht war, aufgrund von Isaaks Beschreibung von ihm, knurrte: „Das wird niemals geschehen. Ich…“

„Sei ruhig, Jake. Du wiederholst dich. Ich will Isaaks Meinung hören“, fuhr sie ihn an.

„Dann würde ich ihn nicht so vehement abblocken, glaube ich. Ich weiß es nicht. Die Situation ist einfach zu verfahren und komplex. Ich bin dennoch gegen die Prägung. So, wie es aktuell ist, hätte es niemals sein sollen. Selbst, wenn sie auf natürlichem Wege entstanden wäre, könnte ich damit nicht so einfach leben.“

„Warum?“, fragte sie und ließ einfach nicht locker.

Isaak raufte sich verzweifelt die Haare und gestand: „Die Prägung, so wie sie aufgebaut ist, zwingt den Betreffenden dazu nachzugeben und stellt einen zu großen Einfluss auf sein ganzes Sein dar. Ich will einfach keinen Partner an meiner Seite, der mittels Magie dazu gezwungen ist, mich zu mögen. Nennt mich altmodisch oder einen Träumer. Aber, wenn, dann sollten beide es wollen. Sie sollten sich bewusst zu einer Bindung entscheiden und nicht dazu gezwungen werden. Das wäre eine wahre Bindung. Eine mächtigere Bindung als die Prägung.“

Isaak verstummte, blinzelte und neigte den Kopf. Dann begann er nachdenklich im Raum umherzuwandern. Dabei sprach er mit sich selbst und ging unterschiedliche Szenarien durch. „Hm…, wenn…, nein… Aber…, wenn…, nein… Vielleicht…, nein… Hm…, aber wenn…, hm…, ja…, das wäre möglich.“

Er blieb stehen und offenbarte: „Gesetz dem Fall, dass Jake und ich ein Paar sein wollten und wir die Bindung in der Zukunft nicht nur zulassen, sondern bewusst um ein Vielfaches verstärken wollten. Das ist sehr wichtig, wir beide müssen es wollen. Dann, könnte ich beide Prägungen aufbrechen und aushebeln. Zum Preis einer neuen Bindung. Einer bewussten und wahren Bindung.

Diese wäre anders, nicht so übermächtig, jedenfalls nicht von Anfang an. Sie würde den jeweils anderen weiterhin als Ziel festschreiben. Das geht nicht anders. Zudem würde sie mit der Zeit stärker werden. Die Intensität würde dann aber nicht mehr aufgezwungen sein, wie bei der Prägung, welche eine sofortige Bindung vorsieht, sondern von uns selbst ausgehen. Wir hätten die Wahl, wie schnell sie erstarken soll.

Es könnte auch locker ein Jahrhundert vergehen, von Händchenhalten bis zum ersten Kuss, beispielsweise. Zeit spielt dabei keine Rolle. Sie kann nur nicht mehr gelöst werden, niemals. Da wir unsere Seelen aneinanderketten, ist der Tod des Einen der sofortige Tod des Anderen. Sie kann auch nicht mehr schwächer werden.

Das wäre eine von vielen möglichen neuen Bindungen. Dabei gäbe es noch ein paar, nennen wir es optionale Möglichkeiten. Solange die Bedingungen stimmen, und in sich äquivalent sind, kann ich vieles beeinflussen, ändern oder umschreiben.“

Er sah begeistert zu Jake und ließ den Kopf hängen: „Das wird Jake niemals zulassen.“

„Hat er denn eine Wahl?“, fragte Bella und sah zu ihrem besten Freund.

„Ja, zwischen Pest und Cholera, so sieht er es jedenfalls“, meinte Isaak und seufzte wehleidig.

„Es ist also möglich die Bindung umzuschreiben, wenn ich das richtig verstanden habe?“, fragte Bella nachdenklich und versuchte einen Sinn in Isaaks Worten zu finden.

„Ja, ich kann eine neue Bindung schaffen und somit die Prägungen aufheben. Aber, das ist nur Theorie. Ich müsste das im Detail durchdenken. Vor allem bei den mannigfaltigen Möglichkeiten. Das ist äußerst kompliziert. Zum einfacheren Verständnis sieh es so:

Jede Eigenschaft wird mit Punkten bewertet. Eine Art Liste mit Boni und Mali. Als Basis haben wir die Prägung der Wölfe mit allen Eigenschaften, die sie mit sich bringt. Ich kann jede Eigenschaft mit einer anderen ersetzen. Sie müssen nicht mal gleichwertig sein.

Als Beispiel die körperliche Abhängigkeit. Sie setzt voraus, dass wir uns nicht mehr als eine bestimmte Distanz voneinander entfernen können, bevor wir körperlichen Schmerz erleiden. Diese Eigenschaft kann ich ersetzen mit, zum Beispiel, einer Gedankenverbindung. Dann spielt die Distanz keine Rolle mehr, aber wir hören die Gedanken des jeweils anderen.

Da aber eine Gedankenverbindung stärker ist und somit mehr Punkte hat, kann ich eine weitere Bedingung einbauen, wie z.B. die Möglichkeit, diese Verbindung in den Hintergrund zu drängen. Die Fähigkeit sie gänzlich zu steuern, wie die Verbindung der Wölfe durch meinen Anhänger, würde allerdings zu viel kosten und wir müssten eine weitere Eigenschaft hinzufügen, um das auszugleichen.

Am Ende muss aber plus minus Null rauskommen. So wie bei der Prägung. Einige Eigenschaften haben auch so hohe Werte, dass es schwer wird, sie zu ersetzen und die Bindung zwischen Jake und mir an sich ist nicht beeinflussbar, sondern die Grundbasis. Sozusagen die Überschrift.“

Jake schüttelte den Kopf und sagte: „Ich verstehe nur Bindung hier, Bindung da. Ich hab genug. Tschau Bella. Ich kratz die Kurve.“ Er drehte sich um und machte eine Schritt Richtung Tür, als seine beste Freundin sich vor ihm aufbaute und ihn aufhielt. „Du bleibst hier. Das gehen wir im Detail durch und puzzeln eine neue Bildung zusammen, mit der alle leben können.“

„Und, wenn ich das nicht will?“, fuhr er sie an.

„Dann hetze ich dir einen ganzen Zirkel Vampire auf den Hals.“

„Das wagst du nicht.“ Er sah ihr in die Augen und wusste, sie würde es tun, aber er hatte nicht vor, sich einschüchtern zu lassen und hielt dagegen: „Ich bin im Rudel. Wenn die mich angreifen, gibt es Krieg.“

„Ok, dann rufe ich jetzt Sam an und hole mir die Erlaubnis, dich an die Wand zu ketten, bis du zur Vernunft kommst.“

„Das würde Sam niemals zulassen.“

„Nach allem was du mir erzählt hast und ich heute gehört habe, hat Sam da noch eine Wahl?“

Jake knurrte gefährlich und stampfte auf den Boden. Dann ging er zu seinem Platz zurück und setzte sich. „Sprich, Schwuchtel.“

„Jake“, mahnte Bella und gab ihm einen leichten Klaps auf den Kopf. Sie hatte ihre Lektion gelernt. Schlage niemals einen Gestaltwandler.

Jake meckerte und zeterte leise vor sich hin bis er schlussendlich knurrte: „Ok, gehen wir das mal im Detail durch, Isaak.“

Zufrieden setzte sich Bella auf die Armlehne neben Jake und tätschelte ihm den Kopf: „Brav.“

Das Ritual

Anstatt sich zu setzen, ging Isaak im Raum auf und ab, und dachte angestrengt nach. Wie sollte er alle Zusammenhänge erklären? Die Komplexität dieser Aufgabe überstieg den menschlichen Verstand um ein Vielfaches. Er benötigte eine einfache Möglichkeit, sodass alle es auch nachvollziehen konnten. Zudem gab es nahezu unendlich viele Kombinationen. Allerdings schlossen sich aber auch manche gegenseitig aus. Er musste eine Vorauswahl treffen und die Möglichkeiten eingrenzen. Mit was konnte er leben?

Das half ihm leider auch nicht weiter. Entsetzt stellte er fest, dass er sehr viel über sich ergehen lassen würde, für so eine solche bewusste Bindung. Dann dachte er an seine Aufgabe als Wächter und musste einiges streichen, nämlich das, was ihn zu stark behindern würde. Anschließend begann er alles so aufzuarbeiten, dass die anderen es verstehen konnten.

Mit einer Handbewegung von ihm ließ er einen Stapel Papier aus dem Büro zu dem großen Wohnzimmertisch fliegen und räumt alles darauf einfach mit einem weiteren Wink seiner Hand ab. Anschließend konzentrierte er sich und die Papiere stoben auseinander. Akribisch, in verschnörkelter Schrift, erschienen Worte auf den leeren Seiten. Mit einer schneidenden Bewegung wurden aus den Seiten exakt gleich große Stücke, welche nun in einem Wirbel umherflogen.

Als Nächstes gab er den einzelnen Karten verschiedene Farben und fügte Zahlen an den Rändern hinzu. Mit einer Handbewegung ließ er zwei blau leuchtende Sphären über dem Blättersturm erscheinen. Einige Zettel flogen in die Kugeln und schwebten dort sanft umher. Die Sphären wechselten die Farben zu grün. Dann ordnete er die übrigen Eigenschaften nach Farben und Kategorien. Es entstanden fein säuberlich gestapelte Haufen.

Erschöpft ließ er sich aufs Sofa sinken und atmete tief durch. Er sollte seine Kräfte besser nicht so verschwenden, aber sie hatten keine Zeit mehr und, was machte es jetzt noch für einen Unterschied? Durch seinen Verbrauch hatte er einen Tag verloren, aber immer noch mehr Zeit, als Jake blieb.

Mit brüchiger Stimme erklärte er: „Auf den Zetteln stehen unterschiedliche Eigenschaften. Gegliedert nach Farben und mit Zahlen von minus bis plus zwanzig versehen. Die Summe der Zahlen muss am Ende null ergeben. Auch muss immer ein Zettel von jeder Farbe vorhanden sein. Sie können aber gegen andere derselben Farbe ausgetauscht werden. Nur die Weißen sind nicht in ihrer Anzahl begrenzt. Es können auch keine hinzugefügt werden. Jedoch ist die maximale Anzahl von Eigenschaften von meiner restlichen Magie abhängig. Die goldenen Zettel sind zwingend und können weder ausgetauscht, noch entfernt werden.“

Er schnippte mit den Fingern und ließ zwei grüne Nullen über der rechten Sphäre erscheinen. Über der anderen erschien ebenfalls eine grüne Null, sowie eine grüne Einundzwanzig. Diese flackerte kurz und reduzierte sich auf Zwanzig.

Sprachlos starrten alle zu dem Tisch und trauten ihren Augen nicht.

Jede Sekunde zählte und Isaak fuhr fort: „Solange ihr diese Grundregeln einhaltet, könnt ihr alles, wie ihr wollt, in der linken Kugel, von mir aus gesehen, kombinieren und verändern. Die andere stellt die Prägung als Vergleich dar. Beide sind als Basis mit den Eigenschaften der Prägung gefüllt.“

Mit einem zitternden Arm griff Isaak in die linke Kugel und zog den roten Zettel heraus. Sofort wurde die Sphäre rot und die Zahlen über ihr änderten sich. Die grüne Null wurde zu einer roten minus Zehn, wobei die Zwanzig zu einer Einundzwanzig wurde, aber ihre Farbe nicht änderte.

„Das hier ist die körperliche Abhängigkeit. Ich werde mich allem unterwerfen was Jake zusammenpuzzelt, aber diese Eigenschaft muss ich entfernen. Das ist meine einzige Bedingung. Ich kann meine Aufgabe als Wächter nicht erfüllen, wenn ich in meinem Bewegungsradius eingeschränkt bin.“

Er ließ die rote Karte in Flammen aufgehen. Die Botschaft war eindeutig. In dieser Angelegenheit gab es für ihn keine Diskussion. Dann ließ er sich zurücksinken und schloss müde die Augen. „Viel Spaß“, brabbelte er und sackte in sich zusammen. Er war eingeschlafen.

Mit offenen Mündern starrten Bella und Jake auf diese Darstellung und konnten nicht glauben, was geschehen war. Die Vampire hatten sich besser im Griff und blieben einfach starr stehen.

Edward erwachte als Erster aus seiner Starre und ging vor. Dann griff er nach einer der goldenen Karten in der linken Kugel. Er zog sie heraus. Die Zahlen änderten sich nicht, aber ein goldener Faden spannte sich von der Oberfläche der Kugel zu der Karte. Er bewegte die Karte, der Faden blieb straff und folgte der Bewegung. Dann sah er auf den Schriftzug und las vor: „Seelenbindung.“

Er runzelte die Stirn und drehte die Karte um; dort stand eine Erklärung und er las laut vor: „Eine Seelenbindung macht beide Leben voneinander abhängig und verbindet ihre Lebenskraft zu einer. Stirbt der eine, stirbt auch der andere im selben Augenblick.“

Entsetzt ließ er die Karte los und diese schoss, wie an einem Gummiband, in die Sphäre zurück. Dann schnappte er sich die blaue Karte und entzifferte: „Vollständige Sexuelle Bindung. Die Verbundenen können keinerlei sexuellen Interessen oder Praktiken außerhalb der Bindung entwickeln oder vollziehen. Selbst Hand anlegen ist ausgeschlossen.“

„Die kommt schon mal raus“, bestimmte Jake feuerrot im Gesicht und schnappte sich die Karte. Tobend macht er Anstalten den Zettel zu zerreißen, da mischte sich Bella ein: „Warte, sieh mal auf die Zahlen. Die rote minus Zehn ist zu einer roten minus Dreißig geworden. Diese Karte ist also plus zwanzig Punkte wert.“

Schnell griff sie nach dem kleinen blauen Stapel und überflog die Werte. „Keine der anderen hat eine so hohe Zahl. Außer die hier.“ Sie zog eine Karte raus und offenbarte: „Keine sexuelle Bindung. Vollständige und freie sexuelle Partnerwahl. Aber…“

„Die nehmen wir“, bluffte Jake und riss ihr die Karte sofort aus der Hand. Dann schob er sie in die rote Sphäre und sah zu den Zahlen darüber. Dort leuchtete nun ein strahlendrote minus Fünfzig.

„… sie hat minus Zwanzig“, beendete Bela ihren angefangenen Satz.

Jetzt gab es kein Halten mehr und alle stürmten an den Tisch und griffen wahllos nach den Karten. Emmet und Alice verzogen die Gesichter und legten ihre Karten schnell zurück. Rosalie allerdings lachte auf und meinte: „Die solltest du nehmen, Hund. Hörigkeit. Der devote Bindungspartner unterwirft sich vollständig und in allen Belangen dem Dominaten. Immerhin plus achtzehn Punkte.“

Jake erbleichte und stammelte: „Auf keinen Fall.“

Doch die Vampirfrau grinste heimtückisch und schob die Karte in die Kugel.

Entsetzt las nun Carlisle vor: „Emotionaler Schmerz. Jeglicher zugefügter emotionaler Schaden am Bindungspartner wird als körperlicher Schmerz zurückgeworfen. Kann tödlich enden. Plus Zwanzig.“

Die Beine des Gestaltwandlers gaben nach und er sackte wimmernd zusammen.

Dann schrie Bella: „Stopp. Alle legen die Karten wieder dahin, wo sie sie herhaben. Ihr bringt alles durcheinander. Und dann alle raus hier. Das ist nicht eure Angelegenheit. Jake entscheidet, nicht ihr.“

Rosalie fauchte, schnappte sich ihre Karte aus der Kugel und legte sie zurück zu den Weißen. Die anderen taten es ihr gleich und alle verließen den Raum. Außer Edward, der stellte sich hinter sie und sah wachsam zu Isaak.

Bella funkelte ihren Freund an, aber dieser blieb stur. Dann gab sie klein bei und bat: „Kannst du uns was zu essen besorgen? Das wird eine Weile dauern und wir könnten eine Stärkung gebrauchen.“

Dann klopfte sie Jake mitfühlend auf die Schulter und fragte: „Soll ich auch gehen?“

„Bitte nicht“, wimmerte er brüchig. „Ich brauche dich.“

„Gut. Ich würde vorschlagen, wir schauen uns die einzelnen Stapel nacheinander an und sortieren das aus, was für dich ganz und gar nicht akzeptabel ist. Dann müssen wir alles zusammensetzen und schauen, ob wir es schaffen auf Null zu kommen. Am besten wir fangen mal mit den Blauen an. Ich glaube, das ist wohl eines deiner größten Probleme.“

Jake nickte ergeben und sie drückte ihm die Karten in die Hand. „Ich helfe dir, aber du musst entscheiden. Es geht um deine Bindung und deine Zukunft.“

Dann machte sie sich an die Arbeit und begann zu sortieren. Edward ließ sie nicht allein mit Isaak und schickte Alice, um Nahrung für die Zwei zu besorgen.

Nach nur wenigen Minuten starrte Bella zu Jake und sah, dass der Stapel der Karten, welche er nicht wollte, immer größer wurde und er meist nur eine Möglichkeit zurückbehielt. Sie seufzte innerlich und wusste, dass er das so niemals hinbekommen würde, sagte aber nichts und ließ ihn einfach mal machen. Er musste selbst einsehen, dass auch er Abstriche hinnehmen musste.

Dann, nach knapp zehn Minuten, sprang Jake auf und fütterte die Kugel mit der Auswahl seiner Karten. Er sah auf und ihn glühte eine rote minus 230 bösartig an.

Daraufhin bekam er einen Wutausbruch und hätte fast den Tisch umgeworfen, wenn Edward ihn nicht daran gehindert hätte.

Von dem Radau wachte Isaak auf und sah sich das Ganze an. Er stand auf und besah sich Jakes Auswahl. Mit jeder Karte, die er durchlas, wurde er bleicher, sagte aber kein Wort. Als er fertig war, schluckte er schwer und setzte sich wieder hin. Er lächelte gezwungen, aber Bella ließ sich nicht täuschen: Isaak war bestürzt und zutiefst traurig über Jakes Auswahl.

In diesem Augenblick erkannte sie, dass er es wirklich ernst meinte. Er würde sich allem beugen, um es Jake leichter zu machen.

Ihre Augen trafen sich und sein Lächeln verschwand. Er wandte sich ab und sah in seinen Schoß.

Nach dem dritten Versuch hatten sie immerhin schon mal -147 erreicht. Nun platzte Jake erneut der Kragen und er stürzte sich auf Isaak. Dieser wich ihm aus und stand urplötzlich auf der anderen Seite des Raums.

„Bleib gefälligst hier, du verdammtes Monster“, knurrte Jake und funkelte ihn an.

„Wenn du mich schlägst, könntest du dich verletzten. Ich will dir keine Schmerzen zufügen“, erklärte Isaak gequält.

„Hm…“, Bella beachtete die beiden nicht wirklich und fragte. „Sag mal, warum sind das so viele Bedingungen? Muss das so sein? Kannst du das nicht etwas einfacher gestalten und weniger Farben zum Beispiel benutzen?“

„Im Eigentlichen kann eine Bindung nahezu ohne Begrenzungen konstruiert werden. Die einzige Grenze ist die eigene Vorstellungskraft. Das geht in unserem Fall leider nicht. Die neue Bildung muss äquivalent oder sogar stärker sein als die Prägung. Sonst kann ich diese nicht aufheben. Das ist ein Grundsatz in der Magie. Ebenso müssen bestimmte Elemente vorhanden sein. Sonst kann man nicht von einer Beziehung sprechen. Eine Verbindung ist ein Geben und Nehmen.“

Sie sah auf. „Und du wärst mit all diesen Dingen einverstanden?“

„Ich lasse Jake absolut freie Wahl. Ich muss aber gestehen, dass ich alle Elemente, welche in meinen Augen zu gravierende Einschnitte darstellen, aussortiert habe. Auch, um die Möglichkeiten zu begrenzen.“

„Zum Beispiel?“, fuhr Jake ihn an.

„Jegliche Blutrituale, sowie Verstümmelungen körperlicher oder geistiger Natur. Kurz gesagt: Alles was meine Aufgabe zu stark behindern oder dir direkten Schaden zufügen würden.“

Jake erbleichte und ging frische Luft schnappen. Er brauchte jetzt einen Moment für sich. Bella wartete, bis ihr bester Freund weg war und seufzte schwer. Dann begann sie erneut zu sortieren. Diesmal ging sie strukturierter vor und schloss alles aus, was in ihren Augen zu gefährlich war.

Als Jake wenig später zurückkehrte stand etwas zu Essen für ihn bereit. Auch hatte Alice bei Edward geplündert und für Jake ein elegantes Outfit zusammengestellt.
 

Anschließend arbeiteten sie etliche Stunden durch. Nach jedem gescheiterten Versuch musste Isaak Jakes Schimpftiraden über sich ergehen lassen. Dieser wehrte sich aber nie. Er mischte sich auch nicht ein oder drängte Jake das Eine oder Andere zu überdenken.

Als die Sonne erneut unterging, schlief Bella ein und auch Jake sah sehr müde aus. Isaak, der ahnte, dass Jake sich in seiner Gegenwart nicht entspannen würde, verließ schweren Herzens das Haus. Es regnete, aber das machte ihm nichts aus. Er stand einfach nur da und sah zum dunklen Himmel hinauf. Durch ihre Verbindung spürte er, dass Jake eingeschlafen war und Isaak seufzte schwer.

Er wurde vom gesamten Vampirzirkel beobachtet und alle machten sich ihre eigenen Gedanken.
 

Nach einem ausgiebigen Frühstück kehrten Jake und Bella zu den Sphären zurück und machten sich erneut an die Aufgabe, etwas Brauchbares zu Stande zu bringen. Jake ließ sich einfach nicht überreden, Abstriche zu machen und dokterte verbissen an der Verbindung rum. Seine Ideen wurden immer waghalsiger und Bella fragte sich so langsam, wo das enden würde.

Auch am darauffolgenden Tag schafften sie es nicht, die Kugel grün erstrahlen zu lassen und alle Bedingungen zu erfüllen. Die Zeit wurde langsam knapp. Isaak hatte berechnet, dass der Anhänger in 23 Stunden und 48 Minuten seine Kraft verlieren würde.

Jake wurde immer miesepetriger und schrie auch Bella immer öfters an, da diese versuchte, einige Bausteine zu ersetzen, die er unbedingt wollte. Bisher hatte sich Edward nicht eingemischt, aber so langsam reichte es ihm.

Weitere Stunden verstrichen. Nach einem besonders schweren Streit platzte ihm der Kragen und er fragte: „Isaak, wie würdest du die Verbindung bauen?“

Dieser blinzelte und sah irritiert drein. „Ich mische mich nicht ein. Jake muss entscheiden was er will.“

Bella, die den Faden aufgenommen hatte, sagte: „Das würde mich auch mal interessieren. Was würdest du wollen?“

„Das ist nicht von Interesse“, versuchte Isaak auszuweichen, aber Bella drängte so lange auf ihn ein, bis er völlig entnervt sagte: „Ok, ist ja gut.“ Er warf Jake einen Seitenblick zu, aber dieser lag auf dem Rücken und war immer noch angefressen, von seinem letzten Misserfolg. Er beachtete das Gespräch zwischen ihnen gar nicht.

„Wenn ich die Wahl hätte und mein Bindungspartner der gleichen Meinung wäre wie ich, dann würde ich die Bindung so aufbauen.“ Bei diesen Worten flogen alle Karten aus der Kugel und wurden durch andere ersetzt. Einige davon stammten sogar von Jakes „niemals im Leben“ Stapel.

Die Kugel erstrahlte in einem satten Grün. Die Zahlen darüber waren zwei grüne Nullen.

Bella stand auf und begann sich das Ganze genauer anzusehen. Auch Jake erhob sich, aufgeschreckt durch die fliegenden Karten und dem Farbwechsel der Sphäre. Jake lief rot an und begann zu toben, einem wilden Stier gleichend. Er griff eine Karte nach der anderen und schleuderte sie Isaak entgegen.

Dieser rührte sich nicht und sagte kein Wort. Dann plötzlich fing er eine weiße Karte auf und sagte traurig: „Bei dieser Karte bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, ich würde sie nicht verwenden wollen. Ich will meinem Partner nicht misstrauen, aber ich musste die Punkte ausgleichen.“

Edward schoss vor und nahm den Zettel an sich, dann las er vor: „Wahrheit. Die Bindungspartner können nur die Wahrheit zueinander sagen. Die Karte hat eine plus Acht.“

Isaak lächelte gequält und ließ erneut die Karten fliegen. Abermals wurde die Kugel grün und über ihr schwebten eine grüne Null und Fünf. „Dies wäre mein Vorschlag, in Anbetracht der aktuellen Lage, der Möglichkeiten und Bedingungen.“

Ohne auch nur eine Eigenschaft zu lesen, wollte Jake erneut alles zerstören, aber Bella stellte sich ihm in den Weg. „Wir kommen nicht weiter und die Zeit wird knapp. Wir haben nur noch knapp zwei Stunden. Lass mich das bitte mal durchgehen, okay?“

Der Gestaltwandler verdrehte die Augen und schmiss sich auf den Sessel. Bella besah sich die Anordnung genau und hatte eine Ahnung, warum Isaak diese Eigenschaften ausgewählt hatte. Mit einem Seufzer setzte sie sich in einen anderen Sessel und sagte: „Erkläre es mir. Warum so?“

Isaak warf Jake einen kurzen Blick zu und begann dann zu erklären: „Weil es die beste Variante für Jake wäre. Die „geistige Verbindung ohne Einschränkungen“ ist meines Erachtens eine gute Wahl. Ich bin darin geübt, meine Gedanken nicht schweifen zu lassen, und kann Jakes Gedanken sowieso lesen, wenn ich das will. Ich würde, aber versuchen Jake möglichst nicht zu belästigen. Dann die Karte „Wahrheit“. Da wir eh schon geistig verbunden sind, macht es kaum noch einen Unterschied. Zusammen mit den anderen Karten hatte ich genug Punkte, um die Karte „Keine sexuelle Bindung“ zu wählen. Das erschien mir Jakes größtes Problem zu sein.“

Bei diesen Worten stand Jake auf und zog den entsprechenden Zettel zu sich. Isaak hatte es wirklich geschafft, diese Karte einzubauen. Nachdenklich steckte er sie zurück und sah sich auch die anderen an. Einige gefielen ihm gar nicht, aber er schaute immer auf die Punkte und war sich sicher, dass das der Preis für seine sexuelle Freiheit war. Er knurrte. Dennoch, so gefiel ihm das nicht.

Er warf einen Seitenblick zu Isaak. Vielleicht hatte er ihm doch Unrecht getan? Isaak bemühte sich offenbar wirklich, es ihm recht zu machen, und achtete nicht auf seine eigenen Wünsche. Er hatte zugegeben, dass er ihn mochte. Dennoch hatte er, ohne zu zögern, diese Karte eingebaut, nur weil Jake es so wollte.

Zum ersten Mal fragte sich Jake, was er eigentlich wirklich wollte. Wie würde er sich eine Beziehung vorstellen. Er klammerte den Gedanken „mit Isaak diese Beziehung zu führen“ fürs Erste aus und fragte sich stattdessen, was, wenn es jemand anderes gewesen wäre? Was, wenn er mit Bella zusammengekommen wäre und nun vor dieser Entscheidung stehen würde? Was würde er dann wollen? Er besah sich noch einmal die blaue Karte in der Sphäre. Er schluckte und musste sich eingestehen, dass er diese Eigenschaft niemals ausgewählt hätte.

Aber es ging nun mal nicht um Bella, sondern um einen Mann. War er wirklich ernsthaft bereit, eine Beziehung mit einem Mann, mit Isaak, zu führen und wenn ja, wie sollte diese dann aussehen? Was würde er wollen? Er hatte nur noch eineinhalb Stunden, dann würde die Prägung ihm diese Entscheidung einfach wegnehmen. Wollte er das?

Er ging nochmal alles in seinem Kopf durch, was geschehen war und versuchte dabei seine Abneigung gegen Isaak zu ignorieren. Wollte er so eine solche Beziehung führen? Es gefiel ihm überhaupt nicht, aber hatte er denn eine Wahl? Dann entschied er sich für einen Weg.

Angepisst bluffte Jake: „Und, was, wenn ich diese Karte nehmen würde? Was dann?“

Isaak sah zu der entsprechenden Eigenschaft und dachte kurz nach. Dann baute er die Bindung entsprechend um.

Sofort sah sich Jake die Veränderungen an. Es ging in die richtige Richtung, war aber immer noch nicht gut genug. Er schluckte schwer und nahm angewidert eine andere Karte. Er fragte diesmal erst gar nicht, und steckte sie einfach in die Sphäre, welche sofort rot erglühte und eine andere Karte derselben Farbe fiel unten raus.

Der Rotblonde war irritiert, spielte aber mit, und stellte ein Gleichgewicht in der Kugel her.

So experimentierte Jake eine geschlagene Stunde. Er sah Isaak kein einziges Mal an und bekam deshalb nicht mit, wie sich dessen Gesichtszüge langsam aufhellten. Die Richtung, in die das ganze ging, gefiel dem Rotblonden.

Dann zögerte Jake er nahm eine weiße Karte aus der Kugel und fragte: „Kannst du die ersetzen, ohne alles kaputt zu machen?“

„Das kommt auf deine Wünsche an. Ich kann jede Eigenschaft ersetzen. Hier ein paar Vorschläge“, sagte der Wächter und schnippte mit den Fingern. Vier weitere Sphären erschienen. Einige Karten vermehrten sich und flogen wild durcheinander.

Dann sah Jake vor sich fünf grünen Kugeln. Die jeweiligen Veränderungen erglühten in einem Blau auf und machten es ihm leicht, den Überblick zu behalten. Er sah auf die Uhr. Noch dreißig Minuten. Schweren Herzens musste er sich entscheiden. Alle Möglichkeiten hatten Pros und Contras. Er musste sich also fragen, mit welchen Karten er am besten leben konnte. Dann deutete er auf eine der Kugeln und knurrte: „Die.“

Isaak machte große Augen. Er wusste genau, welche Karten sich wo befanden. „Bist du dir sicher? Wir haben noch etwas Zeit ich könnte versuchen diese Eigenschaft zu schwächen.“ Dabei trat der blaue Zettel aus der Kugel und schwebte vor seine Augen. Jake wandte sich ab. Er wusste, welche Karte es war und er wollte sie nicht sehen. „Nein, dann ändert sich wieder alles. Damit werde ich leben müssen.“

Bella wollte den Zettel ergreifen, aber Isaak ließ mit einem Fingerschnippen alle Karten in einem wirren Wirbel umherfliegen. Sie verlor sofort ihr Ziel aus den Augen. Dann tadelte der Rotblonde: „Es ist nicht deine Wahl, junges Fräulein.“

Sie sah zu ihrem besten Freund. Dieser war knallrot im Gesicht und wich ihrem Blick aus. Dann gab er sich einen Ruck und sagte: „Zeig ihr die Karte…, bitte.“

Entsetzt ließ Isaak die Hand sinken und starrte ihn mit offenem Mund an. Er war sprachlos und unfähig seine Magie aufrecht zu erhalten. Der Wirbel legte sich und alle Zettel fielen zu Boden.

Das war das erste Mal, das Jake ihn nicht angewidert oder wütend angesprochen hatte. Dazu hatte er auch noch bitte gesagt. Konnte es sein? Durfte Isaak sich die Hoffnung gestatten? Nein, das war absurd. Er schüttelte sich und hob die Hand erneut.

Die blaue Karte schoss empor und schwebte direkt vor Bellas Augen. Sie nahm diese und las stumm für sich:

Fast vollständige sexuelle Bindung. Die Verbundenen können keinerlei sexuellen Praktiken außerhalb der Bindung mit einer anderen Person vollziehen, haben jedoch die Möglichkeit sich absolut frei ihren Phantasien hinzugeben, wenn sie sich selbst befriedigen.

Sie sah auf. Jake fand auf einmal das Wandgemälde äußerst interessant und begutachtete dieses aus der Nähe. Dann fiel ihr Blick auf Isaak. Dieser sah ungläubig zu dem Gestaltwandler und konnte es einfach nicht fassen.

Edward schlich sich von hinten an und griff nach der blauen Karte, da schnippste Isaak mit den Fingern und alle Zettel schossen, wie Gewehrkugeln, umher. Dann gingen sie in Flammen auf und nicht einmal ein Staubwölkchen blieb von ihnen übrig. Auch die Sphären und Zahlen waren verschwunden. Zudem erhob sich die Tischdekoration vom Boden und stellte sich wieder an ihren Platz zurück.

Anschließend stand Isaak auf und sagte: „Gut ich benötige ungefähr eine Minute um alles vorzubereiten. Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht geglaubt, dass du dich überhaupt entscheiden würdest und schon gar nicht für diesen Weg.“

Dann ging er auf die Haustür zu. Sofort folgten ihm die anderen und auch der Rest der Vampire schloss sich der Prozession an. Keiner wollte das verpassen.

Isaak ging nach draußen. Es regnete zwar, aber das störte ihn auch diesmal nicht. Er ging einige Meter weit und fing dann an, in einer unbekannten Sprache zu sprechen. Dabei hob er die Arme und der Regen begann um ihn herumzuwirbeln. Dann flammte auf dem Boden ein Pentagramm auf. Die blauen Flammen erloschen und zurück blieben schwarze Linien im Gras. Isaak stand genau in der Mitte.

Daraufhin machte er mit den Händen eine Bewegung und ein Kreis aus seltsamen Runen brannte sich in die Wiese um das Pentagramm herum ein. Er untersuchte den Ritualplatz und nickte. Dann hob er den Blick, straffte sich und sagte: „Jake du musst dich zu mir in die Mitte stellen. Carlisle darf ich dich bitten mir zu assistieren?“

Beide kamen zu ihm, wagten es aber nicht, den Runenring zu überschreiten.

Missmutig fragte Jake: „Wie genau wird diese Bindung vollzogen?“

Isaak schmunzelte und fragte grinsend: „Hat der große böse Wolf Bammel?“

„Verarsch mich nicht. Du kannst doch eh meine Gedanken lesen“, fuhr er ihn an.

„Nein, das kann ich nicht. Nicht, solange du die Kette trägst“, gestand Isaak. „Habe ich das nicht erwähnt?“

„Nein, hast du nicht. Aber, wieso kannst meine Gedanken nicht lesen? Du hast doch diese Kette erschaffen, wie du sagtest. Bist du dann nicht fähig, ihre Kraft zu überwinden?“

Isaak druckste etwas beschämt rum und erklärte: „Ja, ich habe die Kette geschaffen. Aber, durch deine Prägung auf mich, hatte ich stetigen Zugang zu deinen Gedanken. Und ich.. nun ja…“ Er wandte den Blick ab. „Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen dein ewiges Mantra zu hören. Diese ständige: „Ich bin nicht schwul“ hat mich sehr aufgewühlt.

Ich habe echt angefangen an meiner eigenen Sexualität zu zweifeln. Zudem tat es mir einfach in der Seele weh, dir so viel Schmerz bereitet zu haben. Also habe ich entschieden dich vor mir und mich vor dir zu schützen. Immerhin wusstest du nicht, dass ich zuhöre. Als ich die Kette erschuf, habe ich es so eingerichtet, dass ich deine Gedanken nicht mehr hören kann und dich gleichsam vor sämtlicher geistiger Beeinflussung geschützt, dass schloss auch mich mit ein.“

„Du hast meine Gedanken nicht ertragen, und jetzt willst du eine dauerhafte geistige Verbindung mit mir eingehen?“, fragte Jake fassungslos.

„Ich habe es nicht ertragen, wie du dich selbst gegeißelt hast. Aber, ich werde es in Zukunft ertragen, damit du es leichter hast.“

Jake konnte nur den Kopf schütteln. Hatte er wirklich so gewaltige Scheuklappen aufgehabt? Dieser Mann tat alles, damit es ihm besser ging. Er hingegen hatte Isaak nur beschimpft und zum Teufel gejagt. Ja, die Situation war echt beschissen und wenn er ehrlich zu sich selbst war, er hätte sich nie freiwillig an diesen Mann gebunden, aber es hätte ihn auch wesentlich schlimmer treffen können.

Außerdem konnte er es Isaak wirklich übelnehmen, dass dieser seine Prägung ausversehen ausgelöst hatte? Isaak wollte nur nicht mehr allein sein. Das war dessen einziger Fehler gewesen und seitdem litt Isaak nahezu klaglos unter seinen Launen. Der andere hatte so viel ertragen und für ihn getan. Jake konnte zwar immer noch nicht über seinen Schatten springen, aber er konnte dem anderen wenigstens die Chance geben, einander besser kennenzulernen.

Ohne zu zögern ging er in den Kreis und vertraute darauf, dass Isaak ihm nichts Böses wollte. Dann fragte er ungeduldig: „Also, was jetzt?“

Einen Moment sah Isaak ihn einfach nur nachdenklich an, dann erklärte er: „Das Ritual ist einfach und simpel. Wir reichen uns die Hände, dann stößt Carlisle meinen Dolch durch sie und wir müssen gleichzeitig ein paar Worte aufsagen. Das wars.“

„Ich habe es mir schlimmer vorgestellt“, gestand Jake. Er war zwar nicht begeistert, von einem Dolch durchbohrt zu werden, aber immer noch besser, als eine schwülstige Zeremonie mit Ringtausch und einem Kuss am Ende oder sowas in der Art.

Dann erklärte Isaak was Jake sagen musste. Erneut war dieser überrascht: Das klang echt simpel.

Isaak schloss seine Hände, wie zum Gebet und als er sie voneinander trennte, wuchs der silberne Dolch aus seiner linken Hand. Mit der Rechten griff er nach der Klinge und hielt das Heft Carlisle entgegen. Dieser nahm die Waffe und sah auf die schimmernde Schneide.

„Deine Hände, Jake“, sagte Isaak und wartete geduldig.

Schnell straffte der Gestaltwandler sich und hob seine Hände an. Dann ließ er zu, dass Isaak ihre Gliedmaßen übereinander anordnete. Die Handflächen der jeweiligen rechten und linken Hände lagen aufeinander. Die Hände und auch die Wärme des Anderen zu spüren, ließ Jake erschaudern. Isaaks Handflächen waren so angenehm weich und zart.

Dann hoben beide den Blick und sahen sich in die Augen. „Carlisle dein Auftritt. Stoße den Dolch möglichst in der Mitte durch unsere Hände und achte bitte darauf, Jakes Knochen nicht zu treffen. Das wird ihm unnötige Schmerzen ersparen.“

Der Wolf rollte mit den Augen. Isaak tat es schon wieder und dachte nur an sein Wohl.

„So“, fragte der Arzt und hob den Dolch über ihre Hände. Der Rotblonde korrigierte die Ausrichtung und nickte zufrieden. Dann sagte er: „Tu es.“

Jake verkrampfte sich, als er den Dolch hinabfahren sah und musste den Reflex unterdrücken, die Hände wegzuziehen. Er schloss die Augen und wartete auf die Dinge, die da kämen. Dann zuckte er zusammen, als die Klinge sein Fleisch durchschnitt, wie ein warmes Messer durch Butter. Er konnte sich ein schmerzvolles Zischen nicht verkneifen.

Nachdem die erste Schmerzwelle abgeklungen war, spürte er, wie ihr beider Blut ihm über die linke Hand tropfte. Er machte die Augen auf und sah den besorgten Blick Isaaks, dieser öffnete gerade den Mund, als er ihn anfuhr: „Frag jetzt ja nicht, ob´s mir gut geht. Ich habe einen Dolch in meinen Händen stecken. Also, weiter im Text.“

Der Wächter sah ihn eindringlich an. Dann sagte er, ohne den Augenkontakt zu unterbrechen: „Carlisle, tritt bitte aus dem Kreis.“

Er wartete einen Moment und Jake spürte den Luftzug der raschen Vampirbewegung.

Dann nickte Isaak und sagte: „Jetzt die Worte. Bei Drei. Eins. Zwei. Drei.“

Beide begannen zu rezitieren:

„Blut zu Blut,

Seele zu Seele,

was getrennt, sei nun verbunden

und für alle Ewigkeit

verkünden wir nun unsere Einheit.“
 

Die Welt hörte auf zu existieren. Sie standen, umgeben von Licht, in der Mitte, von Allem und Nichts. Es existierte nichts anderes mehr, außer sie selbst und ihre Verbindung. Jake sah auf ihre Hände. Feine Linien wanderten aus dem Dolch und schlängelten sich um ihre verbundenen Gliedmaßen. Er konnte spüren, wie die Fäden sie miteinander verbanden, ihr Blut und ihre Seelen miteinander verknüpften. Sie bildeten ein komplexes Muster und schlangen sich fest um ihre Hände. Der Dolch löste sich nun auf und ihre Wunden heilten augenblicklich.

Dann spürte er es. In seinem Inneren öffnete sich etwas. Irgendetwas flog aus ihm und hinterließ eine gähnende Leere in ihm. So schnell, wie dieses Empfinden auch auftauchte, so war es auch wieder verschwunden und wurde ersetzt, durch ein eigenartiges Gefühl. Ihre Herzen schlugen in perfekten Einklang. Er spürte Isaaks Wärme und seine Gefühle. Ja, er spürte seine Furcht vor dem Kommenden, seine Trauer über das Geschehene und ganz tief vergraben seine Freude, nicht mehr allein zu sein.

In diesem Augenblick waren sie sich näher als es körperlich überhaupt möglich war. Sie sahen einander so, wie sie waren. Nichts verdeckte ihre Sicht und nichts konnten sie verstecken. Alles lag offen: Sämtliche Wünsche, Gedanken, Ängste, Begierden – ihr ganzes Dasein. Jake konnte nicht mehr sagen wo sein Körper endete und der von Isaak begann. Alles war miteinander verbunden und verschmolzen.

Dann sah er eine Linie, die sich zwischen ihren Herzen erstreckte. Isaak begann Worte in der Sprache der Magie aufzusagen und Jake wusste einfach, dass er nun die Prägungen aufhob. Der schwächliche Faden zerriss und löste sich auf. Er spürte, wie etwas in ihm wieder dorthin zurückkehrte, wo es hingehörte. Dann lächelte Isaak ihn glücklich an. Seine Freude war so überwältigend und Jake konnte gar nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. War es nicht eher so, dass er sich freute? Mit Bestimmtheit konnte er es jedenfalls nicht sagen.

Aller Anfang ist schwer

[„Gong“ Attention Please: Anmerkung des Autoren. Die Geschichte spielt wie im Buch 2005/2006. Der verwendete Song in diesem Kapitel war zu dieser Zeit noch nicht veröffentlicht, aber hey ich bin der Autor und ich bestimme einfach mal. Er ist veröffentlicht, Punkt. Over and Out]
 

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Verwendeter Songtext:

Urheber: Subway to Sally

Album: Kreuzfahrer

Song: Einsam

Veröffentlichung: 2009

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Plötzlich kehrte die Welt mit aller Macht zurück. Jake fühlte sich schwach und die Schwerkraft war so unendlich stark, als wäre er schon immer schwerelos gewesen und spürte sie nun zum ersten Mal. Er begann zu zittern und stürzte, aber er berührte den Boden dabei nicht. Isaak fing ihn blitzschnell auf und stützte ihn. Sie sahen einander in die Augen, wie bei einem Spiegelbild. Beide konnten in die Seele des jeweils anderen schauen, und erkannten dabei auch ihr eigenes Innenleben wieder.

In seinem Kopf hörte er Isaaks Stimme: „Das geht gleich vorbei. Du musst dich nur ein wenig entspannen und dich an die Verbindung gewöhnen.“ Zudem spürte Jake die Gefühle des anderen. Der Rotblonde wollte ihn schnellstmöglich loslassen und Distanz zwischen sie bringen. Nicht um seinetwillen, sondern, weil er ihm nicht zu nahetreten wollte und Angst vor seiner Reaktion hatte.

Unwirsch knurrte Jake und versuchte sich zu entspannen. Das drückende Gefühl der Schwerkraft ließ nach und er konnte sich wieder aufrichten. Sofort ließ Isaak ihn los und trat mehrere Schritte zurück. Jake ließ ihn dabei nicht aus den Augen und versuchte die Gefühle des anderen zu analysieren. Dieser versuchte angestrengt einfach gar nichts zu denken, um es ihm leichter zu machen.

Er schnaubte und schüttelte den Kopf. Wo sollte das nur hinführen? Er war froh über Isaaks Rücksichtnahme, aber er wollte auch gleichzeitig, dass dieser es bleiben ließ. Sie waren für den Rest ihres Lebens aneinandergebunden. Er wollte den Wächter nicht für ewig so sehr einschränken.

Der Rotblonde indes sah zu dem Anhänger und fragte geistig: „Darf ich?“ Der Beta nickte nur und wusste instinktiv, was der andere vorhatte. Dieser wollte die nun unnützen Zauber, welche die Prägung unterdrücken sollten, aufheben, um seine Kräfte zu sparen.

Der Anhänger löste sich von Jakes Brust, sowie von der Kette und schwebte zu Isaak hin. Er schloss die Hände um das Kleinod, und auch die Augen. Jake fragte sich was der andere da eigentlich tat und griff neugierig nach ihrer mentalen Verbindung.

Ohne es zu verstehen oder zu wissen, wie er es getan hatte, fand er sich auf einmal erneut in der weißen Unendlichkeit vor. Er sah Isaak dastehen und um ihn herum erschienen unzählige Runen, Fäden, Kreise und seltsame Konturen.

Er wusste zwar nicht woher, aber ihm wurde klar, dass das die Kräfte des Anhängers waren, oder besser gesagt eine Art visualisierte Darstellung davon. Isaak ließ sich von Jake nicht stören. Der Gestaltwandler wusste, dass der Rotblonde ihn hätte abblocken oder rauswerfen können, tat es aber nicht.

Der Wächter begann nun zu rezitieren und griff, aus Jakes Perspektive gesprochen, wahllos nach einzelnen Elementen des Zaubers. Mal hier, mal dort, erloschen Runen und Symbole. Auch ein ganzer Abschnitt musste schlussendlich weichen und Jake wusste einfach, dass es Isaak nun wesentlich weniger Kraft kostete, die Macht des Schmuckstücks aufrechtzuerhalten.

Dann sah sich der Rotblonde eine bestimmte Konstellation an und begann zu überlegen. Durch ihre neue Verbindung musste er den Schutz vor seiner Beeinflussung massiv verstärken. Das würde ihn viel Magie kosten.

Jake beobachtete ihn und schüttelte plötzlich den Kopf. Isaak sah auf und fragte sich, was der Wolfsjunge wollte. In diesem Raum konnten sie nicht direkt miteinander sprechen. Ihre Kommunikation bestand mehr aus Gefühlen, denn aus wirklichen Wörtern. Es war schwer zu beschreiben. Jake versuchte ihm verständlich zu machen, dass er diesen Teil einfach löschen sollte.

Der Wächter erbleichte und war sich sehr unsicher. Dann schüttelte er den Kopf und zeigte Jake seine ganze Macht.

Plötzlich begriff Jake die Reichweite von Isaaks Stärke. Ihm war zwar bewusst gewesen, dass der Wächter stark war, aber nicht, wie groß, nahezu grenzenlos, seine Macht, im Vergleich zu seinem eigenen Dasein, war. Er war ein Nichts, ein kleines Insekt, das jederzeit vom Rotblonden zerquetscht werden konnte, wenn dieser es wollte.

Ungeachtet dieser erdrückenden Erfahrung spürte er aber auch dessen Gefühle und Jake fühlte sich dennoch sicher und geborgen. Er hieß den anderen willkommen und wich nicht zurück. Das Gefühl verschwand und Isaak begann den Schutz für ihn umzustrukturieren und deutlich zu verstärken. Für diesen war die Angelegenheit eindeutig: Jake brauchte Schutz vor ihm.

Der Wolf wollte das aber nicht, er war sich sicher, dass Isaak ihm nie schaden würde. Außerdem kannte er den Preis für diesen Schutz, und Isaak sollte sich nicht noch mehr verausgaben, als ohnehin schon. So schüttelte Jake abermals den Kopf und ergriff Isaaks Hand. Sie sahen sich in die Augen und der Wächter gab nach. Wenn Jake es so wollte, dann sollte es so sein. Dennoch schien er stumm zu fragen: „Bist du dir wirklich sicher? Ich bin zu stark. Ich will dich nicht verletzen.“

Jake hielt ebenso wortlos dagegen: „Du wirst mich nicht verletzen.“ Dann nickte er zuversichtlich und machte eine schneidende Bewegung, hin zu dem Schutzzauber. Isaak seufzte innerlich und löschte den gesamten Abschnitt, mit genau der gleichen Bewegung, die Jake bereits vorgemacht hatte.

Dann kehrten sie in die Wirklichkeit zurück. Isaak öffnete die Hände und das Schmuckstück schwebte zu Jake zurück. Währenddessen sagte der Wächter geistig: „Ich kann das jederzeit ändern. Ein Wort genügt.“

Jake entgegnete: „Passt schon.“

Dann wurde er sich der starrenden Blicke der anderen bewusst und sah zum Haus. Er stutzte und fragte laut: „Was sind das da für Fäden, Symbole und Lichtdinger?“

„Ich verstehe nicht“, gestand der Rotblonde und sah in die gleiche Richtung. Plötzlich spürte Jake dessen Sorge und wie dieser ihn geistig anstupste. Er griff mental nach Isaak und zeigte ihm was er sah.

Der Wächter schrak zurück und flüsterte: „Das ist doch unmöglich.“ Er wechselte zu mental und offenbarte: „Jake du besitzt nun den „wahren Blick“. Was du siehst, sehe ich auch. Es sind Verbindungen, Gefühle, Entscheidungen, Überbleibsel der Vergangenheit und Zeugen der Zukunft. Einfach ausgedrückt: Du kannst nun hinter den Schleier des Seins sehen und die Zusammenhänge erkennen.

Das ist eine Fähigkeit der Wächter. Es dauert Jahrzehnte, um das visuell Erfasste richtig deuten zu können. Zudem sieht jeder Wächter die Welt anders. Es hat etwas mit der individuellen Vorstellungskraft und Sichtweise der Welt zu tun. Du dürftest das nicht sehen. Das sollte so nicht sein. Es war kein Bestandteil der Bindung, jedenfalls nicht von mir.“

„Was soll das heißen, jedenfalls nicht von dir? Willst du damit sagen, ich wollte das?“

„So muss es sein. Ich habe mich exakt an deine Auswahl gehalten. Es waren dennoch Punkte offen. Theoretisch hätten wir noch weitere Eigenschaften einbauen können, aber ich wollte die Einschränkungen und Auswirkungen möglichst niedrig halten. Für uns beide.

Nichtsdestotrotz habe ich mehr Magie verbraucht als ich berechnet hatte. Ich dachte, ich hätte einen Fehler in meinen Annahmen gemacht und mir nichts dabei gedacht. Das ist für mich das erste Mal, dass ich einen Bindungszauber gewoben habe.

Da du nun aber den „wahren Blick“ hast, musst du irgendwie unbewusst die Verbindung beeinflusst und sie stärker gemacht haben als beabsichtigt. Darf ich mir deine Gedanken kurz vor der Bindung ansehen? Ich muss die Zusammenhänge analysieren, um zu verstehen, was geschehen ist.“

Jake knurrte ungehalten und nickte. Er spürte erneut Isaaks Präsenz in seinem Kopf. Einen Augenblick setzte er sich zur Wehr und der Andere wich sofort zurück. Dann gab er sich einen Ruck und zog ihn abermals in seinen Geist. Äußerst vorsichtig sah sich Isaak seine Gedanken an und versuchte zu verstehen, was schiefgelaufen war. Dann zog er sich zurück und sagte verblüfft: „Du willst mir eine Chance geben, dich kennen zu lernen?“

Der andere sah ihn nicht an und schaute demonstrativ weg. „Damit habe ich nicht gerechnet. Ich dachte nicht, dass du diese Verbindung wirklich willentlich eingegangen bist. Ich habe angenommen, dass du sie nur als letzten Ausweg ansiehst und dich gegen sie sträubst. Demnach habe ich den Zauber aufgesetzt. Ich muss darüber in Ruhe nachdenken und die Verbindung ganz genau analysieren, um zu erfahren, welche Elemente du durch diese Entscheidung beeinflusst hast.“

„Soll also meine Schuld sein, oder was?“

„Das habe ich nicht gesagt. Deine Entscheidung verändert aber alles. Vielleicht kann ich da was machen. Ich muss aber zuerst begreifen, was du verändert hast.“

Erbost knurrte er und nickte. Dann fragte er: „Kann man diesen „wahren Blick“ abschalten. Der nervt.“

„Ja, kann man. Du musst dich konzentrieren. Lass einen Schleier über deine Augen fallen und versuche nicht allzu deutlich hinzusehen. Dann sollten die Eindrücke verschwinden.“

Jake konzentrierte sich, schaffte es aber nicht auf Anhieb. Dann fiel sein Blick auf eine Art lila Kette, welche sich um die Köpfe der anderen schloss. Er fragte sich, was das bedeuten sollte. Dann sah er zu seinem Anhänger und dieser leuchtete ebenfalls lila. „Stellt die Farbe lila Magie dar?“

„Das kann ich nicht beantworten. Jeder sieht die Welt anders. Was genau beschäftigt dich? Vielleicht kann ich den Sinn entschlüsseln.“

„Ich sehe eine lila Kette um die Köpfe der anderen. Ich glaube, das hat etwas mit Magie zu tun. Ist nur so ein Gefühl.“

Isaak zuckte zurück und versuchte die Verbindung zu trennen, aber Jake griff nach ihm und hielt ihn davon ab: „Du weißt was ich meine. Spuks aus. Was ist das?“

„Jake, dass willst du nicht wissen“, wich ihm der Wächter aus.

Der Gestaltwandler knurrte ungehalten und blaffte: „Spuks aus, oder ich suche in deinem Kopf selbst nach der Antwort.“

„Das kannst du nicht. Meine Abwehr ist zu stark.“

„Das werden wir sehen“, schnaubte er und ging zum Angriff über. Mit seinem Geist drang er einfach ungefragt in Isaaks Kopf ein und fegte seine Abwehr beiseite. Dann suchte er nach dem Wissen und fand es. Der Rotblonde hatte die Vampire, und auch Bella, mit einem Bann belegt, sodass sie keinerlei Informationen über ihn oder die Wächter, willentlich oder unwillentlich, preisgeben konnten.

Entsetzt sah Isaak ihm dabei zu, wie Jake in seinem Geist herumwühlte. Seine Versuche ihn daran zu hindern, juckten den Wolf gar nicht. Er wollte Jake nicht verletzen, und so wusste er nicht, was er dagegen tun sollte.

Zornig fuhr Jake ihn an: „Wem hast du noch so einen Bann auferlegt? Meinem Vater? Meinem Rudel?“

Isaak bat ihn aufzuhören, aber Jake machte weiter und suchte selbst nach den Antworten. Dabei ging er äußerst brutal vor und zerschlug einige Mauern, welche der Wächter ihm in den Weg stellte.

„Jake, bitte hör auf“, flehte Isaak nun und wich vor seinem Geist zurück. Abermals ließ er ihn nicht entkommen und packte grob zu. Dann suchte er einfach weiter. Er erfuhr, dass seine Befürchtungen sich bewahrheiteten: Billy, dem ganzen Rudel und auch dem Ältestenrat hatte Isaak ebenfalls diesen Bann auferlegt.

Er steigerte sich in seine Wut und fiel erbarmungslos über den Geist des anderen her. Er wollte wissen, was der Wächter noch alles vor ihm verbarg. Er spürte die Angst in Isaak aufkeimen, ignorierte diese aber einfach. Dann blitzte ein Bild vor seinen Augen auf. Ein kleiner rotblonder Junge lag nackt auf einem Bett. Der Mann über ihn ignorierte dessen Weinen und Flehen und machte sich den hilflosen Jungen gefügig.

Auf einmal ging ein Ruck durch Isaaks Geist. In Panik schrie der Wächter: „Nein, lass mich. Ich will das nicht.“ Dann stieß er den perplexen Jake weg, warf ihn aus seinem Kopf und baute eine unüberwindbare Mauer aus Angst auf.

Gleichzeitig stieß er Jake auch in der Wirklichkeit von sich. Der Gestaltwandler flog einige Meter durch die Luft und schlitterte hart über den Boden. Er landete in der Einfahrt. Dabei zog er sich aber keinen einzigen Kratzer zu. Erschrocken sah er auf.

Isaak stand zitternd da und sah ihn panisch an. Tränen quollen aus seinen Augen und er schien vollkommen aufgelöst. In diesem Moment erkannte Jake, dass er zu weit gegangen war. Der andere hatte Angst vor ihm. Angst, dass er sich einfach nahm was er wollte und ihn sich gefügig machte.

Stotternd sagte der Rotblonde: „Warum tust du mir das an? Hasst du mich so sehr, dass du mich zu Grunde richten willst. Ich kann das nicht. So kann ich nicht leben.“ Dann schoss er davon und machte von der Option Gebrauch sich mental abschotten zu können.

Jake blieb wie ein Häufchen Elend zurück. Er hatte Isaak sehr weh getan mit seinem Überfall und ihn auf emotionaler und geistiger Ebene entsetzliche Schmerzen zugefügt.

Schon kam Bella zu ihm gerannt und fragte: „Jake geht es dir gut?“

„Ja“, sagte dieser tonlos und stand auf. Einen Augenblick dachte er daran dem Rotblonden zu folgen. Er wusste aber auch, dass Isaak diesen Moment für sich brauchte. Der Wächter musste sich erst erholen und diesen Übergriff verarbeiten. Auch er schottete sich schnell ab, um es dem Anderen leichter zu machen.

„Was ist passiert? Warum hat er dich angegriffen? Was hat dieses Monster dir angetan?“, wollte Bella wissen und starrte böse in die Richtung, in die Isaak verschwunden war.

„Lass gut sein Bella. Er hat nichts getan. Ich bin das Monster“, gestand Jake und ließ den Kopf hängen. Dann berichtete er ihr was er herausgefunden und getan hatte.

Die Anderen hörten gespannt zu und zischten wütend, als er ihnen von dem Bann erzählte. Es gefiel ihnen gar nicht von dem Wächter manipuliert worden zu sein. Dann sagte Alice: „Ich kann ihn verstehen. Er muss sich schützen. Was hättet ihr an seiner Stelle getan? Bedenkt, dass er eine große Last schultert und sein Wissen sehr gefährlich für die ganze Welt sein kann. Ich finde es da nur verständlich, dass er sicherstellen muss, dass seine Existenz geheim bleibt. Machen wir das nicht auch so? Wenn, jemand unser Geheimnis erfährt, wird es gefährlich. Für ihn, und auch für uns. Bei Isaak ist das genauso. Wenn nicht sogar wesentlich schlimmer.“

Dann nahm sich Bella ihren besten Freund vor und redete ihm eine geschlagene viertel Stunde ins Gewissen. Schon vor dieser Standpauke hatte er sich elend gefühlt. Durch die Ausführungen der jungen Dame wurde es nur noch schlimmer.

Irgendwann fand er sich dann im Wohnzimmer der Cullens wieder und hörte in seinem Kopf eine Melodie. Isaak hatte begonnen zu singen. Er konnte den Text nicht verstehen, da er in einer anderen Sprache sang. Unwirsch wandte er sich an Edward und fragte: „Kann ich mal an deinen Laptop? Ich muss da mal was nachschauen.“

Alarmiert fragte Bella: „Ist was passiert? Geht es Isaak gut? Oder…?“

„Er hat sich einigermaßen gefangen. Ich kann seine Trauer spüren. Er singt gerade und ich würde gerne wissen, was er da singt. Es ist in einer anderen Sprache, verstehst du?“, offenbarte er kleinlaut. Auch, wenn sie sich gegeneinander abschotteten, blitzten immer mal wieder kurze Einblicke auf.

Mit Vampirgeschwindigkeit stand der Laptop auf seinem Schoß und Jake begann mit der Suche. Nach einer Weile hatte er immerhin schon mal herausgefunden, um welche Sprache es sich handelte. Dann fand er das Lied. Es stammte von der Gruppe namens Subway to Sally und wurde in Deutsch gesungen. Es hieß: Einsam. Das gefiel Jake gar nicht und er suchte schnell eine Übersetzung. Dann las er:

Mein Leben zieht sich einsam hin

Ein Quell, der über Felsen rinnt

Der nie sich in den Strom ergießt

Und doch an Lauf und Kraft gewinnt

Wie Efeu, der am Boden liegt

Und weit und breit kein Baum in Sicht

Den er umarmt, weil er ihn trägt

Auf seinem Weg empor zum Licht

Einsam will ich untergehen

Und im Sand der Zeit versinken

Eines Tages auferstehen

Einsam von der Quelle trinken

Einsam will ich untergehen

Wie ein Schiff in wüsten Meeren

Will ich einsam untergehen

Eines Tages wiederkehren

Wie ein Mantel legt sich um mich

Sanft und schwer die Einsamkeit

Und mein Blut ist ruhig und kalt

In mir wächst Gelassenheit

Raben fliegen scharenweise

Der Adler fliegt allein ins Licht

Und nur ein Narr braucht die Gesellschaft

Ich brauch das alles nicht

Einsam will ich untergehen

Und im Sand der Zeit versinken

Eines Tages auferstehen

Einsam von der Quelle trinken

Einsam will ich untergehen

Wie ein Schiff in wüsten Meeren

Will ich einsam untergehen

Eines Tages wiederkehren

So gehe ich einsam meinen Weg

Und bin mir selbst mein bester Freund

Weil von der Welt nichts zu erwarten steht

Was ich mir je erträumt

Einsam will ich untergehen

Einsam will ich untergehen

Einsam will ich untergehen

Eines Tages auferstehen

Einsam will ich untergehen

Und im Sand der Zeit versinken

Eines Tages auferstehen

Einsam von der Quelle trinken

Einsam will ich untergehen

Wie ein Schiff in wüsten Meeren

Will ich einsam untergehen

Eines Tages wiederkehren

Jake musste hart schlucken bei diesen Zeilen. Er wusste, dass Isaak das nicht einfach nur so sang; er glaubte auch daran. In diesem Augenblick bemerkte der Wächter ihn und sah entsetzt, was Jacob da tat. Jake spürte die aufkommende Angst. Dann wurde es still in der Verbindung. Isaak schottete sich vollständig ab.

Ohne nachzudenken sprang der Gestaltwandler auf und Edward fing seinen Laptop, schnell bevor dieser mit dem Boden Bekanntschaft machte. „Pass doch auf“, fauchte der Vampir. Jake hatte gerade ganz andere Sorgen. Er musste seinen Fehler ausbügeln und zwar schnell. So konnte es nicht weitergehen. Ohne sich zu erklären, verabschiedete er sich von allen, und schon rannte er als Wolf nach Hause. Was er vor hatte schmeckte ihm gar nicht, aber es musste sein. Er musste ein Statement setzen, wenn er auch nur den Hauch einer Chance haben wollte, dass Isaak ihm verzeihen konnte.

Während er durch den Wald streifte, rief er das gesamte Rudel zusammen, und erklärte, was die letzten Tage vorgefallen war. Einige Dinge verschwieg er. Zum Beispiel alles was Isaak über die Wächter erzählt hatte. Ebenso auch die ganzen Eigenschaften auf den Karten. Das ging niemanden außer ihn und Isaak etwas an. Er erzählte aber, dass er seine Prägung zum Preis einer neuen Bindung los geworden war und, dass er einen Fehler begangen hatte. Auch hier ging er nicht ins Detail.

Als er bei der Wolfshöhle ankam, waren alle anderen schon anwesend und warteten auf ihn. Sam war vorab schon von Bella unterrichtet worden, dass sie gemeinsam an einer Lösung arbeiteten. Keiner im Rudel hatte das aber glauben können.

Schnell schlüpfte Jake in eine Hose und stellte sich den anderen. Kaum in Sichtweite begann Paul: „Da kommt ja die eklige Schwuchtel.“

Jake ignorierte den Schwachkopf einfach. Sam knurrte und Paul hörte sofort auf. „Wie soll es nun weitergehen, Jake? Was ist das für eine neue Bindung und was bedeutet das für uns?“

Black Junior straffte sich und erklärte: „Die Prägung ist Geschichte. Diese neue Verbindung ist irgendwie anders, aber das geht euch ehrlich gesagt nichts an. Das ist meine Sache. Hauptsache, ich verliere nicht meinen Verstand und bin immer noch ich selbst. Nur eines: Die neue Verbindung zwingt mich zu nichts mehr und ich kann selbst entscheiden, was ich will und was nicht. Zudem hat Isaak mir den Anhänger zurückgegeben und ich werde mich auch weiterhin vor dem Rudel abschirmen.“

Dann grinste er Paul an und sagte heimtückisch: „Und der Depp hat eh schon ein Dauermute von mir. Den Blödsinn muss ich mir nicht geben.“ Sam knurrte und ließ beide wissen, dass es jetzt Wichtigeres gab und er keinen Streit dulden würde.

Jake wurde wieder ernst und sagte: „Egal. Ich weiß nicht, was die Zukunft mir beschert. Ich weiß aber, was ich jetzt zu tun habe.“

Er straffte sich und schluckte schwer; was er plante würde nicht gut ausgehen. Da musste er jetzt einfach durch. Jake öffnete sich und rief in seinem Kopf. „Isaak, komm bitte zu mir. Wir müssen reden.“

Absichtlich hatte er auch im Rudel gesprochen. Alle sollten wissen was er tat.

Einen Moment herrschte Stille, dann kam die Antwort: „Bin auf dem Weg.“ Jake bekam einen kurzen Einblick in die Gedankenwelt seines geistigen Partners und was er sah, ließ ihn zusammenzucken. Isaak war davon überzeugt, dass Jake ihn vor dem Rudel auslachen wollte und ihn anschließend wegschicken würde. Dennoch kam er. Er musste. Er wollte das zwar nicht, aber es würde Jake helfen und er beugte sich seinem Willen.

„Er ist gleich da“, offenbarte Jake und schottete sich komplett ab. Nach außen hin war er vollkommen ruhig, auch wenn er innerlich tobte. Er war ja schließlich selbst an dem Schlamassel schuld.

Irritiert sahen ihn seine Kameraden an und fragten sich, was Jake vorhatte. Dann kam auch schon Isaak aus dem Wald gerannt und stellte sich zu ihnen. Mit gesenktem Kopf stand er da und hatte sich ebenfalls vollkommen abgeschottet. Sein Gesicht war eine Maske, aber Jake ließ sich nicht täuschen. Der Wächter hatte Angst und war unendlich traurig.

Jake räusperte sich. Konnte er das wirklich tun? Das würde sein Leben für immer verändern. Dann entschied er sich und schnauzte wütend: „Schau mich gefälligst an.“

Isaak seufzte schwer und hob den Blick. Ihre Augen trafen sich. In den blauen Kristallen schimmerte der Schein von kommenden Tränen. Jake nickte, jetzt war er sich sicher und begann: „Isaak, es tut mir leid. Ich hätte das dir nicht antun dürfen. Wenn du mich immer noch willst, dann lass es uns versuchen.“

Ungläubig starrte der Wächter zurück und konnte nicht glauben, was er da hörte, doch Jake machte einfach weiter. „Ich habe dir Unrecht getan. Ich kann es dir nicht übelnehmen, dass du meine Prägung ausgelöst hast, jedenfalls jetzt nicht mehr. Aber, ich bin immer noch ich. Ich bin nicht schwul.“ Jake grinste gequält „Dennoch, wir sind aneinandergebunden, also lass uns versuchen wenigstens Freunde zu werden.

Erwarte nicht, dass ich meine Meinung von heute auf morgen ändere, oder dass ich jemals mit dir ins Bett steige. Das kann ich einfach nicht. Ich will nur, dass du weißt, worauf du dich da einlässt.“ Jake schluckte hart und fügte hinzu: „Ich weiß, dass ich dir sehr weh getan habe. Aber ich frage dich nun hier, vor dem ganzen Rudel. Kannst du mir verzeihen?“

Isaak ließ den Blick wandern und sah die geschockten Gesichter der anderen. Er wusste, wie schwer es Jake gefallen sein musste, sowas laut auszusprechen und dazu auch noch vor seinen Kameraden. Dann schaute er wieder zu Jake. Konnte er ihm trauen, oder würde er mich gleich auslachen und bloßstellen?

Der Wolf konnte das Zaudern in seiner Miene erkennen und griff mental nach ihm. Sofort zog sich Isaak zurück und errichtete eine eiserne Mauer. Jake versuchte gar nicht erst, an dem Hindernis zu rütteln. Er stupste sanft gegen die Barriere und sagte: „Komm, sieh in meinen Geist. Dann entscheide.“

Isaak war immer noch misstrauisch, griff aber nach der angebotenen Verbindung und ließ sich widerstandslos in Jakes Kopf ziehen. Der Gestaltwandler ließ alle Barrieren fallen und offenbarte ihm seine Gefühle. Er verschwieg nichts und zeigte ihm auch, dass er sich immer noch davor ekelte, mit einem Mann intim zu werden. Er war dennoch aber gewillt, ihm eine Chance zu geben und glücklich zu werden. „Selbst, wenn ich nie über das Händchen halten hinausgehen kann, ist ein Versuch immer noch besser als die derzeitige Situation. So sehe ich das jedenfalls. Du musst nun entscheiden, ob dir das Wenige, das ich dir anbieten kann, reicht“, versuchte Jake zu erklären.

Isaak entzog sich ihm und er ließ ihn gehen. Er hatte seine Lektion gelernt. So gewalttätig wollte er nie wieder sein.

„Ich kann dir nicht so einfach verzeihen. Was du getan hast, hat Narben hinterlassen“, begann der Rothaarige leise. „Nur die Zukunft kann zeigen, ob sie heilen werden. Ich bin aber gewillt es zu versuchen. Ebenso wie du, habe auch ich keine Wahl. Wenn nur der Hauch einer Chance besteht, dass das hier ein gutes Ende nehmen kann, bin ich gewillt, uns diese Möglichkeit nicht zu verwehren.“

Er rollte mit den Augen und gestand: „Was den Aspekt des Beischlafs anbelangt, so komme ich seit langer Zeit auch gut ohne zurecht.“ Dann wurde er ernst und offenbarte: „Ich habe dir meine Lebensgeschichte erzählt. Auch, wenn ich schon längst über meine Vergangenheit hinweg bin, hast du heute etwas in mir aufgewirbelt, von dem ich dachte, es nie wieder erleben zu müssen. Sei gewarnt: Solltest du so etwas noch einmal tun, so wähle ich, ohne zu zögern, den Freitod und werde dich durch die Seelenbindung mit mir nehmen. Per deos iuro. Bei den Göttern, das schwöre ich.“

Jake zuckte zusammen und sagte kleinlaut: „Das hätte ich dann wohl verdient.“ Dann trat er vor und hielt ihm die Hand hin. „Freunde?“

Immer noch etwas unsicher ergriff Isaak die angebotene Hand und wiederholte: „Freunde.“

Dann schüttelten sie kurz die Hände, um ihre Übereinkunft zu besiegeln. Noch bevor sie sich voneinander trennen konnten, begann Paul zu zetern: „Da seht ihr es. Diese abartigen Schwuchteln machen sich direkt vor uns ein Liebesgeständnis. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Jake, du tickst doch nicht mehr richtig. Du bist eine Missgeburt. Du…“

„Genug“, knurrte Sam und Paul wurde zum Schweigen gezwungen. Dann sah er zu den beiden, welche nun nebeneinander standen. „Jake, was soll das werden? Das soll der Weg sein, für den du dich entschieden hast? Uns allen in den Rücken zu fallen, für dieses Monster da?“

Erbost knurrte Jake zurück: „Ich falle keinem in den Rücken. Was soll ich denn sonst machen? Bis in alle Ewigkeit unglücklich sein? Dann kann ich mir auch gleich die Kugel geben.“

„Wäre vielleicht die bessere Wahl, du Homo“, keifte nun Quil.

Jake machte Anstalten, sich auf Quil zu stürzen, als sich Leah einmischte: „Vielleicht wäre es besser, wenn du dir die Kugel geben würdest. Wenn du überhaupt in der Lage wärst, dein Spatzenhirn zu treffen.“

Die beiden funkelten sich böse an und es begann ein hitziger Streit. Dann hörte Jake Isaaks Stimme durch ihre Verbindung: „Ich glaube, es ist besser, wenn ich gehe. Meine Anwesenheit hilft dir nicht.“

„Du bleibst hier. Das wird jetzt ausdiskutiert. Ich habe mich lange genug geduckt. Entweder sie akzeptieren unsere abart… seltsame Verbindung, oder ich verlasse das Rudel“, knurrte Jake ernst zurück.

„Jake, bitte tu das nicht. Du bist Teil dieses Rudels. Es ist dein Geburtsrecht. Ich werde nicht zulassen, dass du das wegen mir aufgibst“, bestimmte Isaak. Dann sprach er den Alpha an: „Sam, würde es den Frieden wahren, wenn ich euer Revier verlasse und nie wiederkäme? Durch die neue Verbindung ist das jetzt möglich. Zudem kann Jake seine Gedanken vor euch abschirmen. Das Rudel würde nicht durch unsere Verbindung belästigt werden.“

Bevor Sam die Chance hatte zu antworten platzte Jake der Kragen und er schrie Isaak an: „DU BLEIBST GEFÄLLIGST HIER.“ Er sah, wie dieser zurückzuckte, und korrigierte: „Du kannst so lange hierbleiben, wie du willst. Hör endlich auf nur an mein Wohl zu denken und solche beschissenen Entscheidungen über meinen Kopf hinweg zu treffen.“

Dann stapfte er wütend umher und redete sich von der Seele: „Ich weiß, dass ich nicht fair zu dir war. Dafür entschuldige ich mich. Zu unser beider Wohl will ich versuchen, eine Freundschaft mit dir aufzubauen. Mehr kann ich dir nicht versprechen. Ich habe aber keinen Bock mehr auf dieses selbstlose Samariter-Nummer, die du hier ständig abziehst. Ich war in deinem Kopf. Ich weiß wie stark du bist. Also lass uns auf Augenhöhe reden oder verpiss dich einfach. Einen solchen Freund brauche ich nicht.“

Erschrocken sah er zu Isaak. Er hatte es schon wieder getan und den Wächter vor den Kopf gestoßen. War er zu weit gegangen? Es sollte dringend mal an seinem Temperament arbeiten. Er musste sich entschuldigen. „Isaak, das war so nicht gemeint. Wenn du gehen willst dann…“

„Ich bleibe“, bestimmte der Rotblonde und fügte hinzu: „Ich war auch in deinem Kopf, und ich würde dich gerne kennen lernen.“

Erleichtert atmete Jake erstmal kräftig durch.

Das Rudel hingegen war überhaupt nicht einverstanden und sofort begann erneut ein Streit. Sam ließ sie diesmal gewähren und mischte sich nicht ein. Auch, wenn er nichts sagte, so war seine Körpersprache eindeutig: Er stand Jake gegenüber distanziert dar, in ablehnender Haltung.

Paul und Quil tobten gegen Jake. Da stieg Leah mit ein und stellte sich auf Jakes Seite. Als Nächstes brachte sich, zur Überraschung aller, Seth in die Diskussion ein und ergriff ebenfalls für Jake Partei. Beide Clearwaters schimpften, wie altertümlich die Denkweise der anderen doch sei. Ihrer Meinung nach sollte Jake machen was er wollte.

Zu guter Letzt standen Embry und Jared zwischen den Stühlen. Beide waren der Meinung, solange Jake sie nicht belästigte oder ihnen zu nahetrat, hatten sie keine Probleme mit ihm. Da aber Jared nicht glaubte, dass dies der Fall sein würde und er annahm, dass die Beiden zusammenkommen würden, schloss er sich Paul an, wohingegen Embry neutral blieb.

Die Stimmung wurde immer angespannter und die Wölfe standen kurz vor einer Massenschlägerei. Isaak indes hörte zwar zu, sagte aber nichts. Seinen Gedanken entnahm Jake, dass man Leuten mit einer so abgeneigten Haltung Vernunft schwerlich einbläuen könnte. Er erachtete diese Diskussion somit als vollkommen sinnlos. Keiner würde von seiner Meinung abweichen, egal was einer von ihnen sagen würde.

Dann sprach Sam ein Machtwort und es herrschte Stille. „Genug. Jake, du kennst die Sitten der Quileute. Du hast dich für diese eigenartige Verbindung entschieden. Ich bin weder überzeugt, dass Isaak keine Gefahr für uns ist, noch dass ihr zwei nicht unsere Sitten brecht. Deshalb lässt du mir kaum eine Wahl. Jake, überdenke deine Entscheidung. Brich mit Isaak und wir können das Ganze vergessen. Was sagst du dazu?“

Irritiert sahen die Wölfe zu, wie die beiden sich offenbar mental unterhielten. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung auf ein glückliches Ende.

Jake schloss die Augen und er rieb sich die Schläfe. Leise knurrte er mental: „Dieser verdammte „wahre Blick“ macht mich noch wahnsinnig.“

Besorgt fragte Isaak: „Was meinst du damit? Was siehst du?“

Seit einigen Sekunden verlor die Welt immer wieder die Farben und bestand nur noch aus Grautönen. Dann kehrte die Farbe zurück, nur um erneut zu verblassen. Das, zusammen mit dem Streit im Rudel, hatte ihm hämmernde Kopfschmerzen beschert.

Anstelle sich zu erklären, zog er den Wächter in seinen Kopf, und zeigte es ihm einfach. Durch ihre Verbindung bekam er mit, wie Isaaks Sorge wuchs und auch er die Welt mit dem „wahren Blick“ betrachtet. Seine Sorge schlug in Verwirrung um. „Sieh zu deinem Rudel, Jake“, befahl er auf einmal.

Jake knurrte aufgrund des Befehlstons, fügte sich aber. Der Wächter erschrak und schlug die Hand vor den Mund. Dann sah auch Jake, was diesen so bestürzte. Wenn die Welt in Grau überging zeigen sich dunkle Flecken auf den Körpern der anderen und Ihre Konturen verschwammen. Auf einmal wusste er, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte.

Er fragte laut: „Was heißt das?“

Ebenfalls laut antworte Isaak: „Das ist ein Omen des Todes. Etwas sehr Schlimmes wird geschehen.“ Dann ließ er die Hand sinken und starrte unfokussiert in den Wald. Sofort war Jakes Neugierde geweckt und er drang in dessen Geist ein. Isaak beachtete ihn gar nicht. Er war zu beschäftigt damit, die Zeichen zu deuten.

Jake spürte, wie der andere auf einmal seinen Geist aussandte und den ganzen Wald absuchte. Eine Flut von Bildern, Gerüchen, Linien, Farben, Symbolen und Emotionen schossen an seinem inneren Auge vorbei. Er nahm wahr, was auch Isaak wahrnahm, konnte aber nicht alles erfassen. Es waren einfach zu viele Informationen. Er wusste nur, dass Isaak nach etwas oder jemanden suchte. Dann fokussierte sich der Blick des Rotblonden auf eine Art neblige Erscheinung, welche irgendwo im Wald umherwaberte.

Plötzlich griff Isaak im Geiste nach Jake und sagte: „Sieh hin. Sieh genau hin.“ In seiner Stimme schwang eine Spur Angst mit und abermals tat der Gestaltwandler, was von ihm gewollt wurde. Er konnte spüren, wie sie von Isaaks in seinen Kopf wechselten und nun er diese Szene betrachtete. Da war aber kein Nebel mehr. Es waren einige Vampire, welche rasant unter dem Baldachin der Bäume rannten. Isaak war äußerst beunruhigt, als er sah, was Jake sah.

„Wie kann das sein?“, fragte er sich. Jetzt war aber nicht der richtige Zeitpunkt, sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Er zog sich aus Jakes Kopf zurück und sagte zu Sam: „Das Rudel wird angegriffen. Eine Gruppe von acht Vampiren nähert sich eurer Grenze.“ Bei diesen Worten zeigte er in die entsprechende Richtung. „Ihr Ziel ist offenbar dieser Ort, denn sie kommen genau auf uns zu.“

Hinterhalt

Paul motzte sofort: „Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver.“

Sam hingegen sah wütend zu Isaak, ihre Augen trafen sich. Keiner der beiden zuckte. Dann sagte Jake: „Isaak lügt nicht. Wir müssen sofort handeln.“

Augenblicklich richtete sich der Blick des Alphas auf ihn und er knurrte: „Kein Blutsauger betritt unser Land ungestraft. Sollte das aber eine Finte sein, Jake, wirst du dich vor dem Rat verantworten müssen. Dann liegt das nicht mehr in meiner Hand.“ Er drehte sich um und befahl: „Seth, du bleibst hier. Alle anderen: Los geht’s.“

Alle Gestaltwandler, außer dem Jüngsten, wurden zu Wölfen und rauschten in die gezeigte Richtung davon. Seth sah ihnen wehleidig hinterher. Dann drehte er sich zu dem Rotblonden um und sah, dass auch dieser verschwunden war. Wütend begann er zu schimpfen und ging in Sams Haus. Er würde jetzt das Mittagessen plündern. Seth nahm sich fest vor den anderen nichts übrig zu lassen, selbst wenn er platzte.
 

Das Rudel hetzte durch den Wald und war noch keine hundert Meter vorangekommen, als Isaak zwischen ihnen auftauchte. Paul schnappte nach diesem und der Wächter wich elegant aus. Dann sagte er: „Paul, deine Art geht mir langsam auf den Zeiger. Ich bin kein Mitglied des Rudels. Ich werde mich nicht von einem dahergelaufenen Wolf beißen lassen. Beleidige mich, wenn du möchtest. Das macht mir nichts aus. Solltest du allerdings erneut versuchen, mich anzugreifen, dann lege ich dich übers Knie und versohle ich dir den Hintern.“

Jake und Leah lachten auf, als Paul schnell auf Abstand ging. Sam hingegen ließ sich zurückfallen und knurrte böse. Isaak sah zu dem gewaltigen Leitwolf und erklärte: „Das gilt auch für dich, Sam. Ich mache da keine Unterschiede. Eure Hierarchie interessiert mich nicht einmal ansatzweise.“

Durch ihre Verbindung wusste Jake, dass der Rotblonde keinem wirklich weh tun würde, aber er hätte auch keine Skrupel, seine Worte in die Tat umzusetzen. Das sagte er dann auch den anderen Wölfen. Alle sollten wissen, dass Isaak es ernst meinte.

Solange der Wächter den anderen keinen Schaden zufügen würde, hatte Jake nichts dagegen einzuwenden. Es freute ihn sogar, dass dieser endlich mal aus sich herauskam und Stellung bezog. Das würde bestimmt noch sehr unterhaltsam werden. Der Rotblonde hatte seinen Gedanken mitbekommen und musste nun unwillkürlich grinsen.

Um des lieben Friedens willen ließ sich Isaak aber zurückfallen und folgte ihnen schweigend. Nur hin und wieder gab er eine kleine Kurskorrektur zum Besten.

Jake freute sich nach diesem ganzen Stress darauf, gemeinsam mit dem Rudel kämpfen zu dürfen. Das war ganz nach seinem Geschmack. Isaak hingegen vertiefte sich in seine Gedanken.

Die Situation selbst war auch höchst seltsam. Wenn er den „wahren Blick“ nutzte, sah er keine Anzeichen für drohendes Unheil, so wie Jake sie sah. Er fragte sich, was der Grund dafür sein mochte. Nach langem hin und her gelangte er zu folgendem Schluss. Entweder war er noch zu sehr geschwächt von seinem Magieverbrauch in der letzten Zeit oder, durch die Verbindung mit Jake wurde sein Blick getrübt. Letzteres bereitete ihm starke Sorgen. Ohne den „wahren Blick“ konnte er die Zukunft nicht vorhersehen und somit nicht auf eventuelle Gefahren für alles Leben reagieren. Er konnte nur hoffen, dass diese Nebenwirkung nicht von Dauer war.

Jake verfolgte dessen Gedankenstrom und Isaak machte keine Anstalten ihn daran zu hindern. Nachdem sich Isaak entschieden hatte, die Verbindung zwischen ihnen bis ins kleinste Detail zu untersuchen, sobald er dazu die Zeit fand, kehrte er wieder zu seinem vordringlichen Problem zurück: Dem bevorstehenden Kampf.

Er durfte sich eigentlich nicht einmischen. Das Rudel hatte er aber auch, ohne allzu große Bedenken, gewarnt. Beides stellte eine Einmischung dar und war ein Verstoß gegen die Vorschriften der Wächter. Allerdings hatte er es ebenso geschafft, sich an einen Wolf zu binden. Letzteres war zwar grundsätzlich nicht verboten, die Art und Weise, wie die Bindung erfolgt ist, aber schon. Dann kam noch sein Bedürfnis Jake zu schützen hinzu und er wusste nicht mehr weiter.

Nach den ganzen Regelverstößen in der letzten Zeit war er sich nicht sicher, wo das noch hinführen würde. Als Wächter war es seine Aufgabe im Schatten zu leben und nicht einzugreifen. Er wollte aber auch nicht, dass Jake ein Leid widerfuhr.

Dieser hörte dem Monolog eine Weile lang zu und knurrte danach in beide Verbindungen: „Isaak, du brauchst nicht zu kämpfen. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Die machen wir auch ohne dich platt. Du bist ein Wächter, kein Mitglied des Rudels. Das ist unser Kampf, nicht deiner.“

Der Rotblonde sah auf und warf einen Blick zu Sam. Dieser sah kurz zurück und schnaubte zustimmend. Damit war die Angelegenheit aus seinen Augen erledigt. Der Fremde sollte sich raushalten. Er hatte ohnehin nicht mit ihm gerechnet und wollte auch nicht in der Schuld dieses Monsters stehen.

Jake grinste den Wächter an und dieser grinste zurück. Dann murmelte Isaak leise, aber laut genug, dass alle ihn hörten: „Seht mal, da ist eine offene Lichtung. Man hat dort einen wunderbaren Rundumblick auf die schönen Blumen.“ Jake stutzte und fragte sich, was sie mit dieser Information anfangen sollten.

„Muss ich echt noch deutlicher werden?“, fragte der Wächter und sah eindringlich zu Sam.

Dann fiel es Jake wie Schuppen von den Augen. Das war dessen Art ihnen einen guten Kampfplatz zu geben, ohne es wirklich zu sagen. Jake ließ den Kopf hängen und fragte in beide Verbindungen: „Muss ich von nun an immer deine Worte entschlüsseln und in jeder Bemerkung einen tieferen Sinn suchen?“

Isaak lachte auf und offenbarte: „Man sollte stets nach dem tieferen Sinn suchen, aber nein, bei dir mache ich eine Ausnahme. Immerhin habe ich keine Lust, dass du dich genötigt fühlst, in meinen Kopf nach dem Sinn zu suchen.“

Daraufhin beschleunigte der Wächter, setzte sich an die Spitze und scherte nach rechts aus. Mit einem Knurren folgte Sam ihm und alle betraten kurze Zeit später die genannte Lichtung. Isaak stellte sich in der Mitte auf und starrte in den Himmel. „Hier bleibe ich stehen. So kann ich die Wolkenformationen studieren.“

Jake übersetzte das mal mit: „Ich werde nicht kämpfen, aber ich kann die Vampire anlocken und sie mit meiner Gegenwart verwirren.“

Isaak grinste und sagte: „Wenn ihr mal müsst, geht doch bitte in die Büsche, ja.“

Die Wölfe sahen sich ratlos an und Jake rollte mit den Augen. Dann gab er den Befehl, sich im Halbkreis um die Lichtung zu verteilen und den Vampiren einen Hinterhalt zu stellen. Diese würden sich auf Isaak stürzen und wären damit abgelenkt. Das Rudel hatte somit das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Kaum, dass alle auf Position waren, konnten sie auch schon den Gestank der Blutsauger wahrnehmen. Sie verbargen sich und warteten auf Sams Befehl. Der Wind stand günstig und würde ihren Geruch vor den Gegnern verbergen. An einen Zufall glaubte Jake jedoch nicht. Das hatte der Wächter ganz bestimmt mit eingeplant.

Wenige Augenblicke später erschienen auch schon die acht Vampire und blieben am Rand der Lichtung stehen. Einer von ihnen, ein großer bulliger Kerl, deutete auf Isaak und sagte lachend: Seht mal, Fastfood. Der kommt wie gerufen.“

Der Wächter beachtete die Untoten nicht und sagte mit einem Seufzer: „Diese Wolke sieht so weich aus. So flauschig. Einfach herrlich.“

Jake wusste, dass er die Vampire reizen wollte und die Wölfe machten sich zum Angriff bereit. Da stürmte auch schon der bullige Kerl vor. Er stürzte sich auf sein vermeintliches Opfer. Im letzten Moment drehte sich der Rotblonde etwas und machte einen halben Schritt nach vorne. „Sieh sich das einer an. Die sieht aus, wie ein Oktopus.“

Irritiert griff der Vampir ins Leere und war einen Augenblick erstarrt. Dann verzog er wütend sein Gesicht und wollte dem seltsamen Kerl den Kopf abschlagen. Jener rutschte aber aus und stolperte. Die Hand flog haarscharf über seinen Kopf und Jake konnte die rotblonden Haare aufwirbeln sehen.

„Ups, ist der Boden aber auch rutschig“, murrte Isaak, der sich köstlich amüsierte. Das war dann doch zu viel und vier weitere Vampire stürmten vor. Völlig außer sich, stürzten sie sich zu fünft auf den Mann. In dem Moment, in dem ihre Hände ihn erreichten, verschwand ihre Beute und alle starrten entsetzt auf die Stelle. Dann schob sich ein Gesicht zwischen ihre Köpfe und der Wächter fragte todernst: „Was seht ihr euch da an? Ich kann beim besten Willen nichts Interessantes erkennen.“

Erschrocken sprangen die Vampire zurück. Sie waren äußerst angepisst und verwirrt. Auch die letzten drei schlossen sich ihnen nun an und umzingelten ihr Opfer.

Isaak ignorierte die Vampire nicht mehr und grinste sie an. „Wie wäre es denn mit einem kleinen Spielchen? Hm…“ Der Rotblonde legte den Zeigefinger spielerisch ans Kinn: „Fangen? Ja, das hört sich gut an – ihr seid dran!“

Wütend fauchten die Vampire und gingen gemeinsam zum Angriff über. Egal wie sehr sie sich auch abmühten, keiner konnte Isaak erwischen. Er wich spielend aus und führte sie vor. Teilweise prallten sie mit ihren Mitstreitern zusammen, weil ihr Opfer einfach verschwand und an anderer Stelle wiederauftauchte.

Das Rudel sah diesem Schauspiel mit offenen Mäulern zu. Sie hatten längst ihren Plan vergessen. Wie der Rotblonde die Vampire verarschte, war einfach hypnotisierend.

In Jakes Kopf erklang Isaaks Stimme: „Ich empfinde das Schauspiel zwar auch als erheiternd, aber worauf wartet ihr eigentlich?“

Der rostbraune Wolf schüttelte sein Haupt und gab den Befehl zum Angriff. Sie brachen durch die Büsche und stürzten sich auf die erschrockenen Vampire. Drei von ihnen konnten sie erledigen, bevor diese überhaupt wussten, wie ihnen geschah. Dann hatten ihre Feinde sich gefangen und gingen zum Gegenangriff über. Den Rotblonden ignorierten sie dabei einfach.

Vor Jakes Augen wurde plötzlich alles grau und er sah Isaak tot am Boden liegen. Dann kehrte die Realität wieder zurück. Er wusste sofort, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte und schrie entsetzt: „Isaak, Achtung, das ist eine Falle!“

Der Rotblonde hörte ihn und sein Grinsen verschwand augenblicklich. Daraufhin sah er sich wachsam um und ging in Kampfhaltung. Jake konnte spüren, wie dieser seinen Geist aussandte und dann hastig zur Seite sprang. Seine Bewegungen waren auf einmal langsam, verzerrt, es fehlte ihnen an Eleganz und Geschwindigkeit. Isaak wirkte plump, als müsse er gegen etwas ankämpfen, sich gegen die erdrückende Kraft einer großen Wassermasse stemmen, oder Ähnliches.

Zitternd ragte ein Dolch aus dem Erdreich, genau dort, wo Isaak zuvor noch gestanden hatte. Dieser sah erschrocken zu der Waffe und ging erneut in Kampfhaltung. Jake sah auch zu dem Dolch und die Klinge schimmerte lila. Sofort schrie er: „Der Dolch ist verzaubert.“

Isaak wurde totenbleich und fasste sich an die Brust. Dem Wegziehen der Hand folgte ein silberner Griff, von schwarzen Lederriemen umschlungen. Dazu gesellte sich eine Parierstange aus einem elfenbeinartigen Material. Zu guter Letzt erschien die langgezogene Schwertklinge. Diese war schwarz, fast wie Obsidian. In die Klinge hatte man zwei Worte eingeritzt: „Manus custodis.“

Kaum, dass Isaak die Waffe aus dem Nichts herbeigezaubert hatte, nutzte er sie auch schon, wobei er sich als Rechtshänder entpuppte. Die Schneide parierte einen zweiten Dolch, der auf ihn gezielt worden war. Ein helles Klirren war die Folge, als Metall auf Metall traf.

Isaak analysierte die Flugbahn und fand drei Vampire. Diese standen immer noch im Schutz der Bäume und hatten ihre Augen auf ihn gerichtet. Ein schwarzhaariger Untoter hatte die Hände ausgestreckt und es sah so aus, als ob er ihn festhalten würde. Sofort begriff Isaak, dass er unter dem Bann einer Vampirfähigkeit stand. Die Luft um ihn herum war dicker als sie hätte sein sollen. Dies behinderte ihn und machte seine Bewegungen langsamer.

Neben ihm stand ein Blondschopf, bewaffnet mit Dolchen und einem Schwert am Gürtel. Der letzte Vampir entpuppte sich als eine Brünette, welche einfach nur dastand und nicht in den Kampf eingriff. Alle drei zischten, als sie entdeckt wurden.

Der Dolchträger zog zwei davon aus dem Gürtel und warf sie. Abermals parierte Isaak die Geschosse. Wütend zischte der Blonde und die Braunhaarige brüllte: „Genug gespielt, töten wir den Wächter!“

Chaos brach aus. Jake wollte Isaak helfen, musste dann aber Leah unterstützen. Das Rudel kämpfte verbissen mit den anderen fünf Vampiren. Außer Jake hatte offenbar keiner die drei zusätzlichen Gegner realisiert. Schnell informierte er seine Gefährten über die aktuelle Lage. Sie mussten hier schnell fertig werden. Wild schnappte Jake nach dem Angreifer der Wölfin und riss diesem mit seinen Zähnen den Schädel vom Rumpf. Gemeinsam stürzten sie zum nächsten Gegner.

Der Wächter indes versuchte nun in die Gedanken seiner Gegner einzudringen, aber es gelang ihm nicht. Diese drei Vampire waren offenbar gegen mentale Einflüsse geschützt.

„Ja, ja“, fauchte der Blonde und zog sein Schwert, um sich auf ihn zu stürzen und in einen Zweikampf zu verwickeln. Dieser hatte Mühe die Angriffe zu parieren, beziehungsweise ihnen auszuweichen. Er war zu langsam. Isaak war aber ein geübter Kämpfer der, nachdem er sich an die besonderen Umstände gewöhnt hatte, seinen Kontrahenten in die Defensive zwang.

Daraufhin keifte die Anführerin: „Frank, mach ihn langsamer! Na los!“

„Ich kann nicht, bin schon auf Maximum“, stammelte dieser. Frank, wie ihn die Brünette genannt hatte, schien Isaak nur schwer unter Kontrolle halten zu können.

„Verdammt“, murrte sie. „Dann verlangsame eben auch die Wölfe!“

„Ich versuche es.“

Isaak rief in die Verbindung des Rudels: „Flieht! Schnell!“

Seine Warnung kam zu spät. Just in diesem Moment wurden auch die Wölfe von der Vampirkraft erfasst und verlangsamt. Trotz ihres Erfolges, zwei weitere Vampire waren zerstört worden, gewannen die restlichen drei die Oberhand. Einer trat Leah gegen den Schädel, was diese bewusstlos zusammenbrechen ließ. Jared brach man die Hinterbeine und Quil wurde ebenfalls aus dem Kampf genommen.

Dann schrie Jake: „PAUL!“

Die Panik in seiner Stimme ließ Isaak zu den Wölfen schauen. Einer der Vampire hatte die Arme um Paul geschlungen und war gerade dabei, ihm das Genick zu brechen, als er zu straucheln begann. Aus seiner Brust ragte die Klinge des Wächters. Schlagartig ließ der Vampir von Paul ab, taumelte nach hinten und griff sich an die getroffene Stelle. Die Ränder der Wunde zischten gefährlich, während sich Rauchschwaden bildeten. Der Vampir röchelte ein letztes Mal, bevor er zusammensackte und zuckend liegen blieb.

Jakes Blick wanderte schlagartig zu Isaak. Ohne Waffe konnte er sich nicht mehr verteidigen und war leichte Beute. Trotz rascher Reaktion war er zu langsam: Die lila schimmernde Klingenspitze erwischte ihn am Brustbein. Das Shirt zerriss und färbte sich dabei dunkelrot. Der blonde Angreifer johlte siegessicher auf und holte zum finalen Schlag, auf den Hals gezielt, aus. Isaak verzog schmerzerfüllt das Gesicht und blutete bereits.

Mit seiner Reaktion überrumpelte er den Vampir: Anstatt zurückzuweichen, ging Isaak in die Offensive. Er duckte sich unter der Klinge weg, wobei ihn diese knapp verfehlte, und stattdessen nur ein paar der rotblonden Haare erwischte. Nach erfolgreichem Ausweichmanöver packte er die Hand des Blondschopfs und riss ihm, mit einem einzigen Ruck, den halben Arm aus. Rasch entriss er den leblosen Fingern die Klinge, warf den Arm beiseite und enthauptete seinen Kontrahenten mit einem sauberen Schnitt. Die Ränder der Verletzung zischten und qualmten, wie die Wunde, die Isaaks Schwertklinge zuvor geschlagen hatte.

Noch bevor der Rumpf zu Boden fallen konnte, griff Isaak blitzschnell zu und entwand dem Leichnam einen der Dolche. Dann schoss dieser bereits durch die Luft und traf den Schwarzhaarigen direkt zwischen die Augen. Die Gewalt, mit der Isaak geworfen hatte, ließ den Kopf des Vampirs gerade zu explodieren.

Befreit von dem Bann des Vampirs stürmte der Wächter los. Er rettete Jake und Sam das Leben, indem er die übrigen zwei Vampire mit dem erbeuteten Schwert köpfte, als diese ihnen gerade den Rest geben wollten.

Jake sah, wie sich Isaak gerade dem letzten Angreifer zuwandte, als die Brünette den Mund öffnete. Aus ihrer Kehle entwich ein ohrenbetäubendes Gebrüll und lähmte alle, auch den Wächter. Die Wölfe zuckten, warfen sich zu Boden und spürten ihre Trommelfelle platzen, aber das Geräusch wollte einfach nicht aufhören. Es schien sich in ihre Schädel fressen zu wollen, um sie von innen heraus zum Bersten zu bringen.

Blut quoll ihnen aus den Ohren. Isaak sank auf die Knie, wobei er die Waffe fallen ließ. In einer verzweifelten Geste schrie er laut auf und hielt sich die Ohren zu, aber es war sinnlos: Der Druck in ihren Schädeln stieg unaufhörlich und der Wunsch zu sterben wurde mit jedem Moment größer, solange er Erlösung von diesen Qualen versprach.

Die ganze Gruppe wälzte sich. Ihre Körper verkrampften sich im Todeskampf, während das Gebrüll und Gekreische sie in den Wahnsinn zu treiben drohte. Jake griff verzweifelt nach Isaaks Geist. Ihre Seelen berührten sich, doch konnte er die Verbindung nicht halten und ließ los. Geschockt riss Isaak den Kopf rum und sah zu Jake. Der Blick des Wolfes trübte sich langsam. Die bernsteinfarbenen Iriden verblassen langsam. Das war also ihr Ende. So hatte Jake sich das nicht vorgestellt.

Isaak riss seine rechte Hand vom blutenden Ohr und kanalisierte all seine übrige Magie zu einem letzten Angriff. Ohne von Jake wegzusehen, gab er seine letzten Reserven frei. Eine blau glühende Flammenzunge, ungebändigte magischer Kraft, schoss aus seiner Handfläche.

Augenblicklich wurde es still. Der Schmerz ebbte ab und alle versuchten auf die Beine zu kommen. Indes sackte Isaak entkräftet zusammen. Seine Augen waren noch offen und auf Jake gerichtet, aber er konnte keinen einzigen Muskel mehr bewegen. Dieser Magieausstoß hatte ihn vollständig gelähmt.

Jake schüttelte den Kopf und rappelte sich auf. Da hörte er Isaaks Stimme in seinem Kopf. „Jake, bleib wachsam. Ich fürchte, da ist noch einer. Verwandle dich und sieh dich mit dem „wahren Blick“ um. Du musst ihn aufspüren und vernichten.“

Mit schmerzenden Gliedern tat er, was Isaak von ihm verlangte. Dieser schloss, aus Rücksicht vor den Gefühlen des anderen, die Augen, als Jake zum Menschen wurde. Schnell sah er sich um und zog Isaaks Geist in seinen Kopf, damit dieser ebenfalls alles sah und ihm helfen konnte, den Feind zu finden.

Er erstarrte. An der Stelle, an der die schreiende Frau gestanden hatte, war eine Schneise in den Wald geschlagen. Eine sich kegelförmig ausdehnende, leere Stelle war entstanden. Alles Leben schien aus diesem Bereich gewichen zu sein. Ein Blatt aus einem nahen Baum fiel herab und überschritt die Grenze zu dem Areal. Es zerfiel sofort zu Staub und rieselte nach oben. Offenbar schienen in diesem Bereich nicht die üblichen Naturgesetze zu gelten. Der Anblick war sehr surreal. Die Luft flimmerte noch ein wenig und alles war in ein mattes lila Licht getaucht. Die Magie war dabei sich aufzulösen und wurde mit jeder verstrichenen Sekunde schwächer

„Jake, such weiter“, mahnte Isaak. Erneut schüttelte der Wolfsjunge den Kopf und sah sich um. Er drehte sich langsam um die eigene Achse und erblickte eine verschwommene rote Silhouette, welche sich gerade von hinten an Embry heranschlich.

Jake wurde von Wut überschwemmt. Er übertrug seine Sicht in das Rudel und brüllte: „Tötet ihn!“ Dann sprang auch er los, wurde aber von Isaak zurückgehalten. Dieser hatte die Kontrolle über seinen Körper übernommen und fokussierte weiterhin den Feind mit den Augen.

„Wenn du dich verwandelst, können wir ihn nicht mehr aufspüren. Ich lasse dich nun wieder los. Bleib bitte einfach stehen. Das ist die Aufgabe der Anderen“, offenbarte der Wächter und gab ihn frei.

Aufgeschreckt durch das Bild, welches Jake übertrug, riss Embry den Kopf herum und biss in die Luft. Er konnte zwar nichts sehen, aber seine Zähne trafen auf etwas. Dieses Etwas wollte sich ihm entziehen. Instinktiv spannte er die Kiefermuskeln und warf den Kopf hin und her. Es gab ein knirschendes Geräusch und der Widerstand gab nach. Als er ausspuckte, landete ein Vampirarm vor ihm im Gras.

Plötzlich umschloss etwas seine Kehle und drückte ihm die Luft ab. Durch Jakes Augen sah er, dass der rote Umriss ihm mit unförmigen Beinen erwürgen wollte. Sam und Paul stürzten sich sogleich auf den Vampir und rissen diesen in Stücke.

Der Wächter sagte rasch: „Sieh dich weiter um. Achte vor allem auch auf die Baumkronen, den Boden und den Himmel. Sieh genau hin.“

Jake tat, wie ihm geheißen, und sah sich ihre Umgebung genau an. „Ich sehe nichts mehr. Und diese Welt in Grau, oder Omen des Todes, wie du es nanntest, ist auch weg.“

„Gut, letzter Test. Schließ die Augen. Konzentriere dich auf deine Atmung. Lausche in dich hinein. Verspürst du das drängende Bedürfnis dich zu bewegen? Spürst du Gefahr?“, leitete der Rotblonde ihn weiter an.

„Nein, ich glaube nicht“, sagte Jake leise und versuchte in sich zu horchen.

„Gut, dann sollten wir sicher sein, fürs Erste jedenfalls“, sagte Isaak erleichtert, atmete aus und zog sich aus Jake Geist zurück.

Entscheidungen

Er lag total verrenkt auf der Wiese. Trotz seiner geschlossenen Augen wusste der Wächter, dass Jake zu ihm gerannt kam und sich nun über ihn beugte. Schnell sagte er: „Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Sieh erst nach den anderen, angefangen mit Leah. Ich befürchte, ihre Verletzungen könnten die Schlimmsten sein.“

Entsetzt starrte Jake auf den bewegungsunfähigen Mann hinab und sah, wie sein Körper unkontrolliert zuckte. Dann spuckte Isaak Blut. Dieser schien das aber gar nicht zu realisieren. Mit Panik in der Stimme sagte Jake mental: „Dir geht’s nicht gut. Du hustest Blut.“

„Ach wirklich?“, Isaaks Stimme klang nicht besorgt, sondern eher neugierig, interessiert. Er hörte sich an, als würde es sich bei diesem Umstand um etwas Besonderes handeln, etwas, das er gerne studieren würde. Der Wächter spürte die wachsende Panik des Wolfsjungen und murmelte: „Ein Vorschlag zur Güte: Drehe mich auf den Rücken und lege meine Brustverletzung frei. Wenn du dann erlaubst, werfe ich kurz einen Blick darauf. Danach kannst du dich beruhigt um die anderen kümmern. Einverstanden?“

Ohne zu zögern griff Jake mental, und auch in der Realität, nach Isaak. Während er dessen Geist in seinen Kopf zog, drehte er vorsichtig seinen Körper um. Er sah sehr viel Blut und riss geschockt die Augen auf. „Das sieht schlimmer aus als es ist. Glaube mir“, versuchte der andere ihn zu beruhigen.

Es funktionierte einigermaßen und der Wolfsjunge zerriss Isaak schnell das Shirt. Dann nahm er dieses und tupfte vorsichtig die Wunde ab, um etwas sehen zu können.

„Das ist ja interessant. Siehst du die Wundränder? Man kann gut die Reaktion des magischen Giftes mit meinem Gewebe sehen. Das Gift kämpft gegen meine Heilkräfte an. An den schwarzen Veränderungen rund um die Wunde erkennst du, dass sich das Gift in meiner Blutbahn ausbreitet“, diagnostizierte Isaak, als würde er einer medizinischen Dokumentation folgen.

Das war nicht gerade förderlich, um Jake zu beruhigen. Dessen Puls beschleunigte sich auf die Ausführungen des Wächters hin sofort.

„Beruhige dich, Jake. Ich werde daran nicht sterben. An dem Muster, und gemessen am Fortschritt der Vergiftung, wird es mehrere Stunden dauern, bis das Gift lebenswichtige Organe befällt. Bis dahin habe ich es längst neutralisiert. Vertraue mir. So schnell gebe ich den Löffel nicht ab. Ich bin zäher als ich aussehe. Es gibt jetzt Wichtigeres. Kümmere dich um die anderen.“

Abermals wollte Isaak sich aus seinem Bewusstsein zurückziehen, aber Jake hielt ihn fest: „Hilf uns, bitte. Keiner von uns hat dein Wissen.“

„Jake, ich kann, außer die Augen und Augenlider, keinen Muskel rühren. Wie soll ich das bewerkstelligen?“, fragte der Wächter traurig.

„Übernimm doch einfach die Kontrolle über meinen Körper. Das kannst du doch. Vorhin hast du das auch getan“, erwiderte Jake. Er konnte spüren, wie Isaak zusammenzuckte und zurückschreckte.

„Das war aus einem Impuls heraus. Es tut mir leid. Ich wollt das nicht. Ich werde es nie wieder tun“, brabbelte der Rotblonde in Erklärungsnot.

„Hey, hör auf mit dem Mist“, fuhr ihn Jake an. „Ich habe mich nicht beschwert. Du wolltest nur helfen. Dank dir lebt Embry noch.“ Er dachte kurz nach und ließ den Blick über die Lichtung schweifen. „Deinetwegen leben wir alle noch.“

„Das sehe ich etwas anders, aber, jetzt ist weder die Zeit noch der richtige Ort für eine solche Unterhaltung“, mahnte Isaak und fragte kleinlaut: „Du bist mir nicht böse wegen meinem Überfall auf deinen Geist?“

Jake atmete mit einem Stoß aus und sagte ruhig: „Ok, es war nicht gerade schön, aber nötig. Ich bin dir nicht böse.“ Dann straffte er die Schultern und ging langsam auf Leah zu, welche noch immer in ihrer Wolfsform dalag. „Also kannst du den anderen mit Hilfe meines Körpers helfen oder nicht?“

„In der Theorie durchaus, aber das ist ein sehr intimer Eingriff in deinen Geist. Ich würde das gerne vermeiden, wenn ich ehrlich bin. Ich muss deinen Körper dafür meinem Willen unterwerfen und das möchte ich dir nicht antun, wenn es nicht unumgänglich ist. Außerdem ist das was du verlangst wesentlich anders, als dich erstarren zu lassen. Die vollständige Kontrolle zu übernehmen könnte sehr beängstigend für dich sein“, erklärte sich Isaak.

Jake schlug sich mit einer Hand an den Kopf und schnauzte: „Ich gebe dir nicht nur die Erlaubnis. Ich bitte dich darum es zu tun und uns zu helfen.“

Der Wächter knirschte, hin- und hergerissen, innerlich mit den Zähnen. Er wollte ihnen helfen, aber in seinen Augen war das etwas, das man nicht leichtfertig tun sollte. Schlussendlich seufzte er laut auf und gab klein bei. „Na gut. Ich werde mich aber sofort zurückziehen, wenn es für dich unangenehm ist.“

Dann konzentrierte er sich auf seine Aufgabe und sagte: „Sag Sam er soll…“

„Sag es ihm selbst“, motzte Jake. „Ich weiß, dass du in der Verbindung des Rudels eindringen kannst. Leugne es nicht.“

„Schon aber…“

„Kein aber. Mach einfach. Rede direkt mit allen.“ Allmählich fragte sich Jake, was der andere für seltsame Ansichten hatte.

„Jake, ich möchte nicht…“

„Hey, du sagtest wir sollen uns beeilen, also halt die Fresse und mach endlich“, knurrte er wütend.

„Nicht ohne Sams Erlaubnis“, bestand Isaak.

„Sam, er will deine Erlaubnis“, sagte Jake am Rande der Verzweiflung. Dieser sture Bock hatte sie doch nicht mehr alle. Wohingegen der Wächter nur mit ihm gesprochen hatte, redete Jake von Anfang an mental mit allen gleichzeitig.

Paul, Embry und Sam hoben ihre Wolfsköpfe. Sie hatten Jakes Part mitbekommen und konnten sich größtenteils zusammenreimen, was Isaak gesagt haben musste. Während die beiden sich stritten, hatten sie nach den anderen gesehen. Nun stand das Trio ratlos da und wussten nicht so recht, was es machen sollte. Sie waren nur zu dritt und außerdem hatte keiner von ihnen medizinisches Fachwissen.

Leah war bewusstlos, aber immer noch eine Wölfin. Das war nicht normal. Jared hingegen war zu einem Baum gekrochen lehnte dort. Kreidebleich im Gesicht versuchte er jeglichen Schmerzenslaut zu unterdrücken und vor allem seine Beine nicht anzusehen. Sie standen in einem seltsamen Winkel ab und ein Knochen ragte aus der Haut heraus. Quil war mittlerweile aufgewacht, lag auf dem Rücken und starrte vollkommen desorientiert in den Himmel über sich. Offenbar bekam er gar nichts von dem mit, was um ihn herum geschah.

Sam knurrte laut auf und befahl: „Er soll reden oder ich reiße ihm die Kehle raus. Dann schweigt er für immer.“

Jake gab die Worte des Alphas weiter.

Der Wächter zuckte nicht mal bei dieser Drohung und sagte zu allen: „Entschuldigt bitte mein Eindringen in die Verbindung. Ich werde es so kurz halten wie möglich. Jake, mach dich bereit, ich übernehme deinen Körper. Auf deinen Willen hin, damit wir uns recht verstehen.“

Dann spürte der Wolfsjunge, wie sich Isaaks Geist in ihm ausbreitete und langsam, Stück für Stück, die Steuerung übernahm. Es war ein eigenartiges Gefühl. Sein Bewusstsein wurde zurückgedrängt und ihm war, als würde er unendlich lange fallen. Reflexartig wehrte er sich, um nicht im Nichts zu verschwinden.

Sofort zog sich Isaak wieder zurück.

„Noch mal“, knurrte Jake angepisst, weil er sich gewehrt hatte.

„Jake, das ist…“

„NOCHMAL“, schrie er ihn an.

Dann wiederholte sich das Szenario in seinem Kopf. Diesmal versuchte er krampfhaft still zu halten und es geschehen zu lassen. Das Gefühl des Fallens wurde nach und nach von einer Abgeschnittenheit und einer seltsam anmutenden Distanz verdrängt. Es war so, als ob er neben sich stehen würde; seinen Körper zu steuern war nicht mehr möglich, was beängstigend war.

„Soll ich aufhören?“, fragte Isaak unsicher. Er behielt die Emotionen des Gestaltwandlers genau im Auge. Nichts lag ihm ferner, als Jake Angst zu bereiten.

„Geht schon“, presste dieser zwischen den Zähnen hervor. „Mach weiter.“

Jake hob den Kopf und sah sich um, aber es war Isaak, der seinen Körper bewegte, nicht er. Bei diesem Eindruck musste er schaudern. Das war wirklich sehr unangenehm. Der Wächter hielt inne und zögerte. Da zwang sich der Wolfsjunge dazu ruhig zu bleiben. „Weiter“, stammelte er.

Der fremdgesteuerte Körper setzte sich in Bewegung, gleichzeitig redete er mit allen: „Sam, such bitte nach einem Ast auf den Jared beißen kann. Er sollte möglichst stabil und groß sein. Embry, du suchst bitte nach dieser Pflanze. Sie müsste hier irgendwo im Umkreis wachsen. Ich habe sie vorhin gesehen.“

Er zeigte ihnen ein Bild des gewünschten Gewächses und fuhr fort: „Paul, verwandle dich bitte und leg dich auf den Rücken. Versuche möglichst nicht mehr deinen Kopf zu bewegen. Ich muss mir erst deine Halswirbel ansehen. Achtet bitte darauf dieses Areal…“ Er deutete zu dem seltsamen toten Bereich, den er erschaffen hatte. „…auf keinen Fall zu betreten. Meine Magie würde euch augenblicklich töten und eure Körper in Staub verwandeln.“

Dann ging er in die Hocke und hielt Jakes Hand vor Leahs Maul. Die anderen erledigten ihre Aufgaben schweigend und waren froh etwas zu tun zu haben. Lediglich Paul begann zu mosern, fügte sich aber.

Isaak konnte ihren Atem spüren. Dann sah er sich die Wölfin genauer an. „Atmung flach und unregelmäßig. Sie lebt also. Keine äußeren Verletzungen zu erkennen. Jake, übernehme und betrachte sie mit dem „Wahren Blick“.“

Sie tauschten die Kontrolle und er musterte sie. Ihre Konturen flackerten und verschwammen.

„Das hatte ich befürchtet. Ihre Zukunft ist ungewiss. Jegliche Bewegung ihres Körpers könnte sie töten. Nichts zu tun könnte sie ebenfalls töten. Um herauszufinden was ihr fehlt muss ich sie mit den Händen untersuchen. Damit würde ich sie aber bewegen und das könnte tödlich enden. Diese Entscheidung ist nicht die meine. Was soll ich tun, Sam?“

„Hm… also sie untersuchen könnte sie töten, sie nicht zu untersuchen ebenso“, begann Sam zusammenzufassen und dachte kurz nach. Konnte er Isaak überhaupt vertrauen? Sie wussten kaum etwas über ihn.

Jake rollte mit den Augen und fragte: „Wie stehen die Chancen?“

Sofort kam die Antwort: „50 zu 50.“

Der Alpha kam nun zu ihnen und begutachtete noch einmal selbst die Lage. In seinem Maul hatte er den gewünschten Ast mitgebracht. Er hatte ihn einem jungen Baum entrissen. Dann sah er zu seinem Beta und fragte ihn: „Kannst du sie nicht so untersuchen wie bei Jake?“

„Nein, das kann ich nicht. Mit Jakes Körper kann ich keine Magie anwenden. Zudem ist mein eigener Körper gelähmt und all meine Kraft aufgebraucht. Es würde“, Isaak unterbrach sich und Jake sah ihm dabei zu, wie er mit seltsamen Zeichen zu rechnen begann. „47 Stunden dauern bis ich dazu in der Lage wäre. Wenn ich allerdings meine Kräfte einteile und nicht gegen das Gift ankämpfe, bin ich bereits in 14 Stunden im Stande sie so zu untersuchen. Was allerdings das Risiko birgt, dass ich vorher sterbe und Jake somit auch töte.“

Trocken meinte Jake nur: „Variante eins dauert zu lange. Von der anderen will ich nichts mehr hören. Wenn du nochmal so einen Stuss redest, dann beiße ich dich an eine Stelle, wo es besonders weh tut. Denk dran, du kannst dich nicht bewegen.“

„Also 50 zu 50. Hm…“, meinte Sam und fragte sich erneut, wie er entscheiden sollte.

Sein Beta fragte indes: „Was ist mit einer Bedingung? Würde das gehen?“

„Nein. Diese Angaben sind bereits mit Bedingungen. Eine Diagnose ohne kann ich frühesten in einer Woche ausführen. Du musst verstehen, dass ich wirklich am Ende mit meinen Kräften bin. Es dauert, bis meine Magiereserven wiederaufgeladen sind“, erklärte Isaak bedauernd.

„Tu es“, knurrte Sam und machte Jakes Körper Platz.

„Wie du willst. Ich gebe zu Protokoll, dass ich diese Entscheidung unterstütze. Jake, ich möchte deine Erlaubnis. Diesmal werde ich wesentlich weiter gehen müssen und dich komplett unterwerfen. Bisher hattest du die Möglichkeit dich mir zu widersetzen. Jede Bewegung, sei es auch nur ein Zucken deinerseits, kann sie aber töten. Ich muss sicherstellen, dass du nicht aus einem Impuls heraus eingreifen kannst.“

„Tu es, ich vertraue dir“, sagte Jake und lockerte die Muskeln. Er hatte Schiss. Diesen Umstand würde er aber niemals zugeben; dafür war er zu stolz.

„Auf deinen Wunsch hin“, erwiderte Isaak und übernahm die Kontrolle. Diesmal war es um einiges schlimmer. Er hatte nicht mehr das Gefühl neben sich zu stehen, sondern in einen winzigen Raum gezwängt zu werden. Die Welt wurde schwarz und er konnte nicht einmal mehr etwas mit seinen eigenen Augen sehen. Er rollte sich zusammen und begann zu zittern.

Dann erklang Isaaks Stimme, wie aus weiter Ferne: „Ich beeile mich.“ Er wollte das nicht, aber es musste sein. Schnell ging Isaak um die Wölfin und legte ganz behutsam seine Finger auf ihren Kopf. Vorsichtig und hauchzart arbeitete er sich vor und tastete die Stelle ab, an der er den Treffer an ihrem Haupt vermutete.

Auch um Jake zu beruhigen begann er dabei wieder zu reden: „Ich kann keine anormalen Hautstellen finden. Ich werde nun mehr Druck einsetzen. Hm… kein Schädelbruch, das ist schon mal gut.“ Er ging auf alle Viere und bewegte sich vor ihr Gesicht. Dann zog er ein Augenlid hoch. Anschließend öffnete er ihr das Maul und untersuchte ihre Zunge. Als Nächstes begann er ihren Nacken abzutasten.

„Da ist es. Im Bereich des ersten Halswirbels ist eine starke Schwellung. Das erklärt alles. Der Halswirbel ist gebrochen oder zumindest angebrochen und drückt nun auf die Nerven im Rückenmarkskanal. Das erzeugt eine Störung bei der Übertragung der Nervenimpulse und hat wohl ihre Rückverwandlung unterbrochen. Durch das ganze Fell kann ich aber nicht viel machen. Der Hals darf nicht bewegt werden. Zumindest nicht bevor ermittelt wurde, wie stark der Schaden ist. Ich brauche ein Röntgengerät.“

Er nahm die Hände von ihr und sah zum Alpha. Dabei gab er Jake frei und zog sich zurück. Dieser atmete erstmal kräftig durch und bewegte seine Finger, nur um zu sehen, ob er wirklich wieder Herr seiner selbst war.

Isaak seufzte schwer und sagte: „Sam, das ist eine äußerst lebensbedrohliche Situation. Ich würde das nicht sagen, wenn es nicht nötig wäre, aber du musst sofort Seth zu den Cullens schicken. Sie sind die einzigen die jetzt noch helfen können. Wir sind zu weit weg und mitten im Wald. Bis der Stamm bei uns ist, wird Leah tot sein.“

Der Alpha gab sofort den Befehl dazu und fragte: „Was brauchst du alles?“

Der Wächter zählte auf: „Ein mobiles Röntgengerät, sowie alles, was zum Erstellen des Bildes von Nöten ist. Dann noch eine komplette OP-Ausstattung, falls ich operieren muss. Zudem einiges an Verbandszeug. Eine Halskrause und drei Trageliegen für einen sicheren Transport von Leah, Jared, und mir brauchen wir auch. Anschließend müssen wir die beiden in ein Krankenhaus bringen, oder wahlweise zu den Cullens. Diese haben ebenfalls das nötige Equipment für die weitere Behandlung.“

„Alles klar, bin auf dem Weg“, beteuerte Seth, der bisher stumm zugehört hatte.

„Sam, sammle bitte alle Waffen ein und versteck sie. Ich möchte nicht, dass sie in die falschen Hände geraten. Diese Klingen sind sehr gefährlich. Berühre auf keinen Fall die Schneiden. Am besten du machst das in Menschengestalt.“

Besorgt fragte er dann: „Jake, hast du dich erholt? Ich muss weiter machen. Sei unbesorgt, für die anderen reicht die leichte Kontrolle.“

„Mach“, flüsterte der Schwarzhaarige heiser.

Isaak übernahm und ging auf Quil zu, während Sam begann die Waffen zu suchen. „Embry? Hast du die Pflanze?“

„Ja“, knurrte dieser und kam zu Marionetten-Jake gelaufen. Isaak nahm ihm das Gewächs aus dem Maul und zupfte ein paar Blätter ab. „Jake, ich werde die Blätter zerkauen. Das wird einen üblen Mundgeruch verursachen. Du wirst dir später gründlich die Zähne putzen müssen.“

„Ok, einverstanden“, erklärte der Angesprochene und sah zu, wie seine Hand ihm die Dinger in den Mund schob. Während Isaak auf dem Grünzeug herumkaute tastete er Quils Nacken ab. Dann stieg Jake ein wirklich abartiger Gestank in die Nase.

„Bleib ruhig. Das ist nur der Pflanzenextrakt, welcher sich mit deinem Speichel verbindet. Sein Nacken ist in Ordnung und ich glaube, er hat nur einen Schock.“ Dann spuckte er sich den Pflanzenbrei in die Hand und rieb ihn Quil unter die Nase.

„Embry, bleib bei ihm. Sofern meine Annahme korrekt ist, wird er gleich aufwachen und um sich schlagen. Versuche ihn zu beruhigen. Dann lehne ihn mit dem Rücken an einen Baum und lasse ihn zu sich kommen. Rufe mich, falls du Hilfe brauchen solltest.“

Bevor Isaak aufstand, zupfte er eine wenig Gras und nahm auch etwas Erde. Beides schob er sich in den Mund, um den Geschmack und Geruch etwas zu bändigen. Ein wenig rieb er sich über die Hände und säuberte auch diese. Er spuckte im Gehen aus und kniete sich neben Jared.

Dieser lächelte gequält und sagte: „Boar Jake, du riechst aus dem Maul, wie ne Kuh aus dem Arsch. Ich glaube, das ist eine Verbesserung.“ Isaak grinste den anderen an und sagte: „Das wird sehr schmerzhaft werden. Versuche dich nicht zu bewegen.“

In diesem Augenblick schrie Quil auf, was aber keiner hören konnte und begann wild um sich zu schlagen. Embry regelte das, indem er sich einfach als Wolf auf seinen Kumpel warf und ihn zu Boden drückte.

„Runter von mir, du Vollidiot. Alter was stinkt hier so erbärmlich. Bist du das Embry? Alter geh mal wieder baden, du Spast“, begann Quil zu schimpfen.

„Beruhige dich, dann geh ich runter. Der Gestank kommt von dem Pflanzenbrei auf deiner Oberlippe. Ist echt abartig, das Zeug“, meinte Embry und schnaubte angewidert.

„Runter von mir. Ich will das Zeug loswerden. Runter sage ich.“

Embry stand auf und sah Quil dabei zu, wie dieser sich hastig das Zeug abwischte. Als Rache für diesen Streich, schmierte er es in Embrys Fell. Dieser knurrte und bleckte die Zähne: „Lass den Scheiß, das war ich nicht. Es war Isaak.“

„Wo ist die Schwuchtel? Dem reiße ich den Kopf ab“, begann Quil zu toben.

„Isaak hat gesagt du sollst ruhig bleiben und dich an einen Baum setzen. Du brauchst noch etwas Ruhe“, klärte ihn sein Kamerad auf.

Das hatte aber den gegensätzlichen Effekt. Quil lief rot an und schrie: „Der Homo kann mich mal. Ich mach doch nicht, was der sagt. Geht’s noch? Den mach ich platt.“

„Du wirst genau das machen, was Isaak gesagt hat“, befahl Sam mit der Macht des Alphas und beendete dieses Schauspiel. Angewidert stand Quil auf und hielt sich an Embry fest, um zu einem Baum zu laufen. Dort ließ er sich nieder und schimpfte lauthals, was aber keiner hören konnte, da er nicht mental sprach. Embry neben ihm wälzte sich auf dem Boden, um das Stinkzeug abzubekommen.

Isaak nutzte diese Szene aus und untersuchte Jareds Bein. Dieser verfolgte den Streit und bekam nichts mit.

Dann mischte sich plötzlich Seth ein und sagte: „Die Cullens helfen uns. Wir sind auf dem Weg. Ich führe sie zu euch.“

Isaak seufzte ungehört und sagte: „Gut. Jared du hast einen komplizierten Splitterbruch in beiden Beinen. Das muss auch geröntgt werden. Da aber die beschleunigte Heilung bereits eingesetzt hat, muss ich sofort die Knochen in die richtige Position bringen, bevor sie falsch zusammenwachsen. Habe ich deine Erlaubnis dafür?“

„Na großartig“, maulte Jared und sah weg. Dann nickte er und schluckte hart.

„Embry, Sam, ich brauche euch hier. Jared, nimm den Stock zwischen die Zähne und beiße darauf.“ Entsetzt sah Quil, wie alle drei sich dem Wächter fügten. Anstelle aber zu dem Rotblonden zu gehen, rannten sie auf Jake zu. Irgendwas stimmte hier doch ganz und gar nicht.

„Verwandelt euch und haltet ihn fest. Jared, das wird jetzt sehr weh tun. Versuch dir nicht die Zunge abzubeißen.“

Isaak wartete, bis die zwei sich ihren Kameraden geschnappt hatten, und sagte: „Ich fange jetzt an.“

Dann griff er zu und Quil erbleichte. Jared schrie und wehrte sich aus Leibeskräften. Auch, wenn er wusste, dass es sein musste, brauchte er ein Ventil für den Schmerz. Die beiden anderen hatten Mühe, ihren Kameraden im Zaun zu halten. Keiner konnte seine Schreie hören und doch zuckten sie zusammen, als würden sie es dennoch tun.

Dann, keine drei Minuten später, erhob sich Isaak und Jared sackte in sich zusammen. Er spuckte den Stock aus, der mit Zahnabdrücken übersät war.

„Sam? Wie weit bist du mit den Waffen?“, fragte Isaak, der vor Leah kniete und ihre Lebenszeichen kontrollierte.

„Ich glaube, ich habe alle beisammen“, gab der Alpha Auskunft.

„Gut, beeil dich bitte. Die Cullens werden nicht mehr lange brauchen. Embry, wirf die Überreste der Vampire dort hinein. Ich will auf Nummer sicher gehen“, sagte der Rotblonde zeigte auf den von ihm verursachten toten Waldabschnitt.

Anschließend drehte Pseudo-Jake sich um und ging auf Paul zu. Dieser zuckte zusammen, als der nackte Jake in sein Blickfeld geriet. Seit Isaaks Anweisung war er brav liegen geblieben und hatte sich auch aus allem rausgehalten. Jetzt konnte er aber nicht anders und schnauzte: „Fass mich nicht an, Schwuchtel.“

Isaak seufzte und erwiderte: „Ich habe auch kein gesteigertes Interesse dich anzufassen, aber nur so kann ich deinen Hals untersuchen. Solange du den Kopf nicht bewegst, kannst du auch gern auf Carlisle warten.“

„Nein“, knurrte Sam. „Dem vertraue ich noch weniger. Paul, du tust was Isaak sagt, und, wenn er dich untersuchen muss, dann halt gefälligst deine dämliche Fresse und sag brav danke. Er hat dir dein Leben gerettet, falls dir das entgangen ist. Oder woher glaubst du kam das Schwert? Er hat sein Leben für dich riskiert. Noch so ein Spruch und ich prügle dich windelweich.“

Paul zuckte beim Wutausbruch seines Alphas zusammen. Dann schloss er die Augen und knurrte: „Dann mach halt.“

Isaak sah zu dem Leitwolf und Jake fing dessen Gefühle auf. Damit war er überhaupt nicht damit einverstanden. Er öffnete den Mund und Jake mahnte schnell: „Lass es bitte. Einen Streit können wir jetzt nicht gebrauchen.“ Er hatte nur zu ihm gesprochen und Isaak wusste das.

Dann schloss der Wächter seinen Mund und mahlte mit den Zähnen. Er ging in die Knie und untersuchte Paul Hals und Nacken.

Möglichst professionell fragte er dabei: „Verspürst du irgendwelche Schmerzen? Wenn, ja, dann sag es mir. Mit einer Rückenmarksverletzung ist nicht zu spaßen.“

„Mir geht’s gut“, knurrte Paul.

Dann zog er die Hände zurück und offenbarte: „Ich kann nichts finden. Du kannst dich wieder frei bewegen. Solltest du einen Kopfschmerz verspüren, oder dein Nacken schmerzen, musst du das sofort sagen.“

Er stand auf und ließ den anderen zurück. „Zur Sicherheit würde ich auch dich röntgen.“

Sobald der fremdgesteuerte Jake weg war, sprang er auf und wurde zum Wolf. Das war doch alles nur Verarsche, dachte er sich und ging Embry helfen.

Dann wandte sich Isaak zu Quil und fragte: „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Schwindelgefühle? Sehstörungen?“

„Nein“, antwortete dieser und sah Jake näherkommen. Dann keifte er: „Würde mir bitte mal einer erklären was hier abgeht?“

Während Jake ihm erzählte was vorgefallen war, untersuchte Isaak den anderen nochmals und zog sich aus ihm zurück. Sofort roch und schmeckte Jake die Pflanze und musste würgen. „Isaak, das ist ja echt widerlich. Wie konntest du das Zeug in meinen Mund stecken und darauf rumkauen, ohne auch nur einen Muskel zu verziehen?“

„Es tut mir leid, aber es war nötig. Die Pflanze entfaltet nur in Verbindung mit Speichel diesen Effekt. Versuche nicht daran zu denken“, entschuldigte sich der Wächter.

Jake ging ein paar Schritte und dehnte die Muskeln. Keine Kontrolle über seinen Körper zu haben gefiel ihm gar nicht. Es musste zwar sein, dennoch war er heilfroh, Herr seiner Sinne zu sein.

Indes hatte Sam alle Waffen in einen alten Fuchsbau gesteckt und den Eingang mit einem toten Baumstamm abgedeckt. Dann markierte Sam das Holz nach Wolfsmanier.

Embry und Paul warfen die letzten Reste ihrer Gegner in den magischen Bereich und sahen dabei zu, wie diese zu Staub zerfiel. Dann stießen sie ihre Schultern aneinander. „Fertig“, meinte Embry.

„Gut. Wo habt ihr die Kleidung hingelegt?“, fragte Isaak.

„Ähm…, die ist auch zu Staub geworden“, meinte Paul bissig. „Wieso?“

Ungehalten knurrte Jake, der wusste worauf Isaak hinauswollte: „Danke Jungs, das bekommt ihr zurück.“

„Mein Fehler. Ich hätte es sagen sollen. Hoffen wir mal, dass die Cullens an eine Hose für Jake gedacht haben. Ich bezweifle, dass er nackt vor ihnen herumlaufen möchte“, meinte der Wächter und schüttelte innerlich den Kopf. Musste er denn wirklich an alles denken?

„Wenn es sein muss, dann muss es sein“, moserte Jake und hoffte auf eine glückliche Fügung des Schicksals.

Anschließend sammelten sich alle. Sie konnten schon die Witterung der Vampire aufnehmen; diese würden gleich auftauchen. Schnell gab Sam den Befehl zur Verwandlung. Heute war schon zu viel passiert und sie würden nicht unvorbereitet in eine weitere Falle tappen.

Nur Jared blieb in Menschengestalt sitzen. Mit seinen Beinen konnte er sich nicht verwandeln. An seiner Seite stellten sich Embry und Quil auf. Jake, Sam und Paul schützten Leah.

Da kam auch schon Seth in Sichtweite. Hinter ihm alle Cullens, schwer beladen mit Kisten und Rucksäcken.

Zurück zum Anfang

Seth rannte sofort zu Leah und schaute auf sie hinab. Daraufhin begann er zu jaulen, was aber keiner von ihnen hören konnte, sie waren noch immer absolut taub. Die Vampire erschienen kurz nach ihm auf der Lichtung und begannen ihre Mitbringsel auszubreiten. Carlisle trat vor und sagte etwas, was ihm nur fragende Gesichter einbrachte.

Frustriert fragte nun Sam: „Ähm…, wie sollen wir mit denen reden, wenn wir sie nicht mal hören können? Isaak, kannst du dich auch mit ihnen mental verbinden?“

„Nein, dass kann ich momentan nicht“, seufzte dieser und erklärte: „Ich kann mit Jake gedanklich aufgrund unserer Verbindung sprechen. Da Jake wiederum mit dem Rudel verbunden ist, kann ich somit über Jake auch mit euch kommunizieren. Ohne meine Magie aber, bin ich weder in der Lage in ihre Köpfe einzudringen noch mit ihnen mental zu kommunizieren. Wir werden wohl Seth als Mittelsmann einsetzen müssen. Er ist der einzige von uns allen, dessen Gehör nicht zerstört wurde. Edward kann dann unsere Gedanken lesen, aber nicht die meinen. Das wird etwas nervig werden, aber mir fällt gerade nichts Besseres ein. Kann einer von euch bitte Edward aufklären?“

Jake verdrehte die Augen und begann den Vampiren alles zu erzählen, ließ aber absichtlich die magischen Waffen außen vor, sowie Isaaks Zustand. Er war der Meinung, dass diese Informationen die Vampire nichts angingen.

Nachdem dann die Vampire die Lage begriffen hatten, begann Carlisle zu sprechen und der Jungwolf wiederholte das Gesagte: „Seth hat uns gerufen. Wir haben alles mitgebracht, was Isaak gewünscht hat. Wo sollen wir anfangen?“

Nun begann der Wächter zu reden und Jake sprach alles in Gedanken nach, damit Edward ihn hören konnte und dieser dann das Gehörte an Carlisle weitergab. Diese Art der Kommunikation war recht umständlich, aber ihnen blieb keine Wahl.

„Ich danke euch für euer Kommen. Als Erstes müssen wir uns um Leah kümmern…“ dann erklärte er seine Diagnose und mahnte zur äußersten Vorsicht. Der Arzt verstand seine Bedenken sofort und runzelte nachdenklich die Stirn. Danach begann er den Röntgenapparat auszupacken.

Seth meldete sich wieder: „Er fragte, ob er dir assistieren soll.“

Isaak gab zurück: „Erkläre ihnen bitte die Situation Jake und frage, ob sie zufällig eine Hose für dich haben.“

Jake gab alles weiter. Die Vampire sahen sich kurz an. Dann zog Edward, zur Überraschung aller, seine Hose aus und gab über Seth weiter: „Wir haben nicht an Kleidung für euch gedacht. Ich kann dir aber meine Anbieten Jake, oder sollte ich Isaak sagen? Das ist sehr verwirrend.“

Der Beta rümpfte die Nase, aber er konnte sowieso nur den Pflanzenbrei riechen. Dann nickte er ergeben. Sie brauchten Isaaks Hilfe und er wollte nicht schon wieder nackt vor den Vampiren rumlaufen. Er schnappte sich die Hose und ging hinter einem großen Baum in Deckung.

Nach seiner Verwandlung spürte er, wie sich Isaak aus seinem Kopf zurückzog, um seine Intimsphäre zu wahren. Dafür war er ihm dankbar. Sein Verschwinden hinterließ jedoch eine Leere in ihm. In so kurzer Zeit hatte er sich so sehr an dessen ständige Präsenz in seinem Kopf gewöhnt, dass er sich nun allein gelassen fühlte. Zudem hat er das Gefühl, als hätte man ihm einen wichtigen Teil seines Selbst entrissen. Das war einfach schrecklich.

Rasch zog er Edwards Hose über, schloss sie und ging um den Baum. Mental griff er nach Isaak und zog ihn wieder in sich. Erleichtert nahm er seine Gegenwart wieder wahr.

Nur zu ihm sagte der Wächter: „Jake, dass ist nicht gut, wenn du dich diesen Gefühlen hingibst. Denk daran, die Verbindung zwischen uns kann nicht schwächer werden und wird durch unseren Willen gesteuert. Wenn du dich zu stark nach meiner Präsenz sehnst, dann wird dies zu einem Dauerzustand. Kämpf dagegen an, bevor es zu spät ist.“

„Ja, ja“, kam die geknurrte Antwort und beide öffneten sich wieder zum Rudel hin.

Die Vampire hatten derweil alles ausgepackt und sich als Gruppe versammelt. Nur der Arzt näherte sich den Wölfen. Aus Seth Gedanken erfuhren sie, dass der Zirkel das so abgesprochen hatte. Das hier war das Revier des Rudels. Sie befürchteten, dass nur ein falsches Wort den Vertrag und den Frieden gefährden konnte. Nur aufgrund von Carlisle und Bella waren sie überhaupt dazu bereit gewesen hierherzukommen.

Schnell ging Jake zu Leah. Dort hatte sich bereits Carlisle aufgestellt. Er hielt das Röntgengerät in einer Hand und in der anderen die Bildplatte.

„Na mach schon, die Zeit drängt“, schnaubte Jake und überließ die Kontrolle dem anderen. Erneut wurde sein Bewusstsein eingesperrt und er rollte sich zusammen und wartete geduldig ab.

Isaak ergriff die Bildplatte und schob diese sehr vorsichtig unter den Hals der Wölfin. Dann sagte er: „Alle müssen mindestens einen Abstand von zehn Metern einhalten, dass sollte bei eurer Selbstheilungsrate ausreichen. Meinen Körper könnt ihr einfach liegen lassen. Ich bin gegen Verstrahlung geschützt, wie auch die Vampire. Carlisle, würdest du bitte den Apparat halten und das Bild machen? Ich kann Jakes Körper einer Verstrahlung nicht aussetzen.“

Dann entließ er Jake aus dessen Gefängnis und gab seine Kontrolle ab. Rasch kamen alle seiner Aufforderung nach und Carlisle machte, ohne Widerworte, eine Aufnahme. Anschließend ging er in die Hocke und griff nach der Platte. Sofort knurrten alle Wölfe auf und zeigten die Zähne. Der Alpha befahl aufgebracht: „Er soll die Finger von Leah lassen. Das macht Isaak und sonst niemand.“

Durch ihre Verbindung spürte Jake dessen Verwunderung. „Sam, er ist Arzt, er weiß was er tut“, meinte der Wächter dazu.

Der Leitwolf knurrte zurück: „Ich vertraue dem Vampir nicht.“

Dass Sam ihm mehr vertraute als einem Arzt, überraschte den Rotblonden, aber er war auch froh darüber. Insgeheim hoffte er, dass sie ihn vielleicht doch noch akzeptieren würden. Das würde vieles erleichtern und auch Jake vor der Verbannung bewahren. Dann warnte er Jake vor und übernahm erneut dessen Körper.

Carlisle trat sofort zurück, als Edward ihm Sams Gedanken vermittelte und nickte ergeben. Er hatte nicht vor sich mit dem Rudel anzulegen. Nach allem was er bisher gesehen und von dem Rotblonden erfahren hatte, kam er zu dem Ergebnis, dass dieser wahrscheinlich über bedeutend mehr Kompetenz verfügte als er.

Isaak nahm nun dessen Stelle ein und zog mit äußerster Vorsicht die Aufnahme hervor. Sofort lockerte er die Kontrolle und entließ Jake aus der hintersten Ecke seines Verstandes. Die Bildplatte gab Isaak dann an Esme weiter, welche sie entwickeln würde.

Zusammen mit dem Doc gingen sie anschließend die anderen nacheinander ab und machten auch bei diesen Bilder.

Dann war auch schon Leahs Bild entwickelt und die beiden mit medizinischem Wissen studierten es eingehend. Sie wechselten ein paar Fachworte miteinander und Isaak sagte erleichtert: „Der Wirbel ist nicht gebrochen, sondern nur verdreht. Ihre Bandscheiben allerdings werden aufgeplatzt sein. In ein paar Tagen kann ich das aber alles heilen. Bis dahin muss sie aber die Halskrause tragen. Carlisle und ich sind uns einig, dass es zu schweren Nervenschäden kommen kann, je länger dieser Zustand anhält. Außerdem wird es schwerer werden sie als Wolf zu transportieren. Ich würde daher vorschlagen, dass ich die Wirbel in die richtige Position zurückführe. Dabei besteht aber ebenfalls die Gefahr einer Nervenschädigung. Sam, was soll ich machen?“

„Tu es, bitte“, sagte der Alpha ohne groß nachzudenken und sah zu wie Jakes Körper sich hinter Leah Hals hinkniete. Dann griff er zu.

„Es gab ein ploppendes Geräusch“, kommentierte Seth aufgebracht und zappelte wild umher. „Soll das so sein?“

„Keine Angst. Das ist ein gutes Zeichen und sagt mir, dass ich Erfolg hatte“, beruhigte Isaak den Jungwolf.

Leah zuckte kurz und verwandelte sich, zur Überraschung aller, zurück in einen Menschen. Mit einem erleichternden Lächeln auf Jakes Gesicht drehte Isaak sie auf den Rücken und legte ihr die Halskrause an. Carlisle warf eine Decke über ihren Körper und Isaaks Anweisungen folgend begann er sie reisefertig zu machen.

Seth konnte nicht anders und stürzte zu seiner Schwester. Sanft stupste er sie an und jaulte, dann legte er sich an ihre Seite und schmiegte sich an sie. Der Arzt brauchte Sams Hilfe um den Wolf loszuwerden und seine Arbeit beenden zu können.

Isaak indes betrachtete das nächste Bild und sagte dann: „Jared, bei dir…“

Der andere unterbrach ihn und fragte ironisch: „Die Beine müssen ab. Ich habe es gewusst. Ich armer, armer Wolf.“

Todernst bekam er seine Diagnose: „Es tut mir leid, da hilft nur noch eine Notschlachtung.“ Er wartete einen Augenblick und sah das entrückte Gesicht des anderen. „Spaß beiseite. Die Knochen sind genau da wo sie sein sollten. Der Heilungsprozess hat auch bereits einzelne Fragmente wieder verbunden. In ein bis zwei Wochen kannst du wieder freudig über die Wiesen tänzeln.“

Der Wächter trat an die Verbandsmaterialien heran und besah sich die Auswahl. Da fiel sein Blick auf das Desinfektionsmittel und studierte die Inhaltsstoffe. Ohne mit der Wimper zu zucken öffnete er die Flasche und nahm einen großen Schluck. Entsetzt starrten ihn alle an. Isaak beachtete sie nicht weiter und gurgelte das Zeug mehrere Sekunden. Dann spuckte er es ins Gras und verrieb auch etwas von der scharf riechenden Flüssigkeit auf den Händen.

Auf Jakes Frage, was er denn da treibe, antwortete er ruhig: „Der enthaltene Alkohol neutralisiert den Geruch und Geschmack des Pflanzenbreis.“ Auf diese Mitteilung hin stürmten Embry und Quil zu der Flasche, verwandelten sich und kämpften als Menschen darum, wer zuerst das Desinfektionsmittel bekam. Sie verschütteten dabei fast den halben Inhalt, was aber niemanden zu interessieren schien.

Schmunzelnd wandte sich Isaak von den beiden ab und fragte Jared: „Was ist dir lieber? Ein leichter Gips oder ein starrer Verband?“ Er betrachtete den anderen nachdenklich und entschied selbst. „Ein Gips würde nichts bringen. Ich kenne euch Wölfe doch. Du wirst den sowieso zerreißen, sobald es anfängt zu jucken, oder?“

Jared streckte ihm frech die Zunge heraus und erwiderte: „Erwischt.“ Auch dieser hatte sich mittlerweile in eine Decke gewickelt und seine Schmerzen hielten sich in Grenzen. Dennoch verzog er das Gesicht und zischte, als der Wächter behutsam seine Beine umwickelte. Den Rest überließ er, nach Absprache mit Sam, Carlisle und sah sich die letzten zwei Bilder an.

„Quil, auf deiner Aufnahme kann ich nichts entdecken. Solange du keine Schmerzen, Sinnesstörungen oder Übelkeit verspürst, erkläre ich dich für gesund“, offenbarte Isaak und konnte sich eine kleine Spitze nicht verkneifen: „Körperlich jedenfalls.“

Die Wölfe horchten alarmiert auf. Da aber der Wächter seine Worte nicht erklärte, sagte Jake ihnen, dass das nur ein Scherz von ihm war. Als Letzter war Paul an der Reihe und diesem verordnete der Rothaarige eine Halskrause für zwei Tage, nur um sicher zu gehen.

Diesmal konnte Jake es sich nicht verkneifen zu fragen: „Können wir ihm auch einen Maulkorb verpassen?“

Isaak lachte auf und sagte: „Tut mir leid, Jake, ich bin gegen Tierquälerei.“ Dann gab er dessen Körper frei. Alle waren behandelt und seine Hilfe wurde nicht mehr benötigt.

„Ähm, was ist mit dir?“, fragte Jacob und ging langsam auf den zuckenden Körper des Wächters zu.

„Da kann man nichts machen. Das Gift würde jeden Verband auflösen und ich kann es nur mit meiner Magie neutralisieren. Also muss das so bleiben.“

Auch der Alpha hatte noch eine Frage: „Was ist mit unserem Gehör? Kommt das von selbst wieder?“

„Nein“, gestand Isaak seufzend. „Das Blut aus den Ohren stammt von dem gerissenen Trommelfell. Das wird heilen, aber ihr werdet dennoch taub bleiben. Der Schrei dieser Furie hat unser aller Hörzellen vollständig zerstört. Diese wachsen leider nicht mehr nach. Ebenso Nervenzellen und Bandscheiben, bei diesen gibt es keine Selbstheilung. Zerstört ist und bleibt zerstört. Da helfen auch eure Heilkräfte nicht weiter. Ihr werdet euch leider gedulden müssen bis ich wieder bei Kräften bin.“

„Du wirst uns also heilen, sobald du das wieder kannst?“, fragte Sam nach, nur um auf Nummer sicher zu gehen.

„Versteh mich bitte richtig, Sam. Normalerweise würde ich das nicht tun. Wächter dürfen nicht in den natürlichen Lauf der Dinge eingreifen oder diesen beeinflussen. Mein kleines Ablenkungsmanöver vorhin war schon ein gewaltiger Zuspruch meinerseits. Damit habe ich unsere Regeln stark strapaziert. Da es sich bei diesem Kampf, und dessen folgen aber eben nicht, um eine normale Situation handelt, werde ich euch heilen. Streng genommen ist es sogar meine Pflicht einzugreifen und die Dinge wieder richtigzustellen, damit die Zukunft nicht gefährdet wird. Aber, ich mag euch auch irgendwie und möchte euch helfen.“

Scharfsinnig fragte Jake: „Was meinst du damit, es ist keine normale Situation?“

Isaak seufzte schwer und offenbarte: „Zum einen sind wir beide seelenverbunden, das verkompliziert die Lage erheblich. Ich kann einfach nicht zulassen, dass dir Leid widerfährt, zum anderen aber, viel stärker als meine eigenen Gefühle und Ansichten, wiegt der Punkt, dass die Brünette offenbar genau wusste, was ich bin. Sie sagte, „Genug gespielt, töten wir den Wächter.“.

Ich habe mittlerweile etwas Zeit gehabt über diese Aussage, die Waffen und ihre Kräfte nachzudenken. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass dieser Hinterhalt nicht für euch, sondern speziell für mich geplant wurde.

Dass heißt, ich habe einen mächtigen Feind. Dieser wusste offenbar, dass ich geschwächt bin und es ein idealer Zeitpunkt für einen Angriff auf mich ist. Zudem habe ich noch nie miterlebt oder gehört, dass ein Vampir eine Waffe benutzt hätte, und schon gar keine magische.

Auch ist meine Wahrnehmung getrübt. Ich konnte keine Anzeichen für diesen Angriff erkennen. Nur dank Jake war es mir möglich die richtigen Schlüsse zu ziehen. Meine Annahme, dass meine Kräfte durch meine Verbindung zu Jake beeinträchtigt werden, muss ich wohl überdenken. Ich vermute, ich wurde mit einem Bann belegt.

Gebt mir etwas Zeit die Situation zu analysieren. Ich muss einige Punkte dieser These überprüfen.“

Er verstummte und sah sich durch Jakes Augen um. Nachdenklich gab er seine Einschätzung zum Besten: „Sam, ich schlage vor, dass wir uns auf den Weg machen. Leah ist soweit stabil. Wäre sie keine Wölfin, würde ich dringend raten, sie ins Krankenhaus zu bringen. So ist es aber weder sinnvoll noch notwendig. Sie braucht nur Ruhe, darf sich möglichst nicht bewegen und muss die Halskrause tragen, bis ich den Schaden repariert habe. Was Jared anbelangt, benötigt er nur etwas Ruhe. Den Rest erledigt seine rasche Heilung.“

Dann zog sich Isaak komplett aus Jakes Geist zurück. Zu diesem sagte er noch schnell: „Danke den Cullens bitte in meinem Namen. Ich muss nachdenken.“ Anschließend schottete der Wächter sich komplett ab und Jake konnte ihn weder spüren noch seine Gedanken oder Gefühle wahrnehmen.

Erneut kam das Gefühl der Leere in ihm auf. Diesmal hielt er sich an den Rat des Rotblonden und kämpfte dagegen an.

Sam trat nun vor und stellte sich in Wolfsgestalt vor Carlisle auf. „Edward, hörst du mich?“

Dieser nickte und betrachtet den Wolf misstrauisch.

„Gut. Im Namen des Rudels danke ich euch für eure Hilfe. Ich… bitte euch… unser Revier jetzt wieder zu verlassen. Wir müssen unsere Kameraden nach Hause bringen. Sobald ich wieder etwas hören kann, werde ich vor dem Ältestenrat sprechen. Dann sehen wir weiter. Das Rudel wird das nicht vergessen.“

Er wartete kurz ab und sah zu, wie Edward seine Gedanken in Worte umsetzte. Dann nickte der Arzt und gab eine Antwort. Seth wiederholte für alle anderen: „Unsere Hilfe war doch selbstverständlich. Wir werden deinen Wunsch respektieren und jetzt gehen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft vielleicht einige Missverständnisse und Vorurteile abbauen können. Wir wollen alle nur in Ruhe leben. Auf wiedersehen, Sam.“

Der Vampir wartete bis auch Sam nickte, dann rafften sie alles in Vampirgeschwindigkeit zusammen und rannten zurück nach Hause.

Da mischte sich Isaak ein: „Jake, ruf bitte Edward zurück. Ich habe da noch ein Anliegen, das keinen Aufschub duldet.“

Schnell rief er nach dem Vampir und alle Cullens blieben stehen.

Seths Stimme meldete sich: „Er fragt was du willst.“

Anstelle darauf einzugehen, fragte der Wächter: „Jake, Seth würdet ihr mir auch einen kleinen Gefallen erweisen?“

Irritiert antwortete Jake: „Ja, um was geht es denn?“

Auch diesmal antwortete der Wächter nicht und wandte sich an den Alpha: „Sam, ich bitte dich Edward noch ein wenig länger in eurem Revier zu dulden.“

„Warum?“, knurrte dieser zurück.

„Jake, Seth, ich möchte euch bitten, mich zu der Lichtung zu tragen, auf der Jake und ich uns das erste Mal begegneten. Ich muss etwas überprüfen.“

„Warum jetzt? Warum Jake und Seth? Und was hat das mit Edward zu tun?“, fragte Sam nach.

„Es muss Jake sein. Nur er hat außer mir den „wahren Blick“. Außerdem müssen ein paar Informationen zwischen dem Rudel und dem Zirkel ausgetauscht werden. Da brauche ich Seth, weil er als Einziger etwas hört. Edward ist für den Informationsaustausch die beste Wahl. Es ist wirklich sehr wichtig. Bitte, Sam, Jake, Seth.“

So langsam erahnte Jacob was Isaak im Schilde führte und stimmte zu. Er konnte spüren, wie besorgt dieser war und das gefiel ihm gar nicht. Wenn sich dessen Vermutungen bewahrheiteten, würde das nichts Gutes für sie alle bedeuten.

Der Leitwolf ging ein paar Kreise und knurrte: „Einverstanden. Edward darf euch begleiten, aber ich will Antworten. So langsam habe ich das Gefühl, dass du uns so einiges verschweigst. Vor allem mal, was zum Teufel ist ein Wächter?“

„Danke. Ich werde versuchen deine Fragen zu beantworten, sobald ich mehr weiß“, gelobte Isaak und fragte: „Seth, was sagst du dazu?“

„Du hast Leah das Leben gerettet. Ich bin dabei“, meinte der Jungwolf und kam zu Isaaks Körper gelaufen.

In der Zwischenzeit hatte Jake Edward eingeweiht.

„Er sagt, dass er hilft, aber als Gegenleistung will er ein paar Antworten“, wiederholte Seth.

„Einverstanden“, sagte Isaak schwach. Dieser ständige Gedankenaustausch kostete ihn viel Kraft.

Edward verstaute alles was er trug auf die anderen. Sie sahen, wie sich Rosalie mächtig darüber aufregte, und waren froh, ihre nervige Stimme nicht hören zu müssen. Anschließend ging er zu Jasper und nach einem kurzen Gespräch übergab dieser ihm miesepetrig seine Hose. Er verabschiedete sich von den anderen und kam zur Lichtung zurück.

Edward bot die erbeutete Hose Seth an. Dieser schnappte sie sich und verzog sich hinter einen Baum.

Jake sah, wie sich der Mund des Vampirs öffnete und schloss. „Seth, was sagte er?“

„Er geht hinter einen Baum um uns unsere Privatsphäre zu lassen. Du sollst ihn rufen, wenn es los geht“, antwortete Seth.

Nachdem alle Vampire außer Sichtweite waren, verwandelten sich die Wölfe. Sam gab Befehle und teilte sie auf. Er und Paul trugen die bewusstlose Leah, welche auf einer Trage festgeschnallte war. Quil und Embry schnappten sich Jared, der auf der zweiten Trage lag und moserte. Gemeinsam liefen sie los und ließen die anderen rasch hinter sich zurück.

Seth kam auf Jake zu und gemeinsam schnallten sie Isaak auf der Trage fest. Sie hoben den bewegungsunfähigen Wächter an und Jacob gab die Richtung vor. Er rief gedanklich nach Edward. Dieser tauchte wenige Augenblick später neben ihnen auf.

Jake musste grinsen. Der Vampir sah bescheuert aus, wie er da in Boxershorts rumrannte.

Dieser erwiderte und Seth gab weiter: „Beiß nicht die Hand, die dich füttert. Du kannst mir auch gerne meine Hose wiedergeben und nackt rumlaufen.“

Jake wollte wütend etwas erwidern, da sagte Isaak: „Beruhige dich. Es gibt Wichtigeres. Es ist an der Zeit mit offenen Karten zu spielen. Sage dem Rudel bitte alles, was ich dir und den Cullens erzählt habe. Dann berichte bitte auch Edward was heute los war. Erwähne auch die Waffen, aber nicht was mit ihnen passiert ist. Drück dich einfach mehrdeutig aus.“

In der Verbindung konnte Jake spüren, dass sein Rudel stinksauer war, weil er ihnen Informationen vorenthalten hatte. Schnell fragte er: „Warum das auf einmal? Ich dachte du möchtest nicht, dass jeder deine Geschichte kennt.“

„Ich würde sie selbst erzählen, aber ich kann nicht mehr. Ich werde mich nun zurückziehen. Meine Energie ist fast gänzlich aufgebraucht und ich muss anfangen mich um das Gift zu kümmern. Dring in meinen Geist ein, wenn wir angekommen sind.“

Isaak verschloss sich und sparte seine Kräfte. Er bekam nun nichts mehr mit und fokussierte sich nur noch auf das Gift.

Laut seufzte Jake auf und begann zu erzählen. Sein Rudel hörte gespannt zu. Am Ende verstanden sie so einiges mehr und auch warum er diese Informationen zurückgehalten hatte. Anschließend sprach er einfach weiter und berichtete Edward was vorgefallen war.

Nachdem alles erzählt war, wurde er von allen Seiten mit Fragen bombardiert. Nur einen Bruchteil davon konnte er wirklich beantworten. Auch der Vampir stellte Fragen und ging näher auf ihren Kampf ein. Von ihm erfuhren sie auch, was Isaak bereits gesagt hatte, nämlich, dass Vampire normalerweise keine Waffen benutzten. Sie waren selbst Waffen und brauchten sie nicht. Im Kampf mit ihresgleichen waren sie sowieso nutzlos. Den Fragen bezüglich den magischen Waffen wich Jake gekonnt aus und stellte es so dar, dass sie diese in das magische Feld geworfen hatten.

Ein neuer Feind

Nach einer Weile erreichten sie die Lichtung auf der sich Jakes Leben so gravierend verändert hatte. Mental griff er nach Isaak, aber der reagierte nicht. Dann drang er in dessen Kopf ein.

Erneut war er in der weißen Unendlichkeit. Dort saß der Wächter und meditierte. Etwas ratlos sah er ihm dabei zu. Seltsam war auch, dass dieser Ort irgendwie dunkler war als zuvor.

Unvermittelt sagte Isaak: „Benutze den „wahren Blick“ und lege meinen Körper auf die Quelle der Magie. Ich habe zu viel Kraft verbraucht. Das Gift erreicht gleich mein Herz. Ich muss eure Magie anzapfen, oder ich werde sterben. Beeile dich.“

Augenblicklich kehrte Jake in die Realität zurück und suchte panisch nach diesem Magiedinges.

Genau an der Stelle, an der Isaak bei ihrem ersten Treffen gestanden hatte, fand er eine Art lila Fontäne. Das musste es sein. Schnell gab er Seth Kommandos und sie legten den Wächter auf den magischen Geysir.

Dann warteten sie gespannt auf die folgende Reaktion. So, als ob der Mann auf der Trage gar nicht existieren würde, floss der magische Strom ungehindert weiter und durchströmte einfach dessen Körper. Isaak begann langsam zu glühen und der Magiefluss wurde immer schwächer.

Alle Wölfe spürten eine Art Kraftentzug und schrien wild durcheinander. Der Wächter gab die Energie gleich darauf wieder frei, und ihre Kräfte kehrten zurück.

Plötzlich erklang Isaaks Stimme in der Verbindung: „Tut mir leid. Ich musste mir eure Kraft kurz ausleihen. Ihr werdet euch ein bis zwei Stunden etwas müde fühlen. Ansonsten sollte es keine Beeinträchtigungen geben.“

Tobend fragte Sam: „Was soll der Scheiß?“

„Das Gift hätte mich getötet. Ich musste es zurückdrängen“, erklärte der Wächter.

„Hast du es neutralisiert?“, fragte Jake, bevor einer der anderen weiter meckern konnte.

„Nein. Dafür müsste ich bedeutend mehr Energie aus der Quelle ziehen. Ich habe es nur von meinem Herzen ferngehalten.“

„Was würde es für uns bedeuten, wenn du das Gift vollständig beseitigst?“, wollte Black Junior wissen.

Isaak dachte kurz nach und führte langsam aus: „Ihr würdet für knapp 8,4 Stunden all eure Fähigkeiten verlieren. Das schließt die Verwandlung, sowie alles andere mit ein. Auch eure Selbstheilungskräfte.“

„Würde das Leah, Jared und Paul gefährden?“

„Nein, aber ihre Heilung um diesen Faktor verzögern. Dafür könnte ich aber in etwa 6,8 Stunden mit der Heilung eures Gehörs beginnen.“

„Was, wenn du dich voll auflädst?“, fragte Sam nachdenklich.

„So viel Energie besitzt die Quelle nicht.“

„Wie sähe es aus, wenn du genug nimmst, um uns direkt heilen zu können?“, warf Jared ein.

Nachdenklich rechnete Isaak und sagte: „Ihr würdet eure Kräfte für knapp 37,8 Stunden verlieren. Dann kann ich einen nach dem anderen heilen, aber nicht gleichzeitig. Ich brauche immer eine Pause dazwischen.“

„Nach Ablauf der Zeit ist dann aber alles wieder beim Alten?“, knurrte Paul misstrauisch.

„Ja, keinerlei Beeinträchtigungen. Das garantiere ich, dass ist aber nicht nötig. Ich habe genug genommen, um am Leben zu bleiben den Rest schaffe ich auch allein. Es wird nur länger dauern als erwartet. Bis ich euch heilen kann wird es 5 Tage und 13 Stunden dauern.“

Seth war so nett alles in Gedanken zu wiederholen, damit der Vampir auch mitbekam, was los war. Dann fragte er in die Verbindung: „Edward will wissen, wie lange es dauert, bis der Feind wieder angreifen wird.“

„Also das kann ich beim besten Willen nicht vorhersagen. Ein paar Tage wird es schon dauern. Es könnte auch schneller gehen.“

„Heißt, wir müssen vielleicht ohne Gehör kämpfen. Und was ist mit dir? Wie fit wärst du in ein paar Tagen?

„Die nächsten drei Tage kann ich mich gar nicht bewegen. Erst muss ich das Gift neutralisieren, dass wird dauern. Bis ich auf demselben Niveau, wie vor dem Kampf bin, vergehen mindestens zwei Wochen.“

„Und wenn du das Gift neutralisierst?“, fragte nun Jake abermals.

„Inklusive eurer Heilung, etwa vier Tage“, erklärte Isaak neutral.

„Ohne dich haben wir gegen solche Gegner keine Chance“, sagte Sam nachdenklich und gebot allen anzuhalten. Die Wölfe legten die Tragen auf den Boden und setzten sich daneben. Auch Jake und Seth setzten sich hin.

„Gut wir sind soweit. Nimm dir was du brauchst, damit du in vier Tagen wieder fit bist“, entschied der Alpha und wartete.

Isaak stöhnte gequält auf und sagte: „Wie du willst. Macht euch bereit“ Er brach die Verbindung ab und griff nach der Quelle. Abermals spürte das Rudel, wie ihnen ihre Kraft genommen wurde, jedoch diesmal wesentlich stärker. Einige begannen zu schwanken und fielen um. Ihnen war schwindelig und sie verloren allmählich das Bewusstsein.

Jake konnte den „wahren Blick“ nicht mehr aufrechterhalten und musste sich abstützen, um nicht umzukippen. Dann ließ der Kraftentzug nach und ließ sie alle außer Atem zurück.

Verschwommen sah er, wie Isaaks Umrisse sich bewegten. Dann schoss eine schwarze Masse auf den Liegenden zu. Kraftlos streckte Jake eine Hand aus und krächzte heiser: „Nein.“

Es war nur Edward, der die Gurte lockerte, erklärte ihm Isaak mental. Dann sprach der Wächter: „Es wird dir gleich besser gehen. Bleibt einfach nur einen Augenblick sitzen.“

„Das Gift“, stammelte Jake und ließ sich von dem Wächter stützen.

Dieser offenbarte: „Ich habe es vollständig unschädlich gemacht. Den Rest erledigt meine Selbstheilung.“

Nach einer Minute löste sich Jake aus Isaaks Griff und schüttelte den Kopf. „Mann ey. Das fühlt sich an als, ob ich überfahren worden wäre. Ich kann kaum einen Finger rühren.“

Isaak gluckste: „Vielleicht überdenkst du jetzt deinen Fahrstil?“

Verständnislos wurde er angeschaut. „Ach, egal. Jake, ich kann sofort einem von euch das Gehör heilen, oder in fünf Stunden Leah. Was möchtet ihr zuerst?“, erkundigte sich Isaak und sah nach Seth.

„Brauchst du mein Gehör?“, fragte der Beta tonlos.

„Nicht unbedingt, aber es wäre einfacher. Das würde meine Kräfte schonen“, meinte der Rotblonde.

„Dann heil mich, danach ist Leah dran. Dann sehen wir weiter“, schnaubte er schwach.

„Wie du willst“, erwiderte Isaak und legte ihm die Hände auf die Ohren. „Das wird nun unangenehm werden. Versuche nicht dich zu kratzen.“

Der Wolfsjunge nickte und der andere begann seine Kräfte zu wirken. Augenblicklich begann es in seinen Ohren entsetzlich zu jucken. Um sich davon abzuhalten, sich zu kratzen, krallte er sich ins Gras und schrie gequält auf. Es dauerte noch einen Moment, dann konnte er leise seine eigene Stimme wieder hören. Sie wurde immer lauter und dann ebbte der Juckreiz ab.

Erschöpft sackte er zusammen und ließ sich mit einem erleichterten Seufzen gegen Isaaks Brust fallen. Er hörte, wie sich dessen Herzschlag beschleunigte. Sanft wurde er in den Arm genommen und der Wächter strich ihm über den Rücken.

Dann schüttelte sich Isaak und stand schnell auf. „Verzeih, ich konnte mich nicht beherrschen.“

„Schon ok“, nuschelte Jake und wünschte sich insgeheim, dass der Moment länger gedauert hätte. Ein weiteres Seufzen entwich ihm. Er konnte wieder hören und das war eine solche Erleichterung.

Seth stand nun auf und sagte: „Die Verbindung ist weg. Ich kann die anderen nicht mehr hören. Endlich mal Ruhe. Wie geht’s dir Jake? Alles ok?“

„Alles bestens“, murmelte dieser und stand auch auf. Er war zwar etwas wackelig auf den Beinen, aber er konnte stehen. Dann sah er sich nach Isaak um.

Der stand auf der Lichtung und suchte konzentriert die Umgebung ab. Nachdenklich brabbelte er dabei. „Ich kann nichts Ungewöhnliches erkennen.“ Der Wächter sah zu ihm und sagte: „Versuch du es mal.“

Der Beta lockerte seine Muskeln und tat es dem Rotblonden gleich. Er spürte, wie Isaak in seinen Kopf eindrang, und durch seine Augen alles mitverfolgte. Einen Augenblick lang betrachteten sie gemeinsam die ganzen Linien und Symbole. Dann streckte Isaak eine Hand aus und griff nach einer lila Linie, die er durch Jakes Augen sah.

Der Wächter erbleichte und zog sich aus Jacobs Geist zurück. Nachdenklich ging er umher.

Jake sah Edward an und beide zuckten mit den Schultern. „Isaak, kannst du mich hören?“

„Ja, meine Selbstheilung hat einen Teil meiner Hörzellen repariert. Aktuell höre ich ein wenig schlechter als ein normaler Mensch, würde ich meinen“, antwortete er automatisch hielt aber nicht inne.

Jake wartete, aber der andere sagte nichts mehr. „Isaak, was ist los?“, sprach er ihn zum zweiten Mal an.

„Oh“, stammelte dieser, blieb stehen und sah zu ihm. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.“

„Nach allem was heute passiert ist, erst die gute, bitte.“

Der Wächter sah ihm eindringlich in die Augen und offenbarte: „Deine Prägung auf mich war kein Fehler von mir oder ein Unfall. Es war ein Anschlag auf mich.“

Entsetzt fragte Jake: „Das soll die gute Nachricht sein?“

Isaak gluckste und strahlte ihn an. „Liegt wohl im Auge des Betrachters. Aber für mich ist das die beste Nachricht seit über 1.000 Jahren. Ich habe dir kein Leid zugefügt. Da fällt mir ein gewaltiger Stein vom Herzen.“

„Es war dennoch ein Mordanschlag“, mutmaßte Jake irritiert.

„Ja, aber ich habe dir nicht weh getan. Du weißt gar nicht, wie froh mich das macht“, freute sich Isaak. Dann schwangen seine Emotionen um und er knurrte vor Zorn zitternd: „Wenn ich den in die Finger bekomme, der dir das alles angetan hat, dann wird er sich wünschen, nie geboren worden zu sein.“

Er ließ die Finger knacken und offenbarte, mit einem angsteinflößenden Grinsen: „Ich habe die Aufzeichnungen von Wächter Zerte gelesen. Dieser hatte sich fast einhundert Jahre mit sämtlichen Foltermethoden der Vergangenheit und der Zukunft beschäftigt. Leider sterben die meisten viel zu schnell an den Folgen der Folter. Er hat dieses Problem aber gelöst. Es juckt mich in den Fingern das mal auszuprobieren.“

Jake schluckte schwer und mahnte kleinlaut: „Ich glaube, das solltest du nicht machen.“

Der Rotblonde blinzelte und gestand: „Du hast Recht. Träumen darf man dennoch, oder? Keine Sorge, ich werde diese Person schnell und möglichst human töten.“

Ein Grund um erleichtert zu sein, war das in Jakes Augen jedenfalls nicht. Schnell fragte er, um das Thema zu wechseln: „Was sind die schlechten Nachrichten?“

Isaak seufzte schwer und erklärte: „Nach allem was geschehen ist und der Eindrücke, die ich durch deine Sicht hatte, komme ich zu dem Schluss, dass, wer auch immer hinter diesen beiden Fallen steckt, ein menschlicher Magier sein muss. Zudem hat er oder sie Wissen über die Wächter erlangt und will mich töten. Diese Person hat mich mit einem äußerst starken Bann belegt, welcher meine Sinne trübt und war dabei so geschickt, dass ich es nicht einmal bemerkt habe. Das ist wirklich mächtige Magie.

Mein vordringlichstes Anliegen ist von nun an, diese Person ausfindig zu machen und zu neutralisieren. Ein Eingriff in das Schicksal dieses Ausmaßes ist absolut inakzeptabel und stellt eine Bedrohung für alles Leben dar. Auch muss ich herausfinden, was das Ziel dieses Angriffes war. Mein Tod wäre dem Drahtzieher kaum von Nutzen. Dann wird einfach der nächste Wächter erwählt. Ich fürchte, hier ist mehr am Werk, als ich zu erkennen vermag.“

Dann hellte sich sein Gemüt wieder auf und er ließ sich mit einem Seufzen aufs Gras fallen. Dort machte er es sich gemütlich zog die Beine an und legte das eine auf das andere. Anschließen begann er ausgelassen mit dem Fuß in der Luft zu wippen. Durch ihre Verbindung verfolgte Jake seine unbändige Freude. Er konnte noch immer nicht verstehen, was an der guten Nachricht so gut sein sollte.

Isaak musste seine Gedanken mitbekommen haben und erklärte hibbelig: „Jake, ich bin ein Wächter. Meine Aufgabe ist es nicht Leid zu verursachen. Das ist einer der Gründe für meine Freude. Der Zweite ist, dass ich dich mag und schreckliche Schuldgefühle hatte. Ich dachte, ich hätte dich an mich gebunden, dass ich dich dazu gezwungen habe. Das ist mit einer der Gründe für mein, wie sagtest du noch „selbstloses Samariterverhalten“. Jetzt kann ich das endlich hinter mir lassen.“

Sein ganzes Gebaren änderte sich. Er sah nun irgendwie traurig aus. Dann seufzte er und sagte: „Das Beste für dich an dieser Nachricht wird wohl sein, dass ich womöglich unsere Bindungen aufheben kann, sofern wir es schaffen den Magier zu töten. Dann kann ich seine Magie negieren und die ursprüngliche Prägung auf mich aufheben. Damit wäre ich dann imstande unsere aktuelle Verbindung ebenfalls aufzuheben. Einen bewussten und strukturieren Zauber aufzuheben ist wesentlich einfacher, als einen zufällig entstandenen. Da weiß man nie so recht, was die Ursache ist und wo man ansetzen soll.“

Der Wächter schloss die Augen und dachte kurz nach. Dann zuckte er mit den Schultern und meinte: „Carpe diem. Nutze den Tag.“

„Was genau meinst du damit?“, fragte Edward misstrauisch.

„Ich sagte es bereits: Ich mag Jake. Warum sollte ich also seine Anwesenheit nicht genießen, solange ich kann?“, stellte Isaak eine Gegenfrage.

Jake wich etwas vor dem anderen zurück und stammelte: „Du wirst mir aber jetzt nicht an die Wäsche gehen, oder?“

Nachdenklich gestand Isaak: „Ich könnte und du hättest keine Chance dich zu wehren. Selbst mit deinen Wolfskräften bist du mir weit unterlegen. Aber, ich mag dich und ich würde nie etwas tun, dass du nicht willst. Also halte ich mich auch weiterhin auf Abstand.“

Dann stemmte er sich auf die Ellenbogen und grinste: „Gewöhne dich aber besser gleich daran, dass ich dich nicht mehr auf Händen trage und meinen eigenen Kopf habe. Jetzt können wir wirklich Freunde werden.“ Schelmisch fügte er mental, fast schon liebevoll, hinzu: „Wölfchen.“ Dann musterte er zum ersten Mal, soweit Jake es wusste, dessen Körper.

Der Beta wurde leicht rot und drehte sich weg. Das offene Interesse des anderen irritierte ihn gewaltig. Seine ganze Art war wie ausgewechselt. Isaak war nun viel offener.

„Das war nur ein Spaß, hab dich nicht so“, erklang es in seinem Kopf. „Wobei du schon zum Anbeißen aussiehst.“ Nach diesen Worten wurde Jake noch verlegener und der Wächter kugelte sich vor Lachen auf der Wiese.

Jake wusste, dass Isaak ihn nur neckte. Er würde ihn nie anfassen ohne seine Erlaubnis, da war er sich sicher. Seine Worte waren dennoch wahr. Langsam stieg Wut in ihm auf.

Sofort hörte Isaak auf zu lachen, räusperte sich und schnitt, um des lieben Friedens willen, ein anderes Thema an: „Hm…, es wird nicht einfach werden den Magier zu erledigen. Rein technisch gesehen ist das kein Problem. Er ist immerhin sterblich. Seine Magie aber wird ein großes Problem werden. Wenn ich im Vollbesitz meiner Kräfte wäre, würde ich deutlich über ihm stehen. Nur so, weiß ich nicht so recht, was ich machen soll. Ich brauche mehr Informationen. Ich werde wohl die Kristallmatrix zu Rate ziehen müssen. Auf einen Kampf gegen einen Magier bin ich nicht vorbereitet.“

Mit einem Satz sprang er auf und sagte: „Eines nach dem anderen. Wir sollten mal nach dem Rudel sehen. Edward? Berichtest du bitte deinem Zirkel alles? Es würde unsere Chancen zu überleben deutlich erhöhen, wenn wir zusammenarbeiten würden.“

Nachdenklich äußerte der Vampir: „Für mich hört sich das nach einem Konflikt zwischen dir und diesem Magier an. Eure Magie ist unseren Kräften haushoch überlegen. Ich sehe keinen Grund, warum wir uns da einmischen sollten.“

Isaak nickte und gab ihm Recht: „Das stimmt. Ihr habt keinen Grund das zu tun. Aber, betrachten wir allein die Machtgier der Menschen. Leider muss ich sagen, dass fast alle menschlichen Magier dieser verfallen sind. Sollte ich sterben, wird es lange dauern bis der nächste Wächter bereit sein wird einzugreifen. Bis dahin kann quasi alles geschehen. Der Magier könnte einfach sterben oder sich auf eine Insel zurückziehen. Alles schon vorgekommen, aber die meisten planen die Weltherrschaft.

Bisher konnten die Wächter das verhindern. Einen solchen Fall gab es bisher jedoch nie. Es ist nicht abzusehen, welche Schäden ein außer Kontrolle geratener Magier anrichten könnte. Vielleicht lässt er euren Zirkeln in Ruhe? Vielleicht lässt er euch aber auch von einem Meteoriten zermalmen, oder macht euch zu seinen Haustieren. Der Magier hat dann absolut freie Hand. Er kann tun was immer er will.

Menschliche Magier sind einfach unberechenbar und gelten als eine der größten Bedrohungen für das Leben selbst. Daher würde ich vorschlagen euch zumindest vorzubereiten. Für den Kampf oder die Flucht.“

Dann fiel Isaaks Blick auf Jake: „Heute sind wir nur knapp dem Tod entronnen. Unser aller Glück war es, dass du und ich miteinander verbunden sind und du den „wahren Blick“ besitzt. Ein zweites Mal wird das aber nicht funktionieren. Entweder wusste der Magier nichts von unserer starken Bindung oder hat diese als unwichtig eingestuft. Begreift er aber deren Umfang und Auswirkung, wirst du damit unweigerlich zur Zielscheibe – stirbst du, sterbe auch ich.

Das ist ein weiterer Grund dich nicht mehr aus den Augen zu lassen. Außerdem würde es mich nicht überraschen, wenn er bereits über das Rudel Bescheid wüsste und just in diesem Moment einen Plan schmiedet, uns alle mit einem Schlag auszuradieren. Auch über die Cullens könnte er nun Informationen besitzen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.

Ich glaube nicht, dass wir ohne einen Kampf mit heiler Haut davonkommen werden.“

Nach all diesen Informationen dröhnten ihnen so langsam die Schädel und Edward verabschiedete sich: „Ich werde mit den anderen reden, aber ich verspreche nichts.“

Jake wandte sich ihm zu und sagte: „Danke nochmal für alles. Das Rudel wird sich auch beraten. Ihr hört von uns. Bis dann.“

„Auf Wiedersehen“, sagte der Vampir, hob die Trage auf und rannte davon.

Willkommen in der Wolfshöhle

Jake sah dem Blutsauger hinterher. Dann sah er sich um. Sie hatten ihre Position nicht geändert und waren noch immer im Revier des Rudels. Trotz dieses Umstandes hatte er keine Ahnung, wo sie waren, oder wie sie nach Hause gelangen würden. Ohne seine Wolfskräfte hatte er vollkommen die Orientierung verloren.

Isaak schmunzelte leicht, bei den Gedanken des anderen und sagte: „Keine Angst Jake, eure Kräfte werden bald zurückkehren.“ Dann zeigte er in eine Richtung und enthüllte: „Es geht da lang. Lauft ihr beiden schon mal vor, ich hole schnell die Waffen und stoße dann zu euch.“

Seine Worte waren noch nicht ganz verklungen, da war er auch schon wie eine Rakete davongedüst.

Jake und Seth sahen sich an, ließen die Köpfe hängen und machten sich auf den Weg. Der Jungwolf begann belangloses Zeug zu quatschen und hielt keine Sekunde inne. Ihm gefiel es offenbar alleine mit Jake durch den Wald zu streifen.

Keine zehn Minuten später lehnten beide an einem Baum und waren vollkommen außer Atem. So fühlten sich also normale Menschen, ohne die Ausdauer eines Wolfs. Zudem waren sie seit dem Kräfteentzug sehr geschwächt und wollten eigentlich nur noch schlafen.

Direkt neben ihnen im Gebüsch raschelte es und beide zuckten zusammen als ein Hase erschien. Dieser sah die Menschen und machte sich schleunigst aus dem Staub. Die Wölfe sahen dem Kleinen wehleidig hinterher. Sie hatten keinerlei Interesse dem Geschöpf nachzujagen und das war ihnen sehr fremd. Normalerweise hätten sie sich verwandelt und den Hasen gemeinsam verfolgt.

Sie hätten ihn aber nicht erlegt. Die Jagd, das war der Reiz und ihr Instinkt. Töten, um zu fressen, eher selten. Immerhin gab es Kühlschränke und Emily, die immer etwas zu mampfen für die Bande vorrätig hatte.

Was Jake allerdings mehr zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er den Hasen weder riechen noch weiter als ein paar Meter hören konnte. Er knurrte ungehalten und kam sich sogleich dämlich vor. Welcher normale Mensch knurrte schon andauernd? Dann stieß er sich von dem Baum ab und bestimmte: „Genug pausiert, weiter geht’s.“

Seth sah ihn kurz an und beide setzten sich wieder in Bewegung. Etwa vier Minuten später war auch schon Isaak wieder bei ihnen. Durch ihre Verbindung wusste Jake immer wo dieser war und war somit auch nicht von seinem plötzlichen Auftauchen überrascht. Seth allerdings machte einen Satz und wäre fast mit einem Baum kollidiert, als der Wächter zwischen ihnen auftauchte.

Schmunzelnd sah dieser zu dem Jungwolf und scherzte: „So schreckhaft, die Jugend.“

„Alter, häng dir ein Glöckchen um oder so. Ich hatte fast einen Herzinfarkt“, maulte Seth, lächelte aber dabei.

Nachdenklich sah sich Isaak um und sagte: „Wir laufen in die falsche Richtung. Bei eurem aktuellen Tempo dauert das noch bis heute Abend, bis wir bei den anderen sind.“

Er dachte kurz nach und Jake folgte seinen Überlegungen. Dann knurrte der Beta ungehalten: „Nein, auf keinen Fall.“

Isaak sah ihn an und schnaubte belustigt: „Männer.“ Dann verdrehte er die Augen und sah zu Seth. „Was dagegen, wenn ich dich Huckepack mitnehme?“

„Was meinst du damit?“, fragte der Jüngste.

„So, wie Edward mit Bella unterwegs ist“, veranschaulichte der Wächter.

„Alter, das wollte ich schon immer mal ausprobieren“, sagte Seth begeistert und errötete, als er Jakes entsetzten Gesichtsausdruck sah.

Bevor es zu einem Streit kommen konnte meinte der Rotblonde: „Gut, dann spring auf.“

Ungläubig sah Jacob dabei zu, wie der Wächter in die Hocke ging und Seth auf seinen Rücken sprang. Isaak verschränkte die Hände unter Seths Hintern und stabilisierte ihn damit.

„Wo hast du eigentlich die Waffen gelassen?“, fragte Jake, dem gerade auffiel, dass er sie nirgends sehen konnte.

„Die sind nun ein Teil von mir. So sind sie sicher und ich habe die Hände frei“, gab Isaak zurück. Dann gestand er: „Das kostet mich zwar eine Stunde, aber so ist es das Beste. Diese Klingen könnten mich töten, da lasse ich die nicht einfach irgendwo rumliegen.“

„Ok. Wie lange wirst du brauchen bis du Seth abgesetzt und wieder bei mir bist?“, lenkte er vom Thema ab. Seine Gedanken hatten komische Züge angenommen, drehten sich darum, wie Isaak die Waffen in seinen Körper schob und er errötete leicht bei dieser Vorstellung. Das kam ihm seltsam unanständig vor.

„Eifersüchtig?“, forderte der Wächter ihn heraus. Er hatte natürlich mitbekommen was der andere sich ausmalte.

„Geh sterben“, schnaubte Jake erbost.

„Bin in etwa einer Stunde wieder da, verlauf dich nicht“, scherzte Isaak und düste davon.

„Du Arsch“, brüllte er hinterher und fragte sich dann, warum er das überhaupt tat. Er konnte doch auch einfach mental mit ihm sprechen. Jake verdrehte die Augen und sah ihnen nach. Seth amüsierte sich köstlich und johlte bei der Geschwindigkeit. Dann waren beide verschwunden.

Also gab auch der Beta Gas. Er hatte nicht vor sich dieser Schmach auszusetzen. Immerhin war er keine Frau wie Bella. Bei ihr war das ja noch in Ordnung, aber nicht bei ihm.

Isaaks Rückkehr verzögerte sich um eine halbe Stunde, da er auf dem Rückweg den Rest des Rudels einsammeln musste. Diese irrten orientierungslos nur wenige Kilometer von Sams Bude herum und wussten nicht, wie sie sich ohne ihre Verbindung verständigen sollten.

Jake bekam mit, wie Isaak in Sams Kopf eindrang ihm alles erzählte und ihn fragte, ob er sein Gehör wiederherstellen sollte. Auch, wenn der Alpha Jakes Meinung teilte, dass Leahs Genesung wichtiger war, musste er einsehen, dass das so nicht funktionierte. Sie mussten sich irgendwie verständigen können und keiner von ihnen beherrschte die Zeichensprache.

Der Wächter heilte daraufhin sein Gehör und Sam setzte mit dem Rest den Weg fort. Er musste zwar immer noch mit Mimik und Gestik den andern seine Befehle erteilen, aber er konnte ihre Stimmen hören. So war es schon mal wesentlich einfacher die Bande zu kontrollieren.

Nach ungefähr eineinhalb Stunden tauchte Isaak wieder bei Jake auf, der gerade eine Atempause machte.

„Vorschlag zur Güte“, begann der Wächter und sah zu dem schweißüberströmten Wolf hinunter. „Wie, wäre es, wenn du einfach die Augen schließt während ich dich trage? Ich verspreche, dass ich dich rechtzeitig absetze, damit keiner das mitbekommt. Ich werde es auch nie wieder ansprechen, versprochen.“

Jake sah kurz auf und nickte. Er war am Ende und es würden noch Stunden vergehen, bis er aus eigener Kraft diese Strecke hinter sich bringen könnte. Von der Vorstellung, wie ein schwächliches Mädchen von dessen Freund getragen zu werden, behagte ihm gar nicht, aber in diesen sauren Apfel musste er wohl beißen. Solange Isaak sein Wort hielt, würde er sich die Peinlichkeit ersparen, dass jemand jemals davon Wind bekam.

„Brav“, scherzte der Wächter und wuschelte ihm über den Kopf. Wütend schnappte Jake nach der Hand und Isaak schimpfte grinsend: „Aus.“

„Übertreib es nicht“, knurrte der Beta und dachte schon daran seine Entscheidung zu ändern.

Isaak machte ein Geste. Er fuhr sich mit zwei Fingern über die Lippen, schloss ab und warf den Schlüssel weg. Dann ging er in die Hocke und wartete geduldig. Geschlagene drei Minuten dauerte es, bis Jake sich überwinden konnte auf dessen Rücken zu steigen. Am Ende gab er sich einen Ruck. Isaak sagte kein einziges Wort und dachte an andere Dinge. Er wollte ihn nicht drängen. Das war der ausschlaggebende Punkt für ihn gewesen.

Jake spürte dessen Hände unter seinem Hintern und errötete verlegen. Vielleicht sollte er doch wieder absteigen? Isaak durchkreuzte seine Gedanken einfach dadurch, dass er sich erhob und losstürmte. Dessen Bewegungen waren überraschend sanft. Aus den Gedanken des Wächters wusste er, dass dieser absichtlich seine Schritte dämpfte, um es ihm angenehmer zu machen.

Dennoch schloss er beschämt die Augen und fragte, um sich abzulenken: „Solltest du deine Kräfte nicht schonen? Verzögert dieses Rumgerenne nicht die Heilung der anderen?“

„Nein“, sagte Isaak mental. Bei dieser Geschwindigkeit hätte Jake seine Stimme nicht hören können, ohne dessen Wolfssinne. „Meine Sinne, Kraft und Geschwindigkeit beruhen auf physikalischen Anpassungen meines Körpers. Anders als bei euch, brauche ich keine Magie, um sie nutzen zu können.“

Jake dachte einen Moment darüber nach und ihm fiel, bei diesem Thema, etwas ein. Sogleich fragte er, diesmal ebenfalls mental: „Woher wusstest du eigentlich, dass da noch ein unsichtbarer Feind war? Ich meine er war unsichtbar und selbst du konntest ihn nicht aufspüren. Also woher wusstest du davon, dass da noch einer lauerte?“

Diesmal konnte sich der Wächter ein Schmunzeln nicht verkneifen und er erklärte: „Ich wusste es nicht zu einhundert Prozent, aber es gab Anzeichen, welche diese Vermutung nahelegten. Erstens, diese vier, wenn man den Unsichtbaren mitzählt, habe ich durch deine Augen nicht gesehen. Zudem konnte ich ihre Präsenz erst spüren, nachdem sie sich gezeigt hatten. Ich vermutete also, dass sie sich irgendwie verborgen hatten. Das wäre aber auch mit Magie möglich gewesen.

Als dann aber diese Brünette schrie, erkannte ich, dass da noch einer sein musste. Ihr Schrei lähmte mich zwar, war aber nicht stark genug, mich zu töten. Zudem machte sie keine Anstalten sich zu bewegen. Wie also wollte sie mich so erledigen? Sie wusste offenbar nicht von unserer Verbindung, sonst hätten sie alle Angriffe auf dich konzentriert. Es wäre also nur eine Frage der Zeit gewesen bis sie eine Pause machen musste. Das wäre dann ihr Ende gewesen. Das alles zusammen konnte nur bedeuten, dass ein weiterer Gegner mich von hinten ausschalten sollte, während ich bewegungsunfähig bin.“

Jetzt, da er es erklärte, war es offensichtlich. Jake musste dringend einmal seine Auffassungsgabe schärfen.

Nach einem Sprung über einen etwa vier Meter breiten reißenden Fluss, verrutschte seine Hand auf Isaaks nackter Brust etwas und er berührte den Schnitt. Dieser fühlte sich immer noch nicht gut an und er beugte sich vor, um sich das anzusehen. Die Wunde hatte sich ein wenig geschlossen und war verkrustet.

Wütend fuhr er Isaak an: „Ich dachte du hast das geheilt?“

Überrascht antwortete dieser: „Das habe ich nie gesagt. Ich sagte, ich habe das Gift neutralisiert, nicht die komplette Wunde versorgt. Es dauert zwar etwas, aber den Rest macht mein Körper auf natürlichem Weg.“

„Aber, tut das nicht weh? Vor allem, wenn du hier so rumrennst und mich trägst?“

„Schon“, gestand Isaak und dachte kurz darüber nach, wie er es formulieren sollte. „Schmerz ist eine Frage des Willens. Es gibt Menschen, deren Willen stark genug ist, unglaublichen Schmerz zu ertragen. Da gibt es einen Stamm, bei dem sie den Jungen bei einer Zeremonie einen Handschuh mit großen Ameisen anziehen. Diese beißen den Träger und der muss den Schmerz erdulden. Es ist ein Brauch, um einen Jungen zum Mann werden zu lassen.

Egal, ich vertrage jedenfalls eine Menge Schmerz und lasse mich davon nicht sonderlich beeinflussen. Wenn es zu viel wird, kann ich auch die Schmerzrezeptoren meines Köpers ausschalten. Das ist aber ein zweischneidiges Schwert.“

Nachdenklich, ohne es bewusst mitzubekommen, streichelte Jake sanft den Bereich um die Narbe herum.

Isaak seufzte und sagte: „Jake, lass das bitte.“

Sofort zwang Jacob sich inne zu halten. Dann fragte er enttäuscht: „Du magst das nicht.“

„Jake, das ist nicht der Punkt. Ich sagte dir doch bereits, unsere Verbindung wird stärker. Durch unsere Gefühle und Taten.“ Erneut seufzte Isaak und gestand: „Wenn ich nicht ganz genau wüsste, wie abgeneigt und abartig du mich findest, dann würde ich das genießen. Bei den Göttern, dann würde ich darum betteln, dass du nie damit aufhörst.“

Er verstummte und wurde rot. Es war ihm peinlich, so viel Preis gegeben zu haben.

Auch Jake war knallrot. Entgegen seiner Worte konnte Isaak nicht aus seiner Haut und dachte immer noch an das, was Jake wollte, oder eben nicht.

Dann sah er sich misstrauisch um. Seiner Einschätzung nach war niemand in der Nähe und sie hatten auch noch ein gutes Stück vor sich. Er entspannte sich und schmiegte sich an den muskulösen Rücken vor sich. Dann ließ er seine Finger wieder sanft über die Wunde streichen.

„Jake“, mahnte der Rotblonde.

„Fresse halten“, knurrte Jake und legte seinen Kopf auf die breite Schulter vor sich. Diesmal wollte er dem anderen etwas zurückgeben. Er wusste sowieso nicht, was er überhaupt sagen sollte. Die Situation war ihm peinlich. Gemein und herrisch zu sein machte es ihm leichter, sich nicht ganz so pervers und abartig zu fühlen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, gefiel auch ihm die Nähe zu Isaak. Wenn er doch nur kein Mann wäre.

Der Wächter schwieg und folgte den Gedanken des anderen. Dieser vergrub nun seinen hochroten Kopf an Isaak Hals und ließ sich einfach fallen. Jake wollte nicht mehr nachdenken.

Auch, wenn der Rotblonde es sich selbst verbot, diesen Augenblick der Schwäche auszunutzen konnte er einfach nicht anders, als diesen Vertrauensbeweis zu genießen. Unbewusst dachte er: „Lass dich ruhig fallen. Ich werde dich auffangen. Immer.“

Das hörte Jacob natürlich und schnaubte gegen die weiche und warme Haut vor sich. Dann dachte er darüber nach, den anderen als Strafe in den Hals zu beißen, aber er konnte sich nicht überwinden. Isaak könnte das falsch verstehen und er wollte ihm keine Hoffnungen machen.

Jake war so müde. Er fühlte sich so geborgen und sicher. Er bekam gar nicht mit, wie er langsam einschlief. Isaak hingegen bemerkte das und schmunzelte. „Du bist echt süß Wölfchen“, flüsterte er, wohl wissend, dass dieser es nicht mitbekommen würde.
 

Nach einer Weile drängte sich jemand in seinen Verstand und sagte er solle aufwachen. Jake drehte sich, bildlich gesprochen, mental um und schlief einfach weiter. Plötzlich zwickte ihn etwas am Hintern und er riss die Augen auf. „Was? Was?“, brabbelte er und sah sich suchend um.

Dann begriff er Isaak hatte ihm in den Hintern gezwickt. Sofort begann er zu toben: „Alter, Flossen weg. Ich bin nicht schwul.“

„Ich weiß, aber wir sind fast da und ich vermute stark, du willst lieber absteigen, oder?“, sagte der Wächter und blieb stehen.

Erbost gab er dem anderen einen Klaps gegen den Kopf, als Rache für diesen dreisten Überfall. Er setzte aber bewusst nur wenig Kraft ein. Immerhin wollte er sich nicht die Hand brechen. Schuldbewusst ruckte Isaak auch brav mit dem Kopf.

Dann lockerte der Wächter seine Hände und Jake rutschte ihm vom Rücken. Anschließend streckte sich der Beta erstmal ausgiebig. Das kleine Nickerchen hatte er nötig gehabt.

Durch die Bäume konnte Jacob Sams Bude sehen und er ging darauf zu. Nach einigen Schritten bemerkte er, dass Isaak nicht folgte. Er drehte sich und sah den anderen an. „Was ist los?“

„Das ist euer Rückzugsort. Ich habe da nichts zu suchen. Ich melde mich bei dir, sobald ich bereit bin Leah zu heilen“, sagte Isaak ernst.

Irritiert, weil der Beta nicht so ganz verstand, was los war, fragte er: „Und, wo willst du hin?“

Der Rotblonde zuckte mit den Schultern und offenbarte: „Ach, ich suche mir einen gemütlichen Baum oder eine Höhle. Ich bin es gewohnt im Freien zu sein. Also dann, bis später.“ Er grinste ihn kurz an und wandte sich ab.

Mit einem Satz war Jake an seiner Seite, ergriff seinen Arm und hielt ihn davon ab zu verschwinden. „Du kommst mit“, bestimmte er ernst.

„Jake, die anderen werden mich nicht tolerieren. Das ist Sams Haus. Das Haus des Rudels.“

Ohne darauf einzugehen, schnappte der Wolfsjunge sich die Hand des Wächters, und zog diesen einfach mit sich auf ihren Unterschlupf zu.

Der Rotblonde seufzte ergeben und ließ ihn machen. Dabei hörte er Jakes Gedanken. Sam war auf Emily geprägt. Sie durfte auch da sein. Er und Isaak waren ebenfalls verbunden. Gleiches Recht für alle. Die anderen sollten ja den Ball flach halten, sonst würde er ihnen das Fell abziehen.

Als sie den Schutz der Bäume verließen, gab Jake Isaaks Hand frei. Er wusste, dass dieser nicht einfach verschwinden würde und er wusste auch, dass er seine Gedanken gelesen hatte. Demnach brauchte er nichts weiter zu sagen oder erklären.

Vor der Haustür lehnte Seth an der Wand und sprang auf, als er die beiden um die Ecke kommen sah.

„Man ey, ihr habt aber lange gebraucht. Die anderen sind schon längst da. Was habt ihr denn getrieben?“, fragte er und wackelte anzüglich mit den Augen.

Jake knurrte nach Wolfsmanier und Isaak erklärte: „Das ist meine Schuld. Auf dem Weg zu Jake habe ich einen Abstecher gemacht und das Rudel eingesammelt. Das hat einiges an Zeit gekostet. Zudem bestand Jake darauf zu laufen, verstehst du.“

„Ach, so“, sagte Seth und klang enttäuscht. Er hat sich was Spannenderes ausgemalt. „Jetzt verstehe ich auch, warum Sam wieder hören kann. Habe ich gar nicht so wirklich beachtet bisher. Mann, Jake du hättest ruhig mal sagen können, dass ich dich ausgebremst habe. Du hast ja die Ausdauer von einem Ochsen und, dass selbst ohne Wolfkräfte.“

Der Beta ging nicht darauf ein und versuchte den Kleineren zur Seite zu schieben. Mental sagte er jedoch: „Danke für die kleine Notlüge.“

„Ich halte stets mein Wort“, erwiderte Isaak ebenfalls mental.

Seth schien aber gerade erst heiß zu laufen und begann von seinem Ritt auf Isaaks Rücken zu schwärmen. Er verglich dieses Erlebnis mit einer Achterbahnfahrt und sagte auch, dass der Wächter für ihn ein paar atemraubende Sprünge und sowas gemacht hatte.

Jake hörte nur nebenbei zu wurde aber stutzig und fragte mental: „Hast du das echt gemacht?“

„Ja, er hat mich darum gebeten und ich sah keinen Grund ihm diesen Wunsch abzuschlagen. Wieso hätte ich das besser nicht tun sollen?“

Innerlich grinste Jake und sagte: „Tja, jetzt hast du einen Groupie. Viel Spaß. Seth kann sehr hartnäckig sein. So schnell wirst du ihn jetzt nicht mehr los.“

„Ach, damit komme ich schon klar“, meinte Isaak tapfer.

Der Jungwolf plapperte immer noch: „… du hast da echt was verpasst. Ich würde so gern mal…“

„Seth. Hey Seth, gut jetzt. Lass uns doch erstmal reingehen ok?“, kämpfte der Beta gegen den Redeschwall des anderen an.

„Ok, bin ja schon ruhig. Essen steht auf dem Tisch und Sam will dich sehen“, unterbrach sich der Jüngling und gab endlich die Tür frei.

Bevor Jake diese allerdings öffnen konnte, ging sie von selbst auf, und Emily stellte sich ihm mit verschränkten Armen in den Weg. Erst begutachtete sie den Wolfsjungen, dann ließ sie ihren Blick zu Isaak wandern.

Dieser sah ihr einen Moment in die Augen und glotzte dann auf ihr vernarbtes Gesicht. Emilys Blick wurde zornig und sie versuchte den Eindringling niederzustarren.

„Oh, da hat Sam aber ganze Arbeit geleistet“, brabbelte der Wächter, der offenbar das Missfallen der Frau gar nicht wahrnahm.

„Isaak, lass das. Sam mag das nicht“, sagte Jake mental.

Dieser hörte ihm gar nicht zu. Nachdenklich musterte er genauestens jede einzelne Erhebung. Durch ihren Unmut angelockt, erschien der Alpha hinter ihr und baute sich zu voller Größe auf. Er sah was los war und begann dunkel zu knurren.

Dann sagte Isaak, wobei er weiterhin die Narben fixierte: „Sam, du hast mir doch einen Gefallen erwiesen. Soll ich im Gegenzug Emily mit auf die Liste setzen?“

Irritiert frage Sam: „Was für eine Liste?“

Die blauen Augen des Wächters wanderten zum Leitwolf und er sagte: „Die Liste derer, die ich heilen werde.“ In seiner Stimme klang ein tadelnder Unterton mit, als ob, dass klar gewesen wäre.

Emily und Sam ging der Mund auf und nun starrten sie Isaak ungläubig an. Schnell schüttelte der Alpha den Kopf und fragte: „Das kannst du tun? Würdest du das tun?“

Anstelle einer Antwort trat Isaak vor und stellte sich von Emily. Dann hob er eine Hand und fragte: „Darf ich?“

Die Frau war so verwirrt, dass sie einfach ja sagte. Schon hatte sie zwei Hände im Gesicht, welche die Narben fachmännisch abtasteten. Zusätzlich begann er zu fragen: „Hast du noch immer Schmerzen?“

„Nein.“

„Kannst du das spüren?“

„Ich weiß nicht. Es ist etwas undeutlich.“

„Ich verstehe“, brabbelte er vor sich hin und ließ die Hände sinken. Einen Augenblick dachte er nach, dann hob er den Blick und sah Sam an. „Ja und ja. Wir müssen uns aber zuvor über die Bedingungen unterhalten. Offenbar liegen Nervenschädigungen vor. Zudem ist das eine dauerhafte Verletzung. Das wird sehr schmerzhaft werden. Da du aber auf Emily geprägt bist, kann ich den Schmerz auch auf dich übertragen. Emily würde dann nur ein leichtes Kribbeln verspüren.“

Er trat einen Schritt zurück und fügte mit einem Schulterzucken hinzu: „Da die Narben aber schon älter sind und keine direkte Beeinträchtigung darstellen, würde ich persönlich erst die anderen heilen, aber du bist der Alpha, du entscheidest. Wenn du willst, kann ich das sofort erledigen.“

„Mach es. Ich ertrage jeden Schmerz. Nur bitte, mach meinen Fehler ungeschehen“, sagte Sam, ohne nachzudenken.

Da mischte sich die Frau ein und sagte: „Sam nein. Darüber reden wir zuerst. Mich stören die Narben schon lange nicht mehr. Zuerst sind die anderen dran. Denk an dein Rudel, Mr. Leitwolf.“

Wie geschlagen zuckte er zusammen und sagte kleinlaut. „Ja, Ma´am.“

Isaaks Mundwinkel zuckten belustigt, verkniff sich aber ein Kommentar. Er wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.

„So und nun zu euch“, begann Emily, welche versuchte, ihre Autorität als Hausherrin zurückzuerlangen.

„Isaak ist hier, weil wir verbunden sind. Ähnlich wie ihr beide. Wenn du ihn hier nicht duldest dann gehe ich auch“, warf Jake ein und stürzte sich kopfüber in die Schlacht.

„Er ist kein Mitglied des Rudels“, begann Emily und führte den ersten Schlag aus.

„Du auch nicht“, gab der Beta zurück.

„Das ist immer noch mein Haus.“

„Das ist Sams Haus und der Rückzugsort des Rudels.“

„Ich dulde keine Fremden im Haus.“

„Bei Bella hast du auch eine Ausnahme gemacht.“

„Bella ist deine beste Freundin und sie wusste vom Rudel. Das ist etwas anders.“

„Isaak ist mein Freund und er weiß auch vom Rudel.“

Sie starrten einander an und versuchten nicht zu blinzeln.

Dann spielte die Frau ihre Trumpfkarte aus und rief: „SAM.“

Der Alpha schluckte und sagte kleinlaut: „Schatz, Isaak hat uns heute das Leben gerettet und er heilt unsere Verletzungen, wie auch deine Narben. Ich sage er kann bleiben.“

Sie fuhr herum und drückte ihm einen Finger in die Brust. „Über meine Narben reden wir noch“, mahnte sie ihren Gemahl. Dann warf sie die Hände in die Luft und sagte: „Gut er darf bleiben, aber behaltet eure Finger bei euch oder ihr beide fliegt raus.“ Dann stampfte sie wütend davon.

„Schatz warte ich, lass mich erklären…“, begann Sam und trottelte ihr ergeben nach, um sie zu beruhigen. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie wütend auf ihn war.

Jake grinste und sagte: „Sieg.“

„Ich möchte keine Probleme bereiten. Ich sollte gehen“, meinte Isaak, der so etwas schon geahnt hatte.

„Du bleibst. Emily kriegt sich schon wieder ein. Du bist jetzt einer von uns“, sage Seth und versuchte den Wächter zur Tür rein zu schieben, erfolglos. Er schaffte es nicht einmal, ihn auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Isaak sah Jake in die Augen und dieser nickte. Er ließ die Schultern sinken und ergab sich seinem Schicksal. Dann folgte er dem Beta in das Haus. Bei seinem ersten Schritt fiel Seth zu Boden, weil dieser mit aller Gewalt versucht hatte, ihn zu schieben. Der fehlende Widerstand gab ihm schlussendlich den Rest. Schnell rappelte sich der Jüngling auf und hastete den anderen hinterher.

Gegenleistung

Als Isaak den Raum betrat, wanderten alle Augen sofort zu ihm. Das gesamte Rudel hatte sich in Sams Bude niedergelassen. Der Hauptraum war recht klein, aber dennoch war für alle Platz vorhanden. Leah schlief tief und fest, immer noch an die Trage geschnallt, neben einem alten kleinen Sofa. Auf diesem lag Jared ausgestreckt und sah ihn aus müden Augen heraus an.

Embry und Quil saßen hingegen in je einer der hinteren Ecke des Raumes an die Wand gelehnt. Beide wirkten erschöpft, behielten den Eindringling aber wachsam im Auge. Rechts neben der offenen Küche, welche auf der linken Seite des Raumes lag, gab es zwei Türen. Hinter der ersten konnten sie die Stimmen von Sam und Emily hören, welche stritten. Die zweite stand halb offen und ein Schnarchen enthüllte den Aufenthaltsort des letzten Mitglieds.

Auf Isaaks irritierten Blick hin meinte Jared schreiend, ohne sein Gehör konnte er offenbar nicht so recht einschätzen, wie laut er redete: „Paul hat sich einfach meine Decke gekrallt und ist in der Badewanne eingepennt.“

Isaak nickte, um zu zeigen, dass er ihn verstanden hatte. Sofort ließ sich Jared zurücksinken und schloss die Augen.

„Ja, das ist unsere Bude“, sagte Seth und drückte sich an Jake und Isaak vorbei. Dann stürmte er an den kleinen wackligen Esstisch und ließ sich auf einem der drei unterschiedlichen einfachen Stühle nieder. Jake tat es ihm gleich und beide sahen hungrig auf einen großen Teller mit gebratenen Hähnchen.

„Mahlzeit“, schmatzte Seth und griff zu. Jake hingegen sah auf und deutete auf den dritten Stuhl. Mit einem Seufzen ließ sich auch Isaak nieder. Sofort machte sich auch der Beta über das Fleisch her.

Nach seinem ersten Bissen warnte er mental, weil er nicht mit vollem Mund reden wollte: „Iss, bevor alles weg ist. Emily ist eine gute Köchin, glaub mir.“

Der Wächter schmunzelte und nahm sich auch etwas. Konträr zu den beiden Wölfen, die jeglichen Tischmanieren spotteten, ließ sich Isaak Zeit.

Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich und Emily kam gemächlichen Schrittes heraus. Einen Augenblick sah sie zu den drei am Esstisch und fauchte dann erbost: „Dir schmeckt mein Essen wohl nicht, oder was?“

Isaak hob den Blick und erwiderte: „Bitte, sieh meine Zurückhaltung nicht als eine Beleidigung deines Könnens. An dem Essen gibt es nichts auszusetzen. Nur, benötige ich es eigentlich nicht. Ich kann allein von meiner Magie leben. Zumal ich dir keine Umstände bereiten möchte und nur ein wenig gegessen habe, um der Höflichkeit Genüge zu tun.“

Während die Frau ihn anstarrte und nicht wusste ob das Scherz sein sollte, erschien Sam hinter ihr.

„Sam, ich danke dir für die Einladung, aber ich möchte wirklich keine Probleme verursachen. Ich denke es ist das Beste für alle, wenn ich gehe.“

Sofort begann Jake zu toben: „Du bleibst und schläfst nicht auf einem verdammten Baum oder in einer feuchten Höhle.“

„Du musst dir wirklich keine Gedanken machen. Ich bin das gewohnt, es macht mir nichts aus. Ich lebe schon so lange im Schatten, dass Gesellschaft für mich fremd geworden ist. Das ist mein Schicksal. Meine Bestimmung.“

Entsetzt hakte Emily nach: „Du hast keine Wohnung oder sowas?“

„Nein. So etwas brauche ich nicht.“

„Schläfst du überhaupt?“

„Normal nicht, aber ich bin schwach und mein Körper muss sich von den Strapazen erholen. Solange meine Magiekapazitäten so gering sind, muss auch ich schlafen.“

„Dann iss und schone deine Kräfte. Ich werde gleich noch mehr kochen. Mehr als den Boden kann ich dir zum Schlafen aber nicht anbieten. Auf so viele sind wir nicht vorbereitet“, bestimmte Emily, welche sich nicht vorstellen konnte so zu leben.

„Das ist sehr freundlich, aber…“

„Kein aber“, fauchte sie und ging in die Küche, um ein verspätetes Abendessen zu zaubern. „In einer Höhle schlafen, der ist ja noch bekloppter als die Jungs“, murmelte sie vor sich hin, als sie den Herd anmachte.

Bevor Isaak erneut etwas sagen konnte, stieß ihm Jake ans Schienbein und zog scharf die Luft ein. Während er sich das schmerzende Bein rieb, knurrte er mental: „Alter, bist du fest. Mit Wolfskraft hätte ich mir mein Bein gebrochen. Lass ihr ihren Willen, glaub mir. Ist besser so.“

Ergeben seufzte Isaak und griff nach einer weiteren Keule. Er war schwach und eine ordentliche Mahlzeit täte ihm vielleicht ganz gut. Nun aß er mit deutlich mehr Enthusiasmus aß er. Kurz nachdem die Platte gelehrt war, kam schon eine Zweite. Als dann der dritte Teller von allem Essebaren befreit war, griffen sich alle an die Bäuche und lehnten sich zurück.

Jake und Seth ließen einen Rülpser erklingen, was ihnen einen mahnenden Blick der Hausherrin einbrachte.

„Das war wirklich ausgezeichnet. So gut habe ich schon seit mehr als dreihundert Jahren nicht mehr gegessen“, lobte Isaak die Köchin und erhob sich.

Emily lächelte ihn glücklich an und sah dann zu, wie er das Geschirr einsammelte. Sofort schimpfte sie los: „Lass das, du hast heute schon genug getan.“

„Das ist doch das Mindeste“, meinte der Wächter. Dann, schneller als sie schauen konnte, raste er umher. Er wusch das gesamte Geschirr und die Pfanne ab und verstaute alles ordentlich in den Schränken. Anschließend schrubbte er die gesamte Küche bis diese zu glänzen schien.

Es ging so schnell, dass es nur wenige Momente dauerte und Emily einfach nur sprachlos dastand. Als Isaak fertig war, ging er in normaler Geschwindigkeit in eine Ecke, streckte sich und ließ sich nieder. Absichtlich hatte er die entfernteste Ecke genommen, um niemandem seine Anwesenheit aufzudrängen.

Jake hingegen grinste in sich hinein; mit der Aktion hatte er bei der Frau einen Stein im Brett. Diese starrte immer noch auf ihre perfekte Küche und konnte das gerade Geschehene gar nicht richtig verarbeiten.

„In knapp einer Stunde kann ich Leah heilen“, meinte der Wächter schläfrig und sein Kopf sackte gegen die Wand. Essen machte ihn immer so müde. „Weckt mich einfach“, schaffte er noch zu sagen und schlief im Sitzen ein.

Gemeinsam bestimmten sie, dass sie ihn nicht wecken würden. Er sollte auch mal zur Ruhe kommen. Solange Leah ebenfalls schlief, machte es eh keinen Unterschied. Die anderen starrten ihn einen Augenblick an. Dann gingen auch sie schlafen. Sam und Emily zogen sich ins Schlafzimmer zurück, während Jake und Seth sich in Isaaks Nähe eine Stelle suchten und ebenfalls im Sitzen einschliefen.
 

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne weckten Isaak. Er streckte sich und sah sich schlaftrunken um. Nach seiner inneren Uhr zu schließen waren etliche Stunden vergangen. Er wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal so lange geschlafen hatte. Seinem Körper hatte die Ruhe aber gutgetan. Die Schmerzen in den Muskeln waren verschwunden und seine Wunde vollständig geheilt.

Alle anderen schliefen noch und es herrschte ein ohrenbetäubendes Schnarchen in dem kleinen Raum. Schnell prüfte er seinen Magievorrat und stellte erstaunt fest, dass er sich wesentlich stärker erholt hatte, als er dachte. Er hatte nun genug Energie um alle heilen zu können, Emilys Gesicht mit eingeschlossen.

Vorsichtig stand er auf und ging auf Jared zu. Dort angekommen mobilisierte er seine Magie und leitete eine beschleunigte Heilung der Knochen ein. Eine Bedingung brauchte er nicht und so bekam der Wolfsjunge nichts mit. Anschließend kümmerte er sich um dessen Ohren. Jared zuckte kurz unwillig, als er das leichte Kratzen dabei verspürte, wachte aber nicht auf.

Als Nächstes versorgte er Leah. Nach einem kurzen Blick in ihren Geist wusste er, dass es ihr gut ging und sie nur etwas Ruhe brauchte. Die Halskrause ließ er aber an Ort und Stelle. Er fürchtete sie zu wecken, sobald er diese entfernen würde. Auch Embry, Quil und Paul wachten von der leicht unangenehmen Behandlung nicht auf. Alle Wölfe waren von dem Energieentzug geschwächt und würden wohl noch mehr Schlaf benötigen.

Nach getaner Arbeit ging er nach draußen und besah sich den wolkenlosen Himmel. Heute war einer dieser seltenen Sonnentage in diesem Teil des Landes. Isaak stand einfach nur da und genoss einen Moment lang die Kraft der Sonne, welche seine Haut prickeln ließ.

Er sah sich um. Nachdem er genug vom Nichtstun hatte, fand er hinter dem Haus eine alte Feuerstelle. Schnell säuberte er den Grillrost in einem nahen Bach und schichtete ein Lagerfeuer auf. Als Kernmaterial nahm er trockene Gräser und Pappe. Das Holz hingegen fand er an der Rückwand des Gebäudes unter einem abgedeckten Stapel. Mit einem kleinen Zauber zündete er den Kern an. Er sah zu, wie sich das Feuer durch das Holz fraß und überprüfte, ob alles vorbereitet war.

Dann rannte er in den Wald und suchte nach einer geeigneten Möglichkeit zum Baden. Der gestrige Tag hatte Spuren hinterlassen und ihm war sein eigener Geruch aufgefallen. Normal regelte er das auch mit Magie, aber er hatte einfach mal wieder Lust ins Wasser zu gehen und zudem sollte er sparsam mit seinen Kräften umgehen.

Als er sich in einem kleinen See treiben ließ, dachte er nach. Er sollte wohl so einiges Überdenken. Das Essen am Abend zuvor hatte ihn gestärkt und auch der Schlaf war für ihn heilsam gewesen. Solange solche Dinge seine Aufgabe nicht behinderten, könnte er sich daran gewöhnen.

Er schüttelte sich und reinigte seinen Körper. Anschließend ging er auf die Jagd. Er wollte keinem zur Last fallen und so würde er ihr Frühstück organisieren. Unterwegs stibitzte er etliche Eier aus Vogelnestern und verstaute sie in einem provisorischen Korb, welchen er aus biegsamen Stöcken gewoben hatte. Zu den Eiern legte er auch noch verschiedene Kräuter, die er im Vorbeigehen pflückte. Mit Pflanzen kannte er sich gut aus. Deren Wirkung auf den Körper, den Geschmack und die Art, wie man sie verwendete, hatte er zu Genüge studiert.

Schnell fand er einen Berglöwen und beendete dessen Leben mit einem gezielten Nackenschlag. Er wollte keine Schmerzen verursachen. Die Großkatze hatte ihn weder kommen gesehen, noch musste sie leiden. Mithilfe seiner Geschwindigkeit und der Zentrifugalkraft ließ er das Tier rasch ausbluten. Er verursachte zwar eine riesige Schweinerei im Umkreis, aber das Blut würde den Pflanzen als Nährstoff gute Dienste leisten.

Zufrieden mit seinem Werk kehrte er zurück. Hinter Sams Haus fand er alles was er brauchte. Nachdem er dem Löwen das Fell abgezogen hatte, entbeinte er diesen und zerlegte das noch warme Tier. Er nahm die Kräuter, sowie Salz und Pfeffer aus der Küche, und massierte die Gewürze in das Fleisch ein. Ohne Anstrengung befestigte er anschließend den blanken Grillrost über dem Feuer und verteilte das Grillgut. Das wird eine Weile dauern, dachte er sich und begann sich anderweitig nützlich zu machen. Die nicht benötigten Innereien, sowie die Knochen, entsorgte er im Wald und ließ auch den Aasfressern ihren gerechten Anteil. An einem Bach wusch er sich das Blut ab und raste zum Feuer. Dort wendete er das Fleisch und begann alles sauber zu machen.

Anschließend wandte er sich dem abgezogenem Fell zu. Er gerbte es und arbeitete sorgfältig die Farben und Musterungen heraus. Auch war er darauf bedacht so wenig wie möglich zu verschwenden. Dafür benötigte er zwar ein wenig Magie, aber das Rudel hatte nicht alles was er sonst gebraucht hätte. Außerdem hätte der Prozess sonst mehrere Tage gedauert und er wollte sich für die Gastfreundschaft bedanken.
 

Jake wachte als erster auf. Er hatte das Gefühl, als ob ihm etwas fehlte. Müde sah er auf und bemerkte, dass der Wächter verschwunden war. Sofort war er hellwach und sprang auf. Er konnte den Rotblonden nirgends ausmachen. War dieser etwa abgehauen?

„Ich bin hinter dem Haus, Wölfchen“, gluckste Isaak amüsiert in seinem Kopf.

Wütend knurrte er: „Nenn mich gefälligst nicht so. Das ist ja mal mega schwul.“

„Meinst du? Tja, du solltest dich besser daran gewöhnen. Dieser Spitzname wird dir wohl erhalten bleiben, aber ich werde mich hüten ihn laut auszusprechen, versprochen. Ich will doch nicht deinem Image als großer böser Wolf schaden“, stichelte Isaak ein wenig.

„Mach doch was du willst“, schnauzte Jake. Er ahnte, dass eine Diskussion nichts bringen würde. Vielleicht sollte er ihn einfach ignorieren, wenn dieser Kosename fiel. Das könnte helfen.

„Wird es nicht“, zerschlug der Rotblonde seine Hoffnung.

„Leck mich“, knurrte Jake.

„Alles zu seiner Zeit.“

Das war ihm dann doch zu viel und er stürmte mit rotem Kopf ins Bad. Dort erledigte er seine Morgentoilette und achtete gar nicht auf das markerschütternde Schnarchen von Paul in der Wanne daneben.

Alle schliefen noch und so ging er nachsehen, was Isaak da so trieb. Er konnte spüren wie dieser umherflitzte und immer mal wieder im Wald verschwand. Vor dem Haus sah er in den wolkenlosen blauen Himmel. Die Sonne unverhüllt zu sehen war seltsam für ihn. Das gab es nicht so häufig und alle hatten sich schon längst damit abgefunden.

Als er dann um die Ecke ging, schlug ihm der Duft von bratendem Fleisch entgegen. Schnell suchte er nach dem Quell und ging leicht sabbernd auf das Feuer zu. Der Hunger des Rudels war fast schon legendär. Dann stutzte er aber. Was war das für ein Fleisch? Wo kam es her? Er riss die Augen auf und sah sich weiter um. Sein Blick fiel auf das fast fertige Fell am Boden und er ließ erleichtert den Kopf auf die Brust sinken. Was er nur wieder gedacht hatte.

„Ja, das war echt nicht nett. Menschenfleisch muss man mehrere Tage einlegen, das weiß doch jeder“, erklärte Isaak. Seine Stimme kam von hinten und der Wolfsjunge drehte sich entsetzt um. Ein Blick auf das dreckige Grinsen und den Schalk in den Augen sagten ihm, dass er ihn nur verarscht hatte.

Um seine Fassung ringend fragte der Beta: „Wo kommt der Berglöwe her?“

„Der hatte das Pech mir über den Weg zu laufen“, meinte Isaak und ließ den anderen in Ruhe. Er sollte es nicht übertreiben. Immerhin wollte er es sich nicht mit dem Wölfchen verscherzen.

„Das habe ich gehört“, knurrte Jake zornig.

„Bin ja schon ruhig“, beteuerte Isaak und hob die Hände, um sich zu ergeben.

Dann sauste er ins Haus und holte mehrere Pfannen. Auch eine große Schüssel brachte er mit. In dieser schlug er die Eier auf und verquirlte alles mit Gewürzen und Kräutern. Das Resultat gab er dann in die Pfannen und stellte diese mit auf den Rost.

„Weckst du bitte die Bande? Das Essen ist gleich fertig“, bat der Wächter und drehte abermals das Fleisch. Fett tropfte und der Geruch steigerte sich noch einmal.

Jake lief das Wasser im Mund zusammen und ging rasch nach drinnen. Er fragte sich, wie Berglöwe denn schmecken mochte. Dort baute er sich auf und schrie: „Essen fassen.“

Noch während er das von sich gab, mahnte er sich einen Idioten. Die meisten konnten ihn doch gar nicht hören. Aber wenigstens Seth, Sam und Emily würde in den Genuss seines sanften Weckrufes kommen.

Zu tiefst erschrocken sprang Jared vom Sofa und sah sich panisch um. Ebenso Quil, Embry und Seth schossen in die Höhe und hoben die Fäuste. Ein Rumoren im Bad verriet, dass Paul aus der Wanne gesprungen war und unsanft auf dem Boden landete.

Bei diesen Ereignissen machte auch Jake einen hastigen Sprung rückwärts. Er starrte fassungslos auf die Bande. Dann ertönte Leahs liebliche Stimme: „Was ist hier los? Ich kann mich nicht bewegen. Wo bin ich? HILFE? SAM, HILFE?“

Zudem flog die Schlafzimmertür auf und ein tobender Sam tauchte auf. „Was soll der Radau?“ Er sah das entstandene Chaos und erstarrte.

„Ach, habe ich vergessen zu erwähnen. Ich habe bereits alle geheilt“, verkündete Isaak mental mit Schadenfreude in der Stimme.

Jake schwor sich, dass würde er ihm heimzahlen. Die Augen des Alphas fanden den Schuldigen und er begann: „JAKE…“

Schnell unterbrach ihn sein Beta und sagte: „Essen ist gleich fertig, macht euch frisch Leute. Heute gibt’s ein Festmahl.“ Möglichst unbeschwert verschränkte er die Arme im Nacken und grinste frech.

Sam schnitt ihm das Wort ab und fragte irritiert: „Wovon redest du da?“

„Meine Beine. Sie sind…“, begann Jared als er sich seiner Position bewusst wurde.

„Geheilt. Isaak ist schon früh auf gewesen, hat alle geheilt und macht gerade Frühstück“, erklärte Jacob und sein Grinsen war diesmal nicht gespielt. Die Jungs würden Augen machen, freute er sich. Er deutete in die Richtung des Wächters und setzte hinzu: „Er ist hinter dem Haus. Kommt und seht selbst.“

Als er gerade sich umdrehen wollte, schrie Leah: „Bindet mich gefälligst los. Und dann will ich Antworten.“

Oh, da hatte er doch was vergessen, dachte Jake, zog die Schultern ein und sprang auf die Wölfin zu. Gemeinsam mit Jared und Seth befreiten sie Leah und bekamen alle eine Kopfnuss zum Dank.

„Wie könnt ihr es wagen…“, legte sie auch gleich los.

„Ruhe“, knurrte Sam und sah zu ihr hinunter.

„Leck mich“, schrie Leah zurück.

„Beruhig dich und ich erkläre es dir“, meinte Jake und rieb sich den Kopf.

„Sprich“, fauchte sie aufgebracht.

Schnell berichtete er ihr, dass sie schwer verletzt worden war und alles andere, was seit dem Kampf vorgefallen war. Die Jungs hingegen hatten seitdem die Verbindung abgeschnitten war nicht mehr wirklich etwas mitbekommen und lauschten ebenfalls den Ausführungen. Als er mit seinen Erläuterungen endete, dröhnte allen der Schädel bei der ganzen Flut an Informationen.

„Das Essen ist fertig“, meldete sich Isaak mental.

Jake stand auf und sagte erneut, mit normaler Lautstärke: „Denkt später nach, erstmal essen fassen.“

Dann ging er aus dem Haus. Alle anderen folgten ihm auf dem Fuße. Sprachlos starren alle auf das, was der Rotblonde angestellt hatte. Bei der ganzen Diskussion im Haus hatte er genug Zeit gehabt alles vorzubereiten.

Das Rudel und Emily starrten auf einen Tisch mit dazu passenden Sitzbänken, welche aus einem dunklen Walnussbaumholz bestand. Der Tisch war groß genug damit das ganze Rudel locker daran sitzen konnte und sogar noch Platz für weitere hatten. Zudem waren der Tisch und die Bänke mit kunstvollen Verzierungen versehen worden. Diese zeigten Elemente aus ihren Stammeslegenden.

Auf dem Tisch thronten zwei gewaltige Holzplatten beladen mit je einem riesigen Haufen Fleisch. Dazwischen befand sich eine verzierte Holzschüssel mit einem Berg an Rührei. An beiden Enden standen kunstvolle Holzkaraffen, die viel zu schade für den alltäglichen Gebrauch schienen. Zudem war der Tisch für neun Personen gedeckt. Teller, Besteck und Gläser bestanden alle aus verziertem Holz.

Leicht nervös stand Isaak neben dem Tisch: „Es tut mir leid, eure Axt hat leider nicht überlebt.“

Er deutete zu einem alten staubigen Tisch an der Hauswand. Alle Augen sahen dorthin und fanden die Überreste des genannten uralten Werkzeugs, mit dem sie normalerweise Brennholz hackten. Der Metallkopf lag in Stücken da, als hätte ihn jemand in einen Metall-Schredder gestopft.

„Ich habe kein Geld. Ich hoffe daher, dass ihr diesen Tisch und die Bänke als Gegenleistung annehmt.“

Sprachlos starrten alle den Wächter an. Dieser wurde nun rot und wandte sich ab. „Es tut mir wirklich leid. Ich werde nach dem Essen einen Schmiedeofen errichten und eine neue Axt herstellen“, sagte er kleinlaut. Durch ihre Verbindung wusste Jake, dass er das wirklich ernst meinte. Ihr wortloses Starren hatte ihm das Gefühl gegeben, dass der Tisch nicht mal annähernd das zerstörte Werkzeug ersetzen konnte.

„Nicht nötig“, stammelte der Beta tonlos und versuchte sich von dem Schreck zu erholen, um die Dinge richtig zu stellen. „Ich bezweifle das Sam das alte rostige Ding vermissen wird.“

Er schüttelte den Kopf und fragte kopfschüttelnd: „Wo kommen dieser Tisch und die Bänke auf einmal her? Die waren eben noch nicht da.“

„Ich habe sie angefertigt“, sagte Isaak und lächelte schwach. Er war sich nicht sicher, ob sie ihm seinen Fehler wirklich verzeihen würden.

Jake sah zu den Axtsplittern und sinnierte: „Und dabei ist die Axt ähm…“ er suchte nach einem passendem Wort: „… zersprungen?“

„Nein. Ich wollte die Holzscheite ersetzen, welche ich für das Feuer benötigt hatte. Dabei habe ich wohl zu schnell und stark zu geschlagen. Den Tisch und die Bänke habe ich mit bloßen Händen angefertigt. Ich wollte nicht noch mehr kaputt machen. Da ich von dem Walnussbaum noch etwas Holz übrighatte, habe ich dann auch noch die anderen Dinge angefertigt. Den Rest habe ich zu Sägespänen zerrieben und im Wald verteilt.“

So langsam versagte Jake die Stimme, als er matt fragte: „Welcher Walnussbaum?“

„Der stand etwa zehn Kilometer in dieser Richtung. Mitten im Wald. Ich dachte das Holz würde gut zu eurer bronzenen Hautfarbe passen. Die im Stamm lebende Eichhörnchenfamilie habe ich kurzerhand in eine nahe Ulme umgesiedelt. Das ist doch in Ordnung, oder?“

„Ja“, war das einzige was Jacob dazu noch zu sagen hatte.

Isaak strahlte ihn glücklich an.

Emily trat vor und fuhr fast schon ehrfürchtig über das Holz. Sie schluckte und sah zu dem Wächter, der auf ihr Urteil wartete. „Danke.“ Mehr bekam sie nicht raus.

Um die Situation nicht noch komplizierter zu machen, sagte Jake hastig: „Das Fleisch wird kalt, essen fassen.“

Sofort stürmte das ausgehungerte Rudel an den Tisch und ließ sich nieder. Einige strichen über die Schnitzereien und fragten sich, wie der Rotblonde das mit bloßen Händen hinbekommen hatten, andere starrten misstrauisch auf das Essen und begannen, wie Jake zuvor, bei dem Duft leicht zu sabbern.

„Das ist Berglöwe, bin mal gespannt, wie der schmeckt“, gab der Beta preis und schnappte sich ein großes Stück. Mental griff er nach Isaaks Geist und zog diesen in seinen Kopf er musste ihm mal ein paar Dinge erklären und zeigen. Der andere hatte anscheinend keine Ahnung von Geld und dem Wert von Dingen.

Als wäre das der Startschuss gewesen, stürzte sich das Wolfsrudel auf das Essen. Isaak wartete bis die Hausherrin sich gesetzt hatte, bevor auch er sich niederließ. Es entstanden kleine Raufereien als sich die Jungs um die Innereien stritten. Emily und Leah hingegen wollten davon nichts abhaben und bevorzugten magere Steaks.

Nach wenigen Bissen stöhnte der eine oder andere auf. Sie hatten keine Ahnung, was das für Kräuter waren, aber sie passten einfach perfekt zu dem Fleisch der Großkatze.

Isaak hörte Jake gespannt zu und tat sich auch auf. So langsam verstand er die Reaktionen der anderen. Er hatte sich nie die Mühe gemacht, einen Sinn in den ständig wechselnden Währungssystemen zu erkennen. Wer wusste schon wann den Menschen wieder etwas anderes einfiel? In seinen Augen war ein Tauschhandel immer noch die beste und einfachste Wahl.
 

Die Wölfe ließen nicht auch nur einen Krümel übrig und lagen rund um den Tisch im Gras. Nur Emily und Isaak saßen noch auf den Bänken.

„Jake hat mir die Zusammenhänge erklärt. Er meinte ich bin dir nichts schuldig, aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich habe da ein kleines Dankeschön für deine Gastfreundschaft“, sprach der Wächter die Hausherrin an.

„Nein, ich kann nicht noch mehr annehmen. Dieser Tisch ist schon mehr als genug“, protestierte sie.

Jake hatte ihn gewarnt, dass sie so reagieren würde. Daher sagte er grinsend: „Es ist bereits fertig, Umtausch ausgeschlossen.“

In Windeseile räumte er den Tisch ab, spülte das Geschirr und stellte es auf die Anrichte im Haus. Er wusste nicht, wo sie die Holzgarnitur aufbewahren wollte. Nachdem er den Tisch gesäubert hatte breitete er vor Emily das fertige Fell des Berglöwen aus.

„Ich habe es extra für dich gegerbt. Nimm meinen Dank bitte an. Ich habe dafür keine Verwendung und es wäre schade es zu entsorgen. Der Berglöwe hat uns als Nahrung gedient. Seine Haut verrotten zu lassen wäre ein Frevel gegen das Leben selbst“, gestand der Wächter und setzte sich ihr gegenüber. Das Rudel rappelte sich auf und wollte auch wissen, was Isaak da ausgeheckt hatte.

Emily war einfach sprachlos. Sanft fuhr sie über das Fell. Es war so unglaublich weich. Sie konnte zwar nicht behaupten, dass sie schonmal einen Berglöwen gestreichelt hatte, aber sie glaubte nicht daran, dass es sich so anfühlen würde. Isaak musste Magie eingesetzt haben, denn sie wusste, das Gerben länger dauerte als ein paar Stunden.

„Es ist noch im Rohzustand. Du kannst es als Bettvorleger einsetzen. Ich kann es auch zu einer kleinen Decke ummodellieren. Wenn du es nicht willst, verkauf es einfach und nimm den Erlös, um eine neue Axt zu kaufen. Es sollte auch genug übrigbleiben, um die Lebensmittel für mich zu bezahlen“, erklärte Isaak seine Gedanken, nachdem er vorab mit Jake darüber gesprochen hatte. In Zukunft sollte er aber über den Wert und Gegenwert von Leistungen und Gegenleistungen nachdenken, beziehungsweise sich von Jake dabei anleiten lassen.

Die Frau war einfach komplett überfordert und brabbelte nur ein: „Danke. Ich werde das Fell behalten.“

Scheiß drauf

Jake stand grinsend hinter dem Wächter und meinte: „Das Fell hat das Potenzial zu einem Familienerbstück zu werden. Wer kann schon behaupten, ein Fell zu besitzen, dass ein Wächter mit Magie gegerbt hat.“ Dabei legte er dem Rotblonden eine Hand auf die Schulter.

„Vor allem, weil niemand weiß wer und was ein Wächter ist“, stimmte Isaak glücklich zu und fügte Gedanklich hinzu: „Jake, deine Hand.“

„Was ist damit?“, fragte der andere betont unschuldig und drückte kurz zu.

„Ach nichts“, brabbelte der Rotblonde und gab sich geschlagen. Am liebsten hätte er seine Wange an der Hand des anderen geschmiegt, ließ es aber bleiben. Soweit waren sie noch nicht. Außerdem wollte er nicht den Zorn des Rudels entfachen.

Leicht rot im Gesicht wandte sich Jake ab, ließ seine Hand aber an Ort und Stelle ruhen.

Bevor die Situation für den Beta noch peinlicher wurde, erhob sich Isaak und sah zu Sam. „Du solltest eine Versammlung der Ältesten einberufen. Es gibt einiges zu besprechen. Sei aber gewarnt, denn ich werde mich nicht denunzieren lassen. Der einzige, dem ich das durchgehen lasse, ist Billy.“

Jake konnte nicht anders und platzte in das Gespräch hinein: „Warum mein Vater? Weil er der Häuptling ist?“

„Nein, weil er dein Vater ist.“

Verständnislos starrte der Beta ihn an und Isaak erklärte: „Deine Familie ist dir wichtig und du bist mir wichtig. Demnach möchte ich keinen Keil zwischen euch treiben.“

„Ach, die Nummer schon wieder“, meinte Jake sorglos und rollte mit den Augen.

Sam und Isaak wechselten einen besorgten Blick. Beide wussten, dass Billy Black ein Problem darstellte: Er würde kategorisch alles ablehnen, was mit dem Wächter zu tun hatte.

Der Alpha runzelte die Stirn und betrachtete die beiden vor sich. Er wusste wie alt Isaak war, aber bisher hatte dieser seine Lebensweisheit selten durchblicken lassen. Wäre er nur kein Mann, dann könnte Billy das vielleicht erkennen und bemerken, wie glücklich dieser sich schätzen konnte, einen solchen Glücksfang an Jakes Seite zu wissen. Sam zweifelte aber stark daran, dass der Häuptling seine Meinung ändern würde und Isaak wusste das auch. Dieser war bereit sich der Schmach auszusetzen, nur um Jake glücklich zu machen.

Er hatte den anderen bisher völlig falsch eingeschätzt. Sam war solchen Verbindungen gegenüber grundsätzlich neutral eingestellt, solange sie das Rudel nicht spalteten oder behinderten. Mit der heutigen Aktion hatte der Wächter einen großen Schritt in Richtung Akzeptanz getan. Zumindest was das Rudel anging. Einzig Paul sah noch immer angewidert zu den beiden, war aber bisher ruhig geblieben. Fraglich war nur, ob das als gutes oder schlechtes Zeichen zu werten war.

Zudem war sich der Leitwolf nicht sicher, wie viel von seiner Güte mit Jake und dem Wunsch des Wächters, ihn glücklich zu machen, zusammenhing. Wenn er an seine eigene Prägung dachte und objektiv alles Geschehene berücksichtigte, kam er zu dem Schluss, dass es durchaus alles sein konnte. Jedes Wort, jeder Gedanke, jede Tat. Fakt war, Isaak ließ sich nicht in die Karten schauen und war definitiv nicht einfach gestrickt.

Er würde aber nicht zulassen, dass jemand Jake Leid zufügte, dessen war Sam sich sicher. Dieser Umstand wiederum machte den Wächter vertrauenswürdig. Auch hatte er die Aktion mit der Hand auf der Schulter gesehen. Nachdem sich Jake leicht rot im Gesicht abgewandt hatte, wusste er einfach intuitiv, dass Isaak sich stark zurückhielt und Jake Zeit gab.

Sein Beta hatte in Liebesangelegenheiten keine Erfahrungen und Isaak ließ ihm die Chance alles im eigenen Tempo zu entdecken. Dafür war Sam dankbar, denn Isaak hätte sich auch einfach nehmen können was er wollte. Als Jake ihn in seinem Zimmer bedrängt hatte, war es Isaak gewesen, der die Notbremse gezogen hatte. Sein Beta hätte damals alles mit sich machen lassen. Der Wächter hätte nur zugreifen müssen.

Die Situation zwischen den beiden war kompliziert und sehr komplex. Er konnte nicht erkennen, wo ihr Weg hinführen würde. Zum ersten Mal, seit ihre Verbindung getrennt wurde, war er heilfroh, dass er seine Gedanken für sich behielt. Er wollte nicht derjenige sein, der Jake die Tatsachen vor Augen halten würde.

Isaak hingegen vermutete was in dem Alpha vorging und lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung.
 

Den Rest des Morgens lümmelten alle herum und verteilten sich um das Haus. Nur Isaak hatte sich abgesetzt. Sam hatte mit Billy gesprochen und eine Versammlung für den Abend angesetzt. Der Wächter würde ins Kreuzverhör genommen werden. Der Leitwolf war sich sicher, dass Isaak genau mit so etwas rechnete.

Dann war der Rotblonden der Gesellschaft überdrüssig und zog sich zurück. Er musste nachdenken und brauchte ein wenig Zeit für sich. Einige Kilometer entfernt vom Haus fand er eine Wiese und ließ sich darauf nieder. Er hatte Jakes Blick gesehen und hoffte nun, dass dieser ihm nicht folgen würde. Nicht, dass er etwas gegen seine Gesellschaft gehabt hätte, doch Jake wanderte auf einem schmalen Grat den er, wenn überhaupt, dann auch bewusst überschreiten sollte.

Isaaks Abgang schmerzte Jake auf eine Weise, welche er nicht verstand. Er hatte das drängende Bedürfnis ihm zu folgen und nur dessen Worte hielten ihn davon ab. Den Grat nicht überschreiten. Was meinte der Wächter nur damit? Er wartete einen Augenblick und bemerkte, dass Isaak die Verbindung unterdrückte. Das machte den Beta rasend. Was sollte der Scheiß?

Seine Wut steigerte sich noch mehr, als er feststellte, dass die anderen Wölfe Abstand zu ihm hielten. Ja, er war schlecht gelaunt und hatte vielleicht ein paar Konversationsversuche abgeblockt, aber das war noch lange kein Grund ihn zu meiden.

Er stocherte lustlos im Mittagessen herum und ging dann spazieren, da er die Blicke von Sam und Emily nicht mehr aushielt. Irgendetwas sagte ihm, dass die beiden wussten was los war, aber es ihm nicht sagen würden.

Auf einer Klippe stehend zückte er sein Handy. Ein altes Ding, das normal immer aus war. Er hatte es vorsichtshalber eingesteckt bevor er losgelaufen war. Einige der Jungs hatten Handys, aber ihre Verbindung machte die Dinger nutzlos und so lagen sie in einem Kasten bei Sam rum. Zudem war der Wald nicht erschlossen und es gab kaum Netz. Wenn einer was vom Rudel wollte, musste er Emily auf dem Festnetz anrufen, die gab das dann an Sam weiter und der ans Rudel. So lief das bei ihnen.

Jetzt aber brauchte er selbst einmal das Handy und schaltete es ein. Er wusste das er hier Netz hatte und sah mit Freude, wie das Wunder der modernen Kommunikation zum Leben erwachte. Der Akku hatte nur noch 20%, aber das sollte reichen. Er ging ein wenig hin und her und achtete dabei auf das Antennenzeichen.

Nachdem er zwei Balken erreicht hatte, blieb er stehen und drückte die Kurzwahltaste für Bella. Eine der wenigen gespeicherten Nummern. Es läutete mehrere Male und die Sekunden verstrichen. Er wollte das Ding schon frustriert in die Schlucht werfen, da hörte er ihre Stimme: „Jake? Ist alles in Ordnung?“

„Ja, alles gut, naja so teilweise jedenfalls“, gab er zurück.

„Du rufst doch sonst nie an. Was ist los?“, fragte sie besorgt.

Wütend dachte er an Isaak und begann sich über dessen Verhalten zu beklagen.

„Moment, Stopp. Erzähl von vorne. Ich habe nichts mehr mitbekommen, seit du bei den Cullens davongestürmt bist.“

„Hat Edward dir nicht erzählt was los war?“

„Doch, aber er blockt jede Frage zu dem Thema Jake und Isaak ab. Er meint, dass das eure Angelegenheit ist und ich mich raushalten soll. Wir hatten sogar mächtig Zoff deswegen, aber du kennst ihn ja, er ist hart wie Stein. Ich weiß von nichts“, beendete sie ihre Ausführungen.

Er seufzte und begann sie auf den neuesten Stand zu bringen. Bella hörte schweigend zu und unterbrach ihn nicht. Nachdem er in der Gegenwart angekommen war, verfiel er in eine Schimpftirade und regte sich mächtig auf.

„… Sam und Emily sehen mich so seltsam an. Die wissen irgendwas, spucken es aber nicht aus“, schloss er und atmete erstmal durch. Er hatte ohne Punkt und Komma geredet und brauchte mal wieder neuen Sauerstoff.

„Ich verstehe“, kam von seiner besten Freundin und er schrie sie an: „Was? Was verstehst du?“

„Hey, so nicht. Komm runter oder ich leg auf“, drohte sie und er gab nach.

„Bin ruhig. Ok. Bitte Bella, was verstehst du?“

„Jake, das ist eigentlich etwas, was man selbst herausfinden sollte“, begann sie und seine Frustration steigerte sich erheblich.

„Dann bin ich eben zu dumm es zu verstehen“, blaffte er und bereute es sofort. Wenn er so weiter machte würde sie auflegen.

„Ok, versuchen wir es mal so. Du hast dich in einigen Dingen recht vage ausgedrückt. Sei ehrlich zu mir. Was ist speziell zwischen Euch beiden vorgefallen.“

Jake lief rot an und begann zu stammeln: „Ich... Isaak…“

„Du musst es mir nicht sagen, aber wenn du es ausspricht erkennst du es vielleicht.“

„Na gut“, murmelte er und sein Gesicht wurde immer wärmer, während er einige Details ergänzte. Er erzählte, wie er Isaak die Brust gestreichelt hatte und kam sich dabei so gedemütigt vor. Davon, wie er ihm heute die Hand auf die Schulter gelegt hatte, Isaak aber fast sofort aufgesprungen war.

„Ach, Jake. Gut, versuchen wir das mal anders. Was will Isaak von dir?“

„Ich verstehe nicht. Er mag mich, sagt er doch immer oder nicht?“

„Ja, er mag dich und du magst ihn oder nicht?“

„Doch irgendwie schon, was hat das jetzt damit zu tun?“

„Typisch Mann, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Jake, Isaak mag dich nicht nur, er liebt dich, aber will dich nicht bedrängen. Hast du das denn immer noch nicht geschnallt?“

„Er, WAS?“

„Was habe ich zum Thema schreien gesagt?“

„Schon gut, ich bin ruhig. Isaak liebt mich also und weiter? Er hat mir versprochen, dass er mir nicht an die Wäsche geht. Ich bin nicht schwul.“

„Ja“, sinnierte Bella langsam: „Du bist nicht schwul, aber du liebst ihn auch und da liegt das Problem.“

„WAS? Sorry mein Fehler, Wie bitte? Ich liebe ihn nicht. Ich bin nicht schwul.“

„Seltsamerweise glaube ich dir in einer Hinsicht sogar. Du bist nicht schwul, aber du bist auch nicht hetero.“

„Ok, soll ich mich gleich von der Klippe stürzen oder erklärst du mir diesen Blödsinn? Man kann doch nur das eine oder andere sein, oder nicht?“

„Nein, nicht unbedingt. Sei ehrlich: Hattest du irgendein Interesse an irgendeiner Frau oder einem Mann außer mir, vor der Bindung mit Isaak?“

„Nein. Niemals. Keinen Mann und keine andere Frau. Es gab immer nur dich und sonst niemanden.“

„Hast du andere Frauen angesehen oder sie genauso wie die Männer ignoriert.“

„Ignoriert würde ich sagen. Ich sah nur dich. Alle anderen waren mir egal. Wenn ich so darüber nachdenke.“

„Ok nächste Frage und die fällt mir genauso schwer wie dir: Du hast doch bestimmt Magazine oder Filme oder so was, oder?“

Ganz vorsichtig hauchte er: „Ja.“

„Hast du dir auf die abgebildeten Personen einen Runtergeholt oder hast du immer an mich gedacht?“

„Ich…“

„Also an mich.“

„Nein, das stimmt nicht. Ich…“

„Für die Lüge sollte ich echt auflegen. Ich will dir helfen, du Idiot.“

Er schwieg und hatte die Farbe einer überreifen Tomate. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so peinlich berührt gefühlt. Bella wusste nun eines seiner intimsten Geheimnisse.

„Deinem Schweigen nach zu urteilen vermute ich, dass du nun knallrot im Gesicht rumstehst und dich nicht mehr traust zu reden. Feigling. Steh zu dem, wie du bist.“ Sie machte eine kleine Pause und sagte dann: „Jake, ich glaube du bist demisexuell oder vielleicht auch pansexuell“

„Das klingt ja schrecklich. Kann man das heilen?“

„Nein, das ist unheilbar. Es ist nämlich keine Krankheit. Ebenso wenig wie Hetero-, Homo-, oder Bisexualität eine ist. Die ganzen anderen erspare ich dir mal.“

Entsetzt fragte er kleinlaut: „Es gibt noch mehr?“

„Ja, egal. Kommen wir zum Thema zurück. Pansexuell, das bedeutet, du liebst eine Person, unabhängig vom Geschlecht. Demisexuell bedeutet, du nur dann eine sexuelle Anziehung zu einer Person verspürst, wenn du eine starke emotionale Bindung aufgebaut hast. Das Geschlecht spielt aber keine Rolle.

Was davon zutrifft kann ich nicht sagen. Zumal du in einem homophoben Umfeld aufgewachsen bist und keine Möglichkeit hattest so zu sein, wie du bist. Wer weiß schon, was wäre, wenn dir nicht von klein auf eingetrichterte worden wäre, dass es nur Heterosexualität gibt und alles andere abartig ist.

Wenn du einfach nur das Pech hattest nur in mich verliebt gewesen zu sein und nie für jemand anderes solche Gefühle hattest, kann man deine sexuelle Orientierung nicht genau bestimmen. Ich würde mal auf demisexuell tippen.

Ist aber eigentlich auch egal, bei beiden spielt das Geschlecht keine Rolle. Du liebst eine Person, nicht ihr Geschlecht. Das heißt, ja, Jake, du bist nicht schwul und auch nicht hetero, du liebst einen Menschen so, wie er nun mal ist.“

Das musste Jake erstmal verarbeiten. Er musste allerdings zugeben, dass ihre Argumente schon irgendwie schlüssig waren. Isaak war aber nun mal ein Mann. Wenn er diesen Aspekt ausklammerte, so wie er es bei ihrer Bindung getan hatte, dann war er nicht wirklich abgeneigt, oder doch? Kam seine Homophobie durch seine Erziehung? Konnte er wirklich mit einem Mann zusammen sein? War das nicht irgendwie abartig?

„Ich nehme mal an du denkst nach. Dann noch ein paar Ratschläge: Sei aufgeschlossen, hinterfrage alles, verstecke deine Gefühle nicht und vor allem: Du bist nicht abartig. Ich kann fast schon hören, wie dieses Wort in deinem Kopf rumgeistert. Streiche das einfach mal und denk nach.“

Sie wartete eine Weile, über Jakes Lippen huschte aber kein einziges Wort. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er war gefangen in einer endlosen Spirale.

„Ok, die Methode liegt dir wohl nicht so, dann anders. Magst du Isaak?“

Es war fast nicht zu hören, aber er flüsterte kleinlaut: „Ja.“

„Und du willst Zeit mit ihm verbringen?“

„Ja.“

„Dann schwing deinen Arsch zu ihm und denk später nach, worüber auch immer du willst. Was hält dich zurück?“

Keine Antwort.

„Ok, Jake, das wird langsam echt anstrengend mit dir. Letzter Rat: Scheiß drauf. Scheiß drauf was andere sagen. Du willst zu ihm, dann geh. Du willst nicht zu ihm, dann bleib weg. Ganz einfach. Scheiß drauf.“

„Scheiß drauf?“, harkte er unsicher nach.

„Ja, du sagst es. Und jetzt mach was du willst.“

„Ich will zu Isaak“, gestand er dann völlig aufgelöst.

„Dann, renn Jake, renn.“

Knirsch

„Jake? Hallo? Der ist ja unglaublich. Edward, er hat sein Handy einfach liegen lassen, glaube ich, oder er ist umgekippt… Hallo? Jake?“
 

Auf einer Lichtung lag Isaak und sonnte sich. Es gab so viele Probleme zu lösen, aber seine Gedanken schweiften immer wieder zu Jake. Er bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf. Fast schon zwanghaft musste er sich davon abhalten den Gedanken des anderen zu lauschen. Er wusste, wenn er das tat würde er schwach werden und ihn beruhigen. Das durfte er aber nicht. Zumindest jetzt nicht. Jake wandelte zu nahe an der Grenze und diese Entscheidung musste er alleine treffen.

Es waren schon etliche Stunden vergangen und er machte sich langsam wirkliche Sorgen um Jake. Er konnte sich zwar vor dessen Gedanken abschotten, aber nicht vor dessen Gefühlen. Vor einer Weile hatte es ein starkes Auf und Ab gegeben und nun herrschte Totenstille.

Vor lauter Schreck hatte er kurz nachgesehen was der andere gerade machte und sah ihn im Wald umherrennen. Es schien ihm aber gut zu gehen. Also hatte Isaak sich erneut verschlossen und wartete auf das, was passieren würde.

Ein Geräusch warnte ihn, dass sich jemand näherte. Der Wächter beschloss den Eindringling näher herankommen zu lassen und so zu tun als hätte er nichts bemerkt. Seine Sinne jedoch waren geschärft und er achtete auf alles in seiner Umgebung, noch genauer als zuvor.

Dann nahm er einen vertrauten Geruch wahr. Es war Jake, der da auf ihn zustolperte. Das konnte aber auch eine raffinierte Falle sein. Also entschloss er sich, nachzuforschen, was der echte Jake tat, und sah sich selbst auf der Wiese liegen.

Isaak entspannte sich und war verwirrt. Was wollte Jake denn hier? Der Beta stand einfach nur da und starrte ihn vom Waldrand aus an. Der Wächter seufzte und hob eine Hand, um zu zeigen, dass er sein Kommen bemerkt hatte.

Er spürte Angst. Die Angst vor einer Ablehnung. Das war aber etwas, womit Jake selbst fertig werden musste. Auch wenn es ihm jetzt noch schwerer fiel untätig dazuliegen.

Dann spürte er, wie der Wolfsjunge all seinen Mut zusammennahm, zu ihm kam und sich neben ihn legte. Keiner sagte ein Wort und beide warteten gespannt auf die Reaktion des anderen.

Ja, er war schwach. Er konnte es einfach nicht mehr aushalten und öffnete den Mund. Genau in diesem Moment spürte Isaak, wie etwas seinen Schoß berührte.

Erschrocken stemmte er sich auf die Ellbogen und sah hinunter. Jake hatte den Kopf in seinen Schoß gebettet. Mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem wartete er auf Isaaks Reaktion.

Er legte sich wieder flach auf den Boden und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Dabei spürte er, wie Jake die Luft entweichen ließ und sich leicht entspannte.

„Jake, was ist los?“, fragte Isaak besorgt. Das Verhalten des anderen bereitete ihm Sorgen.

„Ich wollte bei dir sein“, gab der Beta wahrheitsgemäß zurück.

„Das hatten wir doch schon. Weißt du jetzt was du willst?“

„Fresse…. Ach, scheiß drauf.“

„Wie bitte?“

„Ja, scheiß drauf. Ich will bei dir sein, also bin ich hergekommen.“

Scharfsinnig fragte Isaak: „Bella?“

„Jup.“

„Verstehe.

„Ich verstehe jetzt auch etwas. Ich weiß zwar nicht, wie es weiter gehen soll, aber…“

„Ja?“

Jake seufzte schwer. Warum nur fiel ihm das so schwer? Er konnte es nicht, aber er musste über seinen Schatten springen und sagte schnell: „Ich mag dich.“

Isaak wusste, dass Jake rot angelaufen war, aber keine Anstalten machte zu verschwinden. Jake wiederum wusste, dass Isaak verständnisvoll lächelte.

„Würdest du, na ja, also…“

„Jake, vor mir brauchst du dich weder zu verstellen noch zu verstecken. Sag einfach frei heraus was du willst. Dann kann ich entscheiden, ob ich das auch möchte.“ Der Wächter gluckste auf und sagte: „Aber deine Unschuld wirst du heute bestimmt nicht verlieren, das garantiere ich dir.“

„Deine Hand.“

Irritiert konnte Isaak Jake einen Augenblick lang nicht folgen, dann streckte er den Arm aus, in Richtung des Schwarzhaarigen und spürte, wie Jake den Kopf in seinem Schoß drehte. Der Wolfsjunge griff zu und verschränkte ihre Finger miteinander. Anschließend ließ er ihre beiden Hände ins Gras sinken.

Isaak konnte spüren, wie Jake den Daumen leicht bewegte. Diesmal sperrte er sich nicht dagegen und tat es ihm gleich. Eine Frage ließ ihn aber nicht los: „Was, wenn uns jemand sieht?“

„Scheiß drauf.“

Blutbindung

„Wird das dein neues Mantra?“, fragte der Wächter und genoss diese unschuldige Zweisamkeit. Solange Jake wusste was er tat, und bewusst die Grenze zwischen Freunden und Partnern überschritt, würde er ihn nicht aufhalten oder abweisen.

„Vielleicht.“

„Gefällt mir besser als das Letzte.“

Dann blieben beide still und lagen eine ganze Weile so im Gras.

Isaak entfuhr ein gequältes Stöhnen und er sagte: „Ich wünschte, wir hätten noch Zeit, aber wir müssen los. Die Versammlung beginnt bald.“

„Hast du meine oder deine Geschwindigkeit eingerechnet?“

„Deine“, sagte der Wächter und wurde überrascht.

„Dann gib Bescheid, wenn es für dich knapp wird.“

„Einverstanden“, gluckste Isaak und drückte kurz Jakes Hand. Dieser ahmte die Geste nach und beide blieben einfach liegen. Ihnen war bewusst was das bedeuten würde.

Eine knappe halbe Stunde später setzte sich der Rotblonde auf und Jake gab seine Hand frei. Dann öffnete er die Lider und sie sahen sich tief in die Augen. Isaak lächelte und sagte: „Na komm. Hoch mit dir. Wir haben wirklich keine Zeit mehr.“

„Schade“, brabbelte der Beta verlegen und stand auf. Anschließend hielt er dem anderen seine Hand hin und Isaak ging bereitwillig darauf ein. Beide streckten sich ausgiebig und der Wächter ging vor dem Wolfsjungen in die Hocke. Dann wartete er ab. Insgeheim hatte er ein paar Minuten eingeplant bis sich Jake überwinden würde, er wurde jedoch abermals überrascht. Ohne zu zögern sprang der Wolfsjunge ihm auf den Rücken.

Unsicher fragte der Beta, als Isaak sich erhob: „Unsere Abmachung gilt aber noch, oder?“

„Selbstverständlich“, bestätigte der Wächter und rannte los.

Diesmal behielt Jake die Augen offen und spürte den Wind an seinem Gesicht und den Haaren ziehen. Seth hatte Recht gehabt, dass machte irgendwie Spaß. Natürlich hatte Isaak seine Gedanken mitbekommen und schmunzelte.

Viel zu schnell rasten sie durch den Wald und kamen in nur wenigen Minuten bei der Wolfshöhle an. Isaak hielt sein Wort und ließ Jake außer Sicht der anderen absteigen. Dann gingen sie den Rest des Weges nebeneinander.

Sie wurden vom ganzen Rudel und Emily erwartet. Alle Augen ruhten auf ihnen und Jake bekam einen Hauch Farbe im Gesicht. Er wollte zwar seinem Drang nach Nähe zu Isaak nachgeben, aber er war noch nicht bereit sich den Konsequenzen zu stellen.

„Jake, du hast Isaak gefunden? Ich hoffe du hast jetzt bessere Laune“, schnatterte Seth, der beleidigt schien, weil sein Kumpel ihn nicht mitgenommen hatte.

Die Gedanken des Betas begannen zu rasen. Was sollte er sagen? Was konnte er sagen? Würden sie es verstehen? Würde sie ihn dann alle so ansehen, wie es Paul immer tat?

Bevor er zu einem Ergebnis gelangte, kam ihm Isaak zuvor und sagte: „Eigentlich war es andersrum. Ich habe den hier“, er nickte zu Jake hin: „auf dem Rückweg aufgegabelt. Wie ihr gestern hat er völlig die Orientierung verloren und hat den Weg zurück nicht mehr gefunden.“

Seth, wie auch die anderen, schluckten die Lüge, ohne nachzufragen. Alle hatten mitbekommen, dass sie ohne ihre Wolfssinne echt aufgeschmissen waren. Sie hatten sich viel zu abhängig von diesen gemacht. Enttäuscht meinte der Jüngste: „Ach so. Ja, na dann gut, dass Isaak dich gefunden hat.“

„Danke“, sagte Jake mental und grinste gleichzeitig verlegen vor seinem Kameraden. „Ist echt schwer. Alles sieht so gleich aus.“

„Gerne Wölfchen. Und so weit von der Wahrheit ist das gar nicht entfernt. Dein einziger Anhaltspunkt ist unsere Verbindung zueinander. Wenn du aber nicht auf mich zuläufst weißt du nur, dass du dich von mir entfernst, nicht aber wo deine Schritte dich hinführen. So gesehen war es keine Lüge, ich habe lediglich die Wahrheit ein wenig verdreht“, erklärte Isaak mental und sah sich um.

Laut sagte er: „Ich nehme mal an, dass Sam schon los ist?“

Emily antwortete: „Ja, da er sich nicht mehr verwandeln kann, ist er früh aufgebrochen. Ich soll euch sagen, dass ihr in zwei Stunden erwartet werdet. Er möchte vorher die Möglichkeit haben dem Rat Bericht zu erstatten.“

„Ausgezeichnet. Das erspart mir eine Menge Erklärungen. Komm Jake, wenn wir uns beeilen kannst du noch schnell duschen und dich umziehen“, meinte der Wächter und wandte sich dem kleinen Waldweg zu, welcher Sams Hütte mit dem Dorf verband.

Jake senkte den Kopf und roch an sich. Angeekelt verzog er das Gesicht und bestätigte: „Boah, ok du hast Recht.“ Auch wenn er es nicht sah, wusste er, dass Isaak amüsiert grinste und die Augen verdrehte. Sie verabschiedeten sich und rannten los.

Verstohlen sah Jake sich um und sprang dem anderen auf den Rücken, als sie außer Sicht waren. Sofort tauchten dessen Hände unter seinem Hintern auf und Isaak beschleunigte. Möglich unauffällig roch er an dem Rücken vor sich. Er wollte sich für den Spruch rächen und suchte nur einen Grund, aber Isaak roch nicht unangenehm nach Schweiß und Blut. Eher ein wenig nach Kräutern. Jene, mit denen er das Fleisch gewürzt hatte.

Augenblicklich bekam Jake Hunger. Da er nicht mehr riechen konnte, mit seinen beschränkten Fähigkeiten, legte er seinen Kopf missmutig auf Isaaks Schulter und knurrte leise vor sich hin.

„Ich habe heute Morgen in einem See gebadet. Meine Hose habe ich dabei auch gereinigt“, erklärte Isaak mental.

So war das also, dachte Jake und er knurrte erneut auf. Dennoch verdiente der andere eine Bestrafung, für den frechen Kommentar über seinen Geruch. Ohne weiter nachzudenken, drehte er den Kopf und öffnete den Mund. Der Wächter blieb geschockt stehen und schrie: „Nein.“

Vergebens, denn Jake biss zu. Ein Zucken durchlief den Rotblonden. Dann wurde der Beta abgesetzt und er plumpste auf den Waldboden. Im Bruchteil einer Sekunde drehte sich Isaak um und ging wütend vor ihm in die Hocke. „Zeig mir deine Zähne, du Idiot. Was hast du dir nur dabei gedacht?“

Ungläubig ignorierte Jake den anderen und starrte an die Stelle, in die er gebissen hatte. In der gebräunten Haut sah er seine Zahnabdrücke und Blut drang aus der Wunde. Neben sich stehend hob er einen Arm und zeigte auf seine Schandtat. Dabei stammelte er tonlos: „Du blutest.“

„Was?“, fragte Isaak irritiert und fuhr sich mit der Hand an den Hals. Als er auf seine Handfläche sah, war diese rot verschmiert. Isaak erbleichte und ließ sich ebenfalls auf den Boden fallen. „Das ist unmöglich“, murmelte er und starrte entsetzt auf sein Blut.

Die Wunde schloss sich und einen Augenblick später war nichts mehr zu sehen, beide aber waren noch immer gebannt von dieser Situation. Dann, schneller als Jake reagieren konnte, griff der Wächter nach einem Stein am Boden. Es sah nicht aus als ob es ihn wirklich Kraft kosten würde, als er den Stein in zwei Teile brach. Anschließend zog er eine der scharfen Kanten über den Unterarm. Jake stürzte vor und wollte ihn daran hindern, doch mit Isaaks Geschwindigkeit konnte er nicht einmal ansatzweise mithalten. So schnell er konnte, griff er nach Isaaks Arm. Die malträtierte Stelle war makellos. Es war kein Schnitt zu sehen und auch kein Blut.

Der Wächter indes betrachtete die Kante des Steins. Sie war abgerieben und stumpf. „Genau so, wie sie sein sollte“, murmelte Isaak leiste vor sich hin und sah auf.

Wütend öffnete Jake den Mund und wollte gerade losschimpfen, als blitzschnell ein Finger in seinen Mund eindrang und sich die Fingerkuppe gegen seinen unteren linken Eckzahn drückte. Ebenso schnell zog sich der Finger zurück und Isaak starrte angestrengt auf dessen Spitze.

„Was?“, begann Jake zu toben.

„Warte“, wurde er unterbrochen.

Dann drang ein Blutstropfen aus der Fingerkuppe des Wächters und er befahl: „Zeig mir deine Zähne.“

Wütend verengte Jake die Augen und knurrte. Dabei entblößte er zum Teil seine Zähne und Isaak beugte sich vor. Er starrte auf die Zähne und konnte es nicht fassen. „Deine Zähne sind verändert. Sie sind härter als sie sein sollten.“

Der Beta konnte nicht anders und tastete seine Zähne mit der Zunge ab. Alles war so wie immer, entschied er nach einer Weile. Isaak war aber noch nicht fertig und griff nach seiner Hand. Diese hielt er sich vors Gesicht und starrte auf Jakes Fingernägel.

Ungehalten knurrte der Wolfsjunge erneut auf und entwand ihm seine Hand.

„Auch deine Fingernägel haben eine andere Struktur“, berichtete Isaak und hielt ihm einen Arm hin. Dann sagte er: „Kratz mich.“

Nur zu gerne kam Jake dieser Aufforderung nach und bereute es sogleich. Seine Nägel hinterließen tiefe Furchen und abermals drang Blut hervor. „Tut mir leid, ich wollte nicht…“, stammelte er aufgelöst.

„Interessant“, sagte der andere und untersuchte die Kratzer. Er hörte ihm gar nicht zu und sah wie die Wunden sich zusammenzogen und heilten. „Ich frage mich…“, begann Isaak und sah auf. Schneller als Jake reagieren konnte griff der andere nach der anderen Hälfte des zerbrochenen Steins und ritzte ihn am Arm.

Entsetzt riss Jake seinen Arm zurück und sah auf die Stelle. Abermals konnte er nichts finden. Der Wächter hingegen sah die Kante des Steins an. Diese war stumpf und abgerieben, wie bei der zweiten Hälfte.

„Unerwartet“, murmelte er nachdenklich und sah auf.

So langsam verlor Jake echt die Geduld und sprang auf. Es war ihm aber erneut nicht vergönnt seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen.

„Warte, lass mich nachdenken, dann erkläre ich dir alles, versprochen“, versucht der andere ihn zu besänftigen.

Jake schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.

Isaak legte den Kopf leicht schief, dann nickte er und sagte: „Weder deine Zähne, noch deine Nägel, sollten in der Lage sein meine Haut zu durchdringen und doch tun sie es. Zudem haben diese und deine Haut fast dieselbe Oberflächenstruktur, wie bei mir. Ich fürchte durch die Blutbindung wurde deine Zellstruktur verändert und von meiner überschrieben. Aber, das ist nur eine Theorie. Erst der „wahre Blick“ und nun das. Das sollte so nicht sein. Ich muss unbedingt unsere Verbindung genauestens untersuchen. Es kann sein, dass du noch mehr meiner Fähigkeiten übernommen hast.“

Jake sah sich seine Nägel an. Außer dem Dreck darunter konnte er nichts Interessantes erkennen. Langsam sagte er: „Ich fühle mich nicht anders als zuvor.“

„Ja, das habe ich mir gedacht. Entschuldige bitte meinen Überfall“, sagte der Wächter und grinste schief.

„Müsste ich mich nicht entschuldigen dich gebissen zu haben?“, fragte Jake irritiert.

Isaak runzelte die Stirn und machte den Vorschlag: „Hm… unentschieden?“

„Einverstanden“, entfuhr es dem Beta erleichtert. Die ganze Situation hatte ihm nicht gefallen. Er wollte dem Rotblonden nur eine Lektion erteilen, nicht ihn verletzen.

„Danke. Spring auf. Wir sind spät dran“, meinte Isaak fröhlich und ging vor ihm in die Hocke.

Jake verdrehte die Augen und kam der Aufforderung nach. Sofort erhob sich der Träger und rannte weiter. Diesmal achtete er nicht auf die Umgebung und dachte ebenfalls nach. Er konnte Isaak verletzen, aber das schien ihn gar nicht zu stören. Ob er noch mehr Kräfte besaß? Die Geschwindigkeit und Kraft wären schon cool gewesen, genauso wie die schärferen Sinne. Dabei hatte er das alles bereits, durch seine Wolfskräfte. Als Wolf war er genauso schnell wie ein Vampir. Isaak war aber noch schneller. Er konnte als Wolf mühelos Steine zerbeißen. Konnte der Wächter das auch?

„Ja, das kann ich, aber warum sollte ich das machen? Ich beiße einen Vampir doch nicht mit meinen kleinen Zähnen zu Tode. Da gibt es viel einfachere Methoden. Ihn zu enthaupten und den Flammen zu übergeben, beispielsweise“, gluckste der Wächter mental und erheitert über diesen Gedanken.

„Dir ist es egal, dass ich dich nun verletzen kann?“

„Ja. Jake. Ich vertraue dir. Ich sehe das eher als ausgleichende Gerechtigkeit. Dennoch, bitte beiße mich nicht mehr ohne Vorwarnung. Jedenfalls nicht mehr so und vor allem nicht am Hals.“

„Warum?“, fragte Jake, bekam aber keine Antwort. Durch ihre Verbindung spürte er Scham und wusste, dass Isaak rot angelaufen war. Das weckte die Neugierde des Betas und dieser bettelte: „Komm schon. Sag es mir, bitte.“

„Es ist mir aber peinlich.“

Der andere wollte es nicht ausspucken und dessen Gedanken verrieten ihn auch nicht. Dann dachte er an Isaaks Wort auf der Lichtung und änderte den Wortlaut ein wenig: „Isaak, vor mir brauchst du dich weder zu verstellen noch zu verstecken. Sag einfach frei heraus was du denkst.“

„Das ist unfair, du hast meinen Satz für deine Zwecke missbraucht“, maulte der Wächter.

„Komm schon. Sag es mir“, versuchte es Jake mit einem weiteren Betteln.

„Nun gut. Ich bin empfindlich am Hals. Wenn DU mich dort so beißt erregt mich das. Zufrieden?“, offenbarte Isaak und betonte das Du, um ihm zu zeigen, dass er das nur so bei ihm verspürte.

Jake war sich durchaus bewusst, wie viel Überwindungskraft es Isaak gekostet haben musste, ihm das anzuvertrauen. Der Wächter glaubte zu viel preisgegeben zu haben, und wurde noch röter im Gesicht. Er hoffte den Wolfsjungen mit seinem Geständnis nicht verschreckt zu haben.

„Hast du nicht. Ich werde mir das aber merken. Nun da ich es weiß, werde ich dich so nicht mehr beißen, es sei denn ich möchte das. Ein Schritt nach dem anderen, okay? Ich kann mir immer noch nicht vorstellen mit dir zu schlafen. Ich brauche mehr Zeit, um meine Gefühle und meine Ansichten zu hinterfragen“, sagte Jake, und nun war er es, der knallrot wurde.

„Wow, dass aus deinem Munde. Ich muss Bella wohl einen weiteren Gefallen erweisen. Muss ja ein unglaublich erhellendes Gespräch gewesen sein“, sagte der Wächter und lachte erleichtert auf. Dann fügte er ernst hinzu: „Du hast mir schon mehr gegeben, als ich erwartet habe. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst. Tu mir nur einen Gefallen und spiel nicht mit mir. Das würde ich nicht verkraften.“

„Das tue ich nicht, versprochen“, erwiderte Jake.

Sie waren kurz vor dem Haus der Blacks und Isaak wurde so langsam, dass der Wolfsjunge abspringen konnte. Nebeneinander setzten sie ihren Weg fort. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach und beachteten gleichzeitig, was der andere dachte. Ihre Vertrautheit hatte heute einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht.

Jake war sich sicher, dass das nur an Bellas Worten lag. Ohne sie hätte er sich wohl nicht getraut so offen zu sein. Er sollte ihr einen Strauß Blumen pflücken, als Dank für ihr Eingreifen. Damit konnte er außerdem auch ihren Blutsauger reizen. Diese Idee war durchaus vielversprechend.

Der andere hingegen dachte an die Veränderungen an Jakes Körper und wollte diesem Geheimnis auf den Grund gehen. Ohne nachzudenken folgte er dem Beta ins Haus und setzte sich einfach auf dessen Bett. Dann nahm er eine Meditationsposition ein und begann die Verbindung zwischen ihnen bis ins kleinste Detail zu untersuchen.

Jake starrte den anderen irritiert an. Ein spitzer Kommentar lag ihm auf der Zunge. Einfach so in sein Zimmer zu kommen und sich dort breit zu machen, das ließ er nur Bella durchgehen. Er wusste aber über Isaaks Gedankenwelt Bescheid und, dass dieser keinerlei Absichten hatte ihm zu nahe zu treten. Er war schlichtweg rein mechanisch ihm gefolgt und nun mit den Gedanken tief in sich gekehrt.

Aus diesem Grund schluckte er seine Worte hinunter und suchte sich etwas zum Anziehen. Ein Glück, dass er gewaschen hatte. Sein Zimmer war dementsprechend recht ordentlich. Auch wenn der Wächter auch genauso gut mitten im Wald sitzen könnte, so wenig wie er seine Umgebung, beachtete wäre es Jake peinlich gewesen, ihm seine normale Unordnung zu zeigen.

An was er schon wieder dachte. Er schüttelte den Kopf und ging rasch zur Dusche, bevor Isaak seine glühenden Wangen sehen konnte. Ausgiebig wusch er sich den Schweiß und den Schmutz vom Körper.

Als er dann die Kabine öffnete traf ihn fast der Schlag. Isaak saß direkt vor der Dusche und starrte ihn an. Der Kopf des anderen war genau in der Höhe seines Schritts. Jake entwich ein spitzer Aufschrei und er hatte Mühe nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann holte er aus und wollte Isaak seine Faust schmecken lassen. Sein Gegenüber starrte einfach nur geradeaus und rührte sich keinen Millimeter. Nicht einmal ein leichtes Schmunzeln zeigte sich in dessen Mimik.

Verdutzt hielt er seine Faust nur Zentimeter vor dem Gesicht des anderen an und griff nach dessen Geist. Isaak war noch immer in seiner Meditation vertieft und bekam nichts von dem mit, was um ihn herum geschah.

Jake runzelte die Stirn und kehrte in die Realität zurück. Er sah zu dem Sitzenden hinunter. Dieser starrte immer noch unfokussiert geradeaus. Auch, wenn der Wächter nichts mitbekam, wollte er sich seinem Blick entziehen und griff rasch nach einem Badetuch. Dieses schwang er sich um die Hüften und stieg vorsichtig aus der Dusche und an dem anderen vorbei, ohne diesen zu berühren.

Erleichtert ließ er den Rotblonden, wobei eine Fährte aus nassen Fußspuren seinen Weg zierte, hinter sich. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er sah über die Schulter. Wie in Trance folgte Isaak ihm. Jake knurrte erbost, aber das zeigte keine Wirkung. Der starre Blick blieb unverändert.

„Lass das gefälligst“, maulte Jake obwohl ihm bewusst war, dass seine Worte keinen Effekt haben würden. Schnell schloss er die Zimmertür in der Hoffnung, dies würde den Rotblonden aufhalten. Er trat einen Schritt zurück und die Tür öffnete sich. Isaak kam herein und stellte sich direkt vor ihn.

Der folgt mir wie ein Hund seinem Herrchen, schoss es Jake durch den Kopf. Dann musste er fies grinsen und sagte: „Mach Sitz.“ Erstaunt sah er, wie Isaaks Körper sich auf den Boden setzte. „Der ist ja echt wie ein dressierter Hund“, brabbelte Jake und ihm kam eine Idee. Er befahl: „Bleib.“

Dann ging er an dem anderen Mann vorbei und zurück ins Bad. Mit einem Blick über die Schulter registrierte er, dass Isaak gehorchte und sich nicht rührte. Im Bad schnappte er sich seine Boxer und kehrte zurück. In seinem Zimmer warf er dem Mann seine Unterwäsche zu und sagte: „Fang.“ Sofort griff dessen Hand zu und schnappte nach dem Kleidungsstück.

Mit einem fiesen Grinsen ging Jake auf alle Viere und stöberte unter seinem Bett. Er fand ein paar alte Socken und roch daran. Schnell hielt er sie weit von sich und verzog das Gesicht. Die Dinger brauchten keine Wäsche, sondern eine chemische Entsorgung. Er warf Isaak die Stinkbomben vor die Füße und befahl: „Nimm die Socken und steck sie dir in den Mund.“

Ohne mit der Wimper zu zucken kam der Körper des Wächters auch diesem Befehl nach. Es schüttelte Jake angeekelt, aber er war noch nicht fertig. Anschließend ließ er ihn sich seine alte Boxershorts über den Kopf ziehen. Zufrieden mit seinem Werk begutachtete er schadenfroh das sich ihm bietende Bild. Dass der Wächter nichts von alledem mitbekam interessierte ihn dabei nicht die Bohne.

Fröhlich pfeifend wandte sich Jake ab und griff nach dem Handtuch um seine Hüften. Dann hielt er kurz inne. „Dreh dich um und schließ die Augen“, befahl er. Nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Dann zog er das Handtuch weg, trocknete sich rasch ab und zog sich an.

Als er dann vorzeigbar war, und sich zur Feier des Tages sogar ein wenig Deo gegönnt hatte, setzte er sich auf sein Bett und sah zu dem Wächter hinunter. Dieser hatte sich keinen Millimeter mehr bewegt. Jake grinste fies und drang in den Kopf des anderen ein.

Isaak war noch immer mit seiner Untersuchung beschäftigt und nahm seine Anwesenheit kaum zur Kenntnis. „Bin fertig“, flötete Jake mental.

„Ich auch“, bekam er als Antwort. „Ich habe alles mehrmals überprüft. Bei der Bindung, und durch dein Zutun, hat sich meine These bewahrheitet. Deine Zähne, Fingernägel und Haut haben sich den meinen angepasst. Zudem hast du den „wahren Blick“ erhalten. All das entsprach deinem Wunsch es wenigstens zu versuchen. Magie ist manchmal sehr seltsam.

Aber, weder deine Sinne, deine Kraft, noch deine Geschwindigkeit oder deine Knochenstruktur haben sich geändert. Die Frage ist nur, wie sich das auf dich als Wolf auswirkt. Das muss ich untersuchen, wenn du dich wieder verwandeln kannst. Zudem ist die Bindung wirklich stärker als ich sie beabsichtigt habe. Du scheinst mir außerdem auch etwas gegeben zu haben. Ich glaube, aber das ist wieder nur eine Theorie, ich kann mich nun auch in einen Wolf verwandeln.

Nicht, dass ich das mit meiner Magie nicht schon vorher gekonnt hätte, aber nun bin ich mit dem Quell der Magie der Quileute verbunden, genau wie du. Das ist mir bisher nicht aufgefallen. Ob ich zum Wolf werden kann, ohne meine Magie zu benutzen, sollten wir mal bei Gelegenheit ausprobieren. Da werde ich aber deine Hilfe benötigen. Ich habe keine Ahnung wie ich diese Verwandlung einleiten soll.“

Das hatte Jake nicht erwartet und er fragte erstaunt: „Du kannst mit deiner Magie zum Wolf werden?“

Isaak schmunzelte und offenbarte: „Ja, Magie ist sehr vielschichtig. Ich kann nahezu jede Form und Gestalt annehmen. Die Verwandlung aufrechtzuhalten kostet aber viel Kraft und daher nutze ich diese Fähigkeit sehr selten. Einmal wollte ich, in einem Anflug von Übermut, als Vogel über den Atlantik fliegen.

Es war ein Desaster. Nach weniger als einem Viertel der Strecke ist mir die Magie ausgegangen und ich bin ins Meer gestürzt. Ich trieb tagelang vollkommen entkräftet umher. Dann kam ein Kreuzfahrtschiff vorbei und ich kletterte an Bord. Ich habe für einiges Aufsehen gesorgt. Bis zum Ende der Fahrt hatte ich mich aber weitestgehend erholt und allen an Bord das Gedächtnis gelöscht.

Im Hafen dann, musste ich leider feststellen, dass die Polizei bereits auf mich wartete. Das Bordpersonal hatte mich zuvor bereits angekündigt. Was für ein Schlamassel. Ich habe fast einen Monat gebraucht alle zu finden, die davon Wind bekommen haben. Ihnen die Erinnerungen an mich zu nehmen und alle Unterlagen verschwinden zu lassen inbegriffen.

Das war mir eine Lektion. Seitdem bevorzuge ich es andere Wege zu gehen.“

Er schwelgte einen Augenblick in der Vergangenheit und sagte dann: „Wie dem auch sei, wir sollten langsam los.“

Schnell schüttelte Jake den Kopf und zog sich zurück. Er wollte nichts von dem Spektakel verpassen.

In der Realität rührte sich Isaak und schlug kurz um sich. Ein dumpfes Brabbeln sagt dem Beta, dass der andere soeben entdeckt hatte, dass ihm etwas im Mund steckte. Da konnte der Wolfsjunge nicht anders und brach in schallendes Gelächter aus.

Vorsichtig zog sich Isaak die getragenen Boxershorts vom Kopf und begutachtete diese skeptisch. Dann spuckte er die Socken aus und verzog angeekelt das Gesicht. „Alter Jake, die schmecken ja widerlich.“

„Das ist die Rache für das Pflanzenzeugs“, prustete der Beta und hielt sich lachend den Bauch.

„Dazu dieser Geruch. Was hast du mit diesen Socken angestellt?“

„Rache für dein Kommentar über meinen Geruch.“

Entgeistert schüttelte sich Isaak und streckte die Zunge raus. „Echt mal, das ist ja abartig.“

Das half Jake nicht gerade sich zu beruhigen.

Zweifelnd sah der Wächter auf die Boxershorts und fragte. „Und was soll die da über meinem Kopf?“

„Rache für deine Aktion im Bad“, presste Jake hervor und schnappte zwischenzeitlich immer mal wieder nach Luft.

„Das verstehe ich nicht“, gab Isaak zu und sah den anderen irritiert an. Dann wurde er sich seiner Position bewusst und sprang auf. „Warum sitze ich eigentlich auf dem Boden? Was hast du noch alles mit meinem Körper angestellt?“, fuhr er Jake scharf an.

Der sah ein, dass es reichte. Er wollte Isaak nur etwas ärgern, ihn aber nicht wütend machen. Jake zwang sich dazu, sich etwas zu beruhigen und erklärte: „Nichts weiter, ich schwöre. Nur die Socken und die Boxer.“

Auf diese Worte fragte Isaak scharf nach: „Und wie komme ich auf den Boden?“

„Nun ja“, begann Jake und wurde ernst. „Du bist mir, wie in Trance, ins Bad gefolgt. Ich hatte fast einen Herzstillstand als ich aus der Dusche steigen wollte und du vor mir gesessen hast. Du hast mir in den Schritt gestarrt. Da wollte ich dir eine reinhauen,“ gestand Jake und machte die dazu passende Bewegung.

„Dann habe ich aber bemerkt, dass dein Blick leer ist und du offenbar gar nichts mitbekommst. Du bist mir dann in mein Zimmer gefolgt und da habe ich festgestellt, dass du alles tust was ich dir sage.“ Jake deutete auf die Socken und die Boxer und grinste fies.

„Ich verstehe“, meinte Isaak und ließ traurig die Schultern hängen.

„Hey. Das war nur ein Spaß. Ich habe dir nichts angetan“, sagte Jake schnell und ihn überkam ein schlechtes Gewissen.

Von unten heraus wurde er wachsam angesehen. Dann seufzte der Wächter. „Daran werde ich mich wohl erst gewöhnen müssen.“ Mit einem schiefen Grinsen verriet er: „Normalerweise, bin ich es der andere veräppelt, nicht umgekehrt. Solange du aber nicht zu weit gehst, lasse ich dir das durchgehen.“

„Oh, wie gnädig“, frotzelte Jake und grinste frech. Das Isaak ihm diesen Streich nicht allzu übel nahm erleichterte ihn ungemein. „Du kennst doch das Sprichwort, wer andern eine Grube gräbt…“

„Braucht ein Grubengrabgerät“, beendete der Rotblonde den Satz. Beide grinsten und mussten lachen.

Nachdem sich Jake wieder beruhigt hatte fragte er möglichst beiläufig: „Warum ist dein Körper mir eigentlich gefolgt?“

Isaak wurde auch wieder ernst und mutmaßte: „Ich glaube, das liegt an unserer Verbindung. Mein Körper kann sich auch ohne mein Zutun bewegen. Das ist eine Schutzfunktion. So wie du habe auch ich das Bedürfnis bei dir sein zu wollen. Mein Körper denkt nicht, sondern handelt einfach. Also folgt er dir und beugt sich deinem Willen.“

Das Gesicht des Wächters verfinsterte sich und er stammelte: „Ich bin dir absolut hörig in diesem Zustand.“ Vor seinem inneren Auge blitzte das Bild seines Vaters auf. Damals konnte er ich auch nicht wehren. Er begann zu zittern und Angst durchflutete die Verbindung.

Schnell sprang Jake auf und schlang die Arme um Isaak. „Ich schwöre, ich würde dir nie so etwas antun.“ Er fuhr ihm beruhigend über den Rücken und merkte, wie dieser sich langsam entspannte.

„Ich will dir glauben. Daher werde ich meinem Körper keinen Bann auferlegen. Aber, treibe es nicht zu weit. Ich mag stark und mächtig sein, in manchen Dingen bin ich allerdings sehr verletzlich.“ Während Isaak sprach wurde er immer leiser. Seine letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern.

Dann ließ der Wächter sich fallen, erwiderte die Umarmung und genoss die Nähe.

Nach einer Weile fragte Isaak kleinlaut: „Du hast nicht zufällig eine Zahnbürste für mich?“

Reumütig sagte Jake: „Nein.“ Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er dem Wächter übel mitgespielt hatte. Es sollte nur ein Streich sein. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie hilflos und verletzlich sich Isaak fühlen musste. Von sich aus hätte er nie danach gedacht seine Kontrolle auf diese Art und Weise zu missbrauchen. Er konnte es aber verstehen und auch, wovor sich Isaak fürchtete. Nach den spärlichen Bildern aus dessen Vergangenheit war dies mehr als nur normal.

Langsam sagte Jake: „Wenn du das willst kannst du meine benutzen. Es ist die blaue.“

„Danke“, flüsterte Isaak und sie gaben einander frei. In der Tür stehend sagte er noch schnell: „Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin so etwas nur nicht gewohnt. Gib mir ein wenig Zeit mich zu erholen. Dann bin ich wieder der Alte.“ Damit war der Wächter auch schon verschwunden.

Doch Jake konnte nicht anders: Er machte sich Gedanken. Das sollte doch nur ein Scherz werden und dann so was. Mit einem Seufzen ließ er sich auf sein Bett fallen, legte sich auf den Rücken und sah mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zur Decke. Auch Isaak dachte nach. Keiner der beiden verschloss sich vor ihrer Verbindung, aber sie versuchten auch nicht aktiv auf die Gedanken des jeweils anderen zu hören.

Nachdem Isaak die benutzte Zahnbürste gesäubert und wieder weggelegt hatte, ging er zu Jake zurück und blieb in der Tür stehen. „Komm, wir müssen los. Ein Streit mit den Ältesten wird mich auf andere Gedanken bringen.“

Jake sah auf und nickte ergeben. Dann aber fiel sein Blick auf Isaaks blanken Oberkörper und er verdrehte die Augen. So konnte er ihn doch nicht vor den Rat erscheinen lassen. Schnell sprang der Wolfsjunge auf und kramte in seinem Schrank. Er fand ein passables Muskelshirt und warf es ihm zu.

Ohne ein Kommentar, zog er es sich über den Kopf, und beide setzten sich in Bewegung.

Vor dem Rat

Von Isaaks Rücken aus gab Jake die Richtung vor. Schnell hatten sie die Distanz bis zum Treffpunkt hinter sich gelassen. Sie warteten in einigem Abstand und hörten schon die Stimmen der Ratsmitglieder.

Eine hitzige Debatte lief gerade. Jacob konnte leider nicht verstehen worüber diskutiert wurde. Er zählte bereits die Stunden, bis seine Kräfte wiedererwachen würden. Zu gerne wäre er jetzt einfach in Isaaks Geist eingetaucht, um mitzubekommen, was der Rat besprach. Er hielt sich aber zurück, denn auf gar keinen Fall wollte er den anderen einfach so überfallen und ihm das Gefühl geben, dass er sich immer nahm was er wollte.

Deshalb knurrte er: „Um was geht es da?“

Isaak hatte seine Bedenken mitbekommen, schwieg aber zu diesem Thema. Er hatte sich noch immer nicht gefangen und wollte nicht bedrängt werden. Also antwortete er mit seiner Stimme: „Es geht natürlich um mich. Präzise, um die Gefahr, die ich für den Stamm darstelle.“

Auf seinem Gesicht zeigte sich ein verschlagenes Grinsen und er fragte: „Ich glaube mal Sam wird mir eine verpassen, wenn ich einfach in ihrer Mitte auftauche und buh rufe?“

„Nicht nur Sam wird dir eine scheuern“, mahnte Jake, grinste aber bei der Vorstellung.

„Na gut, ab in die Höhle der Wölfe“, meinte Isaak theatralisch.

Dann gingen beide auf die Stimmen zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah Jake, wie Isaak seine gelassene Maske aufsetzte.

Sam entdeckte die beiden als erster und stand auf. Sofort kehrte Ruhe ein und er sagte: „Wir drehen uns im Kreis. Ich würde vorschlagen, wir klären das direkt mit Isaak und Jake. Ich habe die beiden gebeten zu uns zu stoßen.“

Billy rümpfte die Nase und knurrte: „Das stand dir nicht zu. Ich will diese Missgeburt nicht sehen.“

„Ich freue mich dich wiederzusehen, Billy“, sagte Isaak sanft und trat in den Kreis. Seine Stimme war ruhig und beherrscht. Vielleicht bildete es sich Jake auch nur ein, aber er konnte einen Hauch von Verärgerung heraushören. Außer ihm hatte das wohl aber niemand mitbekommen.

Die anderen Ältesten zuckten zusammen, während der Häuptling rot anlief.

„Du wurdest noch nicht gerufen“, sagte Sam tadelnd. Isaak hob den Blick und sie sahen sich einen Moment lang in die Augen. „Wie dem auch sei. Wenn ich vorstellen darf, das ist Wächter Isaak.“ Nach diesem Worte ließ sich der Leitwolf nieder und blieb still.

Isaak vollzog eine höfliche Verbeugung und wartete auf die Fragen.

Es war Jakes Vater, der als erster seine Stimme wiederfand, fuhr den Eindringling sogleich an: „Und das sollen wir alles glauben? Magie, Wächter, deine neue Bindung mit meinem Sohn, den Angriff und dieser ominöse menschliche Magier, der hinter allem stecken soll?“

„Es ist die Wahrheit, also ja“, sagte Isaak sanft. Erneut wollte Billy loslegen, als er hinzufügte: „Im Voraus, damit es keine Missverständnisse gibt: Ich habe alle, die von meiner Existenz wissen, mit einem Bann belegt. Es ist euch nicht möglich Wissen über mich, die Wächter oder alles was damit zusammenhängt, wissentlich oder unwissentlich, weiterzugeben.“

„Wie kannst du es wagen?“, begann der Rollstuhlfahrer, wurde aber unterbrochen.

„Ich dachte du glaubst nicht an meine Magie?“

„Ich“, stammelt der Häuptling aus der Spur geraten.

„Gut, dann wäre dieser Punkt geklärt. Ich sage es offen und direkt: Ich bin weder ein Mitglied des Rudels, noch des Stammes der Quileute. Ihr tätet gut daran das nicht zu vergessen. Ich muss nicht mit euch sprechen. Ich bin nur hier, weil Sam mich darum gebeten hat“, sagte Isaak diplomatisch und machte auch gleich klar, dass er sich nicht alles gefallen lassen würde.

Dann gab es kein Halten mehr und der Wächter wurde mit Fragen bombardiert. Ruhig und gelassen beantwortete er alles ausführlich und verschwieg nichts.

„Wie sollen wir gegen einen solchen Gegner kämpfen?“, fragte Sam irgendwann.

Billy, der sich bloßgestellt fühlte, hatte sich bisher rausgehalten und sich aufs Zuhören beschränkt, nun aber mischte er sich ein: „Was geht uns das an? Soll der Wächter doch allein mit dem klar kommen. Ich bin dafür, dass er geht und nie wieder zurückkommt.“

„Jake und ich sind seelenverbunden. Sein Tod wäre auch der meine, wie auch umgekehrt. Ich fürchte, dass der Magier das nun auch weiß und versuchen wird Jake zu töten. Deshalb kann ich nicht einfach gehen. Ich kann nicht zulassen, dass Jake in Gefahr gerät und werde mich daher in seiner Nähe aufhalten. Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass dem Magier auch dieser Umstand bekannt ist und er versuchen wird das Rudel, den Stamm, die Cullens und oder Bella als Ziel zu wählen, um Jake aus meinem Schutz zu locken.“

„Das sagst du“, fauchte Billy ungläubig.

„Es ist nur eine Theorie. Ich sage euch das Gleiche, wie auch zuvor schon Edward und damit den Cullens: Es stimmt, es ist nicht euer Kampf, aber bereitet euch auf einen Kampf oder die Flucht vor.“

Sam knurrte: „Jake gehört zum Rudel. Das Rudel wird kämpfen.“

„Das ist nicht deine Entscheidung Sam“, fuhr Billy ihn an.

„Das ist eine Angelegenheit des Rudels und somit ist es meine Entscheidung“, legte der Alpha seinen Standpunkt dar.

Die beiden starrten sich in die Augen und versuchten den jeweils anderen zur Aufgabe zu zwingen.

„Ich würde vorschlagen, dass ich zuallererst mehr Informationen zusammentrage. Ich werde gleich im Anschluss an dieses Gespräch zu den Cullens gehen“, versuchte Isaak den Frieden zu wahren.

Billy brach sein stummes Duell mit Sam ab und fuhr den Wächter an: „Was willst du von den Blutsaugern?“

„Ich brauche einen Computer, der mit dem Internet verbunden ist, damit ich mich mit der Bibliothek der Wächter verbinden kann. Weder Jake noch Sam haben so einen.“

Gereizt knurrte der Häuptling: „Woher willst du wissen was ich zuhause habe?“

Isaak schwieg. Die Antwort auf diese Frage würde dem älteren Mann nicht gefallen.

Wütend fixierte Billy den Wächter und sein Blick fiel auf das schwarze Muskelshirt. Sofort schoss sein Blick zu seinem Sohn, der unwillkürlich zusammenzuckte.

„Du hast diese Missgeburt schon wieder in mein Haus gelassen? Ist das da dein Shirt, Sohn?“, fragte der Rollstuhlfahrer seltsam ruhig und seine Augen huschten zwischen den beiden hin und her.

Unter den Blicken seines Vaters fühlte sich Jake so unwohl, dass er sich unbewusst ein wenig hinter Isaak schob.

Als wäre dies das Startsignal gewesen schrie Billy los: „Ihr abartigen Missgeburten. Was habt ihr in meinem Haus gemacht?“

Isaaks Gelassenheit fiel augenblicklich von ihm ab er verengte zornig die Augen. Er erbebte und begann zu knurren. Sam, sowie auch Jake, sahen den Wächter irritiert an. Wenn sie es nicht besser gewusst hätten, wäre es naheliegend gewesen, dass er sich gleich in einen Wolf verwandeln würde.

Der Beta riss entsetzt die Augen auf. Er wusste es besser. Schnell sprang er um Isaak herum und hob beschwichtigend die Arme: „Beruhige dich sonst…“

Zu spät. Ein Ruck ging durch den Körper des Rotblonden und er wurde zum Wolf. Jake, der direkt vor ihm stand, wurde zurückgeworfen. Überrascht sah Isaak zu dem Beta hinunter und begann zu wimmern.

„Schon gut, nichts passiert“, sagte Jake und rappelte sich auf. „Bleib ganz ruhig ok.“

Das war aber gar nicht nötig. Isaak hob seine rechte Vorderpfote und sah diese an. Dann setzte er sich auf den Hintern und betrachtete wehleidig die Fetzen um sich herum. Mental sagte er: „Das war meine einzige Hose. Sorry wegen dem Shirt.“

Die strahlend blauen Augen richteten sich auf Jake. „Geht es dir auch wirklich gut?“

„Ja, mir geht’s gut“, sagte der Beta und kam näher. Alle anderen waren aufgesprungen und wichen zurück, oder in Billys Fall, schob sich zurück.

„Wow, du bist größer als Sam und dein Fell ist knallrot. Du siehst eher aus wie ein überdimensionierter Fuchs. Da würde auch die blaue Iris besser zu passen.“

Isaak verdrehte die Augen und fragte: „Gut, Wut leitet also die Verwandlung ein, wie werde ich wieder zum Menschen?“

Jake schien ihn gar nicht zu hören. Ohne Scheu ging er zu auf den roten Wolf zu und begann diesen zu untersuchen. Er griff nach den zuckenden Ohren und begutachtete sein Fell. Dann zog er ihm das Maul auf und sah sich die Zähne genauer an.

„Ok, das habe ich verdient. Jetzt weiß ich, wie du dich immer fühlst, wenn ich das mit dir mache. Erde an Jake, die Rückverwandlung, bitte.“

Der Beta zuckte kurz zusammen und kam zu sich. „Ja, die Rückverwandlung, also du musst…“ Er warf seinem Vater einen Blick zu und ging zu mental über: „Ich glaube Dad wird es nicht ertragen, wenn du hier nackt rumrennst bleib erstmal so.“

„Wie du willst, erkläre es mir aber trotzdem. Ich muss jederzeit kämpfen können. Ich bin an den Wolfskörper nicht gewöhnt und kann so nichts machen, wenn es drauf ankommt.“

Schnell gab Jake Isaak dieselben Informationen, die sie allen neuen Wölfen gaben.

Während der Wächter zuhörte, begann er seltsam zu zittern. Sam sprang vor und schrie: „Schaff ihn hier weg, er kann sich nicht kontrollieren.“

Jake sah gelassen zu seinem Alpha und erklärte: „Keine Angst Sam. Das Zittern ist keine Wut. Isaak testet gerade alles durch. Wie war das nochmal? Muskelstränge auf Kontraktionsmuster und Stärke, sowie Belastung, Geschwindigkeit und Beschaffenheit der Nervenimpulse.“ Er schüttelte den Kopf und sagte: „Einfach ausgedrückt: Er testet was sein Wolfskörper kann.“

„Wusstest du davon?“, fragte Sam und kam näher ran.

„Ja“, gestand Jake und sah wie sich die Augen des Leitwolfs verengten. Schnell ergänzte er: „Isaak hat unsere Verbindung untersucht als ich vorhin geduscht habe. Dabei kam heraus, dass…“ Er wurde unterbrochen.

„Pass auf Jake, dass könnte deine Stellung noch weiter gefährden. Sag ihnen besser nicht was ich über dich gesagt habe“, warte Isaak besorgt.

Sie sahen sich einen Augenblick in die Augen dann wandte er sich wieder Sam zu. Vor seinem Rudel oder Stamm wollte er das nicht verbergen und er setzte erneut an: „Isaak hat herausgefunden, dass die Verbindung uns beide stärker beeinträchtigt hat als ursprünglich geplant war. Meine Haut, Zähne und Fingernägel als Mensch sind nun härter als selbst bei einem Vampir und nahezu undurchdringbar. Wie sich das auf meine Wolfsgestalt auswirkt muss er noch untersuchen. Isaak hingegen hat die Vermutung geäußert, dass ich ihm im Gegenzug die Wolfsverwandlung gegeben habe. Aber, das ist nur eine These.“

Jake sah zu dem roten Wolf und grinste: „These bestätigt, würde ich sagen.“

Die blauen Augen rollten und richteten sich sofort auf den Rollstuhlfahrer. Dieser kam jetzt auch wieder zu sich und schrie: „Du bist nicht länger mein Sohn. Du bist ein Monster, wie das da.“

Der Wolf begann zu knurren und alle außer Jake zuckten zusammen. der Beta sagte schalkhaft „Aus“ und das Knurren erstarb sofort.

Isaak schnaubte und wandte sich ab. Na, das konnte ja heiter werden, dachte er.

Dieser Gedanke brachte den Beta zum Grinsen. Dann wurde er wieder ernst und hörte dem Wächter zu. Anschließend räusperte er sich und begann wiederzugeben: „Isaak hat kein Interesse mehr diese sinnlose Unterhaltung weiter fortzusetzen. Er … soll ich das wirklich so sagen?“

Jake warf einen Seitenblick zu dem Wolf, dieser nickte.

„Ich zitiere: Beleidigt mich, wenn ihr wollt, aber lasst Jake in Ruhe, wenn euch euer Leben lieb ist.“

Dann warf Jake einen Blick zu seinem Vater und sagte: „Dad. Isaak und ich sind verbunden. Ob es dir passt oder nicht. Komm damit klar oder lass es und leb mit den Konsequenzen. Wir gehen jetzt.“

Zur Verwunderung aller stand der rote Wolf auf und Jake fragte vor allen anderen: „Darf ich aufsitzen?“

Anstelle einer Antwort schmiegte sich der Wolfskopf an ihn. Dann legte sich Isaak auf den Bauch und ließ Jake aufsteigen. Kaum, dass er auf dem Wolf saß, erhob sich dieser und sprintete davon.

Isaak behielt die Gefühlswelt des anderen genau im Auge. Er wusste, dass Jake den Starken nur gespielt hatte und machte sich Sorgen um ihn.

Als sie sich weit genug entfernt hatten, schluchzte der Beta auf. Der Wächter wurde langsamer und Jake fuhr ihn an: „Lass mich. Renn weiter. Damit muss ich allein klarkommen.“ Dann versenkte er sein Gesicht in dem Fell vor sich und gab sich seinen Tränen hin. Er hatte mit seinem ganzen Stamm gebrochen und seinem Vater die Pistole auf die Brust gesetzt. Billy würde ihn verbannen, da war er sich sicher. Und Sam? Wie würde sein Alpha reagieren? Jake hatte sich unmöglich aufgeführt und offen vor den anderen seine Verbundenheit zu Isaak zur Schau gestellt. Würde er nun auch aus dem Rudel geworfen werden?

Der rote Wolf hörte zu, respektierte aber den Wunsch des anderen, und ließ ihn in Ruhe. Er wollte nicht, dass Jake sich entscheiden musste. Sein Vater aber hatte es darauf angelegt. Als dieser Jake beleidigte, hatte der Wächter für einen Moment die Kontrolle verloren und durch seine Wut die Verwandlung ausgelöst.

Nach einer Weile wurde Isaak erneut langsamer. Jake wusste, dass sie sich dem Haus der Cullens näherten und der andere wollte ihm Zeit geben, mit seinen Gefühlen klar zu kommen. Mit einem fiesen Grinsen wischte er sein Gesicht in dem roten Fell ab. Isaak knurrte leise, sagte aber nichts dazu.

„Leb damit, du bist immerhin an allem Schuld“, grinste Jake und fügte hinzu: „Ok, bin soweit.“

„Bist du dir sicher? Du kannst immer noch zurückgehen und ihnen sagen: Ich hätte dir den Kopf verdreht oder so was“, fragte Isaak mental.

„Du hast mir auch den Kopf verdreht. Ich bin mir aber sicher. Ich will bei dir bleiben“, erwiderte der andere und war sich sicher bei dieser Aussage.

Der Wolf seufzte und sie brachen durch das Unterholz, auf die Lichtung zum Haus der Cullens.

Dort wurden sie bereits vom ganzen Zirkel erwartet. Sie hatten den Wolf gehört und standen nun kampfbereit vor dem Haus. Isaak bremste und sah sie herausfordernd an. Dann erhob sich Jake und schaute über den Wolfskopf zu ihnen herunter. „Hi.“

„Jake“, bluffte Edward und deutete mit einem zitternden Finger auf den Wolf. „Und wer ist das?“

„Isaak, wer denn sonst?“, sagte der Beta und verdrehte die Augen. „Er hat nichts mehr zum Anziehen und wir hatten eh vor euch zu besuchen.“

„Warum hast du ihm nicht was von dir gegeben?“, frotzelte Rosalie geringschätzig. „Oder kannst du dir keine Kleidung mehr leisten.“

„Das stimmt so in etwa“, gestand Jake und zuckte mit den Schultern. „Bin mittel- und obdachlos.“

Das war zu viel und die Vampire starrten ihn entgeistert an.

Jake sprang von Isaaks Rücken und ging um ihn herum. Da schnupperte der Wolf und rieb sich mit den Pfoten die Nase. „Bor stinken die“, sagte der Wächter mental.

Alle Augen sahen dem großen Wolf bei dieser Tätigkeit zu.

Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht klärte der Beta die anderen auf: „Er ist betört von eurem Ode-Vampir. Die Wolfssinne sind neu für ihn.“

Als Rache für dieses Kommentar baute sich Isaak zu voller Größe auf und schnaubte dem anderen in den Nacken. Dabei zerwuschelte er ihm die Haare.

„Lass das“, gluckste Jake und versuchte seine Frisur zu retten.

In der Zwischenzeit war Bella zu ihnen gerannt. Edward hatte sie im Haus gelassen, damit sie in Sicherheit war. Sie sah den beiden zu und grinste. Ihre Worte hatten also doch geholfen. Edward beugte sich zu ihr und wiederholte die Worte des Wolfsjungen.

Sie zuckte zusammen und fragte: „Jake, was ist passiert?“

Er sah auf und erkannte seine beste Freundin. Diese sah die verräterischen Spuren in seinem Gesicht und wusste, dass er nicht so fröhlich war, wie er sich gab. „Hi Bella. Wollte mal wieder zu Besuch kommen.“

„Jake!“

„Wir kommen gerade von einer Versammlung der Ältesten. Dad hat mich verstoßen. Er meinte ich bin nicht mehr sein Sohn, sondern ein abartiges Monster“, gestand Jacob und seine Fröhlichkeit perlte von ihm ab.

Erneut starrten ihn alle an.

„Also habt ihr jetzt ne Hose für Isaak oder muss ich erst betteln?“, versuchte Jake die entstandene Stille zu übergehen.

Abermals war es Rosalie, die schneller als alle anderen antwortete: „Wir sind doch kein Wohltätigkeitsverein. Geh und kauf ihm eine Hose oder ist dieser große mächtige Wächter auch mittellos?“

„Er hat kein Geld dabei. Auf einen solchen Fall war er nicht vorbereitet. Normalerweise materealisiert er seine Kleidung mit Magie. Zurzeit ist er aber geschwächt und will seine Kräfte schonen“, antwortete Jake anstelle des anderen.

„Ich sehe schon, hier sind wir auch nicht mehr willkommen“, sagte der Wolfsjunge und ließ die Schultern hängen. Leise fügte er, zu Isaak gewandt, an: „Komm, lass uns gehen.“

„Wartet“, mischte sich nun Carlisle ein. „Versteht uns bitte nicht falsch. Wir würden euch gerne helfen, aber wir haben uns noch nicht entschieden, ob wir bereit sind, mit euch zu kämpfen. Was ist mit dem Rudel? Oder hat Sam dir auch den Rücken gekehrt?“

Traurig seufzte der Beta und zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht. Unserer Verbindung ist noch nicht wieder da und wir sind so schnell verschwunden.“

Esme rannte plötzlich ins Haus und kam mit einer Hose und einem T-Shirt in den Armen zurück. Als sie ihre vorherige Position erreicht hatte, wechselte sie in Menschengeschwindigkeit und kam lächelnd auf die zwei zu. „Rosalie spricht nicht für uns alle.“

Der rote Wolf verwandelte sich und griff an Jake vorbei nach der Kleidung. Krampfhaft sah der Beta geradeaus und alle verstanden auf einmal. Es war nicht Isaaks Scham, welche ihn in Wolfsgestalt hielt, sondern die von Jake.

Angezogen trat der Wächter um den anderen herum und verbeugte sich: „Ich danke dir, Esme.“

Dann sah er ihr in die Augen und fragte: „Eine Bitte habe ich noch, dann sind wir auch schon weg und werden euch nicht mehr belästigen: Darf ich kurz einen eurer Computer benutzen?“

Erneut zögerten die Vampire. Diesmal war es Bella, der der Kragen platzte: „Was ist denn los mit euch allen?“

„Bella, versteh doch. Die Situation hat sich geändert. Isaak und Jacob zu helfen ist eine Bedrohung für unsere ganze Familie“, erklärte Edward angespannt.

„Jake ist mein bester Freund. Ich werde ihm helfen“, bestimmte die junge Dame.

„Nein, das wirst du nicht. Es ist zu gefährlich“, hielt ihr Freund dagegen.

„Ihr Vampire könnt euch vielleicht raushalten, aber Bella nicht. Sie ist am Sichersten, wenn sie in meiner Nähe ist. Andernfalls wird der Magier versuchen Jake hervorzulocken indem er Bella angreift“, stellte Isaak fest.

„Das Spiel könnte der Magier aber auch mit Bella und ihrem Vater oder ihrer Mutter spielen. Wer garantiert, dass diese in Sicherheit sind?“, schlussfolgerte Edward.

Plötzlich zuckte Alice zusammen und zischte. Alle sahen zu ihr und Edward las ihre Gedanken. Er erbleichte und stammelte: „Nein, das werde ich nicht zulassen.“

Jasper trat von hinten an die Seherin heran und fragte: „Was hast du gesehen?“

„Die Volturi. Sie greifen uns an. Sie werden uns alle zerstören“, sagte Alice tonlos.

„Warum? Was wollen sie?“, fragte Carlisle.

„Sie wollen Alice und Edward. Sie wollen eure Fähigkeiten. Sie planen euch zu vernichten, um die beiden ihren Wachen hinzufügen“, offenbarte Isaak und wandte sich an Jake. „Die Würfel sind gefallen. Sie werden uns abweisen, komm, lass uns gehen.“

„Moment, was verschweigst du uns?“, knurrte Jake ihn an.

Der Wächter ließ den Kopf hängen und fragte tonlos: „Seitdem sich unserer Wege kreuzten hast du keine Visionen mehr gehabt, oder?“

Entsetzt gestand Alice: „Ja, das stimmt. Ich konnte nichts mehr sehen. Woher weißt du das?“

„Meine bloße Anwesenheit wirft das Schicksal aller aus der Bahn. Solange ich in die Geschehnisse der Zukunft verwickelt bin, ist eine exakte Vorhersage nicht möglich. Zu viele Möglichkeiten. Zu viel Variabilität. Ich kann die Zukunft exakt bestimmen, solange ich kein Teil davon bin, und ich kann vorhersehen, welche Änderungen von Nöten sind, um die Zukunft in eine bestimmte Bahn zu lenken.

Ein geflüstertes Wort zur rechten Zeit. Ein Windhauch der einen Zettel bewegt. Kleinigkeiten eben, die durch mein Eingreifen entstehen. So lenken die Wächter die Geschickte des Schicksals und sorgen dafür, dass die Dinge geschehen, die geschehen sollen.“

Er drehte sich um und sah Alice direkt in die Augen: „Da du eine Vision hattest, bin ich kein Teil mehr von eurer Zukunft. Ihr werdet uns abweisen und unsere Wege werden sich nicht mehr kreuzen.“

Dann lächelte er gequält und offenbarte: „Ich kenne eure Zukunft. Ich habe sie gesehen. Alle möglichen Wege führen zu demselben Ergebnis. Ohne Jake ist euer Schicksal besiegelt und der Tod binnen zwei Jahren gewiss. Wann genau, hängt von euren Entscheidungen ab. Die Volturi werden kommen und das wird das Ende eures gesamten Zirkels, inklusive Bellas, sein.“

Der Wächter schaute in den Himmel und sagte: „Fakt ist, solange ich in die Ereignisse verwickelt bin, ist nichts gewiss. Mein Tod ist aber auch Jakes Tod. Jakes Tod hingegen ist euer Tod. Das sind unumstößlichen Fakten. Jake war und ist immer noch das Bindeglied eurer Zukunft.

Ich stecke schon viel zu tief drin. Alles hat sich anders entwickelt als es sein sollte. Alice, du hast gesehen was geschehen wird, ohne Jake. Doch auch mit ihm ist eure Zukunft ungewiss. Er hat sich an mich gebunden und kann sein Schicksal nicht erfüllen. Das ist einer der Gründe warum wir Wächter stets im Schatten wandeln. Jeder Eingriff von mir hat ungeahnte Konsequenzen.“

Schicksal

Alle starrten ihn sprachlos an. Dann knurrte Jake: „Was soll das heißen, ich bin das Bindeglied? Was hat das alles mit mir zu tun?“

Traurig senkte Isaak den Blick: „Das darf ich nicht offenbaren. Wenn ich es dir sage, ändere ich somit die Zukunft. Dinge, die geschehen sollen, werden nicht geschehen. Bella und Edward werden mir nie verzeihen, wenn ich diesen Weg zerstöre. Jake, ich flehe dich an, vertrau mir und frag nicht weiter nach.“

Nun mischte sich Bella ein und fragte: „Was werden wir die nicht verzeihen? Von was redest du?“

„Bella, das gilt auch für dich. Ich sagte es dir bereits. Meine Gunst wird dir auf deinem Weg helfen, auch, wenn du die Zusammenhänge nicht verstehst. Frage nicht weiter. Es würde dir leidtun, das schwöre ich dir.“

Jake schnappte sich Isaaks Kragen und funkelte ihn wütend an. „Ich will es wissen.“

„Bitte versteh doch. Das darf ich nicht. Was geschehen wird ist zu wichtig. Es wird die Welt verändern. Ohne dieses Ereignis steht die Welt am Abgrund. Bitte, zwing mich nicht mich zwischen dir und meiner Bestimmung zu entscheiden.“
 

Das half nichts. Jake rastete aus und griff mental nach Isaaks Geist. Er drang in seinen Kopf ein und wollte sich die Antwort selbst holen. Die erste Barriere zerschmetterte er, ohne darüber nachzudenken. Dann spürte er plötzlich die Angst des Wächters. Er hatte es schon wieder getan. Verunsichert hielt er inne. Das durfte er ihm nicht noch einmal antun.

Er hörte auf, ließ mental die Schultern hängen und blieb wo er war. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.“

„Jake. Bitte. Geh“, flehte Isaak, der sich in seinem Geist versteckte aus Furcht, was der andere ihm antun könnte.

„Ich kann nicht. Gibt es denn keinen Mittelweg? Kannst du es mir nicht zeigen, ohne die Zukunft zu gefährden? Habe ich kein Recht zu erfahren, was der Magier mir weggenommen hat? Ich gebe dir keine Schuld, aber ich muss es einfach wissen“, flehte der Wolfsjunge und trat einen Schritt zurück. Er würde nicht noch einmal versuchen sich Informationen mit Gewalt zu beschaffen.

„Du wirst mich dafür hassen“, prophezeite Isaak.

„Du bist nicht schuld. Es war der menschliche Magier, nicht du“, sagte der Beta und zog sich langsam zurück.

„Warte“, hauchte Isaak und erzitterte. „Versteh doch Jake ich mag dich. Ich will dich nicht verlieren, aber du hast Recht. Ich bin eigennützig. Das ist nicht fair dir gegenüber. Es ist dein Schicksal, nicht das meine.“

Dann tauchte der Wächter vor dem anderen auf. Er materialisierte sich aus einer Nebelwolke und sah Jake an. „Ich werde es dir zeigen, wenn du es willst, aber du musst mir versprechen, bis zum Ende hierzubleiben. Lass es mich erklären. Dann liegt das Schicksal in deinen Händen. Nicht mehr in den meinen. Ist es das, was du willst?“

„Isaak, bitte. Ich muss es wissen. Ich verspreche dir alles anzusehen“, flehte Jake erneut.

„So sei es“, sagte Isaak und die Welt, um sie herum änderte sich. „Ich zeige dir dein Schicksal, so wie es gewesen wäre, wenn wir uns nie getroffen hätten.“

Jake sah sich selbst im Wald umherrennen. Er wusste, dass er kurz davor war, auf Isaak zu treffen. Dieses verhängnisvolle Treffen. Dieses Mal aber, da rannte der Wolf weiter. Er hielt nicht an und ging an dem Wächter vorbei. Wie bei einem Film, bei dem man vorspulte, beschleunigte sich das Gesehene.

Er sah, wie er Bella auflauerte, nachdem sie zurückkehrte, mit Edward an ihrer Seite. Sie stritten über ihre Entscheidung und Jake wandte sich ab.

Der Beta rannte tagelang durch den Wald und hielt nur noch mittels seines Rudels Kontakt mit Bella. Er distanzierte sich von ihr. Dann kamen sich Bella und er wieder näher. Er küsste sie. Sie brach sich die Hand, als sie ihm eine Ohrfeige gab.

Jake schmunzelte. Manche Dinge änderten sich wohl nie. Die Situation war eine andere, aber das Resultat dasselbe.

Es kam zum Streit und Bella offenbarte, dass sie ein Vampir werden wollte. Nach dem Abschlussball. Jake war damit nicht einverstanden und versuchte alles um sie davon abzuhalten.

„Was soll das denn? Davon wusste ich nichts?“, stammelte Jake wütend und sah zu Isaak.

„So hätte es sein sollen. Sieh hin und begreife“, sagte der Wächter und beide sahen wieder zu den Ereignissen.

Beim Abschlussball im Haus der Cullens erfuhren alle von der Neugeborenenarmee. Bella schob ihre Verwandlung auf und gemeinsam mit dem Rudel besiegten sie die Armee auch in dieser Realität. Diesmal aber war es die baldige Hochzeit von Bella und Edward, welchen ihn die Kontrolle verlieren ließ. Erneut küsste er Bella und stürzte sich in den Kampf.

Alles was er sah war so vertraut und doch anders.

Auch diesmal wurde Jake verletzt, überlebte aber ohne Isaaks Eingreifen. Carlisle kümmere sich um ihn. Dann zogen viele Tage vorbei.

Jake wusste das sie den Punkt der Gegenwart erreicht hatten.

Er bekam eine Einladung zur Hochzeit und sein Herz brach. Als Wolf zog er lange umher und ließ alles hinter sich zurück. Dann tauchte er bei der Hochzeit auf und es kam erneut zum Streit. Bella wollte, dass Edward sie verwandelte. Dieser stellte die Bedingung, dass sie erst heirateten. Bella hingegen wollte vor der Verwandlung mit Edward schlafen.

Jake sah sich selbst toben. Dann wandte er sich von den Bildern ab. Er war wütend und wollte sich in der Realität auf Edward stürzen.

„Du hast es versprochen“, mahnte Isaak, hielt ihn aber nicht auf. Jake mahlte mit den Zähnen und drehte sich um. Mit verschränkten Armen sah er sich an, was dann passierte.

Bella und Edward fuhren am selben Abend in die Flitterwochen und Jake blieb aufgelöst zurück. Nach einer Weile ging er zu den Cullens, um diesen eine Kampfansage zu machen und traf auf Bella. Sie war kein Vampir. Sie war schwanger. Schwanger von Edward. Sie sah aus wie der Tod.

Jake riss die Augen auf und wollte erneut in die Realität zurückkehren.

„Jake, sieh hin“, sagte Isaak und hielt ihn diesmal auf. „Du musst es verstehen.“

Vor Wut zitternd sah der Beta wieder hin.

Jake tobte und rannte weg. Sam entschied Bella, mitsamt dem Kind, zu töten und Jake musste sich entscheiden. Er verließ das Rudel, Seth und Leah folgten ihm. Gemeinsam mit den Cullens kümmerte sich Jake um Bella, wärmte sie und half wo es ging.

Dann kam der Tag der Entbindung. Der Hybrid brach Bella das Rückgrat und Edward musste mit seinen Zähnen das Kind aus ihrem Bauch holen. Bella starb. Edward versuchte alles um sie zu retten. Jake sagte: „Ich werde dich nicht töten, das wäre eine Gnade, du sollst leben mit dem Wissen, dass du sie getötet hast.“ Dann wandte sich der Wolfsjunge ab und wollte das Kind töten. Aber er konnte es nicht. In dem Moment, in dem sich ihre Augen trafen, wurde Jake auf das Kind geprägt.

„Willst du mich verarschen?“, stammelte Jake entsetzt. „Das soll mein Schicksal sein?“

„Sieh hin, das ist noch nicht das Ende.“

Aufgrund von Jakes Prägung ließ das Rudel von den Cullens ab. Ab diesem Zeitpunkt war der Beta immer an der Seite des Kindes, das er liebevoll Nessi nannte. Durch Edward Anstrengungen setzte bei Bella die Verwandlung doch noch ein und sie wurde zum Vampir. Die Ereignisse beschleunigten und die Volturi griffen an. Durch Jakes Prägung auf Renesmee stellte sich das ganze Rudel auf die Seite der Cullens und zog mit in den Kampf. Zudem riefen die Cullens all ihre Freunde hinzu. Die Volturi zogen ab und Jake konnte mit Renesmee glücklich werden.

„Jetzt weißt du es“, sagte Isaak mit brüchiger Stimme. „Das war deine Bestimmung, und ich habe sie dir genommen.“ Tränen liefen ihm über die Wangen.

Jake war einen Augenblick sprachlos er musste erst das alles verarbeiten.

„Jetzt hasst du mich. Ich kann es dir nicht verdenken“, schluchzte der Rotblonde aufgelöst.

„Nein“, sagte der Beta und schlang die Arme um den anderen. Er konnte ihn so nicht sehen. Er musste ihn einfach trösten. „Es war nicht deine Schuld.“

Jake seufzte schwer und sagte: „Ich weiß nicht, wie es zwischen uns weitergeht, aber ich werde mich nicht von dir abwenden. Ich habe mich entschieden diesen Weg zu gehen. Gib mir einfach ein wenig Zeit, ok?“

Unfähig zu sprechen erwiderte Isaak die Umarmung und nickte.

„Du wusstest das alles und konntest es niemanden sagen? Ich habe keine Ahnung, wie du damit klarkommst. Ich kann dich nun jedenfalls besser verstehen. Du magst mich, weißt aber, dass es so nicht sein sollte. Das muss sehr schwer für dich gewesen sein.“

„Ist es immer noch“, gestand der Wächter schwach.

„Ok. Aber was jetzt? Wie sollen wir das wieder hinbiegen?“, fragte Jake und wusste nicht weiter.

„Ich kann einiges geraderücken. Wenn der menschliche Magier besiegt ist, kann ich die Zukunft in die richtigen Bahnen lenken. Renesmee muss geboren werden und sie muss leben. Sie wird die Welt verändern.“

„Was meinst du damit?“

„Bitte Jake, nicht jetzt. Ich kann es dir nicht so einfach zeigen. Diese Angelegenheit ist zu komplex. Sie ist ein wichtiges Zahnrad im Uhrwerk der Zeit, glaube mir.“

„Ich glaube dir. Und was machen wir jetzt?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Ich kann nicht mehr. Es wird mir alles zu viel“, erneut begann er zu schluchzen.

„Sch… Beruhige dich. Ich bin ja auch noch da. Gemeinsam schaffen wir das“, sprach Jake ihm Mut zu und streichelte ihm beruhigend den Rücken. Interessiert fragte er: „Wie viel Zeit ist in der Realität vergangen?“

„Etwa eine Minute. In dieser Gedankenwelt läuft die Zeit schneller“, sagte Isaak. Er wollte keine Geheimnisse mehr vor Jake haben.

„Gut, brauchst du noch eine Weile, oder können wir zurück in die Realität?“

Isaak straffte sich und sie ließen voneinander ab. „Ich bin soweit.“
 

Dann kehrten sie in das Hier und Jetzt zurück. Alle Augen waren auf die beiden gerichtet. Leise murmelten die Vampire und fragten sich, was die beiden da trieben. Jake ließ Isaaks Kragen los und zur Überraschung aller griff er nach seiner Hand. Er verschränkte ihre Finger und gemeinsam stellten sie sich gegen die Welt.

Jake sah auf und fixierte Edward. Nachdenklich betrachtete er den Vampir.

„Pass auf, du darfst auf keinen Fall Renesmee erwähnen, oder auch nur Andeutungen in diese Richtung machen. Sonst wird sie nie geboren werden“, mahnte Isaak mental.

„Die Hochzeit und Bellas Verwandlung darf ich ansprechen? Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das bereits geplant und würde nicht zu sehr eingreifen, oder?“, fragte Jake ebenfalls mental.

„Ja, das kannst du, auch wenn ich Bella versprochen habe, es dir nicht zu sagen“, gab Isaak zu und ließ den Kopf hängen.

Jake grinste fies und begann: „Edward, ich kann dich immer noch nicht leiden. Das wird sich wohl nie ändern, aber, um Bellas Willen, gebe ich euch meinen Segen.“

Die beiden Verliebten rissen die Augen auf und starrten den Wolfsjungen entsetzt an. Jacob aber war noch nicht fertig und fügte hinzu: „Erwarte aber nicht, dass ich bei deinem Junggesellenabschied mitmache.“

Er wandte sich Bella zu und sagte: „Als Entschuldigung, dass du mir das verschwiegen hast, erwarte ich, dass ich den mir gebührenden Platz als dein Trauzeuge einnehmen werde.“

Schadenfroh grinste er seine beste Freundin an. Ihr Gesichtsausdruck war einfach göttlich.

Bella ging einen Schritt vor und sah wütend zu Isaak: „Du hast es ihm erzählt?“

„Wenn du wem die Schuld geben willst, dann mir. Ich habe nicht lockergelassen, bis er mir mein Schicksal gezeigt hat. Da sind deine Hochzeit und Verwandlung eben auch Thema gewesen.“

Kreideweiß stammelte Bella: „Davon weißt du auch, und bist damit einverstanden?“

„Nein“, sagte Jake und wurde ernst. „Aber, ich kann es verstehen. Es ist dein Weg, nicht der meine.“ Dann grinste er verschmitzt und setzte nach: „Ich muss aber gestehen: Wow, als Vampir siehst du einfach spitze aus.“

Das war zu viel und sie sackte zusammen. Nur dank Edwards schnellem Eingreifen konnte sie sich auf den Beinen halten.

Isaak schüttelte den Kopf, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Du bist echt unmöglich. Was kommt als Nächstes? Ein Kompliment für ihr Kleid?“

„Seit wann habe ich Ahnung von Mode?“, gab Jake gespielt entrüstet zurück.

Edward ließ sich aber nicht so einfach täuschen und hakte nach: „Das ist aber nicht das, was Isaak vor uns verborgen hält. Was ist da noch? Was dürfen wir nicht wissen?“

Jake wurde ernst und ahmte Isaaks ominöse Art nach: „Das würdet ihr mir nie verzeihen. Ich habe alles gesehen. Glaubt mir, das darf ich nicht sagen, oder es wird nicht geschehen.“

Bei diesen Worten entgleisten auch Edward die Gesichtszüge.

„Gut gebrüllt, Löwe“, sagte Isaak und begann ein mentales Gespräch.

„Ich bin ein Wolf, kein Löwe“, knurrte Jake zurück.

„Das stimmt. Wölfchen“, gluckste der Wächter erheitert.

„Füchslein“, gab der andere zurück.

„Hey, ich bin nun auch ein Wolf“, meinte der Rotblonde tadelnd.

Jake grinste fies und offenbarte: „Ja, aber du siehst aus wie ein Fuchs. Zudem sagt man Füchsen doch nach listig und schlau zu sein. Ich finde das passt. Also gewöhn dich dran. Den Spitznamen hast du jetzt weg.“

Die beiden taxierten sich einen Augenblick und brachen in schallendes Gelächter aus.

„Was gibt’s denn da zu lachen, Hund?“, schnauzte Rosalie. Isaak verschwand und tauchte hinter der Vampirin auf. Er tippte ihr auf die Schulter und sagte: „Buh.“

Sofort stoben die Vampire auseinander und nahmen Kampfhaltung ein.

Der Wächter grinste heimtückisch und verkündete: „Wie ich schon zum Ältestenrat sagte, lasst Jake in Ruhe, wenn euch euer Leben lieb ist.“ Dann lachte er und fügte hinzu: „Aber, keine Angst, ich werde dich nicht gleich auseinandernehmen. Bei der nächsten abfälligen Bemerkung ruiniere ich nur deine Frisur.“

Entsetzt griff sich die Vampirin in die Haare und stammelte: „Das wagst du nicht.“

Isaak grinste sie unschuldig an und Jake sagte: „Das meint er todernst. Ich kann sehen, was er mit deinen Haaren anstellen wird. Ich würde mich an deiner Stelle ein wenig zügeln, Blondie.“

Das Grinsen auf dem Gesicht des Wächters gefror: „Wenn du damit anfängst mische ich mich nicht ein.“

Jake schaute betreten zur Seite. Dann fiel sein Blick auf seine leere Hand. Augenblicklich war Isaaks Hand wieder da und drückte sanft zu.

Der Wächter räusperte sich und wurde wieder ernst: „Darf ich jetzt mal kurz an einen von euren PCs?“

Die Vampire entspannten sich und Carlisle sagte nachdenklich: „Die Situation hat sich nicht geändert. Dir zu helfen stellt eine Gefahr für meine Familie da.“

„Ihm nicht zu helfen ebenso“, wies Alice auf ihre Vision hin.

„Vorschlag zur Güte. Wenn ihr uns helft den menschlichen Magier zu töten, werde ich mich im Gegenzug um die Volturi kümmern“, sagte Isaak.

„Darfst du das überhaupt?“, fragte Jake mental, mit einer Spur von Besorgnis in der Stimme.

„Naja, eigentlich nicht, aber die Volturi entwickeln sich immer mehr zu einer globalen Bedrohung und sie stellen eine Gefahr für Renesmee dar. In dem Fall kann ich eine Ausnahme machen“, versicherte der andere ebenfalls mental.

Die Vampire starrten den Wächter an. Da meinte Jasper: „Die Volturi sind viel zu stark. Du kannst dich nicht mit denen anlegen.“

„Bitte? Du unterschätzt mich und meine Fähigkeiten gewaltig. Macht euch da keine Gedanken. Solange der menschliche Magier seine Finger nicht im Spiel hat, stellen ein paar Vampire kein Problem für mich dar.“

„Ihre Kräfte? Jane und Alec?“, warf Emmet in die Runde.

„Ich bin gegen alle Vampirkräfte des Geistes immun, ähnlich wie Bella. Im Gegensatz zu ihr ist meine Abwehr aber aus dem starken Willen, der mir innewohnt, geboren. Ich lasse mich nicht so einfach beeinflussen. Alle anderen Kräfte kann ich mit Magie negieren oder reflektieren.

Diese vier Vampire vorgestern wurden von dem menschlichen Magier verstärkt und meine Energie war fast erschöpft. Ansonsten hätten sie mir nichts anhaben können. Schade, dass ihr nicht gesehen habt, wie ich mit den acht anderen gespielt habe. Das war amüsant.“

Isaak und Jake warfen sich einen Blick zu und grinsten beide bei dem Gedanken an diese Szene.

Die Vampire warfen sich gegenseitig Blicke zu und Carlisle fragte: „Wie seht ihr das?“

Als erster meldete sich Edward und sagte: „Ich tue alles, um Bellas Sicherheit zu gewährleisten. Wenn die Volturi eine Gefahr für sie darstellen, dann bin ich bereit Isaak zu helfen.“

Bella nickte und gab damit ihre Meinung ab. Emmet fand, dass es Spaß machen könnte und war dafür. Rosalie dagegen. Ihre Meinung nach war das ein abgekartetes Spiel. Jasper und Alice stimmten dafür. Esme wollte auch helfen und hoffte auf das Beste. Am Ende war auch Carlisle bereit zu helfen, solange sie versuchen würden, die Angelegenheit zuerst friedlich zu lösen. Er wollte einen Kampf mit den Volturi möglichst vermeiden.

Anschließend gingen alle ins Haus und Isaak bekam Edwards Laptop in die Hände gedrückt.

Die Kristallmatrix der Wächter

Mit dem Laptop zog sich der Wächter an den Esstisch zurück und fuhr diesen hoch. Währenddessen schnappte sich Bella Jake und beide ließen sich aufs Sofa fallen. Dort wurde der Gestaltwandler ausgequetscht. Die junge Dame wollte alles erfahren, was seit ihrem letzten Telefonat geschehen war. Zwischenzeitlich versuchte sie aber auch Jake weitere Informationen über die Zukunft zu entlocken, biss aber auf Granit. Der Wolfsjunge hütete sich auch nur eine Andeutung zu machen.

Nach einigen Minuten, in denen Isaak auf der Tastatur einige Dinge eingegeben hatte, lehnte er sich zurück. Edward war in der Nähe und beobachtete den Wächter. Dieser hatte den Internetbrowser geöffnet und eine seltsame Adresse eingegeben. Der Bildschirm war schwarz und nur ein Eingabefeld war zu sehen wie zu DOS-Zeiten.

„Wächter Isaak erbittet Stimmauthentifizierung“, sagte er Rotblonde und alle sahen zu dem Mann.

Rosalie, die in einer Ecke stand sagte: „Da weiß er angeblich so viel und hat keine Ahnung von Technik.“

Isaak grinste sie an und wartete. Dann gab es ein seltsames Geräusch. Alle Vampire zuckten zusammen und hielten sich die Ohren zu. Ein Laut ertönte, ähnlich dem eines Faxsignals, nur so schrill, dass menschliche Ohren es nicht hören konnten.

Gelassen sagte Isaak, als das Signal abgeklungen war: „Delta7omega 41.“

„Was zum Teufel war das? War das Absicht?“, fauchte die Goldblonde aggressiv.

Dann kam eine Art Gong aus den Boxen des Laptops und der Wächter befahl: „Verbindung mit KI herstellen.“

Isaak wurde angestarrt, als hätte er komplett den Verstand verloren.

Dann plötzlich erklang eine männliche melodische Stimme: „Stimmauthentifizierung abgeschlossen, Passwort korrekt. Guten Tag, Wächter. Vollzugriff gewährt.“

Der Bildschirm des Laptops begann zu leuchten und eine blaue Kugel, bestehend aus einzelnen Kristallen, trat hervor. Sie schwebte leicht nach oben und blieb vor dem Wächter in der Luft hängen. Die Kristalle standen nicht still und verschoben sich stetig.

Dann sprach die Kugel: „Wie kann ich Euch zu Diensten sein, Wächter Isaak? Möchten Sie die Lektüre ihrer Chronik fortsetzen?“

Stirnrunzelnd starrte Isaak die Kugel an: „Warum sollte ich meine eigene Chronik lesen? Ich weiß, was ich getan habe.“

„Verzeiht, Wächter. Möchten Sie stattdessen mit der Lektüre der Quileute fortfahren?“

Jetzt war der Rotblonde baff und fragte irritiert: „Das habe ich selbst geschrieben. Warum schlägst du mir das vor?“

„Bei ihrem letzten Zugriff haben Sie diese Abschriften zu sehen verlangt. Es steht mir nicht zu Ihre Entscheidungen in Frage zu stellen, werter Wächter.“

Isaak riss die Augen auf und fragte: „Wann war mein letzter Zugriff?“

„Vor einer Stunde und einundzwanzig Minuten“, gab die Kugel Auskunft.

Isaak erbleichte, richtete sich kerzengrade auf und befahl hastig: „Alle Zugriffe seit Zeitindex 28.12.1999 anzeigen.

Die Kugel klappte auseinander und bildete einen etwa ein Meter mal einen halben Meter breiten Bildschirm. Dann erschienen Zeilen in einer seltsamen Runenschrift.

Entsetzt starrte der Wächter auf die Zeilen und sacke in sich zusammen. Sofort stand Jake auf. Durch ihre Verbindung spürte er das Gefühlschaos des anderen. Er ging langsam auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Isaak, was ist los? Du siehst aus als ob du ein Gespenst gesehen hättest.“

Bevor der Wächter etwas sagen konnte, vermeldete der Kristallbildschirm: „Wächter Isaak, Sie sind nicht allein. Weitergabe von Wissen aus der Bibliothek der Wächter an Sterbliche ist untersagt. Dies stellt einen Verstoß gegen Paragraf 7 des Kodex dar. Ich muss sie darauf hinweisen, dass ihr Index bereits eine bedenkliche Farbe hat.“

Isaak beachtete das Gebrabbel der Kristallmatrix nicht und sah zu Jake auf. Dann deutete er mit zittrigem Finger auf den Bildschirm und sagte stotternd: „Das war ich nicht.“

Der Wolfsjunge runzelte die Stirn und sah zu den Runen. Er konnte nichts davon entziffern.

„Warte kurz“, sagte der Rotblonde und atmete kurz durch. „KI, zeige die Daten in englischer Schrift an.“

„Weitergabe von Informationen…“ begann die KI.

Wütend fauchte Isaak: „Das war ein Befehl. Tu was ich sage.“

„Jawohl, Wächter.“

Die Runen verschwanden und wurden durch lesbare Schrift ersetzt. Auf dem Bildschirm erschienen unzählige Abschnitte, beschriftet mit Datum und Uhrzeit. Isaak zeigte auf die erste Zeile 29.12.1999 4:50: „Da habe ich den Fernzugriff getestet. Hier habe ich eine Abfrage zu Legenden in der Umgebung gestartet.“ Er deutete auf die die zweite Zeile: 02.06.2000 19:27.

„Hier habe ich meinen Bericht über die Quileute hochgeladen“, er zeigte auf ein recht aktuelles Datum, das nur knapp einen Monat zurück zurücklag. Diese Zeile stand recht am Ende, aber es gab noch viele weitere. „Die anderen Einträge sind nicht von mir, außer“ er zeigte auf den letzten Eintrag.

„Verstehe ich Sie recht, werter Wächter? Sie haben lediglich vier dieser Zugriffe selbst getätigt?“, fragte die KI auf einmal.

„Ja“, gestand Isaak neben sich stehend. Dann schüttelte er den Kopf und befahl: „Zeig mir alle Titel die abgerufen wurde, seitdem ich die Zitadelle verlassen habe.“

Die Zeilen verschwanden und der Bildschirm wurde größer. Er reichte nun bis knapp unter die Decke und füllte fast den ganzen Raum aus. Dann erschienen die gewünschten Informationen.

Ungläubig stand Isaak auf und begann sich alles anzusehen. Seine Augen wurden immer größer und er wurde so bleich, dass er als Vampir durchgehen konnte. „Das darf doch wohl nicht wahr sein.“

Plötzlich zog sich der Bildschirm zusammen und wurde wieder zur Kugel. Ungehalten knurrte der Rotblonde: „Was soll das? Zeig mir sofort wieder die Liste.“

„Nein“, sagte die KI.

„Bitte was.“

„Nein. Ich werde Euch keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen.“

„Soll das ein Scherz sein?“

„Ich wurde nicht auf Humor programmiert“, gab die KI Auskunft.

„Warum verweigerst du meine Befehle?“, regte sich der Wächter auf.

„Weil Ihr zu einer Gefahr geworden seid. Ihr habt zum wiederholten Male eure Aufgaben vernachlässigt und Informationen an Sterbliche weitergegeben.“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich habe begonnen Eure Chronik zu lesen. Einige eurer Entscheidungen sind sehr fragwürdig. Ich zitiere:

„Vorschlag zur Güte: Wenn ihr uns helft den menschlichen Magier zu töten, werde ich mich im Gegenzug um die Volturi kümmern“, sagte Isaak.

„Darfst du das überhaupt?“, fragte Jake mental, mit einer Spur von Besorgnis in der Stimme.

„Naja, eigentlich nicht, aber die Volturi entwickeln sich immer mehr zu einer globalen Bedrohung und sie stellen eine Gefahr für…“

„STOPP“, schrie Isaak entsetzt und die KI verstummte, bevor sie den Namen verraten konnte. „Das darfst du nicht. Du darfst die Chroniken des aktuellen Wächters nicht lesen. Das ist ein Verstoß gegen deine Programmierung.“

„Da habt Ihr Recht. Die Chroniken des aktuellen Wächters darf ich nicht verarbeiten.“

„Warum tust es dann?“, fragte Isaak, der am Verzweifeln war.

„Weil Ihr nicht mehr der aktuelle Wächter seid. Ihr wurdet als Gefahr eingestuft.“

„Du wagst es mir das einfach so ins Gesicht zu sagen? Was soll das alles?“, entrüstete sich der Rotblonde.

„Ich halte Euch hin.“

Isaak zweifelte langsam an seinem Verstand und fragte tonlos: „Wie bitte?“

„Euer Magiestand ist zu niedrig, um eine Teleportation auszuführen. Zudem beschäftige ich Euch, damit ihr keine Daten in meine Matrix eingeben könnt, während ich Notfallplan Omega 7 ausführe.“

„Abbruch. Sofortiger ABBRUCH“, schrie Isaak entsetzt und sprang auf die Kugel zu.

„Zugriff verweigert. Verbindung wird getrennt.“

Bevor Isaak die blaue Kristallkugel erreichen konnte, verschwand diese einfach. Sofort setzte er sich an den Tisch und begann in rasender Geschwindigkeit Codezeilen einzugeben. Dann verschwand das Eingabefenster und „Error 404 Page not found“ wurde angezeigt.

Rasend vor Wut zerschlug Isaak den Laptop und gleich den ganzen Tisch mit einem Schlag. Dann sackte er kraftlos zu Boden und starrte ins Leere. Er schien einen Schock zu haben.

Jake beugte sich runter und fragte vorsichtig: „Isaak alles ok.“

„Sie ist weg.“

„Wer ist weg?“

Mechanisch sah der Wächter auf und stammelte: „Die Bibliothek. Die ganze Zitadelle. Weg. Einfach weg.“

Der Beta ging in die Hocke und schlang die Arme um den Wächter. Leise frage er dabei: „Ich verstehe nicht?“

Isaak schluckte und seine Augen zucken umher. „Notfallplan Omega 7. Korrumpierter Wächter. Abriegelung der Zitadelle und Verschiebung in eine andere Dimension.“

Dann sackte Isaaks Kopf auf Jakes Schulter und sein Körper wurde schlaff. Entsetzt drückte sich der Gestaltwandler von dem anderen weg und schaute in dessen starre Augen. Gedanklich griff er dessen Geist und sah, dass Isaak meditierte. Das war wohl zu viel für ihn gewesen. Er zog sich zurück und stand auf.

Ohne aufzusehen fragte er: „Habt ihr ein Bett, in das ich ihn legen kann? Er braucht wohl ein wenig, um sich zu fangen.“

„Nicht nötig“, sagte Isaak mit schwacher Stimme und ließ sich von Jake hochhelfen. „Das mit dem Laptop und dem Tisch tut mir leid. Ich habe kurz die Kontrolle verloren.“

„Was hat das alles zu bedeuten?“, fauchte Edward, der schützend vor Bella stand.

Der Wächter seufzte du sagte: „Einfach ausgedrückt: Wir sind am Arsch. Aber sowas von.“

Diese Aussage wurde mit ungläubigen Blicken beantwortet.

„Setzt dich erstmal ok, du siehts echt nicht gut aus“, meinte Jake und führte den anderen zum Sofa. „Esme, darf ich dich um ein Glas Wasser bitten?“, fragte der Gestaltwandler, der sich offensichtlich große Sorgen machte.

„Natürlich“, sagte die Angesprochene und wandte sich von dem zerstörten Tisch ab. Rasch ging sie in die Küche und kam mit dem Gewünschten zurück. Sie gab es Jake. Isaak wirkte nämlich nicht so, als ob er in der Lage gewesen wäre, das Glas selbst zu halten.

„Trink einen Schluck“, sagte Jacob fast schon liebevoll und hielt dem anderen das Glas an den Mund. Ohne Wiederworte nahm dieser einen Schluck und sah dann dankbar auf. Als Jake das Glas wegstellen wollte, griff Isaak nach seinem Arm und sah ihn flehend an. Die Botschaft war eindeutig: Lass mich nicht allein.

Ergeben sah der Wolfsjunge auf und hielt Esme das Glas hin. Diese nahm es an sich und Jake kletterte hinter Isaak auf das Sofa und setze sich so, dass der andere zwischen seinen Beinen war. Anschließend nahm er ihn von hinten in die Arme und legte ihm den Kopf auf die Schulter. Isaak griff nach seinen Armen und druckte kurz zu, während er mit seinem Kopf gegen Jakes schmuste. Der Wächter war eiskalt. Er hatte wohl wirklich einen Schock erlitten. Die anderen sahen nur stumm zu. Die Vertrautheit der zwei Männer erstaunte sie.

Einige Minuten vergingen und der Rotblonde bekam langsam wieder Farbe im Gesicht. Dann räusperte er sich, um zu zeigen, dass es ihm wieder besser ging. Jake rührte sich trotzdem nicht und blieb wo er war. Er hatte sich entschieden und jetzt würde er keinen Rückzieher machen.

Isaak warf ihm einen musternden Blick aus den Augenwinkeln zu, und machte sich bereit, die ersten Fragen zu beantworten.

„Schieß los.“

„War das wirklich eine KI?“, fragte sogleich Emmet.

Isaak grinste schief. „Ja und nein. Es ist ein Insider, wenn man so will. Ursprünglich hieß er kristalline Datenverarbeitungsmatrix kurz KDVM, aber, die Abkürzung hat mich schon lange gestört. Als die Menschen dann anfingen von einer künstlichen Intelligenz, kurz KI, zu sprechen, habe ich mir erlaubt ihn auch in KI umbenennen. Allerdings steht das KI bei ihm für kristalline Intelligenz.“

Nun war es Bella, die fragte: „Für wen stellen die Volturi eine Gefahr da? Welchen Namen wollte die KI sagen?“

„Nächste Frage“, sagte Isaak langsam und freundlich, aber auch so deutlich, dass sie nicht mehr nachbohrte.

„Wer hat auf das System zugegriffen und warum?“, warf Jasper ein.

„Ich vermute der menschliche Magier. Und das heißt, dass er alles weiß. Was ich getan habe, wie mein Gesundheitszustand aussieht, von Jakes und meiner Verbindung - einfach alles was ich gesehen, gehört, gefühlt, gerochen, gesagt und gedacht habe.

Ich weiß zwar nicht, wie er das hinbekommen hat, aber mit Zugriff auf die KI konnte er meine Chronik lesen, da steht alles drin. Warum ist eine gute Frage. Wahrscheinlich, um mich aus dem Weg zu räumen.“

„Und du hast dich von deiner eigenen KI verarschen lassen?“, spottete Rosalie.

Jake begann zu knurren, aber Isaak antworte, ohne eine Spur von Verärgerung: „Einfach ausgedrückt ja. Die KI ist nicht nur eine Datenbank. Sie ist auch gleichsam der Verwalter der gesamten Zitadelle und hat eine Kontrollfunktion gegenüber dem aktuellen Wächter. Die KI ist in ihrer Entwicklung beschränkt und muss dem Wächter dienen. Es sei denn, dieser wird zu einer Bedrohung.

Da es aber zu gefährlich wäre, wenn die KI die Chroniken des aktuellen Wächters liest, ist es ihr verboten, dieses Wissen zu verarbeiten. Als Kontrollinstanz dient eine zweite KI, die sogenannte Index-KI. Diese hat nur eine Aufgabe - sie liest die Chroniken des aktuellen Wächters und achtet auf Verstöße gegen den Kodex der Wächter. Damit errechnete diese einen Index, welcher in Farben angegeben wird.

Bei Grün ist alles ok. Bei Rot wird der Wächter aus dem System ausgeschlossen und der Zugang der Chroniken der Haupt-KI zur Verfügung gestellt. Diese leitet dann Schritte ein, um den Wächter aufzuhalten.

Daher der Notfallplan Omega 7. Die KI schneidet damit dem Wächter den Zugang zur Zitadelle ab und versetzt diese in eine andere Dimension. Sollte der Wächter sterben, kehrt die Zitadelle zurück und wartet bis der nächste Erwählte sie betritt.“

„Wie kann eine KI ein Gebäude in eine andere Dimension verschieben?“, fragte Edward interessiert.

„Ihr dürft nicht eure Technik und menschliche Wissenschaft als Maßstab heranziehen. Die Wächter sind schon viel weiter in der Technologie als ihr euch vorstellen könnt. Wobei ich sagen muss, dass unsere Technik einzig dem Zwecke dient, dem Wächter bei seiner Aufgabe zu helfen.

Wir haben aus den Fehlern in der Vergangenheit gelernt. Die ersten Wächter lebten zur Zeit der Dinosaurier. Damals waren sie keine Humanoiden. Sie waren eigentlich nicht mehr als intelligentere Tiere. Nachdem dann ein Asteroid die Dinosaurier ausgelöscht hat, opferte sich der damalige Wächter, als erster in unserer Geschichte, damit das nicht das Ende allen Lebens bedeutete.

Dann erschienen die Vorfahren der Menschen mit einem opponierbaren Daumen. Das hat einen Entwicklungssprung bei den Wächtern ausgelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten keine Informationen weitergegeben werden. Mit dem opponierbaren Daumen begannen die Wächter eine eigene Sprache zu entwickeln und Informationen weiterzugeben. Damit wurde auch der wissenschaftliche Wandel eingeläutet. Wir sahen nicht mehr einfach zu den Sternen auf, wir studierten auch ihre Bewegungen und achteten auf weitere Asteroiden, welche eine Gefahr darstellten.

Natürlich, auch wir machten Fehler und hatten Misserfolge, aber mit jeder weiteren Generation vergrößerten wir unser Wissen. Die Kristallmatrix zum Beispiel wurde vor rund 50.000 Jahren entwickelt. Es dauerte aber mehrere Jahrtausende, bis sie ihre endgültige Form annahm.

Die gesamte Zitadelle verbraucht eine Unmenge an Energie. Zu der Zeit, als die Ägypter die Pyramiden bauten, war unser Energieverbrauch bereits so astronomisch hoch, dass wir Sonden zur Sonne schickten, um dort direkt Energie abzuziehen. Zurzeit befinden sich neun Energiesonden im Inneren der Sonne und liefern genug Kraft, damit wir eine dimensionale Verschiebung durchführen können.

In einigen Jahren muss ich wohl eine weitere Sonde zur Sonne schicken. Das Problem besteht darin, es so unauffällig zu machen, dass keiner etwas mitbekommt. Bei den ganzen Satelliten und Trümmern im Orbit, ist es gar nicht so leicht, ungesehen eine Sonde zu starten.“

Alle starrten mit offenen Mündern den Wächter an. Dieser verblüffte sie immer wieder mit seinem Wissen.

Jake fragte nun: „Du kannst also ein Raumschiff bauen?“

„Die Wächter haben das Wissen und die Technik dafür, aber warum sollte ich? Meine Aufgabe ist es das Leben auf diesem Planeten zu bewahren. Um ehrlich zu sein, wir haben sogar ein kleines Raumschiff. Das Ding steht in der Zitadelle und staubt vor sich hin. Es wurde für den Fall konstruiert, dass ein Asteroid die Erde bedroht. Wurde aber nie benutzt; wir haben bessere Methoden entwickelt. Ich sage nur Quantenverschränkung“, bei diesem Wort grinste Isaak wohlwissend, dass ihm keiner Folgen konnte.

„Könnt ihr euch auch teleportieren?“, stelle Jake auch gleich die Folgefrage.

„Ja, in unseren Außenposten. Diese sind mittels Teleportationsnetzwerken miteinander verbunden. Diese Art der Fortbewegung nutzen wir eher selten. Somit ist es eigentlich mehr eine Spielerei, als wirklich etwas nützliches. Wir schauen Jahrzehnte in die Zukunft. Da kommt es eher selten vor, dass wir mal schnell von einem Ort zum anderen müssen. Außerdem haben wir auch noch die Magie. Damit können wir uns auch teleportieren.

Versteht mich richtig. Wir sind weit in der Technologie, aber wir haben schon vor langem herausgefunden, dass Technologie meist unnütz ist. Zudem muss man sie immer verstecken und absichern. Nicht auszudenken was geschieht, wenn ein Mensch, oder schlimmer, ein menschlicher Magier unsere Technologie in die Finger bekommt.

Aus diesem Grund gibt es nur eine Handvoll Außenposten auf dem ganzen Planeten. Alles andere befindet sich in der Zitadelle. Die letzten 20.000 Jahre haben wir aufgehört uns im Bereich der Technologie weiter zu entwickeln. Wir haben alles was wir brauchen.

Ohne die Zitadelle bleibt mir eigentlich nur noch die Magie.“

„Gibt es kein Backupsystem, für einen solchen Fall?“, frage Alice.

„Doch das gibt es. Für den Fall, dass die KI außer Kontrolle gerät, kann ich sie abschalten und manuell die Kontrolle über die Technologie übernehmen. Das wird aber nicht einfach werden. Ich müsste alle Außenposten reaktivieren, dann die Energiesonden umleiten und eine dimensionale Verschiebung erzeugen. Damit kann ich dann in die Zitadelle eindringen und dort die KI manuell abschalten.

Ich bin aber im Moment viel zu schwach, um mich gegen die internen Vermeidungssysteme der Zitadelle zur Wehr zu setzen. Zudem habe ich vor rund zweitausend Jahren alle Außenposten abgeschaltet und versiegelt. Ich benötige erst den Notfallschlüssel.“

„Wo ist dieser Schlüssel?“, fragte Carlisle.

„Der Schlüssel ist in New York. Bei meinem Broker.“

„Du hast einen Broker?“, stieß Jasper erstaunt hervor.

„Ja. Vor einigen Jahren war mir langweilig und ich habe mich mit der Böse beschäftigt. Nach ein paar Misserfolgen hatte ich den Dreh raus. Immer richtig zu tippen wurde schnell langweilig, also habe ich all meine Aktien einem Broker in die Hand gedrückt und ihm Anweisungen für die nächsten Jahre hinterlassen. Für mich war das nur ein Spiel zum Zeitvertreib.“

„Ist er ein Mensch?“, fragte Jake angefressen.

„Ja.“

„Weiß er wer und was du bist?“

„Ja und nein. Er weiß nur, dass ich Isaak heiße und einen seltsamen Nachnamen habe, Wächter.“

„Und dem hast du einen so wertvollen Gegenstand anvertraut?“

„Naja, das ist eine längere Geschichte“, meinte der Rotblonde ausweichend.

„Hattet ihr ein Verhältnis?“, wollte Jake wissen und versteifte sich. Allein diese Vorstellung ließ seinen Puls hochschnellen.

„Nein. So war das nicht. Seitdem ich zum Wächter wurde, hatte ich nie das Bedürfnis nach so etwas verspürt. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, als Wächter bin ich Jungfrau. Vor allem nachdem ich meinen Körper restrukturiert habe“, versicherte Isaak, der die angespannten Muskeln des anderen war genommen hatte.

Jake entspannte sich sofort. Diese Mitteilung gefiel ihm. „Und warum hast du ihm dann den Schlüssel gegeben?“

„Wir haben uns ein paar Mal getroffen und alles durchgesprochen, da habe ich beiläufig erwähnt, dass ich einen sicheren Ort suche. Er hat mich dann überredet den Gegenstand, er wusste nicht worum es sich handelte, in einer großen Bank zu deponieren. Nun, ich habe ihm auch den Schlüssel zu meinem Schließfach gegeben. Diese kleinen Dinger verliert man so schnell. Zudem sollte er nach meinen Anweisungen Artefakte erwerben“, versucht er sich zu rechtfertigen.

„Artefakte?“, fragte Bella irritiert.

„Ja, Artefakte der Zeit. Ich habe es mir zum Hobby gemacht historisch wertvolle Dinge zu sammeln. Bei meinem nächsten Besuch bei ihm wollte ich dann alles in die Zitadelle bringen, um es sicher aufzubewahren.“

„Also echt mal. In manchen Dingen bist du total weltfremd. Wir sollten da so schnell wie möglich hin und nach diesem Broker suchen“, meinte Jake und schüttelte den Kopf.

„Das wird eine weite Strecke zu Fuß“, sagte Isaak.

„Jap. Geht wohl nicht anderes“, gab Jake resigniert zurück.

Aufbruch

„Edward und ich kommen auch mit. Ihr müsst nicht laufen. Wir fahren bis nach Seattle und dann fliegen wir einfach nach New York. Da wollte ich immer schon mal hin“, meinte Bella begeistert.

„Und wo sollen wir die Kohle dafür hernehmen?“, warf Jake ein und rollte mit den Augen. „Bella, ich habe nur das, was ich am Körper trage. Ich kann mir keine zwei Flugtickets leisten. Unser Wächter hier weiß nicht mal was Geld ist.“

„Eine Währung zum Bezahlen von Gütern oder Dienstleistungen. Ich vermisse den Tauschhandel“, sagte Isaak und erntete ungläubige Blicke dafür.

„Ja, das stimmt. Weißt du jetzt was ich meine?“, sagte Jake und schüttelte grinsend den Kopf.

Isaak hatte das Gefühl etwas nicht mitbekommen zu haben, aber er zuckte mit den Schultern und sagte: „Wenn ich keine Lust darauf hatte zu laufen, bin ich schon des Öfteren mit einem Flugzeug geflogen.“

Erstaunt fragte Jake: „Ich dachte du hast kein Geld?“

„Ich bin als blindere Passagier im Laderaum mitgeflogen. Ist recht einfach. Man muss nur darauf achten, dass man nicht entdeckt wird.“

„Im Laderaum gibt es keine Lebenserhaltung. Wie hast du das überlebt?“, wollte Edward wissen.

„Magie“, gab Isaak ernst zurück. „Ich benötige weder Sauerstoff noch Wärme. Alles was ich zum Leben benötige kann ich mit Magie erzeugen. Jedenfalls, wenn ich genug davon habe.“

„Wir reisen nicht im Laderaum“, motzte Bella los. „Was das Geld betrifft - da habe ich ein wenig zur Seite gelegt. Für die Holzklasse müsste es reichen.“

„Bella“, begann Edward sanft. „Ich werde nicht zulassen, dass du deinen Notgroschen opferst. Außerdem werden wir sie nicht begleiten. Das ist zu gefährlich für dich.“

„Das stimmt nicht ganz“, meinte Isaak stirnrunzelnd. „Solange der menschliche Magier mich im Visier hat, ist Bella in meiner Gegenwart am Sichersten. Zudem wird es für ihn schwerer sein zu handeln, wenn wir in Bewegung sind.“

„Da hörst du es. Ich glaube Isaak“, sagte die junge Dame in einem Ton, mit dem die Angelegenheit für sie klar auf der Hand lag.

„Bella, am Sichersten bist du bei uns. Nichts für ungut Isaak, aber ich glaube dir nicht, dass du so stark bist, wie du dich gibst“, entrüstete sich ihr Freund.

Jake verengte die Augen und blaffte: „Als ob.“

Beschwichtigend legte Isaak ihm die Hand auf den Unterarm. Sie wechselten einen Blick und der Wolfsjunge schnaubte. „Wie sagt Isaak so gerne? Vorschlag zur Güte: Wenn ich dir meine Erinnerungen an den Kampf mit den Vampiren zeige, wirst du dann aufhören an Isaaks Kräften zu zweifeln?“

„Kommt darauf an, was ich zu sehen bekomme. Ich bezweifle, dass es so abgelaufen ist, wie Seth es uns geschildert hat“, meinte Edward überheblich.

„Gut, dann sieh dir das mal an“, grinste Jake und öffnete sich für die Gedankenlesekräfte des Vampirs. Dann ging er in seinem Kopf jede Einzelheit des Kampfes durch und visualisierte alles vor seinem inneren Auge.

Edwards Miene änderte sich von überheblich, zu überrascht und schließlich entsetzt. Er sah blass aus und starrte die beiden Männer vor sich ungläubig an.

„So, jetzt hast du gesehen was los war“, stichelte Jake überheblich und verschloss sich schnell wieder.

„Ist das wahr? Ist das wirklich so geschehen?“, stammelte Edward mit brüchiger Stimme.

„Nicht so ganz“, gestand Isaak und sah im Augenwinkel zu dem Beta. „Jake hat da ein wenig übertrieben. Seine Sicht der Dinge ist wohl ein wenig verzerrt. Der magische Bereich war nicht so groß, wie er es sich das vorgestellt hat. Er war um einige Quadratmeter kleiner.“

Bei diesen Worten gluckste der Gestaltwandler auf. „Wie konnte ich nur? Du hast Recht, die Größe des Bereichs ändert alles.“

„Hm…“, entwich es dem Wächter und er versuchte festzustellen was Jake meinte. Gedanklich sprachen sie sich kurz aus. Isaak wollte keine Missverständnisse zwischen ihnen haben.

Edward achtete nicht auf die beiden und wandte sich an seinen Vater: „Carlisle, nach dem was ich gerade gesehen habe, bin ich überzeugt, dass Bella in Isaaks Nähe sichererer ist als bei uns. Wir werden die beiden auf ihrer Reise begleiten.“

„Ich verstehe“, sagte der Arzt und fragte sich, was sein Sohn denn zu sehen bekommen hatte. „Ich werde gleich mal die Flugtickest reservieren.“

„Warte“, warf Rosalie überraschend ein. „Was wird aus uns? Schön das Bella sicher ist, aber was sollen wir machen, wenn dieser Fatzke uns ins Visier nimmt?“

„Sobald sich unsere Wege trennen, ist Alices Sicht nicht mehr vernebelt. Sie kann euch rechtzeitig warnen“, meinte Isaak nachdenklich. „Das Problem mit den fehlenden finanziellen Mitteln bleibt trotz allem bestehen. Ich schulde euch schon einen Laptop und einen Tisch. Ich kann nicht gestatten, dass ihr euer hart verdientes Geld für meinen Transport ausgebt. Das ist gegen mein Gewissen.“

„Dann sieh es als Geschenk“, meinte Edward. Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt.

„Aber…“, begann Isaak, wurde aber von Jake unterbrochen: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Glaub mir die, Cullens haben genug Kohle. Bei denen fällt das bestimmt nicht ins Gewicht, wenn sie ein paar Flugtickets rauslassen.“

„Wenn du meinst“, murmelte Isaak kleinlaut und bedankte sich artig für die Hilfe.

Bella strahlte über das ganze Gesicht. „Ein Roadtrip mit meinem Freund und meinem besten Freund. Ein Traum geht in Erfüllung. New York, wir kommen.“

„Wann sollen wir losfahren?“, fragte Jake und grinste die junge Dame breit an. Auch er war begeistert.

„Am besten, so schnell wie möglich“, gab Isaak zu bedenken. „Je eher wir uns auf den Weg machen, desto besser für alle. Wir sollten dem Magier keine Zeit geben einen weiteren Angriff auszuführen.“

Bella sprang auf du sagte hibbelig: „Ich muss noch schnell packen und Charlie Bescheid geben.“

„Einen Moment“, warf Alice plötzlich ein und schaute entsetzt zu Bella. „Was ist mit der Hochzeit? Ich habe schon angefangen zu planen. Wenn ihr jetzt einfach verschwindet, wirft das meinen Zeitplan völlig durcheinander.“

„Wenn wir nicht bummeln, sollten wir alles in einer, höchstens in zwei Wochen erledigt bekommen“, meinte Isaak nachdenklich. „Falls der Magier dann noch lebt, wird die Feier sowieso ausfallen müssen. Das wäre sonst ein gefundenes Fressen für ihn.“

Erleichtert atmeten beide Frauen aus. Alice schnappte sich Bella und hob sie wie ein Baby in die Arme: „Ok, dann aber jetzt schnell. Edward, mach doch schon mal den Wagen bereit. Bella und ich packen und besprechen noch ein paar Details der Hochzeit.“ Sie hob drohend einen Finger und mahnte: „Nicht lauschen.“

Dann rannte sie mitsamt der zukünftigen Braut davon. Auch die anderen Vampire setzten sich in Bewegung. Während Carlisle in seinem Büro verschwand, um sich um den Flug zu kümmern, schoss Emmet in die Garage. Edward holte ein wenig Geld und packte ein paar Dinge ein. Esme stürmte in die Küche und bereitete Lunchpakete vor. Jasper folgte Alice und wachte über beide. Nur Rosalie blieb einfach stehen und warf den beiden Männern auf dem Sofa wütende Blicke zu.

Es dauerte keine halbe Stunde bis alles bereit war für den Aufbruch. Emmet hatte den Jeep generalüberholt und dieser stand nun blitzblank gewachst, mit getönten Scheiben, vor dem Haus.

Jake zog Isaak ohne Umschweife auf die Rückbank. Dann winkte er den anderen zu und beide verabschiedeten sich. Nachdem alles verstaut war, bretterte Edward los. Er konnte es nicht erwarten Bella wiederzusehen und gab Vollgas. Jeder Moment ohne seine Verlobte war ein verschwendeter Moment für ihn.

Vor Bellas Haus kam der Wagen schlitternd zum Stehen und die beiden Männer auf der Rückbank purzelten übereinander. Keiner der beiden war angeschnallt gewesen. Bevor die Reifen auch nur zum Stillstand kamen schoss auch schon Edward aus dem Fahrzeug und stürmte zu Bella, welche abfahrbereit vor dem Hause stand.

„Edward“, schimpfte sie und sah sich schnell um. Zum Glück hatte niemand etwas mitbekommen. Auch Charlie nicht. Dieser kam gerade aus dem Haus und sah irritiert auf den Wagen und den Freund seiner Tochter. „Wo kommst du auf einmal her? Eben warst du noch nicht da“, fragte der ältere Mann irritiert.

Dann schüttelte er den Kopf und drängte sich zwischen das Liebespaar. Umsichtig machte Edward Platz und achtete darauf ihn nicht zu berühren. Seine kalte Haut würde ihn noch mehr verunsichern.

„So, du hast also entschlossen meine Tochter zu entführen? Schon wieder!“, begann Charlie und verschränkte die Arme.

„Dad“, sagte Bella beschämt.

„Lass mich kurz mit ihm reden Schatz. Ok. Also Bella sagte mir ihr, macht einen Roadtrip für zwei Wochen. Ich bin mir nicht sicher ob mir das gefällt. Ihr beide allein.“

„Hi, Charlie. Keine Sorge, ich bin auch mit dabei. Ich passe schon auf, dass Edward sich benimmt“, warf Jake dazwischen. Dieser lugte über die geöffnete Tür hinweg. Die Scheiben waren zu stark getönt, als dass man ins Innere hätte sehen können.

„Ah, Jake, du bist auch mit dabei?“, fragte Charlie irritiert. Dann erschien ein erleichtertes Grinsen in seinem Gesicht. „Also ihr drei?“

„Nö. Ich nehme noch einen Freund mit. Wir sind dann zu viert“, grinste Jake zurück. Mental sagte er aber zu Isaak: „Zeig dich besser nicht, das bringt ihn nur durcheinander.“

„Ich biete mich als Anstandsdame an, wenn dich das beruhigt, Charlie“, setzte der Beta nach.

„Na gut“, kam es langsam von Bellas Vater. „Wenn ihr zu viert seid spricht wohl nichts dagegen.“ Dann, ganz der Vater, ermahnte er Edward: „Fahr vorsichtig. Ich kenne dein Auto und dein Nummernschild. Sollte Bella sich nicht einmal am Tag bei mir melden, schreibe ich dir zu Fahndung aus.“

„Dad“, entrüstete sich die junge Dame.

„Hey, Charlie reicht auch einmal die Woche? Wir werden wohl ein wenig abseits der Routen unterwegs sein, da gibt es nicht immer Empfang.“

„Aha.“ Die Augen des Sheriffs verengten sich leicht.

„Ach, du weißt schon. Das größte Wollknäuel der Welt besuchen. Eine Wanderung im Grand Canyon. Sowas eben. Vielleicht fahren wir auch bei Bellas Mutter vorbei und sagen mal hallo.“

„Ach so. Na, wenn das so ist. Dann einmal die Woche“, sagte Charlie und wandte sich an seine Tochter. „Grüß deine Mutter von mir, falls ihr bei ihr vorbeikommt. Hast du alles, Schatz?“

„Ja, Dad. Danke, Dad. Ich habe alles, Dad. Hast du die beiden jetzt genug verhört?“, frage Bella genervt und drückte ihren Vater zum Abschied kurz.

Als sie sich von ihm trennen wollte, hielt er sie fest du flüsterte ihr ins Ohr: „Ich habe dir einen Taser in die Handtasche getan, nur für alle Fälle.“

„Dad“, flüsterte sie ermahnend zurück. Bella wusste, dass die anderen alles gehört hatten. Das konnte sie allein an Edwards zuckenden Mundwinkeln und Jakes nicht verstecktem Grinsen erkennen.

„Fahrt vorsichtig“, rief der Sheriff ihnen hinterher, nachdem Edward Bella mit dem Gurt geholfen hatte und sie losfuhren.

Kaum, dass sie außer Sichtweite waren, gab der Vampir Gas und winkte Alice und Jasper zum Abschied, welche am Straßenrand standen.

„Jake du solltest dich auch anschnallen“, meinte Isaak und erntete einen bösen Blick für das Kommentar.

„Ich dachte, meine Haut sei nahezu unzerstörbar?“, blaffte der Wolfsjunge beleidigt zurück.

„Ja, aber deine Knochen und Muskeln sind es nicht. Ein stumpfes Trauma kann dich töten. Tu mir den Gefallen. Wenigstes bis deine Wolfskräfte zurück sind. Bis dahin bist du nicht sicher“, bat Isaak auf seine Ausführungen hin.

„Ja, jetzt weißt du, wie ich mich immer fühle, Jake“, stichelte Bella und grinste ihn breit an. Erbost vor sich hin brabbelnd, gab sich der Beta geschlagen und legte den Gurt an.

Die nächsten Stunden verliefen ohne weitere Probleme. Während Edward und Isaak stumm blieben, schwatzten Jake und Bella unaufhörlich miteinander. Mittlerweile war es weit nach Mitternacht. Alle, außer dem Vampir, dämmerten langsam weg und Jake begann zu schnarchen.

Schnell prüfte Edward ob es Bella gut ging und deckte sie leicht zu. Für sie hatte er immer eine Decke griffbereit. Sie brauchte immerhin Wärme, im Gegensatz zu ihm. Dann sah er zu den beiden auf der Rückbank. Sie hatten erneut die Hände verschränkt und schienen tief und fest zu schlafen. Zudem benutzte Jake die Schulter des anderen als Kissenersatz und sabberte ihn ein wenig an.

Edward seufzte und zwei wachsame blaue Augen sahen ihm kurz entgegen. Dann schlossen sich Isaak Lider erneut. Der Wächter war offenbar immer auf der Hut und schlief nicht so fest wie normale Menschen. Schnell sah er nach vorn und gab Vollgas. Da Bella schlief, würde sie nichts von seiner Raserei mitbekommen.

Kurz vor Sonnenaufgang erreichten sie den Flughafen in Seattle. Isaak war bereits wach und sah sich interessiert um. „Wir sollten uns beeilen - bevor die Sonne rauskommt“, flüsterte der Wächter leise und sah zu Edward. Dieser nickte und weckte Bella sanft, während sich Isaak um Jake kümmerte. Die beiden Menschen torkelten aus dem Wagen und streckten sich erstmal ausgiebig.

Einige Augenblicke später standen auch schon die anderen beiden bei ihnen, wobei Edward Bellas und sein Gepäck trug. Dann gingen sie gemeinsam über die menschenleere Straße und betraten den Flughafen. Edward kümmerte sich um alles. Die beiden restlichen Männer standen nur staunend da und sahen sich um. Jake war noch nie geflogen und Isaak war es nicht gewohnt, sich wie ein normaler Mensch durch das Gebäude zu bewegen. Alles war neu für sie.

Nachdem Edward ihre Tickets am Check-In-Schalter geholt hatte, gingen sie weiter zur Sicherheitskontrolle. Dort zog Jake Isaak beiseite. Mental fragte er: „Sag mal die Waffen in deinem Körper sind die aus Metall?“

„Kann man so sagen, wieso?“

Er deutete auf den Metalldetektor. Der Wächter schaute sich das piepende Gerät an und fragte: „Was soll mit dem Bogen sein?“

„Alter, das ist ein Metalldetektor. Der wird piepen, wegen der Waffen. Dann haben wir echt ein Problem.“

„Ach so. Keine Sorge, das bekomme ich hin“, sagte Isaak und beide setzten ihren Weg fort. Bella und Edward gingen, ohne zu zögern, durch den Scanner. Kurz hinter dem Bereich blieben sie stehen und warteten.

Als Nächstes kam Jake an die Reihe und das Gerät schlug Alarm. Sofort war ein Wachmann bei ihm und schnauzte ungehalten: „Ihre Kette, Sir. Bitte, legen Sie sämtlichen Schmuck ab, sowie alles Metall, das Sie am Körper tragen.“ Der Mann hielt ihm eine Box unter die Nase und schaute ihn gelangweilt an. Jake griff sich an die Brust. An den Anhänger hatte er gar nicht mehr gedacht. Schnell versuchte er den Verschluss der Kette zu lösen, schaffte es aber nicht.

Plötzlich war Isaak hinter ihm: „Warte, ich helfe dir.“ Jake ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken und senkte die Hände. Der Wachmann hingegen sah den Wächter böse an und fauchte. „Sir, treten sie bitte zurück. Einer nach dem anderen.“

„Oh, verzeihen Sie. Ich wollte ihm nur helfen“, sagte Isaak entschuldigend und ging mit gesenktem Kopf an dem Mann vorbei und weg von dem Detektor. Zuvor hatte er jedoch den Verschluss geöffnet und Jake legte demonstrativ sein Schmuckstück in die Box. Der Wachmann sah dem Rotblonden hinterher und schüttelte den Kopf, dann ließ er Jake nochmal durch den Scanner laufen. Diesmal gab es kein Signal. Schnell schnappte sich der Beta seine Kette und ging zu den anderen.

In seinem Kopf sang er ein altes Lied seines Stammes. Nur zur Vorsicht, damit der dem Vampir nicht ausversehen Informationen zukommen ließ. Isaak grinste ihn schelmisch an, nahm ihm die Kette ab, und legte sie ihm wieder um.

„Danke, deine Ablenkung kam wie gerufen“, flüsterte er ihm ins Ohr.

„Verratet ihr uns, um was es gerade ging?“, fragte Edward scharfsinnig.

Isaak nickt zu dem Wachmann, der sie misstrauisch beäugte und sie gingen weiter. Als sie vor fremden Ohren sicher waren, sagte der Wächter: „Bisher wollte ich nicht das du davon weißt, aber die Dinge haben sich geändert. Erinnerst du dich an die Waffen, die die Vampire gegen mich eingesetzt haben?“

„Ach, du meinst die Waffen, die Vampire töten können? Nein, an die erinnere ich mich kein Stück“, gab Edward zerknirscht zurück.

„Sie wurden nicht zerstört. Sie sind nun ein Teil von mir. Daher kam Jakes Ablenkung wie gerufen. So konnte ich den Metalldetektor überlisten, indem ich ihn so schnell passiert habe, dass er nicht ausschlagen konnte.“

Entsetzt fauchte Edward: „Du hast die Waffen in dir? Alle? Und damit läufst du rum?“

„Deinem Gesichtsausdruck entnehme ich mal, dass du an seltsame Dinge denkst. Ja, sie sind in mir, sie sind ein Teil von mir, aber nicht so, wie du es dir offenbar vorstellst. Sie befinden sich in einer Art Raumfalte in meinem Körper. Es ist schwer das in Worte zu fassen. In eurer Sprache gibt es keine Begriffe, die diesen Zustand treffend beschreiben könnten.“

„Seid leiser“, zischte Jake und fragte flüsternd: „Und was, wenn ich nicht die Aufmerksamkeit auf mich gezogen hätte? Was hättest du dann gemacht?“

„Ach, da gibt es so viele Möglichkeiten. Ich könnte das Gerät manipulieren, oder den Wachmann, um nur zwei Beispiele zu nennen. Mach dir keine Sorgen. Ich lasse mich nicht erwischen. Denk doch mal daran, wie ich dem Rudel ein ums andere Mal entkommen bin. Hier haben wir es außerdem nur mit einem normalen Menschen zu tun.“

„Auch wieder wahr“, brabbelte Jake und alle fragten sich, was der Wächter noch für Überraschungen auf Lager hatte.

Ihre Maschine war bereits da und sie mussten nur knapp eine halbe Stunde warten. Carlisle hatte ihre Fahrzeit gut getroffen. Als sie dann im halb gefüllten Flugzeug Platz nahmen, wurde es Jake mulmig. Er war noch nie geflogen. Isaak hingegen sah sich entspannt um und wunderte sich über den Komfort. Dabei gab es auf diesem Inlandflug nur die Holzklassen. Dennoch war wohl alles komfortabler als ein Laderaum.

Der Wolfsjunge fühlte sich sehr unwohl. Er war die Freiheit in den Wäldern rund um La Push gewöhnt. Hier saß er mit eingezogenen Beinen da, eingesperrt wie ein Hering. An seinem Körper gab es zwar kein Gramm Fett zu viel, aber er war immerhin 2,01 Meter groß und benötigte dementsprechend Platz. Er wusste einfach nicht wohin mit seinen Gliedmaßen. Seine Knie stießen gegen den Vordersitz, egal wie er sich positionierte, seine Schultern passten auch kaum auf diesen winzigen Sitzplatz und die Armlehnen beanspruchte er beide vollständig für sich allein. Es war einfach schrecklich.

Sie saßen je zu zweit hintereinander. Isaak und Jake vorn. Der Wolfsjunge am Fenster, hinter ihm Edward. Der Vampir hatte sofort das Fenster neben sich zugezogen und eine Decke umgelegt, als ob er frieren würde. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren nötig, damit keiner mitbekam, dass seine Haut in der Sonne glitzerte, wie unzählige Diamanten.

Bella war vorbereitet und zog Kaugummis aus ihrer Tasche, während Edward einem reflektierten Sonnenstrahl auswich. „Hier, Jake“, sie hielt ihm einen Silberstreifen unter die Nase. Irritiert nahm er ihn und sie bot auch Isaak einen an, dieser lehnte aber ab. Auf den fragenden Blick des Gestaltwandlers erklärte die junge Dame: „Kau den. Wegen dem Druckunterschied, du wirst es gleich merken.“

Er tat was sie sagte und das Flugzeug rollte langsam zur Startbahn. Dann kam die Sicherheitseinweisung. Bella und Edward kannten das bereits und hörten nicht wirklich hin. Jake hingegen verkrampfte sich und krallte sich an den Armlehnen fest. Sofort war Isaaks Hand auf seiner und löste den Klammergriff. Anstelle des Aluminiums, vergriff sich der Beta sofort an der Hand des anderen.

„Beruhige dich. Dir passiert nichts. Das verspreche ich dir“, flötete der Wächter ihm ins Ohr und zog den anderen in den Bann seiner blauen Augen. Jake verfiel diesem Anblick und bekam kaum noch etwas mit. Nur kurz, als sie abhoben, griff er nochmals fest zu. Isaak unterbrach keinen Moment lang den Blickkontakt, was den Wolfsjungen unheimlich beruhigte.

Dann spürte Jake, wie ihm seine Ohren zufielen, und er begann zu kauen. Das half, so wie Bella es gesagt hatte. Als sie dann endlich in der Luft waren und die Anschnallzeichen erloschen, entspannte Jake seine Muskeln und seufzte erleichtert auf. Den Start hatte er schonmal überlebt. Blieb nur noch die Landung, aber darüber wollte er lieber nicht nachdenken.

„Offenbar sind deine Kräfte zurück“, sagte Isaak so leise, dass ein normaler Mensch ihn nicht hätte hören können.

Dann deutete er auf Jakes andere Hand. Er sah dort hin und stellte fest, dass die Armlehne einen Abdruck in Form seiner Hand hatte. Schnell sah er zu seiner anderen Hand und ließ Isaaks los. „Habe ich dir weh getan?“, fragte er erschrocken und sah, wie der Wächter seine Hand kurz ausschüttelte.

„Nicht wirklich, aber du hast schon mehr Kraft als ein Mensch. Keine Sorge, das Gefühl in den Fingern kommt gleich zurück.“

„Tschuldigung“, nuschelte Jake schuldbewusst.

Isaak lächelte ihn an und sagte sanft: „Es gibt nichts zu entschuldigen. Krall dich besser an mir fest, bevor wir dem Bordpersonal erklären müssen, wie du das“, er deutete auf den Handabdruck, „angestellt hast.“

Edward, der alles mitbekommen hatte, beugte sich vor und legte schnell ein Magazin auf die Armlehne. Dann wandte er sich Bella zu und vertiefte sich mit ihr in ein Gespräch über ihre baldige Hochzeit.

Wenig später wuselte auch schon die Bordcrew umher und verteilte Getränke und kleine Snacks. Plötzlich zuckte Jacob zusammen, als er Sams Stimme in seinem Kopf hörte. Die Verbindung war wiederhergestellt. „Jake, wo zum Teufel bist du? Du kannst doch nicht so einen Auftritt hinlegen und dann einfach abhauen. Komm sofort zum Unterschlupf und bring Isaak mit.“

Der Beta sah zu dem Rotblonden und dieser nickte, um zu zeigen, dass er mithörte. „Sam, das geht nicht.“

„Keine Widerrede. Schwing deinen Arsch sofort hier her!“

„Das geht nicht, Sam. Wir sitzen in einem Flugzeug.“

„Wie bitte? Was hast du vor? Weglaufen ist keine Option.“

„Wir laufen nicht weg. Ich erkläre es dir, wenn du dich beruhigst.“

„Na, da bin ich aber mal gespannt.“

Jake seufzte und begann zu erzählen. Ungläubig hörte Sam zu.

„Eines ist sicher, mit euch beiden wird es nie langweilig. Die Ratsversammlung ist gerade mal einige Stunden her. Unglaublich. Seit Isaak aufgetaucht ist, steht die Welt Kopf. Kann er mich eigentlich auch hören?“

Sofort erklang Isaaks Stimme in der Verbindung des Rudels: „Ja, das kann ich. Seltsamerweise. Durch meine Verwandlung bin ich wohl irgendwie mit euch verknüpft worden. Keine Sorge, diese Verbindung ist schwach. Ich kann sie leicht blockieren und werde euch nicht belästigen. Ich habe schon einen Wolf, der mir im Kopf rumgeistert, auf weitere verzichte ich dankend.“

„Gut zu wissen. Dennoch müssen wir über euer inakzeptables Verhalten reden. Das könnt ihr nicht machen. Ihr werdet…“

„Ruhe!“, knurrte Isaak und Jake spürte die Kraft seiner Stimme. Sie war der Macht des Alphas ebenbürtig, wenn nicht sogar stärker. „Jetzt hörst du mir mal zu, Sam. Ich bin keiner von deinen Wölfen. Ich beuge mich deiner Autorität nicht. Wage es nicht noch einmal, so mit mir zu reden. Sprich gefälligst auf Augenhöhe mit mir, oder lass es bleiben.

Ich werde mich weder bevormunden noch beleidigen lassen. Richte das auch dem Ältestenrat aus. Ich habe das alles nur Jake zuliebe erduldet, aber jetzt reicht es allmählich. Ich bin ein Wächter und kein dahergelaufener Landstreicher, mit dem ihr machen könnt, was ihr wollt.“

Der Rotblonde schnaubte und ließ sich angefressen in den Sitz fallen. Jake sah in an und musste grinsen. Endlich zeigte Isaak mal die Zähne.

In der Verbindung herrschte Stille. Dann sagte Isaak versöhnlich: „Mein Verhalten war nicht inakzeptabel. Wenn meine Verwandlung als Drohgebärde aufgenommen wurde, dann entschuldige bitte. Das war nicht meine Absicht. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal, wie man sich in einen Wolf verwandelt. Nun, da ich das weiß, wird es nicht mehr vorkommen. Sag ihnen das, vielleicht glättet das die Wogen ein wenig.“

Sam erwiderte möglichst ruhig. „Ich werde es ihnen ausrichten. Wir müssen dennoch darüber reden wie es weiter gehen soll.“

„Hast du vor Jake aus dem Rudel zu werfen?“

„Nein.“

„Behalte das erstmal für dich. Der Magier hat meine Chronik gelesen. Für euch ist es am Sichersten, wenn ihr euch von Jake distanziert, bis ich diese Bedrohung beseitigt habe. Unsere Wege haben sich getrennt. Ihr könnt uns nicht helfen. Glaube mir, es ist besser so, für den Moment zumindest.“

„Ich glaube dir. Ich wünsche euch viel Glück. Jake, du sollst wissen, dass wir zu dir halten. Solltet ihr Hilfe brauchen, dann wird das Rudel euch zur Seite stehen“, sagte Sam mit Überzeugung.

„Danke Sam. Das bedeutet mir viel“, sagte Jake und seine Augen wurde feucht vor Erleichterung.

Der Alpha druckste ein wenig herum und begann dann zögerlich: „Da ist noch was, aber das wird dir nicht gefallen.“

„Dad“, schlussfolgerte Jake und versteifte sich. „Wie wütend ist er?“

„Billy hat deine Verbannung beantragt. Ich konnte eine Abstimmung mit meinem Vetorecht verhindern, aber das wird kein zweites Mal funktionieren. Er ist völlig außer sich. Er hat all deinen Sachen vor die Tür geworfen und dabei geschrien, dass er keinen Sohn hat. Wir haben alles eingesammelt und zum Unterschlupf gebracht.

Es tut mir leid, Jake. Das ist die aktuelle Lage.“

„Danke Sam“, stammelte der Beta und war erneut den Tränen nahe.

„Sam, sprich bitte mit ihm. Es ist meine Schuld. Ich habe Jake den Kopf verdreht, versuche ihn zu überzeugen, dass es nicht Jakes Schuld ist“, mischte sich Isaak niedergeschlagen ein.

„Nein“, sagte der Beta bestimmt. „Ich habe mich für diesen Weg entschieden. Wenn Dad das nicht akzeptieren kann, dann soll es so sein.“

„Wie du willst. Es ist deine Entscheidung. Ich werde dich auf dem Laufenden halten.“

„Wenn alles gut geht, sind wir in ein bis zwei Wochen wieder da.“

„Gut, dann bis in spätestens zwei Wochen. Hals und Beinbruch euch beiden.“

„Euch auch alles Gute“, sagten Jake und Isaak gemeinsam und beide verschlossen die Verbindung zum Rudel.

Jacob sah aus dem Fenster und stumm liefen ihm Tränen über das Gesicht. Noch während der Rotblonde überlegte, wie er dem anderen helfen konnte, streckte dieser bittend die Hand aus. Isaak ergriff diese und sie verschränkten die Finger.

Dann gaben sich beide stumm ihren eigenen Gedanken hin.

Die Nadel im Heuhaufen

Den größten Teil des Fluges verbrachten sie stillschweigend. Gegen Mittag brachte die Crew eine wenig bekömmliche Mahlzeit, in der Jake nur lustlos herumstocherte. Isaak und Bella hingegen aßen, auch wenn es nicht gerade ein Genuss war. Der Wächter fragte sogar Edward ob er auch dessen Portion haben konnte. Mit einem Schulterzucken gab dieser ihm das Essen. Am Ende verschlang er auch noch das, was Jake übriggelassen hatte. Der Rotblonde aß aber nicht aus Lust. Er brauchte die Energie der Mahlzeit, denn er hatte beim Durchblättern des Bordkataloges etwas Interessantes gefunden. Bella und Edward starrten sich nur kopfschüttelnd an. Dieser Mann war und bleibt ein ewiges Rätsel.

Als die Flugbegleiterin die Tabletts abräumte, hielt Isaak sie auf und fragte: „Dieses Armband, ist das noch zu haben?“ Er deutete auf eine Abbildung im Katalog.

„Selbstverständlich, der Herr“, flötete die Dame und klimperte liebreizend mit den Augen.

„Dürfte ich mir das einmal ansehen?“, fragte der Wächter zuckersüß und schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln.

Die Stewardess errötete und fächerte sich Luft zu, so gebannt war sie von diesem Passagier. „Natürlich“, fiepste sie einige Oktaven höher. Dann überschlug sie sich beinahe, um Isaak seinen Wunsch zu erfüllen. Den Wagen mit dem Geschirr ließ sie, vergessen, mitten im Gang stehen.

So schnell sie konnte, und darauf bedacht ihre weiblichen Vorzüge zu präsentieren, kehrte sie wenige Augenblicke später mit einer kleinen Schatulle zurück.

Der Wächter nahm diese und schaute nachdenklich auf die Armkette. Dann fuhr er mit einem Finger über die Oberfläche und sagte leise: „Ja, damit kann ich arbeiten.“ Er hob den Blick und lächelte sie strahlend an.

Die Frau verfloss fast bei dem Blick, den er ihr zuwarf.

Isaak sagte: „Ich würde die gerne erwerben.“

„Natürlich, der Herr“, quietschte die Frau und raffte sich etwas zusammen. „Wie möchten sie bezahlen? Bar oder mit Karte?“

„Er zahlt für mich“, grinste Isaak und deutete mit dem Daumen auf Edward.

Die Frau wandte sich diesem zu und errötete verlegen. Da war ja noch so ein bezaubernder Mann. Fast gänzlich in eine Decke gehüllt, aber mit einem so engelsgleichen, blassen Gesicht.

Der Vampir verengte kurz die Augen und starrte den Rotblonden vernichtend an. Hier konnte er keine Szene machen. Innerlich grummelnd, schenkte er der Stewardess ein bezauberndes Lächeln und fragte lieblich: „Wie viel?“

Die Stimme des blassen Mannes brachte ihren Körper zum Erbeben. „350 Dollar, bitte.“ Das bekam sie gerade noch so heraus. Edward ließ sich seinen Ärger nicht ansehen und bezahlte in bar. Das würde er dem anderen noch heimzahlen, nahm er sich fest vor.

Nachdem die Frau abkassiert hatte, blieb sie einfach stehen und starrte weiterhin den Vampir an. Bella verdrehte genervt die Augen und wandte sich an Edward: „Schatz, geht es dir besser?“

„Ein wenig, meine Liebe“, sagte der Blutsauger und wandte sich mit liebevollem Blick seiner Freundin zu.

Enttäuscht fixierte die Flugbegleiterin Isaak und ihr Blick wurde wieder erwartungsvoll.

Jake starrte die Frau wütend an und knurrte: „Er ist auch vergeben. Haben Sie nicht noch was zu tun?“

Zornig wurde der Gestaltwandler angeschaut, dann raffte sie sich zusammen und räumte weiter die Tische ab.

Isaak, der die ganze Zeit seine neue Errungenschaft begutachtet hatte, sah zu ihm auf. „Du klingst gereizt. Alles in Ordnung?“

„Ja, ihr Geschmachte ging mir nur auf den Zeiger“, fuhr Jacob ihn an. Eigentlich war es nicht ihr Verhalten, das ihn verärgerte, sondern das Geflirte von Isaak. Das würde er ihm natürlich nicht eingestehen. Es war ihm peinlich, dass es ihn so aufwühlte. Er hoffte nur, dass er seine Gedanken zügeln konnte.

Zu seiner Erleichterung gab sich der Wächter mit dieser Aussage zufrieden und wandte sich dem Schmuckstück zu. Dann nahm er es aus der Schachtel und verbarg es mit beiden Händen.

In dem Moment begriff Jake, was Isaak vorhatte, und seine Wut verrauchte. Dann drang er in dessen Geist ein. Er sah ihm gespannt dabei zu, wie dieser einige Zauber konstruierte und mit der Armkette verband. Aus Isaaks Gedanken erfuhr er auch den Zweck der Magie. Auch, wenn er immer noch nicht verstand, wie die Zauber erzeugt wurden, war es einfach faszinierend, deren Entstehung zu beobachten.

Nachdem der Wächter fertig war, nahm Jake ihm das Schmuckstück ab, steckte es wieder in die Schachtel und kniete sich auf seinen Sitz. Sofort machte sein Kopf Bekanntschaft mit der Decke. Kurz rieb er sich sein Haupt. Dann warf er dem irritierten Wächter einen Blick zu und fragte: „Bist du sicher, dass das klappt?“

„Selbstverständlich“, sagte dieser und nickte zur Bestätigung. Jake glaubte ihm. Von oben herab sah er auf Edward und dieser starrte verwirrt zurück. „Hier, das ersetzt die Kosten für den Laptop, den Tisch, die Flugtickets und die Armkette.“

Dann warf er dem Blutsauger die Schatulle in den Schoß. Der Vampir verzog das Gesicht und öffnete das Kästchen. Im inneren lag ein silbernes Armband mit eingearbeitetem Onyx. Ungläubig hob er es hoch und sagte sarkastisch: „Aber, Schatz, das wäre doch nicht nötig gewesen.“

Jake grinste höhnisch und stichelte: „Ich dachte, es würde deine Augen betonen. Die Edelsteine sind so schwarz wie deine Seele.“

Edward zischt nun wütend: „Was soll ich mit dem Ding? Erst lässt mich Isaak für das Teil blechen und dann schenkst du es mir?“

„Ja, zieh es an. Dann wirst du schon sehen.“

„Nein.“

Da griff Jake zu und legte dem widerspenstigen Vampir die Armkette an. Dieser konnte sich nicht wehren, ohne noch mehr Aufsehen zu erregen. Das halbe Flugzeug sah bereits zu ihnen.

Nachdem der Wolfsjunge fertig war, riss er Edward die Decke weg. Pansch griff der Vampir zu und die Decke zerriss. „Du dämlicher KÖTER“, schrie der Blutsauger und sah auf das, was der andere angerichtet hatte.

Jake war aber noch nicht fertig. Schneller als Edward sich erholen konnte, riss er die Klappe vom Fenster hoch und strahlendes Sonnenlicht fiel direkt auf den Vampir. „Ich dachte, du könntest etwas Sonne vertragen“, lachte Jake und sah zu dem versteinerten Blutsauger hinunter.

„JAKE“, schrie Bella und verdeckte Edwards Körper so gut es ging mit ihrem.

Edward starrte gebannt auf seine Hände. Das Sonnenlicht fiel direkt darauf, aber es wurde nicht reflektiert. Seine Haut war blass wie immer, aber sie glitzerte nicht.

Jake, der die Blicke aller Passagiere auf sich spürte, sah auf und sagte laut: „Tourette – Syndrom.“ Dabei deutete er mitleidig auf den Vampir. Einige rollten mit den Augen, andere schüttelten die Köpfe und alle wandten sich ab.

Dann sah der Beta wieder zu Edward und flüsterte grinsend: „Sag brav danke.“

Der Blutsauger sah mit offenem Mund auf und sein Blick fiel auf Isaak, welcher die Szene interessiert musterte. Nachdenklich fragte der Wächter: „War das wirklich nötig, Jake? Eine einfache Erklärung hätte es auch getan.“

Mit einem strahlenden Grinsen sah dieser zu ihm und sagte: „Ja, dieser Gesichtsausdruck war es allemal wert.“

Bella konnte es einfach nicht fassen und berührte die weiße sonnenbeschienene Haut. „Das ist doch unmöglich“, stammelte sie, gebannt von dem Anblick.

„Nein, ist es nicht“, offenbarte Isaak und erklärte leise: „Ich habe die Edelsteine verzaubert. Sie verhindern nun die Reflexion des Sonnenlichts auf Edwards Haut. Ich dachte mir, das wäre recht nützlich. So müssen wir unserer Aktivitäten nicht nur auf die Nacht beschränken. Wir sind auch nicht vom Wetter abhängig.“

„Ich dachte du wärst zu schwach, um Magie einzusetzen?“, stammelte der Vampir und rieb sich die Hände.

„Was glaubst du denn, warum ich diesen Fraß vorhin zu mir genommen habe? Ich musste ein wenig Kraft tanken. Es hat mich zwar mehr Magie gekostet, als dieses, ich bin mir nicht sicher, ob man das als wirklich als Essen bezeichnen kann, mir zurückgibt, aber so ist es wesentlich praktischer.“

„Danke“, sagte der Vampir tonlos und konnte es einfach nicht fassen.

„Na geht doch. Vielleicht bekommst du jetzt etwas Farbe“, stichelte Jake und ließ sich auf seinen ächzenden Sitz fallen.

„Ach, noch etwas“, begann Isaak und warnte: „Ich bin zu schwach für eine dauerhafte Verzauberung. Die Magie hält nur einen Monat. Dann muss ich sie erneuern. Mehr kann ich zurzeit nicht anbieten.“

„Einen Moment“, warf Jake ein und fixierte den Wächter. „Nimm es mir nicht übel, aber du bist echt eine Niete in Verhandlungen. Ich weiß was der Zauber dich gekostet hat. Ich war in deinem Kopf und habe es miterlebt. Dieses Geschenk“, er deutete mit dem Daumen hinter sich: „ist mehr als genug als Gegenwert für alles, was wir den Cullens schulden. Wenn du die Magie erneuern willst, dann führe ich die Verhandlungen, einverstanden?“

Isaak sah ihn etwas verwirrt an und sagte: „Aber so viel hat es mich doch gar nicht gekostet?“

Jake tätschelte ihm die Schulter und erwiderte: „Lass mich verhandeln. Sonst wirst du über den Tisch gezogen. Ich nehme mal an, für eine solche Kette würde dir Carlisle sein Haus anbieten. Du musst echt mal lernen was Angebot und Nachfrage ist.“

„Erklärst du es mir?“, bat der Wächter und sah ihn wissbegierig an.

Der Wolfsjunge wechselte auf die mentale Ebene und begann den anderen über einige Dinge aufzuklären.

Edward hielt sich aus dem Gespräch der beiden raus. Insgeheim musste er Jake aber Recht geben. Für so einen Schatz würden sie einiges springen lassen. Sogar ihr Haus, für eine dauerhafte Verzauberung eines solchen Schmuckstücks.

Es dauerte fast eine Stunde, bis sich der Vampir und seine Freundin von dem Schock erholt hatten. Das Flugzeug hatte mittlerweile mit dem Landeanflug begonnen und Jakes Flugangst kehrte mit aller Gewalt zurück. Diese drohte ihn zu überwältigen. Bevor er jedoch erneut Spuren auf der Einrichtung hinterlassen konnte, hielt ihm Isaak einen Arm hin. Ohne zu zögern krallte der Wolf sich schraubstockartig an diesem fest. Der Wächter versuchte erneut Jake mit seinen Augen in den Bann zu ziehen, hatte diesmal aber weniger Erfolg.

Nach der Landung hatte Jacob auf dem Arm dunkle Abdrücke hinterlassen. Es waren Blutergüsse in Form seiner Hände. Ein weiteres Mal versicherte ihm der Wächter, dass er ihm nicht weh getan hatte und die Spuren in wenigen Sekunden verschwinden würden. So war es dann auch.

Noch bevor sie vollständig zum Stillstand kamen, war Isaaks Arm ausgeheilt und wieder so makellos wie zuvor. Ganz seiner Gewohnheit folgend, mied Edward erst die sonnenbeschienenen Flecke und Fenster. Vor dem Flughafen standen sie alle an der Grenze zwischen dem Schatten des Gebäudes und der strahlenden Nachmittagssonne. Nur wenige Wolken bedeckten den Himmel und auch der Smog vermochte den herrlichen Tag kaum zu trüben.

Edward sah zu Isaak und fragte, leicht ängstlich: „Das war kein Traum, oder? Ich kann nun gefahrlos in die Sonne treten, ohne unser Geheimnis zu verraten?“

„Ja, für die nächsten 29 Tage und 21 Stunden“, bestätigte der Wächter nachdenklich.

Dann überschritt der Vampir die Grenze und Bella hielt die Luft an. Sie riss die Augen auf und staunte: Edward stand im hellen Schein der Sonne. Seine Haut glitzerte nicht. Sie hatte lediglich eine Art kleine Ausstrahlung, welche aber nicht verwunderlich war, bei dieser weißen Haut. Edward sah auf seine Hände drehte sich überschwänglich.

Jake zischte warnend: „Alter, nicht so schnell. Dreh dich gefälligst langsamer. Oder willst du auffliegen?“

Edward passte sofort seine Bewegung an menschliche Geschwindigkeit an. Dann zog er Bella zu sich und wirbelte mit ihr im hellen Schein der Sonne umher.

„Wir erregen zu viel Aufmerksamkeit“, sagte Isaak und sah sich besorgt die Gesichter der Passanten an.

„Sieh genauer hin, die denken wahrscheinlich nur so was wie, was für ein süßes Paar oder so was Schnulziges in der Art“, hielt Jake dagegen und sah sich um. „Oder Edward?“, fragte er dann doch besorgt.

„Keine Sorge, du hast Recht“, bestätigte der Vampir ausgelassen. Dann gab er Bella einen langgezogenen Kuss. Anschließend nahm er das Gepäck und sie gingen gemeinsam auf die wartenden Taxis zu.

Als dann alle saßen, richteten sie ihren Blick auf Isaak, und dieser starrte verständnislos zurück. Der Taxifahrer fragte freundlich: „Wo darf es denn hingehen?“ Er hatte einen ausländischen Akzent. Offenbar stammte er aus Indien, der Musik, der Aussprache und Hautfarbe nach zu urteilen jedenfalls.

In dem Gesicht des Wächters blitzte Verständnis auf und er fragte: „Kennen Sie John? Zu dem wollen wir.“

„John? John wer?“, fragte der Inder irritiert und drehte sich in seinem Sitz um.

„John Turner“, gab Isaak Auskunft und begann ihn zu beschreiben.

Der Fahrer hob eine Hand und sagte: „Hören sie mal, New York hat mehr als acht Millionen Einwohner. Ich benötige schon eine Adresse.“

„Ach so, dann auf nach Brooklyn“, sagte Isaak und nannte eine Adresse.

Nachdenklich sah ihn der Fahrer an: „Sind Sie sich sicher, dass ihr Freund da wohnt? Das ist keine gute Gegend.“

„Ist vielleicht schon etwas zwielichtig das Viertel“, meinte der Wächter und dachte nach.

„Ok, wie Sie wollen“, sagte der Fahrer, schaltete das Taximeter ein, und sie fuhren los.

Leise zischte Edward, sodass nur die mit übermenschlichem Gehör ihn hören konnten: „Sicher, dass dein Broker da wohnt? Der Fahrer hat Recht, das ist echt keine gute Gegend.“

Ebenso leise gab Isaak zurück: „Da hat er gewohnt, als wir uns kennen gelernt haben.“

Jake und Bella hingen an den Fenstern und schauten sich staunend die CityLine an. Die auf Hochglanz polierten Schaufenster und Promenaden wichen schnell Backsteinbauten und wurden immer schäbiger, je weiter sie fuhren. Die Fahrt dauerte fast eine halbe Stunde. Dann blieb das Taxi vor einem eingestürzten Gebäude in einem heruntergekommenen Viertel stehen.

„Wir sind da, das ist die Adresse“, sagte der Fahrer und schaute auf sein Navi. Dann deutete er auf das zerstörte Gebäude und vermutete: „Ich glaube nicht, dass ihr Freund da noch wohnt.“

Edward, der sich wachsam umsah, und Bella so schnell wie möglich hier weg haben wollte, fragte freundlich: „Haben sie zufällig ein Telefonbuch dabei?“

„Ja, selbstverständlich, auch, wenn ich schon lange nicht mehr danach gefragt wurde. Hier muss es irgendwo sein“, brabbelte der Fahrer vor sich hin und kramte ein wenig herum. Nachdem er das dicke Telefonbuch irgendwo hervorgezogen hatte, händigte er es ihnen aus.

Schnell blätterte der Vampir und fand die entsprechende Seite. Missvergnügt sagte er: „Es gibt 21 John Turners in New York.“

Isaak seufzte und ging in sich. Er musste ihn wohl auf anderem Weg finden. Es würde zu lange dauern, all diese Leute zu überprüfen.

Jake, der mitbekam was der andere tat, verwickelte den Fahrer in ein Gespräch und fragte ihn nach seiner Heimat. Freudig strahlend gab dieser Auskunft und bemerkte offenbar nicht, dass das Interesse des Anderen nur vorgetäuscht war.

In der Zwischenzeit sandte der Wächter seinen Geist aus und suchte nach der Präsenz der Zielperson. Er konnte ihn aber nicht aufspüren, dafür war er noch zu geschwächt. Also ging er einen anderen Weg. Er sah in die Vergangenheit und verfolgte Johns Weg vom Zeitpunkt als sich ihre Wege trennten. Der Broker war offenbar umgezogen und Isaak hatte seine neue Adresse gefunden.

Er öffnete die Augen und griff nach dem Telefonbuch. Schnell fand er eine Karte von New York und unterbrach den Fahrer in dessen Erzählung: „Wir müssen da hin.“ Der Rotblonde deutete auf eine Stelle auf der Karte und der Inder beugte sich zu ihm.

„Oh ho, sicher? Das ist das Villenviertel. Das wäre ja mal ein gewaltiger Aufstieg“, gab er seine Meinung kund. „Wie Sie wollen, Hauptsache wir kommen hier weg. Ich hoffe mal, Sie haben genug Geld dabei“, fragte er langsam misstrauisch.

Edward wedelte gelangweilt mit einigen Hundertern und die Augen des Fahrers strahlten. „Gut, dann da hin!“, rief er fröhlich und gab Gas.

Diesmal dauerte die Fahrt eine geschlagene Stunde. Das Taxi hielt vor einer großen Villa an, welche von einer hohen Mauer umgeben war. An der Pforte stand ein Wachmann, welcher sie misstrauisch beäugte. Die Insassen stiegen aus und Isaak ging auf den Pförtner zu.

„Einen guten Tag, der Herr. Ist John da? Ich muss mit ihm sprechen.“

„Wer sind Sie noch gleich?“, erwiderte der Mann gereizt und beäugte den Neuankömmling.

„Wächter Isaak.“

„Sie stehen nicht auf der Liste. Verschwinden Sie“, blaffte der Wachmann, nachdem er auf einem Klemmbrett nachgesehen hatte.

„Aber, ich muss mit John sprechen, es ist dringend“, ließ der Rotblonde nicht locker.

„Mr. Turner ist außer Haus. Versuchen Sie es im Büro“, sagte der Mann und drehte sich um.

„Und wo ist das?“, fragte Isaak irritiert nach.

„Wenn Sie das nicht wissen, dann kennen sie Mr. Turner auch nicht. Verschwinden Sie. Paparazzi sind hier nicht willkommen“, fuhr der Pförtner den anderen an.

Schnell trat Jake Edward auf den Fuß und schnappte sich den Wächter, dessen Laune gefährlich in Richtung Wut umgeschlagen war. Einen wild gewordenen roten Wolf in New York konnten sie jetzt nicht gebrauchen.

Der Vampir ging an den beiden vorbei und ließ seinen Charme spielen. Der Wachmann verriet zwar nicht die Adresse, aber er dachte daran. Das war ausreichend für ihre Zwecke.

Er nickte Jake zu und alle stiegen wieder in das Taxi, unter den wütenden Blicken des Pförtners.

Dem Fahrer gab Edward das neue Ziel bekannt. Dieser wurde allmählich misstrauisch. „Na schön“, sagte er langsam. Damit ging ihre Schnitzeljagd auch schon weiter.

Langsam kippte die Stimmung. Alle außer Isaak dachten sich, dass es nicht einfach werden würde, diesen John aufzuspüren. Isaaks Informationsmangel entsetzte sie noch viel mehr.

Vor einem gigantischen Büroturm aus Glas hielt das Taxi an und der Fahrer komplimentierte sie hinaus. Er hatte genug von diesen Verrückten und wollte nur schnell weg.

So standen sie verloren vor dem Gebäude mitsamt ihrem Gepäck. Isaak ließ sich aber nicht beirren und ging zielstrebig auf den Eingang zu. Die große Glastür verbarg ein weitläufiges, hochmodernes Foyer. Hinter einer überdimensionierten Rezeption saß eine junge Dame und tippte auf ihrer Tastatur herum.

Isaak ging auf die Blonde zu und fragte: „Guten Tag, ich möchte mit John sprechen.“

„Haben Sie einen Termin bei Mr. Tuner?“, stellte die Frau eine Gegenfrage, sah aber nicht auf.

„Nein, aber wir sind alte Freunde. Er wird mich empfangen. Richten Sie ihm einfach aus, dass Isaak nach ihm sucht.“ Allmählich war auch die Geduld des Wächters aufgebraucht. Dennoch versuchte er höflich zu bleiben.

„Rufen Sie bitte die Terminabteilung an und machen Sie einen Termin. Mr. Turner ist ein schwer beschäftigter Mann. Er hat keine Zeit für ominöse Freunde“, murrte die Sekretärin und sah auf. Dann musterte sie den Mann vor sich und fragte langsam: „Wie war nochmal Ihr Name?“

„Isaak.“

„Nachname?“

„Wächter. Wächter Isaak.“

„Warten Sie bitte kurz, ich werde Mr. Turner Bescheid geben“, sagte sie auf einmal fahrig und griff bereits zum Telefon.

Die Gruppe sammelte sich einige Meter vom Tresen entfernt und die drei mit übermenschlichem Gehör lauschten den Worten der Dame. Die Stimme des Gesprächspartners war leider nicht zu hören.

„Guten Tag, Mr. Turner.“

„Es tut mir leid, Sie zu stören Mr. Turner, aber…“

„Mr. Turner, Sie sagten ich solle Sie anrufen, wenn ein rotblonder Mann mit dem Namen Isaak Wächter hier auftaucht.“

„Ja, Mr. Turner ich kümmere mich sofort darum“, sagte die Dame ergeben, legte auf und torkelte mit ihren hochhackigen Schuhen davon.

„Das gefällt mir nicht“, zischte Edward und sah sich wachsam um. Alle sahen Isaak an, der mit den Schultern zuckte.

Dann kehrte die Blondine mit einem bulligen Mann im Schlepptau zurück. Der Mann trug einen Anzug und sah so aus, als ob er vom Sicherheitsdienst war.

Während die Dame sich hinter den Tresen zurückzog, kam der kahlköpfige Muskelberg auf sie zu. Er baute sich von den Eindringlingen auf. Jake und Edward spannten die Muskeln an und Bella versteckte sich hinter ihrem Freund.

„Mr. Wächter, wenn Sie mir bitte folgen würden“, sagte der Mann höflich und vollzog eine leichte Verbeugung.

„Wo ist John?“, fragte Isaak unbeirrt.

„Mr. Turner ist zurzeit außer Haus. Er ist auf dem Weg zurück und wird bald hier sein. Ich wurde beauftragt, mich in der Zwischenzeit um Ihr Wohl zu kümmern.“

„Gut“, sagte der Wächter resignierend und der Wachmann beäugte die anderen.

„Sind das Freunde von Ihnen, Sir?“

„Ja, sie werden mitkommen.“

„Jawohl Sir. Wie Sie wünschen. Wenn Sie mir nun bitte folgen würden“, flötete der Mann ergeben und ging voraus.

Isaak folgte, ohne zu zögern. Die anderen warfen sich schnell einen Blick zu und schlossen sich der Prozession an.

Der Broker

Der Kahlkopf ging an einigen Aufzügen vorbei und führte sie um die Ecke. Dort war ein weiterer Aufzug. Dieser hatte eine vergoldete Einfassung und auch die Türen waren vergoldet. Mit einer Karte, die er aus seiner Weste zog, öffnete er die Tür. Er verbeugte sich tief und flötete: „Nach Ihnen, Sir.“

„Danke“, erwiderte Isaak gelassen und sie alle stiegen in den prunkvollen Kasten ein.

Nachdem alle im Aufzug waren, zog der Mann seinen Ausweis durch einen Schlitz und drückte auf den obersten Knopf. Die Türen schlossen sich. „Das ist der Hochgeschwindigkeitsaufzug für VIPs“, erklärte er trocken und blieb mit dem Rücken zu ihnen stehen.

Edward las dessen Gedanken, konnte aber nicht herausfinden, was der Mann mit ihnen vorhatte. So leise, dass er ihn nicht hören konnte, zischte er: „Das gefällt mir nicht.“

„Bleib ruhig“, sagte Isaak ebenso leise. „Er sagte doch, er bringt uns zu John. Außerdem, was soll er denn tun? Wir haben einen Vampir, einen Gestaltwandler und mich. Er ist allein.“

Zu dem Kahlkopf sagte er laut: „Wie war nochmal Ihr Name?“

„Sagen Sie einfach Charles zu mir, Sir. Ich stehe schon lange in Mr. Turners Diensten. Es ist mir eine besondere Ehre Sie kennen zu lernen, Mr. Wächter. Mr. Turner wartet schon lange auf Ihre Rückkehr“, flötete Charles ergeben mit der Stimme eines treuen Butlers, drehte sich aber nicht um.

Dann setzte sich der Aufzug in Bewegung. Charles hatte nicht gelogen. Alle spürten die enorme Beschleunigung und sahen wie die Stockwerksanzeige auf dem Digitaldisplay rasant anstieg. Bella und Jake fragten sich, ob sie bis in die Wolken schießen würden, da wurde der Aufzug langsamer und die Anzeige blieb bei 56 stehen. Die ganze Fahrt hatte weniger als eine halbe Minute gedauert.

Die Türen öffneten sich und Charles stieg aus. Neben den Aufzugtüren blieb er stehen und verbeugte sich tief. „Sir.“

Langsam stiegen die Gäste aus und sahen sich staunend um. Sie standen in einem prunkvollen Korridor. Gold und Ebenholz verzierte die Wände. Rechts und links gingen einige Türen ab und am anderen Ende befand sich, neben einer großen Doppeltür, ein großer Mahagonischreibtisch. Davor stand eine fahrig wirkende Dame mit strengem Gesicht. Sie beäugte die Gruppe und ihre Augen fixierten den Rotblonden.

„Mr. Wächter, ich freue mich Sie kennen zu lernen“, sagte sie und verbeugte sich tief. „Mein Name ist Dolores Stork, zu Ihren Diensten, Sir.“ Sie sah auf und ging auf die breite Doppeltür zu. „Wenn Sie mir bitte folgen würden, Sir.“

Sich rechts und links die Gemälde an den Wänden anschauend, folgte die Gruppe der Dame und sie betraten ein gigantisches Büro. Direkt vor ihnen stand ein noch größerer Schreibtisch, vor einer Fensterwand aus raumhohem Glas. Sie konnten von hier aus die Freiheitsstatue sehen. Staunend gingen Bella und Jake auf die Glasscheiben zu und machten große Augen bei der Aussicht. Edward blieb bei ihnen und schirmte seine Verlobte ab, für den Fall eines Kampfes. Die Sonne war schon am Untergehen und sie hatten eine wunderbare Aussicht auf den Übergang des Hudson River in die Upper Bay. Zudem bestaunten sie die Gebäude in ihrer Nähe.

Dolores indes führte Isaak zu dem Schreibtisch und deutete auf den Monitor. „Mr. Turner hat ihren Finanzplan immer aktuell gehalten, falls Sie überraschend zu Besuch kämen. Sehen Sie sich alles in Ruhe an, Mr. Wächter, Sir.“

Sie schaltete den Monitor an und gab das Passwort ein. Dann verbeugte sie sich und flötete: „Charles wird Ihnen gleich ein paar Kleinigkeiten und Getränke servieren. Ich bin an meinem Platz, Sir. Scheuen Sie sich nicht mich zu informieren, wenn Sie noch etwas benötigen. Mr. Turner wird bald hier sein.“

„Danke“, sagte Isaak abgelenkt und ließ sich auf dem edlen Lederstuhl nieder. Er hatte eine Liste mit Zahlen vor sich und diese vereinnahmten ihn vollkommen.

Nach nur wenigen Minuten klopfte es an der Tür und Isaak knurrte: „Ja.“

Die Tür wurde geöffnet und Charles kam mit einem Servierwagen herein. „Eine kleine Stärkung für Sie und ihre Freunde, Sir.“ Ganz der Butler stellte er den Wagen ab und zog die silbernen Abdeckungen weg. „Bedienen Sie sich nach Herzenslust. Sollten Sie noch etwas Wünschen, sagen Sie einfach Dolores Bescheid. Die Küche steht Ihnen und ihren Freunden in vollem Umfang zur Verfügung.“

„Ja, danke, Sie dürfen gehen“, murmelte Isaak und ließ keinen einzigen Augenblick von den Zahlen ab.

Charles verbeugte sich und ging mit raschen Schritten aus dem Raum.

Irritiert sahen die drei anderen zu dem Wächter. Dann zuckten Bella und Jake mit den Schultern und gingen zu dem Servierwagen. Dort runzelten beide die Stirn. Sie wussten nicht so recht, was das für Häppchen sein sollten. Sie wirkten jedenfalls teuer und waren aufwändig verziert.

Edward trat hinter sie und staunte nicht schlecht. „Das ist echter russischer Kaviar, von Albino-Stören“, stellte der Vampir fest und deutete auf eine kleine Schale mit den schneeweißen Fischeiern. „Und das sind kulinarische Feinheiten aus aller Welt.“ Er beugte sich etwas herunter und offenbarte: „Das ist echtes, essbares Blattgold.“

Der Vampir sah zu Isaak und sagte: „Wir sollten das besser nicht essen. Ich habe nicht genug Geld bei mir, um das zu bezahlen.“

„Charles sagte, bedient euch nach Herzenslust, also ist es gratis“, meinte der Wächter und sah kurz auf. Dann wandte er sich wieder den Zahlen zu.

Jake zuckte mit den Schultern und nahm sich ein Häppchen. Angewidert verzog er den Mund und spuckte das Etwas wieder aus. „Alter, das ist ja widerlich.“

„Das“, Edward deutete auf die Masse in seiner Hand „ist eine Delikatesse der Reichen. Allein dieses Stück kostet locker 300 Dollar.“

Mit großen Augen sah Jake auf das verschmähte Essen und knurrte: „Ist trotzdem widerlich.“

„Ist nicht jedermanns Geschmack, das stimmt“, sagte eine Stimme von der Tür her. Alle fuhren herum.

Ein attraktiver Mann, Mitte der Dreißiger, betrat das Büro und betrachtete die Gruppe. Er hatte brünette stylische Haare, ein leicht kantiges Gesicht mit kleiner Nase und braunen Augen. Ein sehr teuer aussehender, maßgeschneiderter Anzug komplettierte das Bild eines Superreichen. Dazu lag ein nachsichtiges Lächeln auf seinen Lippen.

Dann fand er seinen Auftraggeber hinter dem Schreibtisch und riss die Hände in die Höhe. „Isaak Wächter, alter Haudegen. Was macht die Kunst?“

„Hi, John“, erwiderte der Rotblonde und sah mit einem strahlenden Lächeln auf. „Alles beim Alten, würde ich sagen.“

Jake legte unauffällig den Happen auf den Servierwagen und sah ungläubig zu, wie die beiden schäkerten.

„Na, alles zu deiner Zufriedenheit?“, fragte John und ging auf den anderen zu.

„Nein“, sagte Isaak. Dann deutete er auf den Bildschirm und sagte: „Die Zahlen stimmen nicht.“

Verlegen, ohne hinzusehen, lehnte der Brünette sich an den Schreibtisch und kratzte sich am Kopf. Er sah gar nicht auf den Bildschirm und gestand: „Sorry, Mann. Ich habe einmal den richtigen Zeitpunkt verpasst.“

Jake, dem das Verhalten der beiden nicht gefiel, ging zu Isaak und stellte sich demonstrativ hinter ihm auf. Er warf einen Blick auf die Tabelle und fragte: „Ich dachte du machst dir nichts aus Geld?“

Der Wächter sah auf und ihre Augen trafen sich. „Aus Geld mache ich mir auch nichts. Aber ich kann es nicht leiden, wenn meine Prognosen nicht stimmen.“

„Das kann ich verstehen“, sagte John ernst und fügte hinzu: „Ich habe den Verlust mit den Dividenden ausgleichen können. Alle anderen Zahlen sollten stimmen.“

„Ja, alles andere stimmt“, bestätigte der Rotblonde und sah wieder auf.

Der Blick des Brokers fiel auf Jake und er runzelte die Stirn. „Und Sie sind?“

„Freunde“, sagte Isaak schnell und deutete auch auf Bella und Edward. Anschließend stellte er sie der Reihe nach vor.

„Oh, Verzeihung. Ich bin John Turner, Geschäftsführer von Turner Industries“, sagte der Brünette und stellte sich ebenfalls offiziell vor.

„John, ich glaube unsere Gaumen sind solche Speisen nicht gewöhnt. Hast du vielleicht etwas Einfacheres für uns?“, fragte Isaak nach, der mitbekam, dass Bella sich nicht traute, etwas vom Servierwagen zu nehmen.

„Selbstverständlich“, meinte der Anzugträger und lächelte Isaak strahlend an. „Alles was du und deine Begleiter wollen.“

Der Wächter flirtete ebenso zurück und sagte: „Wie wäre es mit einem schönen Steak? Für Jake und mich medium bitte. Gut durch für Bella und für Edward nur ein Glas Rotwein. Er macht eine Spezialdiät, du verstehst?“

John griff nach dem Rufknopf und gab die Bestellung an seine Sekretärin weiter.

Jake indes knurrte mental: „Vielleicht solltest du mal von seinem Stuhl aufstehen?“

„Oh“, sagte Isaak und sprang auf. „Stimmt ja, das ist ja dein Stuhl.“

Irritiert sah John ihn an. Dann lachte er schallend und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ein Scherzbold wie eh und je.“

Er sah auf und sein Lachen blieb ihm im Halse stecken, als er die Mienen der anderen sah. Sofort richtete er die Augen auf den Wächter und sagte: „Isaak, das ist dein Stuhl.“ Er drückte sich vom Schreibtisch ab und machte eine Geste, die den Raum umschloss. „Das ist dein Büro. Ach, was sage ich, der ganze Turm gehört dir. Mitsamt allen Angestellten.“

Verständnislos sah ihn der Rotblonde an und John schüttelte den Kopf. Dann begann er zu erklären: „Als wir uns kennenlernten dachte ich, was für ein Spinner. Aber hey, du hast mir ein paar Aktien in die Hand gedrückt und ich war froh meinen ersten Kunden zu haben.

Deine Anweisungen waren so spezifisch und ergaben keinen Sinn, aber der Kunde ist König. Ich habe deine Aktien genommen und habe mich exakt an deine Vorgaben gehalten. Nach nur einem Monat wusste ich, dass deine Befehle kein Stuss waren. Dein Geld sprudelte nur so über, wie eine übervolle Ölquelle.

Nach drei Monaten hatte ich plötzlich Besuch von der Börsenaufsicht. Du musst dir das mal vorstellen. In meinem Viertel standen plötzlich eine ganze Fuhre Staatsanwälte und gefühlt 100 Polizisten. Mein Gott, sogar das FBI war da. Sie durchsuchten alles und drehten jedes Blatt um. Sie konnten aber nichts Illegales finden.

Wie gesagt, dadurch habe ich leider diese eine Transaktion verpasst, aber ich konnte den Verlust ausgleichen. Egal. Nach dieser Aktion habe ich einen Anwalt angeheuert und bin umgezogen. Dein Kontostand jedoch ist derart in die Höhe geschnellt, dass ich gezwungen war zu expandieren.

Du hast bestimmt, dass nirgends dein Name auftauchen soll, also habe ich meinen Namen benutzt und Turner Industries gegründet. Außer Dolores, Charles und mir, weiß nur noch dein persönlicher Anwalt von dir. Ich hoffe, das war in deinem Interesse?“

Isaak nickte.

„Gut. Dein Vermögen zu verwalten ist mittlerweile ein Fulltimejob für über 200 Mitarbeiter. Das ist allein nur der Aktiensektor. Auf diesem Gebäude steht zwar mein Name, aber du bist der stille Eigentümer. Ich bin lediglich dein Angestellter.“

John grinste fies und offenbarte: „Ein lukrativ gut bezahlter Angestellter, will ich meinen. Egal. Dir gehören Turner Industries und all seiner Tochtergesellschaften. Deine Finanzen und Wünsche haben eine eigene Immobilienabteilung, mit Gebäuden auf der ganzen Welt, benötigt. So gut wie alle Eliteanwälte in den USA stehen auf deiner Gehaltsliste und eine eigene Abteilung ist den ganzen Tag damit beschäftigt, dass niemand herausfindet, wer hinter allem steckt. Unter der Hand nennen wir sie Projekt Ikarus.“

Isaak war aufgewühlt, zeigte sich aber nach außen gelassen. Mental sagte er: „Das habe ich nicht erwartet. Es war doch nur ein lustiger Zeitvertreib. So langsam verstehe ich, warum mein Index so hoch war. Das ist ja schrecklich. Ich muss das beenden.“

„John“, sagte der Wächter laut und bestimmt, bevor Jake die Gelegenheit hatte etwas zu erwidern. Dieser und auch die anderen beiden starrten mit offenen Mündern den Wächter an.

„Du hast gute Arbeit geleistet. So kann es aber nicht weitergehen. Du musst alles auflösen.“

„Auflösen? Bist du irre?“, fragte der Brünette entsetzt und machte große Augen. Schnell räusperte er sich und offenbarte, bemüht professionell zu klingen: „Es ist natürlich deine Entscheidung, aber ich als dein Geschäftsführer muss dir dringend davon abraten. Wenn ich all deinen Besitz auflöse wird die Welt ins Chaos gestürzt und das meine ich ernst.

Du unterhältst Aktien bei allen großen Firmen. Hast deine Finger in sämtlichen Rohstoffabbaugebieten, sowie im Technologie- und Agrarsektor. Nimmt man alles Vermögen der ganzen Strohfirmen, der Gebäude und deine Aktien zusammen, bist du der reichste Mann der Welt und niemand weiß von deiner Existenz. Du könntest mit dieser Entscheidung über Nacht den globalen Finanzsektor zu Fall bringen.

Ich weiß zwar nicht was du damit bezweckst, aber bitte denk nochmal darüber nach. Allein Turner Industries hat mehr als 10.000 Angestellte weltweit. Von den anderen Firmen ganz zu schweigen. Ich habe schon vor zwei Jahren völlig die Übersicht verloren was dir alles gehört, dafür ist Verwaltungsabteilung zuständig.“

Er fächerte sich Luft zu und atmete schwer.

Isaak seufzte und gab sich geschlagen. Mit dieser Entscheidung könnte er einen Weltkrieg auslösen und somit selbst zu einer globalen Bedrohung werden. „Ok, du hast gewonnen John. Vergiss was ich gesagt habe. Wir müssen uns dennoch darüber unterhalten, wie das Ganze weitergehen soll.“

Er schüttelte den Kopf und schob dieses Problem erst mal hinten an. Dann fiel ihm etwas anderes ein und er fragte: „Wie sieht es eigentlich mit den Artefakten aus?“

„Du meinst deine Wunschliste? Wie gesagt, am Anfang dachte ich, du wärst nur so ein verrückter Spinner, aber ich arbeite schon seit langem ausschließlich daran deine Liste abzuarbeiten. Deinen Vorgaben entsprechend habe ich 10% der Gewinne dafür benutzt. Ich konnte einiges erwerben. Alles befindet sich in einem Hochsicherheitstresor, den ich extra für die Aufbewahrung deiner Schätze bauen ließ.“

John straffte sich und lächelte schwach: „Allerdings sind manche der Artefakte nicht so leicht zu bekommen. Zum Beispiel die Mona Lisa. Bill Gates war der ehemalige Eigentümer. Ich musste erheblichen Druck machen und habe sehr viele Aktien von Microsoft kaufen müssen, um ihn zu überzeugen. Du bist zwar jetzt der Eigentümer der Mona Lisa, aber der Louvre will sie nicht rausrücken und besteht auf den Verleihvertrag. Zudem ist sie Weltkulturerbe, was auch die Behörden aufhorchen lässt.

Die Rechtsabteilung arbeitet noch daran, aber ich glaube, das Einfachste wäre, gleich das ganze Museum zu kaufen. Verhandlungen mit der französischen Regierung laufen bereits.“

Isaak machte große Augen und sagte kleinlaut: „Der Besitz reicht. Brich die Verhandlungen ab.“

„Aye aye, Boss. Dann kann sich die Abteilung mit dem nächsten Fall beschäftigen“, grinste John glücklich, dass er alles richtig gemacht hatte.

„Gut“, brabbelte der Wächter und fragte sich, wie er aus dieser Nummer wieder rauskommen sollte.

„Chef, es gibt noch ein paar Unterlagen, die schon seit Jahren darauf warten, von dir unterzeichnet zu werden“, sagte John und ging um den Schreibtisch herum. Der entsetzte Gesichtsausdruck des Rotblonden fiel ihm auf und er sagte schnell: „Keine Sorge, sind nicht allzu viele. Mit deiner Vollmacht konnte ich das Meiste selbst erledigen. Es gibt aber Dinge, bei denen deine Vollmacht nicht ausreicht.“

Mit diesem Worten zog er eine Schublade am Schreibtisch auf und legte Isaak einen Stoß Dokumente vor die Nase. „Die Stellen mit den Unterschriften sind markiert.“ Er deutete auf die farblichen Fähnchen an der Seite.

„Ok, bringen wir es hinter uns. Hast du einen Stift für mich?“, fragte der Wächter resignierend. Er nahm den goldenen Kugelschreiber zur Hand, der ihm gereicht wurden und setzte bereits an, als Jake seine Hand aufhielt.

Überrascht sah Isaak auf, dann zuckte er zusammen und sagte: „Oh, entschuldige bitte.“ Er legte den Stift weg und sah John an. „Jake übernimmt all meine finanziellen Angelegenheiten und führt die Verhandlungen. Du wirst ihm in Zukunft Bericht erstatten. Ich möchte lediglich den Aktienbericht einsehen, der Rest ist mir egal. Ich mache mir nichts aus Geld.“

„Als reichster Mann der Welt kannst du dir auch so was erlauben. Wie du willst. Wie war nochmal Ihr vollständiger Name?“, fragte John und sah zu dem geschockten Beta auf.

„Jacob Ephraim Black“, sagte der Gestaltwandler tonlos und fragte sich was gerade abging. Er wollte doch nur, dass Isaak sich erst durchlas, was er da unterschrieb, und nicht gleich all sein Geld verwalten.

„Ok, Mr. Black. Ich werde sofort alle Unterlagen ändern lassen und Sie als Bevollmächtigten eintragen“, sagte John und wuselte zur Tür raus.

Kaum war der andere weg, stand Isaak auch auf und ging ruhelos im Raum auf und ab. „Verdammt noch eins. Wie konnte mir so ein Fehler unterlaufen? Ich hätte die Finger von den Aktien lassen sollen. Wie soll ich das nur wieder hinbiegen? Ich habe die Zukunft geändert. Scheiße verdammt…“

Jake riss ihn aus seiner Schimpftirade und fragte tonlos: „Ich soll dein Geld verwalten?“

Der Wächter blieb stehen und sah ihn an. „Ja, warum nicht? Ich mache mir nichts aus Geld und du sagtest ich bin eine Niete im Verhandeln. In deinen Händen ist es sicherer als in meinen. Du hast doch gehört, was ich schon wieder angestellt habe.“

Edward fand als erster die Sprache wieder und sagte: „Dann könnt ihr euch wenigstens eigene Kleidung leisten und müsst nicht mehr bei uns schnorren.“

„Hey, ich dachte ich habe alles abgegolten mit dem Armband?“, fuhr ihn Isaak erst an.

„Ganz ruhig Herr Multimilliardär, oder muss es Multibillionär heißen?“, grinste der Vampir.

„Lass den Blödsinn, mit Geld werde ich den menschlichen Magier auch nicht los“, knurrte der Wächter. „Ein Problem nach dem anderen. Der Schlüssel, die Zitadelle, der Magier, und dann dieses Geld.“

„Du siehst das Geld als ein Problem an?“, fiepste Bella.

„Ja, es ist ein Problem. Wächter mischen sich nicht ein. Verdammt noch mal, wie konnte ich nur so dumm sein?“, schimpfte Isaak mit sich selbst und schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. Dann begann er zu schluchzen und Tränen rollten ihm aus den Augen. „Ich habe die Welt kaputt gemacht“, murmelte er vor sich hin, während er immer fester zuschlug.

Entsetzt verstanden die drei anderen, dass das kein Scherz war und der Rotblonde es wirklich erst meinte. Schnell trat Jake vor und hielt ihn davon ab sich selbst zu verletzen. „Ganz ruhig, ok. Ich kann es zwar immer noch nicht fassen, aber ich verstehe, dass das für dich ein Problem ist. Ich werde dir helfen eine Lösung zu finden.“

„Danke“, nuschelte Isaak vollkommen aufgelöst.

„Schon gut“, sagte Jake und umarmte ihn. Sofort schlug auch dieser seine Arme um ihn und drückte sich an ihn. Isaak brauchte einen Moment, bis er sich wieder gefangen hatte.

Als die Tür dann aufging stoben die beiden auseinander. John kam herein und sagte: „Die Rechtsabteilung ist dran. Sie arbeiten zwar die Nacht durch, aber es wird wohl bis morgen dauern. Ach, und das Essen ist da. Kommt, ich zeige euch den Speiseraum.“

Alle sahen sich an und dann folgten sie John in einen anderen Raum auf derselben Etage. Er war prachtvoll verziert und man konnte sich gut vorstellen, wie hier Geschäftsessen abgehalten wurden.

Sie ließen sich auf den luxuriösen Stühlen nieder. Mehrere Kellner brachten das Essen auf silbernen Tabletts herein und schenkten Edward einen edlen Wein ein. Bella und Jake begnügten sich mit je einer Cola, wohingegen Isaak ebenfalls den Rotwein wählte. Dann wurden sie allein gelassen. John musste noch ein paar Telefonate führen.

Die beiden Menschen sahen hungrig auf die Mahlzeit und beäugten das feine Silberbesteck, während Edward zu Isaak schaute. „Warum hast du mir den hier bestellt?“, fragte der Vampir und deutete auf sein Glas.

„Ach, das hätte ich fast vergessen“, meinte Isaak und stand auf. Langsam ging er um den Tisch und blieb neben Edward stehen. Dann, schneller als alle reagieren konnten, biss sich der Wächter in den Daumen und hielt den Finger über das Glas. Leise murmelte er und ein Tropfen seines Blutes fiel in den Wein. Blitzschnell sprang Edward zurück und stieß dabei seinen Stuhl um. Er fauchte und seine Augen wurden pechschwarz.

„Hey, komm mal wieder runter. Du kannst ruhig atmen. Der Geruch meines Blutes sollte dich nicht stören.“ Dann grinste er und sagte: „Ein Tropfen in Kombination mit meiner Magie wird dich sättigen. Mehr sogar als das Blut eines ganzen Menschen. Es macht weder abhängig, noch wird es deine Augen röten. Sei aber gewarnt: Ein Tropfen ohne meine Zauber ist absolut tödlich für dich.“

Dann ging er zu seinem Platz zurück. Edward hatte sich nicht gerührt und auch Bella schien wie versteinert. Langsam sagte Isaak: „Ich schwöre, ich weiß was ich tue, Edward. Setz dich und trink. Es wird dir schmecken, das garantiere ich.“

Ungläubig sah der Vampir auf und atmete. Er roch das Blut, aber es hatte, wie der Wächter erklärt hatte, keine Wirkung auf ihn. Seine Augen wurden wieder dunkelgolden und langsam schlich er an das Glas heran. Er roch an dem angereicherten Wein und musste feststellen, dass der Geruch angenehm war. Schnell warf er nochmals einen Blick zu dem Rotblonden und dieser nickte mit einem wohlwollenden Lächeln.

Dann hob der Vampir das Glas und nahm einen winzigen Schluck. Es schmeckte ihm. Der Geschmack war nicht der von Blut, nein wenn er sich recht erinnerte, schmeckte er den Wein, so wie vor seiner Verwandlung. Er konnte zwar menschliche Nahrung zu sich nehmen und auch schmecken, aber es war kein Vergnügen. Nur Blut schmeckte ihm noch, alles andere war eklig und erfüllte ihn mit Übelkeit.

Dieser Wein aber war anders. Schnell nahm er noch einen Schluck und Isaak warnte: „Genieß es. Mehr als ein Tropfen alle paar Tage würde dich auch töten, also schling nicht so. Den nächsten bekommst du erst in vier Tagen.“

Eifersucht

Da nun sogar Edward etwas zu Essen hatte, begannen auch die anderen sich über die Speisen herzumachen. Es schmeckte vortrefflich und sie waren sich sicher, dass diese Mahlzeit, wenn auch einfach, recht kostspielig gewesen sein musste.

Nachdem dann alle Teller leer geputzt waren und auch Edward sein Glas bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken hatte, ließen sie das Essen etwas sacken und entspannten sich ein wenig.

Es klopfte und auf Isaaks „Herein“, kam John zu ihnen. „Ich hoffe es hat gemundet?“

„Danke John, das war wirklich ausgezeichnet“, strahlte Isaak den anderen an.

Sofort hatte Jake wieder schlechte Laune.

„Nur das Beste für den Boss“, schäkerte der Brünette und machte dem Wächter schöne Augen. „Kann ich sonst noch was für euch tun?“

„Ja, da gibt es noch etwas“, begann Isaak und verstärkte seine charmante Art noch weiter. „Erinnerst du dich an den Gegenstand, den ich in einer Bank verstaut habe? Ich benötige den Schlüssel. Es ist wirklich sehr wichtig für mich.“

Durch die sinnliche Betonung des Rotblonden bekam John einen leichten Rotstich im Gesicht und begann zu stammeln: „Ja, ich erinnere mich.“ Schnell senkte er den Blick und hatte offenbar Mühe zu seiner professionellen Art zurückzukehren. „Das ist auch so eine seltsame Geschichte.“

„Was meinst du?“, glühte ihn Isaak ungeniert an.

„Na ja, die Bank, in der du das Schließfach angemietet hast, hatte zwischenzeitlich schwere finanzielle Probleme“, fing er mit seiner Geschichte an und es war ihm anzusehen, wie ungern er diese Informationen preisgab.

Isaaks blaue Augen bewegten ihn dazu dennoch weiterzusprechen: „Du sagtest das dieser Gegenstand dir sehr wichtig sei. Als die Bank dann kurz vor dem Bankrott stand wollte ich dein Eigentum in den Tresor umräumen. Aber…“

„Ja“, fragte der Wächter und legte den Kopf leicht schief. Dann leckte er sich zufällig über die Lippen und befeuchtete diese leicht.

„Ich konnte das Schließfach aber nicht öffnen. Egal was ich versucht hatte, es ging einfach nicht auf. Daraufhin habe ich den Bankleiter rund gemacht und eine Firma kommen lassen, um das Schließfach aufzubrechen. Auch das war erfolglos. Zudem erinnerte sich der Bankleiter nicht mehr daran, das genehmigt zu haben, und dachte, ich wolle die Bank ausrauben. Ehe ich mich versah, wurde ich von der Polizei abgeführt.

Vor der Bank allerdings sahen mich die Polizisten irritiert an und fragten mich, warum ich ihre Handschellen umgelegt hätte? Geistesgegenwärtig ließ ich mir eine Geschichte einfallen und sie nahmen mir die Dinger schnell wieder ab. Sie wussten offenbar nicht mehr, warum sie gerufen wurden. Danach habe ich nie wieder versucht mich diesem Schließfach zu nähern.

Um sicherzustellen, dass dein Gegenstand da blieb wo er war, habe ich die Bank gekauft. Sie ist nun unser firmeneigenes Finanzzentrum. Wir mussten eh mal wieder expandieren.“

„Also ist mein Gegenstand immer noch dort, wo ich ihn zurückgelassen habe?“, fragte Isaak zuckersüß.

„Ja“, brabbelte John und wurde noch röter.

„Würdest du mir bitte den Schlüssel geben?“

„Ja“, hauchte der Brünette mit völlig verklärtem Blick.

Genug war genug und Jake knurrte erbost auf. Mit vor Zorn verengen Augen starrte er den Älteren an und begann zu zittern. Er krallte sich an die Tischplatte und ein leises Knacken war zu hören.

Der Broker erwachte offenbar aus seiner Trance und zuckte zusammen.

Schnell, bevor die Situation brenzlig wurde, legte Bella eine Hand auf Jakes Oberarm und drehte mit der anderen sein Gesicht zu sich. „Bleib ruhig“, maßregelte sie ihn bittend.

Isaak, welcher mitbekommen hatte, dass der Beta kurz davor war, sich auf John zu stürzen, erhob sich schnell und ging auf den Broker zu. Dann legte er ihm einen Arm um die Schulter und dirigierte ihn nach draußen, dabei sagte er geflissentlich: „Weißt du was? Ich komme einfach mit. Wo ist der Schlüssel noch gleich?“

Er schob John aus dem Raum und beide verschwanden.

Sofort stand Edward auf und löste Jakes Finger von der Tischplatte, bevor diese verräterische Abdrücke hinterlassen würden. Der Wolfsjunge knurrte immer noch und bekam kaum etwas mit. Dann hörte er Bellas Stimme und konzentrierte sich darauf: „Jake, beruhige dich. Isaak manipuliert John doch nur. Das ist nur geschauspielert. Ihr beide seid verbunden. Erinnere dich.“

Erbost fuhr der Beta den Vampir an und fragte mit dunkler Stimme: „Was hat dieser Wicht gedacht?“

Anstelle von ihm antwortete Bella: „Ist doch egal was der denkt. Isaak hat sich für dich entschieden.“

Sein Kopf ruckte zu ihr herum und er keifte: „Du meinst, er hat sich an mich gebunden, aber nicht aus freien Stücken. Für ihn war es nur eine Sache der Schuld.“

„Das glaube ich nicht. Und du auch nicht Jake. Isaak ist sich bestimmt nicht einmal bewusst, wie er auf anderer wirkt. Sowas macht Edward auch andauernd. Du gewöhnst dich daran.“

Jake schnaubte und wollte sich Gewissheit verschaffen. Er griff mental nach ihrer Verbindung und drang in den Kopf des anderen ein. Dieser bemerkte seine rabiate Art, war aber gerade zu beschäftigt, um sich um Jake zu kümmern.

Dann hörte der Beta das Gespräch der beiden durch Isaaks Sinne mit.

„Sag mal kennst du diesen Jake, schon länger?“, fragte John nachdenklich.

„Nein, wieso“, erwiderte der Wächter unschuldig.

„Ach nur so. Er kommt mir ein wenig seltsam vor. Ich bin mir nicht sicher, aber hat er mich gerade angeknurrt?“

„Das hast du dir bestimmt nur eingebildet“, lenkte der Rotblonde ab und zog ihn in den Bann seines Lächelns.

„Ja, kann sein“, meinte John fahrig und kramte offenbar in einer Schublade. „Du und er, ihr seid nicht zusammen oder so?“, fragte er dabei bemüht beiläufig.

„Nein, wir sind nur Freunde“, sagte Isaak und gab sich Mühe, noch verführerischer zu sein.

Jake zog sich wütend zurück. Er hatte genug gehört und er schottete sich sofort vor Isaak ab.

Dann sah er zu Bella und schrie: „Er weiß genau was er tut. Diese eklige Schwuchtel flirtet mit dem Fatzke und zwar bewusst.“

„Beruhige dich, Jake“, zischte nun Edward und hielt den Wolfsjungen davon ab aufzustehen. „Lass mich los. Dem Arsch beiße ich den Kopf ab.“ Sie rangelten einen Moment. Dann sah der Vampir zur Tür und zischte: „Sie kommen zurück.“

Sofort sackte Jacob zusammen. Hatte er sich das alles zwischen ihnen nur eingebildet? Verarschte Isaak ihn schon die ganze Zeit, von Anfang an?

Die Tür öffnete sich und Isaak streckte den Kopf herein. Er war sauer und maßregelte die beiden mit einem strengen Blick. „Nicht hier“, flüsterte er ihnen zu und zog die Tür auf.

Dann wandte er sich wieder John zu, der hinter ihm eintrat. „Danke für deine guten Dienste. Wir haben noch was vor und werden jetzt gehen. Also danke für alles, John.“

Diesmal funktionierte der Flirtversuch des Wächters nicht und der Broker sah ihn irritiert an: „Wo wollt ihr denn hin?“ Er deutete auf den Schlüssel in Isaaks Hand und sagte: „Die Bank hat schon geschlossen. Da musst du leider bis Morgen warten. Oder soll ich den Direktor holen? Ist immerhin deine Bank.“

„Nein, nicht nötig“, sagte Isaak und versuchte seinen Charme wiederherzustellen. Das gelang ihm aber nicht wirklich. Jake hatte sich abgeschottet und sah wütend aus. Das verunsicherte ihn zu sehr, um sich konzentrieren zu können.

„Ok, dann gehen wir morgen gemeinsam zur Bank. Glaub mir, mit mir geht das wesentlich schneller“, offenbarte John mit einem Lächeln und sah auf. Erst jetzt bemerkte er den bösen Blick des Wolfsjungen und zuckte etwas zusammen. Er schluckte hart und fragte: „Habt ihr schon einen Platz zum Schlafen?“

„Nein“, sagte Isaak und versuchte Jake zu beruhigen, dessen Blick gefiel ihm nicht. Offenbar ärgerte ihn etwas.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr bei mir übernachten“, sagte John und sah dem Wächter tief in die Augen.

„Nein“, knurrte Jacob nun unüberhörbar und verschränkt die Arme vor der Brust. Demonstrativ sah er weg.

„Ok, dann vielleicht das Plaza? Ich kümmere mich gleich darum“, lächelte der Brünette und wuselte zur Tür hinaus.

Kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war, drehte sich Isaak mit besorgtem Gesichtsausdruck zu dem Wolfsjungen und fragte: „Jake, was ist denn in dich gefahren?“

Dieser rümpfte die Nase. Mit einer Bewegung war Isaak vor ihm in die Hocke gegangen und sah ihn von unter her an. „Komm schon, sag mir was dich so verärgert hat?“

Jake holte aus und schlug mit der Faust nach dem verdutzten Wächter. Dieser wich einfach aus und sah ihn irritiert an. Dann knurrte der Beta: „Geh mir aus den Augen, du Monster, und fass mich nicht an.“

Sofort brachte Isaak ein wenig Abstand zwischen sie. „Jake, bitte, was ist denn los?“

Doch dieser verschränkte nur wieder die Arme vor der Brust und sah weg.

In dem Moment ging die Tür auf und John kehrte zurück. „So alles ist vorbereitet. Wir können sofort los.“

Schnell erhob sich Isaak und lächelte ihn gekünstelt an. Er machte sich große Sorgen um den Gestaltwandler und hatte keine Geduld mehr für den Broker.

Dieser bemerkte die geänderte Stimmung und sah etwas unschlüssig zu ihnen. „Störe ich?“

„Ja“, sagte Isaak, doch Jake übertönte ihn mit einem geknurrten: „Nein.“

Dann riss sich Jake zusammen stand auf und sagte mit den Zähnen mahlend: „Wir können los.“ Ohne auf die anderen zu warten ging auf den erstarrten Brünetten zu.

„Na gut, wie Sie wünschen, Mr. Black“, stammelte John fahrig und hielt ihm die Tür auf. Schnell warf er Isaak einen Blick zu. Dieser lächelte immer noch und bestätigte ihren Aufbruch mit einem Nicken.

Schweigend stiegen alle in den Fahrstuhl. Die Stimmung war angespannt und John fühlte sich sichtlich unwohl. Gut so, dachte Jake und grinste fies in sich hinein als er dessen angespannte Muskeln sah.

Schnell führte sie John zu einer vor dem Gebäude parkenden schwarzen Limousine. Auch während der kurzen Fahrt sagte keiner ein Wort. Als sie bei dem Hotel ankamen, stiegen alle aus und folgten dem Broker in das Foyer. Dort ließ er sie kurz warten, während er mit der Empfangsdame sprach.

Keiner der anderen hatte Augen für den prunkvollen Raum. Sie behielten Jake genau im Blick und alle warteten darauf, dass dieser ausrasten würde.

Dann ging es wieder zu einem Aufzug und in das oberste Stockwerk. Dort gab es nur wenige Zimmertüren und auf eine davon ging John zu. Er öffnete sie mit der Chipkarte und schon rauschte Jake an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Edward und Bella stürzten hinterher. Der Gestaltwandler war aber bereits durch eine weitere, der unzählige Türen, in diesem Raum gerannt, und hatte diese hinter sich zugeknallt.

John zuckte kurz zusammen und sagte kleinlaut: „Willkommen in der Präsidenten Suite.“ Er wandte sich an Isaak und fragte: „Ist alles in Ordnung mit ihm?“

„Jetlag“, nuschelte dieser entschuldigend und nahm dem Broker die Karte ab. „Danke, John. Ich gehe und schau mal nach ihm. Wir sehen uns morgen?“

„Ja, nein, Moment, ich muss noch ein paar Dinge regeln. Ich komme gleich wieder“, sagte der Brünette bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, und trabte davon.

Der Wächter lächelte ihm hinterher, dann ging er in das Zimmer und warf die Tür ins Schloss. Wütend schaute er zu Edward und dieser zuckte zurück. Möglichst ruhig sagte er: „John, kommt gleich wieder. Kümmerst du dich bitte darum? Ich habe gerade keinen Nerv dafür.“

Der Vampir nickte und Isaak stürmte auf die Tür zu, hinter der sich Jake versteckte.
 

Jake lag rücklings auf einem großen Bett und starrte die Decke an. Er hörte wie Isaak reinkam und setzte sich auf. Dann sah er seine wütende Miene und zuckte zusammen.

„Was sollte das?“, fauchte der Wächter und schlug die Tür zu. „John hat doch nur seine Arbeit gemacht. Was zum Teufel ist in dich gefahren?“

Bei der Erwähnung von John flammte erneut Zorn in Jacob auf und er sprang auf die Beine. „Dann geh doch zu ihm“, schrie er ihm entgegen.

Das irritierte Isaak so sehr, dass seine Wut völlig verrauchte. „Das verstehe ich nicht.“

„Sag mir, hast du mir die ganze Zeit nur etwas vorgespielt?“, fuhr der Beta fort und funkelte ihn zornig an.

„Nein, wie kommst du darauf?“

„Lüg mich nicht an“, schniefte Jake plötzlich. Seine Gefühle lagen blank und er hasste sich selbst für seine Schwäche.

Isaak verstand die Welt nicht mehr und trat einen Schritt auf den anderen zu. Dieser wich aber zurück. Danach ließ er es bleiben und fragte sanft: „Jake, bitte erkläre es mir? Was habe ich falsch gemacht?“

„Du und er“, stammelte Jacob und Tränen rollten ihm über die Wangen.

„Wir sind nur Freunde. Da ist nie etwas gelaufen. Das schwöre ich dir“, versuchte Isaak die Situation zu retten.

„Das hast du auch zu ihm über uns gesagt“, schrie Jake auf einmal. „Du flirtest doch mit allem, was nicht bei drei auf dem Baum ist.“

„Ich verstehe nicht“, wiederholte der Wächter und versuchte einen Sinn abzuleiten.

„Verarsch mich doch nicht. Du spielst doch nur mit mir“, tobte der andere weiter.

„Bitte, Jake, erkläre es mir. Ich verstehe dich nicht.“

„Alles geht von mir aus. Du gehst überhaupt nicht auf mich zu. Jedes Mal bin ich es, der nach deiner Hand greift, oder zu dir kommt. Ich bin dir doch völlig egal“, brüllte er jetzt noch lauter und begann gleich darauf zu schluchzen.

„Oh.“

„Das ist alles. Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Was bin ich für dich? Eine nette Abwechslung? Ein Betthäschen?“

Schneller als Jake reagieren konnte, stand Isaak vor ihm und stieß ihn rücklings auf das Bett. Bevor der Beta richtig auf der Matratze aufkam, war der Wächter auch schon über ihm und sah ihm tief in die Augen. „John bedeutet mir nichts, ebenso wenig wie die Frau im Flugzeug. Du hast keinen Grund eifersüchtig zu sein.“

Der Beta riss sich von den Augen des anderen los und knurrte: „Ich bin nicht eifersüchtig. Runter von mir.“ Dann wollte er ihn wegschieben, aber da hätte er auch versuchen können einen Berg zu bewegen, so wenig Erfolg hatte er dabei.

„Nein, nicht, bevor du mir nicht glaubst“, schmunzelte Isaak und setzte sich einfach auf das Becken des anderen, dann begann er zu erklären: „Jake, versteh doch. Ich wollte dich nicht bedrängen. Wenn du das falsch aufgefasst hast, dann tut es mir leid. Ich wollte dir nur deinen Freiraum lassen. Du hast doch bestimmt, dass wir nur Freude sind und nicht mehr.“

Wütend schaute er wieder auf und sah in den liebevollen Blick in den blauen Augen. Die Worte blieben ihm im Halse stecken und er konnte nicht wirklich denken.

„Sag mir, willst du mehr?“, fragte Isaak nun schüchtern.

Ohne nachzudenken sagte Jake. „Ja.“ Dann lief er rot an und sah schnell weg.

„Ach Jake, du bist noch nicht bereit weiter zu gehen.“ Ein trauriger Unterton schwang in seiner Stimme mit.

„Das bin ich sehr wohl“, erboste sich der Beta und sah erneut auf. Dann weiteten sich seine Augen. Isaak hatte ich zu ihm runter gebeugt und ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt. Sofort beschleunigte sich sein Puls und er leckte sich über die trockenen Lippen.

Isaak würde ihn küssen, aber wollte er das überhaupt? War er schon soweit? Nein, er konnte es nicht. Noch nicht. Schnell wandte er sich ab und er spürte wie der andere sich wieder aufsetzte. „Was willst du von mir?“, fragte Isaak zuckersüß. Offenbar war er nicht verärgert über sein Zögern.

„Hör auf mit jedem zu flirten“, murmelte Jake überrumpelt.

„Wenn dich das stört, dann lasse ich es. Auch wenn ich im Laufe der Zeit gelernt habe, dass es mit ein wenig flirten leichter ist, meinen Willen durchzusetzen.“

„Darum geht es dir?“, fragte der Beta überrascht.

„Ja. Ich habe kein Interesse mit dieser Stewardess oder mit John intim zu werden. Ich nutze das nur als Mittel zum Zweck.“

„Ist das die Wahrheit?“

„Wir sind verbunden, sieh in meinen Kopf, wenn du mir nicht glaubst“, meinte Isaak und diesmal griff er mental nach Jake und zog ihn in seinen Geist. Überrumpelt ließ der Beta es zu und der Rotblonde ließ alle Barrieren fallen.

Er zeigte ihm die Szene im Flugzeug und diesmal achtete Jake auf die Gefühle des anderen. Isaak war interessiert, aber nicht an der Frau, sondern nur an der Armkette. Die Stewardess sah er nicht einmal genau an. Sie war ihm völlig egal. Sie war einfach nur da und hatte das, was er wollte.

Dann gingen sie zu John über und Jake verstand, dass Isaak auch an diesem überhaupt nicht interessiert war. Das Flirten sollte diesen lediglich verwirren, um leichter an Informationen zu gelangen und später um von Jakes Verhalten abzulenken.

Der Beta wollte sich beschämt zurückziehen, aber der Wächter hielt in fest. Auf einmal sah er sich selbst. Von oben herab betrachtete der Rotblonde den Mann unter sich und Jake spürte dessen Gefühle. Es war überwältigend.

Isaak wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als ihn zu küssen. Ihn zu streicheln. Ihn zu berühren und einfach nur seine Nähe zu genießen. Er wollte ihn, nur ihn allein. Er hatte sich für Jake entschieden, zeigte es aber nicht. Allein aus Rücksicht hielt er sich zurück. Er wollte Jake so die Möglichkeit geben, sich selbst zu entdecken und alles selbst zu erkunden, was er schon längst wusste. Er würde warten, bis in alle Ewigkeit, dessen war sich der Wolfsjunge sicher.

Dann änderte sich das Bild und sie beide lagen eng umschlungen da und küssten sich innig. Sofort brach der Wächter den Kontakt ab und sah beschämt weg. Er war feuerrot im Gesicht und stammelte: „Tut mir leid, konnte mich nicht beherrschen.“

In dem Glauben zu weit gegangen zu sein wollte er aufstehen, aber Jake griff zu und sagte: „Bleib.“

Dann dachte der Black Junior nach. Isaak hatte es ihm zwar nicht so deutlich gezeigt, aber die Anzeichen waren doch da. Der Wächter steckte immer wieder zurück, um ihn nicht zu verletzen oder zu überfordern. Genau das gefiel es ihm so nicht. Das musste sich ändern.

Jake seufzte und gestand: „Ich bin zwar noch nicht so weit, wie du es gerne hättest, aber ich will auch nicht immer derjenige sein der anfängt. Ich weiß, du nimmst nur Rücksicht, aber können wir da nicht einen Kompromiss finden?“

„Hm…, was genau willst du denn von mir?“, fragte Isaak nachdenklich.

Verlegen wollte sich der Wolfsjunge abwenden, aber hielt sich selbst davon ab. Er musste da jetzt durch. Sie beide mussten an ihrer, wie auch immer gearteten Beziehung, arbeiten. Wie konnte er erwarten, dass Isaak sich änderte, wenn er ihm nicht einmal ins Gesicht sagen konnte, was er eigentlich wollte? Jake zwang sich, den Blickkontakt nicht zu unterbrechen, und schluckte seine Scham hinunter.

„Zeig mir dein wahres Ich. Hör auf Rücksicht zu nehmen und mich wie ein rohes Ei zu behandeln. Zeig mir offen was du willst und versteck es nicht mehr. Flirte mit mir, wenn du das willst, greif nach meiner Hand, wenn du das willst. Oder, ach was weiß ich? Sei einfach ehrlich.“

Isaak sah ihn ungläubig an und hatte einen Kloß im Hals. Jake bemerkte mehr als er geglaubt hatte. Er räusperte sich und dachte kurz nach. Dann fragte er: „Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst? Ich würde vielleicht das tun, was ich die ganze Zeit versucht habe zu verhindern; dir zu nahe zu treten. Zu weit zu gehen.“

„Dann ist es eben so. Ich will eine gleichberechtigte Beziehung. Keine, in der der einer immer zurückstecken muss. Es wird bestimmt das eine oder andere geben, über das wir streiten werden, aber hey so ist das Leben nun mal.“

In den blauen Augen funkelte es verschmitzt und Jake musste hart schlucken. Schnell fügte er hinzu: „Das soll natürlich nicht heißen, dass du mir gleich an die Wäsche gehen sollst. Ok. Lass es uns langsam angehen und sei du selbst.“

„Nur wenn du mir versprichst, ich meine es wirklich ernst Jake, dass du mir sagst, wenn du etwas nicht willst.“

„Ich verspreche es“, gelobte der Beta sofort und ohne zu zögern.

„Gut, lass es uns versuchen. Ich bin einverstanden.“ Leise fügte der Rotblonde noch hinzu: „Ich hoffe du weißt, was du entfesselt hast.“

Dann hob er eine Hand über die Brust des anderen. Er wollte ihn streicheln und diesmal würde er sich nicht zurückhalten. Jake verkrampfte sich etwas, als er die Hand auf seiner Brust spürte. Isaak hingegen beobachtete ihn genau. Dann seufzte Jacob und versuchte sich zu beruhigen. Er spürte die sanfte Liebkosung und es gefiel ihm irgendwie. Sofort entwich sämtliche Spannung aus seinem Körper und er konnte diese unschuldige kleine Streicheleinheit genießen.

Isaak ging aber noch einen Schritt weiter er beugte ich vor und Jake spannte abermals die Muskeln an. Er befürchtete, dass er ihn küssen würde und das gefiel ihm nicht. So weit war er noch nicht. Bevor er aber seinen Kopf wegdrehen konnte, spürte er die Lippen des anderen auf seiner Stirn. Sie waren so zart und weich und die Berührung so sanft, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Dann zog sich Isaak zurück und ließ ihn mit einem Chaos von Gefühlen zurück. Er wollte mehr, aber dann doch wieder nicht. Es war zum verrückt werden.

„Beruhige dich. Wir haben alle Zeit der Welt. Wir müssen nichts überstürzen“, schmunzelte Isaak und wartete, bis sich Jake wieder gefangen hatte. Dabei malte er sanfte Kreis auf der stahlharten Brust.

Jake sah auf und ihn traf die ganze Macht der blauen Augen. Er schrak etwas zurück. In den Augen des anderen stand Begierde. Er wollte ihn. Da war aber noch etwas anderes. Eine Art warmer Schimmer. Diesen nahm er jetzt zum ersten Mal bewusst wahr. Die Wärme gab ihm ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Isaaks Blick war eindeutig anders, irgendwie speziell. Etwas, was er nur ihm zeige. Er versank quasi in diesen Augen, und ohne es bewusst zu wollen, seufzte er sehnsüchtig auf.

„Zu viel des Guten?“, frage Isaak und behielt die Körpersprache seines Gegenüber genau im Blick.

„Nein, es gefällt mir“, gestand Jake und wurde rot. Auch diesmal sah er ihn weiterhin an und er wusste, warum dessen flirten, diese Waffe musste man schon beinahe sagen, so ungemein effektiv war. Jake seufzte abermals und sagte: „Solange auch ich den Genuss dieses Blickes komme, darfst du gerne auch anderen den Kopf verdrehen. Sofern du es nicht ernst meinst.“

Isaak gluckste und gestand: „Diesen Blick hat noch keiner außer dir bekommen und das wird auch so bleiben. Vorschlag zur Güte: Sieh genauer hin. Wenn ich mit jemandem flirte, dann wirst du in meinen Augen sehen, ob ich es ernst meine. Oder du siehst einfach in meinem Kopf nach. Ich habe nichts dagegen. Ich mag diese Vertrautheit, wenn unsere Seelen sich berühren.“ Nun wurde auch er rot.

Sie sahen sich tief in die Augen und Jake wusste, dass Isaak die Wahrheit sagte. Er hatte ihn beobachtet und dieser Blick, dem er ihm jetzt schenkte, war anderes als bei den anderen. Bei jenen war sein Blick zwar ebenfalls voll Verlangen, aber auch irgendwie kalt. Es lag keine Wärme darin.

„Gut, halten wir fest, ich soll mich nicht länger zurückhalten. Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, wenn ich dich um den kleinen Finger wickle und fordernd werde.“ Er lachte amüsiert auf und stützte sich nun mit beiden Händen auf seiner Brust ab. „Vielleicht ärgere ich dich auch ein wenig, das ist dir hoffentlich klar. Ich kann sehr verspielt sein, wenn ich will.“

Ein fieses Grinsen umspielte seine Mundwinkel und er bewegte leicht sein Becken und drückte es dem unteren entgegen. Sofort wurde Jake rot wie eine Tomate und sein Blut schoss in Bahnen, wo es nichts zu suchen hatte. Der Wächter wiederholte seine Bewegung und konnte spüren, dass er Erfolg hatte. Etwas pochte an seinem Hintern.

Das ging Jake dann doch zu weit und er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ein Finger legte sich über seine Lippen. Isaak bewegte sich nicht mehr und sah ihn einfach nur mit diesem warmen Blick an. Dann säuselte er verführerisch: „Ich werde deine Grenzen aber respektieren. Keine Angst.“

Er ließ sein Finger wieder unschuldige Muster auf der Brust des Wolfjungen ziehen und fragte ernst: „Noch etwas?“

Was meinte er? Jake war immer noch von diesem Blick gefangen. Schnell schüttelte er den Kopf, um seine Gedanken zu entwirren und sagte: „Ja, wir sind nicht nur Freunde. Wir sind mehr und das weißt du auch. Steh dazu.“

„Jake, ich verstecke mich schon mein ganzes Leben, aber dich würde ich niemals verstecken wollen. Bist du dir sicher?“, wurde er gefragt.

„Ja.“

Isaak stieg etwas von Jake herunter und legte sich neben ich. Dann schlang er einen Arm um seine Brust und kuschelte sich an ihn. Der Beta sah ihn einen Augenblick an und legte dann seinerseits einen Arm um ihn. Kurz drückte er ihn an sich und der Rotblonde streichelte erneut über dessen Brust.

Jake seufzte und genoss diesen Moment. Er lag zwar mit einem Mann im Arm da, aber das ging irgendwie in Ordnung, fand er. Jedenfalls solange es Isaak war. Das zauberte ein Lächeln auf das Gesicht des Wächters.

Der Schlüssel

Isaak hob den Kopf und sah zur Tür. „Ich hoffe, dir ist klar, dass Bella unserer lauten Stimmen und Edward sowieso alles gehört haben?“

„Scheiß drauf“, nuschelte Jake. Dann, etwas lauter, sagte er: „Edward, sag Bella, sie ist schuld, mit ihrem Scheiß drauf. Sie hat damit angefangen.“ Er schmunzelte und drückte Isaak noch enger an sich.

„John ist gleich wieder da. Ich kann seine Schritte hören. Komm, ich muss da was nachholen“, mit diesen Worten sprang er aus dem Bett und hielt Jake eine Hand hin. Dieser verengte die Augen und knurrte beim Gedanken an den Broker.

Da schnappte sich der Wächter einfach seine Hand und zog ihn mit sich. Das dreckige Grinsen der beiden im Vorraum ignorierte Jake geflissentlich und der andere zog ihn einfach mit zur Tür. Dort angekommen, öffnete er diese und John tauchte auf, mit erhobener Hand und offenem Mund.

Irritiert sah er Isaak an und ließ seinen Blick auf ihre verschränkten Hände gleiten. Bevor der Brünette zu Wort kommen konnte sagte Isaak: „John, ich muss mit dir reden. Ich war nicht ganz fair zu dir und habe gerade mächtig einen Einlauf bekommen. Lass mich einige Dinge richtigstellen: Jake ist nicht nur irgendein Freund. Wir sind zusammen. Zudem wird zwischen uns nichts laufen, das ist dir hoffentlich klar? Entschuldige, wenn ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe.“

Erschrocken sah Jake zu Isaak und lief rot an. Er hatte nicht erwartet, dass dieser Nägel mit Köpfen machen würde. Zwar wollte er, dass der Wächter zu ihm stand, aber doch nicht in aller Öffentlichkeit, zwischen Tür und Angel. Zudem der Seitenhieb, dass Jake ihm die Leviten gelesen hatte und er sich ihm unterwarf. Gesagt war gesagt. Daran konnte der Beta jetzt nichts mehr ändern.

Gespannt warteten beide nun auf eine Reaktion von dem anderen. Der öffnete langsam den Mund und stieß hervor: „Gott sei Dank.“

Isaak schmunzelte und trat zur Seite. Jake glotzte den anderen entsetzt an. Hatte dieser auch ein Problem mit Männern intim zu werden?

John trat kopfschüttelnd ein und rede sich von der Seele: „Nimm es mir nicht übel Isaak, aber ich habe echt schon überlegt, wie ich es meinem Partner erklären sollte, dass ich einen Seitensprung hatte. Du bist echt charismatisch und ich mag dich auch, aber ich bin froh, dass du vergeben bist. Das rettet meine Beziehung.“

„Du hast einen Partner? Du bist mit einem Mann zusammen?“, fragte Jake entsetzt nach.

„Ja, er heißt Vincent. Wir sind nun schon fast drei Jahre zusammen. Und ihr zwei?“, fragte John wissbegierig und starrte die beiden an. Dann schüttelte er rasch den Kopf und stammelte: „Sorry, Boss. Das geht mich ja gar nichts an.“

„Können wir uns darauf einigen, dass du dieses Geschleime endlich sein lässt? Hör bitte auf mich andauernd Boss zu nennen, John“, sagte Isaak mit einem Grinsen und fügte hinzu: „Es ist noch ganz neu. Meine erste Beziehung seit Jahrtausenden, du verstehst. Fällt mir nicht leicht alte Gewohnheiten abzulegen.“

Jake starrte den Wächter einfach nur sprachlos an. Dieser hatte eine Zeitangabe gemacht, die ehrlich war, aber so verpackt, dass der andere es als Scherz verstand, sich gleich nochmal für sein Verhalten entschuldigt und alles auf sich genommen. Bei diesem Mann musste man immer auf alles gefasst sein und jedes Wort nach versteckten Andeutungen durchsuchen.

John merkte das alles offenbar gar nicht und sagte vergnügt: „Klar, Boss. Kann ich verstehen, ging mir auch so am Anfang.“

Isaak verdrehte bei dem Wort Boss die Augen, sagte nichts mehr dazu.

Dann wandte sich der Broker an Jake und hielt ihm die Hand hin: „Ich freue mich Sie kennenzulernen, Mr. Black. Ich hoffe, wir können diese kleinen Startschwierigkeiten schnell hinter uns lassen.“

„Jake“, meinte dieser und schüttelte dem anderen die Hand. Er drückte etwas fester zu, aber nicht so, dass er ihm die Finger brach. Gleich mal zeigen, dass er sich mit ihm besser nicht anlegen sollte, dachte er.

Dann grinste er schelmisch, als John die Hand schüttelte und sagte: „Erstaunlicher Händedruck, Jake.“

Isaak verdrehte die Augen mischte sich aber nicht ein. Dann fragte er: „John, nichts für ungut, aber wir sind müde und würden gerne schlafen. Gibt es noch was wichtiges?“

„Nein, das kann alles bis morgen warten. Ich wollte nur sicherstellen, dass euch diese Räumlichkeiten zufriedenstellen und euch sagen, dass ich für Morgen um 8 Uhr Frühstück bestellt habe. Wird alles geliefert, ihr braucht also das Zimmer nicht zu verlassen. Zudem brauchst du dir keine Gedanken zu machen, du bist vollkommen inkognito. Das Zimmer und alle Kosten laufen über deine Firma und werden als Spesen abgerechnet. Dein Name taucht, wie gewünscht, nirgends auf. Kann ich sonst noch was für dich tun, Boss?“

„Nein, heute nicht mehr. Lass uns das morgen besprechen. Wir erwarten dich dann nach dem Frühstück.“

„Aye, aye Kapitän“, sagte John und salutierte erst vor Isaak, dann vor Jake. Dann ging er auch schon, sich die Hand noch immer reibend.
 

„Komischer Vogel“, meinte Bella als die Tür zugefallen war. Dann fixierte sie die beiden Jungs und sie grinste dämonisch. Bevor sie etwas sagen konnte, rief Isaak von der Schlafzimmertür: „Bin weg.“ Damit war er auch schon verschwunden. Sofort versuchte die junge Dame sich auf Jake zu stürzen. Er machte große Augen und wünschte sich, auch so schnell verschwinden zu können.

Plötzlich tauchte Isaak vor dem Beta auf, griff nach ihm, legte ihn sich über die Schultern und meinte ganz unschuldig: „Habe da was vergessen. Nacht euch beiden“, winkte er noch schnell und verschwand mitsamt seiner Fracht.

Bella blies die Backen auf und musste dann lachen. Gemeinsam mit Edward suchte sie sich ein Zimmer aus.
 

Isaak indes warf den überraschten Wolfsjungen einfach auf das Bett und glitzerte ihn verschmitzt an. Jake knurrte wütend. Er war doch keine Puppe.

„Ich kann dich auch wieder vor Bella abstellen, wenn du nicht brav bist“, gluckste der Wächter und ging ins Bad neben an.

Brummelnd sah ihm Jake hinterher und kein zwei Minuten später kam Isaak nur mit Boxershorts bekleidet in den Raum zurück. Er streckte sich und warf Jake ein bezauberndes Lächeln zu. „Du bist dran, Wölfchen.“

Eingeschnappt ging der Beta am Wächter vorbei und verschwand ebenfalls im Bad. Er hingegen machte die Tür zu. Zu seiner Überraschung fand er alles was er brauchte und machte sich ebenfalls rasch bettfertig. Dann stand er etwas unschlüssig in der Tür. Isaak lag auf der einen Seite des Bettes und hatte sich unter die Decken gekuschelt. Er hatte die Augen geschlossen und das Licht ausgemacht. Zudem lag er weit genug weg, um ihm die Wahl zu lassen allein zu schlafen, oder sich an ihn zu schmiegen.

Rot im Gesicht entschied sich Jake dafür allein zu schlafen. Das würde ihre erste gemeinsame Nacht in einem Bett werden, da wollte er es nicht gleich übertreiben. Die Aktion, bei der er Isaak gewärmt hatte, galt nicht wirklich. Er war gefangen gewesen in seiner Prägung und dem Rotblonden war es nicht gut gegangen. Schnell machte er das Licht im Bad aus und schlüpfte auf der anderen Bettseite unter die Decke. Er legte sich auf den Rücken und starrte, mit hinter dem Kopf verschränkten Händen, in die Dunkelheit.

Dann spürte er, wie Isaak sich bewegte und er bekam einen Schmetterlingskuss auf die Wange. „Gute Nacht, Wölfchen“, raunte er ihm noch ins Ohr und verschwand wieder auf seine Seite.

„Nacht“, murmelte Jake und drehte sich von ihm weg. Mit feuerrotem Kopf dachte er, daran muss ich mich wohl erst noch gewöhnen. Schnell schiefen beide ein.
 

„Jake“, rief ihn eine Stimme und etwas kitzelte ihn im Gesicht. Er wollte aber noch nicht aufstehen, lag er doch gerade so gemütlich auf der Seite und hatte seine Decke fest umschlossen. Diese bewegte sich aber komisch auf und ab. Erschreckt blinzelte er und sah rotblonde Haare vor sich. Dann wurde er sich der Tatsache bewusst, dass er nicht seine Decke, sondern Isaak eng umschlungen hatte. Zudem spürte er, dass er eine Morgenlatte hatte. Diese presste er dem anderen an den Hintern.

Erschreckt löste er seinen Klammergriff etwas und blieb einfach liegen. Er spürte zwar, wie sein Gesicht heiß wurde, aber er fühlte sich gerade so zufrieden und mit sich selbst im Reinen, dass er es einfach nicht über sich brachte wegzurücken.

Isaak verdrehte die Augen und seufzte. Dieser verrückte Wolf hatte ihn so stark umklammert, dass er sich unmöglich selbst befreien konnte, ohne ihn zu wecken. „Ok, noch fünf Minuten, Wölfchen. Dann müssen wir aber wirklich aufstehen.“

Jake schnaubte ihm in die Haare und Isaak kuschelte sich wieder an ihn. Peinlich berührt wollte er sein Becken etwas entfernen, aber da lag plötzlich eine Hand auf seiner Hüfte und hielt ihn davon ab. „Bleib so, es stört mich nicht.“

Er dachte kurz und mit trägen Gedanken nach und blieb dann einfach liegen. Solange noch zwei Boxershorts zwischen ihnen waren, konnte er das gerade noch so durchgehen lassen. Zudem wusste er, dass Isaak diese Vertrautheit wirklich genoss und nichts Falsches dachte. Gedankenverloren streichelte er Isaaks Brust ein wenig und wurde mit einem genießerischen Seufzen belohnt. Der andere revanchierte sich und streichelte sanft über seine Arme. Das gefiel dem Beta und er brummte zustimmend.

Als die Zeit um war sagte Isaak: „So würde ich gerne jeden Morgen aufwachen. Vielleicht drehe ich den Spieß auch einfach einmal um? Du hast immerhin von Gleichberechtigung gesprochen. Da bin ich voll auf dabei.“

„Hm…“, brummte Jake und stellte sich das kurz vor. Er war sich aber unschlüssig, ob er als kleiner Löffel zufrieden sein würde.

Isaak ging nicht darauf ein und fragte: „Willst du zuerst duschen?“

„Ja“, sagte Jake, rollte sich herum und hechtete ins Bad. Schnell schloss er die Tür und atmete erst mal durch. Jetzt war ihm das ganze mega peinlich. Er wollte außerdem nicht, dass Isaak die Beule in seinen Shorts sah. Es war auch nicht sonderlich fair von ihm, den Wächter hinzuhalten, weil er Komplexe hatte, ihm aber dennoch seine Latte an den Hintern zu pressen.

„Entspann dich, Jake. Das ist eine ganz natürliche Reaktion beim Schlafen. Ich verstehe das nicht falsch und ich halte es dir auch nicht vor. Ich sagte doch schon, vor mir brauchst du dich weder zu verstellen, noch zu verstecken“, sagte Isaak mental und durchbrach diese unsinnigen Gedankenmuster.

Jake seufzte und antwortete: „Es war dennoch nicht fair.“

„Ich beschwere mich schon, wenn mir etwas nicht passt. Mach dir nicht über so etwas Überflüssiges Gedanken. Es hat dir doch gefallen, sonst wärst du nicht geblieben“, sagte Isaak, aber es schwang etwas Undefinierbares in seiner Stimme mit.

Da war doch noch mehr, stellte Jake irritiert fest und er fragte: „Was ist los? Ich spüre doch deine Unruhe. Wenn das nicht von dem Kuscheln kommt, wovon dann?“

„Das hast du bemerkt. Entschuldige, das ist mein Problem. Ich will dich damit nicht belästigen“, versuchte der Wächter abzulenken, aber Jake bohrte weiter nach.

„In Ordnung, Ich sage es dir. Dein Abgang eben hat mir nicht gefallen.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Nun ja, du bist so überhastet aufgesprungen, dass du mir das Gefühl gibst, ich sei etwas Ekliges, vor dem du schnell weg willst.“

Jake riss die Tür auf und Isaak zuckte zusammen, als er seine wutverzogenen Gesichtszüge sah. „Das ist nicht wahr“, knurrte der Beta und kam näher. Der Wächter zuckte erneut zusammen und wich vor ihm zurück.

Schnell zügelte sich Jake und ließ sich auf dem Bettrand nieder. Bemüht ruhig sagte er: „Isaak, bitte, so war das nicht gemeint. Sie in meinen Kopf, wenn du mir nicht glaubst.“

„Ich glaube dir, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen“, gab der andere kleinlaut zu und sah beschämt weg. „Ich wollte das jetzt nicht thematisieren. Ignoriere es einfach ok. Es ist mein Problem.“

Jetzt wurde es Jake aber zu bunt und er stürzte sich auf den anderen. Er drückte den Rotblonden in die Matratze und ließ diesen sein ganzes Gewicht spüren. Isaak war stark und es würde ihn nicht überfordern. Mit einem normalen Menschen hätte er das wohl nicht tun können. Dann legte er ihm den Kopf zwischen Nacken und Schulter und blieb einfach wo er war.

Er spürte in Isaak die Angst aufsteigen und knurrte: „Ich bleibe jetzt so lange liegen, bis du mit diesem Unsinn aufhörst, verstanden?“

Der Wächter zuckte erneut zusammen und Jake sagte sanfter: „Ich bin nicht gut mit solchen Gefühls-Dingen. Das ist meine Art, dir zu zeigen, dass ich dich nicht eklig finde.“ Er seufzte und gestand. „Oder jedenfalls nicht mehr.“

Es dauerte eine Weile, dann entspannten sich Isaaks Muskeln und er schlang die Arme um ihn. „Danke“, murmelte er und drückte sich ihm entgegen.

„Kann ich jetzt ins Bad gehen, ohne dass du glaubst, ich würde dich eklig finden?“, knurrte Jake und stemmte sich hoch. Tränen glitzerten in den blauen Augen und Isaak nickte.

Der Beta stand auf und warnte: „Ich werde auf deine Gedanken achten. Wenn du wieder damit anfängst, hast du mich sofort wieder am Hals, verstanden?“

„Ja“, sagte der Rotblonde und musste einfach lächeln.

„Schon besser“, knurrte Jake und ging zurück ins Bad, diesmal ließ er aber die Tür offen. Isaak würde nicht heimlich gaffen, da war er sich sicher. Er wollte ihm einfach beweisen, dass er ihm vertrauen konnte. Ebenso, wie er ihm vertrauen wollte.

Isaak war in vielen Dingen so stark. In manchen aber auch so verletzbar. Jake seufzte, das musste er ihm austreiben. Er war ja selbst schuld. Er hatte ihn so oft beschimpft und erst gestern erneut beleidigt. Vieles von dem, was er ihm schon angetan hatte, kam nun langsam an die Oberfläche. Seine Aufgabe war es nun diese Missetaten zu bereinigen und dem Wächter die Angst zu nehmen. Zudem schwor er sich den andern nicht mehr zu beleidigen. Das würde nur weitere Narben hinterlassen. Er musste wirklich dringend an seinem Temperament arbeiten.

Auch der Wächter machte sich seine Gedanken. Er hatte nicht erwartet, dass Jake ernsthaft auf seine Gefühle eingehen würde. Nichtsdestotrotz war er sehr froh, dass dieser es dennoch getan hatte. Er überprüfte fachmännisch ihre Bindung und bemerkte, dass sie stärker wurde. Durch ihre beiden Entscheidungen hatten sie unbewusst einen weiteren Meilenstein in ihrer Beziehung hinter sich gebracht. Er konnte nur hoffen, dass Jake wirklich bewusst war, worauf er sich da einließ.

Gefühle, welche Isaak tief in den hintersten Ecken seines Geistes vergraben hatte, brachen langsam hervor. Er hatte nicht mehr die Kraft sie zu unterdrücken. Alle beide hatten ihr Päckchen zu tragen und nur die Zeit konnte offenbaren, wie es weiter gehen würde.

Als der Wolfsjunge komplett angezogen aus dem Bad kam, fand er den anderen auf der Bettkante vor. Isaak war noch immer tief in seinen Gedanken vertieft und hatte ihn noch nicht bemerkt. Mit einem frechen Grinsen hockte er sich vor dem Rotblonden hin und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Erschrocken zuckte der Wächter zusammen und sah ängstlich auf. Der andere hatte sich wieder aufgestellte und beobachtete gespannt dessen Reaktion. Dann verstand Isaak und seine Angst wich. In den blauen Augen zeigte sich erneut dieser warme Schimmer. Jake mahlte mit den Zähnen und wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Erwartete Isaak, dass er jetzt etwas sagte oder ihn küsste?

„Dummes Wölfchen“, schalt der Rotblonde ihn und fügte hinzu: „Ich erwarte gar nichts. Ich bin einfach nur glücklich.“ Dann stand er auf nahm ihn kurz in den Arm und ging ebenfalls ins Bad. Gedanklich knurrte Jake ihm hinterher: „Füchslein.“ Schlussendlich musste er aber grinsen. So langsam gefiel ihm dieses kleine Spiel zwischen Annäherung und Necken.

Er hatte keine Lust sich Bella zu stellen und legte sich wieder rücklings ins Bett. Die junge Dame würde nachbohren und sie wusste bestimmt schon alles. Edward hatte es ihr verraten, ganz sicher, die alte Petze.

Jake träumte ein wenig vor sich und diesmal war er es, der nicht bemerkte, wie Isaak den Raum betrat. Einen Moment sah er zu dem Wolfsjungen, dann gab er seinem Spieltrieb nach und setzte sich auf das Becken des anderen. Dieser zuckte nicht mal zusammen und sah lediglich auf. Er fragte sich, was der Rotblonde denn jetzt schon wieder vorhatte.

„Och, so macht das aber keinen Spaß“, murrte Isaak, da Jake keine Anstalten machte sich zu wehren.

So war das also. Jake grinse fies und drehte den Spieß um. Mit einem Ruck stand er auf und legte seinem Gegenüber frech die Hände unter den Hintern. Isaak klammerte sich erschrocken an den muskulösen Körper, um nicht auf den Boden zu plumpsen. Zudem gab er einen spitzen Aufschrei von sich. Mit feuerrotem Kopf schaute er Jake in die Augen und sah den Schalk darin aufblitzen.

„Das Spiel kann man auch zu zweit spielen“, gluckste der Beta und stellte Isaak auf dem Boden ab. Dieser verdrehte die Augen und sie grinsten sich an. Die Schlacht war eröffnet.

Bevor einer der beiden allerdings etwas unternehmen konnte, klopfte es an der Eingangstür und der Kampf wurde vertagt. Schnell rauschte Isaak davon und ließ das Hauspersonal in den Vorraum. Jake trottete hinterher und sah sich ein wenig um. Der ganze Prunk, das Gold, die Gemälde, die Vasen und was auch immer hier alles rumstand, interessierte ihn nicht wirklich. Er roch was zu Essen und war somit nicht mehr ganz zurechnungsfähig.

Er musste sich davon abhalten an den Tisch zu stürmen und sich, wie ein ausgehungerter Wolf, auf das Frühstück zu stürzen. In so einem piekfeinen Laden wollte er sich nicht wie ein Waldschrat aufführen. Auch Bella und Edward, aufgescheucht durch die Eindringlinge, kamen aus einer der vielen Türen. Beide waren vollständig angezogen und hatten ihre Kleidung gewechselt.

Gedanklich machte sich Jake eine Notiz; sie mussten dringend mal Klamotten kaufen gehen. Isaak hatte ja genug Kohle. Es würde ihm sicher nichts ausmachen etwas davon auszugeben. Immerhin sah er das Geld als Problem und wollte es eh los werden. Er nahm sich vor, John darauf anzusprechen, wie sie eigentlich an das Vermögen des Wächters herankamen.

Die Kellner hatten indes den großen Mahagoniesstisch gedeckt. Selbstverständlich mit Silberbesteck und allem Drum und Dran. Sie alle trugen Anzüge und benahmen sich vorbildlich. Dann stellten sie sich, ganz Butlerlike, hinter den Stühlen auf und einer von ihnen flötete ergeben: „Das Essen ist serviert.“

Jake fand es sehr seltsam, dass ihm jemand den Stuhl ran schob und ihm dann auch noch eine mit Spitze versehene Serviette auf seinem Schoß platzierte. Auch Bella machte große Augen und wirkte etwas deplatziert. Edward und Isaak hatten hingegen keine Probleme. Beide kannten dieses Szenario schon.

Dann wurden ihnen verschiedene Dinge angeboten: Von feuchten heißen Tüchern bis hin zu einer Kollektion von Zeitungen. Der Vampir nahm sich eine der Nachrichtenblätter und vertiefte sich sogleich in dieses. Zum Schluss wurde ihnen Kaffee eingegossen. Ohne ein weiteres Wort ging das Personal und ließ die Herrschaften wieder allein.

Edward schielte über seine Zeitung und stichelte: „Das ist unser Waldmensch hier wohl nicht gewohnt. In der gehobenen Schicht ist das ganz normal.“

„Kann ja nicht jeder Geld scheißen, wie ihr Blutsauger“, knurrte Jake zurück. Dann griff er auch schon zu und sagte schnell: „Guten Appetit.“ Ein klein wenig Anstand war wohl angebracht.

Der Vampir verdrehte die Augen und schmierte für Bella schnell ein Brötchen. Dieses legte er ihr dann auf den Teller und las weiter seine Zeitung. Sie wollten nicht auffallen und es wäre eigenartig, wenn Edwards Teller und Besteck unbenutzt blieben.

Isaak grinste und legte seine Hand auf den Kaffee des Blutsaugers. Dann murmelte er ein paar Worte und erklärte dem verdutzten Edward: „Damit du nicht ganz leer ausgehst. Das Getränk wird dir nun schmecken und du wirst es vertragen, aber es wird dich nicht nähren. Es ist nur eine kleine Geschmacksänderung. Das Koffein wird aber auch weiterhin keinen Effekt auf dich haben.“

„Danke“, sagte der Vampir und nahm einen Schluck. Genießerisch schloss er die Augen. Es war schon so lange her, dass Kaffee ihm geschmeckt hatte. Die Magie des Wächters war wirklich praktisch. So langsam verstand er, wie vorteilhaft dessen Gunst war. Ein wenig wehleidig dachte er daran, dass er einen Gefallen von dem Mann einfach abgelehnt hatte. Bei Bella waren diese dennoch besser aufgehoben.

Auch die beiden anderen dachten in ähnlichen Bahnen. Dann zuckten sie mit den Schultern und machten sich über das Essen her. Jake hielt sich zwar etwas zurück, dennoch sah ihm Bella irritiert dabei zu, wie dieser rabiat alles verputzte.
 

Nachdem sämtliches Essen vernichtet worden war, der Wolfsjunge hatte ganze Arbeit geleistet, klopfte es auch schon und John kam herein. Sie begrüßen einander und der Broker sagte sogleich: „Es ist alles vorbereitet. Charles wartete unten mit der Limousine. In der Bank habe ich auch schon Bescheid gegeben.“

„Na dann los“, sagte Isaak fröhlich und griff nach Jakes Hand. Dieser wurde leicht rot, verschränkte aber ihre Finger miteinander.

Keine zwanzig Minuten später standen sie auch schon vor einer großen Bank. John führte sie durch die Glastüren und steuerte zielstrebig eine Seitentür an. Auf dieser stand, in roter Schrift: Zutritt verboten. Vor der Tür standen zwei Wachmänner und beäugten die ankommende Gruppe. Dann erkannten sie den Broker und einer öffnete rasch die Tür für sie. Beide nickten dem Brünetten zu und verbeugten sich.

John nahm das zur Kenntnis und schritt erhobenen Hauptes schnell weiter. Die Wachmänner eilten voraus und öffnete alle Türen auf ihrem Weg. Kurze Zeit später standen sie vor einer großen Tresortür. Daneben wartete ein Mann im Anzug, der sich vor dem Broker verbeugte. „Ah, Mr. Turner eine Freude Sie zu sehen.“ Nach dieser Begrüßung zog er eine Karte durch das Lesegerät neben der Tür und sagte: „Ihren Handabdruck, bitte.“

John trat vor und legte seine rechte Hand auf den Scanner. Es dauerte einige Sekunden, dann wurde das Display Grün und die dicken schweren Stahlbolzen begannen sich zu entriegeln.

„Mr. Happer, wenn Sie uns nun bitte allein lassen würden. Wir kommen später zu Ihnen, um alles weiter zu besprechen“, gab der Broker Anweisungen

„Natürlich Sir“, nickte der Mann und schnippte mit den Fingern. Anschließend zogen sich die Wachmänner gemeinsam mit ihm zurück.

Dann sah John zu Isaak und sagte: „Also ich gehe da nicht rein. Viel Spaß.“ Er lächelte verlegen und schritt von dannen.

Der Wächter sah ihm nachdenklich hinterher und zucke mit den Schultern. Ohne zu zögern ging er in den Tresorraum. Die anderen blieben draußen und sahen sich an. Stumm fragten sie sich, ob es in Ordnung wäre mitzugehen.

„Wenn ihr wollt könnt ihr gerne mitkommen. Ich habe nichts dagegen“, kam es aus dem Tresorraum. Die Bande tat es Isaak gleich und folgte ihm. Edward blieb aber in der Nähe der Tür stehen. Nur für den Fall, dass einer versuchen würde sie einzusperren.

Im Inneren des Tresors stand ein großer einfacher Metalltisch. Die Wände bestanden aus unterschiedlich großen Schließkassetten. Mehr war nicht zu sehen.

Zielstrebig ging Isaak auf eine dieser Kassetten zu und zückte einen kleinen Schlüssel aus der Hosentasche. Dann hielt er seine rechte Hand vor die Nummer 84 und murmelte etwas. Erst nach seinem Zauber schob er den Schlüssel in das Schloss und es klickte metallisch. Er öffnete den Verschlag und zog eine Metallschale heraus, welche den ganzen Raum des Faches einnahm. Die Box stellte er auf den Tisch und warf einen verstohlenen Blick in Richtung Tür.

Nachdem er sich versichert hatte, dass sie alleine waren, öffnete er die Box mit demselben Schlüssel. Im Inneren lag ein Kristallsplitter. Er war knapp zehn Zentimeter lang und durchsichtig. Zudem sah er recht unscheinbar aus.

Isaak nickte und nahm den Kristall in die rechte Hand. Dann sah er sich das Kleingut genau an. „Ja, das ist der Schlüssel.“

Alle hatten angenommen, dass der Wächter den Kristall in seine Hand rammen würde, sowie er es auch mit dem Dolch getan hatte, aber er steckte ihn einfach in die Hosentasche.

„Was?“, fragte er irritiert als er die Blicke der anderen bemerkte.

„Ich dachte…“, begann Jake und schlug mit der Rechten in die Linke.

„Ach so. Nein, das geht nicht. Dieser Kristall ist gegen Magie versiegelt. Ich kann ihn nicht einfach einen Teil von mir werden lassen. Das ist auch der Grund, warum ich ihn nicht gerne bei mir trage. Sollte ich zum Beispiel mittels Magie teleportieren, würde er einfach zurückbleiben. Das ist ein Schutzmechanismus, damit ein menschlicher Magier den Kristall nicht beeinflussen kann. Die Außenwände der Außenposten und der Zitadelle sind ebenfalls geschützt.“

„Und der Zauber auf der Schließkassette?“, frage Jake interessiert.

„Das war nur ein kleiner Verwirrungszauber. Er sollte sicherstellen, dass sich niemand daran zu schaffen macht“, gab Isaak Auskunft und zuckte mit den Schultern.

„Irgendwie enttäuschend“, meinte Bella und zuckte ebenfalls mit den Schultern.

Isaak verdrehte die Augen und offenbarte: „Magie ist doch keine Show. Spezialeffekte, Krach und Rauch sind ein deutliches Zeichen für einen Scharlatan.“

Dann verließen sie gemeinsam den Raum, wobei sich Bella bei Edward und Isaak bei Jake einhakte. Der Wolfsjunge bekam sofort eine leichte Röte im Gesicht, ließ es aber zu.

Ohne ein Problem verließen sie den Tresor und stießen im Gang auf John. Dieser lehnte an der Wand und lächelte sie an. „Alles erledigt, Boss? Gut, dann können wir weiter machen. Wir haben heute noch einiges vor.“

„Ach, ja“, fragte der Wächter überrascht. „Was denn alles?“

Der Broker grinste und offenbarte: „Als nächstes Treffen wir den Bankdirektor. Du brauchst immerhin Zugriff auf dein Geld. Danach haben wir noch ein paar Akten und andere Dinge zu besprechen.“

Er betrachtete sie von oben bis unten und sagte langsam und vorsichtig: „Zudem würde ich euch gerne neu einkleiden. Mir ist aufgefallen, dass ihr beide das Gleiche tragt wie gestern. Und nur Mr. Cullen hatte Gepäck dabei. Ich nehme mal an für sich und Mrs. Swan. Es ist zwar nicht meine Entscheidung, aber ich würde dringend zu einer neuen Garderobe raten.“

Isaak runzelte die Stirn und sagte: „Ich benötige keine…“

„Einverstanden“, unterbrach Jake Isaak und sah ihn scharf an. „Das deckt sich auch mit unseren Wünschen.“ Der Wächter sah ihm einen Augenblick in die Augen und zuckte mit den Schultern. Wenn der andere das wollte, dann würde er sich nicht sträuben.

„Puh“, stieß John hervor. „Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Diese Lumpen sind nicht angemessen für euren Stand.“ Er stieß sich von der Wand ab und ging voraus. Den beleidigten Gesichtsausdruck im Gesicht des Betas sah er nicht. Das waren immerhin die besten Sachen, die er besaß.

Leise flüsterte Edward und stichelte ein wenig: „Da hörst du es, Jake.“

Die beiden funkelten sich gegenseitig an.

John merkte nichts von dem kleinen Streit und sprach einfach weiter: „Ich kenne da einen exquisiten Designer. Der versteht sein Handwerk und arbeitet sehr schnell. Ich werde gleich mal einen Nottermin für heute vereinbaren. Alexei wird euch vier einen ordentlichen Look verpassen.“

Jake grinste fies als Edwards Gesichtszüge entgleisten. Bella hingegen sah an sich runter und fragte sich, was dem Broker an ihrem Outfit nicht passte.

„Habt ihr schon Pläne für das Abendessen? Ich kann euch überall reinbringen“, fragte der Broker und sah sich um. Schnell wandten sich alle dem Mann zu und Isaak fragte: „Ich würde gerne mal wieder Sushi essen. Das letzte Mal ist schon ewig her. Oder was meint ihr?“

Bella nickte begeistert und Edward war es sowieso egal. Er konnte ja eh nichts essen. Jake hingegen sah ratlos aus. „Ist das nicht so ein rohes Fisch-Zeug?“

„So könnte man es nennen“, meinte John nachdenklich. „Dann also ins Masa. Das ist das erlesenste Sushi-Restaurant im ganzen Bundesstaat. Ich kümmere mich gleich darum. Einen Tisch für vier bekomme ich hin.“

„Für sechs bitte. Ich hätte dich und Vincent gerne dabei“, bestimmte Isaak und lächelte süffisant.

Jake ging zu mental über und knurrte: „Warum?“

Ebenfalls mental bekam er die Antwort: „John kommt dem, was ein Freund ist, am Nächsten und ich will mir diesen Vincent mal ansehen. Wenn der nur hinter Johns Geld her sein sollte, werde ich mich wohl um ihn kümmern müssen. Oder stört dich das? Ich kann auch absagen.“

Der Wolfsjunge seufzte mental und sagte: „Wenn das so ist, habe ich nichts dagegen.“

„Darf ich fragen was du gedacht hast?“

„Nein, ist mir zu peinlich.“

„Verstehe. Warum sollte ich jemand anderes wollen, wenn ich doch schon dich habe? In all meinen Lebensjahre bist du der eine für mich. Selbst, wenn wir nicht gebunden wären, würde ich niemand anderen so nahe an mich heranlassen, wie dich.“

Sie beendeten ihr kleines Gespräch und Jake bekam schon wieder Farbe im Gesicht. Wie konnte der andere einfach so etwas sagen? Er selbst würde sowas Schwules niemals sagen. Aus Isaaks Mund hörte es sich gar nicht so schlimm an. Nein, wenn er ehrlich zu sich selbst war, freute er sich über dieses Kompliment.

„Aye aye, Boss“, sagte John langsam, zu langsam.

„Stimmt was nicht?“, fragte der Wächter scharfsinnig nach.

„Ne, alles ok“, wich der Brünette aus.

Mental fragte Isaak: „Jake, was dagegen, wenn ich…“

„Nein“, erwiderte der Beta im Geiste und kämpfte immer noch mit seinen Gedanken.

Sofort setzte Isaak seinen ganzen Charme ein und überflutete den Broker regelrecht. „John, mir kannst du es sagen.“

Jake warf dem Wächter einen Seitenblick zu und stellte erleichtert fest, dass die blauen Augen zwar liebreizend strahlten, aber keine Wärme in ihnen lag. Das besänftigte sein Gemüt ungemein.

Der Brünette war vollkommen überfahren und stammelte: „Ich habe wohl zu viel von dir geschwärmt und Vincent ist nicht so gut auf dich zu sprechen. Er hat Angst, dass du mich flachlegen willst.“

„Vortrefflich, dann können wir diese Angelegenheit auch gleich aus der Welt schaffen. Also ein Tisch für sechs“, bestimmte Isaak und entließ den anderen aus seinem Bann.

„Wie du meinst“, murmelte John und schüttelte den Kopf. Isaak wickelte ihn immer um den kleinen Finger. Wie machte er das nur?

Hochgeschwindigkeit

Dann setzten sie ihren Weg fort. Drei Gänge und einen Fahrstuhl weiter, erreichten die Gruppe das Büro des Bankleiters. Dort stand ein älterer Mann, Mitte fünfzig, und strahlte John an, als dieser antrat. Der Direktor hatte fast eine Glatze. Das wenige noch übriggebliebene Haar war grauweiß. Er trug einen teuren Anzug und war recht beleibt.

„Mr. Turner, welch Freude Sie zu sehen, Sir“, schnatterte der Grauhaarige aufgeregt und schüttelte dem Broker die Hand. Die anderen ignorierte er geflissentlich.

„Einen schönen guten Tag, Mr. Schmitt. Entschuldigen Sie meine Eile, aber wir haben heute noch viel vor. Haben Sie alles vorbereitet?“, fragte der Brünette freundlich, aber in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.

„Selbstverständlich. Es kommt ja nicht häufig vor, dass der große Prophet einen Wunsch hat“, scherzte der Mann und ging zu seinem Schreibtisch. „Wie Sie wünschten, habe ich zwei Platin-Kreditkarten vorbereitet. Diese sind entsprechend Ihrer Vorgaben mit dem Spesenkonto 001 verbunden.“

Jake der sich ärgerte, dass der Mann sie ignorierte, knurrte ungehalten: „Und wie viel ist auf dem Konto?“

Der ältere Mann sah auf und verengte zornig die Augen. Dann sagte er hochmütig: „Das geht Sie nicht an. Ich weiß nicht einmal, was Sie hier zu suchen haben.“ Er wandte sich an den Brünetten und sagte: „Mr. Turner, dürfte ich Sie bitten Ihre Freunde hinauszuschicken? Dann könne wir alles in Ruhe besprechen.“

Schnell warf John Isaak einen Seitenblick zu und dieser sagte: „Sag es ihm, John. Ich habe echt kein Interesse daran, meine Zeit hier zu verschwenden. Wie du schon sagtest, wir haben noch viel vor.“

„Ja, Boss“, schwatzte der Broker und ihm fiel ein Stein vom Herzen. Dann wandte er sich an den Älteren, der irritiert dreinschaute. „Mr. Schmitt ich erinnere Sie vorab an die Verschwiegenheitsklausel in ihrem Vertrag. Sollte mir zu Ohren kommen, dass Sie gegen diese verstoßen, hetze ich Ihnen all unsere Anwälte auf den Hals. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Sir“, sagte der andere kleinlaut und schluckte hart.

„Gut. Wenn ich ihnen nun vorstellen dürfte. Das hier ist Mr. Wächter, der stille Eigentümer von Tuner Industries und der Kopf hinter allem. Das hier sind Mr. Black, Mr. Cullen und Mrs. Swan. Mr. Black hat eine Vollmacht von Mr. Wächter und wird in seinem Namen sämtliche Geldgeschäfte regeln. Die beiden Karten auf dem Tisch sind für Mr. Wächter und Mr. Black. Also seien Sie so gut und beantworten Sie sämtliche Fragen.“

Herrn Schmitt ging der Mund auf und er starrte Jake an. „Das ist ein Scherz, oder?“, stammelte er und rang um Fassung.

„Nein, das ist kein Scherz“, bestätigte der Geschäftsführer und hoffte, dass der andere keinen Herzinfarkt bekam.

Der ältere Mann nickte und sammelte sich rasch. Dann legte er ein falsches Lächeln auf und begann: „Entschuldigen Sie Mr. Black, Mr. Wächter.“ Dann hielt er Isaak die Hand entgegen. Dieser hatte aber kein Interesse an Höflichkeiten und fragte: „Wie viel Geld ist auf dem Konto 001?“

Schnell zog der Direktor die Hand zurück und verbeugte sich. „100 Millionen Dollar, Sir.“

„Was nur?“, scherzte Jake und sah erschrocken zu John.

„Verzeihen Sie, Mr. Black. Ich kann jederzeit den Salto erhöhen, wenn Sie es wünschen. Dies ist lediglich eines von vielen Konten. Sobald sie Geld abheben, wird das Guthaben automatisch wieder auf diesen Betrag aufgestockt. Auf wie viel soll ich das Konto anheben, Sir?“

„Das passt fürs Erste“, sagte der Wolfsjunge entsetzt. Wie viel Geld hatte Isaak eigentlich?

„Natürlich, Sir. Haben Sie noch weitere Fragen?“

„Was ist das Kreditlimit?“, fragte Jake langsam und wusste nicht, was er noch in Erfahrung bringen sollte. Er kannte sich mit solchen Dingen nicht aus. Weder er, noch sein Vater, besaßen eine Kreditkarte. Er glaubte aber schon einmal gehört zu haben, dass diese Karten ein Limit hatten.

Irritiert sah der Direkter kurz auf. Dann senkte er wieder den Blick und offenbarte: „Unbegrenzt, also maximal 100 Millionen Dollar pro Transaktion, um genau zu sein. Bei größeren Summen brauchen Sie nur anzurufen und ich erhöhe den Salto.“

Das rechte Augenlid des Wolfsjungen zuckte und er fragte mental, wobei er seine Barriere senkte. „Edward, bitte hilf mir. Muss ich noch was wissen?“

Der Vampir seufzte und fragte: „Sind die Karten versichert?“

„Ja, Mr. Cullen, selbstverständlich.“

„Wie sieht es mit der Verfügbarkeit aus, gelten die Karten weltweit?“

„Ja, überall wo Kreditkarten akzeptiert werden, können diese benutzt werden.“

„Gibt es weitere Extras?“

„Einige. Zum Beispiel eine umfassende Auslandskrankenversicherungen ist inkludiert. Sowie Reiserücktritts-, Gepäck-, Mietwagen- und Einkaufsversicherungen. Ich werde Ihnen eine Liste mit allen Extras mitgeben.“

„Gut des Weiteren hätten wir gerne 10.000 Dollar in bar. Ist das möglich?“

„Ich werde das Geld für sie herbringen lassen, Mr. Cullen.“

„Das wäre dann alles für Erste“, sagte Edward und ließ sich seine Überraschung nicht anmerken.

„Haben Sie noch weitere Fragen Mr. Black, Mr. Wächter?“

Jake sagte: „Nein“ und dankte dem Blutsauger schnell. Dann machte er seinen Kopf wieder dicht.

Isaak hatte sich alles angehört und fragte: „Wenn alles geklärt ist, können wir dann fortfahren?“

„Selbstverständlich, Sir“, sagte Mr. Schmitt und erhob sich ächzend. Schnell ging er zu seinem Schreibtisch und legte einige Blätter hin. „Sie müssen nur noch hier unterschreiben. Zudem benötige ich jeweils eine beglaubigte Vollmacht von ihnen, Mr. Turner. Sie sind der eingetragene Geschäftsführer.“

Bei diesen Worten zog John zwei Zettel aus seiner Weste und sagte: „Habe Sie hier.“ Zu Jake und Isaak sagte er schnell: „Ihr müsst nur noch unterschreiben und alles ist erledigt. Ich habe sie bereits vorab beglaubigen lassen.“

Der Broker trat ebenfalls an den Tisch heran und breitete die Zettel aus. Dann zückte er einen Stift und sah die beiden an.

Schnell trat Edward vor und fragte: „Darf ich mir das zuerst ansehen?“ Jake und Isaak sahen sich kurz an und nickten. Dann ging Edward an den Schreibtisch und las sich alles schnell durch. Zufrieden nickte er und die beiden anderen traten vor.

John und der Grauhaarige zeigten ihnen, wo sie ihre Unterschriften platzieren mussten und der Direktor rief einen Angestellten mit dem Bargeld herbei. Am Ende setzten Jake und Isaak auf die Karten ihre Unterschrift und nahmen diese an sich. Zudem nahm Isaak das Bargeld und gab es an Jake weiter.

Mental sagte der Wächter und eröffnete ein Gespräch: „Nimm du diese Fetzen. Ich kann sowieso nichts damit anfangen. Aber, mal so nebenbei: sind 10.000 Dollar viel oder wenig?“

„Kommt drauf an. Für 10.000 Dollar kann man sich eine Menge leisten. Zum Beispiel kann man damit Essen für das Rudel kaufen, für ganze zehn Monate. In den Kreisen, in denen wir jetzt wohl verkehren, wird das wohl nicht mal für eine Woche reichten.“

„Sollte ich dann mehr mitnehmen?“

„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich nehme mal stark an, dass Edward die Kohle für Kleinigkeiten vorgesehen hat, wo man die Karten nicht benutzen kann, aber fast überall nehmen sie die Kreditkarten, glaube ich jedenfalls.“

„Ich verstehe das System mit diesen kleinen Dingern nicht. Brauchen wir dann nicht mehr davon? Wenn ich damit bezahlte und sie den Leuten gebe?“

„Nein, die behalten die doch nicht. Sie lesen sie nur aus und du bekommst die Karte zurück.“

„Verstehe, aber wie bekommen die Leute dann ihr Geld?“

„Das wird ihnen auf ihr Konto gutgeschrieben.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Sieh es mal so. Du hast auf deinem Konto das Geld. Wie ein Tresor voller Gold. Wenn du was mit den Karten bezahlst, dann sagst du der Bank somit, sie solle etwas aus deinem Tresor nehmen und es in den Tresor des anderen legen. So geht das heutzutage.“

„Hm… klingt umständlich. Ich bleibe beim Tauschhandel. Viel Spaß damit“, sagte Isaak und beendete die gedankliche Unterhaltung. Jake schüttelte den Kopf und steckte das Geld in seine Tasche.

Professionell sagte der Direktor: „Das wäre dann alles. Hier haben Sie noch ihre Pins, sowie die Liste aller Extras und meine Visitenkarte. Dort steht auch meine Privatnummer. Scheuen Sie sich nicht mich jederzeit anzurufen, Mr. Black, Mr. Wächter.“

„Das wird nicht nötig sein. John regelt auch weiterhin alles für uns“, sagte Isaak schnell und der Broker nahm die Unterlagen für sie in Empfang. Er verstaute diese in seiner Weste.

Anschließend gingen sie und ließen den Älteren zurück.

„Hast du ihm den Bann auferlegt?“, fragte Jake schnell durch ihre Verbindung.

Isaak nickte kaum merklich und erwiderte mental: „Ja, sowie auch John, Dolores und Charles. Keine Sorge, ich bin da sehr gründlich.“

Ohne Umschweife gingen sie zu der Limousine zurück. Dort gab John den beiden ihre Pins und sagte ihnen, sie sollen diese sich gut einprägen. Dann nahm er die Zettel an sich und verstaute sie wieder. Charles fuhr sie in dieser Zeit einmal quer durch die Stadt, bis er vor einem unscheinbaren Haus parkte.

Der Broker verkündete: „So hier ist Alexeis Geschäft. Wirklich ein Geheimtipp. Er bedient nur die High Society und freut sich immer über eine Herausforderung. Ich muss euch allerdings warnen, er ist ein wenig schwierig, um es vorsichtig auszudrücken. Ein echter Künstler eben.“

Er grinste und schüttelte kurz den Kopf. „Und er könnte auch mal etwas mehr Sonne vertragen. Aber, er ist der Beste in seinem Fach. Ich muss noch einiges erledigen und werde nicht mitkommen. Sagt ihm einfach, dass ihr zu mir gehört und einen Termin habt. Dann klappt das schon. Charles wird auf euch warten.“

Die Gruppe stieg uns und winkte John kurz zu. Dann brauste der Wagen auch schon davon. Daraufhin betraten sie, Isaak voran, den eher schäbig aussehen Laden.

Der Eindruck von außen war trügerisch. Im Inneren staunten sie nicht schlecht. An der rechten Wand stand ein raumhohes, etwa zehn Meter langes Regal, mit unendlich vielen Fächern. In jedem lagen Stoffbahnen in verschieden Farben und Qualität. Zu ihrer Linken war ein keines Podest vor einer Spiegelwand platziert, auf dem offenbar die Kunden ausgestattet wurden.

Zudem standen überall Fässer und Kisten, ebenfalls gefüllt mit Stoffbahnen. Ein Tisch mit verschieden Scheren, Stecknadeln und Maßbändern stand in der Mitte des Raums. Dann gab es noch eine kleine gemütlich aussehende Sitzecke zum Warten und weiter hinten sahen sie verschieden Nähmaschinen und Körperständer, auf denen verschiedene halbfertige Anzüge und Kleider ausgestellt waren.

Ein großes Tuch spannte sich weiter hinten im Raum, quer durch diesen und verdeckte den restlichen Bereich. Die angebrachten Lampen ließen alles in einem warmen und einladenden Licht erstrahlen und ein schwerer Parfümgeruch schwängerte die Räumlichkeiten. Instinktiv hielt Edward die Luft an. Nichts zu riechen war immer noch besser als dieser bissige Geruch in der Nase. Auch Jake versuchte möglichst durch den Mund zu atmen, um dem hiesigen Aroma zu entgehen.

Auch wenn es recht chaotisch aussah, lag die Vermutung nahe, dass es offenbar ein akribisches Ordnungssystem gab. Auch waren der Boden und alle Ablagen blitzblank und strahlten nur so vor Sauberkeit. Ganz allgemein konnten sie sich alle gut einen findigen Schneider vorstellen, der hier auf und ab flitzte und nach Herzenslust seiner Berufung frönte.

Aus dem hinteren Teil des Ladens drang eine Stimme mit starkem französischem Akzent: „Wir sind gleich für Sie da. Alexei, der neue Kunde ist da, beeil dich etwas.“ Den zweiten Satz hörten allerdings nur Isaak, Jake und Edward, weil er geflüstert wurde.

„Kann man nicht mal in Ruhe Essen? Immer langsam, man soll doch nicht schlingen Mathéo“, flüsterte eine andere angenehme Stimme zurück. Diese war etwas kantiger und hatte eine russische Betonung.

Dann wurde der Vorhang zur Seite geschoben und zwei Gestalten tauchten auf. Alle rissen die Augen auf und erstarrten. Der eine hatte eine perfekte stylische Frisur, mit ein wenig Glitzer in den rabenschwarzen Haaren. Sein Gesicht war anmutig und engelsgleich, ein wenig kindlich und sehr weich. Er war gut einen Kopf kleiner als der andere. Dieser hatte kurze blonde Haare und sah eher kernig aus. Trotz dieses Auftretens wirkte er noch immer anmutig und wunderschön. Beide trugen gewagte vielfarbige, aber dennoch edel aussehende Kleidung. Zudem hatte das Duo bleiche, fast weiße, makellose Haut und sie waren eindeutig Vampire.

Sofort schoss Edward vor Bella, fauchte und bleckte die Zähne in Kampfhaltung. Jake begann zu zittern, die Augen zu Schlitzen verengt und wütend knurrend. Die junge Dame zog scharf die Luft ein und sah entsetzt zu den beiden anderen. Einzig Isaak rührte keinen einzigen Muskel und lächelte sanft.

Die beiden Vampire hoben ihre Hände abwehrend und der kleinere, mit dem Glitzer im Haar, stammelte mit seinem französischem Akzent: „Bitte, wir wollen keinen Ärger. Geht einfach wieder.“

Jake aber dachte gar nicht daran zu gehen. Er wollte sie zerreißen und zerstören. Die Vampire trugen zwar farbige Kontaktlinsen, aber er sah den roten Schimmer dahinter. Die Stimmung war gereizt und ein Kampf schien unausweichlich.

Plötzlich klatsche der Wächter in die Hände und sagte fröhlich: „Bestens, mit Vampirgeschwindigkeit wird das wesentlich schneller gehen. Dabei ich hatte schon Angst den Rest des Tages hier zu verbringen.“

Alle starrten den Rotblonden entsetzt an.

„Welchen Stoff würdet ihr empfehlen?“, fragte Isaak und verschwand.

„Der hier gefällt mir“, kam es urplötzlich vom Regal her. „Seide aus China von höchster Qualität.“

„Das stimmt“, brabbelte Mathéo verunsichert.

Isaak sah zu seiner Gruppe und runzelte die Stirn. „Jake, Edward, benehmt euch“, maßregelte er die beiden.

Sofort keifte der Gestaltwandler zurück: „Am Arsch, die haben gerade einen Menschen getötet, dafür sind sie dran.“

„Haben wir nicht“, beteuerte Alexei mit dem rauen Akzent und immer hoch erhobenen Händen.

„Jake, sieh genauer hin“, beschwichtigte der Wächter und lächelte sanft. „Die beiden sind keine Gefahr, du kannst dich beruhigen.“

Der Beta aber sah das anders und machte einen Schritt auf die beiden zu. Sein Körper begann zu beben. Er stand nur Sekundenbruchteile vor der Verwandlung.

„Jake, aus“, sagte Isaak streng und stand auf einmal direkt vor diesem. Er griff nach dessen Kopf und zwang den Wolfsjungen ihm in die Augen zu sehen. Das unterbrach die Verwandlung und er wurde etwas ruhiger.

„Glaub mir doch. Denkst du allen Ernstes, ich würde hier so ruhig stehen und friedlich bleiben, wenn die beiden eine Gefahr darstellen würden? Sie haben keinen Menschen getötet, jedenfalls nicht in letzter Zeit.“

„Aber…“, begann Jake störrisch und Isaak schoss davon. Einen Wimpernschlag später war er wieder da und hielt eine leere Blutkonserve in die Höhe, während im Hintergrund der Vorhang flatterte

„Beruhigt dich das hier mehr als meine Worte?“, fragte der Wächter und eine Spur von Enttäuschung lag in seiner Stimme.

„Wie…“, fing Jake an, wurde aber unterbrochen: „Ich sagte doch, sieh genauer hin.“

Dann fiel der Groschen. Der „wahre Blick“, den hatte der Beta schon ganz vergessen. Kleinlaut murmelte er ein: „Oh“ und sah seinem Freund entschuldigend in die Augen.

„Es tut mir leid. Ich…“, ein Finger unterbrach ihn zum dritten Mal in Folge und Isaak sagte: „Denk nach bevor zu handelst.“ Dann seufzte er und fragte: „Können wir jetzt erst mal reden, bevor die Fetzen fliegen?“

Jake nickte und blieb stumm.

Dann wandte sich der Rotblonde an Edward: „Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Du kannst ihre Gedanken lesen. Die beiden stellen keine Gefahr dar. Also beruhige dich.“

„Davon bin ich noch nicht überzeugt“, fauchte Edward und wollte nicht nachgeben.

„Bitte, wir wollen keinen Ärger, geht doch einfach wieder. Keiner muss zu Schaden kommen“, versuchte Mathéo es zum zweiten Mal.

„Wir haben schon seit mehr als dreihundertfünfzig Jahren keinen Menschen mit getötet. Wir wollen nur friedlich leben und keine Monster sein“, versuchte Alexei die Stimmung zu retten.

„Lüge“, maßregelte Isaak plötzlich. „Es waren lediglich dreihundertvierundzwanzig Jahre, nicht wahr Mathéo?“

Der Russe sah erstaunt zu seinem Kameraden runter.

„Es tut mir leid Alexei. Ich konnte mich nicht zügeln“, flehte der Franzose. Dann schüttelte er irritiert den Kopf und sah den Wächter erschrocken an. „Woher weißt du das? Nicht einmal Alexei wusste davon. Ich habe mich zu sehr geschämt, um es ihm zu sagen.“

„Ach, man hört so das eine oder andere“, meinte Isaak ominös und grinste schelmisch.

Der Russe ließ die Hände sinken und wechselte in seine Muttersprache. Wild gestikulierend und mit wütendem Gesichtsausdruck, schrie der den anderen Blutsauger an. Dieser ließ den Kopf hängen und antwortete kleinlaut, ebenfalls auf Russisch.

Jake sah den beiden einen Augenblick bei ihrem Streit zu und wandte sich dann mental an Isaak. „Erklärst du es mir bitte? Wenn ich die beiden mit dem „wahren Blick“ betrachte, verstehe ich dennoch nicht, woran du das alles erkannt hast.“

„Hm…“, gab der Wächter ebenfalls mental zurück und erklärte: „Alles habe ich damit nicht erfahren. Am besten ich fange von vorne an. Als ich den ersten Schritt über die Schwelle gesetzt habe, konnte ich die beiden riechen und auch ihre Präsenz spüren. Meine Sinne lassen sich nicht so leicht täuschen. Auch das Parfüm im Raum kann ihren Geruch nicht vollständig ausmerzen. Vielleicht funktioniert das bei einem Vampir oder Gestaltwandler, mein Geruchssinn ist allerdings noch ausgeprägter und lässt sich nicht so einfach täuschen.

Was mein Gespür bezüglich ihrer Präsenz anbelangt, stell dir das wie eine Art Echolot vor. Als mein Fuß den Boden berührte, habe ich den ganzen Raum gescannt und die beiden entdeckt. Der Vorhang stellt kein Hindernis dar für diesen, nennen wir ihn 6ten Sinn.

Ich muss zugeben, einen winzigen Moment lang war ich erschrocken, und wollte mich auch auf die Vampire stürzen. Zudem habe ich den Geruch von Blut in der Luft bemerkt, wie schwach er auch ist. Ich kann ihn riechen. Seltsam daran war nur, dass das Blut rein nur aus roten Blutkörperchen zu bestehen schien. Ein deutliches Anzeichen für eine Blutkonserve. Zudem konnte ich keine Gefahr spüren.

Das hat mich dann dazu veranlasst den Raum mit dem „wahren Blick“ zu betrachten. Wenn ein Mensch stirbt oder gequält wird, hinterlässt das sichtbare Spuren hinter dem Schleier. Hier aber konnte ich kein einziges Anzeichen für Mord oder Gewalt finden.

Das hat mir aber immer noch nicht gereicht. Immerhin hätte ja der menschliche Magier meinen Blick und meine Sinne trüben können. Also bin ich in ihren Geist eingedrungen und habe mir ihr Leben angesehen. Sei versichert, ich war sehr gründlich und habe ihnen jedes Geheimnis entlockt. Reine Vorsichtsmaßnahme. Somit habe ich dann auch von Mathéos Ausrutscher erfahren, und auch, dass er diesen sehr bedauert.

Ich kenne nun auch Alexeis Fähigkeit. Er spürt was sein Gegenüber haben möchte. Eine sehr nützliche Eigenschaft, wenn man es mit schwierigen Kunden zu tun hat. Bei uns beiden wird das allerdings nicht funktionieren. Dein Anhänger schirmt dich ab und mein Wille ist viel zu stark dafür.

Ähnlich wie die Cullens haben die beiden entschieden, dass sie keine Monster mehr sein wollen. Also haben sie es mit Tierblut versucht. Aber, das hat ihnen nicht gereicht. Mathéo ist rückfällig geworden und auch Alexei konnte sich kaum zügeln. In dieser Zeit haben sie sich in der Wildnis versteckt und mieden die Menschen, da sie sich selbst nicht vertrauten. Dann haben sie, nach langem Hin und Her, entschieden, dass sie auf Blutkonserven umsteigen. Von da an, konnten sie sich wieder unter den Menschen bewegen, ohne die Gefahr, dass ihre Gier überhandnahm.

Das Parfüm im Raum und das Trinken von Blut, bevor sie sich einem Kunden nähern, sind ihre Art sicherzustellen, dass es zu keinem Rückfall kommt. So können sie das tun was sie lieben, nämlich Kleidung herstellen.

Als ich dann zufrieden mit meiner Analyse war, habe ich den Laden betreten. Ach, nur dass du es weißt, die beiden sind zusammen. Aber keine Angst, weder sie, noch ich, haben Interesse am jeweils anderen.“

Nach diesen ganzen Informationen brummte Jake der Schädel. Schnell bat er aber: „Kannst du mir beibringen, wie ich den „wahren Blick“ richtig benutze? Ich würde das gerne auch können.“

„Normalerweise müsste ich ablehnen, aber bei dir mache ich eine Ausnahme, Wölfchen. Solange ich beeinflusst werde, bin ich eh auf deine Hilfe angewiesen und zudem kann ich dir einfach keinen Wunsch abschlagen“, erwiderte Isaak und Wärme durchflutete ihre Verbindung. Dann fügte er hinzu: „Aber, nicht jetzt. Es wird viel Zeit benötigen, bis du alles verstehst. Ein Schritt nach dem anderen.“

Dann wechselte Isaak zu verbal und sagte etwas auf Russisch. Es war seltsam, den Wächter in dieser Sprache sprechen zu hören. Seine Stimme war rauer und die Worte so viel kehliger. Es schien so, als ob er die beiden beleidigen würde.

Die Vampire unterbrachen ihren Disput und sahen den Rotblonden erschrocken an. Offenbar hatte sie die Anwesenheit der fremden Kunden vollkommen vergessen.

Erneut wechselte er die Sprache und sagte sanft: „Jungs, ich wollte keinen Streit auslösen. Nur die Fakten richtigstellen. Ihr seid beide keine Unschuldslämmer. Wenn ihr nichts dagegen habt, könnten wir dann anfangen?“

„Womit anfangen?“, fragte Alexei angespannt und schob sich schützend vor den anderen.

„Mit meiner Garderobe“, grinste Isaak von dem Podest her. In einer fließenden Bewegung begann er sich zu entkleiden.

Jake wurde leicht rot und knurrte schnell: „Die Buchse lässt du aber an, wehe du rennst hier nackt rum.“

„Ja, Schatz“, gluckste der Rotblonde und schenkte dem anderen einen heißen Blick. Sofort lief der Wolfsjunge so rot an wie eine Tomate und sein bissiger Kommentar, wegen dem Kosenamen in aller Öffentlichkeit, blieb ihm im Halse stecken. Schnell wandte er sich ab. Das hatte Isaak also gemeint, als er ihn gewarnt hatte, dass er ihn um den kleinen Finger wickeln würde. Na, dass konnte ja noch heiter werden.

Zu den Schneidern sagte der Wächter heimtückisch: „John meinte, du schätzt Herausforderungen Alexei. Er sagte auch, du seist der Beste in deinem Fach. Deine Fähigkeit funktioniert weder bei mir, bei meinem Freund, noch bei unserer bezaubernden jungen Dame. Wollen doch mal sehen wie gut du wirklich bist.“

In den Augen des Russen blitzte es: „Diese Herausforderung nehme ich an.“

„Einen Moment“, mischte sich der Schwarzhaarige ein. „Ich halte es immer noch für das Beste, wenn ihr einfach wieder geht. Das ist unser Haus und ihr seid hier nicht willkommen.“

„Ach, gib dir einen Ruck, Mathéo. Ich verspreche, dass wir euch keinen Ärger bereiten werden. Solange ihr eure Zähne bei euch behaltet, ist alles in Ordnung.“ Dann wurde Isaak ernst und sagte: „Nur zur Warnung: Wenn ihr Bella auch nur einen schiefen Blick zuwerft habt ihre ein gewaltiges Problem. Dann müsst ihr euch Edward, Jake und mir stellen. Das wird nicht gut für euch ausgehen, das garantiere ich.“

Mathéo zuckte zurück und versteckte sich hinter seinem Partner. Der Beta indes schlenderte zu dem Regal und griff nach den Stoffballen. Für ihn war alles geklärt und er wollte wissen, was sich Isaak da ausgesucht hatte.

Mr. Cullen gab langsam seine Kampfhaltung auf, behielt die anderen Vampire aber genau im Blick.

Der Wächter hatte sich mittlerweile bis auf die Unterwäsche ausgezogen, streckte die Arme aus und sagte zum Spiegel hin: „Bin bereit. Lasst die Show beginnen. Und keine falsche Scheu. Ich bestehe auf Hochgeschwindigkeit.“

Die Vampire sahen einander kurz in die Augen und Alexei rauschte zu dem Kunden. Solange alles friedlich blieb, freute er sich über diese Aufgabe. Noch nie hatte er einen solchen Kunden, das stachelte seinen Ehrgeiz an.

Jake sah vom Regal aus auf die Szene und beobachte genau, was der Vampir da anstellte. Er sah es wie Isaak. Mit Vampirgeschwindigkeit würde das wesentlich schneller gehen.

Alexei griff im Vorbeigehen nach einem Maßband und begann Isaaks Körper zu vermessen. Unschlüssig sah sein Kamerad zu. Dann zuckte er mit den Schultern und beschloss, je schneller sie fertig würden, desto schneller würden sie diese seltsamen Leute los werden. Er schnappte sich ein Klemmbrett und einen Stift und gesellte sich zu den beiden.

Einkleiden mit Vampiren

Schnell waren die Maße aufgeschrieben und Alexei stand vor dem Kunden. Er musterte ihn von oben bis unten und dachte nach. Dann düste er zum Regal und nahm verschieden Stoffmuster. Diese legte er Isaak über die Schultern und versuchte das Gesamtbild zu erfassen. Mathéo hingegen sah gespannt zu und gab seine Einschätzung preis: „Das passt nicht ganz zu seinen Augen. Ich würde eher das vorschlagen.“ Bei diesen Worten schoss er nun auf die Stoffe zu und legte seine Auswahl über die andere Schulter des Kunden.

„Hm…, nein das passt nicht zu seiner Figur“, murrte der Russe. Dann schossen beide wie Tornados umher und probierten verschiedene Muster und Farben. Hin und wieder warf auch der Wächter etwas mit ein, hielt sich aber gespannt auf das Ergebnis zurück. Als die beiden Vampire sich auf eine Farbpalette geeinigt hatten, stritten sie eine Weile über den Schnitt. Für die anderen sah es nach einem handfesten Streit aus, aber die beiden wirkten gelassen, als ob das ganz normal bei ihnen wäre.

Edward führte Bella zu der Sitzecke und achtete darauf, dass die beiden ihnen nicht zu nahekamen. Seine Freundin versuchte dem Geschehen zu folgen. Alles ging in Hochgeschwindigkeit über die Bühne und sie hatte Mühe den schnellen Wortwechseln zu folgen.

Nachdem die Designer sich geeinigte hatten, schossen sie umher und fertigten einen Anzug an. Der Begriff „die Fetzten fliegen“ passte bei diesem Anblick, wie die Faust auf Auge. Während Alexei mit den Scheren hantierte, warf er immer wieder einzelne Stück zu seinem Partner, welcher an der Nähmaschine saß und die Teile fein säuberlich zusammenfügte. Keiner der beiden sah von seiner Arbeit auf. Sie waren ein perfekt eingespieltes Team.

Kein fünf Minuten später stand Isaak in einem vollständigen Nadelstreifenanzug da: Handgearbeitet aus den erlesensten Soffen. Der Wächter drehte sich auf dem Podest und betrachtete sich im Spiegel. Der äußere Stoff war fast komplett schwarz mit einem bläulichen Schimmer. Die Weste war schlicht aber auch elegant in einem dunklen Blau gehalten, sowie auch das Anstecktuch. Das Innenfutter des Anzuges glänzte ebenfalls leicht bläulich und passte perfekt zu seinen Augen. Darunter trug er ein samtenes, weißes Hemd, welches seine gute Figur betonte. Zudem hatten die beiden ihm schwarze Lackschuhe verpasst.

Alexei stand vor ihm und beachtete jedes Detail. „Da fehlt noch was, aber was?“

Jake sah vom Regal her auf und betrachte seinen Freund. Kleider machen Leute, schoss es ihm durch den Kopf. Isaak sah nun so elegant und vornehm aus, dass er sich, ohne negativ aufzufallen, in der Oberschicht sehen lassen konnte. Der Anzug stand dem Wächter sehr gut und Jake grinste bei dieser Aussicht. Im Spiegel trafen sich ihre Augen und auch der Rotblonde lächelte ihn glücklich an.

Mathéo trat vor und fuchtelte mit den Händen herum, um alles einzufangen und ins Profil zu setzen. Dann sagte er langsam: „Ich verstehe was du meinst. Warte, ich habe eine Idee.“ Sofort schoss er ins Lager und ergänzte das Erscheinungsbild des Kunden mit einem weißen Halstuch, verziert mit feinen, hauchdünnen, blauen Linien. Zudem trug Isaak nun einen ansehnlichen französischen Hut in dunklem Blau.

Dann stellte er sich zu seinem Partner und sagte: „Bezaubernd, einfach hinreißend.“ Alexei hingegen war immer noch nicht einverstanden.

„Das könnt ihr gleich vergessen. Das sieht ja mal sowas von mega schwul aus“, knurrte Jake und schüttelte sich angewidert.

„Wie kannst du es wagen? Das ist die neuste Mode, der letzte Schrei. Er sieht bezaubernd aus“, meckere Mathéo erbost.

„Nein“, fauchte Alexei. „Das passt nicht zu ihm. Er ist nicht der Typ dafür“, sagte der Designer und zog dem Wächter schnell die beiden Dinge wieder aus. Dann probierte er ein wenig herum. Er versuchte es mit verschiedenen Accessoires. Einer Uhr, mal am Arm, mal zum Einstecken, verschiedene Gürtel und sogar mit einer Umhängetasche, die in Jakes Augen nach einer Handtasche aussah und ihn erneut knurren ließ.

Was auch immer er versuchte, er war mit dem Gesamtbild nicht zufrieden. Dann legte er Isaak eine feine Goldkette um, trat zurück und sagte: „Et voilà. Jetzt ist es perfekt.“

„Dezent, aber modisch“, bestätigte der Franzose.

Jake runzelte die Stirn und kam zu ihnen, um sich das Ganze mal aus der Nähe anzusehen. Als er nur noch einen Meter entfernt war, konnte er den Geruch der Vampire wahrnehmen, sie aber auch seinen. Sofort wichen sie fauchend zurück und drückten sich mit dem Rücken an die Wand.

Augenblicklich ging auch Edward wieder in Kampfhaltung. Jake wollte es ihm gleichtun, aber dann bemerkte er, dass Isaak immer noch ruhig war und keine Gefühlsregung durch die Verbindung drang. Deshalb schluckte er sein Temperament runter und verschränkte nur die Arme, während er einen bösen Blick nicht vermeiden konnte.

Alexei schrie ihn an: „Du bist ein Werwolf, raus hier!“

Der Wächter war gänzlich unbeeindruckt ob der aggressiven Stimmung und sagte ruhig: „Jake ist kein Werwolf.“

„Bin ich wohl“, maulte der Beta und funkelte die beiden Vampire an. Er konnte genau sehen, dass sie Angst vor ihm hatten. Das konnte in seinen Augen nicht schaden.

Mit einem Seufzen erklärte der Rotblonde: „Nein, bist du nicht. Oder jedenfalls nicht so, wie die beiden denken.“ Er deutete auf die Schneider und sah dann zu Jake. „Du siehst dich zwar als Werwolf, bist aber rein technisch gesehen ein Gestaltwandler. Ein echter Werwolf verwandelt sich in ein Werbiest. Du in einen echten Wolf. Zudem kannst du deine Verwandlung kontrollieren. Ein Kind des Mondes, wie sie auch genannt werden, kann das nicht. Sobald in einer Vollmondnacht die Sonne untergeht, setzt die Metamorphose ein. Es gibt keine Möglichkeit diese Umwandlung zu kontrollieren oder zu beeinflussen.

Wenn du zum Wolf wirst behältst du die vollständige Kontrolle über deinen Körper und Verstand. Du weißt immer wer und was du bist. Selbst als Mensch besitzt du weiterhin deine verstärkten Sinne und Instinkte. Zudem sind deine Kraft und Geschwindigkeit erhöht. Anders bei einem echten Werwolf. Dieser hat als Mensch keine besonderen Eigenschaften. Meist weiß ein solcher Mensch nicht einmal, dass er ein Werwolf ist.

Als Werbiest hat er dann keinerlei Kontrolle über sich und ist eine rein instinktgesteuerte, mordlustigen Tötungsmaschine. Weil beide Persönlichkeiten vollständig voneinander getrennt sind, hat er am nächsten Morgen keine Erinnerungen an die Zeit als Werwolf. Die meisten denken sogar, dass sie an besonders schwerem Schlafwandeln leiden, wenn sie einmal im Monat woanders aufwachen.

Rein anatomisch gesehen bist du verwandelt ein Wolf. Allerdings bedeutend größer und mit den Fähigkeiten ausgestattet, einen Vampir zu zerstören. Ein Werbiest hingegen geht meist auf zwei Beinen, wie ein Mensch. Vom Körperbau her ist er eine Mischung aus Mensch und Wolf. Kopfform und Zähne eines Wolfes, stark deformierter muskulöser Oberkörper, mit gebeugtem Gangbild sowie lange muskulöse Arme mit Klauen an den Fingern und opponierbaren Daumen.

Dabei ist es ihm vollkommen egal was sich ihm in den Weg stellt. Sollte er sich allerdings zwischen einem Menschen und einen Vampir entscheiden müssen, so wählt er den Vampir.“

Irritiert fragte der Wolfsjunge: „Ich dachte, wir vom Stamm der Quileute seien Werwölfe. Ich wusste nicht, dass es noch andere Stämme gibt.“

„Gibt es auch nicht. Die Quileute sind recht einzigartig. Dein Stamm und ein echter Werwolf haben keinerlei Gemeinsamkeiten. Bei deinem Volk wird das genetisch vererbt. Ein Werwolf hingegen wird gebissen, ähnlich wie bei einem Vampir. Zudem sind Werwölfe vollständig immun gegen Vampirgift.“

„Davon habe ich auch gehört“, meinte Edward und entspannte sich wieder.

„Ich rede nicht von Hörensagen. Ich habe Werwölfe, sowie auch Vampire und Gestaltwandler, studiert. Ich kenne all ihre Stärken und Schwächen“, offenbarte Isaak und sah zu den Schneidern. „Ihr braucht keine Angst zu haben. Jake wird euch nichts tun, solange ihr ihm keinen Grund dazu gebt. Nicht wahr, Schatz?“

Der Beta verdrehte die Augen. Sein Image war dahin. Sofort knurrte er angefressen: „Nenn mich nicht so.“ Anschließend ging er einfach weiter und beachtete die Vampire nicht mehr. Er betrachtete Isaak einen Augenblick lang und nickte zustimmend.

„Gut, mein Outfit wurde gerade genehmigt. Du bist wirklich ein Meister deines Fachs, Alexei“, lächelte Isaak und stieg von dem Podium. Schnell fischte er aus seinen alten Sachen den Kristall und seine Kreditkarte und stecke diese, von den Designern ungesehen, ein.

Anschließend sage er: „Gut. Jake, du als Nächster?“

„Wenns denn sein muss“, knurrt dieser und zog sich ebenfalls bis auf die Shorts aus. Dann stellte er sich auf das Podest und streckte, wie Isaak es vorgemacht hatte, die Arme aus. Miesepetrig sagte er: „Kann los gehen.“

Die Vampire jedoch rührten sich nicht. „Er ist kein Werwolf? Aber er riecht wie einer“, brabbelte Mathéo ängstlich.

„Zugegeben, für Unwissende ist es sehr schwer, die einzelnen Nuancen in ihrem Geruch auseinanderzuhalten. Die Quileute haben ein eher erdiges Waldaroma. Ein echter Werwolf hingegen riecht leicht nach Tod und Verwesung.“, meinte Isaak nachdenklich.

Jake verdrehte die Augen und verwandelte sich mit einem Sprung. Die Vampire rissen die Augen auf und wichen zurück, kamen aber nicht weit. Isaak stand plötzlich hinter ihnen und fing ihren Fluchtversuch ab, in dem er beiden je einen Arm um die Schultern legte. „Seht ihr, ein Wolf, kein Werbiest.“

Jake knurrte kurz und fletschte die Zähne. Dann ließ er seine Drohgebärden sein und setzte sich brav auf den Hintern. Sofort stand auch schon Isaak vor ihm und kraulte ihn am Hals. Jacob schnaubte, ließ sich die Streicheleinheit aber gefallen. Der Rotblonde schaute hinter den sitzenden Wolf. Was er da erblickte ließ ihn schelmisch grinsen. „Das gefällt dir wohl?“

Der Beta knurrte bedrohlich auf. Da lachte der Wächter und sagte: „Du kannst so viel knurren wie du willst. Dein Schweif verrät dich, Jake.“

Entsetzt sah der Wolfsjunge zu seiner Rute, welche fröhlich hin und her wedelte. Gott war das peinlich. Er war doch kein Hund. Er fixierte den Verräter und knurrte abermals bedrohlich. Das zeigte jedoch keinerlei Wirkung auf seinen Schweif. Der wedelte einfach unbeirrt weiter.

Wenn er sich nicht damit selbst zum Narren gemacht hätte, wurde er diesem störrischen Körperteil eine Lektion verpassen, aber das würde er nie vor Publikum machen. Es war einfach viel zu peinlich seinen eigenen Schwanz zu jagen.

Bella indes zückt ihr Handy und machte schnell ein paar Bilder von dieser Szene. Dabei wackelte sie durch ihr Lachen aber derart herum, dass sie einfach keine gute Aufnahme hinbekam. Am Ende nahm dann Edward das Handy und schoss rasch ein paar Schnappschüsse. Seine Verlobte bat ihn auch Aufnahmen von Isaak im Anzug zu machen und später auch von Jake, ihm und ihr. Edward fügte sich und erledigte seine Aufgabe gewissenhaft.

Isaak hatte ein Einsehen und lenkte die Aufmerksamkeit von seinem Freund ab. „Können wir dann weitermachen?“, fragte er an die beiden versteinerten Vampire gewandt.

Alexei nickte langsam und vorsichtig. Das Ganze war ihm überhaupt nicht geheuer. Der rostbraune Wolf schien sich tatsächlich kontrollieren zu können und war keine hirnlose Mordmaschine.

Jake stand damit aber vor einem neuen Problem: Er hatte gerade seine letzten Boxer geschreddert und er würde hier auf keinen Fall nackt posieren. Das kam ja mal sowas von gar nicht in Frage.

Der Wächter, der diese Gedanken aufgeschnappt hatte, schoss zu dem Stoffregal, suchte sich ein Stück aus und schnitt etwas davon ab. Dann schnellte er umher. Er schnitt und nähte. Einige Sekunden später präsentierte er Jake eine schwarze samtene Boxershorts. Dieser sah erstaunt drein, nahm sie vorsichtig mit den Zähnen und trabte auf den Vorhang zu. Die Vampire stoben aus dem Weg und drückten sich wieder an die Wand.

Kaum, dass Jake verschwunden war, tauchte er auch schon wieder als Mensch auf, und trug die neue Unterwäsche. An das Gefühl dieses feinen Stoffes hätte er sich gewöhnen können. Die Shorts waren so schön weich. Als er das dreckige Grinsen des Wächters sah, wurde er leicht rot und versucht an nichts zudenken, während er sich wieder in Position begab.

Sofort war Alexei bei ihm und ging langsam um ihn herum. Dann zupfte er ein wenig an der Unterwäsche und fühlt die Nähte. Jake grollte dunkel auf. „Flossen weg da“, knurrte der Beta und schlug dem Vampir die Finger weg.

Der Russe wich zurück, musterte aber weiterhin den Stoff. „Du bist auch ein Schneider?“, fragte er und sah zu dem Rotblonden auf.

Dieser schüttelte den Kopf und gestand. „Nein, das war mein erster Versuch.“

„Dabei sitzen die Shorts so perfekt. Die Nähte sind fachmännisch und der Schnitt einwandfrei“, erwiderte Alexei.

Nun kam auch Mathéo zu ihnen und sagte: „Sie sind einfach, aber das passt zu ihm.“

Der Gestaltwandler, dem es überhaupt nicht gefiel angestarrt zu werden, knurrte wütend und beide Vampire zucken zusammen.

Isaak lachte kurz auf und meinte: „Fangen wir besser an, bevor Jake die Geduld verliert. Ich würde nur sehr ungern mit einem wütenden Wolf hier drinnen kämpfen.“

Vorsichtig näherten sich die Vampire wieder dem neuen Kunden und gingen zu ihrer fachmännischen Art über. Das Maßnehmen dauerte nur wenige Sekunden. Jake hatte in dieser Zeit die Augen geschlossen und bemerkte so durch die Verbindung die wachsame Aufmerksamkeit des Wächters. Dieser würde die beiden ohne mit der Wimper zucken in Stücke reißen, sollten sie es wagen, seinem Freund auch nur ein Härchen zu krümmen.

Einerseits war es Jake furchtbar peinlich, dass der Rotblonde so auf ihn aufpasste. Er war doch keine hilflose Frau, andererseits imponierte es ihm auch, denn Isaak tat dies aus freien Stücken, weil er ihn mochte und auch brauchte.

Schnell dachte er an was anderes, damit der Wächter seine Gedanken nicht mitbekam. Dieser grinste nur liebevoll. Natürlich hatte er alles mitbekommen.

Nachdem dann alle Maße genommen waren, begannen die Vampire verschiedene Stoff auszutesten. Dabei achteten sie aber darauf ihn nicht zu berühren. Da mischte sich auf einmal Isaak mit ein und sie schossen zu dritt durch den Raum. Dieser wollte ihm die Peinlichkeit eines schwulen Auftritts ersparen und zudem sicherstellen, dass Jakes bronzene Hautfarbe gut zur Geltung kam.

Als sie sich schlussendlich für einen Stoff entschieden hatten, schneiderten die zwei Vampire einige Minuten lang herum, wobei Isaak ihnen dabei auf die Pelle rückte und sich genau ansah, wie sie arbeiteten.

Final wirkte Jakes Look deutlich anders als der von Isaak, trotz der Tatsache, dass sie beide einen Anzug trugen. Seiner war onyxfarben und gut abgestimmt auf seine farbige Haut. Die Manschettenköpfe hatte man dezent versteckt. Die vorderen Knöpfe waren zwar offen, und verliehen, gemeinsam mit dem weißen Hemd, das unter dem kostbaren Stoff hervorlugte, und einen dezenten Bronzestich aufwies, ein eher sportlich funktionales Auftreten. Anstecktuch und Weste suchte man vergeblich.

Jake betrachtete sich im Spiegel. Was er sah gefiel ihm sehr. Der Anzug war elegant, aber nicht so vornehm und passte eindeutig besser zu ihm als es der Bläuliche getan hätte. Der Gesamteindruck vermittelte einen guten Geschmack, gepaart mit etwas Eigensinnigkeit.

Beide Vampire standen stirnrunzelnd vor ihm und besahen sich das Gesamtbild. Auch Isaak war mit von der Partie. Dann streckte der Rotblonde eine Hand aus und zog die Kette über das Hemd, sodass jeder den Anhänger sehen konnte. „Beug dich mal kurz etwas runter“, sagte Isaak und Jake gehorchte, ohne nachzudenken. Dann verstrubbelte er ihm ein wenig die Haare. Schnell entzog sich Jake diesen Zugriff und er knurrte: „Hey, Flossen weg.“ Seine Stimme war dabei nicht einmal annähernd so bissig wie bei Alexei.

Dann sah er sich im Spiegel und Mathéo seufzte auf. „Magnifique“, brabbelte der Franzose und auch der andere nickte anerkennend. Zu Isaak sagte dieser kehlig: „Du kennst ihn wirklich gut und hast einen ausgezeichneten Geschmack.“

Jake wurde leicht rot. Es war ihm peinlich, dass er kein Stück bei Isaak beigetragen hatte, dieser aber genau wusste, was ihm gefallen würde. Nun seufzte auch Alexei begeistert auf. „Mit dem leichten Rotschimmer sieht er ja zum Anbeißen auf.“ Sofort flogen alle Augen auf ihn und er zuckte zurück. „Ich meine nicht das was ihr denkt.“

„Das will ich auch meinen“, empörte sich Isaak gespielt, lächelte aber. „Dieses Vorrecht steht nur mir zu.“

Den Spruch hätte er sich besser verkneifen sollen, da Jake nur noch röter wurde und sich schnell abwandte. Dann sprang er vom Podest und trottete auf Bella zu. Um von seinem glühenden Gesicht abzulenken, fragte er: „Na, wie sehe ich aus?“

„Edel und einfach zum Verlieben“, sagte sie und beide grinsten.

Dann richtete sich der Blick des Betas auf Edward und er sagte: „Du bist dran, Blutsauger.“

Der Vampir rümpfte die Nase und fauchte: „Kein Bedarf.“

Der hatte die Rechnung aber ohne Isaak gemacht. Dieser tauchte plötzlich vor ihm auf und hob ihn einfach in die Arme. Edward gab einen ersticken Aufschrei von sich und klammerte sich reflexartig an den Mann. Da stellte der Rotblonde ihn aber auch schon auf das Podest. Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht sagte der Wächter: „Gekniffen wird nicht. Jetzt weißt du auch wie Bella sich immer fühlt, wenn du das mit ihr machst.“

Dann setzte er seinen besten Flirtblick auf und fuhr mit einem Finger über dessen Brust. „Ziehst du dich freiwillig aus oder muss ich nachhelfen?“

Bevor dieser etwas erwidern konnte trat Isaak aber auch schon zurück, von einem zum anderen Ohr feixend.

Schnell warf Edward einen Blick zu seiner Verlobten. Jake hatte sich neben sie gepflanzt, an die gleiche Stelle, an der er eben noch gesessen hatte und sah ihn mit Schalk in den Augen an, wobei er sagte: „Bei dem könnt ihr euch richtig austoben. Bitte einmal so schwul, wie es nur geht, für unsere Discokugel.“

„Jake“, mahnte Bella grinsend und betete herunter: „Es soll elegant und förmlich sein. Gut zu seiner Haut, aber vor allem zu seinen goldenen Augen passen. Enganliegend und einfach verführerisch werden. Schafft ihr das?“

„Mal sehen“, brummte Alexei. „Ich bin der Designer und ich entscheide, was ihm am besten steht.“

Entmutigt ließ Edward den Kopf hängen; die hatten sich doch alle gegen ihn verschwören. Dann zog er sich aus. Jake wandte sich rasch ab. Der Blutsauger konnte selbst auf sich aufpassen und an dessen Körper war er mal sowas von überhaupt nicht interessiert. Bella hingegen schmachtete ihren Verlobten ungeniert an und wäre wohl auch zu ihm gerannt, wenn Jake sie nicht aufgehalten hätte.

Edward erwies sich als ein schwieriger Kunde. Er hatte genaue Vorstellungen und Alexei hatte Mühe ihm seine Forderungen zu erfüllen. Auch ohne Isaak, der sich völlig heraushielt, hatten die beiden Schneider wenig später einen Anzug für den Vampir zusammengestellt. Bei ihm war der Grundton nicht schwarz, sondern weiß, mit einer Spur von Gold. Goldene Manschettenknöpfe, dezent golden angehauchte Weste mitsamt Einstecktuch.

Zur großen Freude des Betas hatten sie ihm auch ein Halstuch mit feinen Goldstickereien verpasst. Er fand dessen Outfit richtig schön tuckig. Edward hingegen war mit seinem neuen Stil sehr zufrieden. Auch Bella war begeistert und Jakes Schabernack brach zusammen. Wenn sich der Vampir nicht ärgerte, machte es auch keinen Spaß.

Dann gab es einen kleinen Aufstand, als die junge Dame aufstand und zum Podium eilte. Alexei und Mathéo wandten sich ihr zu und sahen sie begierig an. Sofort standen Edward und Jake schützend vor ihr.

„Hm…, so wird das aber nichts“, meinte Isaak und schlug vor: „Wie wäre es, wenn ich bei Bella Maß nehme und ihr ein wenig Distanz wahrt?“

Es entstand ein Streit, aber am Ende wurde dieser Vorschlag angenommen, weil sich die junge Dame gegen ihren Verlobten durchsetzte. Sie wollte ein schönes Kleid und das würde sie auch bekommen.

Die beiden Designer zogen sich mehrere Meter zurück und sahen aus sicherer Distanz zu. Ungeniert ließ Bella ihre Klamotten fallen und ließ sich umstandslos von Isaak abmessen. Edward schrieb alles auf, während Jake zwanghaft aus dem Fenster sah. Auch, wenn er nichts mehr von Bella wollte, war es für ihn dennoch ein Eindringen in ihre Privatsphäre und das wollte er vermeiden.

Dann schossen sie zu viert an den Regeln entlang, wobei die anderen Vampire es nicht wagten Bella Stoffproben anzulegen und das sowohl Edward als auch Isaak überließen. Schnell entbrannte eine Diskussion, welche in normaler Geschwindigkeit geführt wurde, damit auch Bella sich einmischen konnte. Bei ihr dauerte es am Längsten bis alle Details besprochen waren und die Schneider begannen ein Kleid herzustellen.

Eine halbe Stunde später stand die junge Dame in einem atemberaubenden weinroten Kleid da. Es hatte fein gearbeitete Spaghettiträger und hinten einen gewagt weiten Ausschnitt. Goldene Stickereien betonten ihr Figur und passten perfekt zu Edwards Anzug. Durch das dunkele Rot fiel ihre blasse Hautfarbe nicht allzu sehr auf.

Sie fand es einfach perfekt, aber Alexei, war da anderer Meinung. „Wir müssen ihren Stil korrigieren. Zudem fehlen noch die Accessoires.“

Während er Angaben machte, was geändert werden sollte, wuselte Isaak umher und kümmerte sich darum. Als er fertig war nickte der Russe und meinte: „Jetzt müssen nun doch die Dessous angepasst werden. Die müssen farblich auf das Kleid abgestimmt sein. Ich kann welche anfertigen, wenn ihr wollt.“

Bella betrachtete sich im Spiegel und staunte. Der Wächter hatte ihren Haaren eine leichte Dauerwelle verpasst, ihr dezent Make-up aufgetragen und eine Perlenkette umgelegt. Sie sah nun aus wie ein Topmodel.

„Umwerfend“, kommentierte Edward an ihrer Seite.

Isaak kümmerte sich derweil um die Schneider und sagte: „Mach das Alexei. Ein Satz Unterwäsche für Bella passend zu dem Kleid. Für Jake und mich kommen dann noch je zwei Anzüge und Schuhe, einhundert Boxershorts und Socken, vierzig feine Shirts für den Alltag, vierzig lange und einhundert kurze Hosen dazu.“

Während Mathéo die Bestellung aufschrieb, dachte der Russe kurz nach. „Keine lange Kleidung oder Pullover?“

„Hm…, je zehn Stück“, stimmte der Wächter zu, dann hob er den Finger und sagte ernst: „Alexei, ich lasse dir zwar freie Hand bei der Auswahl der Stoffe und Muster, aber beachte bitte, dass alles fein und elegant sein sollte. Zudem muss es Jake gefallen. Er mag nichts was in seinen Augen „schwul“ aussieht. Bekommst du das hin?“

„Selbstverständlich. Wollt ihr warten oder soll ich das liefern lassen?“

„Wie lange wirst du dafür benötigen?“

„Wenn wir die Nacht durcharbeiten, müsste morgen früh alles fertig sein“, sagte der Vampir tief in Gedanken versunken.

„Gut, dann werde ich morgen früh Charles vorbeischicken, um alles abzuholen“, grinste Isaak den Russen an.

Da mischte sich Mathéo ein und fragte: „Warum so viel Unterwäsche und kurze Hosen? Ich meine, ist das nicht etwas übertrieben?“

Anstelle einer Antwort deutete Isaak verlegen auf die Überreste von Jakes Boxershorts um das Podest herum.

„Kommt das öfters vor?“, fragte der Franzose entsetzt.

Jake kam zu ihnen und sagte mit fester Stimme: „Berufsrisiko als Gestaltwandler. Da kann man leider nichts machen. Wenn wir wütend werden geht’s mit uns durch. Ach, und danke hierfür.“ Er deutete auf seinen Anzug.

„Verstehe“, sagte Mathéo vorsichtig und begann alles zusammenzurechnen. „Das macht dann…“

Isaak zog seine Kreditkarte und hielt sie dem Vampir unter die Nase. „Das müsste reichen, oder? Geld spielt keine Rolle, hab eh zu viel davon.“

„Ja, sowas in der Art sagte John bereits“, meinte Alexei und nahm die Karte entgegen. Dann schoss er davon, wobei der Wächter ihm interessiert folgte. Er wollte wissen wie das mit dem Bezahlen von sich ging. Keine Minute später tauchten die beiden wieder auf. Kurz vor der mittlerweile versammelten Gruppe, wobei Mathéo sich weit von Bella entfernt hielt, gingen sie zu normaler Geschwindigkeit über.

„Ich danke euch beiden“, begann Isaak und schüttelte den Vampiren die Hände. „Ich würde gerne mit euch in Kontakt bleiben, wenn ihr nichts dagegen habt. Ich habe mir gemerkt, wie ihr arbeitet und ich glaube, ich werde in Zukunft eurer Dienste noch öfters beanspruchen.“

„Wir haben nichts dagegen. Eine so faszinierende Gruppe komplett umzustylen hat uns Spaß gemacht“, meinte der Franzose und grinste schüchtern. „Vampire kommen sehr selten zu uns. Es war angenehm mal wieder in voller Geschwindigkeit zu arbeiten. Zumal, einen Gestaltwandler haben wir noch nie ausgestattet.“

Isaak lächelte und schwieg. Es war wohl am besten, wenn sie ihn für einen seltsamen Vampir hielten. Dann übergab der Russe seine Visitenkarte und sagte: „Ich liebe Herausforderungen. Erwarte aber nicht von mir, dass ich solche Fetzen herstelle, mit denen reingekommen seid. Ich bin Designer und kein Secondhandladen.“

„Keine Sorge Alexei, ich glaube wir werden dir noch einige Herausforderungen liefern“, gluckste der Wächter.

Edward bedankte sich ebenfalls und sagte: „Ich würde auch gerne mit euch in Kontakt bleiben. Es ist eher selten zivilisierte Vampire zu treffen. Wir sollten uns mal bei Gelegenheit ausgiebig unterhalten. Meine Familie ist immer interessiert daran, Kontakt mit Vampiren zu pflegen, die keine Monster sein wollen.“

Mathéo sah ihn eindringlich an und gab auch ihm eine Visitenkarte. „Ich weiß nicht, wie du das mit dem Tierblut aushält. Wir haben es nicht geschafft. Wir haben aber einen anderen Weg gefunden. Wobei ich sagen muss Alexei sah einfach umwerfend aus mit den goldenen Augen. Schade.“

Bei diesen Worten legte der Russe ihm einen Arm um die Schultern und drückte ihn an sich: „Oh, du alter Charmeur. Ich würde ja noch rot werden, wenn ich könnte.“

Bella starrte die beiden an und sie verstand, was alle anderen bereits wussten. Die beiden waren ein Paar. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Ich danke euch beiden. Das Kleid und die Anzüge sind wunderschön. Ich muss erst mit Alice sprechen, aber ich glaube ich hätte da auch noch einen Auftrag für euch.“

Sie sah Edward an und beide wussten, dass sie an ihr Hochzeitskleid dachte. Ohne von seiner Verlobten aufzusehen, meinte er grinsend: „Ich hoffe mal du kommst mit meiner Schwester klar, Alexei. Sie hat ein Händchen für Mode und wird dir das Leben zur Hölle machen.“

„Die Herausforderung nehme ich an“, sagte der Russen und lachte rau auf.

Anschließend verabschiedeten sich alle.

Als Jake die Tür öffnete, strahlte die Nachmittagssonne herein. Sofort wichen die beiden Designer etwas zurück und sahen ungläubig zu Edward und Isaak. Diese standen direkt im Licht. Das Seltsame daran war nur, dass sie nicht, wie es eigentlich hätte sein sollen, glitzerten.

Sprachlos, mit offenen Mündern, starrten sie der Gruppe hinterher. Die Tür schloss sich und sie waren wieder allein. „Das waren wirklich seltsame Besucher gewesen“, brabbelte Alexei und Mathéo nickte zustimmend.

Abendessen mit Freunden

Vor dem Haus stand bereits der Butler mitsamt Limousine und hielt ihnen die Tür auf. Im Vorbeigehen sagte Isaak: „Charles, ich habe bei Alexei eine Bestellung aufgegeben. Würdest du bitte morgen früh zu ihm fahren und alles abholen?“

„Ja, Sir. Wie Sie wünschen, Mr. Wächter“, nickte der Mann ergeben und schloss die Tür hinter ihnen.

Im Inneren planten sie, was sie bis zum Abend machen würden. Sie hatten noch einige Zeit bis zum verabredeten Abendessen.

Edward schlug vor: „Lasst uns in ein Einkaufscenter fahren. Ihr braucht noch Koffer und alles Mögliche andere. Zudem ist es schon Nachmittag und Bella braucht etwas zu essen.“

Dieser Vorschlag wurde angenommen und Charles setzte das Auto in Bewegung.

Als Erstes wollte der Vampir, dass seine Verlobte etwas zu sich nahm und so gingen sie nach ihrer Ankunft direkt auf die Suche nach etwas Essbarem. Ihnen fiel dabei ein McDonalds ins Auge. Dass sie mit ihrer Garderobe auffielen, interessierte sie kein bisschen. Sie lachten und scherzten ungezwungen, während sie ihre Burger und Pommes aßen. Die ungläubigen Blicke der Passanten ignorierten sie geflissentlich. Abgelenkt von ihrem Auftreten, fiel auch niemandem auf, dass Edward nichts zu sich nahm.

Anschließend ging die Einkauftour los. Als Erstes kauften sie je zwei große Koffer für Isaak und Jake. Darin verstauten sie dann nach und nach alle übrigen Einkäufe. Unter Edwards und Bellas Fittichen sammelten sie alles ein, was sie für eine längere Reise brauchen würden. Verschiedenes Schuhwerk, je einen Kulturbeutel mitsamt vollständigem Inhalt und etliche weitere Dinge. Die beiden anderen ergaben sich ihrem Schicksal und steckten brav alles ein.

Zudem beschloss der Vampir, dass jeder von ihnen ein Handy benötigte, damit sie einander immer erreichen konnten. Isaak hingegen lehnte ein solches Gerät kategorisch ab und eröffnete: „Ich brauche sowas nicht. Ich weiß immer wo ihr seid. Um ehrlich zu sein habe ich euch mit meiner Magie markiert, damit ich euch jederzeit aufspüren kann. Stellt es euch wie eine Art magischen Peilsender vor. Zudem bin ich mental mit Jake verbunden. Es genügt also, wenn er so ein Ding bekommt.“

Bei dem Wächter überrasche sie nichts mehr und sie gaben sich geschlagen. Mit dem neuesten Handy, verließen sie den Shop und Bella ermahnte: „Du wirst das heute noch aufladen und es immer bei dir tragen.“

Ergeben nickte der Wolfsjunge und verstaute das Ding in seinem Koffer. Die ganzen Erläuterungen des Verkäufers hatte er schon wieder vergessen. Mit dem Teil konnte er telefonieren, mehr brauchte er nicht zu wissen.

Seltsam fand er nur, wie die Leute auf ihn reagierten. Es war keine Angst, das wäre ja in Anbetracht seiner Wolfskräfte noch verständlich gewesen, nein, es war Respekt. Die Verkäufer überschlugen sie fast, um ihre Wünsche zu erfüllen. Der eine oder andere sah auch ungläubig auf die Platinkreditkarte und war bei der Verabschiedung sogar noch höflicher als zuvor.

Jake fühlte sich deplatziert und wünschte sich ins Reservat. Diese ganze Aufmerksamkeit und das geheuchelte Interesse waren ihm unangenehm. So war er einfach nicht. Der Anzug gefiel ihm wirklich und der fühlte sich auch gut auf der Haut an, aber das war einfach nicht er.

„Keine Sorge, morgen bekommst du andere Sachen. Den Anzug brauchst du nicht zu tragen, wenn du das nicht willst“, versuchte Isaak ihn aufzumuntern und beide wechselten auf die mentale Ebene.

Mit einem Hauch von Röte im Gesicht fragte der Beta: „Was gefällt dir besser? Der Anzug oder mein übliches Outfit?“ Es war ihm zwar etwas peinlich, aber er wollte das einfach wissen.

„Hm…“, begann der Wächter und zog ihn in den Bann seiner Augen. „Wenn wir unter uns sind brauchst du, wenn es nach mir geht, gar nichts zu tragen. Warum solltest du deinen perfekten Körper auch verstecken wollen?“ Er grinste liebreizend und fügte hinzu: „In der Öffentlichkeit solltest du aber zumindest eine kurze Hose tragen. Wir wollen doch nicht, dass alle dir sabbernd hinterher glotzen; dieses Vorrecht beanspruche ich allein für mich. Der Anzug steht dir aber auch sehr gut.“

Dann senkte er den Blick und gab zu: „Die Vorstellung dich langsam, Schicht für Schicht, daraus zu befreien, hat schon was für sich.“

Bei diesen Worten bekamen beide rote Wangen und der Rotblonde sah etwas scheu auf. „Bin ich zu weit gegangen?“, fragte er langsam und reuevoll.

„Du warst ehrlich. Soweit, bin ich aber noch nicht“, erwiderte Jake betroffen. Insgeheim freute er sich aber über das Kompliment.

„Trag einfach was dir gefällt. Wenn du aber an meinem Outfit was ändern willst, sag einfach Bescheid. Mir ist meine Kleidung egal, Wölfchen.“

Jake knurrte zurück: „Füchslein.“ Dabei fehlte es aber am Biss in seiner Stimme. Es war fast schon liebevoll, auf eine animalische und wilde Art und Weise.

Beide sahen sich einen Augenblick in die Augen und musterten den jeweils anderen. Dann tippte Edward ihnen auf die Schulter und zischte leise: „Verhaltet euch doch mal wie normale Menschen. Das ist nicht der richtige Ort für was auch immer ihr da mental besprecht.“

Die beiden sahen auf und stellten fest, dass sie mitten in der Eingangstür standen und von einigen Leute tadelnd angestarrt wurden, da sie den Weg blockierten.

„Ups“, brabbelten sie und machten schnell den Weg frei.

Mitsamt allen Einkäufen machten sie sich auf den Rückweg. Charles hatte ergeben gewartet und fuhr sie zum Hotel zurück. Es war mittlerweile später Nachmittag und der Butler sagte ihnen, dass sie in knapp einer Stunde zum Essen erwartet wurden.

Schnell gingen sie auf ihr Zimmer und verstauten ihre Mitbringsel. Bella schnappte sich auch das Handy, packte es aus und hängte es an die Steckdose. Sie war sich sicher, ihr bester Freund hatte ihre Worte schon längst wieder vergessen. Dann kümmerte sie sich um ihre Einkäufe, welche Edward für sie trug.

In Windeleile machten sich alle ein wenig frisch und schon ging es zum Abendessen. Aufgrund eines ausgedehnten Staus, wegen eines Unfalls, dauerte die Fahrt länger als erwartet. Sie waren schon mehr als zwanzig Minuten zu spät, als sie das Masa betraten. Das Erste, das ihnen auffiel war, dass ihre Kleidung hier wohl zum Standard gehörte. Fast alle Männer trugen teure Anzüge und die Damen elegante Kleider. Der Platzanweiser am Eingang musterte die Neuankömmlinge genau und nickte, als ob er mit ihrer Kleidung, die sich in den Dresscode einfügte, einverstanden wäre.

Isaak trat vor und fragte: „Guten Abend, mein Freund John wollte uns hier treffen, ist er schon da?“

„Guten Abend, der Herr. Würden Sie mir auch den Nachnamen ihres Freundes verraten?“, erkundigte sich der Mann professionell.

„Turner, John Turner.“

„Mr. Turner also“, sagte er und sah auf sein Pult „Nein, ein Mr. Turner steht nicht auf der Liste“, meinte der Mann geschäftig und wurde misstrauisch.

Schnell trat nun Edward vor und erklärte: „Vielleicht hat Mr. Tuner auf Turner Industries reserviert?“

„Nein, das steht auch nicht auf der Liste“, sagte der Platzanweiser und seine Höflichkeit bröckelte langsam. „Wenn Sie nicht reserviert haben, muss ich Sie leider bitten zu gehen.“

„Schauen Sie doch bitte nach ob auf Mr. Wächter reserviert wurde“, mischte sich nun auch Bella mit ein.

Die Augen des Mannes verengten sich ein wenig, er sah aber schnell nach. „Ja, Mr. Wächter steht auf der Liste. Ich muss Sie leider auffordern sich auszuweisen, Sir.“

Alle sahen zu Isaak der irritiert dreinschaute. „Ausweisen?“

„Ja, Ihr Ausweis, Sir“, sagte der Mann und streckte die Hand fordernd aus.

Der Rotblonde erwiderte: „Sowas habe ich nicht.“

Der Gesichtsausdruck des Platzanweisers wurde zornig. Er wollte gerade etwas sagen, als John neben ihm auftauchte. „Da seid ihr ja endlich. Ich habe mir schon sorgen gemacht“, meinte der Broker und sah den Mann am Pult skeptisch an. „Gibt es ein Problem?“

„Die Herrschaften können sich nicht ausweisen, Mr. Turner.“

„Ist schon ok. Sie gehören zu mir. Ich bürge für sie, genügt das?“

„Natürlich, Mr. Turner“, erwiderte der Mann und verbeugte sich.

„Gut, dann kommt mal mit“, sagte der Brünette und die Gruppe folgte ihm durch das Wirrwarr an Tischen.

Leise zischte Edward: „Du hast keinen Ausweis, Isaak? Das hätte uns am Flughafen in echte Schwierigkeiten bringen können, zum Glück war es nur ein Inlandsflug, da ist die Überprüfung nicht so genau.“

„Ich habe auch keinen dabei“, knurrte Jake ebenso leise. „Der ist…“ er überlegte kurz wo seine Geldbörse nun war. „irgendwo im Wald glaube ich.“

Entsetzt sah der Vampir zu dem Wolfsjungen und schüttelte den Kopf.

„Hm…, brauchen wir so was, wenn wir das Land verlassen?“, fragte Isaak nachdenklich.

„Ja, wenn wir das Land verlassen brachen wir alle Ausweise“, bestätigte der Blutsauger zornig.

„Dann haben wir wohl ein Problem. Unser nächstes Ziel liegt in der Mongolei. Genauer gesagt müssen wir so in etwa nach Dalandsadgad, in der Wüste Gobi“, offenbarte der Wächter kleinlaut.

„Was zum Teufel wollen wir den dort?“, fragte der Vampir baff.

„Na, da ist der Außenposten. Oder zumindest einer, den wir ohne Magie erreichen können“, erklärte Isaak und fragte: „Wo bekommen wir solche Ausweise den her?“

„Das ist nicht so einfach“, seufzte Edward und beteuerte: „Ich kümmere mich darum.“

„Danke, dafür hast du was gut bei mir“, sagte der Rotblonde erleichtert. Damit war ihre leise Unterhaltung beendet. Weder Bella noch John hatten etwas mitbekommen.

Der Brünette führte sie in einen gesondert abgetrennten Bereich. Dort saß ein Mann, der sofort aufstand, als er die Neuankömmlinge sah. Der Fremde hatte schwarze Haare mit einer leichten bläulichen Färbung, ein kantiges, aber gutmütiges Gesicht und grüne Augen. Vom Alter her passte er gut zu John. Zudem trug auch er, wie der Broker, einen teuren Designeranzug inklusive einer schwarzen Krawatte.

John stellte sie einander vor und offenbarte, dass es sich um seinen Verlobten Vincent handelte. Beiläufig erwähnte er, dass sie heiraten wollten sobald die Gesetzeslage dies zuließ. Als Erstes reichte Vincent Isaak die Hand.

Der Wächter setzte seinen ganzen Charme ein und zog den anderen sofort in seinen Bann. Zudem umfasste er dessen Hand mit den beiden eigenen. Jake verfolgte aufmerksam was der Rotblonde da tat und bemerkte, dass dieser in den Kopf des Schwarzhaarigen eingedrungen war. Das Auftreten seines Freundes diente lediglich als kleine Ablenkung.

Schnell griff der Beta mental zu und begutachtete das ganze Spektakel ebenso. Isaak hielt ihn nicht auf, aber er ging so schnell vor, dass Jake kaum etwas verstand. Ungeniert zogen auch private Bilder und Szenen zwischen John und Vincent vorbei. Sofort machte Jake einen Rückzieher. Das wollte er auf keinen Fall mitansehen.

Das Ganze dauerte nicht länger als einen Augenblick und Isaaks Grinsen wurde auf einmal ehrlich: „Es freut mich dich kennen zu lernen, Vincent. John hat schon so viel von dir erzählt.“

„Ganz meinerseits“, hauchte der Schwarzhaarige leicht errötet.

Isaak ließ ihn schlussendlich los und wandte sich von ihm ab. Als wäre er in tiefer Trance gewesen, erwachte Vincent und schüttelte den Kopf. Zeit zum Nachdenken blieb ihm aber nicht, da nun Jake an der Reihe war. Auch diesmal ließ er sein Gegenüber seine Kraft spüren. Der sollte gleich wissen, dass man sich mit ihm nicht anlegen sollte. Um des lieben Friedens willen aber, setzte er ein einigermaßen erfreutes Lächeln auf.

Schnell wurden auch Bella und Edward begrüßt und nahmen Platz. Sie setzten sich paarweise gegenüber. Vincent, Isaak und Edward auf der einen Seite, auf der anderen die jeweiligen Partner.

Jake fragte, sich ob er jetzt auf der Damenseite saß. Wenn ja, dann passte ihm das ganz und gar nicht. Dann sah er in Isaaks Augen und verlor sich mit einem unhörbaren Seufzer in dem warmen Ausdruck darin.

Sofort kam eine Bedingung herbeigeeilt und gab den Herrschaften die Speisekarte. Der Beta musste sich regelrecht mit Gewalt von den blauen Augen losreisen, um einen Blick in die Karte zu werfen. Als Erstes bemerkte er, dass sich die Auswahl aus einer bebilderten Häppchenbeschreibung bestand. Dann fiel sein Blick auf die Preise und er sog scharf die Luft ein. Das war ja schon abartig teuer hier. Isaak war aber schließlich reich – er konnte sich das leisten. Jake entspannte sich wieder ein wenig.

Trotzdem waren die Preise viel zu überteuert. Zu Hause war der Fisch umsonst. Einfach Angel ins Wasser und et voila, ein Abendessen. Dass sie für rohen Fisch eine so utopische Menge verlangten, war ihm nicht ganz geheuer. New York war doch auch am Meer. Es konnte doch nicht sein, dass die Fischer so etwas unterstützten.

„Der Fisch wird importiert“, sagte Isaak mental und fügte hinzu: „Achte nicht auf die Preise. Ich bin froh, wenn mein Geld weniger wird. Ich befürchte aber, selbst wenn wir jeden Abend so exquisit essen gehen würden, hätte ich immer noch zu viel „Kohle“, wie du es so gerne ausdrückst.“

Jake nickte und ließ sich dann stumm darüber aufklären, was er alles auswählen konnte und was er mögen würde. Dann bestellten sie alle Getränke. Alle Herren nahmen je einen Sake und auch Jake schloss sich der Runde an, wobei er zusätzlich noch eine Cola bestellte, falls ihm das seltsame andere Zeug nicht zusagte. Bella hielt sich an das Bekannte und nahm auch eine Cola.

Während alle mit der Speisekarte hantierten, kamen auch schon die Getränkte und Jake erkannte das Sake ein alkoholisches Getränk war. Isaak erklärte ihm, es sei Reiswein. Wie man allerdings aus Reis Wein herstellen sollte, war ihm ein Rätsel. Dann begann das große Bestellen. Jake wusste immer noch nicht, was er nehmen sollte und war dankbar, als Isaak einfach für ihn mitbestellte.

John runzelte die Stirn, weil Edward nichts wollte, sagte aber nichts dazu. Er musterte den Vampir nur argwöhnisch.

Als der Kellner zurückkehrte, teilte er kleine Schalen aus und Jake stellte entsetzt fest, dass es kein Besteck gab. Vor ihm lagen nur zwei Holzstäbchen, aufgebockt auf einer kleinen Keramikunterlage. Wie sollte man mit den Dingern essen? Er hatte das schon im Fernsehen gesehen und sich schon damals gewundert, wie das funktionieren sollte.

Isaak grinste, griff über den Tisch und erklärte leise, wie er die Teile halten musste. Frustriert stellte Jake fest, dass er mit den Dingern nicht umgehen konnte und zerbrach sie, einem Wutimpuls folgend, kurzerhand. Entsetzt über das, was er angerichtet hatte, sah er scheu auf. Der Wächter lächelte ihn liebreizend an, nahm ihm die Einzelteile ab und bestellte normales Besteck. Dankbar und erleichtert, dass Isaak nicht sauer war, grinste er verlegen zurück.

Edward schnaubte abfällig, hielt sich aber mit einem bissigen Kommentar zurück. Die anderen sahen dem Treiben der beiden stumm zu und schüttelten leicht die Köpfe.

Dann kam auch schon eine Schar Kellner und brachte allen das Essen auf verschiedenen kleinen Tellern, Schalen und Tabletts. Die Tischplatte bog sich förmlich unter dem Gewicht des Essens. Der Geruch des frischen Fischs ließ Jake das Wasser im Munde zusammenlaufen. Begierig sah er auf das Essen und wollte sich schon darauf stürzen, als Isaak plötzlich aufstand.

„Meine lieben Freunde. Ich freue mich den heutigen Abend in einer so angenehmen Gesellschaft verbringen zu dürfen. Auf euer Wohl“, sagte der Wächter und hielt die Sakeschale empor. Schnell nahmen auch alle anderen ihre Getränke zur Hand und sie prosteten sich zu.

Der Beta schüttelte sich bei dem starken Alkoholgeschmack und legte seine leere Schale schnell zur Seite. Er blieb dann doch lieber bei Cola. Auch deshalb, weil er offiziell noch gar keinen Alkohol trinken durfte.

Isaak setzte sich und sagte freudestrahlend: „Haut rein.“

„Hört hört“, konterte Jake und kam sich sofort dämlich vor, als ihn alle anstarrten. Für ihn zählte aber nur der liebenswürdige Blick seines Freundes und er beachtete die andern nicht weiter. Dann zog er einen Teller mit gegartem Lachs zu sich und begann diesen zu vernichten.

Nach einigen Momenten sah er, wie Isaak mit den Stäbchen einige Stücke aß, diese aber zuvor in eine schwarze Soße und grüne Paste tunkte. Jake war unschlüssig und sah den anderen beim Essen zu. Sein Lachs war bereits alle und nun wusste er nicht weiter.

Der Wächter schmunzelte, nahm ein Stück Sushi und präparierte dieses wie zuvor. Dann aber streckte er sich über den Tisch und hielt dem Wolfsjungen das Stück hin. „Probier mal. Glaub mir, es wird dir schmecken.“ Seine blauen Augen sprühten so intensiv und es lag so viel Wärme darin, dass Jake einfach nicht widerstehen konnte. Ohne es bewusst mitzubekommen, nahm er das angebotene Essen an.

Erstaunt bemerkte er, dass es ihm schmeckte. Der leicht salzige Geschmack der Sojasoße passte wunderbar, zudem noch die leichte schärfe des Wasabis. Einfach himmlisch.

Isaak lächelte süffisant und wandte sich ab. Sofort erlosch der Bann der blauen Augen und Jake schluckte den Bissen schwerlich hinunter. Er hatte sich von einem Mann füttern lassen. Was sollten die anderen sich nur denken? Isaak verdrehte bei diesem Gedanken die Augen und fixierte ihn wieder. Schon war es dem Beta egal und er versank in der Aussicht.

„Denk nicht so viel daran was andere denken. Genieße es doch einfach. Wenn du das nicht mehr willst, ein Wort genügt“, sagte der Rotblonde mental und seine Augen verloren ihre Macht, damit Jake auch denken konnte.

Dieser sah sich verstohlen um. Er musste einfach wissen, wie die anderen reagierten. Vincent sah John so lange tadelnd an, bis dieser Isaaks Geste, leicht rot im Gesicht, nachahmte. Bella indes grinste in sich hinein. Edward begnügte sich damit eine Statue zu mimen. Als der Vampir seinen Blick bemerkte, huschte ein höhnisches Grinsen über dessen Gesicht. Auf dessen Meinung legte Jake sowieso keinen Wert.

Dennoch war es ihm peinlich und er sagte mental: „Gib mir mehr Zeit.“

Der Wächter nickte verstehend und griff nun mit einer Hand nach einigen Kleinigkeiten. Diese arrangierte er auf einem leeren Teller. Vincent warf dem Mann neben sich einen erbosten Blick zu. Mit den Händen alles anfassen, sowas von unzivilisiert. Da stellte der Rotblonde die Häppchen dem Vampir vor die Nase. „Komm schon Edward, heute kannst du doch mal eine Ausnahme von deiner Diät machen. Der Fisch ist wirklich frisch und schmeckt hervorragend. Du brauchst keine Angst zu haben, dass er dir den Magen ruiniert.“

Leise, sodass nur Jake und der Blutsauger ihn hören konnten, fügte er hinzu: „Als Dank für deine Hilfe heute und für die Ausweise. Damit sind wir wieder quitt.“ Schnell legte er auch seine Hand kurz über die kleine Schale mit der Sojasoße und den Wasabi und schob ihm diese zu.

Ungläubig starrte der Vampir auf den Teller vor sich. Er sah kurz zu Isaak auf und sagte: „Danke.“

Dann, ohne zu zögern, griff er nach den Stäbchen und nahm ein Stück Sushi. Er stöhnte, bei dem sich ihm bietenden Geschmack hörbar auf, und bemerkete wieder einmal, wie praktisch diese Magie doch war.

Isaak indes ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken und schloss kurz die Augen. Feste Nahrung aus mehreren Bestandteilen zu modifizieren kostete ihn bei weitem mehr Kraft als eine Flüssigkeit mit nur einem Geschmack.

„Du übertreibst schon wieder“, knurrte Jake und vergaß in seiner Wut die Worte gedanklich zu formen. „Lass das gefälligst.“

„Wie du willst“, sagte Isaak schwach, öffnete aber nicht die Augen. Seine Stimme war leicht brüchig.

Aus dem Augenwickel sah er das Blitzen in Vincents grünen Augen. Für die beiden anderen Männer am Tisch mussten seine Worte sehr besitzergreifend gewirkt haben. Da sie nicht verstanden, worüber sich Jake wirklich aufregte, nahmen sie wohl an, er hätte was dagegen, wenn sein Freund sich so liebevoll um einen anderen kümmerte.

Nun schloss auch der Beta die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Sollten die anderen doch denken was sie wollten. Er hatte gespürt, dass die gewirkte Magie für Isaak anstrengend gewesen war, und das würde er nicht mehr tolerieren.

Alle wandten sich wieder ihrem Essen zu und die Stimmung lockerte etwas auf. Als sie fertig gegessen hatten, war die ganze Gruppe bester Laune und unterhielt sich angeregt miteinander. Bella quetsche Vincent und John ein wenig aus. Der Schwarzhaarige hingegen war sehr von Isaak angetan und wollte diesen immer wieder in ein Gespräch verwickeln. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, wobei der Wächter immer höflich blieb, gab er dann auf und nahm sich Jake zur Brust.

„Du bist noch nicht lange geoutet, oder?“, fragte er ungeniert und sah wie der Wolfsjunge rot anlief und rasch den Blick abwandte. Daraufhin schlussfolgerte Vincent wehmütig: „Oh, du bist noch gar nicht geoutet.“

Aufgewühlt druckste der Beta ein wenig herum. Isaak sprang schnell ein und erklärte: „Wir sind noch nicht so lange zusammen. Für Jake ist das Ganze noch neu.“

Mitfühlend nickte der Schwarzhaarige und offenbarte: „Ja, das kann ich verstehen. Meine Eltern hätten mich wohl vor die Tür gesetzt, wenn ich nicht schon längst ausgezogen gewesen wäre. Es hat lange gedauert meinen Vater zu überzeugen. Schlussendlich habe ich John aber zu Weihnachten mitgebracht und wir haben uns ausgesprochen. Es ist zwar noch immer nicht so wie früher, aber immerhin reden wir miteinander und sie haben John an meiner Seite akzeptiert.“

Dieses Geständnis lockerte Jakes Zunge und er sagte mit zittriger Stimme: „So weit sind wir noch nicht. Mein Dad hat mich beschimpft und mich mit Sack und Pack rausgeworfen. Ich bezweifle sehr, dass er Isaak jemals akzeptieren wird.“

„Wo die Liebe hinfällt weiß kein Mensch“, meinte John und tätschelte dem Gestaltwandler die Schulter. „Gib ihm einfach etwas Zeit, er wird sich schon beruhigen.“

Jake schüttelte die Hand ab und ließ den Kopf hängen. „Nicht anfassen“, knurrte er schwach. Dann stammelte er kleinlaut: „Das glaube ich nicht. Er hat mich enterbt und versucht gerade mich zu verbannen.“

„Verbannen? Ähm, ich verstehe nicht“, stammelte Vincent verwirrt.

„Jake gehört zum Stamm der Quileute. Ein uralter Eingeborenenstamm, der in einem Reservat an der Westküste lebt. Homosexualität wird dort nicht geduldet“, erklärte der Wächter vorsichtig und achtete dabei genau auf die Gefühlswelt seines Freundes.

„Oh“, entwich es dem Schwarzhaarigen. „Das ist ja schrecklich. Bei euch gibt es also keine Schwulen oder Lesben?“

Der Beta kämpfte einen Augenblick mit sich und offenbarte: „Sowas wird als abartig und widernatürlich angesehen. Solche Leute werden aus dem Stamm ausgeschlossen und davongejagt. Der Ältestenrat hat Isaak und mich in die Mangel genommen, da sind wir abgehauen. Ich habe mich entschieden und meinem Stamm den Rücken gekehrt. Ich weiß nicht, was mich zuhause erwartet. Ich weiß nur, dass Dad gerade ausrastet.“

„Warte mal, wann genau ist das den vorgefallen?“, fragte John, dem die Formulierung aufgefallen war.

Jake schluckte und offenbarte: „Vorgestern Abend.“

„Vorgestern Abend?“, prustete das Männerpaar gleichzeitig und sie sahen sich entsetzt an.

„Jake“, begann nun Bella und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Aber auch diese Berührung konnte er im Moment nicht ertragen und schüttete sie ebenfalls schnell ab.

Plötzlich tauchte Isaak hinter dem Gestaltwandler auf und legte ihm die Hände auf die Schultern. Haltsuchend griff dieser nun nach der Rechten des anderen und drückte kurz zu. Durch die Verbindung flutete Wärme und der Beta beruhigte sich langsam. Es tat noch zu weh, um über dieses Thema zu sprechen. Dankbar für den stillen Zuspruch sah er auf und seine Augen verloren sich in denen von Isaak.

„Es ist mir egal was Dad und die anderen sagen. Ich kann und will mich nicht mehr verstecken“, sagte Jake mit fester Stimme.

Um vom Thema abzulenken fragte Vincent: „Und wie lange seid ihr schon zusammen?“

„Offiziell seit gestern Abend“, erklärte Isaak gelassen.

„Moment mal, dein Stamm hat euch in die Mangel genommen und da wart ihr noch nicht mal zusammen?“, fragte John erstaunt.

„Das ist eine komplizierte Geschichte“, sagte der Wächter langsam.

„Ich kann es mir vorstellen, wie es für dich war, jahrelang eine Lüge leben zu müssen“, meinte Vincent mitfühlend.

„Ich bin nicht schwul“, begann Jake. „Bevor ich Isaak traf musste ich mich nicht verstellen.“

„Liebe auf den ersten Blick?“, versuchte John die Stimmung zu lockern.

„Kann man so sagen“, meinte der Beta und sah zu dem Broker. „Ich habe mich mehrere Monate dagegen gewehrt. Von klein auf wurde mir beigebracht, wie abartig sowas ist und nun bin ich mit Isaak zusammen. Dennoch ist es sehr schwer für mich. Alles ist jetzt anders und daran muss ich mich erst gewöhnen.“

Ohne nachzudenken redete er weiter: „Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was mich heute Abend erwartet. Ich bin überrascht wie normal ihr beiden seid.“

Die beiden starrten ihn irritiert an, dann verengten sich ihre Augen wütend. Schnell warf Bella ein: „Das sollte keine Beleidigung sein. Jake hat noch nie etwas mit einem Schwulenpaar zu tun gehabt. Wie er schon sagte, bei den Quileute ist das nicht gestattet. Die Leben sprichwörtlich hinterm Mond. Aus seinem Mund ist das also als Kompliment zu verstehen.“

Dann boxte sie ihrem besten Freund schalkhaft gegen den Arm. „Schön, dass du ein wenig aus deinem Schneckenhaus kommst. Ich sagte doch schon, schwul sein ist ganz normal. Jedem das Seine. Leben und leben lassen.“

Er drehte sich ihr zu und sagte: „Gegen die beiden habe ich nichts, solange sie mich nicht anfassen, ist alles ok.“

„Jake, das ist nicht sehr nett. Daran müssen wir noch arbeiten“, schimpfte die junge Dame.

„Ist doch wahr. Ich will nicht von einem Schwulen angefasst werden“, maulte der Beta bestimmend.

„Außer bei Isaak, da macht dir das nichts aus, oder?“, grinste sie heimtückisch.

„Solange er mir nicht an die Wäsche geht, ist es bei ihm, und nur bei ihm, ok“, bestätigte Jake und nickte.

„Keine Angst, ich lasse dir so viel Zeit wie du brauchst, selbst wenn es ein Jahrtausend dauert, ich werde warten“, meinte der Wächter ernst. „So, nun aber genug davon. Ihr überfordert ihn.“

„Hey“, beschwerten sich Bella und der Gestaltwandler gleichzeitig.

„Ein Schritt nach dem andern“, gluckste der Rotblonde und ging langsam zu seinem Stuhl zurück.

„Schade“, murmelte Vincent und seufzte.

„Was meinst du?“, fragte Isaak, mit einer Spur Schärfe in der Stimme. Sein Blick wurde auf einmal undefinierbar und ein Hauch von Gefahr lag in der Luft. Jake und Edward fröstelten und behielten den Rotblonden genau im Auge. Beide wussten, ein falsches Wort und es würde gefährlich werden.

„Ich wollte euch eigentlich vorschlagen, nachher noch in eine Schwulenkneipe zu gehen, aber ich glaube das wird wohl nichts“, offenbarte der Schwarzhaarige schulterzuckend.

Sofort kehrte die gelassen Art des Wächters zurück. Er sah zu seinem Freund und öffnete den Mund. Jedoch kam ihm Jake zuvor: „Warum denn nicht? Ich würde mir das gerne mal ansehen.“

Alle starrten den Beta entsetzt an und dieser wurde knallrot. „Was? Ich bin neugierig. Ich war noch nie in einer Schwulenkneipe.“ Eigentlich war er überhaupt noch nicht in einer Kneipe. Offiziell war er dafür noch zu jung. Er hatte aber gehört, dass es dort immer Schlägereien gab und da würde er gerne mal mitmischen. Natürlich würde er sich zügeln, und sie nicht zu stark vermöbeln.

Isaak der seine Gedanken mitbekam sagte langsam: „Ich glaube deine Vorstellung und die Realität gehen da etwas auseinander. Ich halte das für keine gute Idee. Vor einem Monat hättest du dich noch, wie ein Berserker, auf John gestürzt, weil er schwul ist und es gewagt hat, dich zu berühren.“

„Ach komm schon, ich bin auch brav“, meinte Jake begeistert und auf eine ordentliche Schlägerei hoffend.

Bevor der Wächter ihn aufklären konnte, sagte Vincent, ebenso begeistert: „Abgemacht, dann gehen wir gleich noch was trinken.“ Dann winkte er bereits nach dem Kellner. Er hatte offenbar nicht vor lange zu warten.

Isaak ließ die Schultern hängen und ahnte schlimmes. Bella johlte nun auch auf. In eine Schwulenbar wollte sie schon immer mal rein. Mit Edward an ihrer Seite war es auch egal, das sie erst 18 war. Mit ihm war sie immer sicher.

Der Vampir allerdings wusste, wie es in einer solchen Bar zuging und sah alarmierte zu dem Wächter auf. Auch dieser hatte kein gutes Gefühl.

Schnell setzte sich Isaak und dann nahm er sich seinen Freund vor. Gedanklich führen die beiden ein Gespräch. „Jake, dort werden fast nur Schwule sein.“

„Na und? Bella sagt doch immer schwul sein ist normal. Mir ist es egal mit wem ich kämpfe.“

„Da bist auf dem Holzweg. Dort wird es keine Schlägerei geben.“

„Was, aber ich dachte…“

„Für eine Schlägerei musst du schon in eine Rockerbar. Die Schwulenszene hingegen ist gänzlich anders und meist sehr oberflächlich. In einer solchen Bar wird geflirtet und getanzt. Sie werden versuchen dich abzuschleppen.“

„Wir haben doch kein Auto hier, oder meinst du die Limo?“

„Jake, die werden versuchen dich ins Bett zu bekommen. In so eine Bar geht man, wenn man mit Gleichgesinnten Spaß haben will. Du weißt gar nicht wie sexy du bist, sie werden um dich schwirren wie die Motten um das Licht. Es kann auch sein, dass sie dich begrabschen. Denen ist das vollkommen egal, ob du das willst oder nicht. Für die bist du nur eine Sahneschnitte, die ihnen auf dem Silbertablett serviert wird.“

Jake riss die Augen auf und fragte: „Woher weißt du das?“

„Ich war schon öfters in einer solchen Bar. Am Ende habe ich immer meine Magie benutzt, um meine Ruhe zu haben. Leider muss ich sagen, dass die meisten Schwulen absolut triebgesteuert sind. Wobei das trifft wohl auf alle Männer zu. Egal. Sie denken nur an das eine: den bestaussehensten Kerl in der Bar in die Kiste zu bekommen. Am nächsten Morgen wissen sie nicht einmal deinen Namen.“

„Ich dachte du…“, begann der Beta wurde rot und brach ab.

„Ich lasse mich doch nicht abschleppen“, empörte sich Isaak. „Ich habe nur ihre Gedanken gelesen. Ich habe auch keine Angst, dass du dich nicht wehren kannst, aber ich befürchte, dass du wütend wirst und dich verwandelst oder einen von ihnen verprügelst, wenn sie dich begrapschen.“

Schnell sah sich der Gestaltwandler um. Vincent, John und auch Bella strahlten und freuten sich ungemein.

„Scheiße. Ich wollte mich doch nur ein wenig prügeln.“

„Ich weiß. Ich werde absagen.“

„Nein. Ich bin kein Feigling. Ich habe zugestimmt und ziehe jetzt nicht den Schwanz ein“, knurrte Jake erbost.

„Gut“, gab der Wächter nach. Er konnte es verstehen, wenn es Jake in seiner Ehre verletzte, einen Rückzieher zu machen. „Ich werde aufpassen. Bitte, schlag sie nicht. Wenn dich einer nervt oder anfasst, dann überlass ihn mir. Von mir aus gib ihm eine Ohrfeige, aber sei vorsichtig. Das sind alles normale Menschen.“

„Eine Ohrfeige? Ich bin doch keine Frau“, schnauzte der Beta.

„Jake, bitte. Eine Ohrfeige reicht völlig aus. Sie werden dich dann in Ruhe lassen“, redete der Rotblonde ihm ins Gewissen. „Wenn du es übertreibst rufen sie die Polizei. Also versprich es mir: versprich mir, dass du dich beherrschst und niemanden krankenhausreif schlägst. Keinen Wutanfall und keine Verwandlung. Wenn nicht, sage ich augenblicklich von mir aus ab. Ich bin noch nicht stark genug unzählige Gedächtnisse zu löschen und die Verletzten zu versorgen.“

Sie sahen sich einen Augenblick tief in die Augen. Jake wusste, dass der andere es ernst meinte, aber er wollte sich nicht mit einer Ohrfeige begnügen. Wenn ihn einer begrapschte wollte er diesen seine Faust schmecken lassen. Grollend gab er nach und knurrte verärgert: „Ok. Ich verspreche nur Ohrfeigen und kein Wolf.“ Danach murmelte er in sich hinein.

Damit war ihr mentales Gespräch beendet.

Schnell wandte sich Isaak an das Männerpärchen und fragte beiläufig: „Sagt mir bitte, dass es dort keinen Darkroom gibt.“

Der Brünette lachte erheitert auf und sagte: „Keine Sorge, dass würden wir deinem Freund nicht antun.“ Nachdenklich betrachtete er Jake und flüsterte dem Wächter zu. „Ich nehme mal an, du kennst dich in diesem Milieu aus?“ Isaak nickte. „Gut, ich glaube mal, du kannst dich zur Wehr setzten, aber ich rate dir deinen Freund nicht allein auf Toilette gehen zu lassen.“

Der Rotblonde ließ den Kopf hängen und ärgerte sich. Warum nur musste der Broker das sagen. Nun würde er es noch schwerer haben auf Jake aufzupassen. Dieser schluckte hart und wurde ein wenig blass um die Nasenspitze, auch wenn er so tat, als ob er nichts gehört hatte. So langsam verstand er die Zusammenhänge und diese Anspielung gefiel ihm nicht.

Kneipenbesuch

Schnell hatte Isaak die Rechnung beglichen und sie fuhren mit der Limousine zu dieser Kneipe. Vor der Eingangstür standen zwei bullige Kerle in Anzügen und kontrollierten die Leute. Der Wächter atmete erleichtert aus. Das war eine Schwulenbar für Reiche. Dann sollten sich die Leute besser verhalten, wenn es Aufpasser gab.

John trat an der Warteschlange vorbei direkt auf den Eingang zu. Er grinste einen der Türsteher breit an. „Abend Luke, die gehören zu uns“, bei diesen Worten deutete er auf die Gruppe hinter sich: „Ist noch ein Plätzchen frei in der VIP-Lounge?“

Der Mann lächelte, trat einen Schritt vor und sie gaben sich Küsschen auf die Wagen. „Schön dich mal wiederzusehen, John. Für dich und deine Freunde ist doch immer Platz. Oh, und deinen liebreizenden Mann hast du auch mitgebracht. Wie geht es dir, Vincent?“, fragte der Türsteher fröhlich und gab auch dem Schwarzhaarigen ein Küsschen rechts und links.

„Gut, soweit. Ich muss nur aufpassen, dass mein Mann hier nicht wieder über die Stränge schlägt“, erwiderte er und schlag einen Arm um seinen Verlobten.

Luke grinste und sagte verschwörerisch: „Bist es nicht du gewesen, der letztes Mal über die Stränge geschlagen hat?“

Vincent lächelte und meinte: „Ich weiß nicht was du meinst. Ich bin doch ein Engel.“

„Ja mit einem „B“ davor“, gluckste John und schlang ebenfalls einen Arm um ihn.

„Na dann kommt doch rein“, sagte der Türsteher und machte einen damenhaften Hofknicks.

„Bis dann, Luke“, sagten beide und John verpasste dem Mann im Vorbeigehen einen Klaps auf den Allerwertesten. Luke wackelte mit dem Hintern und gab mit hoher Stimme ein mädchenhaftes „Uh, Finger weg“ von sich.

Jake stand mit zuckendem Auge da. Das durfte doch nicht wahr sein. Ehre hin oder her, das war zu viel des Guten. Dann doch lieber ein Feigling. Da schnappte sich Isaak seinen Arm und zog ihn einfach mit sich. Ehe er sich versah waren sie auch schon im Inneren.

Der Club entpuppte sich als ein doppelstöckiger Raum mit Nischen an den Wänden. Dort standen runde Tische mit einer Sitzbank. In der Mitte war eine Tanzfläche, dahinter eine ausladende Bar. Rechts und links davon führte je eine Treppe in die obere Etage, welche als Rundweg um die Tanzfläche angeordnet war. Von unten konnten sie dort auch Nischen erkennen. In der Mitte des Raum hing ein riesiger Kristallkronleuchter. Es spielte leise Musik, welche sich über das Stimmengewirr hinwegsetzte.

Viele Augen musterten die Neuankömmlinge und Jake hatte das Gefühl in einem Raum voller Vampire zu sein. In den Blicken der Gäste lag eine Gier, welcher er einen Moment nicht zuordnen konnte. Es war nicht die Blutgier von Vampiren. Diesen Leuten hungerte es nach ihren Körpern. Einzig Bella wurde gar nicht beachtet. Der Beta erschauderte und klammerte sich haltsuchend an Isaak. Jetzt verstand er den Spruch mit der Sahneschnitte auf dem Silbertablett.

Die Tanzfläche war noch leer und John führe sie die Treppe hoch auf die Empore, dort gab es einen mit einer roten Kordel abgetrennte Bereich. Dahinter waren noch ein paar Nischen. Sie suchten sich eine aus und ließen sich nieder.

Da kam auch schon ein schlaksiger blonder Kellner und grinste sie liebreizend an. Einen Moment musterte er sie alle. Er seufzte verzückt und ungeniert auf bei Edward, Isaak und auch Jake. Dann fiel sein Blick auf Bella und sein Blick wurde streng. Offenbar wollte er einschätzen, ob sie schon alt genug war. Dann zuckte er mit den Schultern und fragte mit hoher Stimme: „Was darf ich den Herrschaften und der Dame bringen?“

„Für mich und meinen Freund je eine Whiskey-Cola“, bestellte John. „Aber nicht diesen billigen Fusel wir verstehen uns doch, oder?“

„Selbstverständlich, Sir. Sie sind der VIP-Lounge, da würde ich es nicht wagen Sie mit so etwas zu beleidigen“, flötet der Mann und zwinkerte beide an. Dann wandte er sich an Edward, dem er einen glühenden Blick schenkte.

Dieser lächelte ihn an und legte demonstrativ einen Arm um Bella. „Für mich bitte eine Glas Rotwein trocken und für meine Verlobte“, er betonte das Wort extra: „einen Pina Colada, aber bitte schön süß.“

Der Mann nickte und sah auf die Verlobungsringe. Damit verlor er sein Interesse an dem Vampir. Dann schmachtete er Isaak an und Jake begann leise zu knurren, was aber von der Musik überdeckt wurde.

Der Wächter sah den Kellner mit deutlichem Desinteresse an. „Wir beide nehmen auch je einen süßen Pina Colada.“

Jake stutzte, er wollte eigentlich einen Whisky probieren. Der Mann sah das Desinteresse des Rotblonden und wandte sich kurz an den Beta, doch dieser beachtete ihn gar nicht und wandte sich flüsternd an Isaak: „Warum hast du mir das bestellt? Ist das so ein Schwulenzeug?“

„Keine Angst, das ist nicht schwul und ich habe nicht vergessen, dass du eigentlich erst 16 bist, mein Lieber. Auch wenn man bei einem Gestaltwandel nicht den gleichen Maßstab anlegen kann, wie bei gewöhnlichen Menschen. Fang doch bitte erstmal mit etwas Einfachem an, bevor du gleich zu den harten Dingen greifst.“

Jake schnaubte und sah zu dem Kellner auf. „Ich nehme zusätzlich einen großen Whisky.“ Hoffentlich merkt der nicht, wie jung ich bin, dachte der Beta und versuchte den Man mit einem verspielten Lächeln abzulenken.

Der Mann wurde leicht rot bei diesem Blick und eilte schnell von dannen.

Jake grinste fies. Das war geschafft. Den Trick mit dem Flirten musste er sich merken, das funktionierte einfach wunderbar.

Isaak sah ihn aus den Augenwinkeln an und fragte sich, ob der Gestaltwandler wusste was er da losgetreten hatte. Dann wandte er sich ab. Jake musste seine eigenen Erfahrungen machen und er würde ihm nicht im Weg stehen.

Kurze Zeit später kehrte der Kellner zurück und stellte die Bestellungen auf den Tisch. Unauffällig schob er Jake einen Zettel unter den Whisky und glühte ihn an.

Das war ihm dann doch etwas peinlich und er sah schnell weg. Als der Mann davonschritt ließ er seine Hüften hin und her wackeln, als würde er mit einem Schweif wedeln. Irritiert starrte der Beta dem Blonden hinter. Dann streckte er die Zunge raus und wandte sich seinem Getränk zu. Sie stießen alle an und schon nahm er einen großen Schluck von der braunen Flüssigkeit.

Der Whisky war schärfer als er erwartet hatte und er schluckte schnell. Es brannte in seiner Kehle und er hatte das Gefühl flüssiges Feuer getrunken zu haben. Er musste husten und Isaak klopfte ihm sanft auf den Rücken. Es dauerte einen Moment, bis der Beta wieder richtig Luft bekam. Dann schnappte sich der Wächter das Glas und leerte es in einem Zug. Er stellte es auf den Tisch und flüsterte leise: „Vielleicht doch noch zu viel für den Anfang?“

„Klappe“, maulte Jake und griff nach dem Pina Colada. Er musste diesen Geschmack loswerden und seine Kehle kühlen. Dieses Mal jedoch war er vorsichtiger. Durch einen Strohhalm zog er ein wenig von der weißen Flüssigkeit in den Mund und probierte erst einmal. Es war sehr süß und schmeckte kaum nach Alkohol. Nein, eher wie eine Kokosnuss, die man mit einer Ananas gepaart hatte. Er schluckte und seufzte erleichtert auf. Die leicht cremige Substanz beruhigte seinen Hals ungemein.

Das Zeug schmeckte ihm und so schwul sah es auch nicht aus. Bella hatte ein kleines rosa Schirmchen in ihrem Cocktail. Dieses fehlte bei ihm zum Glück. Zufrieden lächelte er Isaak an und dieser schenkte ihm einen glühenden Blick. Er verlor sich in den Tiefen dieser strahlenden blauen Augen in denen so viel Wärme lag. Er seufzte erneut auf und der Wächter legte ihm eine Hand auf seinen Oberschenkel.

Jakob verdrehte ein wenig die Augen beschwerte sich aber nicht. Dann fiel sein Blick auf den kleinen Zettel und er griff nach diesem. Dort war einige Zahlen geschrieben.

„Meinen Glückwunsch“, prostete John ihm zu. „Deine erste Telefonnummer. Wir spielen gerne, wer die Meisten bekommt, aber mit euch drei neben uns haben wir wohl kaum noch Chancen.“

Jake verengte zornig das Gesicht, zerknüllte den Zettel und warf ihn demonstrativ in das leere Whiskyglas.

„Das würde ich nicht machen. Das verletzt den Kerl“, warnte der Rotblonde leise, aber der Beta blieb stur.

Sie unterhielten sich eine Weile über Gott und die Welt und die Stimmung wurde wieder besser. Dann verdunkelte sich plötzlich der Raum stark. Jake wollte alarmiert aufspringen, aber Isaak hielt ihn zurück. „Beruhige dich. Es droht keine Gefahr.“

Der Gestaltwandler unterdrückte seine bevorstehende Verwandlung und sein Zittern wurde schwächer.

Plötzlich ging ein Scheinwerfer an und alle Gespräche verstummten. In der Mitte der Tanzfläche stand eine Frau in schillernden Farben und einem rosa dicken Flauschschal. „Meine lieben Herrschaften. Lasst die Party beginnen.“

Dann stieg Nebel auf und eine ohrenbetäubende bassgeschwängerte Discomusik dröhnte durch den ganzen Raum. Zudem strahlten Leuchten von überall her und der Kristallkronleuchter fungierte als Discokugel. Er reflektierte die vielen farbigen Lichter, brach sie in alle Regenbogenfarben und warf sie zurück.

Während die Frau mit ihren hohen Stöckelschuhen davontänzelte kamen einige Männer in die Mitte und tanzen zu den harten Beats. Edward und Jake verzogen das Gesicht. Ihre Ohren waren bei weitem empfindlicher als menschliche. Isaak Griff nach der Hand des Betas und legte ihm etwas auf die Handfläche. Auch dem Vampir gab er etwas.

Jake sah auf zwei keine Ohrstöpsel und schob die Dinger dankbar rein. Der Vampir tat es ihm gleich und beide seufzten erleichtert auf. Beide bedankten sich bei dem Wächter, der die Dinger in weiser Voraussicht am Eingang eingesteckt hatte.

Da kam auch schon die blonde Schwuppe wieder vorbei und sah nach ob sie noch etwas haben wollten. Als er seinen Zettel in dem leeren Glas sah, wurde sein Blick sehr traurig. Möglichst professionell nahm er die nächste Runde auf und warf immer wieder zornige Seitenblicke auf den Wolfsjungen. Dieser störte sich daran nicht und setzte noch einen obendrauf, in dem er dem Kellner ein dämonisches Lächeln zeigte.

Der Mann drehte sich auf dem Absatz um und rauschte wutentbrannt davon.

„Das war nicht sehr nett“, schrie Bella tadelnd, um sich durch die laute Musik Gehör zu verschaffen.

Jake zuckte mit den Schultern und vergaß den Kerl schnell. Der würde es nicht mehr wagen mit ihm zu flirten. Dass er damit angefangen hatte, überging er geflissentlich.

Sie sahen den Tanzenden, wobei es eher ein wildes Rumgehüpfte war, eine Weile zu. Dabei bemerkten sie, dass die Männer mit anderen Männern tanzten und sich auch das eine oder andere Paar eng aneinanderschmiegte. Hier und da gaben sie sich auch Küsse oder sie räkelten sich vor ihren Tanzpartnern. Auch schien es nicht allzu viele feste Paare zu geben, da sie ihre Tanzpartner ständig wechselten. Berührungsängste gab es keine und Frauen waren nirgends zu sehen.

Das ganze erinnerte Jake und Bella an eine Tierdokumentation. Mit dunkler Stimme kommentierte die junge Dame: „Und hier sehen sie das Balzverhalten von Schwulen in freier Wildbahn.“ Beide grinsten und genehmigten sich ihre Drinks. Bella war sogar so frei und nahm einen Schluck von Edwards Whiskey on the Rocks. Dieser tadelte sie dafür und verdonnerte sie zu Cola, für den Rest des Abends. Er hatte keine Lust, seine betrunkene achtzehnjährige Freundin, die eigentlich noch gar keinen Alkohol trinken durfte, abwehren zu müssen.

Der Beta hingegen schluckte einige Gläser hinunter und bestellte immer mehr nach. Bella beschwerte sich, bis Isaak erklärte, dass Jake durch seine hohe Körpertemperatur den Alkohol schneller verbrannte als sie und sie nun in etwa auf demselben Level waren. Dann versuchte er seinen Freund ebenfalls zu zügeln, aber dieser fühlte sich hier sehr unwohl und wollte nicht auf ihn hören. Das Gebaren der Männer auf der Tanzfläche verstörte ihn. Er wollte sowas nicht sehen.

Wenig später kam dann die seltsame farbenfrohe Frau auf sie zu. „Na, meine Hübschen?“, begann sie mit einer seltsam verzerrten hohen Stimme. „Wie gefällt euch mein Lokal? Ist alles zu eurer Zufriedenheit?“

Jake musterte die Frau und beschwerte sich, der Alkohol zeigte langsam Wirkung und lockerte seine Zunge: „Der blonde Kellner nervt langsam, der lässt uns einfach nicht ihn Ruhe.“ Kurz zuvor war eben dieser wieder bei ihnen gewesen und er hatte es immer noch auf Jake abgesehen. Nachdem er über die Zurückweisung hinweggekommen war, flirtete er noch viel aggressiver um dessen Gunst. Isaak musste sogar einschreiten, als der Kerl versuchte Jake anzufassen. Scharf hatte der Wächter ihn zurechtgewiesen und davongejagt. Das schien jedoch keine Wirkung zu zeigen, er kam immer wieder, wobei er nun dem Rotblonden zornige Blicke zuwarf.

Irritiert runzelte die Frau die Stirn und Jake betrachtete ihr übertriebenes Glitzer-Makeup. Sie war nicht gerade hübsch. Ihre kantigen Gesichtszüge wirkten doch recht maskulin. Überschwänglich sagte sie, wobei ihr Adamsapfel nach oben und unten wanderte: „Ich werde mit ihm reden, das geht so nicht. Ihr seht aber auch zum Anbeißen aus. Besonders du, mein Hübscher.“ Grinste sie dem Wolfsjungen an.

Die Gedanken des Betas trieben träge vor sich hin. Dann rastete die Erkenntnis bei ihm ein: diese Frau war gar keine Frau, sie war ein Mann. Ein Mann in einem glitzernden, farbenfrohen Kleid, Perücke und Make-Up.

Entsetzt sagte er: „Du bist ja ein Mann.“

„Darling“, begann sie und verhielt sich übertrieben Damenhaft. „Ich bin eine Lady.“ Dann zwinkerte sie ihm zu und ging.

Das war zu viel und Jake erbebte. In seinem Kopf erklang Isaaks Stimme: „Du hast es versprochen. Beruhige dich, bitte.“

„Sie ist ein Er“, fauchte er laut zurück und fuhr zu dem anderen herum.

Der Wächter seufzte und erklärte laut: „Biologisch gesehen schon. Sie ist ein Transsexueller und möchte als eine Frau gesehen und angesprochen werden. Lass sie doch einfach. Sie wird dich nicht belästigen. Also hast du keinen Grund wütend zu werden.“

„Das sehen ich aber anderes. Das gehört sich nicht. Das ist abartig“, motzte Jake so laut, dass alle am Tisch ihn hören konnten.

Da mischte sich der Vampir ein und fauchte: „Ihr Quileute seid echt ein unzivilisierter Haufen wilder Barbaren. Da reden die Ureinwohner immer davon, benachteiligt zu werden und dabei seid ihr so viel schlimmer, was die Diskriminierung von Minderheiten angelangt. Bella hat Unrecht; ihr lebt nicht hinter dem Mond, ihr lebt noch weit dahinter. Leben und leben lassen. Das solltest du dir mal einprägen, du Waldschrat.“

Die Stimmung war aufgeheizt und die beiden funkelten sich wütend an. Zu allem Überfluss tauchte auch noch der Blonde schon wieder bei ihnen auf. Diesmal lächelte er gezwungen. Keiner bemerkte den seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht, als er die Gläser vor ihnen abstellte. In seinen Augen blitzte es bösartig und er zog sich eilig zurück.

Isaak hatte Mühe die beiden Streithähne zu versöhnen und drückte Jake sein Glas in die Hand. „Trink und versuch bitte dich zu entspannen. Du hast versprochen brav zu sein“, fleht er ihn an. Das zeigte Wirkung und der Beta konzentrierte sich auf seinen Trink.

Unbemerkt stibitzte Bella Edwards Glas und nahm schnell einen Schluck, bevor sie sich um ihren Verlobten kümmerte und diesen ebenfalls besänftigte.

Nachdem Jake ausgetrunken hatte fragte er plötzlich mental: „Willst du mich abfüllen?“ Seine Angst tränkte die Verbindung.

Isaak seufzte schwer, wobei er erklärte: „Nein. Warum sollte ich das wollen? Ich möchte nur, dass du lockerer wirst und vielleicht etwas Spaß hast.“ Die Wärme, die er in dem Moment auf Jake übertrug, schwemmte die Angst und bösen Gedanken des anderen hinfort.

Glücklich grinste der Gestaltwandler und vertraute seinem Freund. Er war ja auch dumm. Isaak brauchte ihn doch nicht abzufüllen. Wenn er ihm wirklich an die Wäsche wollte, brauchte er nur zuzugreifen. Immerhin war der Wächter stärker als er. Das würde der Rotblonde ihm aber niemals antun. Da war er sich sicher. Er schob die Schuld für seinen wirren Gedanken auf den Alkohol und entschied sich nun, wie Bella, auf Cola umzusteigen.

Nach einigen Minuten wurde die junge Dame immer anhänglicher und Edward musste sie mehrfach abwehren, da sie versucht ihn auszuziehen. „Bella, du verträgst wohl keinen Alkohol“, scherzte er und schlug ihre Übergriffe sanft zurück.

Plötzlich sprang sie auf. „Ich will tanzen“, sagte sie angeheitert und griff nach Edward. Dieser sah sie ungläubig an und sagte: „Du hasst tanzen.“

Sie zuckte mit den Schultern und zog an ihm, erfolglos. Sein Blick wurde sorgenvoll. Da zuckte Bella mit den Schultern und drängte sich an Isaak vorbei. Schnell schnappte sie sich Jakes Hand und dieser ließ sich hochziehen. Beide grinsten sich an. Dann streifte der Beta sein Jackett ab und krempelte die Arme hoch. Verführerisch aussehend nahm er Bella bei der Hand und sie stürmten gemeinsam davon.

Isaak, wie auch Edward, schossen an die Brüstung. John und Vincent waren selbst so angeheitert, dass sie die schnellen Bewegungen nicht mitbekamen.

„Was geht den jetzt ab?“, fragte sich der Vampir laut. Der Wächter zuckte mit den Schultern und meinte: „Ist das der Alkohol? Hätten wir ihnen besser nichts geben sollen?“

Schuldbewusst sahen sich die beiden Männer kurz an, dann behielten sie ihre Partner fest im Auge. Die beiden Verrückten stolperten auf die Tanzfläche und begannen sich, eng aneinandergeschmiegt, zu bewegen. Schnell passten sie sich den Beats an und wurden immer ausgelassener.

Die zwei Zurückgelassen sahen dem Treiben ruhig zu. Beide kannten ihre Partner und wussten, dass sie bei ihnen keine Angst haben müssen. Bella und Jake umkreisten einander und wirkten vollkommen losgelöst. Immer wieder klebten sie aneinander und hatten absolut keine Berührungsängste.

Wäre es nicht Jake und dieser nicht gebunden gewesen, hätte Edward das nicht toleriert. Die beiden rieben sich quasi mittlerweile aneinander, wie zwei notgeile Teenies. Was in Bellas Fall wohl auch stimmte, so wie sie sich eben bei ihm aufgeführt hatte. Isaak dachte da ähnlich, zudem spürte er, dass Jake nicht erregt war, sondern… glücklich? Ein wenig neben sich, leicht vernebelt. Das war seltsam.

Während einige irritiert vor Bella zurückwichen, und sich fragten, was die junge Dame hier zu suchen hatte, begannen die Männer sich allmählich Jake zu nähern.

„Kannst du ihn aufhalten, bevor er einen von denen verprügelt?“, fragte Edward, dem das Interesse der Herrenwelt ebenfalls aufgefallen war.

„Wenn es sein muss ja, aber ich würde das gerne vermeiden. Ich will ihn nicht gewaltsam unterwerfen. Er hat mir versprochen es bei einer Ohrfeige zu belassen“, knurrte Isaak, dem die Entwicklung ganz und gar nicht gefiel.

Da traute sich auch schon der Erste näher an den Beta und tanzte ihn ausgelassen von hinten an. Dieser bemerkte dessen Avancen nicht einmal und feierte einfach weiter. Dann schoss plötzlich eine weiße Hand an Jake vorbei und traf den Mann hinter ihm im Gesicht. Bella hatte den Kerl sehr wohl gesehen und dem Treiben rigoros ein Ende gesetzt.

Der Mann sah die Frau entsetzt an und diese machte eine Handbewegung und wollte den Kerl davonscheuchen. Dieser starrte wütend zurück und wollte offenbar nicht so schnell klein beigeben. Da drehte sich Jake um und baute sich zu voller Größe auf. Unter seinem wütenden Blick trollte sich der andere schnell und verschwand in der Masse.

„Nette Ohrfeige“, lachte Isaak und beruhigte sich langsam.

Edward hingegen meinte mit einem Grinsen: „Sie sollte nur aufpassen, dass sie sich nicht nochmal die Hand bricht.“

Eine Weile betrachteten die beiden Männer weiter die untere Ebene. Es gab noch drei weitere Annäherungsversuche. Alle bekamen eine Ohrfeige von Bella und schnell merkten die Leute, dass sie an dieser Furie nicht vorbeikamen. Also warfen sie dem gutaussehenden Mann an ihrer Seite schmachtende Blicke zu, blieben aber auf Abstand.

Hinter sich hörten Isaak und Edward ein leidvolles Stöhnen und sie drehten sich um. John und Vincent sahen gar nicht gut aus. Sie schwankten und waren grün um die Nase. Der Rotblonde sah nach den beiden, während der Blutsauger weiter die Tanzenden beobachtete.

Isaak meckerte: „Die haben sich ja komplett abgeschossen.“

„So viel haben sie doch gar nicht getrunken“, meinte der Vampir und warf einen Blick auf die Beiden. Isaak beugte sich vor und roch an ihrem Atem. „Seltsam, ihr Alkoholgehalt ist nicht so hoch, als dass sie sie reagieren sollten.“

Dann sah er zu den leeren Gläsern auf dem Tisch und er wurde unruhig. Weder Edward noch er hatten ihre letzten Drinks angerührt. Zudem stand noch etwas Cola von Bella rum. Schnell roch der Wächter an allen Gläsern und nahm je einen Schluck. Er schmeckte einen Augenblick und sagte: „Bei allen wurden Drogen untergemischt, außer bei Bellas Cola.“

Entsetzt starrte Edward ihn an. „Wie bitte?“

Isaak nahm noch einen Schluck und versuchte zu bestimmen, worum was es sich handelte. „K.O. Tropfen würde ich sagen.“ Schnell leerte er, zum Entsetzen des Blutsaugers, alle Gläser.

„Was soll der Scheiß, willst du dich auch noch abschießen?“, fauchte Edward scharf.

„Nein.“ Isaak sah kurz auf und in seiner Miene lag unbändiger Zorn. Sofort stand er neben dem Vampir und erklärte: „Ich bin gegen das Zeug unempfindlich genau wie du. Ich wollte es nur schnell beseitigen, bevor noch einer der anderen davon trinkt. Zu meinem Leidwesen habe ich das schon öfters abbekommen, weil ich mich stets weigerte, mit einem der Kerle mitzugehen. Eine Überdosis kann bei einem normalen Menschen schnell zum Tod führen.“

Schnell sah er sich das Treiben auf der Tanzfläche an und er wurde leicht panisch. „Wo ist Jake?“

Augenblicklich ruckte der Kopf des Vampirs herum. Hastig suchte er nach seiner Verlobten. Die tanzte immer noch ausgelassen, aber nun allein.

„Hol Bella und pass auf alle auf“, knurrte Isaak bebend vor Zorn. Dann sah er einen blonden Haarschopf, mit federnden Schritten, auf dem Weg hinter die Bar. Durch ihre Verbindung wusste der Wächter, dass Jake ebenfalls in dieser Richtung sein musste. Dunkel grollte er auf und mahlte mit den Zähnen.

Der Vampir schrak zurück. Eine Aura der Gefahr umgab den Wächter auf einmal. Edward schluckte hart und kämpfte gegen seinen Fluchtreflex an. Als er sich wieder gefangen hatte, war Isaak bereits verschwunden.

Sonnenaufgang

Ohne Rücksicht schoss der Wächter rasend vor Zorn durch die Menge. Hinter der Bar war zum Glück niemand. In seiner derzeitigen Verfassung hätte er sich jetzt nicht mehr zurückhalten können. Er stieß die Tür zur Toilette mit aller Gewalt auf. Diese sprang sofort aus den Angeln und zerbarst an der Wand in tausend Teile.

Mitten im Raum stand Jake. Erschrocken fuhr er herum und starrte bebend vor Zorn auf den Neuankömmling. Unter den Blick des anderen zuckte er wie geschlagen zusammen. Reuevoll und mit Angst in der Stimme, stammelte er: „Es tut mir leid. Ich habe mein Versprechen gebrochen.“

Isaak aber hörte ihn gar nicht. Seine funkensprühenden Augen fixierte den am Boden liegenden Blonden. Erneut brach ein dunkles Grollen aus seiner Kehle. Sein Körper zitterte und er stand kurz vor der Verwandlung.

Der Beta brauchte einen Moment, um die Situation zu begreifen. Durch ihre Verbindung flutete Mordlust. Jedoch war nicht er das Ziel, sondern der Kellner. Schnell sprang Jake vor und griff mit beiden Händen nach Isaaks Gesicht. Jedoch war er nicht stark genug und so schob er seinen Kopf vor den des anderen. „Beruhige dich, bitte.“

Einen Augenblick sah es so aus, als würde Isaak vollkommen die Beherrschung verlieren. Das Beben wurde stärker und der Wächter hob den Arm, um ihn wegzuschieben. Jake wurde panisch. Wenn er seinen Freund nicht augenblicklich ablenkte, dann würde er sich auf den Blonden stürzen und diesen in Fetzen reißen.

Ohne groß darüber nachzudenken küsste er Isaak in seiner Verzweiflung. Dieser erstarrte und das Beben verebbten fast im selben Moment. Mit weit aufgerissen, ungläubigen Augen sah er auf Jake und spürte dessen Lippen auf den seinen. Sie starrten sich gegenseitig an. Dann wich Isaak schnell zurück. Erneut begann er zu zittern und tastete nach seinen Lippen.

„Warum hast du das getan?“, fragte er zutiefst erschüttert.

Jake ließ die Schultern hängen und eine Träne löste sich. Es schmerzte ihn, dass der andere so reagierte. Kleinlaut stammelte er: „Ich musste dich aufhalten. Es tut mir leid, dass es dir nicht gefallen hat. Ich tue es auch nie wieder.“

„Jake, du verstehst mich falsch. Du vergisst, dass unsere Bindung nicht schwächer werden kann.“ Dann ließ auch Isaak den Kopf hängen. Schluchzend gestand er: „Ich wollte unseren ersten Kuss romantisch gestalten und nicht aus der Not heraus. Es tut mir leid, dass ich dich dazu gezwungen habe.“

Schnell hob der Gestaltwandler den Kopf und fragte leise: „Dann hat dir der Kuss gefallen?“ Seine Stimme war flehend.

„Gefallen?“, sagte der Wächter und lachte frustriert auf. Auch er hob den Blick und offenbarte: „Jake, ich bin dir mit Haut und Haaren verfallen. Wann begreifst du es endlich? Ich liebe dich.“

Erschrocken über dieses Geständnis riss der Beta Augen und Mund auf.

Isaak machte indes einfach weiter: „Ich will doch nur, dass es dir gut geht. Ich will dich zu nichts zwingen. Ich will bei dir sein. Deine Hand halten. Deine Lippen kosten und noch so vieles mehr, aber, es geht in einer Beziehung nicht darum, was man selbst will. Ich wollte dir Zeit geben. Zeit bis du bereit bist meine Gefühle zu erwidern. Es tut mir so unendlich leid.“

Jake sprang vor und nahm seinen Freund in die Arme. Er hatte ihn mal wieder völlig falsch verstanden. Er drückte sich an ihn und streichelte sanft über seinen Rücken. Er wusste nicht, wie er sonst auf die Worte des anderen reagieren sollte. Für die drei magischen Worte war es definitiv noch viel zu früh bei ihm.

Zögerlich hob Isaak seine Arme, dann schloss er sie rasch um den anderen und vergrub sein Gesicht an dessen Hals. Dessen Geruch vernebelte sein Denken und er knurrte leicht auf.

„Ja, ich rieche bestimmt nicht so gut“, meinte Jake beschämt.

Da küsste Isaak sanft dessen Hals und er grollte gegen die zarte Haut: „Weißt du eigentlich wie betörend du auf mich wirkst? Dein Geruch ist das reine Aphrodisiakum für mich. Ein Sirenengesang, dem ich kaum zu widerstehen in der Lage bin. Dein ganzer Körper ist wie eine Droge für mich, welche mir den Verstand raubt. Ich muss mich so stark zurückhalten. Du machst mich noch wahnsinnig, Wölfchen.“

Jake lief feuerrot an. Das hatte er nicht erwartet. Er schluckte hart.

„Bin ich zu weit gegangen?“, fragte Isaak nun angespannt.

„Gib mir Zeit das zu verdauen. Sowas bekommt man nicht alle Tage gesagt“, murmelte der Beta, verstärkte aber die Umarmung.

Erneut küsste der Wächter die weiche Haut des anderen und riss sich mit Gewalt dort weg. Er legte ihm das Kinn auf die Schulter und sah zu dem Blonden hinunter, um sich abzulenken. Mit mahlenden Zähnen fragte er: „Was ist hier eigentlich passiert?“

„Ähm…“, begann Jake und wurde nervös. Er wusste nicht, ob es eine gute Idee war, Isaak zu gestehen, was er da angerichtete hatte. Er war aber kein Feigling und würde sich nun den Konsequenzen seines Handelns stellen. Er seufzte schwer und erklärte:

„Mir war auf einmal so schlecht. Da habe ich mich in die Toilette geflüchtet und musste mich übergeben. Danach ging es mir deutlich besser. Ich spülte mir gerade den Mund aus, als dieses Arschloch reinkam. Ich war noch etwas neben mir und habe nicht wirklich mitbekommen was Blondie gesagt hat. Irgendwas von wegen, jetzt bist du fällig, oder so.

Ich habe dir versprochen mich zu beherrschen, also habe den Kerl einfach ignoriert. Als ich dann raus wollte, packte er mich plötzlich und hat mir seine Griffel in den Schritt gedrückt. Da bin ich ausgetickt und habe zugeschlagen. Es tut mir leid. Ich konnte nicht anders.“

Jake zitterte leicht und reuevoll. Er hoffte, dass der Rotblonde nicht allzu wütend werden würde. Er hatte sein Versprechen gebrochen, dass tat ihm leid. Den Schlag aber bereute er keinen Moment.

„Schon gut. Er hat bekommen was er verdient hat“, sagte Isaak und mahlte immer noch mit den Zähnen. „Lass uns gehen, bevor ich ihm den Arm abreiße.“

Erneut bauten sich Wellen aus Zorn ihn ihm auf und er begann leicht zu beben. Schnell wurde er vom Wolfsjungen hinausgeschoben. Dort trennten sie sich voneinander und der Wächter atmete erstmal kräftig durch.

„Du bist also nicht sauer, weil ich ihn K.O. geschlagen habe?“, fragte Jake irritiert.

„Er lebt doch noch. Also nein“, bestätigte der Rotblonde und sah auf. „Ich hätte ihn getötet, wenn du mich nicht aufgehalten hättest.“

„Nur weil er mich angefasst hat? Findest du das nicht etwas übertrieben eifersüchtig“, fragte der Wolfsjunge vorsichtig nach.

„Eifersüchtig“, lachte Isaak. „Jake, der Kerl hat uns allen Drogen in die Drinks geschmuggelt.“

Der Gestaltwandel riss die Augen auf. „Wie bitte?“

„K.O Tropfen. Er wollte dich vergewaltigen. Deswegen bin ich so ausgerastet. Dein Glück ist es nur, dass du wesentlich resistenter gegen solche Mittel bist. Dein Stoffwechsel ist deutlich höher, als bei normalen Menschen. Wärst du kein Wolf, dann würdest du nun wie John und Vincent sabbernd in einer Ecke liegen und wärst ein leichtes Opfer. Zudem blockiert diese Droge das Erinnerungsvermögen. Du hättest dich nicht mal daran erinnert, was geschehen wäre.“

Nun mahlte auch Jake mit den Zähnen und begann zu knurren. Er machte einen Schritt auf die Toilette zu, wurde aber von Isaaks Hand auf seiner Schulter daran gehindert weiterzugehen. „Lass gut sein. Er konnte sein Vorhaben nicht umsetzten. Dein Schlag wird ihm einen Lektion sein.“

Er zog Jake zu sich herum und grinste dämonisch. „Eine gebrochene Nase reicht vollkommen aus.“

„Ich habe ihm die Nase gebrochen?“, fragte Jake und grinste schadenfroh. Das beruhigte ihn. Solange er einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte war die Angelegenheit für ihn geklärt.

„Ja, ich konnte es sehen. Na, komm mein kleiner Schläger. Wir müssen die andern einsammeln“, gluckste der Wächter und hakte sich bei ihm ein. Bester Laune schlenderten sie davon.

Schnell gingen sie zu ihren Sitzplätzen zurück. Vor dem Tisch, mitten im Gang, stand ein wutschnaubender Vampir. Seine Augen waren fast schwarz und er stand in Kampfhaltung da. Sein Gebaren machte deutlich, dass er niemanden an sich vorbeilassen würde.

Sofort verstand Isaak was los war und sauste an dem Blutsauger vorbei. Jake hingegen sah Edward irritiert an. Welche Laus war dem denn über die Leber gelaufen? Er sah zu den anderen und wurde blass. John und Vincent lagen total weggetreten da und sabberten sich gegenseitig an. Daneben lag Bella auf der Bank. Sie sah auch nicht gut aus. Leicht grün um die Nase und vor ihr auf dem Boden war eine Lache aus Erbrochenem. Umsichtig stand der Rotblonde vor der Frau und untersuchte sie.

Der tobende Vampir fuhr herum und wollte sich gerade auf den Wächter stürzen, als Jake ihn am Arm packte: „Lass es. Du tust dir nur selbst weh und Isaak kann ihr bestimmt helfen.“ Er drehte den Blutsauger zu sich und fragte: „Was ist denn passiert?“

„Was passiert ist?“, fauchte Edward und fixierte ihn bösartig. „Du bist passiert, Jacob Black. Du musstest den Kellner ja unbedingt bis aufs Blut reizen. Er hat alle Drinks mit Drogen versetzt. Nur die Cola hat er in Ruhe gelassen. Aber ich fürchte, Bella hat einen Schluck aus meinem Glas genommen, als ich nicht hingesehen habe. Das ist alles deine Schuld, du homophobes Arschloch.“

Auch wenn Jake wusste, dass er nicht ganz unschuldig an der Situation war, konnte er es aber nicht lassen dem Blutsauger Kontra zu bieten: „Du liest doch die Gedanken der Leute. Warum hast du denn nicht bemerkt, was Blondie im Schilde führte?“

Erbost schürzte Edward die Lippen und schmetterte zurück: „Weil ich die Gedanken aller hier möglichst ignoriere. Die Meisten hier sabbern irgendeinem anderen Kerl hinterher. Ich habe zwar nichts gegen Schwule, bin es aber selbst nicht und habe daher kein Interesse schwanzgesteuerten Männern bei ihren Sexphantasien zuzuhören. Ich hatte nicht erwartet, dass dieser Kellner so weit gehen würde. Ich habe ihn ausgeblendet, nachdem er anfing sich auszumalen was er mit dir machen wollte. Das ändert aber nichts daran, dass du an allem schuld bist. Du hast ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt mit deinem geflirte.“

„Hey, komm wieder runter“, fuhr Isaak ihn an. „Bella geht es soweit gut. Sie hat kaum was abbekommen. Die Konzentration der Drogen in ihrem Kreislauf ist sehr niedrig. Ich schätze mal sie verträgt das nur nicht so gut. Eine Mütze voll Schlaf, dann ist sie wieder fit.“

Beide sahen zu dem Wächter, der vor ihr kniete und an ihrem Atem roch. Dann schoss er auf die bewusstlosen Männer zu und untersuchte diese ebenfalls. „Die beiden haben deutlich mehr von dem Zeug geschluckt. Meiner Einschätzung nach ist es aber noch nicht allzu bedenklich. Am besten wir schaffen alle ins Bett.“

Augenblicklich stand Edward bei Bella und hob diese sanft auf seine Arme. Zärtlich stich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Um die anderen scherte er sich nicht.

Isaak sah zu Jake und dieser seufzte verhalten auf und verdrehte die Augen. Dann trat er vor und warf sich John über die Schultern. Der Wächter schnappte sich Vincent und trug diesen in den Armen, wie Edward Bella.

Jake grollte bei diesem Anblick und wandte sich schnell ab. Dann setzen sie sich in Bewegung. Als sie die untere Eben erreichten wurden sie von allen Seiten angestarrt. Die Menge machte rasch Platz. Die zornfunkelnden Augen der drei Männer waren ihnen nicht geheuer. Vor allem der Blick des Vampirs ließ es allen, auf die er traf, kalt den Rücken runter laufen. Keiner wagte sie aufzuhalten.

Mit einem Tritt öffnete Edward die Eingangstür und die Wachmänner davor drehten sich entsetzt um. Sofort wurden sie in die Zange genommen. Der Vampir knurrte ungehalten auf und beide blieben sofort stehen.

Nicht ganz Herr der Lage fragte Luke: „Was ist los? Was ist mit den Dreien?“

Isaak der sich schnell fing sagte möglichst ruhig: „Frag das den blonden Keller der VIP Lounge.“

„Ralf? Der kleine Hänfling? Der ist doch harmlos. Was wirfst du ihm denn vor?“, brauste der Mann auf. Von seiner lockeren schwulen Art war nichts mehr übrig. Wütend ließ er die Knochen knacken und zeigte seine Muskeln.

„Blondie hat uns Drogen verabreicht“, knurrte Jake und machte sich zu einem Kampf bereit.

„Er hat was?“, fauchte die Besitzerin hinter ihnen. Unbemerkt war diese zu der Gruppe gestoßen. Gäste, die die Rechnung prellten, würde sie nicht tolerieren.

Isaak drehte sich um. Genau in diesen Moment erwachte Vincent und übergab sich auf dessen Jackett. Der wütende Blick der schillernden Transe wechselte zu besorgt. Schnell ließ Isaak den Mann runter, hielt ihn aber weiterhin fest. Auf allen Vieren spuckte der Schwarzhaarige den Rest seines Magens auf die Türmatte.

Alle anderen machten einen Satz zurück, aber der Wächter blieb wo er war. Mit sanfter, melodischer Stimme redete er beruhigend auf Vincent ein und klopfte ihm sanft über den Rücken.

Schnell warf er einen Seitenblick zu Jake und sagte: „Setz John auf den Boden. Er könnte sich auch übergeben. Pass auf, dass er alles ausspuckt. Die Atemwege müssen frei bleiben.“ Dann warf er einen wachsamen Blick auf Bella. In Edwards Händen war sie gut aufgehoben. Sie hatte sich bereits übergeben. Er glaubte nicht, dass sie es erneut tun würde.

Nachdem Vincent fertig war, sackte er auch schon zusammen und wäre fast in seinem eigenen Erbrochenen gelandet, hätte ihn der Rotblonde nicht aufgefangen. Er setzte ihn mit dem Rücken an die Hauswand. Jake tat es ihm mit John gleich. Dann erhoben sich beide Männer, während Isaak sein besudeltes Sakko auszog und achtlos zu Boden gleiten ließ.

„Weiß jemand wie wir Charles erreichen?“, fragte der Wächter in die Runde.

„Nein“, knurrte Edward, welcher mit Bella in den Armen dastand. Er hatte sich ein wenig gefangen und seine Iris war nun nicht mehr gänzlich schwarz. Langsam ging diese zu einem dunklen Goldton über. „Ich rufe ein Taxi. Wir sollten die drei schleunigst ins Bett schaffen.“

Da hatte er auch schon, schneller als alle es sehen konnten, das Handy am Ohr und setzte seine Worte in die Tat um. Dabei achtete er aber peinlichst genau darauf, dass es seine Verlobte so gemütlich wie möglich hatte.

„Moment mal“, stammelte die Besitzerin und klackerte mit ihren hohen Stöckelschuhen. „Die drei müssen ins Krankenhaus.“

„Nein“, blafften Isaak und Edward gleichzeitig.

„Ich rufe jetzt die Polizei“, sagte sie wütend und griff bereits in ihre Perlentasche.

„Das würde ich lassen“, warnte der Wächter und baute sich vor der Dame auf. „Wenn du die Polizei rufst, erstatte ich Anzeige wegen schwerer Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung.“

Sie sah ihn erschrocken an und fragte kleinlaut: „Was soll das heißen?“

Der Rotblonde beruhigte sich ein wenig und erklärte: „Ralf, oder wie auch immer der blonde Kellner heißt, hat uns allen K.O. Tropfen in die Drinks gemischt. Er dachte, er hätte leichtes Spiel und wollte mich überwältigen. Zum Glück hatte ich nur wenig getrunken und konnte mich wehren. In Notwehr habe ich ihm wohl die Nase gebrochen. Er liegt jetzt bewusstlos in der Toilette.“

Jake starrte den anderen an. Was zum Teufel erzählte dieser denn da? Durch ihre Verbindung knurrte er sauer: „Hey ich war das? Lass den Scheiß. Ich stehe zu dem was ich getan habe.“

„Halt dich raus. Lass mich das Regeln. Du bist noch minderjährig. Du hättest gar nicht in der Bar sein dürfen. Ich will nur schnell hier weg. Wenn du dich einmischst, wird sie die Polizei rufen. Das will ich vermeiden. Jake bitte vertrau mir einfach“, flehte Isaak mental mit fester Stimme.

„Na gut“, antwortete der Wolfsjunge ebenfalls mental und knirschte mit den Zähnen. Das alles gefiel ihm nicht, aber er vertraute darauf, dass Isaak wusste, was er da tat.

Der Blick des Wächters wurde auf einmal nachdenklich. Mit versöhnlicher Stimme sagte er: „Ich werde mit John und Vincent reden. Ich für meinen Teil will nur noch hier weg. Mein Vorschlag wäre, du rufst für Blondie einen Krankenwagen und schärfst ihm ein, dass er mich nicht anzeigen soll. Dann werden wir im Gegenzug auch keine Anzeige erstatten. Ich finde, er hat bekommen was er verdient. Von meiner Seite aus ist die Angelegenheit damit geklärt.“

Dann setzte er seinen ganzen Charme ein und verwirrte die Frau vollkommen. „Denk mal an die Schlagzeilen: Geschäftsführer von Turner Industrie, Weltmarktführer im Börsenhandel, in Schwulenbar unter Drogen gesetzt. Das will doch keiner von uns, oder. Also, was sagst du?“

„Ich… ich…“, stammelte die Dame unfähig klar zu denken. Die blauen Augen des Mannes vor ihr hielten sie gefangen.

Isaak wechselte blitzschnell zu ernst und drohte: „Es ist deine Entscheidung. Rede mit deinem Angestellten und entlasse ihn. Ich will ihn hier nie wiedersehen. Damit ist die Sache unproblematisch geklärt. Das, oder du bekommst morgen Besuch von einer Horde Eliteanwälte und der Staatsanwaltschaft. Ich fürchte, deinen Club kannst du dann vergessen. Ich bin Johns bester Freund. Ich wage mal zu behaupten, dass meine Meinung die Waagschale kippen lässt. Also wähle dein Schicksal.“

„Na… gut…“, murmelte die Besitzerin eingeschüchtert. „Keine Polizei. Der Abend geht auf mich und alle sind zufrieden.“

„Was ist mit der Kündigung von Blondie?“, fragte Isaak scharf nach.

Die Frau straffte ich und erklärte: „So gut wie erledigt. Ich lasse mich doch nicht von so einer Made ruinieren. Der wird nie wieder auch nur einen Fuß über meine Schwelle setzen.“ Ernst fügte sie hinzu: „Sollte er allerdings bleibende Schäden davontragen, sehen wir uns vor Gericht.“

„Einverstanden“, sagte der Wächter liebreizend und ließ abermals seinen Charme spielen.

Da bog auch schon ihr Taxi um die Ecke und kam auf sie zu. Während die Besitzerin einen Krankenwagen rief, schickte sie Luke in die Bar, um nach Ralf zu sehen.

Sie verfrachteten alle in das gelbe Großraumauto und fuhren genau in dem Moment los, als Sirene und Blaulicht sich näherten.

Isaak hatte entschieden alle mit ins Hotel zu nehmen, damit er die drei bewusstlosen im Auge behalten konnte.

Schnell hatten sie alle in ihr Zimmer geschleppt. Am Empfang murmelte Isaak etwas von „Zu tief ins Glas geschaut.“ Das beruhigte die Nachtwächterin und ließ sie passieren.

In der Präsidenten Suite gab es zum Glück genug Schlafzimmer, sodass sie John und Vincent in ein eigenes Doppelbett verfrachteten konnten. Als Isaak allerdings anfing die beiden auszuziehen, zog sich Jake schnell zurück.

Edward hatte Bella mit in ihr Zimmer genommen und die Tür abgeschlossen. Ein deutliches Zeichen, dass sie es nicht wagen sollten, sich seiner Verlobten zu nähern. Wenn es um Bella ging wurde der Vampir zu einer überfürsorglichen Megaglucke.

Also steuerte der Wolfsjunge sein Zimmer an. Dort ging er in Richtung Bad und begann, sich im Gehen, aus den Klamotten zu schälen. Achtlos zog er eine Kleidungsspur hinter sich her. Er wollte nur noch duschen. Egal was Isaak gesagt hatte, er roch nach Alkohol und Erbrochenem. Das musste er schleunigst los werden.

Als er aus der Dusche trat, stieß er einen spitzen Aufschrei aus. Isaak stand mitten im Raum. Seine Augen waren geschlossen und er hielt ihm, mit einem dreckigen Grinsen, einen Morgenmantel auf.

„Ich habe nicht geschaut ich schwöre. Auch mein inneres Auge habe nicht benutzt. Ich habe vor der Tür die Augen geschlossen und bin nur ein paar Schritte auf dich zugegangen. Ich weiß nur, dass du vor mir stehst, mehr nicht.“

Jake fühlte sich unwohl. Dieser Überfall gefiel ihm nicht. Er zögerte einen Augenblick lang wie er reagieren sollte.

„Es war eine dumme Idee. Ich wollte dir nur eine kleine Freunde bereiten“, sagte der Wächter und ließ langsam die Hände sinken. Jake gab sich einen Ruck und schlüpfte in den Morgenmantel. Schnell zog er diesen eng um sich und schloss die Kordel. Erst dann sagte er: „Du kannst die Augen öffnen.“

„Das will ich aber gar nicht“, murmelte der Rotblonde, nahm den anderen von hinten in den Arm und vergrub das Gesicht an dessen Hals. Sanft platzierte er dort einen hauchzarten Kuss und roch an ihm.

Durch ihre Verbindung bekam der Wolfsjunge mit, wie er für Isaak roch und er erschauderte. Wie sich der andere da überhaupt noch zurückhalten konnte, bei diesen starken Gefühlen, war ihm ein Rätsel.

„Ich habe es dir versprochen“, flüsterte der Wächter. „Ich werde warten.“

Dann ließ er von ihm ab und begann sich ebenfalls zu entkleiden. Feuerrot im Gesicht stürmte Jake davon. Isaak nackt zu sehen wäre noch zu viel für ihn. Das dreckige Grinsen auf dessen Lippen bemerkte er in seiner Eile nicht.

Ziellos wanderte er eine Weile im Zimmer umher und dachte nach. War es denn wirklich so schlimm, wie es gerade lief? Sein Freund, und er brauchte immer noch Überwindung das auch nur zu denken, hatte ihm deutlich gesagt und gezeigt, dass er ihn wollte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, gefiel ihm das sogar. Isaak war trotz allem aber ein Mann. Das war nicht in Ordnung. Keinem anderem Mann würde er es gestatten sich so an ihn ran zu machen. Jedem anderen würde auf der Stelle die Fresse polieren.

Nur der Wächter war nicht irgendein Mann. Ja, er war ein Kerl, aber er war anders. So fürsorglich, liebevoll, rücksichtsvoll. Er mochte Isaak und er wollte bei ihm sein. Aber wollte er auch mehr? Er dachte an ihren Kuss und wurde noch unruhiger. Als er dachte, dass der Kuss dem anderen nicht gefallen hatte, traf es ihn wie ein Stich ins Herz. Er war unendlich traurig. Nachdem dieser Irrtum ausgeräumt war, flatterten ihm Schmetterlinge im Bauch herum und er war glücklich, frei, losgelöst. War das den normal? Durfte er so fühlen? Lag es vielleicht am Alkohol?

Während er umhertigerte, stieß er auf eine Glastür. Dahinter lag ein Balkon. Er entschied frische Luft zu schnappen und ging, immer noch feucht vom Duschen, nach draußen. Der Schwarzhaarige stellte sich an die Brüstung und sah in die CityLine bei Nacht. Er hatte eine schöne Aussicht, direkt auf den Central Park. Die ganzen Bäume erinnerten ihn an das Reservat. An seine Heimat. Aber, war La Push das überhaupt noch? Sein Vater versuchte ihn zu verbannen. Sam würde es nicht schaffen das zu verhindern. Somit hatte er eigentlich keine Heimat mehr.

Er sah traurig zu dem Park hinunter. Was sollte nur aus ihm werden, heimatlos und gebunden an einen Mann?

„Gib ihnen Zeit. Sie werden sich beruhigen“, sagte Isaak sanft. Jake hatte sein Kommen gespürt und drehte sich nun um. Der andere hatte, wie er selbst, nur einen Bademantel an und bedachte ihn mit einem warmen Blick.

Dann grinste der Wächter und scherzte: „Wenn nicht, lege ich sie alle übers Knie. Na, komm schon, zeig mir dein bezauberndes Lächeln.“

„Lass das. Das ist ja so schwul“, sagte Jake und versuchte zu knurren, aber er konnte nicht. Ein dicker Klos steckte ihm im Hals.

„Ist es das? Bist du sicher? Ich würde sagen, dass du mir den Kopf verdreht hast. Ich würde es aber nie wagen dich anzuschwulen. Das könnte ja ansteckend sein.“

„Isaak“, bat der andere verlegen und sah auf seine Füße. Es wurde Zeit, dass er sich etwas von der Seele redete. Also sagte er traurig: „So bin ich nun mal. Ich kann nicht anders. Ich kann nicht so ein schwules Zeug reden oder tun. Ich kann und will so nicht sein.“

„Wer sagt denn, dass ich das will?“, fragte der Wächter und trat bedächtig einen Schritt vor.

Jake hob den Blick.

„Dummes Wölfchen“, sagte der andere und stupste ihm gegen die Nase. „Ich sehe vor mir einen starken ehrenhaften Krieger. Einen echten Mann. Einer, der die beschützt, die ihm am Herzen liegen. Der charmant sein kann, aber auch die Zähne zeigt, wenn ihm etwas nicht passt. Einen durchgedrehten stolzen Wolf, der sich auf seine Gegner stürzt, ohne nachzudenken, und zudem auch noch unverschämt gut aussieht.“

Er trat noch einen Schritt vor und nur noch wenige Zentimeter trennten ihre Gesichter voneinander. Jake wurde rot und fragte sich was Isaak vorhatte. Er würde ihm doch nicht einfach einen Kuss geben oder doch? Würde er das zulassen? Würde er das wollen? Der Bann dieser blauen Augen erfasste ihn und seine Gedanken beruhigten sich.

„Was soll ich den bitteschön mit so einer Tucke, welche ein Schild benötigt „Achtung Heck schwingt aus“? Bei dem man Angst haben zu müssen, dass er gleich losflennt, wenn man ein falsches Wort sagt. Ich will keinen quietschenden farbenfrohen Paradiesvogel an meiner Seite, der nicht einmal weiß, was ein Mann ist.“

Isaak kam ihm noch näher. Jake spürte dessen Atem im Gesicht.

„Deine raue, animalische und vor allem männliche Art gefällt mir eindeutig viel besser. Ich will keinen anderen und ich will auch nicht, dass du dich änderst. Zugegeben, du könntest ruhig eine wenig gelassener werden und auch toleranter, aber, das bist eben du. So soll es auch sein. Ich liebe dich so wie du bist, mit allen Ecken und Kanten.“

Sie verharrten einen Augenblick in dieser Position und starrten sich einfach und in die Augen. Gleichzeitig überbrückten beide im selben Moment die kleine Distanz zwischen ihnen und ihre Lippen legten sich aufeinander.

Zeitgleich schlossen sie die Augen und konzentrierten sich ausschließlich auf diese zarte Berührung. Die Lippen des Wächters waren weich und sanft, der Kuss unschuldig. Schnell lösten sie sich voneinander.

Sie öffneten die Augen und versuchten die Gefühle des jeweils anderen zu erahnen. Jake mahlte mit den Zähnen. Der Kuss war schön, aber auch irgendwie so zart und sanft. Viel zu schwul. Das ließ ihn grollen. Verschreckt trat Isaak einen Schritt zurück und fragte sich, ob er einen Fehler gemacht hatte.

Da stürzte sich Jake auf ihn, wie ein wildes Raubtier auf seine Beute. Der Wächter sagte, ihm gefiele seine raue animalische Art, dass wollte er gleich mal austesten. Er stieß den anderen Mann um und nagelte diesen am Boden fest. Auch wenn er wusste, dass der andere stärker war, ließ dieser ihn gewähren.

Plötzlich blitzte es in den blauen Augen. Isaak wartete gespannt darauf, was Jake tun würde. Der Anfang gefiel ihm schon mal. Dann presste dieser die Lippen auf die seinen und raubte ihm einen richtigen Kuss. Gierig und verlangend. Nicht so unschuldig, nicht so zart und vor allem nicht so schwul.

Beide schlossen abermals die Augen und bewegten ihre Lippen gegeneinander. Das gefiel ihm schon viel besser. Mit Bella hätte er das nicht machen können. Bei einer Frau hätte er sich gezügelt. Aber Isaak war keine Frau. Er war stark und konnte sich wehren, wenn er etwas nicht wollte. Dieser Umstand ließ Jake die Hemmungen verlieren. Er nahm sich einfach was er wollte und hoffte darauf, dass der andere ihn aufhalten würde, wenn er zu weit ging.

Isaak stöhnte auf und öffnete dadurch ein wenig die Lippen. Sofort tat der Wolfsjunge es ihm gleich und leckte gegen die zarte Haut des anderen. Dieser ließ ihn noch immer gewähren und Jake wurde mutiger. Er presste sich gierig gegen ihn und drang rabiat in dessen Mund ein. Er räuberte einen Augenblick dessen Mundhöhle und fand seine Gegenspielerin.

Er stupste die fremde Zunge an, aber es passierte nichts. Ungehalten grollte er auf und wusste, dass Isaak seinen Missmut spüren konnte. Er sollte sich nicht so passiv verhalten. Er sollte kämpfen.

Erneut stöhnte der Wächter auf und begann sich nun leicht zur Wehr zu setzen. Schnell entstand ein richtiges Zungenduell. Beide hatten längst alles um sie herum ausgeblendet und waren viel zu sehr mit diesem sinnlichen Kampf beschäftigt. Dass Isaak nun mitmachte gefiel Jake. Er war ein Krieger, ein Kämpfer und er brauchte einen erbenbürdigen Gegner. Sonst würde das keinen Spaß machen.

Auf einmal bockte der Rotblonde unter ihm und er verstärkte seinen Griff. Ihr Duell wurde immer ausschweifender. Mal drang Isaak in seinen Mund, mal andersrum.

Irgendwann, nach einer schieren Ewigkeit, löste sich Jake, dunkel brummend, aber mit der Welt und sich im Reinen. Einen letzten unschuldigen Kuss hauchte er auf die verführerischen Lippen. Dann ging er in eine sitzende Position über und ließ Isaak los. Da er sich auf dem Becken des anderen niedergelassen hatte, spürte er dessen Erregung deutlich. Auch Jake hatte einen Ständer, wie er nun feststellte.

Feuerrot im Gesicht kämpfte er einen Augenblick mit sich. Er wollte aufspringen und Abstand zwischen sie bringen. Dann sah er, dass Isaak selig lächelte. Er hatte immer noch die Augen geschlossen und leckte sich gierig über die Lippen. Jake beschloss zu bleiben wo er war und der Rotblonde öffnete nun die Augen.

„Was hast du erwartet nach so einem Kuss?“, frage Isaak spitzbübisch. Beide wussten warum, und dass Jake die Flucht ergreifen wollte. „Dass du gleich so rangehen würdest, habe ich echt nicht erwartet. Aber sei gewarnt, übertreibe es nicht. Ich bin auch nur ein Mann. Meine Selbstbeherrschung hat auch irgendwann ein Ende.“

Er grinste fies und fügte hinzu: „Oder ist das genau das was du willst? Dass ich den Spieß umdrehe?“

Jake schnaubte und mahlte mit den Zähnen.

Da lächelte Isaak und sagte: „Keine Angst, Wölfchen. Ich werde dich in Ruhe lassen.“

Jetzt schnaubte er noch stärker. Schnell wandte er den Blick ab, zuckte mit den Schultern und sagte mit fester Stimme: „Solange du es nicht übertreibst und meine Grenzen einhältst.“

Der Wächter blinzelte und starrte zu seinem peinlich berührten Freund auf. Dieser Wolf überraschte ihn immer wieder.

In diesem Moment dämmerte der Morgen vor Jakes Augen. Der Rotblonde stemmte sich etwas hoch und sah ebenfalls zu der aufgehenden Sonne.

„Jake?“, fragte Isaak, als die ersten Strahlen der Morgensonne ihre Haut berührten.

„Ja?“, gab dieser fasziniert von dieser Aussicht zurück.

„Können wir uns darauf einigen, dass das unser erster Kuss war und den im Club vergessen?“, stellte der Wächter die Frage, die ihm auf der Seele brannte.

Jake warf einen Seitenblick zu seinem Freund und ihre Augen trafen sich kurz. Dann lächelte er glücklich der Sonne entgegen und antwortete schlicht: „Ja.“

Aufgestaute Gefühle

Sie sahen sich gemeinsam den Sonnenaufgang an. Jake ließ seine Gedanken schweifen und war sich auf einmal nicht mehr so sicher ob er mit seinem Überfall richtig gehandelt hatte. War er zu weit gegangen? Seinem Freund schien es gefallen zu haben. Es seufzt und sagte: „Ich verstehe dich nicht.“

„Was meinst du?“, fragte Isaak. Beide schauten sich an.

„Wie kann es dir gefallen, wenn ich so grob werde? Bei deiner Vergangenheit?“

Erkenntnis schlich sich in den Blick des Wächters und er verdrehte die Augen. Dann grinste er und erklärte: „Das war nicht grob. Ich würde es eher als animalisch dominant bezeichnen.“

„Aber, du hast doch Angst davor, dass ich mir einfach nehme, was ich will. Das irritiert mich. Ich weiß nicht, was ich jetzt denken soll“, nuschelte der Beta und versuchte seine Gedanken in Worte zu fassen.

„Hättest du aufgehört, wenn du meine Angst gespürt hättest?“, fragte Isaak, noch immer lächelnd.

„Ja“, erwiderte Jake ernst. Er war sich ganz sicher, dass er sich dann sofort zurückgezogen hätte.

„Genau das ist der Unterschied. Jake, wir hatten beide ein Leben, bevor wir uns trafen. Du hast deine Probleme, ich die meinen. Ich war mir sicher, dass du mir nichts antun willst und, dass du aufhören würdest, wenn es für mich unangenehm wird. Also konnte ich mich fallen lassen und habe dir vertraut.

Ich habe nichts dagegen, wenn du besitzergreifend und wild wirst. Das ist ein Teil deiner Natur als Wolf. Ich habe nur ein Problem damit, wenn du Gewalt anwendest oder keine Rücksicht auf meine Gefühle nimmst, wie bei deinem Eindringen in meinen Geist, kurz nach unserer Seelenbindung. Ebenso, wenn ich dir hilflos ausgeliefert bin, wie in dem Zustand, wenn ich meditiere.

Wir beide wissen, dass ich der Stärkere bin und das brauche ich auch, ehrlich gesagt. Solange ich die Möglichkeit habe, mich dir zu entziehen, kann ich ruhig bleiben und es genießen. Wenn du mich fesseln würdest zum Beispiel, das würde ich nicht vertragen. Vielleicht kommt einmal die Zeit, wo ich keinen Rettungsanker mehr brauche, aber jetzt kann ich noch nicht ohne. So, wie du nicht einfach mit mir schlafen kannst, kann ich nicht auf dieses Sicherheitsgefühl verzichten.“

„Hm…“, entfuhr es Jake und er dachte über diese Worte nach. „Das heißt, es gefällt dir devot zu sein?“

„Jain. Um ehrlich zu sein möchte ich eine gleichberechtigte Beziehung. In allen Belangen“, sagte Isaak und wusste, dass er sich gerade auf dünnes Eis begab.

Jake wurde unruhig. Ein solcher Kuss war das eine. Damit könnte er leben, wenn Isaak das auch mit ihm machte. Gleichberechtigung in allen Angelegenheiten war aber etwas völlig anderes. Er konnte sich Sex mit einem Mann nicht vorstellen, schon gar nicht, wenn er der passive Part sein musste. Sein Puls beschleunigte sich und er dachte wieder daran, Abstand zwischen sie zu bringen.

Schnell unterbrach Isaak die Richtung, in die seine Gedanken gingen und sagte sanft: „Darüber brauchst du dir noch keine Gedanken zu machen. Lass uns einen Schritt nach dem anderen machen. So wie es bisher ist, ist es doch ok für dich, oder?“

„Ja, ist es“, gestand der Beta langsam. Er zwang sich sitzen zu bleiben. Auch wenn er wusste, dass der andere nicht einfach über ihn herfallen würde, war es ihm dennoch unangenehm. Er horchte tief in sich hinein und beruhigte sich wieder.

Dann traf er eine Entscheidung. Es wurde Zeit, dass er ein wenig mehr aus sich rauskam und er setzte nach: „Es gefällt mir auch auf diese Weise gleichberechtigt zu sein. Es ist so wie ein Kampf. Ein Kampf um die Macht, wie innerhalb des Rudels um die Stellung. Irgendwie anders, wie auf Augenhöhe.“

Isaak nickte und bestätigte: „Ich kann dich sehr gut verstehen. Genau das meinte ich. Eine Beziehung ist ein Geben und Nehmen. Ich bin nun mal älter als du und habe viel gesehen. Mein Wissen ist groß, aber du hast in dieser Welt gelebt. Ich war nur Zuschauer. Es gibt vieles, das du weißt und ich nicht. Ebenso andersrum. Ergänzen wir uns doch gegenseitig, wie bisher.“

Jake dachte wieder darüber nach. Dann nickte er und wurde ernst: „Es macht dir nichts aus, wenn wir, nun ja, nicht weiter gehen?“

Isaak schüttelte den Kopf und sagte mit fester Stimme: „Nein. Das Miteinander ist mir viel wichtiger als der rein körperliche Aspekt. Du hast mir schon mehr gegeben als ich zu träumen wagte. Du hast meine Hand ergriffen und mich geküsst. Du bist gerade sitzen geblieben, obwohl du meine Erregung gespürt hast und es dir unangenehm war. Das ist mir viel mehr wert als eine schnelle Nummer. Du weißt gar nicht, wie glücklich ich darüber bin, dass du mir so sehr vertraust.“

Dann wagte er einen Vorstoß: „Ich hätte nichts dagegen weiter zu gehen. Solange es dir auch so geht. Ich glaube, ich könnte mich auch damit abfinden, am Anfang nur den passiven Part einzunehmen. Nicht für immer, natürlich. Wenn du diesen Weg weiter gehen willst und wir wirklich miteinander Sex haben, dann wird der Tag kommen, an dem ich auch mal der Aktive sein will. Es können Jahrhunderte vergehen bis es soweit ist. Zeit hat für Unsterbliche, wie wir es sind, keine so große Bedeutung, wie für einen normalen Menschen.

Ich kann es dir nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich ewig damit leben kann, immer nur passiv zu sein. Du musst verstehen, dass ich zwar älter bin, aber noch nie eine Beziehung hatte. Das ist für uns beide etwas Neues. Auch ich mache Fehler und weiß nicht alles. Ich kann dir aber sagen, nach meinem Vater, habe ich nie wieder jemandem gestattet, mir zu nahe zu kommen. Allein Händchen halten war schon völlig neu für mich. Vor dir habe ich jeden abgeblockt.“

So langsam verstand er Isaak ein wenig besser. Dessen Worte erfüllten sein Herz mit unbändiger Freude. Jake bekam schon wieder Schmetterlinge im Bauch, allein bei dem Gedanken, wie sehr der andere ihm vertraute. Auch, wenn dieser sich noch nicht vollständig fallen lassen konnte, so verstand er doch zumindest, wie viel er ihm schon zugestand.

Langsam drehten sich seine Gedanken um den Mann unter ihm. Von klein auf hatte er geglaubt, dass eine Verbindung mit einem Mann abartig und nicht richtig war. Was sie beide nun verband, fühlte sich jedoch nicht falsch an. Es war anders, als er sich vorgestellt hatte. Er dachte immer alle Schwulen müssten in schillernden Farben umhertänzeln. Mit dem Hintern wackeln und einfach so schwul sein.

Wobei das wohl nicht das richtige Wort war. Wie hatte Isaak es genannt? Tuckig? Ja, das beschrieb es ganz gut. Er dachte bisher, dass das ein und dasselbe war. Deshalb hatte er sich von Anfang an so sehr gegen alles gesträubt. Dem war aber nicht so. Er musste sich nicht ändern. Isaak wollte ihn so wie er war. Und sein Freund war auch nicht so. Er war eigentlich ganz normal. Ein ganz normaler Mann, der eben auf Männer stand. Wäre Isaak tuckig, dann hätten sie ein gewaltiges Problem miteinander. Denn das konnte er auf den Tod nicht ausstehen.

Das alles zusammen fügte sich zu einem neuen Bild. Dann stellte er fest, dass er zwar nie im Leben freiwillig mit einem Kerl schlafen würde, aber bei Isaak erfüllte ihn diese Vorstellung nicht mehr mit Ekel und Abscheu. Deshalb nahm er sich fest vor, wenigstens darüber nachzudenken. Mehr konnte er zurzeit nicht anbieten.

„Schon ok, Wölfchen. Lass dir so viel Zeit wie du brauchst“, kommentierte der Wächter seine Gedanken.

Dann musste Jake plötzlich gähnen. Es war bereits morgen und sie hatten die Nacht durchgemacht. Zudem war der Tag recht anstrengend gewesen.

„Na komm, ab ins Bett mit dir“, sagte der Wächter und grinste ihn lieb an.

Jake stand langsam auf und zog auch den anderen auf die Beine. Gemeinsam gingen sie zurück in das Zimmer. Der Beta kämpfte eine Weile mit sich. Dann ließ er den Bademantel fallen und fischte sich seine Boxershorts vom Boden.

Verblüfft sah Isaak ihm dabei zu. Das war das erste Mal, dass Jake sich bewusst nackt vor ihm zeigte. Die Aktion bei den Cullens zählte er nicht mit. Das war die Prägung und keine willentliche Entscheidung.

Nachdem er sich die schwarze Samtboxer angezogen hatte, ging er ins Bad und warf dem Rotblonden, der immer noch versteinert dastand, auf dem Rückweg dessen Unterwäsche zu. Isaak fing den Stoff auf und bedachte den Wolfsjungen mit einem verunsicherten Blick. Was sollte er jetzt tun? Gleichziehen oder den anderen doch lieber nicht überfordern, und ins Bad gehen.

Jake setzte sich auf den Bettrand und behielt seinen Freund genau im Auge. Er bekam dessen Gedanken natürlich mit und grinste ihn sanft an. Dann sagte er: „Tu was du tun willst. Sei einfach ehrlich zu dir und zu mir.“

Isaak schluckte, er hatte sich entschieden. Dann öffnete er langsam die Kordel. Ganz ruhig machte er weiter und zog erst die eine Seite auf, dann die andere. Anschließend streifte er den Bademantel ganz ab. Die ganze Zeit über suchte er in den dunkelbraunen Augen des anderen, nach Anzeichen von Ekel oder Ablehnung. Auch war er überzeugt gewesen, dass sich Jake von ihm abwandte. Aber das tat er nicht.

Der Wolfsjunge sah sich den anderen Mannes ungeniert an. Dieser wirkte wie ein Adonis. Ein perfekter maskuliner Körper. Nicht ganz so muskulös wie er selbst es war, aber, weder zierlich noch weiblich angehaucht. Vor ihm stand ein Mann wie er einer war, von ähnlicher Statur. Sie beide hatten von Natur aus wenige Haare auf Brust, Bauch und auch nicht im Intimbereich. Allein an den Armen und Beinen zeigte sich ein schwacher Ansatz von Behaarung.

Das war aber für Jake in Ordnung, als Wölfe hatten sie schon genug Fell. Nachdem er dann mit der Statur und der Behaarung durch war, schweifte sein Blick auf das schlaffe Glied des anderen. Er verglich dieses mit seinem und denen aus dem Rudel.

Sam hatte mit Abstand den Größtten, dann kam er, und dann kam auch schon schätzungsweise Isaak, wenn er eine Rangfolge bilden sollte. Wobei Sam irgendwie unnatürlich groß war. Die arme Emily. Isaaks Glied war hingegen Mittelmaß? Er zuckte mit den Schultern, was wusste er schon? Es war nicht zu klein und nicht zu groß. Zudem störte es ihn auch nicht, dessen Glied zu betrachten. Das allerdings irritierte ihn etwas. Er hatte eigentlich mit Ekel gerechnet.

„Mittelmaß, also bitte“, sagte der Wächter auf einmal und stemmte die Hände in die Hüfte. „Nur zu deiner Information. Ihr Wölfe seid allesamt überdurchschnittlich. Das ist sogar im Quell eurer Magie so verankert. Wer das Gen hat, der liegt über dem Durchschnitt.“

Jake lachte auf. „Oh entschuldige. Dann eben Mittelmaß bei uns.“

Der andere verdrehte gespielt beleidigte die Augen. Dann stichelte er: „Hm…, du machst mich echt neugierig. Sam würde ich gerne mal nackt sehen, bei deinen Gedanken.“

Sofort knurrte der Beta ungehalten auf. Er sah den Schalk in den blauen Augen und schnaubte. Anschließend fragte er sich, warum dieser dumme Spruch ihn überhaupt hatte knurren lassen. War etwa wirklich eifersüchtig? Wollte er deshalb nicht, dass Isaak sich andere Kerle ansah? Offenbar war dem so. Der Wächter hatte ihm wirklich den Kopf verdreht.

„Keine Sorge, das war nur ein Scherz“, sagte der Rotblonde und tapste nervös auf der Stelle. „Sag, mal“, begann er und schaute schnell weg. „Würde es dir was ausmachen, wenn ich nackt schlafe? Wenn ich in einem Bett schlafe habe, ich mir das irgendwie angewöhnt.“

Jake dachte kurz nach und sagte dann: „Ich schlafe mit dem, was ich gerade anhabe. Bin meist zu faul zum Ausziehen. Eine Bettdecke brauche ich normal auch nicht. Ich bin meine eigene Heizung.“

Er dachte an die letzte Nacht und daran, wie sie aufgewacht sind und sagte: „Solange einer von uns was anhat, ist es mir egal.“ Sie waren geistig verbunden und Isaak würde es sowieso erfahren, also gab er sich einen Ruck und erklärte: „Ich bin noch nicht bereit dafür, ohne ein Stoff zwischen uns eine Morgenlatte zu bekommen oder deine an mir zu spüren.“

Dann krabbelte er ins Bett und legte sich auf die Decke, so wie er es gerne hatte. Auf dem Rücken, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, schloss er die Augen und wartete gespannt. Isaak war fast augenblicklich neben ihm. Da sie beide im Dunkeln sehen konnten, hatte sie das Licht erst gar nicht angemacht. Das Ausmachen blieb demnach aus.

Wie am Abend zuvor näherte sich der Rotblonde und gab Jake einen hauchzarten Kuss auf die Stirn. Das ließ den anderen wütend knurren. Isaak blinzelte. Da schnappte sich der Beta dessen Kopf und vereinte ihre Lippen zu einem richtigen Gutenachtkuss. Erstaunt erwiderte der andere den Kuss und ließ sich fallen. Daran könnte er sich gewöhnen.

Als sich dann der Wächter zurückziehen wollte, schlang der Gestaltwandler einen Arm um ihn und drückte ihn an sich. Isaak versteifte sich kurz, nur um sich wieder zu entspannen. Er kuschelte sich an den anderen. Dieser hatte ihn losgelassen und erneut den Arm unter den Kopf gelegt.

Der Wächter bettete sein Haupt in dessen Schulterbeuge und schlang einen Arm um den anderen. Kurz drückte er sich ihm entgegen. Dann schliefen beide zufrieden ein.
 

Als Jake langsam erwachte, hatte er Isaak wieder im Klammergriff. Offenbar war er im Schlaf sehr besitzergreifend. Ihn störte das nicht. Solange sich sein Freund nicht beschwerte machte er sich darüber keine weiteren Gedanken. Es gefiel ihm so aufzuwachen.

Zumal war Isaak kälter als er und das war sehr angenehm. Wie ein kühles Kissen bei all seiner Hitze. Er wusste, dass er derjenige war, der eine unnormal hohe Körpertemperatur hatte. Frieren konnte er gar nicht. Isaak war in diesem Punkt menschlich und hatte eine normale Temperatur. Dieser Unterschied reichte bereits aus, um angenehm zu sein. Er hoffte nur, dass er den anderen nicht überhitzte.

„Über was du dir alles den Kopf zerbrichst. Ich gebe zu Protokoll, ich habe weder etwas gegen deinen Klammergriff, welcher wohl einem normalen Menschen die Knochen brechen würde, noch gegen deine Wärme. Um ehrlich zu sein nutze ich dich in diesem Punkt sogar aus. Magie ist Energie. Ich nutze unbewusst deine Wärme und wandele diese in Magie um. Wenn meine Temperatur fällt, geschieht genau das Gegenteil“, murmelte Isaak, welcher schon eine Weile wach war, aber sich nicht loseisen konnte. Sanft strich er dem Wolfsjungen über die steinharten Muskeln der Arme.

Jake war noch nicht ganz wach und er wollte noch nicht reden, also vergrub sein Gesicht in den rotblonden Haaren und nahm zum ersten Mal bewusst dessen Geruch war. Bisher hatte er mit diesem Aroma immer etwas Schlechtes verbunden und versucht, nicht darüber nachzudenken. Das hatte sich aber irgendwie geändert. Nun roch Isaak einfach verführerisch.

Er war froh, heute ohne Morgenlatte aufzuwachen, aber bei diesem Geruch, in Kombination mit der Umarmung, den sanften Streicheleinheiten und der Tatsache, dass Isaak nackt war, hatte sich sein Blut verselbständigt. Er spürt tief in sich das Verlangen nach Isaak und sein Körper war schon einen Schritt weiter. Entsetzt stellte er fest, dass er einen Harten bekommen hatte und diesen seinem Freund an den Hintern presste.

Seine Wangen glühten, aber er konnte in diesem Moment einfach nicht anders. Er presste sich verlangend gegen seinen Freund. Es war schon so lange her, dass er sich einen runtergeholt hatte. Er brauchte das jetzt einfach. Er konnte sich einfach nicht zügeln.

Isaak entwich ein gedämpftes leises Stöhnen. Was der andere da tat, ließ ihn überhaupt nicht kalt. Noch aber konnte er sich beherrschen. Er blieb einfach still liegen und versuchte seine aufkommende Libido zu unterdrücken.

Seine Gedanken wurde schwer und der Wolfsjunge verlor sich allmählich in seiner Lust. Dass sein Freund sich aber nicht regte störte ihn, und er brummte ungehalten.

„Jake, nicht“, sagte dieser auf einmal und verharrte immer noch regungslos.

Mit gewaltiger Anstrengung hielt der Beta inne und zwang sich still zu halten. Dann suchte er in ihrer Verbindung nach der Angst des anderen. Da war aber nichts. Isaak war genauso erregt wie er und kämpfte mit sich selbst, um seiner Lust nicht nachzugeben.

Das ließ auch die letzten Bedenken über Bord gehen und Jake gab sich seinen Instinkten hin. Er presste sich erneut gegen den anderen. Da dieser aber immer noch nicht bereit war mitzumachen, ergriff er dessen Kehle und drehte den Kopf des Wächters ein wenig. Dann, ohne darüber nachzudenken, biss er ihm in die freigelegte weiche Haut am Hals.

Das war dann doch zu viel und der Rotblonden. Er bockte sich ihm entgegen und stöhnte rau auf vor Erregung. Der Wolfsjunge schmunzelte und leckte entschuldigend über die malträtierte Stelle. Als Belohnung bekam er ein heißeres Keuchen. Das war wie Musik in seinen Ohren und er beschleunigte seine kreisende Bewegung mit dem Becken.

Isaak zog mit und presste sich ihm verlangend entgegen. Schnell drehte Jake den Kopf des anderen und gab diesem einen harten Kuss. Der Kuss wurde erwidert und beide öffnet die Lippen. Diesmal bedurfte es keiner weiteren Stimulation und beide Zungen begannen augenblicklich mit einem innigen Duell.

Auch Jake stöhnte nun rau in den Zungenkuss hinein. Angestachelt und zu tiefst erregt, ließ er seine freie Hand an Isaaks Brust Kreise ziehen. Dann wurde er mutiger und seine Finger bahnten sich schnell einen Weg in südlichere Gefilde.

Isaak erzittert unter diesen Streicheleinheiten und bockte umso mehr. Als die Hand des anderen aber seinen Bauchnabel passierte und nicht Halt machte, hielt er sie auf. Mit sanfter Gewalt hinderte er ihn daran weiterzumachen.

Dann nahm er all seine Willenskraft zusammen und löste ihren heißen Kuss. Schneller, als der Wolfsjunge reagieren konnte, befreite sich Isaak aus dessen Klammergriff. Er drehte sich um, schubste den anderen auf den Rücken und saß bereits rücklings auf dessen Hüfte, bevor Jake überhaupt mitbekam, was los war.

Schwer atmend und mit zugekniffenen Augen saß er nun da. Seine Hände hatte er auf der Brust des unteren und stützte sich somit ab.

Jake war einen Moment irritiert, dann aber grinste er dämonisch und blockte sich dem anderen entgegen.

Isaak hob eine zitternde Hand. Er bebte, aber nicht aus Angst oder Wut, sondern vor unterdrücktem Verlangen. „Jake, stopp“, stammelte er schwer atmend. Dann öffnete er die Augen und zog den Beta in seinen Bann.

Beide erstarrten, gefangen durch diesen Blick. Dann fragte Isaak bedächtig: „Beantworte meine Frage mit ja, und ich schwöre wir treiben es auf der Stelle miteinander. Also denk gut nach, bevor du antwortest. Bist du dir sicher, dass du bereit bist und weiter machen willst?“

Sofort wollte Jake mit einem „Ja“, antworten, aber schon lag ein Finger auf seinen Lippen.

„Denk gut nach“, wiederholte der Wächter und sah ihm eindringlich in die Augen.

Mit seinem Willen unterdrückte er die Begierde des Wolfsjungen und dieser konnte wieder klar denken. Jake blinzelte und sah auf das aufragende harte Glied des anderen. Er wurde rot bei diesem Anblick und musste schwer schlucken. Dann dachte er kurz nach. Er hätte es getan, aber jetzt da, seine Triebe nicht mehr all sein Denken bestimmten, und er vollends wach war, musste er sich eingestehen, dass er noch nicht bereit dazu war.

Schnell hob er den Blick und sagte wahrheitsgemäß: „Nein.“

Isaak schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und ließ sich auf seine Brust sinken. Beide atmeten schwer.

Sanft und entschuldigend streichelte Jake dem anderen über den Rücken. Er wusste, wie schwer es Isaak gefallen war, das zu beenden und er war dankbar, dass dieser ihn aufgehalten hatte. Dann spürte er das Gefühlschaos, welches er bei dem Wächter verursacht hatte. Dieser war frustriert und bedauerte die Situation.

Schuldbewusste flüsterte der Beta kleinlaut: „Es tut mir leid. Ich brauche mehr Zeit.“

„Ich weiß. Ich gebe sie dir“, sagte Isaak sanft. „Nur, bitte überfall mich nicht mehr so. Ich werde dich kein zweites Mal abwehren können. Meine Willenskraft ist am Anschlag. Das nächste Mal werde ich es nicht mehr schaffen dir zu widerstehen.“

Da erkannte Jake, dass Isaak nicht frustriert darüber war, dass er noch nicht bereit war, nein, der Rotblonde bedauerte, dass dieser es fast zugelassen hätte. Er machte sich offenbar mal wieder nur Gedanken um sein Wohl. Zudem musste Isaak wissen, dass es für ihn noch zu früh war und es ihm im Nachhinein höchst wahrscheinlich leidgetan hätte es zu überstürzen, ohne dazu bereit zu sein.

Jake seufzte und sagte: „Wenn ich dich so überfalle, dann ist es meine Schuld nicht deine. Du musst nicht meine Fehler auf dich nehmen. Hör endlich auf immer nur auf mich Rücksicht zu nehmen.“

„Dummes Wölfchen“, gluckste der andere, der dessen Gedanken aufgeschnappt hatte. „Ja, ich gebe zu, ich nehme Rücksicht auf deine Gefühle, aber das ist gerade nicht mein Hauptproblem.“

Jake starrte den rotblonden Haarschopf auf seiner Brust an. „Was ist dann dein Problem?“

„Ich glaube, dass willst du nicht hören. Es ist wohl etwas zu schwul für deinen Geschmack“, versuchte sich der Wächter herauszureden.

Das jedoch stachelte den Wolfsjungen nur noch mehr an. Dann knurrte er: „Ich entscheide selbst, was mir zu schwul ist.“ Er seufzte und ließ sich wieder in die Kissen sinken. „Ich möchte dich verstehen, sag es mir bitte.“

„Wie du willst, ich habe dich gewarnt“, sagte Isaak und stemmte ich wieder in einen sitzende Position. Er suchte den Blick des anderen und sie sahen sich wieder tief in die Augen. „Ich will mich später nicht mit Bedauern an unser erstes Mal erinnern. Ich will nicht mit dir schlafen, allein deswegen, weil wir scharf sind und unsere Triebe nicht zügeln konnten.

Ich weiß, dass es dir leid täte im Nachhinein, aber diesmal geht es mir um mich selbst. Tief in meinem Inneren bin ich ein Romantiker. Ich will, dass unser erstes Mal unvergesslich wird. Wenn wir uns später daran erinnern, dann stets mit einem Lächeln, weil es so schön gewesen ist.“

Jake grinste und sagte: „Einverstanden.“

„Was?“, fragte der Wächter und verstand die Welt nicht mehr.

Jake sah dessen entgleiste Gesichtszüge und sein Lächeln wurde noch breiter. Dann stupste er dem anderen gegen die Nase und sagte sanft: „Dummes Füchslein.“

Jetzt wurde er äußerst ungläubig angestarrt. Einen Moment ließ er seinen Freund noch zappeln, dann erklärte er: „Ich will das auch. Wie du schon sagtest, wir sind Unsterbliche. Wir werden uns ewig daran erinnern. Ich möchte es auch unvergesslich gestalten. Das finde ich nicht schwul. Wenn ich mit einer Frau zusammen wäre, würde ich das auch so wollen. Ich finde, das ist doch nur normal. Erwarte aber nicht, dass ich mit einem Strauß roter Rosen um die Ecke komme. Das geht mir dann doch zu weit.“

Isaak verdrehte die Augen. „Wage es ja nicht. Wenn du mit Blumen anfängst, dann darfst du dich auf ein Echo freuen, mein Lieber. Also lass es.“

Dann grinste sie sich gegenseitig an. In diesem Punkt waren sie sich einig. Keine dummen Blumen.

„Wie wäre es mit einem selbst erlegen Puma oder so?“, stichelte Jake.

„Mit einer rosa Schleife?“, konterte der andere spitzbübisch.

„Warum nicht? Hauptsache du bereitest ihn dann zu“, schlug der Beta gekonnt zurück.

Gespielt beleidigt plusterte sich Isaak auf. „Ich bin doch nicht dein Heimchen. Den kannst du schön selbst zubereiten.“ Dann fing er an den unteren zu kitzeln.

Jake war darauf nicht vorbereitet und zuckte sofort lachend zusammen. Als er sich gefangen hatte, ging er zum Gegenangriff über. Beide schenkten sich nichts und nutzen schamlos jede sich bietende Gelegenheit, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Am Ende schaffte es Jake den anderen auf dem Bett festzusetzen. Mit einer Hand hielt er die beiden von Isaak gefangen und mit der anderen kitzelte er ihn durch. Der Wächter wand sich und lachte ausgelassen.

„Genug, ich ergebe mich“, presste er mit Tränen in den Augen hervor. Der Beta schnaubte und stellte seinen Angriff ein. Dann beugte er sich zu seinem Freund hinunter und gab ihm einen verlangenden Zungenkuss.

Während ihres heißen Zungenduells, geriet sein Blut wieder auf Abwege, aber das war ihm egal. Sollte Isaak ruhig spüren, wie sehr ihm das gefiel. Auch dem anderen erging es ähnlich und so konnte der Beta das pochende Fleisch unter seinem Hintern fühlen.

Dann lösten sie sich atemlos voneinander. Mit einem dreckigem Grinsen im Gesicht fragte der Wächter: „Sollen wir gemeinsam duschen gehen?“

„Keine gute Idee“, sagte Jake und drückte sich kurz gegen Isaaks hartes Glied. „Ich garantiere für nichts, wenn wir gemeinsam duschen.“

„Ok, wer bist du und was hast du mit meinem grummeligen, homophoben Wölfchen gemacht?“, frage der andere hab erst, halb belustigt.

„Dem ist klar geworden, wie sehr er seinem Füchslein verfallen ist.“, sagte Jake schneller als er denken konnte. Dann sah er betölpelt drein. Er ließ den anderen los und setzte sich auf. „Ok, dass klang jetzt echt schwul.“

„Es war ehrlich“, flötete Isaak und schenkte ihm einen warmen Blick. „Glaube ich zumindest. Aber mal im Ernst, was ist los mit dir?“

„Gefällt es dir nicht?“, fragte Jake ausweichend.

Der Wächter seufzte tief und sagte anschließend: „Doch, sehr sogar, aber ich verstehe dich nicht. Gestern Morgen bist du noch aus dem Bett gestürmt, weil du eine Morgenlatte hattest und nun bist du drauf und dran deine Unschuld zu verlieren.“

Jake druckste ein wenig herum, dann gestand er: „Deine Worte vor und nach unserem ersten Kuss haben mir die Augen geöffnet. Jetzt sehe ich das mit uns in einem völlig anderen Licht.“

„Ich kann dir nicht folgen“, sagte Isaak langsam.

„Hast du meine Gedanken nicht gehört?“, fragte der Beta und wurde leicht rot im Gesicht.

„Doch, aber ich verstehe dennoch nicht, was seitdem in dich gefahren ist“, sagte der Wächter irritiert.

„Du willst mich nicht ändern und liebst mich so wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten“, begann Jake und sah ihm tief in die Augen. „Da habe ich erkannt, dass schwul sein nicht gleichgesetzt ist mit tuckig sein.“

„Das war dein Problem? Die ganze Zeit über?“, fragte der Untere erstaunt.

„Ja“, gestand der Wolfsjunge. „Das war der Auslöser. Ich war davon überzeugt, dass das ein und dasselbe ist. Ich dachte, du willst mich in diese Rolle zwängen. Das will ich aber nicht. Seitdem du mir diese Angst genommen hast, ist alles anders. Jetzt kann ich mich auf dich einlassen. Ich wundere mich ja selbst, wie locker ich auf einmal bin. So ist das nun mal.“

Isaak schüttelte den Kopf und gestand: „Hätte ich das gewusst, dann hätte uns das einige Probleme erspart.“

„Ja, vielleicht. Aber ich denke nicht, dass du mich hättest vom Gegenteil überzeugen können. Ich hasse dieses tuckige Gehabe. Das hat sich nicht geändert.“

„Das kann ich gut verstehen. Ich mag das auch nicht besonders“, sagte Isaak. Dann grinste er auf einmal und verkündete: „Wenn ich also mal tuckig sein sollte, dann darfst du mich gerne so lange beißen, bis ich zu Besinnung komme. Einverstanden?“

Nun grinste auch Jake und bestätigte: „Deal.“

„Du weißt, dass ich das dann auch mit dir mache? Das ist dir hoffentlich klar?“, fragte Isaak heimtückisch.

„Ja, davon bin ich ausgegangen“, erwiderte Jake und grinste fies. Beiden war klar, dass dies kein Scherz war. Sie würden das beide, ohne mit der Wimper zu zucken, wirklich machen. Sie verstanden einander voll und ganz bei diesem Thema.

Flug erster Klasse

Isaak meinte: „Gut, geh du zuerst duschen. Ich sehe kurz nach den anderen.“

Jake nickte und stand auf. Langsam ging er auf das Bad zu. Er war sich bewusst, dass sein Freund ihn beobachtete. Kurz vor der Tür streifte er elegant die Boxer ab und wackelte mit dem Hintern, als er im Bad verschwand.

„Vorsicht, Wölfchen, du spielst mit dem Feuer“, warnte Isaak, lachte aber hörbar im Nebenzimmer. „Oder sehnst du dich so sehr danach gebissen zu werden?“

„Ich bin ein Wolf, schon vergessen? Ich beiße zurück“, konterte der Beta und stieg in die Dusche.

„Ein andermal“, sagte der Wächter mental, da er schon den Raum verlassen hatte. Jake wusste das dieser sich den Morgenmantel übergestreift hatte. Sonst würde er ihm jetzt hinterherlaufen.

Nachdem er dann wieder frisch war, und sich auch von seiner Erregung vollständig befreit hatte, öffnete er die Kabinentür. Es wunderte ihn nicht, dass sein Freund mit einem Grinsen neben der Tür an der Wand lehnte. Jetzt war dieser mit Starren dran. Jake rollte mit den Augen und ließ sich nicht stören. Aus den Augenwinkeln heraus sah er wie Isaak näherkam. Gespielt unbeeindruckt ging er an ihm vorbei.

Dann urplötzlich bekam er einen Klaps auf den blanken Hintern. Der Beta drehte sich erschrocken um und sah den anderen in die Dusche steigen.

„Was sollte das denn gerade?“, fragte er etwas irritiert und angepisst.

„Strafte fürs Arschwackeln“, gab der Wächter zurück und stellte einfach das Wasser an.

Jake murrte ein wenig, dann ging er. Im Zimmer angekommen entschied er die alten Klamotten nicht mehr anzuziehen. Er konnte den Geruch nach Erbrochenen schon von Weitem riechen. Also schnappte er sich den Bademantel und zog die Kordel straff.

Auf dem Bett sitzend wartete er auf seinen Freund und starrte aus der Balkontür. Isaak kam wenig später, ebenfalls im Bademantel, aus dem Bad. Ohne Scheu kam er zu ihm und gab ihm einen Kuss. Nur zu gerne wurde dieser erwidert.

Danach verließen sie händchenhaltend ihr Zimmer.

Im Vorraum trafen sie auf Bella und Edward. Beide waren komplett angezogen. Die junge Dame sah noch etwas mitgenommen aus, aber es schien ihr gut zu gehen. Der Blutsauger sah aus wie immer. Sie begrüßten sich und Isaak verschwand wieder in dem Raum der beiden anderen Männer.

Diese schliefen noch immer, aber nicht mehr lange. Der Wächter ging auf die Gardinen zu und zog sie auf. Dann sagte er mit lauter Stimme: „Guten Morgen, die Herrschaften.“

Die beiden schossen hoch und schauten sich panisch um. Dann fanden sie den grinsenden Rotblonden. John sah den anderen sehr irritiert an, wohingegen Vincent schnell die Bettdecke zusammenraffte und losschmetterte: „Was hast du in unserem Schlafzimmer zu suchen? Raus hier.“

„Also genau genommen ist das hier mein Schlafzimmer“, begann Isaak und sein Grinsen wurde noch breiter, bei ihren verdutzen Gesichtern. „Lange Geschichte. Geht duschen und zieht euch an. Das Frühstück wird gleich serviert.“

„Was? Wo sind wir?“, fragte nun John als er sich umsah und feststellte, dass das hier wirklich nicht ihr Zuhause war.

„Ihr seid im Palas in meiner Suite. Wie gesagt, lange Geschichte. Macht euch frisch dann können wir alles in Ruhe besprechen“, und mit diesen Worten ließ er die beiden allein.

Wenig später saßen sie zu sechst an dem vollbeladenen Tisch. Die beiden trugen nun auch Bademäntel, sie hatten ja keine Wechselkleidung hier. Isaak hatte an der Rezeption angerufen und das Essen aufgestockt, damit alle satt wurden. Nach einer solchen Nacht brauchten sie eine ausgewogene Mahlzeit, um wieder zu Kräften zu kommen. Auch hatte er Charles verständigt. Der Butler hatte sich bereits große Sorgen gemacht, weil Johns Villa verwaist war.

Nachdem das Hotelpersonal den Raum verlassen hatte, erzählte der Wächter mit ernster Stimme was vorgefallen war. Die beiden Männer waren sprachlos. Isaak hatte ihnen auch von dem Arrangement mit der Besitzerin berichtet und sie gebeten, sich daran zu halten.

Dann legte der Schwarzhaarige los und wetterte was das Zeug hielt. Er wollte sich nicht damit zufriedengeben.

Schnell griff der Rotblonde ein und sagte: „Vincent, ich kann dich verstehen, aber ich möchte nicht weiter in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Denk auch an John. Eine solche schlechte Presse kann er sich auch nicht leisten. Wir haben auf euch aufgepasst. Euch ist nichts passiert. Lass es gut sein. Sollte aber Blondie meinen, Anzeige gegen Jake erstatten zu müssen, dann darfst du gerne tun was du willst und den Laden in Grund und Boden klagen.“

Das zeigte etwas Wirkung. Trotzdem konnte man dem Mann ansehen, dass es in ihm noch immer kochte. Langsam begannen sie zu essen, alle außer Edward. Dieser schlürfte nur an einem Kaffee, welchen Isaak mal wieder für ihn verzaubert hatte.

Während des Frühstücks kam auch Charles vorbei und brachte Kleidung für John und Vincent, sowie die Waren von Alexei. Der Schwarzhaarige war sofort aufgesprungen und hatte sich umgezogen. Dann wartete er wütend auf seinen Partner.

John dankte ihnen noch schnell und flüsterte Isaak zu, dass er mit seinem Freund reden würde, dann gingen die beiden auch schon mit dem Butler, welcher sie nachhause fahren würde. Heute, so entschied der Broker, nahm er sich einen Tag frei.

Erleichtert seufzte Edward auf. „Endlich sind wir die los.“ Er starrte zu dem Wächter und fragte: „Wie soll es nun weitergehen?“

Isaak sagte: „Nächstes Ziel: Mongolei. Ich würde vorschlagen, wir packen unsere Koffer und machen uns direkt auf zum Flughafen.“

„Willst du dich nicht von John und Vincent verabschieden?“, fragte Bella entrüstet.

„Nö. John kennt meine Art schon und ich will hier weg sein, bevor Blondie Schritte gegen Jake einleiten kann. Reine Vorsichtsmaßnahme. John wird sich schon um alles kümmern. Das ist immerhin sein Job“, sagte der Rotblonde und stand auf.

„Ich dachte mir schon, dass du so reagieren wirst“, gestand der Vampir und nickte. „Ich habe schon für Bella und mich gepackt. Auch um die Reisepässe, welche du offensichtlich schon wieder vergessen hast, habe ich mich in der Nacht gekümmert. Alles ist bereits arrangiert. In vier Stunden geht der Flieger. Wir müssen nur auf dem Weg zum Flughafen einen kleinen Zwischenstopp einlegen.“

„Danke, Edward“, sagte Isaak und schoss davon. Während Jake schulterzuckend langsam zu Schlafzimmer ging, sortierte sein Freund ihre neuen Klamotten und packte nebenher die Koffer. Der Rotblonde trug bereits ein neues Outfit als er den Raum betrat. Schmunzelt sah der Wolfsjunge ihm dabei zu. Mit der Geschwindigkeit würde es nicht lange dauern, bis sie fertig waren.

Kaum, dass er den Gedanken zu Ende formuliert hatte, stand auch schon Isaak vor ihm. Schnell bekam er einen Kuss und dieser sagte: „Fertig. Ich habe dir was zum Anziehen aufs Bett gelegt.“ Dann wollte er auch schon wieder davondüsen, aber Jake griff schnell zu und betrachtete dessen Erscheinung.

So wie er ihn damals im Wald das erste Mal gesehen hatte, trug der Wächter nun wieder ein einfaches schwarzes Shirt und eine dazu passende schwarze Stoffhose. Diesmal sah die Kleidung aber irgendwie eleganter und modischer aus. Zudem hatte er sich für die schwarzen Sneakers entschieden.

Zufrieden nickte Jake, wobei Isaak kurz die Augen verdrehte. Dann stahl sich der Wolfsjunge noch einen Kuss bevor er seinen Freund freigab, und sich ebenfalls anzog. Für ihn hatte der Wächter ein schwarzes Muskelshirt ausgesucht und eine kurze braune Hose. Weiße dünne Socken und seine neuen, weißen Adidas Schuhe. Ja, die beiden verstanden sich in solchen Dingen.

In der kurzen Zeit, die der Gestaltwandler benötigte, um in die Sachen zu schlüpfen, hatte der Wächter noch einiges zu tun gehabt. Je einen Koffer für sie beide stellte er an die Zimmertür. In der Mitte des Raumes die übrigen beiden. Darauf lagen mehrere Briefe mit Anweisungen, gegliedert nach Themen. In einem der Umschläge befand sich ein kurzer Abschiedsbrief. In dem der Wächter ihren raschen Aufbruch erklärte.

In einem anderen lag eine Liste mit Anweisungen, wie mit der Firma weiter verfahren werden sollte, und ein neuer Wunschzettel, damit John auch weiterhin Artefakte für ihn sammelte. Im dritten Umschlag war die Bitte ihre zurückgelassenen Habseligkeiten an die Adresse der Cullens zu schicken. Der vierte Brief enthielt weitere Bestellungen privater Natur. Auslieferung an Sams Anschrift.

Immerhin hatte er eh zu viel Geld und so glaubte er, dass Rudel milde stimmen zu können, indem er allen einen Stoß Kleidung und andere Dinge schenkte. Auch für Billy war etwas dabei, wobei er bezweifelte, dass dieser seine Geste annehmen würde. Für Sam und Billy hatte er eigene Schreiben aufgesetzt, mit der Bitte, diese mit den Waren zu versenden.

Isaak war bei der Erstellung dieser Schreiben sehr schnell vorgegangen. Sein Freund bekam nur mit, dass er etwas schrieb, aber nicht was. Als er den Vorraum betrat, war alles bereits erledigt und die anderen drei standen an der Tür.

Der Wächter hatte sich in ritterlicher Manier beide Koffer geschnappt und Edward jene für Bella und sich. Jake schüttelte kurz den Kopf und grinste. Dann ging er auf seinen Freund zu, nahm dessen Gesicht in die Hände und gab ihm einen gierigen Kuss. Anschließend nahm ihm eines der Gepäckstücke ab und tadelte: „Gleichberechtigung, nicht vergessen.“

Das ließ den anderen lachen, während Bella große Augen machte. Bevor die junge Dame allerdings die beiden aushorchen konnte, schob Edward sie in den Gang. „Liebste, im Flugzeug hast du noch genug Zeit für ein Verhör. Da können sie dir auch nicht entkommen. Lass uns jetzt gehen. Das Taxi wartet bereits.“

Jake verdrehte die Augen. Er freute sich jetzt schon in die Mangel genommen zu werden. Vor der Tür schnappte sich Isaak seine freie Hand und drückte kurz zu. Dann gingen alle vier gemeinsam los. An der Rezeption im Erdgeschoss gab Isaak die Zimmerkarte ab und sagte dem Personal, dass sie John über ihre Abreise informieren sollten. Anschließend stiegen sie in das Großraumtaxi ein, während der Fahrer die Koffer verstaute.

Bevor sie sich zum Flughafen begaben, machten sie noch schnell einen Abstecher zu einem Café. Dort angekommen verlangte Edward von Jake ganze 8.000 Dollar. Er hatte nicht so viel Bargeld dabei. Dann ging er hinein und kam mit einem braunen Umschlag zurück.

Wieder im Wagen verteilte der Vampir die neuen Reisepässe und erklärte kurz: „Ich habe uns allen neue Identitäten verpasst. Immerhin werden wir verfolgt. Da sollten wir keine Spuren hinterlassen. Prägt euch eure neuen Namen gut ein.“

Bella freute sich über ihr Pseudonym, Larissa Jackson. Ihr Freund, alias Ethan Jackson, kannte sie einfach zu gut. Zudem waren sie somit verheiratet. Isaak und Jake sahen sich ihre Pässe an und sagten beide: „Das werde ich nicht vergessen.“ Während der Wächter aber dankbar klang und nichts gegen seine Identität, Jeremy Keeper, zu haben schien, war Jake angepisst.

Der Blutsauger hatte ihm den Namen Kevin Beta verpasst. Eine deutliche Anspielung. Er hätte auch gleich schwuler Wolf schreiben können. Jeder wusste doch das Kevin ein echt schwuler Name war. Seine Bedeutung war der Hübsche, der Anmutige, der Geliebte. Schwuler ging es wirklich nicht.

Isaak spähte zu seinem Freund hinüber und stichelte mental: „Ich bleibe lieber bei Wölfchen. Kevin ist mir da doch zu Spur zu heftig.“

Für den Spruch bekam der Wächter einen Fausthieb gegen den Oberarm. Beide erstarrte. Jake hatte nicht nachgedacht. Nun wartete er auf den Schmerz, aber der kam nicht. Irritiert rieb sich Isaak die Stelle und sagte tonlos: „Das tat weh.“

„Mir nicht“, stammelte Jake irritiert. Sofort griff der Rotblonde nach seinem Arm und untersuchte die Hand. Die Knochen waren noch heil. Das sollte eigentlich nicht so sein, dachte sich Isaak und begutachtete die Angelegenheit mit seiner Magie.

Langsam ließ er die Hand seines Freundes los und sagte tonlos: „Deine Knochendichte und Muskelstruktur haben sich verändert.“

„Ist das gut oder schlecht?“, fragte der Beta angespannt.

„Kommt drauf an für wen. Für dich ist das wohl als gut zu betrachten. Für deine Feinde eher als schlecht. Durch unsere Seelenverbindung wurde offenbar ein Prozess ausgelöst, der immer noch aktiv ist.

Je stärker unsere Bindung wird, desto stärker wirkt sich das auf uns beide aus. Ich glaube so langsam, dass wir am Ende gleich sein werden, was Stärke, Geschwindigkeit und Widerstandskraft anbelangt. Du hast schon meine Haut, Zähne, Fingernägel und den „wahren Blick“ übernommen. Nun sind wohl Muskeln und Knochen dran“, erläuterte der Wächter so leise, dass der Fahrer ihn nicht hören konnte.

Sie sahen sich tief in die Augen und Isaak wechselte auf die mentale Ebene: „Magie ist manchmal sehr seltsam. Ich glaube, je mehr ich dir vertraue und mich fallen lasse, desto mehr wirst du wie ich. Sollte ich also keinen Rettungsanker mehr benötigen, dann sind wir gleich. Was die körperlichen Attribute anbelangt.“

Ebenfalls mental fragte Jake: „Und was gebe ich dir im Gegenzug?“

„Deine Wolfskräfte werden bei mir stärker. Ich spüre wie mein Temperament steigt und Edwards Geruch wird auch als Mensch langsam unangenehm für mich“, gab der Wächter leise preis, wobei der seine Stimme benutzte.

Jake öffnete den Mund und flüstere: „Also passen wir uns an den jeweils anderen immer mehr an, je stärker unsere Bindung wird.“

„Ja.“

Da mischte sich der Vampir ein und sagte: „Jetzt wo du es sagst, dein Geruch, erinnert mich auch immer stärker an einen der Wölfe. Das ist mir bisher nicht aufgefallen, weil Jakes Ode Wolf alles überlagert.“

„Hm, ausgleichende Gerechtigkeit würde ich mal sagen“, flüsterte Bella und grinst süffisant.

Schnell frage Jake mental: „Stört dich das?“

„Nein, ich vertraue dir. Somit sind wir dann auf allen Ebenen gleichberechtigt“, gab der Rotblonde wortlos zurück. „Das würde aber auch erklären, warum dein Klammergriff heute Morgen stärker war als gestern. Ich dachte, dass du mehr Kraft eingesetzt hast und nicht, dass du stärker geworden bist. Zudem würde das erklären, warum ich das Bedürfnis habe, dir in den Nacken zu beißen. Ich hatte noch nie den Wunsch irgendjemanden zu beißen. Das müssten dann deine Wolfsinstinkte sein.“

Erschrocken vergaß Jake mental zu bleiben und sagte: „Das wagst du nicht.“

Isaak grinste ihn nur dreckig an. Dann wiederholte er Bellas Worte: „Ausgleichende Gerechtigkeit.“

Die junge Dame empörte sich und meckerte: „Hey, hört auf euch in Gedanken zu unterhalten! Ich will das auch hören.“ Die beiden aber beachteten sie gar nicht. Sie grinsten sich gegenseitig an und dachten, jeder für sich, das konnte ja noch spannend werden.

Geschlagene fünf Minuten versuchte die Frau den beiden ihre Gedanken zu entlocken, bis Jake der Kragen platzte und schnauzte: „Bella, das geht dich nichts an, oder wollen wir auch über dein nicht vorhandenes Sexleben reden?“

Sie wurde sofort feuerrot und ließ das Thema fallen. Nie im Leben würde sie darüber sprechen. Schuldbewusst schaute der Wolfsjunge zu dem Wächter. Der grinste aber nur in sich hinein. Jake seufzte erleichtert, er hatte schon befürchtete, dem verbotenen Thema Renesmee zu nahe gekommen zu sein.

Danach herrschte bis zum Flughafen Schweigen. Erst dort hatte sich Bella wieder gefangen und nahm Jake erneut in die Mangel. Er sollte ihr alles erzählen. Angefangen vom Händchenhalten bis zu zum Kuss in der Öffentlichkeit. Der Beta fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, aber damit er seine Ruhe bekam, warf er ihr ein paar Brocken hin, auf die sie sich begierig stürzte.

Ohne weitere Zwischenfälle gaben sie ihr Gepäck auf und holten ihre Tickets ab. Erst als Edward sie über einen roten Teppich an der Menge der wartenden Passagiere vorbeiführte, wurde ihm klar, sie hatten Karten für die erste Klasse.

Hinter der Sicherheitskontrolle gab es einen extra VIP-Wartebereich. Dort ließen sie sich auf die feinen Ledersessel nieder. Sofort war auch eine Kellnerin bei ihnen und nahm sich ihrer Wünsche an. Als dann alle mit Getränken versorgt waren und die Frau weg war, nahm sich der Wolfsjunge den Vampir zur Brust.

„Erste Klasse?“, knurrte er wütend.

„Ja, Immerhin dauert der Flug 14 Stunden und 20 Minuten. Da will ich Bella doch nicht in der Holzklasse sitzen lassen“, fauchte der Blutsauger empört zurück.

Isaak mischte sich ein und fragte: „Wie viel schulde ich dir dafür Edward?“

„Nichts“, begann dieser und grinste fies. Dann offenbarte er: „Ich habe alle Tickets über deine Kreditkarte laufen lassen. Als ich gestern die Unterlagen für euch beide durchgesehen habe, hatte ich genug Zeit die Kartennummer auswendig zu lernen.“

„Hey, das ist Isaaks Geld“, erboste sich der Beta. Sein Freund legte ihm aber beschwichtigend eine Hand auf den Unterarm.

„Ist schon gut Jake. Dann bin ich wenigstens einen Teil des Geldes los“, sagte der Rotblonde ernst.

Edward sah den anderen ungläubig an und sagte: „Isaak du hast so viel Geld, dass die Flüge gar nicht ins Gewicht fallen werden. Ich fürchte, wenn du dein Konto leeren willst, musst du wesentlich größer denken.“

Nun mischte sich Bella ein und schlug vor: „Wie wäre es, wenn du einen Teil für hungernde Kinder in Afrika spendest. Du tätest was Gutes und wirst das Geld los.“

„Liebes“, begann Edward nachdenklich. „Wenn ich das grob überschlage, dann kann Isaak sich locker eine eigene Insel kaufen. Vielleicht wäre das ja eine Idee.“

„Klingt beides nicht schlecht“, meinte Jake dazu.

„Es ist deine Entscheidung, Schatz“, sagte der Rotblonde mit einem Schulterzucken. „Ich verlasse mich darauf, dass du dieses Problem in den Griff bekommst. Sonst bleibt mir nichts anders übrig, als in zwei Jahren bei der Finanzkrise alles in den Sand zu setzen.“

„Das ist dein Ernst, oder?“, fragte der Wolfsjunge ungläubig.

„Mein voller Ernst. Ich habe dich als Bevollmächtigen eingesetzt. Tu mit dem Geld, was du willst. Es interessiert mich nicht. Es darf die Zukunft nur nicht allzu sehr durcheinander bringen. Am besten überlegst du dir einen Plan und ich sehe nach was daraus wird. Dann sind alle zufrieden. Wenn ich einen Vorschlag äußern dürfte, wie wäre es mit einer Organisation für die Rettung gefährdeter Tierarten? Die Menschheit ist aktuell nicht vom Aussterben bedroht.“

„Das ist eine gute Idee“, meinte Edward. „Mit einer solchen Organisation und wenn diese global handelt, kann du das Geld verbrennen, wie ein Lauffeuer einen Wald.“

„Ich denke darüber nach. Eins nach dem anderen“, sagte Jake baff. Er konnte es spüren, Isaak machte keine Scherze. Er sollte in seinem Namen das Geld los werden. Na, dass konnte doch nicht allzu schwer werden, dachte er sich und begann Pläne zu schmieden.

Isaak war glücklich, dass er sich um diese Problem nicht kümmern musste. Sein Freund würde das schon hinbekommen, da war er sich ganz sicher.

Dann fragte Bella nachdenklich: „Moment mal, du hast von Flügen gesprochen. In der Mehrzahl. Wie sieht denn unsere Reiseplanung genau aus?“

Dieser räusperte sich und erklärte: „Wir fliegen jetzt nach Incheon, das ist ein Stadtteil von Seoul in Südkorea. Dort müssen wir umsteigen. Anschließend geht es Erste Klasse weiter zum internationalen Flughafen in Ulaanbaatar in der Mongolei. Vor dort aus nehmen wir ein kleines Charterflugzeug nach Dalandsadgad. Die Stadt liegt mitten in der Wüste Gobi. Wir werden dann vor Ort ein Auto mieten müssen, je nachdem wo Isaak genau hinwill.“

„Ich kann dir die Koordinaten nicht genau sagen. Der Außenposten ändert andauernd die Position“, verriet der Wächter nachdenklich.

Bella und Jake sacken etwas zusammen. Das würde eine lange Reise werden.

Wenig später wurden sie an den wartenden Passagieren der Holzklasse vorbei eskortiert. Für Leute mit genug Kleingeld galten andere Regeln. Sie mussten nicht warten und hatten einen eigenen Einstieg mit den wenigen anderen VIPs. Auf dem Boden lag natürlich der obligatorische rote Teppich.

Jake fühlte sich unwohl bei dieser Behandlung. Zugegeben, Isaak hatte wirklich das Geld, um sich sowas erlauben zu können, aber wer war er den schon, sich so etwas zu verdienen?

„So einen Stuss will ich nie wieder hören, Freundchen“, zischte der Rotblonde aufgebracht. „Was haben denn diese Menschen schon getan, um sich irgendwas zu verdienen? Haben sie Auge in Auge mit einem Vampir gekämpft? Haben die auch nur den Hauch einer Ahnung was das Wort Entbehrung bedeutet? Du hast schon genug gelitten.“

Einen Moment musste er die Augen schließen, um sich wieder zu beruhigen. Dann fügte er flüsternd hinzu: „Ich mache mir nichts aus Geld und Komfort. Ohne dich würde ich auch im Laderaum mitfliegen. Für dich aber ist nur das Beste gut genug. Ich lebe schon so lange auf dieser Welt, glaube mir, du hast dir jeglichen Luxus verdient. Du würdest selbstlos dein Leben geben, um einen geblieben Menschen zu retten. Nur wenige würden das tatsächlich tun.“

Er hob den Blick und zog den anderen in den Bann seiner Augen. Mit versöhnlicher Stimme sagte er: „Wenn du nicht in der ersten Klasse fliegen willst, dann gehen wir eben in die Holzklasse. Mir ist nur wichtig, dass ich bei dir sein darf und, dass du glücklich bist.“

Mit offenen Mündern starrte die drei anderen den Rotblonden an. Mit einer solchen Reaktion hatte keiner gerechnet. Isaak drehte sich beschämt weg und brabbelte wütend: „Verdammtes Wolfstemperament.“

Bella und Edward konnten sich in etwa denken, was Jake gedacht haben musste, um diese Antwort zu verdienen. Bevor die Situation noch aus dem Ruder lief, denn alle aus der Holzklasse starrten die vier an, schob er die beiden Männer vor sich her und zischte: „Klärt das später. Benehmt euch wie Menschen.“

Die Zwei fügten sich. Auch ihnen waren die Blicke um sie herum aufgefallen. Unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wollte keiner von ihnen. Schnell gingen alle vier über den VIP Tunnel und betraten das obere Stockwerk des Fliegers. Diese Etage war allein der ersten Klasse vorbehalten. Sie hatten eine eigene Toilette und weiter hinten sahen sie einen Art Bartresen mit einer Sitzgruppe davor.

Das freundliche Bordpersonal geleitete sie zu ihren Sitzen. Diese waren kein Vergleich zu denen von ihrem Inlandflug. Das hier waren eher geräumige Sessel. Selbst wenn Jake sich voll ausstreckte, konnte er nicht einmal den Vordersitz mit dem Fuß berühren. Die Sitze waren in Zweiergruppen angeordnet und boten jeglichen Luxus. Von ledernen Armlehnen, wobei jeder seine eigene hatte, über einen großen Flachbildschirm für jeden, bis hin zu den kleinen Extras, welche auf dem Sitz lagen. Ein Stück Schokolade, eine flauschige Decke, Pantoffeln, eine bequeme Schlafbinde, ein weiches extragroßes Kissen und noch so einige andere Dinge.

Ehrfürchtig sah sich Jake alles an. Dann strahlte er zu seinem Freund und sagte: „Daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Also doch nicht in den Laderaum umziehen?“, fragte Isaak und setze einen entschuldigenden Blick auf.

„Guck nicht so. Deine Botschaft ist angekommen. Du brauchst dir kein schlechtes Gewissen einzureden, nur weil ich nicht zu schätzen weiß, was du mir bietest. Ich müsste mich eher bei dir entschuldigen.“

„Jungs“, zischte der Vampir leise. „Hinsetzen und Klappe halten. Ihr fallt schon wieder auf.“

Die beiden zucken schuldbewusst zusammen und setzten sich rasch auf die geräumigen Sessel. Das hier war eine ganz eigene Welt, dachten sie sich.

Nachdem dann alle Passagiere an Bord waren, begann die Sicherheitseinweisung. Als das Flugzeug anfing sich zu bewegen, kehrte Jakes Flugangst zurück und er krallte sich an den Armlehnen fest. Schnell schob Isaak die kleine Trennwand zwischen ihnen nach hinten und bot dem Wolfsjungen seinen Arm an. Schneller, als der Wächter schauen konnte, nahm der andere die Geste an und riss ihn sogar etwas näher zu sich.

„Ganz ruhig, Wölfchen“, sagte der Wächter mental und drehte mit seiner freien Hand den Kopf seines Freundes zu sich. Er sah die Angst in den braunen Augen und so zog er den Beta in seinen Bann. Jake war so gefesselt von dem Blick und dieser erschreckend blauen Iriden, dass er alles um sich herum vergaß. Auch lockerte er einen Klammergriff ein wenig. Dennoch ließ er nicht los. Er brauchte etwas, an dem er sich festhalten konnte.

Nach einer Weile, in der sie sich einfach nur ansahen, wurden sie angesprochen. „Sir, ist alles in Ordnung?“, fragte eine eifrige Flugbegleiterin.

„Ja, alles ok. Nur ein kleiner Anflug von Flugangst“, erwiderte Isaak, ohne den Blick abzuwenden.

„Ich kann Ihnen Tabletten anbieten, Sir“, sprach die Dame Jake direkt an.

„Nicht nötig“, gestand dieser und löste den Blickkontakt. Sie waren längst in der Luft. Der Wächter hatte ihn anscheinend hypnotisiert. So ganz konnte er sich das jedenfalls nicht erklären.

„Wenn Sie doch noch eine benötigen, sagen Sie bitte Bescheid. Ich bin immer für Sie da“, schnatterte die Frau ihren Text hinunter und ging weiter.

Als sie weg war, sagte Jake: „Danke, was immer du gemacht hast, es hat mir geholfen.“

„Ich habe nichts gemacht“, sagte Isaak verwirrt. „Ich gebe es zu, ich wollte, aber ich habe dich nur angeschaut. Ich schwöre. Ich habe weder Magie noch eine Hypnose oder dergleichen benutzt.“

„Du hast mir trotzdem geholfen.“

„Immer gerne“, erwiderte der Wächter mit einem warmen Lächeln. Mental fügte er noch hinzu. „Mein Wölfchen.“

Jake blinzelte, überlegte kurz, und flüsterte: „Mein Füchslein.“

Verdutzt starrte ihn der andere an. Er hatte es laut ausgesprochen und dann auch noch mit so viel Liebe in der Stimme.

Bei der Miene seines Freundes beugte er sich vor und küsste den überraschten Wächter. Er hatte ihn vollkommen überrumpelt und es dauerte einen Augenblick, bis Isaak den Kuss erwidern konnte. Schnell ging dieser in einen wilden Zungenkuss über, wobei sie anfingen, den jeweils anderen zu streicheln.

„Zieht bitte wenigstens den Vorhang zu“, beschwerte sich Edward flüsternd.

Die beiden stoben auseinander. Sie hatten vollkommen vergessen wo sie waren. Schnell sahen sie mit hochroten Köpfen zu den anderen. Bella strahlte und nickte anerkennend. Der Vampir hingegen verdrehte genervt die Augen, grinste aber. Dann standen beide auf und kamen auf sie zu.

Gemeinsam gingen sie zu der kleinen Bar, wo ihnen Champagner gereicht wurde. Sie prosteten sich gegenseitig zu und tranken alles aus.

Höhenangst

Nach einer Weile funkelte es in Bellas Augen unheilvoll. Dann fixierte sie Jake und fragte: „Mein Füchslein?“

Augenblicklich gefroren die Gesichtszüge ihres besten Freundes. Dieser schaute wütend zu dem Vampir, der eine Unschuldsmiene aufgesetzt hatte. „Verräter“, knurrte Jake.

Edward ließ sich nicht ärgeren und zuckte mit den Schultern. Schnell machte die junge Dame wieder auf sich aufmerksam und hakte nach: „Warum Füchslein? Isaak wird doch auch zu einem Wolf. Den Sinn verstehe ich nicht.“

Hilfesuchend sah der Beta zu seinem Freund, aber dieser grinste nur und sagte: „Da hast du dich selbst reingeritten. Du brauchst mich gar nicht so anzusehen.“

Jake ließ die Schultern hängen. Bella würde nicht eher Ruhe geben, bis er ihr den Zusammenhang erklärt hatte. „Naja“, begann Jake und druckste ein wenig herum. „Sein Fell ist so rot verstehst du.“

„Weiter?“, grinste sie ihn wissbegierig an.

„Isaak hat schon was von einem Fuchs, bei den Dingen, die er immer abzieht.“

„Weiter?“

„Nichts weiter. Deshalb Füchslein.“

„Ok und wie lautet dein Kosenamen?“, fragte sie viel zu scharfsinnig nach.

„Ähm…“, stammelte der Beta und wurde leicht rot.

Sie wandte sich gespannt an den Wächter und versuchte es bei ihm mit einem Welpenblick.

„Keine Chance, Bella. Mich bekommst du nicht rum“, sagte der Rotblonde mit Nachdruck.

Sofort fixierte sie wieder den Gestaltwandler und flehte: „Jake, ach bitte. Sags mir. Ich sag dir doch auch immer alles.“

„Von deiner Hochzeit, und von deinem Wunsch ein Vampir zu werden, hast du mir auch nichts erzählt“, knurrte Jake ungehalten.

„Nicht vom Thema ablenken“, mahnte die junge Dame. „Das kommst später auch noch dran.“

„Später?“

„Ja, ich habe so viele Fragen. Also, dein Kosename?“, ließ sie einfach nicht locker.

„Versprichst du mir, mich nie so zu nennen und es auch nicht weiterzusagen?“, fragte der Beta zähneknirschend.

„Ja.“

„Du auch Edward. Sonst sage ich nichts“, verlangte Jake.

Der Vampir verdrehte die Augen und sagte: „Ich weiß echt nicht, was an Wölfchen so schlimm sein sollte.“

Entsetzt starrten ihn alle an.

„Ich habe euch heute Morgen auf dem Balkon gehört. Ich hatte die Balkontür aufgemacht, damit Bella frische Luft bekam“, offenbarte er. „Da habe ich eure Unterhaltung mitbekommen.“

Die beiden Männer wurden knallrot. In den blauen Augen des Wächters blitzte es plötzlich.

„Hey und du sagst mir nichts?“, beschwerte sich Bella aufgebracht.

Dann erklärte der Blutsauger und gestand gleichzeitig: „Es war intim. Um ehrlich zu sein, habe ich außerdem seit gestern in der Disco Angst, mich mit Isaak anzulegen. Als Blondie Jake in die Toilette gefolgt ist, war sein Gesichtsausdruck echt beängstigend. Ich hänge an meinem Leben. Ich will nicht von dir getrennt werden, mein Schatz.“

„Du solltest auch Angst haben“, knurre der Wolfsjunge ungehalten.

„Ich sage nichts“, versprach Edward.

Isaak beugte sich vor und flüsterte zuckersüß: „Wenn du Jake mit diesem Wissen weh tust, dann haben wir ein Problem miteinander.“

„Ich schwöre, ich sage nichts“, wiederholte der Vampir.

Bella musste einsehen, dass es gerade gefährlich wurde und sie wechselte schnell das Thema: „Wölfchen also. Liegt auf der Hand. Ich nehme mal an, die Verniedlichung darin gefällt dir nicht?“

„Ja“, gab der Gestaltwandler zu und ließ von ihrem Verloben ab.

„Ok. Weiter im Text…“

Anschließend bombardierte sie die beiden mit Fragen. Sie wollte unbedingt wissen, wieso Jake auf einmal so auf Isaak zuging. Auch versuchte Bella immer noch hinter das Geheimnis ihrer Zukunft zu kommen. Bei diesem Thema biss sie jedoch weiterhin auf Granit. Keiner von beiden wollte darüber sprechen. Irgendwann musste Bella einsehen, dass Jake noch nicht bereit war mit ihr zu reden. Sie wechselte das Thema und die Unterhaltung wurde sogleich entspannter.

Nach dem Mittagessen zogen sich Bella und Edward zu ihren Sitzen zurück. Mit wenigen Handgriffen verwandelte der Vampir diese in ein geräumiges Doppelbett und zog anschließend den Vorhang um ihre Areal zu.

Die beiden anderen starrten sich einen Augenblick tief in die Augen. Dann versuchten sie das Gleiche hinzubekommen. Leider hatte nur keiner von ihnen eine Ahnung, wie diese Transformation eingeleitet wurde und sie mussten am Ende sogar die Hilfe einer Flugbegleiterin in Anspruch nehmen.

Glücklich ließen sie sich dann auf das entstandene Bett sinken und Jake zog den Wächter in eine enge Umarmung. Sofort entstand ein angeregtes Zungenduell und beide spürten die Erregung des jeweils anderen.

Isaak eiste sich schließlich los, nachdem sie sich, wie die wilden Tiere, aneinander gerieben hatten. Jake grollte frustriert und änderte ihre Positionen. Schon lagen beide auf der Seite, Isaak mit dem Rücken zu ihm und gefangen im Klammergriff. So schliefen beide schließlich ein.

Nach einer Weile erwachte Isaak und löste sich von dem Wolfsjungen. Sie hatten lange geschlafen und das Flugzeug war bereits im Landeanflug. Mit Hilfe seines Charmes und ein wenig Magie schaffte er es die Flugbegleiterin davon zu überzeugen, Jake noch ein wenig schlafen zu lassen. Er wollte ihn erst wecken, wenn sie am Boden waren. Das schonte ihrer beiden Nerven und seinen Arm. Letzteren brauchte er noch.

Erst als sie im nächsten Flugzeug saßen, wieder erste Klasse, aber diesmal ohne Liegesitze, wurde der Wolfsjunge richtig wach, als sie starteten. Er krallte sich diesmal so fest an Isaak, dass dieser vor Schmerz zischte. Als der Beta ihn losließ, hatte er seinem Freund zwei Blutergüsse in Form seiner Hände beschert. Zudem hatte er ihm die Fingernägel tief ins Fleisch gerammt.

Jake machte sich entsetzliche Vorwürfe, aber Isaak besänftige ihn rasch. Keine Minute später war alles schon verheilt. Für die Landung redete der Wolfsjunge so lange auf den Wächter ein, bis dieser ihn in eine leichte Trance versetzte. Er klammerte sich zwar immer noch an ihm fest, hinterließ aber keine Abdrücke.

Als sie dann aber das Charterflugzeug sahen, wurde Jake kreideweiß. Es war nur eine winzige Maschine für lediglich zehn Passagiere. Isaak hatte große Mühe den Wolfsjungen in das Fluggerät zu bekommen und er musste ihn für den Start vollständig hypnotisieren, damit er nicht ausrastete.

Alles in allem war dieser Teil der Reise der Anstrengendste. Auf halber Strecke dann, vom internationalen Flughafen in Ulaanbaatar nach Dalandsadgad, schreckte Jake plötzlich hoch. Er durchbrach die Hypnose und riss die Augen erschrocken auf. Alarmiert starrten ihn die anderen an. Sie waren mit dem Piloten die einzigen an Bord. Isaak machte sich bereit, den Schwarzhaarigen mit Gewalt niederzuringen, bevor sie noch abstürzten.

Panik durchflutete die Verbindung und Jake warf den Kopf hin und her. Er begann zu zittern und schrie: „Alles ist grau!“

Bella und Edward starrten weiterhin den Wolfsjungen an und fragten sich, ob dieser einen Albtraum hatte. Der Wächter erbleichte hingegen und sprang ebenfalls auf die Beine. Er konzentrierte sich augenblicklich und sandte seinen Geist aus. Der Vampir spürte Gefahr und zog Bella an sich. Das Verhalten der beiden hatte nichts Gutes zu bedeuten.

Isaak suchte die nähere Umgebung ab. Dann fand er einen nebelhaften Umriss, der mit rasanter Geschwindigkeit auf sie zuschoss. Aber es war schon zu spät. Er hatte keine Zeit mehr einzugreifen. Er sah aus einem der Fenster und erblickte eine Langstreckenrakete. Sie war mit Magie getarnt worden und entzog sich seinem „wahren Blick“. Da traf diese auch schon auf die Bordwand.

Das Flugzeug explodierte und zerbrach in tausende Einzelteile. Unter dem Aufgebot all seiner Magie schaffte es der Wächter sie vor der Druckwelle, der Hitze und den herumfliegenden Teilen zu bewahren. Er hatte eine kugelförmige Barriere, um sie herum geschaffen. Der Pilot war zu weit weg und sofort tot. Sein Körper wurde zerrissen und fiel mit dem Flugzeugteilen Richtung Erde.

Die Sphäre wurde aus dem Flugzeug katapultiert und schwebten mitten in der Luft.

Die drei anderen purzelten übereinander, während Isaak die Kugel steuerte und dabei angestrengt versuchte, sie zu schützen. Panisch schrien Jake und Bella und klammerten sich an Edward fest. Dieser schien fassungslos und legte reflexartig je einen Arm um die beiden.

Der Wächter hatte keine Zeit sich um sie zu kümmern. Sie schweben zu lassen kostete ihn zu viel Kraft. „Edward“, schrie der Rotblonde und ließ die Gruppe schnell zu Boden sinken. „Federe den Sturz für Bella und Jake ab.“

Er zitterte am ganzen Körper. Seine Kräfte waren fast aufgebraucht und er konnte die Magie nicht mehr aufrechterhalten. Die Kugel verschwand und sie stürzten im freien Fall Richtung Boden. Der Vampir schaltete blitzschnell und machte sich bereit die Menschen zu schützen. Kurz bevor sie aufschlugen, warf er beide entgegengesetzt der Fallrichtung von sich.

Isaak konnte sich zwar nicht mehr bewegen, aber er griff nach Jakes Geist und übernahm die Kontrolle über dessen Körper. Schnell griff der er mit dem Körper des Wolfsjungen nach Bella und warf sie ein zweites Mal in die Höhe. Dann krachten alle auf den Boden. Edward und Isaak schlugen wie Bomben ein, während Jake, gesteuert durch den Wächter, sich mit den Beinen abfing und die schreiende Dame auffing. Das war zu viel für die Beinknochen des Betas und sie brachen mit einem lauten Knacken.

Der Wolfsjunge sackte zusammen und benutzte seinen Körper, um Bella vor Schaden zu bewahren. Dann ließ der Rotblonde kraftlos los. Jake schrie auf vor Schmerz, presste aber weiterhin seine beste Freundin an sich.

Diese kreischte sich die Seele aus dem Leib und zitterte am ganzen Körper. Aus einem Sandhügel kämpfte sich Edward hervor. Er hatte einen Arm eingebüßt, war aber ansonsten unverletzt geblieben. So schnell er konnte, entwand er Jake die Frau, und zog sie in eine Umarmung. Bella war unverletzt aber schrie immer noch.

Jake wurde kreidebleich und blendete seine Schmerzen aus. Er musste zu Isaak. Er drehte sich mit einem Schmerzensschrei auf den Bauch. Mit den Armen krabbelte er auf seinen Freund zu, welcher reglos in dem zweiten Krater lag.

„Bleib liegen, Jake“, mahnte der Wächter. „Mir geht es gut. Ich kann mich nur nicht mehr bewegen.“

Der Wolfsjunge ignoriert diese Aussage und kämpfte sich verbissen Zentimeter um Zentimeter weiter vor.

„Jake, lass das. Wir sind noch nicht außer Gefahr. Sieh dich um. Bitte, sieh dich um“, flehte der Rotblonde und diesmal zeigten seine Worte Wirkung.

Noch immer panisch sah sich Jake um und schrie entsetzt: „Immer noch alles grau.“

„Ihr müsst fliehen, schnell. Edward soll dich tragen. Bitte, flieht“, schrie Isaak mental.

„Edward nimm Bella und renn“, rief der Beta dem Vampir zu. Dieser fackelte nicht lange, hob seine Verlobte hoch und rannte so schnell er konnte davon. Jake sah ihnen kurz nach, dann kroch er weiter auf seinen Freund zu.

„Bitte Jake, geh weg von mir“, flehte Isaak und Tränen strömten ihm über das Gesicht. „Rette dich.“

„Nein“, erwiderte der Wolfsjunge und robbte weiter. „Ich verlasse dich nicht.“ Dann war er am Ende mit seiner Kraft. Schweißüberströmt versagten ihm seine Arme den Dienst. Frustriert schrie er auf und streckte sich seinem Freund entgegen. Die Distanz war einfach zu groß.

Isaaks Augen waren in den Himmel gerichtet. Er sah eine zweite Langstreckenrakete auf sie zuschießen. „Ich liebe dich, Jake“, sagte er und legte all seine Gefühl für den anderen in seine Stimme. Er konnte nichts mehr machen. Das würden sie nicht überleben.

„Ich liebe dich auch“, schrie Jake verzweifelt zurück und griff in seiner Panik nach Isaaks Geist. Er drang in dessen Bewusstsein ein und sah nun ebenfalls die Rakete auf sie zufliegen. Es gab keine Hoffnung mehr. Mental lagen sich die beiden in den Armen. Der Beta weinte bittere Tränen und presste sich an Isaak. Dieser streichelte sanft seinen Rücken und flüsterte ihm beruhigend zu.

Es blieben nur noch Sekunden. „Verzeih mir, mein Wölfchen“, sagte der Wächter. „Vielleicht sehen wir uns in einem anderen Leben wieder.“

„Nein“, jammerte Jake. „Ich will nicht, dass es so endet. Ich will nicht von dir getrennt werden.“

In einem letzten Anflug der Verbundenheit ließen beide vollständig alle geistigen Barrieren fallen. Sie küssten sich in dieser Gedankenwelt und versuchten sich so nahe wie nur möglich aneinander zu schmiegen, damit sie nicht getrennt werden konnten. Aber Seelen konnten nicht auf diese Art miteinander interagieren. Es war immer eine gewisse Distanz zwischen ihnen. Eine Kraft, welche die Seelen voneinander abgrenzte und sie als Ganzes zusammenhielt.

Unter Aufbringung all ihrer Willenskraft kämpften sie gemeinsam gegen diese letzte Barriere, welche sie immer noch zu trennen vermochte. Durch ihre Anstrengungen öffnete sich ein winziger Spalt zwischen ihnen. Beide quetschten sich durch diese Ritze und ihre Seelen berührten sich.

Genau an dieser Stelle blitze es plötzlich auf und eine gewaltige Menge an Energie wurde freigesetzt. Sie wurden auseinander katapultiert und ihre Verbindung schien zum Zerreißen gespannt. Einen Moment waren beide gebannt von dem was da geschah. Dann griff Isaak nach dieser neuen Kraft und sie durchdrang jede Zelle seines Körpers.

Er streckte in der Gedankenwelt, wie auch in der Realität, den Arm aus und setzte alles in Magie um. Die Rakete hielt nur einen Zentimeter vor seiner Handfläche an und wackelte wütend hin und her. Dann explodierte sie und alles wurde in rote Flammen getaucht. Abermals erschuf der Wächter einen schützenden Kokon um sie beide.

Weder Hitze, Feuer, noch die Druckwelle konnte seine Barriere durchdringen. Jake schaute sich ängstlich um. Um sie herum wütete ein Flammenmeer. Dieses schien einen eigenen Willen zu haben und verhielt sich nicht wie normales Feuer. Es erlosch nicht und versuchte immer wieder zu ihnen zu gelangen, als wäre dies der Sinn seiner Existenz.

Dann stand Isaak auf und sah auf seine Hände. Bei dieser Bewegung verschob sich das Schutzschild und machte ihm Platz. Die Explosion musste zurückweichen. Mit dem „wahren Blick“ sah er die gewaltige Kraft durch seine Adern strömen. Seine Magie war mit einem Schlag vollständig wiederhergestellt.

Er achtete nicht auf das Flammenmeer, welches immer noch wütete und versuchte sie zu verschlingen. Dann ging er zu Jake und legte ihm eine Hand auf den Kopf. Ein Schmerz durchzuckte den Wolfsjungen, als seine Knochen in die richtige Position zurückkehrten. Er war vollständig geheilt und auch seine Kräfte kehrten zurück. Sofort sprang er auf die Beine und zog Isaak in eine enge Umarmung. Auch der andere legte die Arme um den Mann vor sich und sie pressten sich aneinander.

„Geht es dir gut?“, fragte Jake und schluchzte vor Freude, da er seinen Freund nun doch noch erreicht hatte.

„Beruhige dich, Wölfchen. Alles ist ok. Ich werde dich beschützen. Immer“, sagte der Wächter. Anschließend hob er eine Hand und mit einer weiteren Druckwelle bereitete er dem Spuk ein Ende. Die Flammen stoben auseinander und erloschen unter seiner Energie. Er richtete den Blick in den Himmel und sah ein kleines fliegendes Auge, welches sie beobachtete.

Mit einem Satz sprang der Wächter mehrere hundert Meter empor und schnappte sich das Auge, welches zu entkommen versuchte. Kaum hatte er es berührt, da zerfiel es zu Sand. Dieser kurze Kontakt hatte jedoch ausgereicht, um Erkenntnis zu erlangen. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er Zugang zu den Gedanken des menschlichen Magiers. Doch dieser wich sofort zurück, bevor der Wächter ihn angreifen konnte.

Isaak ließ den Sand durch seine Finger gleiten und dachte nach.

Plötzlich schrie Jake: „Bring uns wieder auf den Boden zurück.“

Der Wächter sah zu seinem Freund. Welcher sich panisch an ihn klammerte und die Augen zusammenpresste. Sie schweben immer noch hoch oben in der Luft. Isaak grinst und sagte: „Hab keine Angst. Ich würde dich niemals fallen lassen.“

„Bring uns Runter“, wimmerte der Wolfsjunge und wagte es nicht die Augen zu öffnen. Sie waren immer noch im Geiste verbunden und durch die Augen seines Freundes sah er schon viel zu viel. Er hatte zwar keine Höhenangst, aber mehrere hundert Meter in der Luft zu schweben war zu viel für ihn. Er brauchte einfach Kontakt mit einem festen Untergrund.

Isaak drehte den Kopf seines Freunde zu sich und gab ihm einen harten Kuss. Der Beta verlor sich in diesem Kuss und hatte das Gefühl zu fallen. Dann berührten seine Füße wieder festen Boden.

Jake löste sich körperlich, wie auch geistig von dem Rotblonden, und ging auf alle Viere. „Endlich wieder fester Boden“, stöhnte er erleichtert, grub die Finger in den rauen Sand und presste auch die Stirn auf den festen Untergrund.

In jenem Moment, in dem sich ihre geistige Bindung löste, verschwand die Kraft ihrer Verschmelzung fast vollständig und Isaak stieß ein erschrecktes „Oh“ aus. Dann landete auf dem Hintern. Der Kraftentzug hatte ihn umgehauen. Nun besaß er kaum mehr Magie als vor dem Flugzeugabsturz.

Sofort klebte Jake an ihm und warf ihn vollends zu Boden. „Alles ok bei dir?“, fragte der Beta und presste sich an seine Brust.

„Geht schon. Mein Wölfchen ist nur etwas umwerfend“, scherzte der Wächter und streichelte den anderen beruhigend.

Für den Spruch bekam er eine Stoß in die Rippen.

„Uh… ich meinte übergriffig.“

Ein weitere Rippenstoß.

„Ich gebe auf. Gnade“, flehte Isaak und hob die Hände.

Jake verdrehte die Augen und stand auf. Anschließend zog er auch den anderen auf die Beine. Sie sahen sich tief in die Augen. Sie konnten nicht anders und umarmten sich. Sie klammerten sich aneinander und keiner von ihnen wollte jemals mehr loslassen.

Beide schlossen die Augen und sogen gierig den Geruch des anderen ein. Langsam beruhigten sie sich. Dann sagte Isaak: „Fürs erste sind wir außer Gefahr. Entschuldige, dass ich deinen Körper übernommen habe. Ich musste Bella retten und deinen Sturz abfangen.“

„Schon gut“, murmelte Jake und fügte hinzu: „Du hast uns alle gerettet, dafür danke ich dir.“

„Komm, lass uns nach den anderen sehen.“

„Ja. Wir sollten den Blutsauger einfangen, bevor er bis zum Nordpol rennt“, bestätigte der Beta.

Beide seufzten laut und gaben einander frei. Sofort schnappte sich Jake die Hand seines Freundes und drückte zu. Er brauchte das jetzt. Viel zu tief saß ihm noch der Schock in den Knochen. Mit einem prüfenden Blick stellte er fest, dass der Rotblonde nichts abbekommen hatte. Wären seine Klamotten nicht an einigen Stellen aufgerissen gewesen, niemand hätte geahnt, dass überhaupt etwas passiert war.

„Die beiden sind hinter der Düne da“, sagte Isaak und deutete auf einen Sandhügel. Jake sah dort hin und ließ dann den Blick schweifen. Offenbar waren sie mitten in einer Wüste. Überall um sie herum war nichts als Sand zu sehen. Strahlendes Sonnenlicht blendete ihn plötzlich und er spürte die Hitze um sie herum.

Genau in dem Moment streckte auch besagter Vampir den Kopf über den Kuppe und starrte die beiden verdattert an.

Isaak hob eine Hand und winkte ihn zu sich. Wenige Sekunden später waren die beiden anderen auch schon wieder bei ihnen.

Bella war immer noch kreidebleich, hatte aber mittlerweile aufgehört zu schreien. Edward glitzerte im strahlenden Sonnenlicht wie ein Kristall mit unendlich vielen Fassetten.

„Hast du eine Ahnung wo dein Arm abgeblieben ist?“, fragte der Wächter und sah sich suchend um.

Erst jetzt bemerkte Jake, dass da was fehlte und er wurde erneut leicht blass. Er konnte den Vampir zwar immer noch nicht wirklich ausstehen, aber er hatte Bella und ihm das Leben gerettet, indem er sie hochgeschleudert hatte. Andernfalls wären die beiden Menschen jetzt nur noch unförmige Klumpen am Boden.

Edward sah zu dem Krater, der durch seine Landung entstanden war und sagte: „Er müsste hier irgendwo in er Nähe sein. Oder er ist verbrannt bei dieser Explosion.“ Der Blutsauger schüttelte den Kopf und seine nächsten Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus: „Wie habt ihr das überlebt? Was war das für ein seltsames Feuer? Wo kommt die Rakete her? Wer hat uns da angegriffen? Warum…“

Weiter kam er nicht, weil Isaak ihm einem Finger auf die Lippen legte und sagte: „Ich muss erst über alles nachdenken und es gibt gerade Wichtigeres.“ Dann zog er seine Hand zurück und legte diese auf Bellas Kopf.

Kurz konzentrierte sich Isaak und drang in die Gedanken der jungen Dame ein. Er nahm ihr die Angst und löste ihren Verstand aus der Starre. Bella blinzelte und klammerte sich an Edward. Dieser war einen Augenblick perplex. Dann schob er sie eine Armlänge von sich und sah sie eindringlich an. „Geht es dir gut Schatz?“

„Ich glaube schon. Isaak hat mir offenbar meine Angst genommen“, sagte sie und strahlte ihren Verlobten an. Aber an diesem Bild stimmte etwas nicht. Seine Kleidung hatte einiges abbekommen und war an einigen Stellen aufgerissen. Seine Haut war makellos, wie immer. Ihre Gesichtszüge entglitten ihr, als sie auf die Stelle sah, wo ein Arm fehlte.

„Oh Gott“, begann sie und bekam eine leichte, fast zärtliche Kopfnuss vom Wächter.

„Bleib ruhig. Meine Magie ist begrenzt. Ich kann nicht andauernd in deinen Kopf eindringen und wieder alles in Ordnung bringen.“

Augenblicklich hatte der Rotblonde auch schon eine Hand an der Kehle und ein wutschnaubender, schwarzäugiger Vampir fauchte ihn an. Dafür bekam der Blutsauger ebenfalls eine Kopfnuss. Bei ihm setzte er allerdings so viel Kraft ein, dass dieser in die Knie ging und sich schmerzerfüllt den Kopf rieb.

Dann wandte er sich wieder an die schockierte Frau und sagte beruhigend: „Edward wird wieder. Er ist ein Vampir. Den Arm können wir einfach wieder anbringen.“

„Du hast ihn geschlagen?“, schrie Bella den Mann an und hob drohend die Fäuste.

„Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihm auch den zweiten Arm abgeschlagen? Du vergisst meine Warnung“, tadelte der Wächter.

Sie verstand nur Bahnhof und schüttelte ungläubig den Kopf. Ihr Freund, welcher sich wieder beruhigt hatte, erklärte: „Nachdem er deine Hand geheilt hat, bei uns zu Hause, bevor wir Jake eingefangen hatten, da hat er uns doch gedroht: Ich bin nicht hier, um zu kämpfen, aber der Nächste, der meint mich begrapschen zu müssen, wird das bereuen. Seid gewarnt!“

„Ja, genau das meinte ich. Ich stehe zu meinem Wort“, grinste der Rotblonde heimtückisch. Dann, als wäre nichts gewesen, streckte er Edward die Hand entgegen und dieser ließ sich hochziehen. Er grinste den Blutsauger frech an und verkündete: „Schade, dass Vampire keine Beulen bekommen können. Dann hättest du wenigstes ein Andenken für deinen Fehler.“

Edward verengte die Augen, sagte aber nichts dazu. In dem Moment tauchte Jake neben ihnen auf und hielt, weit von sich gestreckt, den verlorenen Arm. „Der bewegt sich ja noch“, sagte er angewidert.

Der Beta hielt Edward dessen zappelnde Gliedmaße entgegen. Dieser nahm den Arm und leckte über die Bruchstelle.

„Boar ist das abartig. Ich kotz gleich“, beschwerte sich Jake und wandte sich rasch ab.

„Das Vampirgift im Speichel ist ein gutes Bindemittel und eignet sich hervorragend, um verlorene Glieder wieder anzubringen“, erklärte Isaak und sah dem Vampir interessiert zu.

Als alles mit seinem Gift durchtränkt war, drückte er sich den Arm auf die Bruchstelle an seiner Schulter. Es knirschte laut. Zudem hörte seine gesamte Haut augenblicklich auf zu glitzern. Die magische Armkette hing immer noch an dem abgetrennten Arm.

„Ok, das ist mir echt zu viel“, gestand Jake, der kurz hingesehen hatte. Dann musste er würgen und übergab sich.

Auch Bella drehte sich der Magen um, aber sie konnte den Blick einfach nicht abwenden. Edward hingegen drehte noch ein wenig am Arm, bis er die richtige Position hatte. Dann ließ er los und sah auf seine leblosen Finger. Der Zeigefinger zuckte ein winziges bisschen. Er nickte und sagte: „In einer Stunde ist alles wieder beim Alten.“

„So lange habe ich nicht vor zu warten“, erklärte Isaak und trat vor. Er legte eine Hand auf die Bruchstelle und Edward zischte vor Schmerz, als sich alle Nervenbahnen miteinander verbanden.

Ungläubig hob er den Arm ein wenig. Er öffnete und schloss die Finger.

„Normalerweise, sagte man danke“, beschwerte sich der Wächter mit einem Grinsen. Sein Blick lag allerdings auf Jake. Sofort war er bei diesem und tätschelte ihm mitfühlend den Rücken.

Nachdem der Wolfsjunge seinen gesamten Mageninhalt losgeworden war spuckte er in den heißen Sand und sah unglücklich auf: „Du hast nicht zufällig etwas Wasser dabei?“

Isaak grinste und stand auf. Er lief einen Meter weit weg, ging in die Knie und legte eine Hand auf den Boden. Dann konzentrierte er sich und unter seinen Fingern sprudelte auf einmal Wasser hervor. Dieses sammelte sich zu einer kleinen Pfütze.

„Bitte schön“, sagte der Wächter und atmete schwer. „Spül dir den Mund aus und dann trink. Du auch, Bella. Wir sind mitten in der Wüste ihr beide braucht Wasser, damit ihr nicht austrocknet.“

Jake ließ seiner besten Freundin den Vortritt, welche von dem Vampir quasi gezwungen wurde zu trinken. Dann bediente sich auch der Beta. Durch ihre Verbindung spürte er wie anstrengend es für Isaak war, das Wasser aus dem Boden zu ziehen und er verschwendete möglichst wenig davon.

Bella hatte sich mittlerweile wieder gefangen und fragte mit zittriger Stimme: „Was war das gerade? Wie haben wir das überlebt? Warum…“

Isaak ließ seine Magie verebben und hob die Hand, damit die Frau schwieg. „Später.“ Er sah nachdenklich in die sengende Sonne, während die Pfütze im Sand austrocknete. Es war erst Morgen und die Temperatur um sie herum würde rasch steigen.

Die Wüste Gobi

Dann schloss der Wächter die Augen und sandte seinen Geist aus. Zufrieden nickte er. „Wir sollten uns beeilen. Der Flugzeugabsturz wird nicht lange unbemerkt bleiben. Ich werde schnell nachsehen, ob noch etwas Brauchbares an der Absturzstelle ist. Zudem werde ich unsere Spuren verwischen“, sagte Isaak.

Anschließend wandte er sich an den Vampir: „Edward, nimm Bella auf den Rücken und lauf in diese Richtung.“ Er deutete nach Südsüdwesten. „Mit deiner Vampirgeschwindigkeit solltet ihr in etwa zwei Stunden eine Oase erreichen. Wir holen euch dann später ein. Bella muss im Schatten sein, bevor die Sonne den Zenit erreicht. Sonst läuft sie Gefahr einen Hitzschlag zu erleiden.“

„Was, wenn uns jemand sieht?“, fragte die junge Dame, während sie auf den Rücken ihres Freundes sprang.

„Außer uns gibt es keine Menschenseele im Umkreis von einhundert Kilometern. Also keine Angst“, erwiderte Isaak und sah wieder zur Sonne. „Edward, los jetzt. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster.“

Der Vampir drehte sich in die gezeigte Richtung und rannte los. Sie wartete kurz, bis die beiden anderen hinter einer großen Düne verschwanden, bevor Jake dem Wächter auf den Rücken sprang. Augenblicklich setze dieser sich in Bewegung und sie rauschten in die entgegengesetzte Richtung davon.

Am Wrack angekommen stieg der Wolfsjunge nur widerwillig ab. Er hätte sich gerne noch länger an den anderen gepresst, dessen Duft eingesogen und ihn geärgert. Sanft hatte er seinem Freund immer wieder in den Hals gebissen und anschließend darüber geleckt. Er wusste, dass das der falsche Zeitpunkt für sowas war, aber er konnte sich einfach nicht mehr zurückhalten. Klaglos hatte Isaak es sich gefallen lassen. Ihm ging aber derzeit zu viel durch den Kopf, als dass er es wirklich hätte genießen können.

Die Einzelteile des Flugzeugs waren weit verstreut und sie teilten sich auf, um schneller zu sein. Zu ihrem Leidwesen stellten sie schnell fest, dass weder die Koffer, noch deren Inhalt, überlebt hatten. Nur wenig konnten sie bergen. Zwei kleine, verbeulte Metallflaschen, sowie eine einigermaßen brauchbare Decke und eine kleine Sporttasche. Letztere schien dem Piloten gehört zu haben. Darin war lediglich ein orthopädisches Kopfkissen. Isaak warf dieses achtlos weg und verstaute ihre Fundsachen in der Tasche.

Dann sah er zu seinem Freund. „Wolf oder Huckepack?“

Zu gerne hätte Jake da weitergemacht, wo er eben aufgehört hatte, aber er wollte auch endlich wieder als Wolf umherrennen. Außerdem wäre ihm Huckepack dann doch zu peinlich gewesen. Als Mensch konnte er nicht mit Edward mithalten und würde dann die gesamte Strecke auf dem Rücken seines Freundes bleiben müssen. Allein bei dem Gedanken an das dreckige Grinsen des Blutsaugers musste er bereits knurren.

„Ok, dann pack deine Sachen in die Tasche, bevor du dich verwandelst. Wir haben schon wieder keine Wechselkleidung “, grinste der Wächter.

Jake zuckte mit dem Schultern; dieses Problem war nichts neues für ihn. Schnell entledigte er sich seiner Klamotten und sah genau, dass sein Freund ihn anschmachtete. Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht ging er langsam auf Isaak zu und raubte diesem einen verlangenden Zungenkuss.

Wieder musste der Rotblonde die Stimme der Vernunft sein und den Kuss beenden. Jake hatte doch tatsächlich versucht ihn langsam auszuziehen. „Bösen Wölfchen“, flötete Isaak und schubste den anderen neckend von sich. „Nicht hier. Nicht jetzt. Denk an Bella.“

Jake aber wollte nicht an seine beste Freundin denken. Er wollte weitermachen. Mit einem theatralischen Seufzen ließ er sein Vorhaben fallen und verwandelte sich. Als Wolf streckte er kurz die Glieder und spürte schlagartig die Hitze der Sonne. Er war diese Wärme nicht gewohnt. Sein Fell schützte ihn zwar vor den Sonnenstrahlen, wärmte sich aber zusehends auf. Hätte er nicht eine so hohe Körpertemperatur gehabt, er wäre in der Hitze eingegangen wie eine Primel.

Zudem stach ihm die Helligkeit in seinen Augen. Das Licht wurde durch den hellen Sand reflektiert und machte ihn einen Augenblick lang fast blind. Eine solche Umgebung war er einfach nicht gewohnt. Er vermisste seine Wälder und den Regen. Der war immer so angenehm kühlend.

Isaak zog sich schnell seine Schuhe und Socken aus und förderte einiges an Sand zu Tage. Zusammen mit Jakes Klamotten verstaute er alles in der Tasche und warf wieder einen Blick hoch zur Sonne. Sie sollten sich beeilen.

Dann rannten beide los. Als sie nebeneinander herhetzten fragte Jake scherzhaft: „Soll ich dich diesmal Huckepack nehmen?“

Mitten in der Bewegung sprang Isaak ihm auf den Rücken und schmiegte sich an sein heißes Fell.

„Hey, das war ein Scherz!“, maulte der Wolf.

Der Wächter lachte und erwiderte: „Du hast es mir angeboten, leb damit.“

Jake knurrte und dachte daran den Mann abzuwerfen. Immerhin war er doch kein Pferd. Dann ließ er seine Gedanken schweifen und dachte daran, dass er nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn Isaak auf ihm ritt, wenn er als Mensch auf dem Rücken lag. Dieses Bild hatte schon was für sich.

„Du bist schlimm, Wölfchen. Hast du deine Meinung so schnell geändert? Bist du wirklich schon bereit diesen Schritt zu gehen?“, fragte der Wächter mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

„Ja“, gestand Jake und war froh, dass er als Wolf nicht rot werden konnte. „Ich will dir so nahe sein wie nur möglich. Ich will mit dir schlafen und dich vollkommen in Besitz nehmen.“

Verlegen verstummte er. War er zu weit gegangen? Seine Worte waren doch schon sehr besitzergreifend. Er hoffte dem anderen keine Angst eingejagt zu haben und bekam ein schlechtes Gewissen.

Das Grinsen seines Freundes gefror und dieser dachte einen Augenblick nach. Dann sagte er: „Ich bin dein und du bist mein. Bist du aber auch bereit, die daraus entstehenden Konsequenzen zu tragen? Vergiss nicht, wenn du diesen Weg beschreitest, werde ich den Spieß irgendwann umdrehen.“

Erst war Jake erleichtert, dass er den Bogen nicht überspannt hatte. In manchen Dingen verstanden sie sich blind, auf eine Art und Weise, die fast schon unheimlich war. Das gefiel ihm auch und er machte einen Freudensprung von der Spitze einer Sanddüne aus. Dann dachte er aber daran den passiven Part einzunehmen. Konnte er sich das überhaupt vorstellen? War er bereit dafür seinen Hintern hinzuhalten? Ob es sehr weh tun würde?

„Ach, Jake“, seufzte der Rotblonde schwer. „Du bist noch durcheinander von unserem Absturz. Zudem bist du erst sechzehn. Lass dir doch Zeit. Du musst mir nichts beweisen. Ich kann warten. Das verspreche ich dir.“

„Ich will es aber. Und lass mein Alter da raus. Ich bin ein Wolf, da gelten andere Regeln“, sagte der Beta und blieb bei seiner Meinung. Er war sich zwar nicht sicher, ob er gerne passiv sein wollte, aber wenn das der Preis war, dann würde er nicht den Schwanz einziehen und kneifen.

Plötzlich machte er einen Gedankensprung und riss entsetzt die Augen auf. Sein Plus schnellte nach oben und sein ganzer Körper begann zu beben. Was war er eigentlich für ein selbstsüchtiges Arschloch? Er hatte Angst, dass Isaak ihm weh tun könnte, verschwendete aber keinen einzigen Gedachten daran, dass es umgekehrt doch genau so war. Er würde seinem Freund Schmerzen zufügen.

Unbewusst drängte sich das Bild aus Isaaks Kindheit in seinen Geist. Wie er sich, als kleiner Junge, schreiend vor Angst und Schmerz, unter seinem Vater wand und ihm doch nicht entkommen konnte. Tränen schossen ihm in die Augen. Wie konnte er es auch nur in Betracht ziehen dem anderen sowas anzutun?

Isaak war einen Moment erschrocken ob der Richtung, in welche die Gedanken des Wolfes gingen. Schnell fuhr er ihm beruhigend durchs Fell und entschied sich dazu Jake diesen Zahn zu ziehen. Er sollte das mit Respekt betrachten, aber doch keine Angst haben. Dann sagte er mit fester Stimme: „Jake, stopp. Halt an.“

Der Beta legte eine Vollbremsung und warf seinen Reiter dabei aus Versehen ab. Isaak flog einen Augenblick durch die Luft und verdrehte die Augen. Das war ja mal wieder typisch für den Gestaltwandler. Mit einer leichten Drehung korrigierte er seine Flugbahn und kam mit den Füßen auf dem Sand auf. Er schlitterte einige Meter weit, behielt den Wolf dabei aber genau im Blick.

Seine Gedankenlosigkeit regte den Beta noch mehr auf und er sah schnell weg. Warum nur war er so ein Monster? Wie konnte er nur annehmen, dass sich für ihn jemals alles zum Guten wenden würde?

Sofort stand Isaak vor seinem Freund und nahm den gewaltigen Wolfskopf in seine Hände. Er zwang diesen ihm in die Augen zu sehen. Der Wächter schenkte dem anderen ein bezauberndes Lächeln und legte so viel Zuneigung wie nur möglich in seinen Blick. Er musste dieses Spirale augenblicklich durchbrechen.

„Es tut sehr weh, jedenfalls so, wie mein Vater das mit mir gemacht hat. Es ist so als ob du innerlich zerrissen werden würdest. So muss es aber nicht sein“, begann der Wächter langsam und bedächtig.

„Ich habe es selbst nie erlebt, aber ich habe in viele Köpfe gesehen und auch ihre Emotionen vernommen. Man sollte sich gut vorbereiten und versuchen sich zu entspannen, sonst kann es zur Qual werden, das stimmt. Wenn man sich aber fallen lassen kann, wird der Schmerz schnell zur Lust und stachelt einen umso mehr an.

Hat man sich aber erst daran gewöhnt so gedehnt zu werden, geht es viel leichter. Dann ist es etwas Wundervolles. Ein willkommener Schmerz. Sieh es, wie bei einem Biss in den Hals. Wenn man zu grob dabei ist, dann ist es reiner Schmerz, der einem die Lust rauben wird. Man muss das richtige Maß finden. Dann steigert es die Begierde ins Unermessliche. Glaubst du, es gäbe so viele Schwule, wenn es immer eine Tortur wäre?“

„Ich weiß es nicht. Ich kenne mich da nicht aus. Ich will dir aber auf keinen Fall weh tun. Tut mir leid, dass ich dich so bedrängt habe“, gab der Wolf kleinlaut zu und eine weitere Träne löste sich.

„Jake, um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Du wirst mir keine Schmerzen bereiten“, sagte Isaak und in seinen Augen konnte der andere die Entschlossenheit erkennen. „Ich vertraue dir und ich werde dir helfen wo immer ich kann. Ich kann es kaum erwarten von dir genommen zu werden. Auch wenn ich quasi noch Jungfrau bin, weiß ich, dass es mir mit dir gefallen wird. Bisher konnte ich mir nie vorstellen, es in die Tat umzusetzen. Zu groß war mein Angst vor dem Schmerz. Aber du wirst mir nicht weh tun. Du wirst behutsam sein, bis ich bereit bin.“

Der Wächter wurde rot im Gesicht und gab zu: „Und dann will ich, dass du mich so hart nimmst, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich will, dass du in völliger Ektase wild wirst, zügellos. Das wünsche ich mir.“ Verlegen brach er ab, behielt aber den Blickkontakt aufrecht.

„Aber, der Schmerz…“

„Du wirst mir nicht weh tun.“

„Aber, ich…“

„Ich vertraue dir voll und ganz in dieser Hinsicht. Du wirst meine Meinung nicht ändern. Ich existiere seit fast 2.500 Jahren. Ich weiß, wovon ich rede. Auch wenn ich es könnte, ich würde mich niemand anderem hingeben. Ich weiß es einfach. Ich liebe dich und du mich“, sagte Isaak und diesmal glaubte Jake ihm. Es beruhigte ihn ungemein. All seine Zweifel konnte es zwar nicht ausräumen, aber er wollte sich dieses Vertrauens würdig beweisen.

Dann küsste der Wächter seine Wolfslippen. Der Beta war irritiert. Es hätte sich sowas nie vorgestellt. Als Wolf geküsst zu werden. Das war sehr seltsam. Wölfe taten so was nicht. Sie hatten andere Eigenarten. Er wollte den Kuss erwidern, aber als Wolf ging das nicht. Seine Lippen waren dazu nicht in der Lage. Also öffnete er sein Maul und leckte mit seiner langen Zunge über das Gesicht des Wächters.

Isaak trat einen Schritt zurück und lachte. Erst dann wischt er sich den Sabber ab. „Du bist unglaublich, Wölfchen.“

Da sein Freund nicht sauer war, hätte dieser das bei ihm getan, er wäre stocksauer gewesen, stupste er ihn um und legte seinen Kopf auf den Wächter. Der Wolfsschädel war so gewaltig, dass er locker den halben Körper seines Freundes bedecken konnte.

Der Rotblonde stemmte sich auf die Ellbogen und sah ihm tief in die Augen. Dann begann er ihn mit einer Hand zu kraulen. Wohlig brummte Jake auf. Gedankenverloren sahen sie sich weiter an. Beide brauchten dieses zärtliche Zwischenspiel gerade. Ihre Gefühle waren einfach zu stark aufgewühlt.

Mit einem Seufzen stand Jake auf und fast augenblicklich saß sein Freund wieder auf ihm. Dann setzten sie ihren Weg fort.

„Wenn du wirklich bereit bist weiter zu gehen, dann lass uns doch zuerst was anderes versuchen“, schlug Isaak nach einigen Minuten zaghaft vor. „Wir müssen doch nicht gleich in die Vollen gehen. Lass uns langsam anfangen.“

Jake dachte kurz nach und fragte: „An was denkst du dabei? Was willst du versuchen?“

Anstelle einer Antwort zeigte Isaak es ihm mit Bildern. Er sah, wie ihn der andere mit der Hand verwöhnte, dann mit dem Mund.

„Das würdest du tun?“, wollte Jake aufgeregt wissen. Allein bei dieser Vorstellung geriet sein Blut auf Abwege.

Dann drehte Isaak den Spieß um und zeigte die Bilder mit vertauschten Positionen.

Der Wolf schluckte und er schüttelte sich. Da war ja was. Die Gleichberechtigung. Wollte er das aber? Konnte er das harte Glied eines anderen Mannes anfassen? Ja, dass würde schon irgendwie gehen, glaubte er. Aber wie sähe es mit einem Blowjob aus? Das war schon schwieriger zu beantworten. Das harte Fleisch eines Mannes in den Mund zu nehmen, daran zu saugen und zu lecken, das war überhaupt nicht erregend. Das war eklig und abartig.

„Lass dir Zeit, Wölfchen“, sagte der Wächter mit einem leisen traurigen Unterton.

Jake hörte es dennoch und stellte sich nicht irgendeinen konturlosen Mann vor, sondern Isaak. Er hatte diesen nackt gesehen und auch schon erregt. Er rief sich dieses Bild ins Gedächtnis. Wie sein Freund auf ihm gesessen hatte. Er änderte dieses Bild ein wenig. Mit lustverhangenen Augen und vor Ekstase stöhnend, bockte sich dieser ihm entgegen, während er dessen Erregung in den Mund nahm. Der Ekel verschwand augenblicklich. Wieder mal musste er einsehen, dass Isaak eine Ausnahme darstellte. Allein die Vorstellung, ihm solche Laute entlocken zu können, erregte ihn abermals.

„Du siehst mich mit einer rosaroten Brille“, mahnte der Rotblond sanft.

„Ist mir egal. Ich will es wenigstens versuchen. Also sage ich ja und nehme deinen Vorschlag an“, verkündete der Wolf und wedelte unbewusst mit dem Schweif.

Isaak sah das und schüttelte den Kopf. Dann gab er nach und sagte: „Okay, aber nicht jetzt und auch nicht in den nächsten Stunden. Wir haben echt andere Sorgen im Moment.“

„Ja, ich weiß“, sagte Jake. Er konnte sich von dieser Vorstellung aber nicht loseisen. Zu gerne würde er den andern jetzt abwerfen und es sofort in die Tat umsetzen. Wenn er sich mal entschieden hatte, dann fackelte er nicht lange. Dann nahm er plötzlich Edwards süßen Geruch wahr. Augenblicklich war seine Lust verschwunden. Ein Vampir war der reinste Abturner.

Isaak sackte plötzlich etwas zusammen und klammerte sich ohne Bewusstsein an ihm fest. Panisch griff er nach dem Geist des anderen und wäre fast über seine Pfoten gestolpert. Dann verdrehte der Wolf die Augen. Sein Freund meditierte, um besser nachdenken zu können. Er schwor sich, ihn mal auf dieses Thema anzusprechen. Isaak hätte ihn wenigstens kurz vorher warnen können.

Schnell beruhigte sich sein Puls wieder und er folgte dem Gestank des Vampirs.
 

Wenig später hatte er die zwei anderen eingeholt. Edward warf ihnen einen Blick zu und fragte irritiert: „Was ist mit Isaak?“

Jake schnaubte. Dann öffnete er sich ein wenig, so, dass der andere seine Gedanken hören konnte. „Es geht ihm gut. Er denkt nur nach. Wie geht es Bella?“

Schnell sah der Wolf auf die junge Dame. Ihre Wangen waren leicht gerötet und sie atmete schwer. Die blasse Haut glänzte vor Schweiß und sie klebte wie eine Nacktschnecke am Vampir. Ihre Bluse hatte aber nur wenige Flecken. Durch die erbarmungslosen Sonnenstrahlen verdunstete das Wasser fast so schnell, wie es aus ihr herausfloss. Die kalte Haut ihres Freundes war wohl das Einzige, das ihr Linderung verschaffte und die Temperatur auf einem erträglichen Niveau hielt. Dennoch spürte Bella, wie ihr Denken immer schwerer wurde und sie nicht mehr viel mitbekam. Es fühlte sich an, als würde sie in einem Backofen stecken. Auch die um sie wirbelnde Luft durch Edwards rasches Tempo konnte sie nicht kühlen.

„Wir müssen uns beeilen“, sagte der Blutsauger. „Ihre Körpertemperatur erhöht sich, ich kann es spüren. Zudem steigt die Sonne immer noch. Es wird bald noch heißer sein.“

Dann warf er einen Blick auf den Wächter und fragte flehend: „Kannst du Isaak bitten einen Zauber um sie zu sprechen? Er kann auch verlangen, was er will.“

„Nein, er ist im Moment am Meditieren. Ich habe es versucht, aber er nimmt mich nicht wahr“, sagte der Wolf traurig. „Außerdem glaube ich, dass das keine so gute Idee ist. Er braucht seine Kräfte, um uns zu verteidigen, falls dieser Magier wieder angreift.“

„Also war es tatsächlich dieser Magier, der uns die Raketen auf den Hals gehetzt hat?“, empörte sich der Vampir.

„Ich nehme mal an. Sonst hätte Isaak diese früher bemerkt und aufhalten können. So viel verstehe ich mittlerweile zumindest“, gestand der Beta und warf den beiden anderen abermals einen Blick zu.

„Ich sage das zwar recht ungern, aber ich habe eine Idee. Halt mal an“, dachte Jake und der Vampir fügte sich.

„In der Tasche ist eine Decke, wirf ihr die über. Das sollte sie ein wenig vor den Sonnenstrahlen schützen. Zudem…“, er verstummte und knurrte.

„Zudem?“, fragte Edward und wartete.

„Zieh dein Hemd aus und ihr die Bluse und den Rock. Deine kalte Haut ist zur Abwechslung mal für etwas zu gebrauchen. Kühl sie“, sagte der Beta und knurrte abermals. Schnell verschloss er seinen Geist. Dann gab er sich seinen Gedanken hin.

Er hatte den beiden zwar seinen Segen gegeben, konnte aber seine Instinkte nicht völlig unterdrücken. Für ihn war sie wie eine kleine Schwester und er wollte nur, dass es ihr gut ging. Dennoch mochte er die Vampire nicht besonders und schon gar nicht diesen einen. Er wusste, was Edward ihr noch antun würde. Auch wenn sie es war, die unbedingt Sex wollte.

Renesmee musste geboren werden, dass wusste er. Schuldgefühle brauchte er sich aber keine zu machen, immerhin wäre er, ohne Isaaks Eingreifen, noch wesentlich feindseliger zu dem Blutsauger gewesen. Das hatte ihm sein Freund ja auch gezeigt.

Edward grinste süffisant. „Das erinnert mich an…“

„Ja, ja. Schon klar. Mach einfach“, knurrte Jake und sah weg. Das mitanzusehen wäre dann doch zu viel geworden. Außerdem wollte er nicht in Bellas Privatsphäre eindringen. Das gehörte sich nicht als großer Bruder.

„So siehst du dich mittlerweile?“, fragte der Vampir, während dieser sanft versuchte, den Klammergriff seiner Freundin zu lösen.

„Ja“, bestätigte der Beta und schalte sich selbst, weil er vergessen hatte, seine Gedanken abzuschirmen.

„Das war mal ganz anders“, sagte Edward und es gab ein schmatzendes Geräusch, als hätte er einen feuchten Saugnapf entfernt.

Jake schüttelte sich bei diesem Gedanken. Dann antwortete er: „Ich bin gebunden. Sei dir aber sicher, ich werde sie immer beschützen. Egal, gegen wen und was.“

Der Vampir seufzte und erwiderte: „Einen besseren Bruder könnte sie nicht haben. Du bist stark und kannst sie beschützen. Ich bin dir dankbar, Jacob.“

Dann zog er sich und auch Bella einige Teile aus. Die junge Frau war schon fast vollständig weggetreten und bekam kaum noch was mit. Schnell nahm er sie wieder auf den Rücken und sie presste sich reflexartig an den kühlenden Körper.

Anschließend zog er umständlich die dünne Decke aus der Tasche und stopfte ihre Kleidung hinein. Es war etwas schwierig das hinzubekommen. Der Wächter hatte beide Schlaufen in der Hand und ließ einfach nicht los.

Jake versuchte es sogar, mit einem mentalen Befehl, aber Isaaks Körper reagierte nicht. Offenbar musste er dafür mit seiner Stimme sprechen. Er war sich aber sicher, wenn er sich jetzt zurückverwandelte, würde sein Freund auch weiterhin auf seinem Rücken kleben. Zudem wollte er nicht nackt vor dem Vampir rumlaufen, wenn es nicht sein musste. Also wartete er geduldig, bis der Blutsauger das allein hinbekam.

Dann setzten sie ihre Reise fort. Der direkte Hautkontakt kühlte Bella ab und ohne die direkten Sonnenstrahlen wachte sie langsam aus ihrer Trance auf. Als sie dann bemerkte, dass sie kaum mehr etwas anhatte und Edward zudem oberkörperfrei war, schrie sie kurz und spitz auf: „Was ist denn hier los?“

„Bleib ruhig, Liebste. Ich musste dich kühlen. Es war Jakes Idee“, feixte der Blutsauger und spürte, wie die junge Dame sich bewegte und die Decke neu arrangierte. Dann sah sie sich mit fast zugekniffenen Augen um. Es war so hell. Heißer Wüstenwind drang an ihre Haut und sie drückte sich stärker an ihren niemals wärmer werdenden Freund.

„Wo ist er?“, frage sie als sie den anderen nicht finden konnte.

„Rechts von uns“, meinte Edward und sie sah auf die entsprechende Seite.

Dann erblickte sie ihren besten Freund. Dieser hechelte mittlerweile schwer und seine Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul. So langsam war ihm auch recht warm unter seinem rotbraunen Fell.

„Jake“, sagte sie entsetzt. „Wie kannst du bei der Hitze auch noch als Wolf rumrennen?“

„Er sagte, dass es schon geht“, übersetzte der Vampir. „Wir sind auch gleich bei der Oase, dass glauben wir beide jedenfalls. Wir können Wasser und Pflanzen riechen.“

„Oh, na dann“, sagte sie und griff sich in ihr Gesicht. „Autsch.“

„Was ist los Bella?“, fragte Edward besorgt.

„Nichts. Ich glaube nur, ich habe einen schlimmen Sonnenbrand“, erklärte sie und tastete ihr Gesicht ab. Die Haut war heiß und gespannt.

Dann zog sie die Decke wieder komplett über sich und drückte ihre brennende Stirn an den Hals des Vampirs. „Ah“, stöhnte sie erleichtert auf, als die Kühle ihrer Haut Linderung verschaffte. „Mein persönlicher Kühlakku“, brabbelte sie erleichtert.

„Immer gerne“, sagte Edward und setzte hinzu: „Endlich ist meine kalte Haut auch mal zu was nütze.“

Der Wolf knurrte und der Vampir fügte schnell hinzu: „Wie gesagt, Jake kam auf die Idee und er hat das auch gesagt.“

Die Sonne hatte fast den Zenit erreicht, als sie endlich bei der Oase ankamen. Ein schönes Fleckchen Erde war das hier. In der Mitte war, wie in einem Film, ein ovales Wasserloch. Drum herum ein wenig Gras und es gab einige Palmen. Zudem lag das Areal in einer Senke und war so vor dem meisten Wind geschützt.

Völlig erschöpft sprang Jake einfach gedankenlos in das Wasser. Dann hörte er hinter sich ein Prusten und ihm fiel wieder ein, dass er ja seinen Freund auf dem Rücken hatte.

Dieser hustete und gab ihm eine Kopfnuss. „Wolltest du mich ertränken, Wölfchen?“

„Tut mir leid, die Hitze hat mir den Verstand vernebelt“, dachte der Beta reuevoll.

Neben ihnen gab es ein Klatschen und beiden wurde Wasser ins Gesicht gespritzt. Dann tauche Edward mit Bella auf dem Rücken auf. Die junge Dame war noch immer in die Decke gehüllt, welche sich nun eng an sie schmiegte. Wohlig stöhnte sie auf: „Hier bleibe ich jetzt.“

Das Wasserloch war nicht allzu tief. Edward konnte gerade noch so stehen und ihre Köpfe über Wasser halten.

Isaak verdrehte die Augen und löste sich von dem Wolf. Dieser verwandelte sich zurück und klebte sofort wieder an seinem Freund. „Du bleibst schön bei mir“, knurrte Jake und raubte sich verlangend einen harten Kuss.

Als Strafe für diesen Überfall, drückte der Wächter den Kopf des anderen unter Wasser. Das war der Startschuss für eine hitzige Wasserschlacht. Auch die anderen beiden bekamen etwas ab und schlugen sich dann auf Jakes Seite. Somit wurde der Kampf ausgeglichener und sie drängten den Wächter allmählich in die Defensive.

Dann funkelte es in den blauen Augen und Jake sagte: „Oh, oh…“

Da wurden die drei auch schon von einer großen, sich aufbäumenden Welle erfasst und an Land gespült. Mit einer feierlichen Unschuldsmiene stakste der Rotblonde auf die anderen zu. Diese spuckten Wasser und waren einen Augenblick total verdattert. Schnell war der Wächter auch schon bei ihnen und grinste sie von oben herab triumphierend an: „Und die Krone geht an… Isaak.“

Jake empörte sich: „Du hast geschummelt.“

Dann lachten alle ausgelassen.
 

Wenig später saßen sie in einem Kreis auf der Decke, im Schatten zweier Palmen. Alle hockten in Unterwäsche da. Ihre Klamotten hatten sie im Wasser ausgewaschen und an mehrere Palmen, zum Trocknen, gehängt. Isaak beugte sich vor und stupste Bella sanft gegen die Stirn. Augenblicklich ließ der Rotton ihrer Haut nach und auch die Spannung verschwand.

„Danke“, murmelte die junge Dame und seufzte. Sie waren alle noch nass von ihrem Bad. Die Hitze um sie herum drängte Bella bereits wieder auf Edwards Schoß. Dort blieb sie einfach sitzen und genoss dessen kühle Haut.

„Dann wird es wohl Zeit ein paar Fragen zu beantworten“, sagte der Wächter und sah kurz zur Sonne hinauf. „Wir haben noch ungefähr zwei Stunden, bevor es kühler wird.“

Er sah einem nach dem anderen ins Gesicht und begann: „Die Bauart und Beschriftung der beiden Langstreckenraketen deutet auf einen Militärstützpunkt Chinas hin. Die Chinesen waren es aber sicher nicht, welche auf uns geschossen haben. Dies war der dritte Angriff auf mein Leben. Wie ich befürchtet hatte, ist Jake nun das Ziel. Die Raketen waren zwar mit Magie vor meinem Blick geschützt, aber nicht stark genug, um mich direkt zu töten. Für Jake hätten sie aber ausgereicht.

Dank Jakes Warnung konnte ich uns mit einer magischen Barriere umgeben. Leider war der Pilot zu weit weg. Ich konnte nichts mehr für ihn tun. Meine Magie hat aber nicht lange gehalten und wir sind zu Boden gestürzt. Ich danke dir Edward, du hast Bella und Jake das Leben gerettet. Ich konnte in diesem Moment nichts mehr tun.“

„Kein Problem, aber wie habt ihr die zweite Rakete überlebt?“, fragte der Blutsauger und schlang beide Arme um seine Verlobte.

Isaak sah zu Jake und beide sahen sich einen Augenblick in die Augen. Dann erklärte der Wächter: „Das kann ich nicht wirklich erklären. Ich kann nur vermuten, dass es etwas mit unserer Seelenverbindung zu tun hat. Als sich unserer Seelen berührten, wurde eine Menge an Energie freigesetzt. Ich habe keine Ahnung, wo diese herkam. Eigentlich sollte das gar nicht möglich sein. Seelen können keine anderen Seelen berühren und doch haben wir es irgendwie geschafft.

Ich habe daraufhin die Energie in mich gezogen und meine Magie war mit einem Schlag wieder vollständig hergestellt. Es war ein Leichtes für mich die zweite Rakete aufzuhalten und Jakes Beine zu heilen.

Auch konnte ich den Bann, der auf mir lag, aufheben. Mein Blick ist nun nicht länger getrübt. Dann habe ich ein magisches Auge bemerkt, welches uns beobachtet hatte. Ich sprang in die Luft und habe es mir geschnappt. Es zerfiel fast augenblicklich zu Sand. Ich konnte aber unseren Feind identifizieren. Es ist niemand anderes als Morgan le Fay.“

Sternenhimmel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Frostige Nacht

„Nur, dass du es weißt, was den Samenraub betrifft, bin ich ganz deiner Meinung“, sagte Isaak unvermittelt. „Auch, wenn ich nicht ganz so besitzergreifend bin wie du. In dieser Hinsicht bist du um einiges animalischer. Ich finde aber, dass dein Geschmack besser ist als der meine.“

Daraufhin mussten beide lachen.

„So, so. Du hast also immer noch meine Gedanken lesen können. Da muss ich mich wohl mehr anstrengen. Ich war leider zu abgelenkt dafür. Die Runde geht wohl an dich“, sagte Jake und gab sich geschlagen.

„Das würde ich nicht so sehen. Mein Verstand arbeitet wesentlich vielschichtiger. Ich kann mich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. Deine Gedanken zum Beispiel kann ich nahezu immer hören, außer wenn ich Magie anwende. Das bedarf meiner vollen Konzentration. Aber, du hast es geschafft, dass ich mich nur noch auf zwei Dinge konzentrieren konnte. Das, was du mit mir angestellt hast und deine Gedanken. Ich musste mich entscheiden. Die Wahl fiel eindeutig auf dich. Keine Sorge, die Suchtrupps sind noch weit weg.“

„Was für Suchtrupps?“, fragte Jake irritiert nach.

„Na, die Leute die nach den vier überlebenden des Flugzeugabsturzes suchen. Die durchkämmen schon seit Stunden die Umgebung des Wracks“, erklärte Isaak.

Jake richtete sich auf. „Was?“

„Keine Angst, unsere Spuren sind längst vom Sand verschluckt worden. Bis die hier ankommen, sind wir längst weg.“

„Wie machst du das? Ich verstehe nicht“, murmelte der Beta.

Isaak spielte mit der freien Hand ein wenig im Sand und sagte: „Hm…, es ist nicht einfach das zu erklären.“

Der Wächter richtete sich ebenfalls auf und sah seinem Freund in die Augen. „Wenn du als Wolf eine dir bekannte Route abläufst und tief in Gedanken bist, dann blendest du alles Unwichtige aus. Irgendwann kommst du an deinem Ziel an und hast keinerlei Erinnerungen mehr an den Weg. Kennst du das?“

„Ja, hin und wieder kommt das vor, wieso?“, fragte Jake irritiert.

„Nun, bei mir ist das nicht so. Einfach ausgedrückt, ich bekomme immer alles mit, was ich sehe, rieche, fühle und spüre. Zudem besitze ich mehr Sinne als du und erfasse zudem Ereignisse mit meiner Magie.“

Er ließ sich wieder auf den Rücken sinken und offenbarte: „Genau in diesem Moment, zum Beispiel, erfasse ich eine Unmenge an Informationen. Einerseits rede ich mit dir, aber ich behalte auch die Suchmannschaften mit meinem Geist erfasst. Zudem achte ich auf die Umgebung und suche nach Gefahren. Ebenso behalte ich die Position des Außenposten im Auge. Ich weiß, wie es Bella und Edward geht und was sie machen. Und das ist noch nicht mal alles.“

Isaak hob die Hand und zeigte gen Nordwesten: „Von dort weht der Geruch von mehreren Kakteen heran.“ Er deutete in eine andere Richtung: „Dort ist eine Ameisenkolonie. Sie wird gerade von einem Gecko angegriffen.“

Er sah auf. „Es gibst so vieles was ich wahrnehme. Ich kann es dir nicht richtig erklären. In dieser Sprache gibt es keine Wörter, die das beschreiben können.“

„In deinem Geist höre ich jedoch nur deine Gedanken. Wo ist denn der Rest? Warum sehe und höre ich das nicht?“, beschwerte ich der Beta.

Schuldbewusst zuckte der Wächter zusammen und offenbarte: „Weil ich diesen Teil meines Denkens vor dir abschirme. Es wäre zu viel für dich. Erinnere dich. Wenn ich aktiv meinen Geist aussende, dann ist das für dich nur eine Flut von Bildern und Eindrücken. Es ist viel zu viel. Du kannst das nicht erfassen, bis ich mich auf ein Ziel fixiere. Deshalb schirme ich das Meiste vor dir ab. Du kannst diese Menge an Informationen nicht verarbeiten.“

Jake knurrt ungehalten. Ihm gefiel das ganz und gar nicht. „Das heißt, du verbirgst Dinge vor mir?“

„Ja und nein. Einen Großteil meines bewussten Denkens bekommst du mit. Glaub mir bitte, ich will dich nur schützen. Ich verberge meine Gedanken nicht vor dir, um dir weh zu tun. Ich blende nur das aus, was du nicht wissen musst. Es ist schwer zu erklären.“

„Ich fühle mich gerade echt verarscht“, gestand Jake wütend. „Zeig es mir.“

Isaak schluckte und sackte etwas zusammen. „Wie du willst.“ Dann öffnete er ihre Verbindung komplett. Eine Flut von Bilder und Eindrücken überschwemmte Jake und er begann unkontrolliert zu zucken. Sofort verebbte der Gedankenstrom.

„Sei mir bitte nicht böse, aber du kannst das nicht verstehen. Es ist zu viel für deinen menschlichen Verstand. Versteh mich bitte nicht falsch, ich will weder sagen, dass du dumm bist, noch einfältig oder so, es ist nur eine Tatsache“, sagte Isaak traurig.

Jake wandte sich ab und wollte aufstehen. Er hatte genug gehört. Das sein Freund nicht ehrlich zu ihm war, schmerzte ihn sehr.

„Warte“, sagte der Rotblonde und hielt im am Arm fest. „So darfst du das nicht sehen. Das mache ich doch nicht um dir etwas zu verschweigen.“ Er dachte kurz nach und sagte: „Versuchen wir es mal anders. Schließ deine Augen. Was hörst du am Lautesten?“

Jake war wütend, aber er wollte sich auch nicht schon wieder wie ein Kleinkind aufführen und wegrennen. Er verschränkte zornig die Arme vor der Brust und schloss die Augen. Anschließend konzentrierte er sich auf die Geräusche der Umgebung.

Zuerst konnte er nichts vernehmen, dann kam eine leichte Prise und er hörte den Wind sowie den Sand, welcher ständig in Bewegung war. Hin und her rieselte. Sich aufbaute und abrutschte. Mit bemüht ruhiger Stimme erzählte er von seinen Sinneseindrücken.

„Ja, genau. Das höre ich auch, aber der Wind ist nicht gerade eben aufgekommen. Er weht schon seit ungefähr drei Stunden so stark. Du hast das auch gehört. Dein Bewusstsein jedoch kann nicht so viele Informationen verarbeiten. Also blendet es Unwichtiges aus. Wie die Geräusche des Windes. Du musst dich ganz speziell darauf konzentrieren. Ich hingegen, nehme das nahezu immer wahr. Solange meine Konzentration nicht von anderen Dingen überlagert wird.“

Jake hörte, wie der Sand sich bewegte und spürte auch, dass Isaak seine Position änderte. Dann legten sich zwei Arme von hinten um ihn und sein Freund flüsterte: „Bitte versteh mich doch. Ich könnte dir auch vorwerfen, dass du mir nichts von dem Wind gesagt hast. Du hast ihn ausgeblendet und dein Unterbewusstsein kümmert sich darum. Ich nehme ihn bewusst wahr und entscheide, dass es unwichtig ist. Das ist der Unterschied.“

Immer noch nicht ganz zufrieden fragte Jake: „Und du verheimlichst mir deine Gedanken nicht?“

„Nicht so wie du das meinst. Ich denke einfach vielschichtig. Vielleicht ein anderes Beispiel, deine Sinne sind besser als Bellas. Wenn du jetzt einen Hasen riechst, sie aber nicht, sagst du es ihr dann?“

„Kommt drauf an.“

„Und so verhält es sich auch bei mir zu dir. Jake bitte, sei mir nicht böse“, flehte Isaak und drückte sich ihm entgegen.

Der Beta seufzte und schmiegte sich an seinen Freund. „Ich verstehe es zwar immer noch nicht, aber ich will dir glauben, dass du das nicht tust, um mir was zu verheimlichen.“

„Danke“, sagte Isaak und gab dem anderen einen Kuss auf den Hals.

Jake brummte zufrieden und legte den Kopf schief. Der Wächter nutzte das sofort und biss ihm sanft in den Hals. Ein leises Stöhnen war die Belohnung dieser Tat. Die eine Hand seines Freunde wanderte über die Brustmuskeln des Wolfsjungen und bahnte sich einen Weg in tiefere Regionen.

Zufrieden seufzte der Beta und sagte: „Ich hätte nichts gegen eine zweite Runde.“

Plötzlich versteifte sich Isaak und sein Kopf ruckte hoch.

„Was ist?“, knurrte Jake erbost und öffnete die Augen, die ihm zugefallen waren.

„Bella friert“, sagte der Wächter unvermittelt. „Es ist kalt geworden, wir müssen zurück, bevor ihre Körpertemperatur einen kritischen Level erreicht. Es tut mir leid, die zweite Runde müssen wir wohl verschieben.“

Schnell gab er dem anderen noch einen Kuss auf den Hals und stand auf. Jake seufzte und schüttelte den Kopf. Dieser elendige Vampir bekam ja gar nichts gebacken.

Schnell verwandelten sich beide und rannten los. Eigentlich war es ja ganz praktisch, dass Isaak so viel mitbekam. Zu seiner Schande, musste er gestehen, hatte er seine beste Freundin vollkommen vergessen. Der Temperatursturz machte ihm nichts aus und er hatte keinen Gedanken daran verschwendet, was dieser für sie bedeuten würde.

„Seit wann weißt du, dass Bella friert?“, frage Jake, als sie von der Spitze einer Düne sprangen.

Isaak dachte nach. Er wollte seinen Geliebten nicht schon wieder aufregen. „Ich habe sie ihm Auge behalten, aber nicht allzu deutlich hingesehen. Ich war etwas abgelenkt von meinem Freund, der sich vor mir räkelte. Dann hat sie aber angefangen zu zittern. In diesem Moment habe ich von dir abgelassen.“

„Verstehe“, sagte der Wolfsjunge als sie auf dem Sand landeten und nebeneinander weiterliefen. Dann warf er dem anderen einen verstohlenen Blick zu. „Schatz“, er verstummte kurz. Es war immer noch seltsam ihn so zu nennen. Wäre Isaak nicht Isaak gewesen, er hätte sich auf der Stelle selbst gebissen, weil er einen Mann Schatz genannt hatte.

Seine Stimmlage hatte sich geändert. Er hörte sich an wie ein verliebter Teenager. Das war er ja aber auch, irgendwie, oder?

Verliebt. Verliebt in einen Mann. Abartig, widerlich. Verliebt in Isaak. Das ging gerade noch so durch. Ok, wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann störte es ihn nicht, solange es der Wächter war. Sein Geliebter.

Dann dachte er über seine Frage nach. Wie sollte er die Frage formulieren, ohne, dass sein Freund es in den falschen Hals bekam? Er dachte an das letzte Mal, als Bella kalt war und er sich als ihr Wärmestrahler zur Verfügung gestellt hatte. Würde das Isaak verletzen?

Der rote Wolf antwortete auf seine Gedanken: „Nein, ich habe nichts dagegen, wenn du sie wärmst. Ein Feuer würde unsere Position verraten und ich möchte auch meine Magie schonen.“

„Mich würde es stören“, knurrte Jake. Allein der Gedanke, dass sich sein Geliebter an eine andere Person schmiegen könnte, ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Isaak war sein. Er teilte ihn mit niemandem.

Dieser dachte einen Moment nach und nickte. Solange es seiner Bestimmung nicht in die Quere kam, hatte er nichts dagegen, wenn Jake so besitzergreifend war.

Natürlich bekam der Wolfsjunge nun auch die Gedanken des anderen mit und knurrte wütend auf sich selbst. „Ich arbeite dran, ok?“

„Musst du nicht. Ich bin dein und du bist mein. Ich vertraue dir, Wölfchen.“

Das beruhigte die Schuldgefühle des Betas kein Stück. Sie wurden eher noch schlimmer.

„Himmel Jake, mach dir keinen Kopf. Wenn du nicht gleich damit aufhörst, beiße ich dich“, drohte Isaak und biss doch tatsächlich in die Richtung des rostbraunen Wolfes neben sich. Jake schüttelte den Kopf und knurrte warnend. Dann beschleunigten sie.

Wenig später kamen sie bei der Oase an. Isaak wartete hinter einer Düne, während der Wolfsjunge schnell ihre Boxershorts holte. Als er in das Blickfeld des Vampirs geriet, stand dieser tobend auf und fauchte: „Was soll der Scheiß? Wo wart ihr? Bella ist am Erfrieren, du rücksichtsloser Straßenköter.“

Jake zuckte kurz zusammen. Der Blutsauger hatte ja schon irgendwie Recht. Dennoch fletschte er die Zähne und knurrte ungehalten. Dann verschwand er auch schon wieder mit der Unterwäsche. Sie beeilten sich und der Beta sprang auf seine beste Freundin zu.

Bella zitterte und klammerte sich an ihn, als er sich wortlos hinter sie setzte. Jake schlang die Arme um das frierende Bündel und rieb ihr sanft über die Haut. „Keine Sorge, gleich geht’s dir besser“, flüsterte er. Sie konnte gerade nicht reden. Ihre Zähne klapperten zu sehr.

Isaak sah den beiden zu und stellte erstaunt fest, dass es ihn doch ein wenig störte. Am liebsten würde er mit der Dame tauchen. Schnell wandte er sich ab. Er trat auf Edward zu und versprach: „Entschuldige, wir haben die Zeit vergessen. Ich werde in Zukunft mehr auf ihre menschlichen Bedürfnisse achten.“

Aber der Blutsauger hörte gar nicht wirklich zu. Seine ganze Aufmerksamkeit galt seiner Verlobten. Erst als Bella aufhörte zu zittern, konnte er sich wieder etwas entspannen.

„Das war wirklich gedankenlos von euch beiden“, antwortete Edward, als wäre keine Zeit vergangen. „Ich war kurz davor ein Feuer zu machen. Die Suchtrupps wären mir dann egal gewesen.“

Jake schaute irritiert auf und moserte: „Woher weißt du von denen?“ Er fühlte sich schon wieder verarscht. Warum war der einzige, der diese überhaupt nicht bemerkt hat?

„Ist das nicht logisch?“, stichelte der Blutsauger und ging vor Bella in die Hocke. Dann warf er dem Wolfsjungen einen gehässigen Blick zu. „In was für einer Welt lebst du eigentlich? Wenn ein Flugzeug abstürzt gibt es immer eine Untersuchung. Vor allem, wenn auch noch Ausländer an Bord waren.

Ich nehme mal an, dass der amerikanische Botschafter schon längst informiert wurde. Selbst wenn die Regierung der Mongolei es nicht interessiert, was aus uns geworden ist, wird der Abgeordnete alles in seiner Macht Stehende in die Wege leiten, um diesen Vorfall aufzuklären und die Vermissten Landsleute wohlbehalten nach Hause zu bringen. Das ist immerhin sein Job.“

Jake knurrte ungehalten, was Edward aber nicht kümmerte. Dieser warf einen nachdenklichen Seitenblick zum Wächter, der mittlerweile an der einer nahen Palme lehnte. „Ich nehme mal an, dass wenigstens du das weißt, oder?“

„Ich habe keine Ahnung, was die Aufgaben eines Botschafters sind. Ist mir auch egal. Das Prozedere nach einem Flugzeugabsturz kenne ich auch nicht“, gestand der Rotblonde und zuckte mit den Schultern.

Edward ließ den Kopf hängen. Tonlos redete er eher mit sich selbst: „Einer wie der andere.“

Dann fügte Isaak sachlich hinzu: „Ich weiß aber von den Leuten, die uns suchen. Ich behalte sie seit Stunden im Auge.“

Der Vampir wurde hellhörig und sah auf. „Wie viele sind es und wie weit sind sie entfernt?“

Nachdenklich runzelte der Wächter die Stirn und sagte: „Es sind vier Suchtrupps unterwegs. Zwei mit Jeeps, einer mit einem Helikopter, dieser ist aber bei Einbruch der Nacht gelandet und der vierte Trupp mit Hunden. Insgesamt sind es 24 Soldaten, ihren Uniformen nach zu schließen und zwölf Hunde. Reichen dir diese Angaben oder soll ich alle beschreiben?“

„Beschreiben?“, fragte der Vampir entsetzt und starrte den anderen mit offenem Mund an.

Der Wächter war etwas irritiert, zuckte mit den Schultern und begann zu berichten: „Also im Jeep Trupp 1, befinden sich vier Soldaten. Erste Person: männlich, Glatze, braune Augen, mit…“

„Stopp“, unterbrach Jake die Ausführungen seines Freundes. „So hat Edward das nicht gemeint. Es ist doch egal wie sie aussehen. Wann werden sie uns finden?“

„Hm…, lass mich kurz berechnenden…“

„Stopp, eine einfache Antwort bitte“, mischte sich der Wolfsjunge schnell ein, als ein Strom von Gedanken durch ihre Verbindung zu ihm herüberschwappte.

Sein Freund sah auf und war etwas verunsichert was von ihm verlangt wurde, dann sagte er vorsichtig: „Wir sind weg, bevor sie uns finden können. Reicht das?“

„Ja, das reicht“, grinste Jake und schenkte ihm ein schiefes Grinsen.

Edward erwachte nun aus seiner Starre und fragte: „Woher weißt du das?“

Schnell warf Isaak seinem Freund einen Blick zu und sagte beiläufig: „Magie und erweiterte Sinne.“

„Das hätte ich mir auch denken können“, gab der Blutsauger von sich und wandte sich an seine Verlobte: „Wie geht es dir?“

„Besser“, sagte die junge Dame. Ihre Stimme war etwas brüchig, aber ihr Zittern verebbte allmählich.
 

Im Laufe der Nacht wurde es noch wesentlich kälter. Bella fragte sich allmählich, ob sie wirklich in einer Wüste waren, oder in der Arktis, nachdem Isaak eine Außentemperatur von -18°C bestätigte. Um die junge Dame noch weiter zu schützen, hatten sie sie mittlerweile in einen Kokon aus allen ihren Klamotten gewickelt. Einzig und allein Jakes Kopf schaute oben aus dem Haufen heraus, damit er sich ein wenig abkühlen konnte. Wie ein Burrito eingeschnürt zu werden passte ihm gar nicht, aber für Bella ertrug er das ohne Klage.

Irgendwann schlief dann auch er ein und sein Schnarchen dröhnte laut in der Stille der Nacht. Isaak hatte sich neben den beiden an die Palme gelehnt und schlief seelenruhig in seiner Boxershorts. Der Vampir hielt Wache, wobei er sich sicher war, dass der Wächter nicht so tief und fest wie ein Mensch schlief.
 

Als die Sonne am Horizont aufging und der Morgen dämmerte, stiegen die Temperaturen rasch. Jake warf im Halbschlaf den Kleiderhaufen von sich. Ihm war so warm. Verschlafen streckte er sich und Bella wachte durch die Bewegung des anderen ebenfalls auf. Eher reflexartig neigten die beiden, noch nicht ganz in der Wirklichkeit angekommen, ihre Köpfe und wollten sich einen Guten Morgen Kuss abholen. Ihre Lippen kamen sich immer näher.

Edward fauchte, Isaak knurrte. Die beiden anderen öffneten die Augen und rissen die Köpfe weg. Der Wolfsjunge, wie auch die junge Dame liefen rot an. Da war auch schon der Vampir zur Stelle und hob seine Verlobte in die Arme. Sie schlang die Arme um ihn und gab ihm schnell einen Kuss.

Auch Isaak war nicht untätig. Er ging vor seinem Freund in die Knie, drehte dessen Kopf zu sich und presste seine Lippen auf ihr Gegenstück. Jake war einen Augenblick überrascht. Dann schloss er die Augen und erwiderte stürmisch den Kuss.

Als sie sich lösten sah er den Wächter irritiert an und fragte: „Hast du mich gerade angeknurrt?“

„Ja“, gestand der Rotblonde und sah selbst etwas verwirrt aus.

In dem Gesicht des Gestaltwandlers zeigte sich ein freches Grinsen. Dann stichelte er: „Na, ist da etwa jemand eifersüchtig?“

„Kann sein“, nuschelte Isaak und sah schnell weg. Dann seufzte er und sah seinem Freund in die Augen: „Es macht mir doch mehr aus als ich dachte. Dich so eng an jemand anderen geschmiegt zu sehen, hat mich die ganze Nacht nicht losgelassen. Ich musste mich stark zusammenreißen nicht dazwischen zu gehen.“

Das Grinsen seines Freundes wurde noch breiter.

„In mir brodelte es einige Stunden lang“, gestand der Wächter. „Das müssen meine neu erwachten Wolfsinstinkte sein. Daran bist du schuld. Du hast mir die verpasst, mit deiner Aktion gestern Abend.“

„Du warst auch nicht gerade unschuldig, mein Lieber“, sage Jake. Sein Gebaren wurde gespielt nachdenklich und der fragte: „Irre ich mich, oder bist es nicht du gewesen, der zuerst Hand angelegte?“

„Na, ja. Hand angelegt hast du als erster. Wenn wir die Szene im Vorfeld miteinbeziehen. Ich habe meinen Mund benutzt“, belehrte der Wächter gespielt streng.

„Kann mich kaum noch daran erinnern“, meinte Jake und sein Blick wurde lüstern. „Vielleicht hilft es meinem Gedächtnis, wenn du das wiederholst.“

„Benehmt euch“, zischte Edward und erinnerte die beiden daran, dass sie nicht allein waren. „Oder ich werfe euch ins Wasser, wie zwei rallige Straßenköter.“

Die zwei Männer wurden knallrot und sahen schnell weg, blieben aber wo sie sie waren, sonst hätten die anderen ihre Beulen in der Unterwäsche bestimmt bemerkt.

Bella hingegen funkelte die beiden an. Sie wollte Einzelheiten und schmiedete schon Pläne, wie sie diese aus ihrem besten Freund rauskitzeln konnte.

Nachdem die beiden ihre Erregung wieder im Griff hatten standen sie auf. Dann streckten sie sich ausgiebig.

„Wie lange noch, bis der Außenposten da ist?“, fragte Jake und ließ den Hals knacken.

„Etwas mehr als zwei Stunden. Zeit genug, um ein Frühstück zu organisieren“, sagte Isaak und suchte mit seinem Geist die Umgebung ab.

„Hm, wie wäre es mit Geckos?“

„Bäh“, mischte sich Bella ein und streckte die Zunge raus.

Ihnen allen knurrte der Magen, oder in Edwards Fall, brannte die Kehle. Dennoch würde die junge Dame lieber hungern, als eine eklige Eidechse zu essen.

„Dann vielleicht, eine Herde Schwarzschwanzgazellen? Wäre das was für dich Jake, als Wolf?“

„Ich habe bisher selten als Wolf gefressen“, sagte der Wolfsjunge und dachte kurz nach. „Sind die schnell?“

„Kommt drauf an womit was man sie vergleicht, aber ich glaube du hättest deinen Spaß“, gab der Rotblonde zurück. „Oh, da ist auch was für Edward“, sagte Isaak und deutete in eine Richtung. „Etwa 50 Kilometer. Ein Schneeleopard.“

Er sah den Vampir an und sagte: „Wenn du willst, kannst du ihn dir schnappen. Wir bleiben so lange hier.“

Bevor einer ihn aufhalten konnte schoss der Angesprochene auch schon davon.

„Hey, warum bekommt der Blutsauger einen richtigen Gegner und ich so was einfaches?“, beschwerte sich der Beta verdrießlich.

„Na ja, Edward braucht nur wenig Blut aktuell. Ein Leopard wird ihm genügen. Du hingegen würdest dich als Wolf mit diesem kleinen Happen nicht zufriedengeben. Außerdem wollte ich dich begleiten und da reicht ein Tier nicht aus. Ich würde auch gerne mit was leichtem anfangen.“ Isaak wurde rot im Gesicht. Jake hingegen war sofort begeistert. Gemeinsam mit seinem Freund auf die Jagd zu gehen hatte was.

Da meldete sich Bella zu Wort: „Bah, da vergeht einem ja der Appetit. Isaak, kannst du mir ein paar Früchte organisieren?“

„Klar, Moment“, sagte der Wächter und verschwand spurlos.

„Und da war er auch schon weg“, meinte die junge Dame. Dann wandte sie sich an Jake und ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Zuckersüß fragte sie: „Jake?“

Dieser sah sich erschrocken über ihre Tonlage um und erstarrte. Schnell schluckte er. Er fühlte sich ein wenig in die Enge getrieben. Solange Isaak und Edward weg waren, konnte er sie nicht allein lassen. Unwohl in seiner Haut brummte er und hob abwehrend die Hände. „Bitte nicht“, murmelte er verlegen.

„Ach, komm schon“, sagte Bella und fröstelte ein wenig. Sie ging zu der verstreuten Kleidung und zog sich schnell was über. Dann setzte sie sich in die Sonne und klopfte neben sich auf den Sand.

In Gedanken schimpfte der Beta: „Verdammt nochmal. Warum tust du mir das an?“ Er spürte, dass sein Freund in schallendes Gelächter ausbrach. Dann wechselte er in Sekundenbruchteilen die Spur. „Du liebst mich doch, bitte rette mich“, flehte Jake.

„Hm, also ich finde das klingt tuckig. Was meinst du dazu, Wölfchen?“, fragte Isaak voller Heimtücke in die Verbindung. Der Wächter seufzte, dann wurde er ernst: „Jake, steh zu dir selbst. Sie verurteilt dich nicht. Es ist deine Entscheidung, wie viel du preisgibst.“ In seine Stimme mischte sich erneut der Schalk: „Wobei ich es dir Übel nehme, wenn du anfängst, ihr mein Glied zu beschreiben.“

Der Beta errötete und sah zu Boden. Dann straffte er die Schultern und setzte sich neben seine beste Freundin. Mental fragte er: „Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich mich abschotte?“

„Ja“, sagte Isaak ernst. „Lass dir so viel Zeit wie du willst. Ich verspreche weder zu lauschen noch zuzusehen. Gib mir einfach Bescheid, wann ich zurückkommen soll. Das Essen habe ich nämlich schon. Ich bin dann mal Edward ärgern. Bis später, mein Wölfchen.“

Das letzte Wort sprach er mit so viel Liebe aus und überflutete gleichsam auch die Verbindung mit seinen Gefühlen, sodass der Wolfsjunge sehnsüchtig seufzen musste. Dann rappelte Jake sich zusammen und ließ die Verbindung einfach offen. „Scheiß drauf, Füchslein“, sagte er noch schnell zu seinem Freund und erwiderte die Gefühle.

Das Wetterkontrollobservatorium

Bella versuchte ihn zu zwicken, aber er spürte keinen Schmerz, nur die Berührung ihrer kälteren Haut. „Erde an Jake. Was ist los? Du guckst so verträumt“, sagte sie und wedelte vor seinen Augen rum.

„Alles ist gut, Bella. Ich schwebe gerade nur auf Wolke 7“, gab er zu und schenkte ihr seine Aufmerksamkeit. „Also gut, bringen wir es hinter uns. Was willst du wissen?“, fragte er in einem Ton, als ob man ihn zur Schlachtbank führen würde.

„Du und Isaak habt ihr, na ja, du weißt schon?“, begann sie und wandte sich verlegen ab.

Augenblicklich schlich sich ein Grinsen auf Jakes Gesicht. Dann fragte er mit Unschuldsmiene: „Was weiß ich schon?“

Damit hatte Bella nicht gerechnet und sie brauchte einen Augenblick, um die Fassung zurückzuerlangen. Dieses Spiel konnte man auch zu zweit spielen, dachte sie, schaute auf und konterte frei heraus: „Habt ihr miteinander geschlafen?“

„Ja, schon mehrere Male“, sagte Jake und grinste schelmisch.

Erst wurde die junge Dame rot, dann sah sie sein Grinsen und sie fragte vorsichtig: „Und das macht dir nichts aus?“

„Nein, solange einer von uns eine Boxershorts anhat nicht“, sagte er und spielte sein Spiel weiter. Sein Grinsen wurde noch breiter, als er ihre bestürzte Miene sah.

Irritiert runzelte sie die Stirn. Das passte nicht zu dem Wolfsjungen so offen zu sein. Dann schlug sie sich die Hand gegen den Kopf. Jake hatte ihre Frage absichtlich falsch verstanden und dementsprechend geantwortet. Dann platzte sie heraus: „Hattet ihr schon Sex?“

Jetzt zuckte der Beta zusammen und sein Grinsen gefror. Langsam sagte er: „Wenn du nach Geschlechtsverkehr fragst, dann nein.“

„Und wenn ich nicht nach Geschlechtsverkehr frage?“ Jetzt war sie es, die ein Grinsen aufsetzte.

Ihr bester Freund sackte ein wenig zusammen, wandte den Blick ab und sagte kleinlaut: „Ich weiß nicht ob das zählt.“

Freundschaftlich nahm sie den anderen in den Arm. „Wie weit seid ihr gegangen?“

„Würdest du mir diese Frage auch beantworten?“, konterte der Wolfsjunge abwehrend.

Einen Moment dachte Bella nach. „Ich weiß nicht. Früher nicht. Da warst du in mich verliebt, aber jetzt…“, sie brach ab und sammelte sich. „Jake, du bist neben Edward der Einzige, mit dem ich über alles reden kann.“ Dann gab sie sich einen Ruck und setzte sich vor den anderen. „Ich weiß wie schwer es für dich ist, also fange ich an.“

Sie atmete einmal tief durch und sagte anschließend: „Ich bin noch Jungfrau.“

Jake kämpfte einen Moment mit sich. Dann sagte er: „Ich bin auch noch Jungfrau.“ Er dachte kurz nach und fügte schüchtern hinzu: „In beiderlei Hinsicht.“

Bella zog einen Augenbraue hoch und sah ihn irritiert an. Ihre Gedanken begannen zu rasen. Was wollte Jake damit sagen? Und warum sah er so schnell weg? Er war feuerrot im Gesicht. Moment mal. War es das, was sie glaubte, was es war? Ihr ging der Mund auf. Allein dieser Satz hatte mehr über die Gefühlswelt des anderen verraten, als sie zuerst dachte. Er zog es in Erwägung. Er setzte sich nicht nur mit diesem Thema, Sex zwischen Männern, auseinander, nein, er dachte sogar daran, beide Parts einzunehmen.

„Nun sag doch was“, bat der Beta und sah zu der jungen Dame.

Bella klappe schnell den Mund zu und fragte misstrauisch: „Erst das Händchenhalten, dann der Kuss. Ihr schlaft eng aneinandergeschmiegt. Du kuschelst mit Isaak. Ihr schaut euch tief in die Augen. Und jetzt das?“

„Ja“, sagte er vorsichtig.

„Warum? Was hat deine Meinung geändert?“, fragte Bella nach.

„Ich weiß nicht“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Er sah in ihre erwartungsvollen Augen und offenbarte: „Na gut, wenn dus unbedingt wissen willst, ich habe immer gedacht, schwul sein heißt auch tuckig zu sein. Das war mein Hauptproblem. Isaak will aber gar nicht, dass ich tuckig bin. Er sagt ich gefalle ihm so, wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten. Ab diese, Moment konnte ich mich richtig auf Isaak einlassen. Ich bin nicht schwul und ich finde es eklig, auch nur daran zu denken, einen Mann zu küssen, aber bei ihm ist das anders.“

Mit einem verträumten Gesichtsausdruck gestand er: „Ich liebe Isaak.“

„Wow“, entwich es der jungen Dame. „Hast du es ihm schon gesagt?“

„Ja. Und er liebt mich auch. Isaak hat es zuerst gesagt“, strahlte er sie an. Dann räusperte er sich und sagte: „Du bist wieder dran.“

Bella schüttete den Kopf und sagte: „Ok. Edward und ich sind noch nie übers Küssen hinausgekommen.“

„Ja, ich weiß“, sagte Jake schneller als er denken konnte.

Die junge Dame riss die Augen auf.

In seinem Kopf warnte Isaak: „Jake, pass auf. Bitte. Du kommst zu nahe an das Thema Renesmee heran.“

Schnell fügte der Wolfsjunge hinzu: „Das geht ja auch nicht. Er ist ein Vampir und du ein Mensch. Er würde dich töten.“

„Das würde er nie tun“, fauchte sie erzürnt und begann zu toben.

Entwaffnend sagte Jake: „Ich weiß.“

Ihre Wut verrauchte und sie starrte ihn ungläubig an. „Du glaubst ihm?“

„Ja. Ich glaube, dass er dir nie absichtlich Schaden zufügen würde. Deshalb weiß ich auch, dass er nicht mit dir ins Bett steigt. Das wäre viel zu gefährlich und er weiß das“, versuchte der Wolfsjunge die Wahrheit zu verschleiern. Er sprach in ruhigem sachlichem Ton.

In seinem Kopf erklang die Stimme des Wächters: „Gut gemacht.“

Mit diesen Worten hatte er Bella vollkommen entwaffnet und sie sackte ein wenig zusammen. Dann murmelte sie leise, mit kummervoller Stimme: „Ich will aber weiter gehen.“

„Hm“, knurrte Jake ungehalten. „Das geht aber nicht. Er ist ein Vampir. Er ist viel zu stark.“

„Dennoch will ich“, gestand sie und wurde rot. Über dieses Thema zu reden fiel ihr nicht leicht. Mit Jake, so wie er jetzt war, konnte sie darüber reden. Sie hatte mitbekommen, dass ihre beiden liebsten Wesen auf der Welt keine Freunde waren, aber seltsamerweise verstanden sie sich einigermaßen gut. Sie fragte sich, ob das an daran lag, dass Jake nun gebunden war oder an der Zukunft, welche der Wächter ihr auch weiterhin verschwieg.

Der Beta sah den bedrücken Gesichtsausdruck seiner besten Freundin und schluckte. Dann atmete er tief durch und gestand: „Isaak und ich sind schon ein wenig weiter, seit gestern Nacht. Deshalb sind wir auch zu spät gekommen.“

„Sagst du mir wie weit?“, fragte Bella und schoss sich sofort auf dieses interessante Thema ein.

„Ich glaube das richtige Wort ist Oralverkehr“, sagte Jake langsam.

Er wurde freundschaftlich gegen die Schulter geboxt. Sofort zog Bella ihre Faust zurück und rieb sich diese. „Aua“, maulte sie.

„Du müsstest es doch mittlerweile wissen, dass man einen Gestaltwandler nicht schlägt“, stichelte der Beta ein wenig und grinste überheblich.

Dann wurden beide wieder ernst und sie fragte: „Und wie war es für dich?“

„Seltsam und kurz“, sagte Jake langsam. „Es ging alles so schnell.“ Er wurde leicht rot. „Ich konnte mich nicht zügeln, aber Isaak ging es genauso“. Diese Spitze galt seinem Freund. Der Wächter antworte darauf nicht.

„Moment mal“, sagte Bella und machte große Augen. „Hat er bei dir? Oder du bei ihm?“

„Beides“, gestand der Wolfsjunge und sah sehr verlegen aus. Bei dem entsetzten Gesichtsausdruck der anderen fügte er hinzu: „Isaak will eine gleichberechtigte Beziehung. Und das in allen Belangen. Das ist mit ein Grund warum ich so lange gezögert habe. Ich wusste nicht, ob ich das auch wollte. Aber, als es dann soweit war, wollte ich es auch. Es war seltsam, das gebe ich zu. Dennoch hat es mir sehr gefallen.“

Ihre Augen wurden noch größer. „Das hätte ich nicht erwartet. Du hast einem Mann einen geblasen?“

Jake verzog sofort zornig das Gesicht und knurrte ungehalten: „Ich bin nicht schwul. Ich habe Isaak einen geblasen. Das ist ein gewaltiger Unterschied für mich.“

Sie zuckte kurz zurück und lächelte dann: „Ganz ruhig, Mr. Grummel-Wolf. Ich dachte das Thema mit deiner Sexualität hätten wir schon geklärt.“

Argwöhnisch starrte er sie an. „Was meinst du damit?“

„Erinnerst du dich nicht an das eine Mal, als du mich angerufen hast, mit deinem Handy?“

„Doch“, sagte Jake und dachte kurz nach. Dann fragte er nachdenklich: „Scheiß drauf?“

„Ähm, ja. Das war ein Teil von dem Gespräch“, mahnte Bella. „Ich nehme mal stark an, den Rest hast du verdrängt.“

„Irgendwas mit verschieden Krankheiten, oder?“

„Nicht direkt.“

„Egal. Ich wollte dir noch danken für deinen Rat. „Scheiß drauf“ hat mir sehr geholfen. Das war wohl der erste Schritt den ich auf Isaak zugegangen bin“, gestand er und strahlte wie eine Sonne.

„Kein Problem“, murmelte Bella und fragte sich, ob es ratsam wäre den Wolfsjungen nochmal auf die anderen Elemente des Gesprächs anzusprechen. Sie seufzte. Keine gute Idee. Jake war immer noch stur wie ein Maultier.

Dann plötzlich knurrte ihr Magen laut.

Jake nickte und sagte: „Du hast Hunger. Ich frage mal wie weit Isaak ist.“

Kaum hatte er zu ende gesprochen, da stand der Wächter auch schon vor ihnen und breitete seine Beute vor der jungen Dame aus. „Entschuldige, Bella. Ich musste ein wenig umherrennen.“

Das war die Wahrheit und doch nicht die Ganze. Er ließ es absichtlich so klingen, dass er länger gebraucht hatte das Essen zu finden. Jake verdrehte die Augen. Das war ja mal wieder typisch für seinen Freund.

„Edward ist auch gleich da“, sagte der Rotblonde und schaute zu dem Beta. „Wollen wir?“

Sofort war Jake Feuer und Flamme. Er sprang in dem Moment auf, als der Vampir zu ihnen kam. Dann schnappte er sich Isaaks Hand und zog gemeinsam mit dem anderen los. Hinter einer nahen Düne versteckt zogen sie sich aus. Sofort klebte sein Blick an seinem Freund und er leckte sich gierig über die Lippen.

Lüstern sagte er: „Ich hätte nichts gegen einen kleinen Appetitanreger.“ Erneut leckte er sich über die Lippen und kam langsam auf den anderen zu.

„Wusstest du, dass Edward gerochen hat, was wir gemacht haben?“, lenkte ihn sein Freund erfolgreich ab.

„Was?“

„Ich war doch gerade bei ihm und da hat er mich darauf angesprochen. Er meinte, dass es ihm egal sei, was wir da treiben, aber wir sollten doch bitte Bella nicht nochmal so vernachlässigen.“

Einen Moment kämpfte er mit seiner Wut. Seine Libido setzte sich allerdings durch und er kam wieder näher. „Scheiß drauf. Mir doch egal ob er das mitbekommt. Was zählt ist, dass ich es kaum erwarten kann es zu wiederholen.“

Isaak hielt den anderen davon ab vor ihm in die Knie zu gehen und sagte: „Es geht mir doch ebenso, aber jetzt ist nicht die Zeit dafür. Lass uns schnell jagen gehen. Der Außenposten ist in weniger als eineinhalb Stunden da.“

Dann gab er seinem Freund einen gierigen Kuss und drückte sich an ihn. Sie beide waren schon wieder erregt. Schnell ließ er von dem Wolfsjungen ab und verwandelte sich. „Na komm schon Wölfchen, zeig mir wie man jagt.“

Sie verhielten sich wie dauerrallige verliebte Teenager. Das waren sie ja auch irgendwie. Immerhin war Isaak 18 Jahre alt, als er zum Wächter und somit unsterblich wurde. Jake hingegen war eigentlich 16, aber rein körperlich war er schon 25. Somit war das schon irgendwie normal, entschied der Beta und zuckte mit den Schultern. Dann strahlte er. „Ok.“

Der rostbraune Wolf übernahm die Führung und erklärte fröhlich, worauf sein Freund achten sollte. Bei ihrem ersten Angriff erwischte er eines der Tiere. Isaak ging leer aus. Der Wächter hatte zu viel Kraft eingesetzt und war über sein Opfer gesprungen. Eingeschnappt über seinen Misserfolg setzte er zur Verfolgung an, während Jake ihm dabei zusah.

Der rote Wolf verschwand hinter einer Düne. Durch dessen Augen bekam der Beta weiterhin alles mit. Dann, beim zweiten Sprung, bekam auch Isaak eine Schwarzschwanzgazelle zu fassen, wobei er aber mehr Glück als Verstand hatte. Seinen Wolfstrieben so nachzugeben, missfiel dem Wächter und er wehrte sich ein wenig. So verfehlte er sein Ziel um mehr als einen Meter. Allerdings stand die Herde so nahe zusammen, dass er mit einem anderen Tier kollidierte. Bei der Berührung setzten sich die Instinkte durch und er biss mit tödlicher Effizienz zu. Das Tier war augenblicklich tot.

Erleichtert, seiner Beute keine Qualen bereitet zu haben, und stolz auf seine erste Trophäe als Wolf, auch wenn es eher ein Versehen war, kehrte der rote Wolf zu seinem Freund zurück. In seinem Maul trug er den noch warmen Körper seines Opfers.

Er präsentierte seine Beute dem anderen Wolf und setzte sich schwanzwedelnd dahinter.

„Gut gemacht“, sagte Jake schelmisch und fügte hinzu: „Dass du eigentlich den Bock im Visier hattest, sagen wir einfach keinem.“

„Hey“, beschwerte sich der Rotblonde. „Ich habe was erlegt. Nur das zählt.“

„Ja“, gestand der Beta und senkte die Kopf. Er überließ sich ganz seinen Trieben und begann das Tier vor sich zu verschlingen.

„Hey, das ist meine Beute“, knurrte Isaak und bleckte die Zähne.

„Was dein ist, ist auch mein. Außerdem stehe ich höher in der Rangordnung. Ich bin der Beta des Rudels, also fresse ich zuerst.“

„Püh, dann schnappe ich mir eben deine Gazelle“, knurrte der Wächter und stürzte sich auf Jakes Beute. Sofort ließ der Wolfsjunge von seinem Mahl ab und knurrte ungehalten. Dieses Gebaren störte seinen Freund kein bisschen und er schlug die Zähne in den Kadaver.

Es war sehr eigenartig für den Wächter so zu fressen und er war vollkommen auf seine Instinkte gerichtet. Jake schnaubte und beschloss ihm das erstmal durchgehen zu lassen. Für seinen Freund war das neu und da wollte er jetzt nicht auf die Rangordnung bestehen. Später würde er aber diesem noch die Regeln im Rudel erklären.

„Jake, ich gehöre nicht zu deinem Rudel“, mahnte Isaak und auch er ließ von der Mahlzeit ab. „Ich bin immer noch ein Wächter, kein Wolf. Wir sind gleichrangig innerhalb unserer Beziehung.“

„Ich bin der Beta“, knurrte der Rostbraune und bleckte die Zähne. Sein Nackenfell stellte sich auf. „Und der Stärkere. Du wirst dich mir unterwerfen.“

„Und wenn nicht? Versuchst du es dann mit Gewalt?“, sagte Isaak ein wenig eingeschüchtert.

Ohne groß darüber nachzudenken knurrte Jake: „Ich bin ein Wolf und ich werde dich unterwerfen, wenn es sein muss. Was mich betrifft, so bist du ein Teil meines Rudels.“

Ängstlich trat der andere einen Schritt zurück.

Da erkannte Jake seinen Fehler und ließ den Kopf hängen. „Bitte, Isaak. So war das nicht gemeint. Ich kann nicht anders. In einem Rudel gibt es Regeln und daran müssen wir beide uns halten, wenn wir als Wölfe rumlaufen. Der Stärkerer unterwirft den Schwächeren. So ist das nun einmal. Hab keine Angst vor mir. Das hat nichts mit Sex zu tun.“

Der Wächter dachte kurz nach und analysierte ihrer beiden Triebe genau. Dann sagte er mit trauriger Stimme: „Du kannst mich gar nicht als Gleichrangigen ansehen, oder?“

„Nicht als Wolf.“

„Und was, wenn ich dich dominiere? Was dann?“, fragte der andere nach.

„Wenn du das schaffst, dann müsste ich mich dir unterwerfen“, gestand der Beta. „Sam ist der Leitwolf. Ich unterwerfe mich ihm auch.“

„Und wenn ich dich unterwerfe und es von dir verlange gleichrangig zu sein?“

„Das geht nicht. Es gibt nur einen Beta. Es gibt auch nur einen Alpha“, erklärte Jake langsam.

„Was ist bei einem Patt?“, harkte Isaak unerbittlich nach.

„Dann bleibe ich der Beta bis es zu einer Entscheidung kommt.“

Jake konnte spüren wie Isaak sich über seine Art ärgerte. Auch wenn seine Angst nicht vollständig weg war, so versuchte der Wächter dennoch einen Weg zu finden mit dem beide leben konnten. Langsam fragte er: „Gibt es da keinen Kompromiss? Kannst du das nicht voneinander trennen?“

„Was meinst du damit?“, hakte der Wolfsjunge nach.

„Falls ich mal als Wolf mit deinem Rudel unterwegs wäre, dann ist es mir vollkommen egal, wer welche Stellung hat. Ich gehöre nicht zu deinem Rudel und ich beuge mich keinem, auch nicht Sam. Mein Wille ist zu stark, selbst mit der Macht des Alphas kann er mich zu nichts zwingen. Aber, um des Friedens willen, könnte ich mich dir beugen. Das würde mir nichts ausmachen. Solange du den Bogen nicht überspannst spiele ich da mit. Bedenke aber: Ich bin ein Wächter und ich habe meine Aufgabe zu erfüllen. In diesem Punkt kann ich keinen Kompromiss zulassen.“

„Das würdest du tun? Du würdest dich mir kampflos unterwerfen? Vor den anderen?“

„Keiner kann unsere Gedanken hören, wenn wir das nicht wollen. Für die anderen spiele ich brav mit. Ich unterwerfe mich aber nur dir. Du solltest Sam einschärfen mich nicht herauszufordern. Ich habe keinerlei Interesse daran der neue Alpha zu werden, obwohl ich die Macht dazu hätte. Das darf ich nicht. Das ist gegen meine Natur und wäre ein Eingriff in den natürlichen Lauf der Dinge.“

Langsam setzte sich Jake und dachte kurz darüber nach. „Also innerhalb des Rudels wärest du dann unter mir. Die anderen würden dann mit dir kämpfen.“

„Jeder der mich herausfordert wird unterliegen“, sagte Isaak mit einer Bestimmtheit, die sein Freund ihm gar nicht zugetraut hatte. „Wie gesagt, ich unterwerfe mich nur dir. Und das auch nur innerhalb von Sams Rudel, zum Schein.“

Irritiert sah Jake seinen Freund an. „Was meinst du damit schon wieder?“

Isaak setzte sich ebenfalls auf die Hinterläufe und offenbarte: „Das wäre dann der Kompromiss. Wenn wir nur zu zweit unterwegs sind, oder als Menschen, dann lässt du diese Rangordnung fallen. Dann sind wir gleich auf. Das wäre mein Vorschlag.“

„Aber, ich bin der Stärkere. Das kann ich einfach nicht“, gestand Jake trocken.

„Und wenn ich dir das Gegenteil beweise? Was, wenn wir gleichauf sind oder ich sogar stärker? Würdet du es dann in Erwägung ziehen?“, fragte Isaak ernst nach.

„Selbst wenn, dann bist du der Beta“

„Nein, du bleibst der Beta in Sams Rudel. Da spiele ich auch brav mit. Nur unter uns sind wir dann gleichrangig“, versuchte der Wächter es zu erklären.

„Du bist aber nicht stärker. Nicht als Wolf“, beharrte der andere stur.

„Und wenn doch?“, ließ der Rotblonde einfach nicht locker.

„Dann könnte man mal darüber reden“, lenkte Jake ungläubig ein.

„Wie definiert ihr wer stärker ist? Ich meine Sam hat die Macht des Alphas. Gilt das auch als Stärke?“

„Außer bei Sam wird das mit einem Kampf entschieden. Er regelt das mit seiner Macht. Der Schwächere unterwirft sich, indem er sich auf den Rücken dreht und seinen ungeschützten Hals präsentiert“, erklärte der Wolfsjunge.

„Und du wärst mir auch nicht böse, wenn ich dich dazu zwinge, das zu tun?“, wollte Isaak auf einem wissen.

„Nein, wenn du der Stärkere bist dann nicht“, bestätigte der Beta und wusste nicht wo das hinführen sollte. Es war nun mal eine Tatsache, dass er der Stärkere war.

Isaak stand auf und bleckte die Zähne. Sein Fell stellte sich kampfbereit auf. Sofort reagierte Jake auf diese Drohgebärde und ging ebenfalls in Angriffshaltung.

„Lass das“, knurrte der Beta wütend. „Ich will dir nicht wehtun.“

Aber der rote Wolf reagiert nicht. Langsam kam er näher, machte aber keine Anstalten ihn anzuspringen. „Was hast du vor?“, bluffte Jake, als sie langsam im Kreis gingen.

Dann blieb Isaak stehen. Er hob den Kopf und demonstrierte seine Größe.

Erbost schnaubte der Wolfsjunge: „Das zieht bei mir nicht.“ Auch er baute sich zu voller Größe auf und stellte nebenher fest, dass sie fast gleich groß waren. Isaak hatte lediglich einen Vorteil von wenigen Millimetern.

Plötzlich spürte er eine Welle der Kraft von dem roten Wolf ausgehen. „Unterwirf dich“, knurrte Isaak und in seiner Stimme schwang die Macht eines Alphas mit.

„Nein“, knurrte Jake zurück, spürte jedoch, wie der geistige Druck auf ihn immer mehr zunahm.

Der rote Wolf schnappte nach ihm und bellte: „Unterwirf dich.“

Die Glieder des Wolfsjungen begannen zu zittern. Noch würde er aber nicht nachgeben. Mit aller Gewalt kämpfte er gegen die Macht des anderen an. „NEIN!“

Der Wächter bleckte erneut die Zähne und knurrte ungehalten. Er verstärkte abermals seine Kraft und Jake knickte langsam ein. Beide bissen nach dem jeweils anderen, trafen aber nicht. Es war eine reine Drohgebärde. Verzweifelt sträubte sich Jacob zu unterliegen, aber es war zwecklos. Wie bei Sam konnte er sich nicht widersetzen.

Als er dann immer noch knurrend auf dem Boden lag, hob Isaak den Kopf über ihn und befahl: „Unterwirf dich.“

Diesmal gab es kein Halten mehr. Der Beta hatte den Kampf verloren. Gehorsam rollte er sich auf den Rücken und präsentierte seinem neuen Alpha den Hals.

Dieser stupste ihn aber nur an. Er biss nicht zu, wie es eigentlich normal war. Dann trat der rote Wolf zwei Schritte zurück. Die Macht des Alphas verschwand und Jake kam augenblicklich wieder auf die Beine.

Er war außer sich und knurrte bösartig. Innerlich tobte er vor Wut. Auch, wenn er sich eben unterworfen hatte, sträubte sich alles in ihm dies zu akzeptieren. Er würde nicht klein beigeben, nein, er würde weiterkämpfen.

Isaak stand vor ihm und sah ihn einfach nur an. Er zeigte keinerlei Aggression. Das stachelte Jake umso mehr an. Er fühlte sich in seinem Stolz verletzt. Der rostbraune Wolf duckte sich zum Angriff.

Da neigte der andere den Kopf und legte sich seelenruhig hin. Anschließend rollte sich der rote Wolf auf den Rücken und präsentierte dem Beta den Hals.

Einen Augenblick war Jake zu überrascht, um irgendetwas zu tun. Dann neigte er den Kopf und biss den anderen in den dargebotenen Hals, zügelte sich aber. Isaak winselte und der Wolfsjunge ließ von ihm ab.

Schnell brachte er etwas Distanz zwischen sie und fauchte: „Was sollte das? Warum unterwirfst du dich einfach?“

„Weil ich dich als den Stärkeren anerkenne“, gestand Isaak und stand wieder auf.

„Verasch mich nicht“, schrie Jake.

„Du bist als Wolf der Stärkere. Deshalb habe ich mich unterworfen. Ich kann nicht bei einem Wolfskampf gewinnen“, versicherte der andere. Langsam und unterwürfig kam er näher.

„Du lügst doch“, fuhr der Beta seinen Freund an und gab ein warnendes Knurren von sich. „Du hast mich unterworfen. Einfach so. Mit der Macht eines Alphas. Und dann unterwirfst du dich mir einfach kampflos? Am Arsch. Ich glaube dir nicht.“

Der rote Wolf kam noch näher und schmiegte sich von unten an seinen Hals. Das beruhigte den Wolfsjungen ein kleines bisschen und sein Knurren erstarb.

Dann erklärte der Wächter: „Ich habe zirka 100 Szenarien durchgespielt. Deine aktuelle Gewinnquote liegt bei 99%. Wenn du willst, kann ich sie dir zeigen. Ich kann dich nur mit meinem Willen unterwerfen, nicht körperlich. Ich sehe das als eine Pattsituation. Wir sind gleichauf.“

„Ist das die Wahrheit?“

„Ich schwöre es dir, bei unser beider Leben. In einem Kampf als Wolf unterliege ich. Denk doch mal nach. Das heute war meine dritte Verwandlung.“

Immer noch nicht ganz überzeugt fragte Jake: „Du bist ein Wächter. Du bist stark. Gestern hast du sehr schnell gelernt. Da soll ich dir glauben, dass ich dich einfach niedermachen kann?“

„Na ja, so einfach wäre es nicht geworden. In gewisser Weise sind wir gleich auf. Mein analytischer Verstand und dein Geschick geben sich da nicht allzu viel. Wir hätten uns gegenseitig viele Verletzungen zugefügt. Am Ende aber hättest du gewonnen.“ Isaak seufzte: „Ich will dich aber nicht verletzen und da das Ende bereits feststand, habe ich mich unterworfen.“

„Nein, so akzeptiere ich das nicht. Den Kampf einfach in Gedanken durchzuspielen ist nicht in Ordnung“, bestimmte Jake, entspannte sich aber. Das devote Gebaren seines Geliebten besänftigte ihn ungemein. Der Wächter wusste offenbar genau, wie er als Wolf auf einen Stärkeren zu reagieren hatte.

„Diesmal lasse ich dir das durchgehen. Wir haben keine Zeit dafür“, begann Jacob ernst. Dann wurde seine Stimme etwas weicher: „Wenn du Geleichberechtigung willst, dann bestehe ich auf einen richtigen Kampf. Kein Rumgedruckse. Keine Verarsche. Nur du und ich. Und wage es ja nicht mich einfach gewinnen zu lassen.“

„Aber, ich will dich nicht verletzen“, stammelte Isaak kleinlaut.

„Quid pro quo. Du willst Gleichberechtigung. Dann steh deinen Mann und kämpfe auch wie einer“, meckerte Jake. Dann ließ er alle Anspannung fallen und schmiege sich ebenfalls an den anderen. „Es gibt eine Regel für den Rangkampf: Keine dauerhaften oder tödlichen Verletzungen. Unserer Wunden heilen schnell. Wenn du dieser Bedingung zustimmst, dann stimme ich deinem Vorschlag ebenfalls zu. Unter uns gleichberechtigt, im Rudel stehe ich über dir.“

„Einverstanden. Da ich als Wolf keine Magie anwenden kann, werde ich ohnehin nie als Wolf mit deinem Rudel zusammen kämpfen. Außerdem bin ich immer noch ein Wächter. Ich werde mich raus halten. Ist das für dich in Ordnung?“

„Ja, solange du mich als Wolf im meinem Rudel nicht bloßstellst, soll mir das Recht sein“, bestätigte Jake und gurrte zufrieden. „Eines würde mich aber noch interessieren. Woher hast du eigentlich die Macht eines Alphas?“

„Es ist eine Willensangelegenheit. Es ist als so, als hätte ich einen Schalter umgelegt. Rein theoretisch kann jeder zum Alpha werden. Er muss es nur wollen und sich gegen Sam stellen. Aber, das ist eher unwahrscheinlich. Nur wenige haben das Potenzial sich gegen Sam zu behaupten. Wie gesagt, reine Willenssache. Sei aber gewarnt. Ich kann diesen Schalter mit Hilfe meines Willens in beide Richtungen bewegen. Wenn du dich zu diesem Weg entscheidest, dann gibt es kein Zurück mehr. Einmal umgelegt und du bist und bleibst der wahre Alpha des Rudels.“

„Warum wundere ich mich eigentlich noch, wie viel du weißt?“, fragte der Gestaltwandler und wandte sich wieder Isaaks Beute zu. Sie ließen voneinander ab und machten sich gemeinsam erst über den einen, dann über den anderen Kadaver her. Nun da Jake wusste, wie stark Isaak war, machte es ihm nichts mehr allzu viel aus, die Rangordnung zu ignorieren.

Nachdem sie fertig waren, leckten sie sich gegenseitig die Schnauzen sauber und sprinteten zu den anderen zurück. Was sie übrig ließen, gönnten sie den Aasfressern. Ihre Unterwäsche lag noch dort wo sie sie zurückgelassen hatten. Notdürftig bekleidet raubte sich Jake sogleich einen Kuss.

Beide verzogen angewidert das Gesicht und streckten die Zunge raus. „Boar, also der Geschmack von rohem Fleisch und Blut ist nicht gerade angenehm“, murmelte Jake und Isaak stimmte mit einem Nicken zu.

Diesmal griff Isaak nach seiner Hand und sie kehrten zu den anderen zurück. Nachdem die beiden sich die Münder ausgespült hatten, zogen sich alle ihre Kleidung wieder an und verstauten den Rest in der Tasche. Die Temperaturen waren wieder deutlich gestiegen und Bella klebte an Edwards Arm, um ein wenig Abkühlung zu bekommen.

Dann machten sie sich, Bella auf dem Rücken von Edward, auch schon auf den Weg. Isaak lotste sie weg von der Oase. Nach einigen Minuten blieb der Wächter stehen und hielt den Kristallschlüssel zum Himmel empor. Nichts passierte, aber er steckte den Schlüssel wieder weg. Anschließend warteten sie.

„Ich kann nichts sehen“, sagten Jake und Edward gleichzeitig.

„Der Außenposten ist gut getarnt. Selbst ich kann ihn nicht sehen“, sagte der Wächter.

Plötzlich gab es neben ihnen eine leichte Staubverwehung, welche nicht vom Wind hervorgerufen wurde. Eine weibliche Stimme ertönte: „Sehr geehrter Wächter, bitte betreten Sie die Plattform.“

Wie aus dem Nichts tauchte über der Staubverwehung eine Runde, silbrig schimmernde Scheibe auf. Ihr Durchmesser betrug in etwa vier Meter. Zudem war sie gerade mal einen Zentimeter dick.

Isaak machte eine höfliche Verbeugung und sagte: „Nach euch.“

Alle betrachteten die Plattform misstrauisch. Dann gab sich Edward einen Ruck und setzte einen Fuß auf die Scheibe. Sie hielt sein Gewicht. Anschließend hielt er Bella die Hand hin und auch sie betrat das silberne Etwas.

Als die junge Dame vollständig auf der Scheibe stand, erklang erneut die Frauenstimme: „Mensch entdeckt. Lebenserhaltung wird angepasst.“ Augenblicklich wurde es um sie herum angenehm kühl.

Alle sahen zum Wächter. Dieser zuckte mit der Schulter und sagte: „Das stammt noch von früher. Einige Wächter hatten Familien oder auch Liebschaften. Die Außenposten wurden demnach auf solche Dinge angepasst. Die Zitadelle darf aber nur von Wächtern betreten werden. Alle anderen Lebensformen werden in der Eingangshalle aufgehalten.“

Mit einem kleinem Sprung war Isaak auch auf der Plattform. Er streckte seinem Freund eine Hand hin fragte: „Vertraust du mir?“

„Dir ja. Dieser sprechenden Scheibe? Nein“, gestand Jake kleinlaut.

„Na, komm. Dir wird nichts passieren“, sagte der Wächter ruhig und schenkte seinem Freund ein bezauberndes Lächeln.

Der Wolfsjunge atmete einmal tief durch und ließ sich hochziehen. Schnell wirbelte der Rotblonde den anderen ein wenig herum, bis dieser genau in der Mitte stand.

„KI, Aufstieg einleiten“, sagte Isaak und sah, wie sein Freund erbleichte.

„Verstanden. Schild wird aktiviert“, erwiderte die KI und eine leicht bläuliche Kuppel entstand um sie herum.

„Tarnmodus aktiv.“

Nichts geschah.

„Starte Aufstieg.“

Die Plattform setzte ich langsam in Bewegung, aber keiner der Passagiere spürte etwas. Nur an ihrer Umgebung sahen sie, dass sie in die Luft stiegen.

Rasch beschleunigte die Scheibe. Sie wurden immer schneller. Dennoch spürten sie nicht einen Luftzug. Alles in allem war es atemberaubend. Bella und Edward sahen sich stauend die Welt von oben an, wobei der Vampir die Arme um seine Verlobe geschlungen hatte und diese vom Rand entfernt hielt.

Plötzlich sagte Isaak: „KI, Notstopp.“

Rabiat blieb die Scheibe stehen. Auch diesmal spürten sie rein gar nichts. Es schien so, als erzeuge die Plattform eine Art Gegenkraft unter dem Schild.

Isaak nahm Jake bei der Hand und zog ihn ein wenig zum Rand hin. Dann nahm er seinen Freund von hinten in die Arme. „Sieh mal“, sagte er und deutete auf die Oase. Diese stach deutlich aus der sonst einfarbigen Wüste heraus. Sie konnten das Wasser in der Mitte sehen und die grüne Fläche drumherum. Es war ein herrlicher Anblick.

„Keine Sorge, Schatz. Das Schutzschild könnte nicht mal ich so einfach zerstören. Dir kann absolut nichts geschehen.“

Jake seufzte zufrieden und entspannte sich etwas. Dann wandte den Kopf und sie küssten sich innig.

Nachdem sie ihre Lippen voneinander gelöst hatten sagte der Wächter: „KI, Aufstieg fortsetzen.“

„Starte Aufstieg“, wiederholte die Plattform und sie schossen weiter in den Himmel.

Nach etlichen Sekunden wurde die Scheibe langsamer. Über ihnen sahen sie noch immer nichts. Alle fragten sich wohin die Reise denn ging. Dann auf einmal wurde alles Schwarz. Nur im Inneren der Schildkuppel konnten sie etwas sehen.

„Authentifizierung erforderlich“, verlangte die KI und in der Mitte der Plattform schob sich eine kleine runde Säule empor. Sie bestand aus silbernen Kristallen. Isaak trat vor und legte eine Hand auf die Struktur. Dann sagte er: „Wächter Isaak.“

„Stimmauthentifizierung abgeschlossen, DNA-Profil wird geprüft.“ Es dauerte eine Sekunde, dann antwortete die KI: „DNA-Profil korrekt.“

Die kleine Säule schob sich wieder in den Boden. Zudem löste sich das bläuliche Schild um sie her auf und von allen Seiten wurden sie von Licht geblendet.

„Willkommen im Wetterkontrollobservatorium“, flötete die KI.

Das zoologische Forschungsinstitut

Als sie sich an die geänderten Lichtverhältnisse angepasst hatten, sahen sie, dass sie in einem großen runden Raum standen. Die Wände, die Decke, einfach alles bestand aus dem silbernen Material aus dem auch der Aufzug war. Eine feine Linie auf dem Boden zeigte an, wo sich die Plattform befand. Das Licht selbst schien aus dem Nichts zukommen. Sie konnten keine Lampen oder sonst etwas erkennen. Der Raum war vollkommen schmucklos und leer. Es gab keine Fenster, keine Treppen einfach gar nichts.

Isaak schmunzelte und stieg von der Plattform. „Also, es gibt Bereiche zu denen nur Wächter Zutritt haben. Zum Beispiel die Zentralkammer. KI, Lageplan.“

Eine in der Luft schwebende silbrige Kugel erschien, dann klappte sich unten eine Scheibe auf und sie sahen einen runden leeren Raum. Im Inneren des Raumes leuchteten kleine rote Punkte. „Das“ er zeigte auf die Punkte. „Sind wir. Die Steuerung ist intuitiv.“ Er machte eine einfache Abwärtsbewegung und die nächste Scheibe löste sich aus der Karte. Detailliert stellte sie das nächste obere Geschoss da.

„Es ist ganz einfach. Ihr könnt einfach auf einen Raum tippen oder der Matrix den entsprechenden Befehl geben. Wichtig ist nur, dass ihr immer das Befehlswort KI davorsetzt.“ Er machte eine wischende Bewegung und die Karte verschwand.

Isaak sah zu der Gruppe und lächelte. „Wirklich simpel. Ich zeige es euch mal. Macht es mir einfach nach. Bis gleich.“

Dann befahl er: „KI, bring mich zur Aussichtsplattform.“ Eine Art Pling erklang. Dann verfärbte sich ein kleiner Kreis auf dem Boden um den Wächter herum rot. Zusätzlich wurde dieser von einem bläulichen Schild umhüllt. Die kleine rote Scheibe schoss plötzlich in die Höhe und auf die Decke zu. Alle rissen die Augen auf und dachten, dass der Rotblonde gegen die Decke krachen würde. Dann öffnete sich ein Loch in der Decke und der Wächter flog durch dieses. Hinter ihm schloss sich das Loch wieder.

Die anderen standen mit offenen Mündern da. Dann schüttelte Bella dann Kopf und befahl: „KI, bring mich zur Aussichtsplattform.“ Ein anderer Ton erklang und die Frauenstimme sagte: „Befehl nicht ausführbar. Bitte verlassen sie die Aufstiegsplattform und wiederholen sie den Befehl.“

„Oh“, sage die junge Dame und hüpfte ausgelassen von der Plattform. Augenblicklich war Edward hinter ihr und schlag die Arme um sie. Bella kicherte und befahl: „KI, bring uns zur Aussichtsplattform.“ Diesmal erklang das Pling. Ein größerer roter Kreis erschien diesmal auf dem Boden. Dann schossen die beiden, eingehüllt von einer Barriere, davon.

„Wartet, lass mich nicht allein“, rief ihnen Jake hinterher. Da waren sie schon durch die Decke gesaust. Ungehalten sprang der Beta von dem Aufzug und brabbelte: „KI, bring mich zur Plattform.“

„Welche Plattform meinen Sie?“, fragte die Frauenstimme und der Lageplan erschien vor seinen Augen. Die Kugel spaltete sich mehrfach auf und einige Bereiche wurden grün umrandet.

„Die Aussichtsplattform. Bring mich zur Aussichtsplattform“, sagte er diesmal mit fester Stimme. Aber, nichts passierte. Er kratzte sich am Kopf und fragte: „KI?“

„Was kann ich für Sie tun?“, wollte diese wissen.

„Bring mich zur Aussichtsplattform“, knurrte er angefressen. Wieder passierte nichts. Isaak sagte durch ihre Verbindung: „Schatz, du musst jeden Befehl mit KI beginnen.“

„Ach so“, gab er schnell zurück und sagte Laut: „KI, bring mich zur Aussichtsplattform.“

Diesmal erklang das Bestätigungsgeräusch und er schoss davon. Nachdem er die Decke passiert hatte, sah er sich staunend um. Die Sphäre war innen offenbar hohl. Es gab dort einen gigantischen kugelförmigen Raum. Fast der ganze Bereich war mit einer detaillierten, leicht durchsichtigen, Darstellung der Erde ausgefüllt.

Dieser riesige Globus zeigte nicht nur Landmassen und Ozeane, nein auch das Wetter. Er konnte erkennen, dass es zu Hause offenbar regnete, jedenfalls an den dunklen Wolkenformationen gemessen, welche diesen Bereich überdeckte. Durch den Atlantik hindurch konnte er in das Innere der Darstellung sehen. Im Zentrum befand sich ein, mit einer Barriere abgeschirmter Bereich. Das war wohl die Zentralkammer.

Rund um den Globus waren Stockwerke mit je einem Laufsteg, inklusive Geländer angeordnet. Alles bestand aus dem silbernen Material.

Jake flog immer höher, wobei sein Aufzug dem Globus auswich. Dann schoss er auf die Decke des Raumes zu und dieses öffnete sich, kurz bevor er mit ihr kollidierte. Dennoch presste er die Augen zusammen und wartete. Es gab erneut ein leises Pling und er wagte einen Blick.

Sie standen im Freien. Jedenfalls gab es keine Wände. Eine weitere bläuliche Kuppel überspannte das Areal. Die Plattform maß nur etwa zwanzig Meter im Durchmesser und befand sich offenbar an der Spitze der Sphäre. Von seiner Position aus konnte er nichts anderes sehen als den blauen Himmel und einige wenige Wolkenfetzen.

Vom Rand der Plattform her winkte ihm Isaak fröhlich zu und er sprang schnell auf diesen zu. Diesmal gab es ein Geländer, dass machte es ihm deutlich leichter bis an den Rand zu gehen.

Der Wächter stellte sich hinter seinen Freund und nahm ihn in die Arme. Dann sagte er mit ruhiger Stimme. „Schau dir diese Aussicht an.“

Jake wagte einen Blick über den Rand der Plattform und staunte. Er konnte kilometerweit sehen. Unter ihnen erstreckte sich die Wüste, in der sie einen Tag verbracht hatten. Von hier oben aus sah er auch, dass die Sandfläche gar nicht so groß war. Sie mussten von der einen Seite zur anderen gelaufen sein. Drumherum war eine eher karge Landschaft mit Steinen, Felsen und Sand. Er konnte sogar einige kleine Zeltdörfer erkennen.

Jake entspannte sich und ein Seufzen entfuhr seinen Lippen. „Schön, nicht?“, flüsterte der Wächter ihm ins Ohr und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Das verstehe ich nicht“, sagte Edward nachdenklich. „Müssten wir nicht unter uns die Kugel sehen? Die war doch größer als dieser Bereich hier.“

„Oh, das liegt daran, dass die Außenhülle so modifiziert ist, dass man komplett hindurchsehen kann. Sonst hätten die Menschen diesen Außenposten schon längst gefunden. Auch wir sind unter dem Schild unsichtbar, von außen gesehen“, erklärte der Rotblonde leichthin, als wäre es das Normalste der Welt, dass es diese riesige fliegende, durchsichtige Kugel gab.

„Und was ist, wenn ein Flugzeug der Kugel zu nahekommt?“, hakte der Vampir nach.

„Das fliegt dann einfach durch den Außenposten durch. Das Wissen, wie genau das geht, ist geheim. Was ich dir sagen kann ist, dass die Kugel leicht phasenverschoben ist. Weder das Flugzeug, noch der Posten werden bei einem Durchflug beeinträchtigt.“

Irritiert runzelten die drei restlichen Personen die Stirn und zuckten synchron mit den Schultern. Dann wandten sich alle von dem Wächter ab.

Noch einen Moment lang standen alle vier schweigend da und genossen die Aussicht, dann löste sich Isaak von seinem Freund und sagte: „Ich fange dann mal an die Kernsysteme hochzufahren. Tobt euch ruhig aus. Alle Bereiche mit gefährlichen Dingen sind abgeriegelt, also keine Angst.“

„Warte“, sagte Bella und hielt den Wächter auf. „Was sollen wir in der Zeit machen? Und wie lange brauchst du dafür?“

„Es gibt hier so einiges Interessantes. Ihr findet bestimmt etwas, mit dem ihr euch beschäftigen könnt. Ruft einfach nach der Karte und seht es euch selbst an. Ich werde wohl so in etwa drei Stunden benötigen“, sagte der Wächter und drehte sich um.

„Eine Dusche wäre schön“, sagte Bella.

„Es gibt ein kleines Gästezimmer mit Dusche“, verriet der Rotblonde. Entschuldigend fügte er hinzu: „Dieser Außenposten ist recht klein und nicht dazu gedacht Besucher zu empfangen.“

„Was ist mit der KI? Die wirft uns nicht einfach raus oder macht etwas Ähnliches, wie die andere, oder?“, fragte die junge Dame mit zittriger Stimme.

Isaak grinste über die Schulter und schüttelte den Kopf. „Nein. Im eigentlichen Sinne ist sie auch keine KI. Sie ist nicht mehr als ein Computer mit Sprachsteuerung. Sie denkt nicht, ist nicht intelligent und macht nur das was man ihr sagt. Ein sehr rudimentäres System. Wir hatten nie wirklich Interesse daran es auszubauen. Es tut, was es soll, mehr interessiert uns nicht.

Wenn ihr etwas nicht versteht oder nicht wisst was es ist, dann fragte die KI, aber erwartet keine geistreichen Antworten. Viele Informationen sind auch für Nichtwächter verriegelt, zum Beispiel alles was mit Magie und Technologie zu tun hat. Ihr werdet also nicht erklärt bekommen, wie ein Gerät irgendwas macht, oder einen Bauplan erhalten. Ihr könnt aber fragen, was die Funktion ist und wie man es bedient.

So nun muss ich aber los. In diesem Außenposten gibt es nichts zu Essen. Wenn alles gut geht, sind wir gegen Mittag im nächsten, dort werden wir dann auch übernachten.“

Mental fragte Jake: „Darf ich mitkommen?“

„Tut mir leid, Wölfchen, aber die Zentralkammer darf nur ich betreten. Es sind doch nur drei Stunden, dann hast du mich wieder. Leider muss ich auch die geistige Verbindung unterbrechen. Das was ich tue muss ich vor dir verbergen. So sind nun einmal die Regeln. Zudem benötige ich meine volle Konzentration“, antwortete Isaak durch die Verbindung.

Schnell raubte sich der Beta noch einen Kuss, da sagte der Wächter auch schon: „KI, bring mich zur Zentralkammer.“ Nur wenige Augenblicke später war er auch schon weg. Auch spürte Jake wie sein Freund sich vor ihm abschottete. Unwillkürlich musste er schlucken. Er hatte sich so daran gewöhnt, stets und ständig mit Isaak verbunden zu sein, dass es ihm nun vorkam, als hätte man ihm einen Teil seiner selbst entrissen.

Der Wolfsjunge ließ kurz den Kopf hängen. Dann sah er zu den anderen und setzte ein falsches Lächeln auf. „Na dann erstmal duschen würde ich sagen. KI, bring uns drei in das Gästezimmer.“

Die Reise dauerte nicht sehr lange. Der gewünschte Raum war lediglich einen Stock tiefer. Die Außenwand war aus Glas, oder aus etwas anderem, bei den Wächtern konnte man ja nie wissen, sie war jedenfalls durchsichtig. Es gab ein einfaches Doppelbett und einen kleinen schmucklosen Schreibtisch. Der Raum wirkte sehr spartanisch. Das passte zu dem, was sie bisher über die Wächter wussten.

Eine Tür führte zu einem kleinen Bad. Hier gab es eine Überraschung. Auch hier war die Außenwand durchsichtig. Beim Duschen konnten man direkt in den blauen Himmel sehen. Zudem waren in dem Raum nur noch eine Toilette, eine Dusche und ein einfaches Waschbecken. Es gab keine Handtücher, Toilettenpapier oder Schränke. Nur eine seltsame Ablage ragte aus der Wand.

Irritiert deutete Jake auf diese und fragte: „Was soll denn das sein?“

„Keine Ahnung“, kam es von Bella. Diese war einerseits fasziniert von der Dusche, aber auch entsetzt über die karge Einrichtung.

„Hm“, sagte der Vampir drängte sich in den Raum und fragte laut: „KI, was ist das?“ er deutete auf die Fläche vor sich.

Die Frauenstimme antwortete: „Dies ist eine Reinigungs- und Wiederherstellung Plattform.“

„KI, was ist eine Reinigungs- und Wiederherstellung Plattform?“, fragte Bella, welche den Faden aufgenommen hatte.

„Diese Gerät ist für das Reinigen und Wiederherstellen von nicht lebenden Festkörpern aller Art ausgelegt.“

„Ok. Ich glaube das ist sozusagen eine Art Waschmaschine und Schneider in einem“, setzte Edward die Angaben der KI in verständliche Sprache um.

„Das versuchen wir doch gleich mal“, sagte Jake und zog sich das T-Shirt aus. Dann packte er das verschwitzte Teil auf die Plattform. Einen Augenblick passierte nichts, dann tauchte eine Art Display auf. Darauf befanden sich drei beschriftete Felder: Reinigen, Wiederherstellen, Beides.

Mutig drückte Jake auf Reinigen. Ein Kraftfeld überspannte den Bereich und es summte ein wenig. Auf dem Display lief ein Timer von zehn Sekunden rückwärts. Alle warten gespannt. Als die Zahl auf null sprang, verschwand das Kraftfeld und der Beta zog vorsichtig sein T-Shirt zu sich. Er roch daran und hielt es weit von sich.

„Boar, das stinkt. Vorher wars es deutlich besser“, murrte der Wolfsjunge.

Bella schnappe sich der Shirt und roch daran. „Das stinkt doch nicht, das ist Veilchen.“

„Ja, das stimmt“, bestätigte Edward und drückte auf dem Display auf ein kleines Zahnradsymbol. Einige Einstelloptionen wurden angezeigt. Der Vampir drückte auf Duft und das Display wurde größer. Mehrere Blumendüfte waren farblich hervorgehoben unter anderem auch Veilchen.

„Ah“, sagte der Blutsauger. Er deaktivierte alles und wählte Wald, aus. „Versuche es jetzt nochmal.“

Gesagt getan. Nach weiteren zehn Sekunden roch der Wolfsjunge abermals an den Klamotten und seufzte erleichtert auf. Viel besser. Jetzt roch sein Shirt so vertraut wie sein Zuhause. Genau sein Geschmack.

Bella und zu Jakes Verdruss auch Edward, schnüffelten an dem Stoff. „Cool“, sagte Bella und in ihren Augen glitzerte es. Die beiden Männer sahen sich an. Die junge Dame hatte also eine Beschäftigung für die nächste Zeit gefunden.

Bevor sie jedoch sich an dem Gerät festbeißen konnte, frage Jake: „KI, wo sind die Handtücher?“

„So etwas gibt es hier nicht“, sagte die Frauenstimme und alle schauten sich an. Sie versuchten verschiedene Fragen und kamen jedoch zu keinem Ergebnis.

Nach knapp drei Minuten platzte Jake der Kragen und er knurrt: „KI, wie trockne ich mich ab?“

„Wenn Sie abgetrocknet werden wollen, befehlen Sie einfach Abtrocknen.“

Ungläubig starrten sie sich gegenseitig an. So langsam verstanden sie, was der Wächter damit gemeint hatte, als er sagte das System sei recht simpel.

Bella schaute schon wieder gierig zu der Reinigungsablage. Schnell entschied Jake: „Ich gehe zuerst duschen und teste das mal. Nicht, dass Bella am Ende die Haut abgezogen wird oder so.“ Dann begann er einfach sich auszuziehen, womit er die beiden anderen erfolgreich in die Flucht schlug.

Bevor er duschte, wandte er sich zur Toilette. Auch hier war es ganz einfach. Er musste nur genau befehlen was er wollte und die KI tat das. Um sich später nichts anhören zu müssen, versuchte er es erneut mit: „KI, Raumspray Waldduft.“ Auch das funktionierte.

Dieser Geruch erinnerte ihn an zu Hause und hatte es ihm irgendwie angetan. Während er gleich die ganze Tasche mitsamt Inhalt reinigen und parfümieren ließ, ging er duschen. Das Abtrocknen war ein seltsames Erlebnis. Es fühlte sich so an, als ob er mit einem unsichtbaren Abzieher von Kopf bis Fuß vom Wasser befreit wurde. Einzig und allein seine Haare wurden nicht ganz trocken.

Wenig später kehrte er, eingehüllt in eine Wolke Waldaroma, in das Schlafzimmer zurück. Sofort schoss Edward ins Bad. Der Beta war rundum zufrieden mit sich und warf sich zu Bella auf das Bett, auf genau die Stelle, wo zuvor noch der Vampir gelegen hatte. „Gleich mal das Revier markieren“, dachte er sich und rieb sich an dem Laken.

Schnell schnupperte die junge Dame an ihm und seufzte. „Das riecht wie daheim.“

„Ja, super, nicht wahr?“, scherzte der Wolfsjunge und streckte sich genüsslich.

„Passt zu dir“, grinste sie zurück.

„Wenn du nichts dagegen hast, mache ich mal ein Nickerchen“, gähnte Jake und schloss die Augen.

„Mach das“, sagte sie und machte es sich ebenfalls bequem. Seitdem die seltsame Beziehung zwischen ihnen geklärt war, hatte der Wolfsjunge aufgehört zwanghaft einen Körperkontakt herzustellen. Bella sah das mit gespaltener Meinung. Einerseits vermisste sie die liebevollen Berührungen des anderen, andererseits war sie froh ihrem besten Freund keine Abfuhr mehr erteilen zu müssen. Für Jake stellten diese Kontakte immer etwas anderes da, als es für sie der Fall gewesen war.

Dann zuckte sie mit den Schultern und schmiegte sich an den Beta neben sich. Er war so schön warm. Auch wenn es in diesem Raum nicht kalt war, so hatte sie doch das Bedürfnis, sich an den anderen zu kuscheln. Mit angehaltenem Atem wartete sie dessen Reaktion ab.

Liebevoll tätschelte er ihr die Schulter und legte einen Arm schützend um sie. Diesmal fühlte es sich aber richtig an. Es war eine rein freundschaftliche Geste, von keinem der beiden gingen stärkere Gefühle aus. Auch zog Jacob sie nicht weiter an sich, so wie er es früher getan hatte. Ja, sie liebten sich, aber nicht wie ein Liebespaar, sondern wie Geschwister.

Wie zur Bestätigung dieser Annahme murmelte der Beta: „Ich liebe dich, kleine Schwester.“

Bella seufzte und flüsterte zurück: „Ich dich auch, Kleiner.“

Jake schnaubte und sein Brustkorb hüpfte ein wenig. Belustigt sagte er: „Sagte der Gartenzwerg.“

Auch die junge Dame grinste und erwiderte: „Pass bloß auf. David besiegt Goliath.“

Beide lachten und die Welt war für sie in Ordnung. Ein wenig miesepetrig sah Edward den beiden zu. Dann sagte er mit seiner melodischen Stimme: „Das Bad ist frei, Schatz.“ Seine Kleidung war wieder vollständig intakt und er roch leicht nach verschiedenen Blumen.

Wie von der wilden Tarantel gestochen sprang Bella auf und stürmte in den anderen Raum. Sie sagte noch: „Bis später“, da schloss sich auch schon die Tür. Die beiden zurückgebliebenen Männer sahen sich kurz in die Augen. Beide wussten, so schnell würde sie die junge Dame nicht wiedersehen.

Während sich Jake mit einem Grinsen weiter auf dem Bett ausbreitete, ging Edward zu dem Bürostuhl und beschäftigte sich damit, der KI Fragen zu stellen. Der Beta achtete nicht besonders auf den Blutsauger, bekam aber mit Genugtuung mit, dass die Frauenstimme immer mal wieder sagte: „Diese Information ist für Sterbliche gesperrt.“

Jake konnte sich ein bissiges Kommentar einfach nicht verkneifen: „Tja, offenbar gelten Blutsauger in den Augen der Wächter nicht als unsterblich. Würde mir zu denken geben.“

Gekonnt wurde er ignoriert und Edward machte einfach weiter mit seinen Fragen, während der Beta nun vollends einschlief.
 

Es klopfte. Jake schlug die Augen auf und saß kerzengerade im Bett. Wachsam sahen er und der Blutsauger zur Zimmertür.

„Darf ich reinkommen?“, fragte Isaaks gedämpfte Stimme.

„Klar“, erwiderte der Wolfsjunge und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Die Verbindung war wieder da. Wären sie allein gewesen, so schwor er sich, dann hätte er seinen Freund nun besprungen und ihm am Boden festgenagelt. Da ihm dieses Verhalten aber einen Biss eingebracht hätte, weil es nicht gerade männlich war, entschied er sich dagegen. Außerdem hatte er keinen Bock, dass der Blutsauger ihnen dabei zusah. Der war eh der Stimmungskiller schlechthin, die olle Diskokugel.

Langsam kam der Wächter in den Raum und sah sich irritiert um. „Wart ihr die ganze Zeit in diesem Zimmer?“

„Ja“, antwortete Edward und entspannte sich ebenfalls.

„Seltsam. Normalerweise wandern Besucher immer umher und sehen sich alles an“, flüsterte der Rotblonde.

Die beiden anderen nickten zum Bad hin und Jake erklärte: „Bella hat sich offenbar an der Waschmaschine festgesaugt.“

„Sie ist schon seit Stunden da drin“, ergänzte der Vampir und grinste süffisant.

„Ah, du meinst die Reinigungs- und Wiederherstellungs-Plattform. Ich verstehe. Seitdem eine meiner Vorgängerinnen die Duftfunktion hinzugefügt hat, übt sie eine seltsam starke Faszination auf Frauen aus. In der Bedienungsanleitung steht sogar ein Hinweis zu diesem Phänomen. Dennoch ist es nur eine unbedeutende Spielerei“, erklärte Isaak und grinste.

Dann sagte er laut: „Bella, ich bin fertig. Du brauchst keine Angst zu haben, diese Plattformen haben wir in allen Außenposten installiert. Du hast noch ein paar Tage Zeit alles auszutesten.“

„Komme“, erklang die Stimme der jungen Dame und sie betrat den Raum.

„Hyazinthen“, sagte Isaak und Edward nickte eifrig. Jake hingegen verzog leicht das Gesicht. Unvermittelt maulte er zu seinem Freund: „Wehe du rennst auch mit so nem Blumenduft rum.“

„Keine Sorge, ich bevorzuge andere Aromen“, lachte der Wächter. Dann sagte er: „Kommt, ich will euch noch was zeigen bevor wir verschwinden.“

Er öffnete die Tür und alle folgten ihm. Zur Sicherheit nahm Jake auch gleich ihr Gepäck mit.

Sie traten auf den inneren Rundweg und Isaak deutete auf den großen Globus. „Ich habe schon etliche Stunden damit zugebracht von hier die Welt zu beobachten.“ Er seufzte.

Die anderen stimmten zu und Jake nahm seinen Freund von hinten in den Arm. Edward tat das Gleiche mit Bella. Alle starrten eine Weile auf die sich langsam drehende Darstellung der Erde.

Unvermittelt fragte der Vampir: „Was genau macht dieses Wetterkontrollobservatorium? Was ist ihr Zweck?“

„Hm, ich nehme mal an, die KI wollte das nicht verraten, oder?“, harkte Isaak nach.

„Ja“, bestätigte Jake. Diese Frage hatte er noch mitbekommen.

Der Wächter schüttelte sanft den Kopf und sagte: „Ich habe euch schon zu viel erzählt, da macht es keinen Unterschied, wenn ich das auch noch offenbare. Dieser Außenposten überwacht das weltweite Wetter und greift regulierend ein, falls es zu Problemen kommt.“

„Was?“, stieß der Blutsauger aus. „Ich dachte, ihr mischt euch nicht ein?“

„In der Vergangenheit war das Wetter bei weitem unbeständiger. Es stellte eine Bedrohung dar, also haben wir es gebändigt. Diese Maschine sorgt für optimale Bedingungen, damit das Leben im Allgemeinen erblühen kann. Das ist auch der Grund, warum die Menschen es einfach nicht schaffen, das Wetter genau vorherzusagen. Sie wissen nicht, dass die Wächter ihre Finger im Spiel haben.“

„Aber warum gibt es dann immer noch Hurrikans und solche Dinge?“, warf Bella fasziniert mit ein.

„Sagen wir mal so, wenn das Wetterkontrollobservatorium nicht eingreifen würde, dann wären diese Ereignisse um einiges Schlimmer. Es ist nur eine kleine Korrektur, keine vollständige Kontrolle vorgesehen. Das Wetter an sich ist ein natürliches Phänomen. Es gehört dazu und es hilft dem Planeten sich zu erneuern. Alles Schädliche zu entfernen, würde ebenfalls eine Gefahr für alles Leben bedeuten. Das ist der ewige Kreislauf von Leben und Tod.“

Isaak seufzte schwer: „Aber es wird schlimmer. Seitdem die Menschen die globale Erwärmung vorantreiben, muss immer mehr eingegriffen werden. Vielleicht wird der Tag kommen, an dem ich oder mein Nachfolger die Maschine abstellen und die Erde sich selbst überlassen muss. Das würde dann sprichwörtlich eine Apokalypse auslösen. Wir bereiten uns schon seit langem auf dieses Szenario vor.“

„Was meinst du damit?“, fragte Jake unruhig nach.

„Das ist Geheim“, sagte Isaak mit einem Grinsen im Gesicht. „Wenn ihr wollt, können wir sofort aufbrechen. Ich bin hier fertig.“

„Na dann. Von mir aus können wir los“, gab Bella zum Besten und alle stimmten ihr zu.

Isaak schmunzelte und befahl: „KI, bring uns alle zur Aufstiegsplattform.“

Das Pling erklang und sie wurden als eine Gruppe von dem blauen Kraftfeld umgeben. Dann schossen sie auf den Boden zu. Jake klammerte sich an Isaak, dieser streichelte ihm sanft über die Arme. Nach nur wenigen Sekunden erreichten sie auch schon den Eingangsbereich.

Der Wächter stellte sich auf die Scheibe und zog seinen Freund gleich mit. Dieser schnappte sich noch schnell die Tasche im Vorbeigehen. Auch die anderen beiden gesellten sich zu ihnen.

„So, habt keine Angst, euch kann nichts passieren“, beruhigte Isaak die Gruppe und forderte laut: „KI, starte Teleportation. Ziel: Außenposten 3.“

„Verstanden. Teleportationssequenz initiiert. Auf Wiedersehen, Wächter“, flötete die Frauenstimme.

Wie schon so auf dem Hochweg erschien ein blau schimmernde Kuppel um sie herum. Bevor sie sich jedoch Gedanken machen konnten, verschwand die Welt um sie herum und wurde schwarz.

Alle, außer der Wächter, zuckten zusammen, als eine tiefe Männerstimme sagte: „Authentifizierung erforderlich.“

Wie zuvor im ersten Außenposten sahen sie nichts außerhalb des Kraftfeldes. Zudem wuchs abermals die silberne Kristallsäule in der Mitte der Plattform empor. Isaak legte eine Hand auf und sagte seinen Namen. Nachdem die männliche KI mit der DNA-Analyse zufrieden war, erlosch der Schutzschild um sie herum.

Die KI begrüßte sie mit: „Willkommen im zoologischen Forschungsinstitut.“

Es war immer noch stockdunkel, dann ging langsam das Licht an. Der Raum sah ähnlich aus, wie der aus dem gerade herkamen. Der Boden bestand offenbar aus glänzendem schwarzen Granit mit weißen Einschlüssen. Die Kuppelförmige Decke war rabenschwarz.

Isaak grinste und befahl: „KI, aktivierte Aussichtsmodus.“

Ein Pling, wie in der anderen Struktur erklang, und die Kuppel um sie herum wurde durchsichtig. Erstaunt stellten alle fest, dass diese entweder aus Glas bestand oder ein Schutzschild war. Dann leuchtete sie kurz auf und gab die Aussicht auf eine blaue Umgebung preis. Alle stürzten an den Rand und sahen sich interessiert um.

Zu allen Seiten und nach oben hin war alles dunkelblau. Direkt um sie herum sahen sie eine karge Felsenlandschaft. Dann fiel ihr Blick auf eine gigantische Qualle, welche am Schirm leuchtete, wie ein Karussell auf dem Jahrmarkt.

„Wir sind Unterwasser“, sagte Edward verblüfft.

„Um genau zu sein befinden wir uns am Grund des Mariannengrabens, in zirka 11.000 Meter Tiefe“, erklärte der Wächter und zeigte zu einer Seite. „Dort könnt ihr eine der Wände des Grabens sehen.“

Die anderen sahen mit offenen Mündern auf eine massive Bergflanke.

„Dort seht ihr ein paar schwarze Raucher. Es ist sehr interessant die Tiere dort zu beobachten“, offenbarte der Rotblonde und zeigte der Gruppe einen dieser kleinen Unterwasservulkane, welcher keine zehn Meter vor ihnen aus dem Boden ragte.

Durchscheinende Korallenstrukturen umgaben den Schlot. Dazu gelbliche Muscheln und schneeweiße Krebse. Am Interessantesten waren die etwa ein Meter langen röhrenartigen Gebilde, welche außen weiß waren und an ihrer Spitze ein blutroter Schwamm herausragte.

„Wow“, entfuhr es Bella und Jake ehrfürchtig.

„Ich dachte nicht, dass ich jemals ein solches Biotop mit eigenen Augen zu Sicht bekommen“, gestand der Vampir.

„Was sind das da für Röhrendinger?“, fragte Bella aufgeregt.

„Das sind Bartwürmer“, erklärte ihr Edward und benannte auch die anderen Arten: „Das sind Hoff-Krabben und das da Venusmuscheln.“

„Da bin ich ja überflüssig“, gluckste der Wächter.

Tief unten im Ozean

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Projekt Phönix

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Missgeschick

„Jake“, flehte eine atemlose Stimme. „Nicht so fest.“

Er spürte wie etwas an seinen Armen zog. Ein dunkles Grollen entwich ihm und er kämpfte sich langsam aus dem Schlaf. Ein warmer Körper lag vor ihm und wand sich. Das störte ihn, er wollte weiterschlafen und verstärkte seine Umarmung.

„Jake, Luft“, stammelte die Stimme verzweifelt und etwas kratze ihm schmerzhaft über die Arme. Er wusste einfach, dass sein Freund in seinen Armen lag. Niemals würde zulassen, dass irgendjemand ihm diesen wegnahm und er presste sich mit aller Gewalt an seinen Geliebten.

Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Es gab ein grässliches Knacken und der Widerstand seiner Umarmung gab ein wenig nach. Dann durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz, als sich Fingernägel in seine Arme bohrten.

Bei diesem Schmerz zog er schützend seinen Freund noch enger an sich. Er glaubte jemand würde ihm wehtun wollen. Er musste ihn beschützen.

Isaak schrie vor Schmerzen auf und Jake wurde mit einem Windstoß weg katapultiert. Noch im Flug riss er panisch die Augen auf und versuchte sich, wie eine Katze, so zu drehen, dass er auf allen Vieren aufkommen würde. Ob dieses Vorhaben erfolgreich gewesen wäre, würde er nie erfahren. Bevor er den Boden berührte, krachte er gegen die Wand und sackte kurz zusammen.

Sein Rücken und seine rechte Schulter taten ihm weh. Dennoch sprang er augenblicklich und kampfbereit auf die Füße. Sein ganzer Körper bebte vor Zorn. Die Verwandlung war bereits eingeleitet. Wo war der Feind? Wer hatte seinem Geliebten weh getan? Er würde ihn auf der Stelle in Fetzen reißen. Sein Blick war wild und ein roter Schimmer lag über seiner Sicht.

Er blinzelte und konnte niemanden sehen. Vielleicht hinter dem Bett. Mit gefletschten Zähnen und seine Finger zu Klauen gekrümmt, sprang er um das Möbelstück herum. Aber auch dort war keine Gefahr zu erkennen.

Irritiert ruckte sein Kopf herum. Er schnüffelte, aber er roch nur sich selbst und Isaak. Dann fiel sein Blick auf seinen Freund. Dieser lag auf dem Bett die Arme schützend um die Brust gelegt. Sein Gesicht war schmerzerfüllt. Da sich der Mund seines Freundes öffnete und schloss, redete er offenbar. Jake jedoch konnte nur das Rauschen des eigenen Blutes hören.

Da keine Gefahr zu finden war, gab er seine Kampfhaltung auf und beruhigte sich etwas. Der Rotschleier lichtete sich. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah er die roten Lippen. Ein kleines Rinnsal Blut lief seinem Freund über die Backe. Darunter und davor hatte sich eine große dunkelrote Lache gebildet. Das ganze Bett war übersät von Blutspritzern.

Isaak hob einen zitternden Arm und sprach immer noch ungehört. Als der Wolfsjunge die blutigen Fingernägel des anderen sah verstand er endlich, er war die Gefahr. Er hatte seinen Geliebten so stark gedrückt, dass er ihm offenbar die Rippen gebrochen hatte.

Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht und die Knie gaben ihm nach. Kraftlos und zitternd vor Reue, sackte er zusammen. Was hatte er nur getan? Er hatte ihm weh getan. Ihm die Knochen gebrochen. Der andere hatte ihn angefleht die Umarmung zu lockern und er hatte genau das Gegenteil getan.

Das Rauschen in seinen Ohren ließ nach und er verstand, was sein Freund sagte. „Jake, beruhige dich. Alles wird wieder gut. Pass auf deine Arme auf.“

Mechanisch sah er nach unten und sah die Wunden, welche der andere ihm zugefügt hatte, in dem verzweifelten Versuch sich zu befreien. Tiefe Kratzer hatten seine Haut völlig verunstaltet. Er konnte sogar die Muskeln darunter erkennen. Blut quoll ungehindert aus den Wunden und sprudelte zu Boden.

„Leg dich hin, du dummer Wolf, du hast zu viel Blut verloren“, mahnte Isaak gequält.

Jake sah auf und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Reuevoll stammelte er: „Es tut mir leid.“

„Ich weiß, es war keine Absicht“, sagte der Wächter und versuchte es mit einem Lächeln, das eher einer Fratze glich.

„Was kann ich tun? Wie kann ich dir helfen?“

„Leg dich endlich hin, bevor du umkippst“, schimpfte der Rotblonde und machte doch tatsächlich Anstalten aufzustehen. Als er sich auf einen Arm stützte, zucke er schmerzerfüllt zusammen und schrie auf.

Dann gab es eine plötzliche Veränderung. Aller Schmerz wich aus dem Gesicht des Wächters und er sprang mit einem Satz auf. Bevor Jake wusste wie ihm geschah, hatte sein Freund das Lacken in Fetzen gerissen und seine Arme notdürftig bandagiert. Dann setzte er sich hinter den Wolfsjungen, zog diesen an sich und streichelte ihn sanft.

„Sch…, ganz ruhig, es wird gleich besser. Deine Selbstheilung schließt bereits die Wunden“, redete Isaak auf ihn ein.

Erst jetzt bemerkte er den Schmerz seiner Verunstaltung, aber das war ihm schlicht egal. Wie konnte sein Freund ihn beruhigen, wenn er doch der Übertäter war? Mit einem dicken Kloß im Hals schluchzte der Gestaltwandler: „Es tut mir so leid, Schatz.“

„Sch…, beruhige dich. Mir geht´s gut. In ein paar Minuten kann ich dich heilen. Versuche einfach dich zu entspannen“, versuchte der Rotblonde in auch weiterhin zu beruhigen.

Jake aber wollte sich nicht beruhigen und schon gar nicht geheilt werden. Es war seine Schuld und der Schmerz war die Strafe für sein Vergehen. Vorsichtig löste er sich von dem anderen, darauf bedacht ihm keinen weiteren Schaden zuzufügen, ging auf die Knie und musterte den Mann vor sich argwöhnisch.

Isaak lächelte ihn liebevoll an und streichelte ihm sanft über die Oberarme. Dann sah er dessen eingedrückte, unförmige Brust und wurde leichenblass. Das hatte er ihm angetan.

„Jake, bitte leg dich hin. Du siehst gar nicht gut aus“, bat sein Freund und hielt ihn an den Oberarmen fest, weil er glaubte, der anderen stehe kurz vor einen Zusammenbruch.

Der Wolfsjunge wehrte sich und Tränen schossen ihm in die Augen. „Lügner“, schluchzte er und deutete auf dessen Brust. „Dir geht’s überhaupt nicht gut.“

„Zumindest habe ich keine Schmerzen“, gab Isaak zu und setzte nach: „Du schon und das ist meine Schuld. Ich bin in Panik geraten und habe dich übel zugerichtet. Tut mir…“

Mit einer Hand unterbrach Jake den anderen und sagte: „Das habe ich auch verdient. Ich habe dir weh getan. Wage es ja nicht mich zu heilen. Kümmere dich nur um dich. Ich komme schon klar.“

„Du hast viel Blut verloren. Selbst ein starker Gestaltwandler wie du kann nicht alles kompensieren“, mahnte der Wächter vorwurfsvoll.

Sein Freund winkte ab und fragte: „Was habe ich dir angetan?“

„Mich ein wenig zu sehr liebgehabt, würde ich sagen“, versuchte Isaak der Frage auszuweichen und die Situation runterzuspielen.

„Verarsch mich nicht“, knurrte der Beta. „Sag schon. Wie schwer habe ich dich zugerichtet?“

„Leg dich hin, bitte. Du zitterst und bist kreideweiß“, kam schon die nächste Ablenkung.

„Du hast mir versprochen: Keine Geheimnisse mehr. Sag es endlich.“

Unwillig neigte der Wächter den Kopf leicht zur Seite. Noch gab er aber nicht auf und forderte: „Zuerst hinlegen.“

„Setzen“, verhandelt der Wolfsjunge und ließ sich auf den Boden plumpsen.

„Hinlegen!“, beharrte Isaak.

„Nein“, gab Jake ruhig zurück. „Spuck´s jetzt aus.“

„Das fällt in die Kategorie: das willst du nicht wissen“, kam auch schon das nächste Manöver.

„ISAAK!“, grollte Jake erbost und funkelte seinen Freund mit einem Todesblick an. „Wir hatten einen Deal, halte dich an den Wort.“

Wie geschlagen zuckte der Wächter zusammen. Kleinlaut sagte er: „Keine Sorge in ein paar Minuten ist es geheilt.“

Gut dann eben die harte Tour, dachte sich der Beta und machte Anstalten wieder aufzustehen.

„Ok, ich sag´s. Bleib sitzen, bitte“, flehte sein Freund uns sackte noch weiter zusammen. „Du hast mir neun Rippen gebrochen.“

„Und dann springst du auf, um dich um mich zu kümmern? Geht’s noch?“, fauchte in sein Freund wutentbrannt an.

„Ich habe die Schmerzrezeptoren ausschalten müssen. Jetzt fühle ich keine Schmerzen mehr. So konnte ich deine Arme behandeln“, meinte der Wächter trotzig. „Als ich nicht mehr atmen konnte, bin ich in Panik geraten. Ich hätte ruhig bleiben sollen. So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Mit meiner Magie kann ich auch ohne Sauerstoff leben.“

„Moment mal, was soll das heißen, du konntest nicht mehr atmen? Du hast mir nur einen Teil erzählt, oder? Ich schwöre, ich reiße dir sowas von den Arsch auf, wenn du nicht gleich mit der Wahrheit rausrückst.“

„Wie du willst“, gab Isaak nach und war wütend auf sich selbst, weil er sich verplappert hatte. Er wollte nicht, dass Jake sich noch mehr Vorwürfe machte als ohnehin schon. „Außerdem habe ich massive innere Blutungen und beide Lungenflügel sind kollabiert. Deshalb habe ich keine Luft mehr bekommen.“

Er sah wie sich die braue Iris weitete und fügte schnell hinzu: „Keine Sorge, gib mir ein bis zwei Minuten dann, bin ich wieder topfit. Klingt schlimmer als es ist.“

„Ich hätte dich fast getötet“, schlussfolgerte Jake tonlos.

„Nein, dass nun auch wieder nicht. Ok, ja, wenn ich in normaler Mensch wäre, dann ja. Aber ich bin ein Wächter. Es ist zwar nicht gerade angenehm, aber für mich nicht lebensbedrohlich.“

Plötzlich richtete sich der Rotblonde auf und sah auf seine Brust. „Na endlich“, brabbelte er vor sich hin. Es gab leise knirschende Geräusche und seine Knochen sprangen in ihre alte Position zurück. Nach wenigen Sekunden sah alles wieder so aus wie es sein sollte.

„So, bin vollständig geheilt“, lächelte Isaak und hob die Hände.

„Pfoten weg“, schnauzte Jake und entzog sich der Berührung seines Freundes. „Meine Wunden werden von selbst heilen. Ich behalte den Schmerz.“

„Ach, komm schon“, nörgelte der Wächter wie ein kleines Kind. „Das ist vollkommen überflüssig.“

„Wage es ja nicht. Ich bin an daran schuld und ich ertrage meine Schmerzen wie ein Mann“, giftete der Wolfsjunge wütend.

„Hm“, gab sein Freund von sich und wechselte die Spur: „Wie wäre es mit einem Deal?“

Jake verzog unwillig den Mund.

„Du hast einen Wunsch frei und ich darf dich heilen?“, lockte der andere und setzte seinen ganzen Charme ein.

„Lieb gucken zieht gerade nicht“, knurrte der Beta und dachte kurz nach. Gab es etwas was er wollte und er bereit war, das gegen seine sich selbst auferlegte Strafe einzutauschen? Da kam ihm eine Idee: „Wenn ich dir gestatte mich zu heilen, dann verlange ich im Gegenzug absolute Ehrlichkeit. Keine Ausflüchte, kein Rumgedruckse, falsche Rücksichtnahme oder Ablenkungsmanöver mehr. Wenn ich dich zum Beispiel fragte: Wie geht es dir, dann sagst du es mir frei heraus was Sache ist. Deal?“

Isaak brummte verhalten und dachte kurz nach.

„Keine Hintertüren. Ich warne dich. Du weißt genau was ich will“, setzte Jake sofort nach.

„Im Gegenzug gibst du dir aber nicht die Schuld an dem Vorfall. Es war ein Unfall. Du hast das nicht absichtlich getan und mir geht es gut“, versuchte Isaak den Deal abzuändern.

„Das ist meine Sache. Abgelehnt. Mein Deal oder kein Deal“, setzte der Beta seinem Freund die Pistole auf die Brust.

Die blauen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du hast gewonnen. Deal“, stimmte der Wächter zu. Sie schüttelten sich die Hände und Jake zog scharf die Luft ein, bei den Schmerzen, die ihm die Wunden bereitete.

Sofort griff Isaak zu und legte ihm sanfte die Hände auf die offenen Stellen. Es kribbelte leicht und der Schmerz verebbte. Dann wickelte sein Geliebter den Stoff ab. Alle Wunden waren vollständig verschwunden. Anstandslos hob er auch den anderen Arm und ließ sich heilen.

„Was kostest es dich meine Wunden zu schließen“, fragte Jake.

„Darf ich eine Antwort verweigern?“, hakte sein Freund missmutig nach.

„Nein“, blaffte der Wolfsjunge und grinste fies.

„Ich weiß nicht wie ich das formulieren soll“, begann Isaak und dachte kurz nach. „Deine Wunden zu schließen kostet mich etwa 8% meiner aktuellen Magie. Nimmt man meine Verletzungen hin, sowie die lebenserhaltenden Maßnahmen, so habe ich in etwa die Hälfte meiner Kraft eingebüßt.“

„Kann ich dich mit sowas töten?“, kam auch sofort die Folgefrage.

„Ja“, gestand der Wächter und fügte hinzu: „Wenn meine Magie auf null sinkt, wäre das auch für mich tödlich.“

Die Antwort gefiel Jake zwar gar nicht, aber immerhin bekam er nun endlich einmal alles gesagt was er wissen wollte. „Warum kann ich dir so schwere Verletzungen zufügen?“

„Weil deine Körperkraft mittlerweile fast identisch ist mit der meinen. Mein Körper ist gut geschützt, aber gegen meine eigene Kraft nicht. Das ist eine Sicherheitsvorkehrung, damit ich im Falle einer tödlichen Vergiftung oder ähnlichen Beeinträchtigungen, in der Lage bin, mir Gliedmaßen abzutrennen.“

„Alter, ernsthaft?“, stieß der Beta entsetzt aus.

„Ja, ernsthaft. Das hat schon so manchem Wächter das Leben gerettet. Einen Arm oder ein Bein kann man nachwachsen lassen. Der Tod ist endgültig.“

„Verstehe“, meinte der Wolfsjunge dazu und wechselte die Spur. Beiläufig fragte er laut: „Warum lagen wir beide eigentlich im Bett.“

„Ich habe dich ins Bett getragen, nachdem du vollkommen erschöpft eingeschlafen bist. Ich wollte dich nicht in der Dusche schlafen lassen. Als ich mich dann von dir lösen wollte, hast du mich einfach geschnappt und an dich gedrückt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Mir gefällt es, dass du so anhänglich bist, da habe ich mich auf die Seite gedreht und bin bei dir geblieben.“

Jake mahlte mit den Zähnen. Als er devot vor seinem Freund auf alle Vier gegangen war, hatte er ein paar Gedankenfetzen aufgeschnappt. Er wollte sicher sein, dass er sich nicht irrte und fragte: „Vorhin in der Dusche. Da wolltest du weitergehen als ich dich angebettelt habe, oder?“

„Ja“, gestand Isaak und ließ die Schultern hängen. „Würdest du jetzt bitte damit aufhören?“

„Nein“, ließ der andere nicht locker. „Wusstest du, dass ich mich in diesem Moment nicht gewehrt hätte?“

„Ja. Jake bitte, hör auf.“

„Eine Frage noch: Warum hast du es nicht getan?“

„Weil ich dich liebe, es dir versprochen habe und du mir sonst den Kopf abgerissen hättest“, offenbarte der Wächter seine Beweggründe.

„Danke“, sagte Jake und schenkte seinem Freund ein strahlendes Lächeln.

„Wofür?“, fragte dieser irritiert nach.

„Für zweierlei. Ich danke dir für das was du getan hast, um ehrlich zu sein war es mega geil, und vor allem für das was du nicht getan hast“, erklärte der Gestaltwandel mit feuerrotem Kopf.

„Das heißt ich bekomme keinen Ärger?“, wagte nun auch Isaak eine Frage.

„Das überlege ich mir noch“, meinte Jake und grinste fies. „Mir fällt bestimmt noch eine Strafe dafür ein.“

„Oh, ihr Götter, steht mir bei“, spielte sein Freund mit.

Der Wolfsjunge sah sich ein wenig um und sagte: „Wir sollten die Schweinerei aufräumen.“

„Nicht nötig. Sobald wir das Zimmer verlassen, erledigt die KI das“, erwiderte Isaak und stand auf.

Er ließ sich von seinem Freund auf die Beine ziehen und fragte: „Sag mal, warum bin ich eigentlich so fertig gewesen? Ich meine, ich bin noch nie so hart gekommen, aber einfach umzukippen ist doch nicht normal, oder?“

„Reizüberflutung. Das legt sich mit der Zeit“, sagte der Rotblonde und gab dem anderen eine Kuss auf die Lippen. „Komm lass uns Duschen gehen.“

„Nichts lieber als das“, flötete der sein Freund und gab ihm einen Klaps auf den Hintern.

„Schon wieder geil?“, fragte der Rotblonde und leckte sich über die Lippen.

„Bei dir doch immer“, gestand Jake und raubte sich einen weiteren Kuss. Er drängte seinen Geliebten an die Wand. Dann sprang er entsetzt zurück. Er hatte Angst ihm erneut weh zu tun. „Tschuldige“, nuschelte er verunsichert.

„Ich bin nicht aus Zucker. Um mir die Knochen zu brechen musst du schon Gewalt anwenden. Also keine falsche Scheu“, erklärte Isaak, der dessen Gedanken mitbekommen hatte. Er schüttelte den Kopf, griff nach der Hand seines Freundes und zog ihn mit sich zur Dusche.

„KI, Körperschnellreinigung“, befahl er dort.

Jake zuckte zusammen als er spürte, wie er von allen Seiten zu vibrieren begann. „Was ist das?“

„Einfach ausgedrückt: eine Art Schall- oder Vibrationsdusche. Sie beseitigt effizient sämtliche Verunreinigungen und ist damit besonders gut geeignet, um Blut zu entfernen“, erklärte der Rotblonde.

„Na, wenn das so ist“, begann der Beta und drängte seinen Freund an die Wand.

„Warte“, sagte der Wächter und hielt den anderen mit ausgestreckten Armen ab ihn anzufallen. „Jetzt ist weder der richtige Zeitpunkt noch die Zeit dafür.“

Der Gestaltwandler ließ die Schultern hängen und stammelte: „Du nimmst es mir also doch übel, dass ich dir weh getan habe.“

Isaak schüttelte den Kopf und sagte: „Dummes Wölfchen. Du verstehst mich mal wieder falsch. Es gibt drei Gründe für meine Abfuhr. Keiner davon hat was mit dem kleinen Unfall zu tun.“

Jake hob den Blick und fragte: „Und die wären?“

„Erstens: Mein Zeitplan ist völlig durcheinandergeraten. Ich hätte mich längst schon um den nächsten Außenposten kümmern sollen. Dazu musst du wissen, solange wir uns in einem der Stützpunkte befinden, sind wir vor den Angriffen von Morgan le Fay sicher. Deswegen wollte ich auch Bella dabeihaben. Dafür sind jetzt die anderen in Gefahr. Mit jeder Sekunde, die vergeht, steigt das Risiko, dass sie das Rudel, die Quileute, die Cullens oder auch Bellas Vater und Mutter ins Visier nimmt, um uns hervorzulocken.“

„Oh, verdammt, daran habe ich nicht gedacht“, gestand der Beta.

„Musst du auch nicht, dafür hast du ja mich“, stichelte sein Freund und setzte seine Erläuterung Fort: „Das wird dir wahrscheinlich nicht gefallen, aber zweitens: Ich behalte Jared gerade genau im Auge. Er hätten sich schon vor Monaten prägen sollen. Er ist gerade auf dem Weg zur Schule. Als Wächter ist es meine Aufgabe sicherzustellen, dass er sich auf Kim Connweller prägt, bevor es zu spät ist. Durch die ganze Sache zwischen uns ist einiges schiefgelaufen. Ich muss das nun korrigieren.“

Jake starrte seinen Freund mit offenem Mund an. „Echt jetzt? Du weißt, auf wen und wann sich einer vom Rudel prägt?“

„Einfach ausgedrückt, ja, und deshalb muss ich gleich eingreifen. Er betritt gerade den Klassensaal“, sagte der Rotblonde und fügte hinzu: „Verdammt, Kim kommt erst in zwei Minuten. Muss sie ausgerechnet heute verschlafen?“

„Ich verstehe nicht so ganz.“

„Es tut mir leid Jake, ich muss das machen. So war es vorherbestimmt und so muss es geschehen. Bitte sei mir nicht böse“, flehte Isaak.

„Ich bin dir nicht böse. Du spürst meine Gefühle gerade nicht, kann das sein?“, fragte der andere irritiert.

„Ja. Ich bin gerade zu stark auf Jared fokussiert. Wenn du willst, kannst du gerne zusehen, es ist gleich soweit“, sagte der Wächter und wurde zur Salzsäule. Es ging offenbar los und Jake griff mental nach dem Geist seines Geliebten.

Plötzlich stand er neben Isaak in einem der Klassenzimmer in La Push. Die Welt um sie her hatte keine Farbe und bestand nur aus Grautönen. Auch waren alle Personen unscharf. Einzig und allein Jared, der gerade mit seinem schemenhaften Tischnachbarn schäkere, war gestochen scharf. Die Zeit verlief langsamer. Alle Bewegungen dauerten deutlich länger als sie sollten.

Der Wächter wandte sich zur Tür. Ein unscheinbares Mädchen betrat den Saal. Da auch diese kein Schemen war, vermutete Jake, dass es sich hierbei um Kim handeln musste. Ihre dunklen Augen sahen kurz zu Jared, dann schlug sie verlegen den Blick nieder. Sie kam direkt auf den Beta zu und er trat einen Schritt zur Seite, um sie durch zu lassen.

Der Rotblonde blieb einfach stehen und sie ging durch ihn durch, als ob er gar nicht existieren würde. Als sie mit Jared auf einer Höhe war, warf sie diesem einen sehnsüchtigen Blick zu. Dann wandte sie sich ab, genau in dem Moment, in dem der Gestaltwandler zu ihr aufsah.

„Das geht nun schon seit Wochen so“, erklärte Isaak missmutig. „Kim ist total in deinen Kumpel verschossen und himmelt ihn andauernd an. Dennoch schaut sie immer dann weg, wenn er zu ihr sieht. Für die Prägung wird Blickkontakt benötigt. Es ist ja schon fast so, als ob des Schicksal mich verarschen will. Heute aber nicht.“ Er grinste süffisant.

„Sie hat ihr Tagebuch aus Versehen eingesteckt“, sagte der Wächter und deutete auf ihr Tasche. „Sieh zu und lerne Wölfchen. So verkuppelt mein einen störrischen bösen Wolf.“

Gebannt folgte Jake dem Spektakel. Isaak näherte sich der Schülerin und wartete geduldig, bis sie Ihre Tasche auf das Pult vor sich stellte. Als sie hineingriff, hob der Wächter eine Hand über ihre und neben den Büchern und Heften, die sie herauszog, kam auch ein kleines schwarzes Büchlein am Rücken des von ihr abgewandten Buchs zum Vorschein. Eigentlich hätte es zurück in die Tasche fallen müssen, sie hielt es nämlich gar nicht.

Es blieb aber, wie von Zauberhand, bei den anderen Sachen. Wobei das wohl genau das war, was hier geschah. Isaak ließ das schwarze Büchlein an den anderen kleben. Als sie den Stoß über den Rand der Tasche beförderte, zog der Rotblonde die Hand weg. Das Tagebuch fiel runter und knallte auf den Tisch. Jake konnte sehen, wie sich Kims Augen vor Schreck weiteten.

Da sprang das kleine Buch von der Tischplatte ab und segelte über den Rand des Pults. Noch im Fallen griff Jared reflexartig zu. Dieser hatte das Geschehen aus den Augenwinkeln beobachtet.

Jake runzelte die Stirn. Der andere sollte vorsichtiger sein. Er war viel zu schnell für einen normalen Menschen.

Abermals griff Isaak ein und drehte das Büchlein ein wenig, sodass der Wolf es nur an einer Seite zu fassen bekam. Es klappe auf und Jake beugte sich vor, um zu sehen was im Inneren stand. Kim hatte dort eine ganze Seite mit ihrem Namen und Jareds Nachnamen beschrieben. Auch die Augen des anderen Gestaltwandlers huschten über die Zeilen.

Isaak grinste heimtückisch. „So Schicksal, winde dich da mal wieder raus“, scherzte er.

Kims Wangen wurden dunkler. Sie ließ alles in ihren Händen fallen und schnappte entsetzt nach ihrem Tagebuch. Jared hob kurz den Blick und sah sie überrascht an. Dann wanderte sich sein Blick weiter zu dem Sammelsurium, welches sich auf dem Boden verteilte. Genau da sah Kim auf und ihre Blicke verfehlten sich abermals haarscharf.

„Misserfolg“, meinte der Wolfsjunge und ließ die Schultern hängen.

„Abwarten“, flötete der andere und sein Grinsen wurde noch breiter.

Kim riss Jared nun das Buch aus der Hand und presste dieses an sich. Der Wolf hob wieder den Blick und sah sie sehr irritiert an. Dann wandte er sich mit einem Schulterzucken ab.

Genau in diesem Moment schnippte Isaak zwischen den beiden mit den Fingern. Beide drehte die Köpfe und endlich trafen sich ihre Augen.

Jake sah wie sich die Pupillen seines Kameraden weiteten und sein Gesicht einen träumerischen Ausdruck annahm. Schnell öffnete er sich mental zu Jared und spürte, wie dieser sich prägte.

„Erledigt. Wir können gehen oder willst du noch ein wenig Voyeur spielen?““, stichelte Isaak bestens gelaunt und der Raum löste sich auf.

Der Wolfsjunge schüttelte den Kopf und verschloss sich vor seinem Rudelkamerad. Seine eigene Prägung hatte ihm schon gereicht, da musst dieser nicht auch noch einer weiteren zusehen. Er war mal wieder heilfroh über seinen Anhänger, welcher ihn vor sowas bewahrte.

Zurück in der Realität sah er, dass sein Freund nachdenklich den Kopf leicht schief gelegt hatte und offenbar etwas beobachtete, was weit weg zu sein schien.

„Quil ist auch schon zu spät dran. Da werde ich wohl auch bald eingreifen müssen. Wobei, nein. Es dauert nicht mehr lange bis Claire Young ihre Tante Emily besucht. Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass Quil auf die Kleine stößt.“

„Kleine? Nichte? Moment wie alt ist Claire?“, fragte der Wolfsjunge unbehaglich nach.

„Sie ist zwei Jahre alt“, sagte Isaak und zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle, du weißt doch, wie das läuft?“

„Ja, schon. Dennoch, muss das sein?“

„Ja, es ist ihr Schicksal. Quil hätte sich schon geprägt, wenn Emily Claires Besuch nicht verschoben hätte. Sam ist zurzeit ein wenig ungenießbar, wegen der Sache mit uns und deinem Vater.“

„Warum frage ich überhaupt? Also ist Quil der Nächste und dann? Kommt da noch einer oder wars das dann?“

„Na, ja zwei fehlen noch. Einer davon bist du. Dein Schicksal ist Renesmee. Da muss ich wohl eine andere Lösung finden. Davor ist dann aber noch Paul dran.“

„Der Penner soll das große Glück ziehen, am Arsch. Wer will denn schon so einen Deppen haben?“, maulte Jake und seufzte. „Sag mir, es ist ein Neugeborenes. Damit er schön lange warten darf. Nein, warte. Kannst du ihn auf einen Mann prägen, das würde der Töle Recht geschehen.“

Vorsichtig sagte der Wächter und ging auf seinen Vorschlag nicht ein: „Das wird dir nicht gefallen. Sicher, dass du eine Antwort willst?“

„Ja, komm. Kann doch nicht so schlimm sein“, meinte der Wolfsjunge und zuckte mit den Schultern.

„Wie du willst. Ich habe dich gewarnt. Paul wird sich in nicht mal einem Monat auf deine Schwester Rachel prägen.“

Der Fusionsreaktor

„Nein“, sagte Jake und grinste.

„Doch. Paul wird sich auf deine Schwester prägen. Das ist sein Schicksal.“

„Nein“, knurrte der Wolfsjunge ernst. „Nur über meine Leiche.“

„Du wolltest es wissen. Denk das nächste Mal besser nach, bevor du eine Antwort verlangst“, mahnte sein Freund und grinste dann verschlagen. „Weißt du was? Selbst ohne unsere Verbindung hättest du was gegen dieses Beziehung.“

Dann wurde er wieder ernst und gab seine Gedanken preis: „Jake, ich weiß nicht, wo unser Weg hinführen wird. Ebenso wenig, kann ich vorhersehen, wie deine Schwester auf mich reagieren wird. Da ich ein Teil deiner Zukunft bin, kann ich sie nicht sehen. Ich kann nur hoffen, dass Rachel nicht so reagiert, wie dein Vater. Dann könnte es auch mit Paul besser werden.“

„Das werden wir sehen“, knurrte der Beta. Er wollte dieses Arschloch nicht in der Familie haben. Schnell schüttelte er den Kopf und sagte langsam: „Du sagtest vorhin etwas von drei Gründen.“

„Tja, das ist auch so eine heikle Angelegenheit. Ohne die Waffen aus der Zitadelle kann ich Morgan le Fay nicht besiegen. Selbst mit voller Power ist sie mir deutlich überlegen. Als ich ihren Geist berührte, da wusste ich das sofort. Da ich nicht weiß, ob sie sich dessen bewusst ist, darf ich keine Zeit mehr verlieren. Bei einer direkten Konfrontation würde ich unterliegen.“

„Warum stehen wir dann noch hier rum?“, fragte Jake, schnappte sich eine Hand seines Freundes und zog ihn zurück ins Schlafzimmer.

„Auch dafür gibt es einen Grund. Die Reaktivierung eines Außenpostens kostet viel Energie. Deshalb kann ich sie nicht einfach hintereinander hochfahren. Auch benötigen die Außenposten unterschiedlich Mengen. Als ich bei dir liegen geblieben bin habe ich mich dazu entschieden als Nächstes den Fusionsreaktor hochzufahren. Damit hätte ich mehr Saft und im Endeffekt verliere ich nur eine Stunde. Das war, in meinen Augen, vertretbar.“

„Warum hast du dich so entschieden?“, fragte der Beta und blieb mitten in dem verwüsteten Zimmer stehen.

„Weil es mir wichtiger war bei dir zu sein und mich um dich zu kümmern. So blöd das vielleicht klingen mag. Du stehst auf meiner Prioritätenliste auf der zweiten Stelle. Direkt hinter einer globalen Bedrohung“, erklärte der Wächter.

„Danke, glaube ich“, sagte Jake und sah sich nach was zum Anziehen um. Dann fiel ihm ein, dass sie ja ihre Kleidung völlig zerfetzt hatten. „Ich dachte die KI räumt auf?“

„Das tut sie, sobald wir das Zimmer verlassen. Das Bad und das Schlafzimmer zählt als ein Raum.“

Der Gestaltwandler knurrte ungehalten: „Dann müssen wir eben nackt rumlaufen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

„Hey, ganz ruhig, wir haben noch ungefähr zwanzig Minuten Zeit“, sagte Isaak. Dann löste er sich von seinem Freund und schoss im Zimmer umher. Er sammelte die Überreste ihrer Kleidung ein und startete die Wiederherstellung.

Jake breitete die Arme aus und sofort war der andere auch schon bei ihm. Mit einem dreckigen Grinsen sagte er: „Na, wenn das so ist, dann lasse ich doch gerne das Essen ausfallen und hole mir was anderes.“

„Gnade“, stöhnte Isaak als sein Freund ihm einfach in den Hals biss. Jake hielt kurz inne und der Wächter offenbarte kleinlaut: „Viertens: Ich habe Hunger. Und du auch.“

Wie auf Kommando knurrte der Magen des Wolfsjungen und er seufzte: „Na gut, aber bei der nächsten Pause bist du fällig.“

„Gerne“, schmust der Wächter dem andern über die Lippen und raubte sich einen verlangenden Kuss. Viel zu schnell löste er sich wieder und holte ihre neue alte Kleidung. Zurück im Zimmer ging er zu normaler Geschwindigkeit über und warf seinem Freund dessen Sachen zu. Er hatte sich schon angezogen.

„Eigentlich ist es eine Schande deinen perfekten Körper zu verdecken“, sagte Isaak und wandte ich ab, bevor er noch die Beherrschung verlor.

„Ja, ich weiß was du meinst. Jetzt wird aber erstmal gespachtelt. Dann gehts zum Reaktorirgendwas und dann bist du fällig“, grinste der andere zurück, leicht rot ob des unerwarteten Kompliments.

Hand in Hand gingen sie zum Speisesaal, welcher nicht weit weg war.

„Apropos nackt rumlaufen“, griff Isaak den Faden nun auf. Er lachte und offenbarte: „Als ich hier ganz allein war, hatte ich nie Kleidung am Leib. Wer hätte mich auch sehen sollen?“

„Das gefällt mir. Wenn wir diese olle Magierin erledigt haben machen wir das dann zu zweit“, malte sich der Beta aus und stellte sich vor, wie sich einmal quer durch alle Räume lieben würden.

„Dauergeiles Wölfchen“, beschwerte sich Isaak gespielt und fügte hinzu: „Ich würde vorschlagen, wir setzen auch die Zitadelle und die anderen Außenposten mit auf die Liste.“

Als sie im Speisesaal ankamen und ihr Essen zusammenstellten, fragte Jake: „Apropos Treiben, weißt du was die anderen treiben?“

„Die waren den ganzen Tag im Holoraum und haben sich verschiedene Szenarien angesehen. Ich kann dir das später gerne zeigen“, bot der Wächter an.

„Vielleicht, wenn noch Zeit ist und ich keine Lust mehr habe mit dir allein zu sein“, mutmaßte der Wolfsjunge und begann mit Appetit eine Portion zu verschlingen.

„Also niemals“, gluckste sein Freund. Der Beta grinste zustimmend und beide widmeten sich den Nahrungswürfeln.

Nach dem Essen raubte sich Isaak einen Kuss und fragte: „Willst du mitkommen?“

„Hm, und was mache ich dann die ganze Zeit über?“

„Du kannst dir den Komplex ansehen. In der Zentralkammer gibt es auch eine Art Computer. Der hat Zugang zum Internet“, lockte der Wächter.

„Gut, gut. Ich komme mit. Ich will bei dir bleiben“, gestand sein Freund.

Isaak legte seinem Freund eine Hand auf den Hintern und zog ihn an sich. Während er ihm über die Lippen schmuste, befahl er: „KI, bring uns zur Aufstiegsplattform.“

Von der Reise bekam der Beta kaum etwas mit, er war zu sehr darauf konzentriert den anderen zu küssen. Besitzergreifend hatte er seinen Geliebten fest umschlungen und wagte es sogar eine Hand auf dessen Arsch wandern zu lassen.

Der Wächter stöhnte leicht auf, als er die stramme Pobacke knetete. Beim nächsten Duschen würde er ihre Rollen vertauschen. Er wollte den Körper seines Freundes auch bis in jeden Winkel erkunden. Ob er das allerdings mit der Zunge machen konnte, wusste er nicht. Er war aber ein Mann und wollte nicht zurückstehen.

Ohne den Kuss zu lösen sagte sein Freund mental: „Du musst nicht alles nachmachen was ich tue. Mach doch einfach was du willst. Du solltest dich zu nichts zwingen. Sei einfach du selbst.“

„Hm“, brummte Jake in den Kuss hinein. Einerseits war er froh, um diese Aktion erstmal herum zu kommen, jedoch bei dem Gedanken, was für ein geiles Gefühl es war, am Arsch geleckt zu werden, wollte er das auch zurückgeben. Die Vorstellung wie sein Geliebter vor ihm winselte und um Erlösung bettelte gefiel ihm sehr. Das war aber der Ausgang für andere Dinge und er ekelte sich davor was für ein Geschmack das sein musste.

Der andere brummte frustriert und rollte mit den Augen unter den verschlossenen Lidern. Offenbar war es keine gute Idee gewesen so schnell so weit zu gehen.

Dann waren sie auch schon angekommen und Isaak löste sich. „KI, Kontrollterminal ausfahren.“

In der Mitte der Plattform schob sich die Säule hoch.

„Das hast du in dem anderen Posten nicht gemacht“, sprach der Wolfsjunge seine Gedanken aus.

„Ja, da hattest du auch noch keinen Blutschwur geleistet. Ich werde dich nun registrieren und dir den Zugang zu allen Bereichen geben. Die Befehle dafür müssen in der Sprache der Wächter gegeben werden“, erklärte sein Freund und wechselte die Sprache.

Jake verstand kein einziges Wort. Es war ein melodisches Kauderwelsch, bei dem er nicht einmal sagen konnte, wo ein Wort anfing und endete.

Nachdem der Wächter fertig war sagte die männliche KI-Stimme: „Jacob Ephraim Black, bitte legen Sie zur Registrierung eine Hand auf den DNA-Scanner und nennen Sie ihren vollen Namen für die Stimmauthentifizierung.“

Verdutzt schaute der Wolfsjunge seinen Freund an. Dieser lächelte und nickte ihm zu. Er zuckte mit den Schultern, legte eine Hand auf die Säule und sagte: „Jacob Ephraim Black.“

Einen Augenblick lang verharrte er, dann sagte die tiefe Stimme: „Registrierung abgeschlossen. DNA-Profil angelegt. Zugang zu allen Bereichen gewährt.“

„Gut, testen wir das doch gleich mal“, meinte der Rotblonde als die Säule sich in den Boden zurückzog. „Wir haben noch ein paar Minuten. Befiehl der KI uns zum Wetterkontrollobservatorium zu bringen.“

„Ok“, brabbelte der Beta und sagte laut: „KI, bring uns zum Wetterkontrollobservatorium.“

„Verstanden. Teleportationssequenz initiiert. Auf Wiedersehen, Wächter Jacob“, flötete die Männerstimme.

Der Computer hatte ihn doch tatsächlich mit Wächter betitelt. Das Kraftfeld baute sich auf und keine Sekunde später standen sie in dem silbernen runden Eingangsraum des anderen Außenpostens. Die blaue Barriere verschwand.

Isaak erklärte: „Aus Sicherheitsgründen sind die KIs voneinander getrennt. Nur die Haupt-KI in der Zitadelle hat direkten Zugriff von außen auf alle anderen Systeme. Deshalb müssen wir dich in allen Stützpunkten einzeln registrieren.“

Dann wiederholten sie die Prozedur. Anschließend teleportierten sie zum Fusionsreaktor. Dort war alles dunkel. Der Wächter authentifizierte sich und auch hier bekam Jake die Zugangsberechtigung.

Der Raum glich jenem, aus dem sie gerade kamen. Der einzige Unterschied war die Farbe und das Material. Hier bestand alles aus grauem und mattem Metall.

Ohne von der Aufstiegsplattform zu steigen, befahl der Wächter: „KI, bring uns in die Zentralkammer.“ Diese lag direkt über ihnen. Als das Licht anging runzelte Jake die Stirn: Er hatte irgendwie mehr erwartet.

Auch dieser Raum bestand gänzlich aus dem grauen Metall. In der Mitte gab es eine kleines erhöhtes Podest. An den Wänden war eine Art Arbeitsplatte angebracht, welche schräg nach oben zur Wand verlief. Die Platte bestand aus demselben Material wie die Wände und war leer. Es gab einfach nichts Interessantes zu sehen.

Der Wächter grinste bei dem enttäuschten Blick seines Freundes und ging auf das Podest zu. Er sagte etwas in der Sprache der Wächter und das Kontrollsystem fuhr hoch. Über dem Rotblonden erschien eine schemenhafte Darstellung des Komplexes. Diese war wesentlich detailreicher als die Karten, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte.

Der Außenposten bestand aus einzelnen unterschiedlich großen Kugeln, welche offenbar wahllos angeordnet waren. Kleine blaue Linien führten zu einer winzigen zentralen Kugel. Diese hatte drei Ebenen und in der Mittleren befanden sich zwei rote Punkte. Der Wolfsjunge erkannte, das war der Raum, in dem sie sich gerade aufhielten. Nur eine Mittelgroße Kugel über der Zentralkugel war mit keiner anderen verbunden und schien auch absolut leer zu sein.

Auf der Arbeitsplatte öffneten sich unzählige Displays und zeigte unterschiedliche Dinge an. Knöpfe, Schalter, Tastaturen und Mäuse gab es keine. Alle Schriftzeichen waren die seltsamen Runen der Wächter. Er verstand kein einziges Wort, aber die gezeigten Grafiken waren auch so ansehnlich und interessant.

Der Hausherr zeigte auf einen der Bildschirme und sagte: „Der ist mit dem Internet verbunden. Warte, ich erstelle dir schnell Eingabegräte, so wie du sie kennst.“

Schnell redete er in der Sprache der Wächter auf die KI ein. Das Display änderte sich und wurde zu einem bläulich schimmernden Monitor. Darauf erschien, so wie er es gewohnt war, ein normaler Windows Desktop. Davor tauchte eine in der Luft schwebende Tastatur mitsamt Maus auf. Zudem erschien auch eine Art Stuhl. Alles war bläulich durchsichtig und bestand anscheinend aus einem Kraftfeld.

„Wir Wächter benötigen keine Stühle, aber für dich habe ich einen erstellt“, grinste Isaak seinen Freund an und fügte hinzu: „Du kannst dich gerne mit dem PC beschäftigen oder mir zusehen. Du kannst auch einen Rundgang machen und dir die unterschiedlichen Reaktoren ansehen. Die KI wird dir alles erklären, wenn du das willst. Ich muss nun anfangen.“

Ohne auf eine Antwort zu warten hob der Wächter eine Hand und griff nach einem Bereich der Karte über sich. Dieser löste sich, wurde größer und schwebte der Handbewegung folgend vor dem Mann. Unzählige zusätzliche Displays erschienen rund um den Rotblonden und Isaak begann, mal hier mal da, einige Dinge anzutippen, Regler zu verstellen und Eingaben zu machen.

Jake runzelte die Stirn und fragte: „Schatz?“

Er bekam keine Antwort. Dann griff er nach dem Geist seines Freundes und drang ein. Nur einen kurzen Moment sah er die massiven Gedankenströme und begriff, der andere benötigte die volle Konzentration, um seine Aufgaben effektiv zu erledigen. Er würde ihn weder hören und spüren.

Schnell zog er sich zurück. Die Fülle an Information war einfach zu viel für seinen menschlichen Verstand. Dann fiel sein Blick auf den Gebäudeteil den der Rotblonde grade bearbeitete. Feine blaue Röhren, die aussahen wie Tentakel, stoben aus den Außenwänden hervor.

Jake erschaudere. Die durchsichtige Kugel sah nun aus wie eine Qualle oder eine vergrößerte Version einer Bakterie. Nein, das traf es irgendwie nicht ganz. Wenn er den Kopf leicht neigte, dann erinnerte ihn das Bild an den Biounterricht. Die treffendste Beschreibung war wohl, eine Eizelle, aus deren Oberfläche die Schwänze von unzähligen Spermazellen rausragten. Er erschauderte ein zweites Mal. Zudem hielten die herausragenden Geißel nicht still und bewegen sich langsam hin und her, in alle Richtungen.

Als würden sie eine unsichtbare Flüssigkeit einsaugen, füllte sich die Hälfte der Tentakel mit einer roten Substanz. Diese leiteten sie in den Raum hinein. Je zwei Röhren, eine mit roter Flüssigkeit und eine leere, verbanden sich mit einer kleinen Kugel im inneren der Sphäre. Diese glühte auf als die zähe Flüssigkeit in sie eindrang.

Der leere Spermaschwanz füllte sich nun mit einer eher schwarzen Flüssigkeit, welche wieder nach draußen geleitet wurde.

Irritiert fragte Jake: „KI, was macht Isaak?“

„Wächter Isaak startet den Geothermalreaktor Nummer eins“, antwortete die KI mit einer eher schrillen Frauenstimme.

„KI, wie funktioniert ein Geothermalreaktor?“

„Lava wird mittels Kraftfelder in den Reaktorkern geleitet. Dort wird dem flüssigen Gestein Wärme entzogen und in Energie umgewandelt. Anschließend wird die erkaltete zähe Lava wieder abgeleitet.“

Der Wolfsjunge runzelte die Stirn. Waren sie etwa im inneren eine Vulkans? Diese Fragte stellte er auch sogleich. Bei der Antwort ging ihm der Mund auf.

„Der Reaktorkomplex befindet sich nahe des Planetenkerns“, flötete die KI ergeben und zeigte eine Darstellung der Erde. Der Planet war in der Hälfte durchgeschnitten und ein rot leuchtender Punkt zeigte ihre Position.

„Alter“, stieß Jake hervor als er sich etwas gefangen hatte. „Die spinnen, die Wächter.“

In der Zwischenzeit hatte Isaak den Reaktor vollständig hochgefahren. Mit einer Handbewegung ließ er alle Bildschirme erlöschen und die nun aktive Kugel kehrte an ihren Platz in der Übersicht zurück. Dann zog der Rotblonde auch schon den nächsten Gebäudeteil zu sich.

Der Beta sah noch eine Weile interessiert zu, wie sein Freund den zweiten Reaktor hochfuhr und wandte sich dann dem PC zu. Der Stuhl war überraschend weich. Das Kraftfeld ahmte perfekt eine Sitzpolsterung nach. Dann sah er etwas unschlüssig auf die Tastatur. Diese schwebte zu weit oben und war genau in jener Höhe, in der man im Stehen arbeiten konnte.

Er kratzte sich am Kopf und winkte die Eingabegeräte zu sich, so wie auch Isaak die Kugeln zu sich zog. Tatsächlich, Maus und Tastatur kamen zu ihm herunter geschwebt und passten sich seinen Bewegungen an.

„Eine sehr intuitive Bedingung“, murmelte er zu sich selbst und öffnete den Browser. Dann starrte er geschlagene zehn Minuten auf den Monitor und fragte sich was er machen sollte. Er war noch nie ein Fan von Computern und Spielekonsolen gewesen. Auch war er bisher eher selten im Internet unterwegs gewesen.

Da kam ihm eine Idee und er gab den Gedanken in das Suchfeld ein. Rasch wählte er eine Seite aus und erstarrte. So schnell er konnte schloss er das Fenster wieder, stand auf und tigerte unruhig, mit hochroten Kopf im Raum umher. „Das war echt eine dumme Idee“, schimpfte er mit sich selbst. Er ließ seinen Blick wandern und blieb bei seinem Freund hängen.

Der Wolfsjunge mahlte mit den Zähnen und schluckte schwer. Dann flogen seine Augen wieder zu dem Monitor. Erneut schluckte er und setzte sich wieder hin. Er wiederholte seine vorherigen Schritte und landete auf derselbe Seite wie zuvor.

Diesmal schreckte er nicht zurück und versuchte sich und Isaak auf den Bildern vorzustellen. Das half. Er entspannte sich und warf noch einen scheuen Blick über die Schulter. Sein Freund war immer noch vollends beschäftigt und würde nicht mitbekommen was er da trieb.

Mit einem Gefühl von Sicherheit, widmete er sich dem Studium der Webseite. Die Überschrift lautete: „Gleichgeschlechtliche Beziehung untere Männern“. Zum Glück begann der Text harmlos und gab auch gleich den Hinweis, dass das vollkommen normal anzusehen sei und man keine Angst haben musste.

Er schmökerte eine Weile und fand auch eine Liste mit den verschiedenen Sexualitäten. Ihm war so als ob er davon schon mal was gehört hätte, aber er bezweifelte stark, dass es einen Eintrag zum Thema Seelenbindung gab. Also zuckte er mit den Schultern und klickte auf einen Link zu einer anderen Seite.

Auf dieser war detailreich beschrieben und auch Illustriert, was zwei Kerle so alles miteinander anstellen konnten. Allein die Bilder erfüllten ihn mit Ekel. Wieder einmal tauschte er gedanklich die Person durch sich und seinen Freund aus. Nun war sein Interesse geweckt. Ja, mit Isaak konnte er sich so einiges vorstellen.

Vielleicht hätte er auch mit Bella über diese Dinge sprechen können. Immerhin war sie seine beste Freundin, aber er wollte solche Themen nicht mit ihr erörtern. Das war ihm dann doch zu peinlich. Auch mit seiner besseren Hälfte wollte er das nicht besprechen. Zum einen, weil dieser die unangenehme Eigenart hatte, ihn vor allem beschützen zu wollen und alles runterspielen würde, damit er auch ja nichts in den falschen Hals bekam, zum anderen, weil er seinen Freund, schlicht und ergreifend, überraschen wollte. Isaak hatte auf diesem Gebiet wesentlich mehr Wissen und er wollte nicht länger zurückstehen.

„Erstmal harmlos anfangen“, murmelte er und klickte auf den Reiter Einstieg. Basiswissen ließ er mal außen vor. Er runzelte die Stirn. Der erste Unterpunkt war „Handjob“. Er war ein Mann und wusste wie man das machte. Hatte er ja schon oft genug bei sich selbst getan. Er verklickte sich aber und öffnete genau diese Seite. Erstaunt weiteten sich seine Augen, als er die Übersicht sah. Offenbar gab es da doch mehr zu wissen als er angenommen hatte.

Während er sich über die Seite arbeitete, ging ihm der Mund auf. Die Anzahl der Finger, Tempo, Druck und Rhythmus waren die allgemeinen Angaben. Dann kamen verschiedene Grifftechniken mit und ohne Drehung. Eine Hand, zwei Hände. Es gab auch einen großen Absatz in dem geschildert wurde, wie man am besten die Ejakulation hinauszögern konnte, um seinem Partner noch mehr Lust zu bereiten.

Jake war schlichtweg überwältigt und starrte seine eigenen Hände an. Da war ihm doch tatsächlich so einiges entgangen. Dann sah er auf die Überschrift der Webseite: „Schwulen-Kamasutra“.

Die Seite musste er sich merken, dachte er und ging weiter zum Thema Blowjob. Er achtete nicht auf die abartigen Schwanzbilder und konzentrierte sich nur auf den Text. Auch hier gab es so einiges Interessantes zu lesen. Allein bei der Vorstellung, dass mal an Isaak auszuprobieren, leckte er sich gierig über die Lippen. Oh ja, er würde ihm die Sache mit der Zunge noch so was von heimzahlen.

Als Nächstes stand da Rimming, er wusste nicht so ganz was das sein sollte und wagte einen Blick hinein. „Treffer“, johlte er und warf die Hände in die Höhe. Genau das was er gesucht hatte. Genau in diesem Moment vibrierte der Boden leicht. Es gab ein Geräusch, als ob ein gewaltiger Reaktor hochfahren würde. Überrascht sah er zu seinem Freund.

Dieser war mittlerweile bei dem letzten Gebäudeteil angekommen. Überall im Raum leuchteten die Konsolen grün auf und Isaak gab ein erleichtertes Seufzen von sich. Offenbar war er fertig. Schnell schloss Jake das Fenster und legte eine Unschuldsmine auf. Nur nicht daran denken.

„Nicht an was denken?“, fragte sein Freund leicht erschöpft und stieg vom Podium.

„Daran wie heiß ich auf dich bin“, meinte der andere. Das war nicht mal gelogen.

Prüfend musterte der Wächter ihn und sagte: „Das ist aber nicht die Wahrheit. Oder zumindest nicht die Ganze“, mahnte er streng und grinse er dämonisch. „Sagst du es mir, oder muss ich mir erst deinen Browserverlauf ansehen?“

„Nein, bitte nicht“, sagte Jake und wich entsetze zurück.

„Ganz ruhig, das würde ich nie machen. Ich vertraue dir“, gluckste Isaak und befahl. „KI, alle Daten der Konsole PC löschen und neu aufsetzen.“

Dann schenkte er seinem Freund ein liebevolles Lächeln. „Diesen Befehl solltest du dir merken. Selbst wenn ich wollte, kann ich nun nicht mehr nachsehen was du getrieben hast.“

Jake strahlte ihn mit seinem schiefen Grinsen an. Schnell trat er vor und raubte sich einen Kuss. Viel zu schnell löste sich sein Geliebter allerdings und sagte: „Ich wollte dir schnell noch was zeigen, bevor das hier ausufert.“

Er schlang die Arme um den anderen und stellte sich hinter diesen. Dann deutet er auf das Schema des Komplexes. „Pass auf, gleich ist es soweit. Alle Systeme sind hochgefahren.“

Die Verbindungslinien der einzelnen Kugeln leuchteten grün. Dann schoss ein Faden von der Zentralkugel zu der unscheinbaren darüber. Der Wächter vergrößerte die Kugel und Jake erkannte, dass sich im Inneren unzählige Kristalle befanden, welche nun ruhelos umherflogen.

„Das ist die Energiespeicherkammer“, erklärte Isaak. „Hier wird die erzeugte Energie in Kristallen gespeichert und für den Transport vorbereiten. Jeder Außenposten läuft mit diesen Energiekristallen. Jetzt werden die hier geladen und mit denen der anderen Komplexe ausgetauscht. Sobald alle voll sind, kann ich eine dimensionale Verschiebung einleiten.“

„Wie lange?“, flüsterte der Wolfsjunge gebannt von den sich stetig bewegenden Kristallen.

„Etwa vier Tage“, sagte Isaak. „Der Fusionsreaktor liefert nur so viel Energie, wie benötigt wird. Den Befehl voll aufzuladen kann ich aber erst geben, nachdem alle Außenposten aktiv sind.“

Das botanische Forschungsinstitut I

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das botanische Forschungsinstitut II

Der Wolfsjunge konnte es immer noch nicht ganz glauben was da eben passiert war. Ein gemurmeltes „Ja“ war alles was er herausbrachte.

„Aber“, begann Isaak. Sofort spannte Jake die Muskeln an. „Du bist dir hoffentlich im Klaren, dass so etwas von meiner Laune abhängt. Ich lasse mich nicht so stark von meinen Wolfsinstinkten kontrollieren. Ich bin immer noch ich. Ich werde mich dir niemals vollständig unterwerfen.“

Der Beta dachte kurz nach und fragte sich, was sein Freund ihm damit sagen wollte.

„Ganz einfach Wölfchen. Ich habe nichts dagegen so etwas mit mir machen zu lassen, aber wenn ich keinen Bock darauf habe, dann drehe ich den Spieß um, so wie die beiden Male zuvor“, erklärte Isaak und schmunzelte.

„Achso“, sagte Jake und ihm ging ein Licht auf. Bevor er aber antwortete, betrachtete er die drei Situationen genau. Wenn er ehrlich zu sich selbst, war, und darum ging es ja, dann musste er gestehen, dass ihm alles bisher gut gefallen hatte. Da er nun auch wusste, dass er nicht in seiner Rolle als Devoter stecken bleiben würde, hatte er auch kein Problem damit, sich einfach seinem Freund zu unterwerfen. Zudem vertraute er ihm. Er sah es eher als eine Art Kampf. Ein Kampf auf Augenhöhe. Ein Kampf um die Macht. Damit konnte er leben.

Mit einem breiten Lächeln erwiderte er also: „Einverstanden.“

Sofort raubte sich der Wächter einen verlangenden Kuss und drückte ihn gegen den Baumstamm. War es eine Schwäche, sich einzugestehen, dass er beide Rollen mochte? Nein. Dafür gefiel es ihm einfach zu gut. Er wehrte sich nicht und überließ seinem Geliebten die Oberhand.

Dann knurrte ihm der Magen und Isaak brach lachend den Kuss ab.

„Na komm, lass uns was futtern gehen“, sagte der Wächter und löste sich vollends. Schnell sammelte er die Überbleibsel seiner Kleidung ein und befahl der KI sie ins Gästezimmer zu bringen.

Während der Fahrt sah sich Jake staunend um. Sie flogen rasant über ein weitläufiges Gebiet. Hier gab es nicht nur einen Wald, sondern auch noch unterschiedliche andere Bereiche. Angrenzend sah er eine Art Dschungel, daneben einen Nadelwald, einen Laubbaumwald; sowie einen weiteren Mischwald, ähnlich dem, aus dem sie gerade kamen und doch gänzlich anders.

„Ich würde vorschlagen, dass wir Edward und Bella einsammeln und gemeinsam Mittagessen. Anschließende kannst du ja mit ihnen auf Erkundungstour gehen. Das hier ist nur eine von fünf Kuppeln“, flötete der Rotblonde.

„Das klingt gut“, bestätigte der Wolfsjunge und nickte begeistert. „Ich nehme mal an, du wirst in der Zwischenzeit hier die Systeme hochfahren?“

„Ja, so ist der Plan. Keine Sorge, es dauert nicht all zu lange. Dieser Komplex ist lediglich im Stand-by-Modus. Ich werde wohl in etwa zwei Stunden benötigen und ich kann in 28 Minuten beginnen.

Sie flogen über eine Röhre in den Zentralbereich und dort durch den Boden. Hier gab es ein kleines rundes Zimmer. Die Toilette und Dusche waren mit einem kleinen Raumteiler abgetrennt worden. Wie in allen Bädern gab es auch hier eine dieser Plattformen an der Wand. Isaak warf seine Kleidung darauf und aktivierte die Wiederherstellung.

Während er das tat, wurde er von hinten in eine Umarmung gezogen und Jake knabberte verspielt an seinem Hals.

„Du bist echt unersättlich“, grinste Isaak.

„Dann lauf nicht nackt vor mir rum“, murmelte der Beta und biss fester zu.

„Du hast mich doch ausgezogen“, verteidigte sich der Wächter und legte den Kopf leicht schief um seinem Freund mehr Angriffsfläche zu bieten.

Der Wolfsjunge bahnte sich einen Weg zum Ohr hinauf und hauchte: „Und ich werde es wieder tun. Gewöhn dich besser dran.“ Dann biss er sanft in das Ohrläppchen.

Isaak stöhnte auf und bekam eine Gänsehaut. „Nichts lieber als das“, sagt er und genoss die nun einsetzenden Streicheleinheiten zutiefst.

Als die Klamotten wieder ganz waren, ließ Jake seinen Geliebten los und sah ihm zu, wie dieser sich anzog. Er knirschte mit den Zähnen. Wenn die anderen nicht auch noch da wären, dann, so schwor er, würde er es nicht gestatten, dass sein Freund etwas anzog. Er konnte sich einfach nicht an ihm satt sehen.

Schnell brachte Isaak sie in den Eingangsbereich, bevor Jake ihn erneut überfallen konnte. Von dort aus ging es zurück zum Unterwasserkomplex. Die anderen waren schon wieder im Holoraum, wie die KI bestätigte.

Vor der Tür zu diesem Raum raubte sich Jake noch einen Kuss, dann betraten sie den Holoraum. Irritiert sah sich der Beta um. Sie standen in einer kleinen Höhle. Direkt vor ihnen, außerhalb der Felsen, war eine Art Urwald zu sehen. Der Wächter blieb aber nicht stehen und schritt zügig voran. Schnell schüttelte der Wolfsjunge den Kopf und folgte ihm.

Es war wirklich eine Art Urwald. Zudem waren die Bäume einfach riesig. Von den Baumkronen hingen dicke Lianen herab. Seltsam war nur, dass es viel so Platz zwischen den Bäumen gab. Der Boden war bedeckt von Gras, Flechten und anderem Gestrüpp.

Isaak bog nach links ab und umrundete einen der Bäume. Dort fanden sie auch Bella und Edward. Die junge Dame saß auf dem Boden und spielte mit einer großen Katze. Ihr Freund stand hinter ihr und sah auf, als die beiden anderen sich näherten.

„Da sieh mal einer an. Ihr lebt ja beide noch? Bella hat sich Sorgen gemacht“, fauchte der Vampir ungehalten.

„Wir hatten zu tun“, wich der Wächter aus.

„Ja, das kann ich riechen“, erwiderte der Blutsauger und zog spöttisch die Augenbrauen hoch.

Nun mischt sich die junge Dame ein, bevor ein Streit entfachen konnte und sagte: „Wir hatten doch auch was zu tun. Dieser Holoraum ist fantastisch. Guck mal Jake, ist der nicht süß?“ Bei diesen Worten hob sie die große Katze auf und drehte das Tier zu dem Wolfsjungen.

Dieser schrak zurück. Es war ein Baby, kein ausgewachsenes Exemplar, und doch schon größer als jede normale Hauskatze. Irritiert starrte der Beta das Tier an. Vorne aus dem Maul ragten zwei kleine Spitze Zähne heraus. Es war ein Säbelzahntigerjunges.

Wie auf Kommando, erklang auf einmal ein bedrohliches Fauchen und die Mutter tauchte hinter einem der Bäume auf. Es war ein gewaltiges Tier, größer noch als Jake in Wolfsgestalt. Mit gebleckten Zähnen und aufgestelltem Fell stand die Mutter da und beäugte die Humanoiden.

Jake baute sich sofort zu voller Größe auf, knurrte ebenso bedrohlich zurück und begann zu beben.

„Die schon wieder“, stöhnte Edward. „Soll ich sie wieder verscheuchen, Schatz?“

„Tu ihr aber nicht weh“, mahnte die Angesprochene.

„KI, Simulation Pause“, befahl der Wächter. Die Säbelzahntigerin erstarre, wie auch das Jungtier. Mit einem Stirnrunzeln fragte er: „Habt ihr mit den Einstellungen gespielt?“

„Nein, ich glaube nicht“, sagte der Vampir, ließ aber die Katze nicht aus den Augen. „Wieso?“

„Die ist größer als sie sein sollte“, erklärte der Rotblonde und näherte sich dem Tier. In diesem Augenblick schoss ein rostbrauner Wolf an ihm vorbei und stürzte sich auf die Katze. Auch wenn sich das Wesen nicht bewegte, so reagiert es auf physikalische Einflüsse und wurde von dem Angriff umgerissen.

Schnell legte Edward Bella die Hände auf die Augen, da brach der Beta der Mutter auch schon das Genick.

„Also echt mal, Jake. Das ist ein Holobild. Das kann uns nicht verletzen. Nichts in diesem Raum kann uns Schaden zufügen. Selbst wenn du mit dem Kopf gegen einen Baum rennst, so gibt das Holz einfach nach. Lediglich die Außenwände, Decke und Boden sind massiv.

„Es fühlt sich aber verdammt echt an“, knurrte der Beta mental und warmes Blut tropfte ihm aus dem Maul.

„Sag mal spinnst du, du dämlicher Straßenköter? Du hast Bella erschreckt“, tobte Edward und machte einen Schritt auf den Wolf zu.

Da wurde sein Arm umfasst und seine Verlobte offenbarte: „So wie du, als wir hier reinkamen? Du hast dich auch sofort auf die arme Mutter gestürzt.“

„Aber ich habe sie nur verjagt und nicht gleich getötet“, rechtfertigte sich der Blutsauger und gestikulierte wild zu der Leiche.

„Was nicht lebt, kann man auch nicht töten“, meine Isaak. „KI, Hologitter neustarten.“

Der Kadaver, wie auch das Baby verschwanden, zusammen auch mit dem Blut im Maul des Wolfes. Dann tauchten sie hinter Bella wieder auf. Die Mutter lag am Boden und säugte das Junge. Beide in der Bewegung erstarrt.

„KI, Größe der Kreaturen auf Standard.“

Die Tiere schrumpften. Am Ende war das ausgewachsene Exemplar nur noch so groß wie ein Gepard.

„KI, Aggressionslevel auf zutraulich und Simulation fortsetzen.“ Zufrieden sah der Wächter zu, wie die Mutter ihr Baby säugte. Dann ging er einfach auf sie zu. Die Katze hob den Kopf und schnurrte als der Mann sie berührte.

Jake bleckte abermals die Zähne und knurrte bedrohlich, aber keiner achtete auf ihn.

„So, nun kannst du mit dem Kleinen spielen, ohne das die Mutter was dagegen hat“, grinste der Rotblonde und hob das Kätzchen einfach hoch. Die Säbelzahnkatze sah einfach nur zu und schnurrte weiter vor sich hin.

„Gut zu wissen“, beschwerte sich der Vampir. „Du hättest uns eine Menge Ärger erspart, wenn du das gleich so eingestellt hättest.“

„Was meinst du?“, frage Isaak sichtlich irritiert.

„Oh, ich glaube er spielt auf den Kampf mit dem T-Rex an. Das war ein Erlebnis“, sagte Bella tapfer, wurde aber etwas weiß um die Nasenspitze.

„Warum habt ihr die Einstellung nicht geändert?“, wollte der Wächter wissen.

„Haben wir versucht“, fuhr ihn der Blutsauger an. „Die KI sagte immer nur: „Zugriff verweigert“. Wir konnten lediglich starten und beenden. Alles andere war für uns gesperrt.“

„Oh“, sagte Isaak, setzte das Kätzchen auf den Boden und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich hatte nie Besucher mitgebracht. Offenbar regelt die Kristallmatrix die Rechte. Da die aber nicht mehr da ist, habt ihr nur rudimentären Zugriff. Das muss ich wohl manuell einstellen. Sorry.“

Jake verdrehte die Augen und sah zu den Fetzen seiner ehemaligen Kleidung. „Kannst du bitte meine Klamotten wiederherstellen?“, fragte er seinen Freund mental.

„Klar. Warte kurz“, sagte der Wächter und sammelte den Stoff schnell ein. Dann stürmt er davon. Bella streichelte erst Jake ein wenig, dann stapfte sie verzückt auf die Katzen zu und spielte ein wenig mit dem Kleinen.

Der Beta öffnete seine Gedanken und erklärte: „Wir sind hier um mit euch Mittag zu essen. Wenn ihr dann wollt nehme ich euch mit zum Gewächshaus.“

Edward zuckte mit den Schultern. „Bella sollte was essen, da hast du Recht. Aber ein Gewächshaus? Warum sollten wir so was Banales sehen wollen, wenn wir doch hier so einen Holoraum haben?“

„Glaub mir, dass wollt ihr sehen“, grinste Jake, wobei sein Wolfsmaul eher zum Fürchten aussah.

Abermals zuckte der Vampir ungläubig mit den Schultern.

Da tauchte Isaak auch schon wieder auf und Jake zog sich hinter einem Baum wieder an. Gemeinsam gingen sie anschließend in den Speisesaal.

Nachdem dann alle satt waren, der Wächter hatte Edward wieder einen Tropfen Blut in ein Glas Algenextrakt, Farbe und Geschmack Wein, gegeben, sammelten sie sich und Jake befahl der KI sie zur Aufstiegsplattform zu bringen. Dort streckte er die Brust raus und gab auch das Kommando für ihren Transport.

Bella und Edward staunten als die KI sie verabschiedete mit den Worten: „Verstanden. Teleportationssequenz initiiert. Auf Wiedersehen, Wächter Jacob.“

„Du bist nun auch ein Wächter?“, blaffte Bella.

„Nicht ganz“, erklärte Isaak und fuhr munter fort: „Er hat aber fast dieselben Rechte.“

Bevor sie ihn aber weiter ausquetschen konnten verschwand er nach oben in die Zentralkammer.

„Wie jetzt?“, fragte die junge Dame.

„Lass es so stehen Bella. Ich darf darüber nicht reden“, sagte der Beta und zuckte mit den Schultern.

„Bitte, bitte…“, bettelte sie weiter.

„Isaak hat mich als seinen Partner im System registriert. Mehr darf ich nicht sagen“, offenbarte der Wolfsjunge und befahl: „KI, Rundgang für uns alle.“

Das Pling erklang und sie flogen los.

„Das botanische Forschungsinstitut ist in sechs Spähern aufgeteilt. In der Mitte befindet sich die Zentralkammer, sowie ein Gästezimmer und der Eingangsbereich. Die fünf anderen sind in einem Sternmuster um die Mittlere angeordnet. Es gibt eine Außenröhre, sowie eine Verbindung zur Mitte. Jede der fünf Außenkuppeln besitzt einen Durchmesser von knapp 20 km. Der Innenbereich der Kuppeln ist wiederum in viele unterschiedliche Areale untergliedert. In diesen sind alle Klimazonen vertreten, von Eis bis Regenwald“, begann die KI mit ihrem Vortrag und eine Karte erschien.

Sie schossen in die erste Kuppel. „Dies ist die Waldkuppel. Hier gibt es alle existierenden Waldbiotope.“

Die Fahrt wurde langsamer und alle sahen sich staunend um. In der Mitte gab es einen gewaltigen Mammutbaum. Diesen hatte Jake zuvor nicht gesehen, obwohl er eigentlich nicht zu übersehen war. Nach einer Weile beschleunigten sie und flogen über eine Außenröhre zum nächsten Bereich.

„Diese Sphäre beherbergt sämtliche Blumen, Gräser und Büsche, die es auf der Erde gibt. Sie alle wurden in Mikroklimazonen eingeteilt. Zudem wurde ein klimaunabhängiger Wanderweg angelegt.“

Ein labyrinthartiges Wegenetz überspannte den Boden. Sie wurden erneut langsamer und sanken tiefer. Nun konnten sie sich einen winzigen Überblick verschaffen. Hier schien es wirklich alles zu geben, vom einfachen Gänseblümchen bis hin zu fleischfressenden Blumen. Da es in diesem Areal recht leer war, sahen sie überall bläuliche, runde Kugeln, von etwa einem Meter Durchmesser umherfliegen, welche als eine Art Gärtner unterwegs waren und sich um die Ordnung kümmerten.

Als sie nahe an einer Drohne vorbeikamen sahen sie, wie winzige, flexible Roboterarme ausgefahren wurden und damit begannen die Triebe einer Blume zu stutzen. Schon beschleunigten sie wieder und rauschten ins nächste Areal.

„Diese Sphäre ist für sämtliche Nutzpflanzen vorgesehen. Es gibt hier vier Hauptbereiche: Gemüse, Obst, Kräuter und Heilpflanzen.“

Auch hier gab es viel zu sehen. Überall arbeiteten die Gärtnerkugeln und kümmerten sich um die Pflanzen. Als sie an einem Apfelbaum vorbeischossen schrie Jake: „KI, stopp.“

Augenblicklich hielten sie an. Der Beta deutete auf den Baum und fragte: „KI, sind die Äpfel essbar für Menschen?“

„Die Erzeugnisse dieses Baumes werden als essbar eingestuft“, flötete die Frauenstimme.

Da tauchte auch schon eine der Kugeln von oben zu dem Baum hinunter und griff nach den Früchten. Sie zog diese in ihr Innerstes. Erwartungsvoll streckte der Wolfsjunge eine Hand aus, aber der Gärtner machte keine Anstalten ihm einen Apfel zu reichen.

„KI, gib mir zwei Äpfel von dem Baum da.“

Es gab ein Pling und die Kugel erstarrte einen Augenblick, dann griff sie zwei Äpfel. Anschließend kam die Drohne zu ihnen geschwebt. In der Barriere um sie herum öffneten sich zwei Löcher. Durch diese wurden dem hungrigen Wolf die Früchte übergeben. Kaum war der Auftrag erfüllt, kehrte die Kugel zu ihrer Arbeit zurück und pflückte weiter alle reifen Äpfel.

Mit seiner Beute drehte sich der Beta um und gab Bella einen ab. Beide bissen in den Apfel und seufzten auf. Der Geschmack war recht süß und einfach perfekt.

„KI, Rundgang fortsetzen“, befahl der Wolfsjunge schmatzend.

Ihre Wegzehrung hielt leider nicht lange an. Noch bevor sie die nächste Sphäre erreichten, war alles verputzt, was aber auch gut war, denn sie staunten mit offenen Mündern.

„Diese ist die Unterwasserkuppel. Hier gibt es sämtliche Pflanzen, welche auf- und unter dem Wasser gedeihen. Die drei Hauptbereiche sind: Süßwasserpflanzen, Salzwasserpflanzen und Tiefseepflanzen.“

Sie schossen durch einen Algenwald und nach oben. Als sie die Oberfläche erreichten, sahen sie ein Meer von Seerosen. Dahinter gab es weitere Areale mit anderen Pflanzen.

Beim Flug in die nächste Verbindungsröhre sahen alle zurück. „Die spinnen, die Wächter“, stieß Jake ehrfürchtig aus.

Plötzlich befanden sie sich wieder in Mitte und die KI flötete: „Rundgang beendet. Ich wünsche Ihnen noch einen Angenehmen Aufenthalt.“

„Moment mal“, maulte der Wolfsjunge und befahl: „KI, bring uns zur fünften Kuppel.“

„Befehl verweigert. Besuchern ist der Zutritt nicht gestattet.“

„KI, was befindet sind in der gesperrten Kuppel?“, knurrte Jake wütend.

Die Stimme der KI wurde auf einmal seltsam leise und er wusste, dass nur er sie hören konnte: „Dieses Areal ist für genetisch modifiziert Pflanzen vorgesehen und unterliegt der Geheimhaltung.“

„Ok,“, brabbelte Jake und sah zu Bella hinunter. „Das kann ich euch offenbar nicht zeigen. Wobei ich nicht weiß was an…“ Seine Zunge heftete sich urplötzlich an seinen Gaumen und er konnte nicht mehr weitersprechen. Er spürte seine rechte Hand kribbeln und wusste, es war der Blutschwur. Unbedacht hätte er fast enthüllt, was in diesem Areal war, also wurde er aufgehalten.

So schnell es gekommen war, so rasch verschwand der Zauber und seine Zunge löste sich.

Seine beste Freundin sah ihn erschrocken an. Schnell fasste er sich und sagte: „Mein Fehler, das darf ich nicht sagen.“

„Was war das gerade?“, harkte die junge Dame nach.

„Sagen wir einfach mal, dass ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin. So ähnlich wie bei einem Befehl von Sam“, erklärte Jake langsam und fragte sich, wie viel er sagen konnte, ohne den Bann auszulösen. Er fand es auch seltsam, dass der Blutschwur offenbar genau wusste, was er sagen durfte oder nicht. Mit einem Schulterzucken akzeptierte er diesen Umstand. Er hatte sich für diesen Weg entschieden und von Magie verstand er immer noch nichts.

Die beiden anderen runzelten die Stirn. Bevor sie ihm jedoch weiter auf die Pelle rücken konnten befahl er: „KI, bring uns in die Mitte der Blumenkuppel.“

Mit einem breiten Grinsen schwor er: „Das Beste habe ich euch noch gar nicht gezeigt. Wartets nur ab. Euch werden gleich die Augen rausfallen.“ Während ihrer Rundreise hatte er verstohlen einige Male nach oben gesehen. Dabei hatte er festgestellt, dass durch die beiden Schilde, der direkt um sie herum und der um die Kuppel, der Himmel fast normal ausgesehen hatte. Nur wenige Sterne glitzerten auf dem hellblauen Hintergrund und waren leicht zu übersehen.

Die KI brachte sie zu ihrem Ziel und Jake baute sich vor ihnen auf. „Na, bereit?“

Bella, schon ganz hibbelig, sprang von einem Bein aufs andere und fragte: „Ja, nun mach schon. Welche Wunder hast du noch auf Lager?“

Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: „Sieh nach oben.“

Langsam hoben alle drei den Blick. Die beiden anderen runzelten die Stirn und fragten sich was das zu bedeuten hatte. Da riss Edward die Augen auf und stammelte: „Wir sind im Weltall?“

„Jep“, bestätigte Jake und setzte nach: „Wir befinden uns in einer stabilen Umlaufbahn um die Erde. Die Wächter fanden das wäre der“, er machte mit den Fingern Anführungszeichen: „ideale Ort für ihren Komplex. Isaak sagte was von wegen Sonne satt, ohne Störungen.“

Sie schauten eine Weile zum Firmament, dann gingen sie im Blumenmeer spazieren. Jake, der sah, dass die beiden lieber allein wären, zudem hatte er kein Interesse an den Pflanzen hier, setzte sich ab, mit den Worten: „Ich bei dann mal im Waldareal. Ich will ein wenig als Wolf rennen. Die KI kann euch ja zu mir bringen, wenn ihr mit dem Grünzeug hier fertig seid.“

Dann war er auch schon auf und davon. Er erinnerte sich nicht mehr wie der Bereich hieß, in den Isaak ihn gebracht hatte, aber er hatte ja Zeit. Er begann seine Reise in der Nähe der Röhre zum Mittelbereich. Schnell zog er sich aus und warf die Sachen achtlos auf den Boden. Schon rannte er als Wolf in den ersten Abschnitt und gab sich seiner Natur hin.

Schade nur, dass es hier keine Tiere gab. Dann wäre es hier wirklich perfekt gewesen, wobei der Bereich doch etwas klein war. Als Wolf benötigte er mehr Fläche. Um sich ein wenig die Beine zu vertreten reichte es aber alle Mal.

Nach einigen Minuten, in denen er nach dem Waldstück suchte, in dem er und Isaak zuvor gewesen waren, dachte er an zu Hause. Seit seinem Verschwinden und dem kurzen Gespräch mit Sam hatte er nichts mehr mitbekommen, von Jareds Prägung mal abgesehen. Er wurde langsamer und öffnete die Verbindung zu seinem Alpha.

„Sam?“

„Ja?“, kam es sofort zurück.

„Alles in Ordnung zu Hause?“, fragte er bemüht gleichgültig.

„Kommt drauf an wie mans nimmt“, gab sein Leitwolf zurück. „Es gab so einige Vorkommnisse in den letzten Tagen.“ Sam druckste einen Moment herum und war sich offenbar nicht sicher, was er bereit war preiszugeben. Dann gab er sich einen Ruck und sagte: „Du bist immer noch Teil des Rudels, du hast ein Recht es zu erfahren. Jared hat sich geprägt.“

„Das weiß ich“, meinte Jake leichthin und biss sich auf die Zunge.

„Woher?“, wurde er scharf angefahren.

„Ähm, ich bin immer noch mental mit allen verbunden. Ich habe es mitbekommen, als es passierte“, redet sich der Beta schnell raus.

„Hm…, du hast aber nichts gesagt.“

„Ich hatte selbst genug zu tun.“

„Ok, dann weißt du auch über Collin und Brandy Bescheid?“, fragte der Leitwolf angefressen.

„Muss ich die kennen?“ Jake zuckte mit den Schultern. „Was ist mit denen?“

„Sie gehören nun zum Rudel“, offenbarte Sam misstrauisch.

„Wann ist das den passiert?“, fragte Jake erstaunt nach.

„Collin hat sich noch am selben Tag verwandelt, an dem du abgehauen bist, Brandy zwei Tage später“, erklärte Sam müde. „Ich habe also alle Pfoten voll zu tun mit den beiden. Sie sind noch jünger als Seth und haben nur Flausen im Kopf.“

„Ok. Eines noch…“, nun war es der Beta, der etwas herumdruckste. Dann endlich brachte er ein Wort heraus: „Dad?“

„Der ist immer noch außer sich.“ Sam seufzte tief. „Jake, ich weiß nicht wie lange ich deine Verbannung noch unterbinden kann. So langsam gehen mir die Ideen aus.“

„Es ist nicht deine Schuld, dass er so ist. Gut, dann werde ich mal wieder dicht machen und dich in Ruhe lassen“, sagte Jake niedergeschlagen.

„Warte“, fuhr sein Alpha ihn an. „Ich habe da auch noch ein paar Fragen.“

„Na dann schieß los?“

„Wie weit seid ihr mit eurem Vorhaben? Wann kommt ihr zurück?“

„Ähm, Isaak sagte was von 4 Tage oder so. Er aktiviert gerade den vierten Außenposten“, antwortete Jake.

„Ok“, meinte Sam tonlos und seufzte abermals. Mit fester Stimme fragte er dann: „Wie sieht es zwischen dir und Isaak aus? Ihr seid immer noch Freunde, oder?“

„Nicht direkt“, wand sich der Beta und gestand: „Wir sind nun zusammen. Wieso?“

„Ach, Jake. Ich wünschte du hättest das nicht gesagt“, sagte Sam mit bitterer Stimme.

Dunkel grollte der Wolfsjunge auf, da sprach der Ältere einfach weiter: „Versteh mich bitte nicht falsch. Ich persönlich habe nichts dagegen, aber der Rat und vor allem dein Vater, werden das anders sehen. Ich bin dem Rat verpflichtet. Du bringst mich erneut in eine schwierige Lage. Gibt es eine Möglichkeit deine Meinung noch zu ändern?“

„Ich habe mich entschieden. Isaak und ich sind jetzt ein richtiges Paar und ich werde mich nicht mehr ducken. Diese Zeiten sind vorbei. In den letzten Tagen habe ich viel gesehen und von der Welt mitbekommen. Wir Quileute sind in so manchen Dingen echt zurückgeblieben“, erklärte sich der Beta und seufzte: „Tu was du tun musst, Sam. Ich bin dir nicht böse.“

„Ich werde tun was ich kann. Das Beste wird aber sein, dass du Funkstille bewahrst und dich von La Push fernhältst. Isaak folgt dir wie ein Schatten und seine Anwesenheit würde alles nur noch schlimmer machen“, riet ihm sein Leitwolf.

„In Ordnung. Danke Sam. Over and Out“, sagte Jake schweren Herzens. Dann verschloss er sich komplett und rannte kopflos umher.

Die Arche

Nach einer Weile lag er erschöpft und hechelnd auf einer kleinen Lichtung im Nadelwald. Er spürte, dass Isaak sich näherte und reagierte nicht auf die Geräusche, die dieser dabei machte. Dann stand er vor ihm und runzelte die Stirn.

„Jake, was ist los? Warum hast du dich vor mir verschlossen? Habe ich schon wieder etwas falsch gemacht?“, fragte der Wächter.

Der Beta schnaubte und drehte den Kopf weg. Sein Freund hatte es schon wieder getan und ihm Informationen vorenthalten. Er war sich sicher, dass dieser von den beiden Neuen wusste.

„Komm schon. Sag mir doch wenigstens, warum du mir böse bist“, fleht der andere und versuchte ihm in die Augen zu sehen.

Jake mahlte mit den Zähnen und öffnete ihre Verbindung. Dann schnauzte er wütend: „Das Rudel ist größer geworden. Wusstest du davon?“

„Wenn du Collin Littlesea und Brandy Fuller meinst, dann ja. Die zwei waren schon überfällig. Ich bin froh, dass ich nicht eingreifen musste“, sagte Isaak vorsichtig. „Ich verstehe aber nicht, was das mit mir zu tun hat?“

„Du wusstest davon und hast es mir nicht gesagt. Deshalb bin ich sauer“, fuhr er seinen Freund an.

„Oh“, sagte Isaak und ließ den Kopf hängen. „Tut mir leid. Ich habe diese Information als unwichtig eingestuft. Mein Fehler.“

Dann ging er vor dem gewaltigen Wolfskopf in die Knie und legte den Kopf leicht schief. „Verzeih mir bitte. Ich habe so viel im Kopf in letzter Zeit. Ich habe es dir nicht absichtlich verschwiegen.“

Jake knurrte und kam auf die Beine. Dann stieß er den anderen um und baute sich über ihm auf. Dieser hob die Hände, präsentierte seinen Hals und sagte: „Ich gebe auf.“

Der Beta grollte abermals und öffnete das Maul. Dann ließ er sich einfach fallen und begrub seinen Freund mit dem Kopf.

„Umpf“, gab dieser von sich und begann ihn sanft zu kraulen. Jake grollte noch einmal wütend, dann seufzte er. Dies Streicheleinheiten waren einfach zu gut, um lange wütend zu sein. Dennoch verdiente sein Freund eine Strafe. Er verwandelte sich zurück und biss dem Unteren rabiat in den Hals.

„Hey, nicht so doll“, beschwerte sich Isaak, wehrte sich aber nicht wirklich.

„Das hast du dir verdient“, meinte der Beta und leckte ihm solange über die Wunde, bis diese vollständig geheilt war. Erst dann ließ er von dem Hals ab. Schnell raubte er sich noch einen Kuss und stand auf.

Der Wächter hatte seinen Fehler zugegeben und eine Strafe erhalten. Für ihn war damit alles geklärt. Er hatte nun keinen Grund mehr wütend zu sein. Außerdem war das wohl auch mit sein eigener Fehler. Er konnte die Verbindung zum Rudel steuern und hatte sich komplett abgeschottet. Somit konnte er seinem Freund auch nur eine Teilschuld geben. Er hätte selbst besser aufpassen sollen.

„Dad will mich immer noch verbannen hat Sam gesagt“, erklärte Jake und zog auch seinen Geliebten auf die Beine. „Aber das weißt du sicher auch schon.“

„Von deinem Gespräch mit Sam weiß ich nichts. Wenn ich die Systeme hochfahre, kann ich es mir nicht leisten meine Konzentration zu teilen. Ich weiß nur, dass Sam alles tut, um dich zu schützen und zudem noch die beiden Kindsköpfe an der Backe hat“, erklärte der Wächter und zuckte mit den Schultern. „Ich bin kurz davor die Verbindung vollständig zu unterdrücken, dieses ganze Gezanke geht mir langsam auf die Nerven.“

Jake brachte ein schmales Lächeln zustande. „Wie machen sich die Neuen?“

„Nicht so gut. Die beiden verursachen einen Streit nach dem anderen. Collin denkt nur daran wie heiß Leah ist und will sie nackt sehen. Das gefällt ihr natürlich nicht und sie fährt langsam richtig hoch. Zudem markiert Brandy eine dicke Lippe gegenüber allen. Sein Glück, dass Sam noch die Hand über sie hält. Paul, Jared und Leah hätten die Kleinen sonst schon längst in der Luft zerrissen.“

Jetzt musste der Beta wirklich grinsen. „Na, dann bin ich mal glücklich nicht dabei zu sein. Bei Leah und Seth habe ich schon genug einstecken müssen.“

Isaak ließ den Kopf hängen: „Ja, ich weiß.“ Schnell schüttelte er den Kopf und grinste: „Emily hat vorhin ihre Nichte eingeladen. Endlich fügt sich alles.“

Also stand Quils Prägung kurz bevor. Jake war sich immer noch nicht sicher, was er davon halten sollte und wechselte schnell das Thema. „Was ist in der verbotenen Kuppel?“

„Hat die KI dir das nicht verraten?“, fragte der Rotblonde irritiert nach.

„Es war mir zu anstrengend mit ihr zu reden. Wie du schon sagtest: Erwarte keine geistreichen Antworten, oder so ähnlich.“

Isaak grinste und sagte: „Ja, da hast du Recht. Das Thema ist auch nicht gerade einfach zu erklären, muss ich gestehen. Am besten zeige ich es dir. Wo hast du deine Kleidung gelassen?“

Der Wolfsjunge dachte kurz nach und antwortete: „Bei der Röhre zur mittleren Kugel.“

Isaak gab den Befehl und schon flogen sie davon. „Hey, ich stehe hier nackt rum“, maulte der Beta und verdeckte seine Blöße. „Was, wenn die anderen in der Nähe sind?“

Sein Freund kam auf ihn zu und leckte sich lüstern über die Lippen: „Keine Angst, die sind in einer anderen Kuppel. Glaubst du echt ich würde so etwas zulassen? Diesen Anblick habe ich nur für mich reserviert.“

Dann raubte er sich einen gierigen Kuss, bevor der Wolfsjunge etwas erwidern konnte. Schnell griff sich der Wächter die Arme des anderen und legte sie sich um. Gleichzeitig zog auch er seinen Geliebten in eine enge Umarmung.

Mental knurrte Jake kurz auf. Dann seufzte er und sagte: „Dito.“

Es fiel ihm immer noch schwer, wenn Isaak andauernd sein Verhalten änderte. In einem Moment unterwarf er sich, im Nächsten dominierte er ihn. Offenbar war das bei dem Wächter lediglich eine Angelegenheit seiner Laune.

Jake hingegen musste sich da noch zügeln. Auch wenn er die Möglichkeit hatte ebenfalls zu wechseln, so bevorzugte er doch die dominante Art. Das lag ihm einfach mehr. Solange sie unter sich waren, konnte er langsam damit umgehen, aber in der Öffentlichkeit würde er das noch nicht dulden. Er hing einfach noch viel zu sehr an seinem alten Verhaltensmuster.

Mental sprach Isaak: „Keine Sorge, Wölfchen. In der Öffentlichkeit werde ich brav sein. Ich halte mein Wort. Wenn du willst, stelle ich mich auch unterwürfig hinter dich, mit gesenktem Blick oder werfe mich dir vor die Füße. Ist mir vollkommen egal. Solange du und ich, wenn wir allein sind, auf Augenhöhe dastehen, ist mir alles andere gleichgültig.“

„Du sollst nicht immer auf meine Gedanken antworten, aber danke. So devot musst du aber nicht sein. Es reicht mir, wenn du mich einfach nur in der Öffentlichkeit nicht dominierst. Mehr verlange ich gar nicht. Vor allem vor dem Rudel. Ich kann mir da keine Blöße erlauben, nicht so wie es aktuell ist“, erwiderte Jake durch ihre Verbindung.

Sprechen konnten beide nicht. Keiner von ihnen wollte den heißen Zungenkuss beenden. Dann kamen sie allerdings an und der Wächter zog sich schweren Herzens etwas zurück. Er gab Jake gerade mal genügend Freiraum, damit dieser sich anziehen konnte. Kaum war alles da wo es hingehörte, da klebte er auch schon wieder an seinem Freund.

Schnell befahl der Rotblonde: „KI, bring uns in die Gen-Forschungskuppel. Segment 42.“

Von der Reise bekam der Wolfsjunge nicht wirklich etwas mit. Beide waren schon wieder erregt und pressten sich aneinander, während sie sich gegenseitig am Hals knabberten und den jeweils anderen zum Stöhnen brachten.

Dann löste sich der Wächter auf einmal und drehte sich so, dass er hinter Jake stand. Er legte ihm den Kopf auf die Schulter und sagte. „Sieh es dir an. Wir sind gleich da.“

Der Übergang zur fünften Kuppel war anders. Ein undurchsichtiges Kraftfeld blockierte den Weg. Als sie sich näherten, öffnete sich eine Lücke und ließ sie passieren.

Jake riss die Augen auf. Was er hier sah zeigte ihm in aller Deutlichkeit, wie weit die Wächter in ihrer Technologie waren. Das Areal war in verschiedene Segmente untergliedert. Überall waren einzelne Bereiche mit Kraftfeldern in alle Richtungen abgegrenzt. In diesen wucherten seltsame Dinge.

Einiges davon schien Horrorfilmen entsprungen zu sein. Rankenartige Gebilde, die umherzuckten und einem das Gefühl gaben, dass sie einen verschlingen wollten, oder leuchtende Dinger, welche unheilvoll pulsierten. Jake erwartete schon fast, dass diese Teile explodieren würden, als sie über sie hinwegflogen. Im nächsten Gefängnis befand sich eine seltsame wabernde Masse. Diese war knallorange und bewegte sich unaufhörlich.

Dann gab es aber auch unscheinbarere Gewächse. In einem der Bereiche war eine einzige gigantische Kartoffel, locker zehn Meter lang und vier breit. Ein anderes Segment war gefüllt mit röhrenartigen Gebilden, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt waren und in ihrem Inneren seltsame Dinge schwebten. In der Mitte lag ein besonderes Areal: Eine Art Labor.

Dorthin schwebten sie auch und Isaak erklärte: „Die Wächter vor mir haben hier viele Experimente durchgeführt. Das hat auch was mit Projekt Phönix zu tun. Wir wollten eine intelligente, humanoide Pflanze erschaffen. Unsere Intention dahinter war es, diese zur Hauptrasse werden zu lassen. Wir erhofften uns, dass eine auf einer Pflanze basierende Lebensform nicht so zu Gewalt neigt, wie die Menschen es tun und besser mit der Umwelt interagieren könnte.“

Er legte missbilligend die Stirn in Falten: „Leider hatten wir auch Erfolg mit der Forschung und dennoch war es ein Fehlschlag. Das war keine Sternstunde der Wächter muss ich sagen.“

Isaak ging ein paar Schritte und deutete auf einen der Tanks in der Nähe. Darin schwamm ein totes, furchteinflößendes Ding. Es sah aus wie eine Kreuzung zwischen Menschen und Pflanze. Aus dem Kopf wucherten tentakelartige lange Ranken. Die Haut war grün und die Gliedmaßen seltsam entstellt.

„Die erzeugte Rasse war sogar noch schlimmer als die Menschen. In unseren Simulationen löschte sie sämtliches tierische Leben aus, da sie es als Bedrohung sah.“

Der Rotblonde seufzte schwer und sagte: „Als Wächter Xeno starb, wurden sämtliche Exemplare getötet und dieser Komplex fast gänzlich stillgelegt. Die Kristallmatrix experimentiert hier ab und zu nach meinen Anweisungen ein wenig, aber nicht mehr in diese Richtung. Mein Interesse gilt der Umweltbelastung durch den Menschen auf die Flora des Planeten.“

Er deutete zu einem Bereich mit unterschiedlich großen Kraftfeldern. „Es sieht echt nicht rosig aus für die Erde. Die Pflanzen können sich nicht schnell genug an die Schadstoffe und den Klimawandel anpassen. Wenn das so weitergeht, dann werden in einem Jahrhundert in etwa 90 % aller Pflanzen ausgestorben sein. Und zudem auch 96 % aller Tiere.“

Isaak schüttelte traurig den Kopf. „Ein Problem nach dem anderen. Vielleicht verstehst du so langsam, warum wir Projekt Phönix erschaffen haben.“

Jake war, wie so oft, sprachlos. Schnell wandte er sich ab und stammelte: „Genug davon. Ihr Wächter habt echt einen an der Klatsche. Lass mich bloß in Ruhe mit so nem Zeug.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Verstohlen warf er dem Etwas im Tank einen Blick zu. „Können wir wieder gehen? Ich mag das Ding nicht.“

„Natürlich“, sagte der Wächter mitfühlend und sah ebenfalls zu dem Geschöpf. „Ich bekomme auch immer eine Gänsehaut, wenn ich hier bin. Deshalb lasse ich auch die Haupt-KI die Versuche durchführen. Aber, wenn dich das hier bereits abschreckt, dann halte dich bitte von der Genabteilung im zoologischen Forschungsinstitut fern.“

„Was? Da gibst auch so was?“, fragte Jake und erschauderte.

„Ja, das hier“, er machte ein Geste, welche die ganze Kuppel umfasste. „Ist noch harmlos, im Gegensatz zu dem, was wir dort in der Vergangenheit getrieben haben.“ Dann wurde sein Blick weich. „Versteh mich bitte richtig. Du hast absolut freien Zugang zu allen Bereichen. Ich verbiete dir nichts. Wenn du es willst, dann zeige ich dir alles und beantworte all deine Fragen. Ich rate dir nur, manche Dinge sollten besser im Schatten bleiben und nicht ans Licht gezerrt werden.“

Dann befahl er: „KI, bring uns zum Eingangsbereich.“

Nachdenklich fragte Isaak: „Was willst du jetzt machen? Ich habe noch in etwa zwanzig Minuten, dann muss ich zum letzten Außenposten.“

„Was? Nur zwanzig Minuten? Warum das auf einmal?“, harkte Jake erstaunt nach.

Mit einem leichten Grinsen erklärte Isaak: „Die Arche ist als einziger Außenposten aktiv geblieben. Da muss ich nur die Verriegelung aufheben und die Verbindung wiederherstellen. Das dauert aber auch nicht lange. In etwa einer Stunde kann ich den Befehl zum Vollladen der Kristalle geben.“

„Gut dann lass uns schnell den anderen Bescheid sagen. Ich komme mit dir mit“, entschied der Beta resolut. „KI, bring uns zu den Besuchern.“

Augenblicklich änderte sich ihre Flugbahn.
 

Kurz Zeit später setzten sie auf dem Weg vor einer Wiese auf. Dort fanden sie auch die anderen. Beide lagen eng aneinandergeschmiegt zwischen den Blumen und sahen in den Himmel. Es dämmerte bereits und die Sterne traten deutlicher hervor.

„Na, ihr zwei?“, begrüßte Jake sie.

Die Angesprochenen schauten zu ihnen auf. Bella verzog das Gesicht und maulte: „Oh, ist die Zeit schon um? Ich wollte mir doch den Nachthimmel ansehen.“

„Wenn ihr wollt könnt ihr gerne hierbleiben. Wir wollten euch nur Bescheid geben, dass wir schnell zum letzten Stützpunkt gehen. In einer Stunde holen wir euch dann wieder ab“, schwatzte der Beta grinsend. „Schön brav bleiben in der Zeit.“

„Wartet“, stieß Edward hervor. „Können wir auch ohne euch zu dem Unterwasserposten reisen? Oder muss immer einer von euch beiden den Befehl für den Transport geben?“

„Ich habe mir die Rechte der Besucher angesehen, als ich die Systeme hochgefahren habe. Ihr seid befugt, euch zwischen dem Wetterkontrollobservatorium, dem zoologischen und dem botanischen Forschungsinstitut frei zu bewegen. Die KI wird die Teleportation einleiten, wenn ihr das befehlt“, versicherte Isaak.

„Gut, dann braucht ihr uns nicht abzuholen. Sagen wir in zwei Stunden im Speisesaal?“, schlug der Vampir vor.

„Abgemacht“, bestätigte der Wolfsjunge.
 

Auch in der Arche registrierte Isaak seinen Freund schnell. Dann sah sich dieser um. Die vorherrschende Farbe war reines schneeweiß, durchbrochen von feinen blauen Linien. Der Raum, in dem sie standen, war diesmal gänzlich anders aufgebaut. Sie befanden sich direkt im Zentralraum. Vom Aufbau her war er fast identisch mit dem aus dem Reaktorposten. Um die Schaltpultreihe war eine Art Laufweg mit Geländer angeordnet worden. Wände gab es keine. Decke und Boden waren mit feinen weißen Säulen verbunden, auf denen sich je eine blaue Linie spiralförmig nach oben schlängelte.

Jake steuerte auf die Absperrung zu und staunte mit offenem Mund. Vor ihm erstreckte sich eine große zylindrische Kammer. Sie hatte locker einen Kilometer im Durchmesser und ihre Position war exakt der Mittelpunkt. Die gesamte Wandfläche war mit eine Art Wabenmuster, von etwa einem Meter Durchmesser, überzogen. In der Mitte einer jeden Wabe leuchtete ein faustgroßer grüner Punkt.

Währenddessen ließ Isaak eine Konsole vor sich erscheinen und suchte nach einem bestimmten Eintrag. Anschließend nahm er seinen Freund von hinten in den Arm und befahl: „KI, Lade 148.527 ausfahren.“

Auch wenn der Gestaltwandler nichts spürte, so sah er doch, wie sie ich bewegten. Die Frage war nur: bewegten sie sich, oder der ganze Raum um sie herum? Sie stoben in die Tiefe und drehten sich dabei. Dann blieben sie unvermittelt stehen.

Der grüne Punkt direkt ihnen gegenüber wurde orange und die Wabe schoss auf sie zu. Jake wollte einen Satz nach hinten machen, wurde aber an Ort und Stelle gehalten. Etwa zehn Zentimeter vor seinem Gesicht hielt das Geschoss an.

Plötzlich erschien zu beiden Seiten der Wabe je ein Laufweg mitsamt Geländer, bestehend aus dem blauen Kraftfeld. Zudem senkte sich die Begrenzung vor dem Wolfsjungen ab und fuhr in den Boden hinein.

Der Wächter ließ ihn los und machte ein paar Schritte auf dem Steg. Misstrauisch testete der Beta erstmal, ob die Barriere ihn aushielt. Dabei sah er durch diese nach unten und stellte entsetzt fest, dass er nicht einmal den Boden sehen konnte. Dieser Raum schien in die Unendlichkeit zu führen. Schnell sah er nach oben und erkannte, dass es zumindest eine Decke gab, auch wenn sich diese nun mindestens vierhundert Meter über ihnen befand. Zudem bemerkte er, dass der Zentralraum offenbar schwebte. Dieser hatte keine Verbindung, weder zur Decke, noch eine Säule zum Boden.

Er schluckte schwer und sah zu dem anderen. Sein Freund stand da und lächelte ihm vertrauensvoll zu. Der Wolfsjunge nahm all seinen Mut zusammen und folgte seinem Geliebten vorsichtig. Als er neben der ausgefahrenen Struktur stand, stellte er fest, dass diese eine achteckige Säule war. Ihre Oberfläche hatte ebenfalls ein Wabenmuster.

Der Rotblonde sah einen Augenblick auf die Zeichen, mit denen die etwa zehn Zentimeter großen Waben beschriftet waren. Dann machte er eine Bewegung nach unten und die Säule drehte sich seiner Vorgabe entsprechend. Anschließend drückte er auf eine bestimmte Wabe.

Dieses zischte und es drang weißer Nebel hervor, als sie etwa dreißig Zentimeter ausfuhr. Sie bestand aus einem durchsichtigen Glas. Zudem war sie in einzelne Segmente eingeteilt. Der Wächter griff zu und zog eine achteckige, mehrere zentimeterdicke Scheibe hervor.

Isaak sah auf und zeigte seinem Freund das Gespinst. In der Mitte der Scheibe befand sich ein roter Punkt. „Das ist ein Tropfen Blut von Ephraim Black, deinem Großvater.“

„Was?“, stieß Jake hervor.

Mit sanfter Stimme begann der Wächter zu erklären: „Seit ihrer Inbetriebnahme vor rund 85.000 Jahren sammelt die Arche das Erbmaterial jeder Lebensform auf dem Planeten. Bei den meisten Insekten, anderen Geschöpfen oder Pflanzen, welche zu klein sind, wird ein Ei oder Samen, aus jeder Generation einer Kolonie, eingesammelt. Bei mikrobischen Organismen wir eine komplette Kolonie angelegt. Das Erbgut wird ermittelt und doppelt gespeichert. Einmal in einer dieser Scheiben und zum Zweiten in der Gen-Datenbank dieses Komplexes.“

Tonlos fragte der Wolfsjunge: „Warum macht ihr das?“

„Es gibt drei Hauptgründe, warum wir uns für dieses Vorhaben entschieden haben. Erstens: Archivierung alles Lebensformen. Zweitens: Projekt Phönix. Drittens: In absoluten Ausnahmesituationen, wenn das Leben einer, für die Zukunft wichtigen, Lebensform, aus unvorhersehbaren Gründen, ausgelöscht wird, können wir einen Klon erschaffen, der die Aufgabe des Originals übernimmt.“

Isaak lächelte gequält: „Ja, ich weiß, wir spinnen, aber, wir planen eben im Voraus. Das ist unser Daseinszweck.“

„Moment“, begann Jake und schüttelte den Kopf. „Mein Blut ist auch hier?“

„Ja“, antwortete der Rotblonde vorsichtig.

„Wie? Was?“, stammelte der Gestaltwandler.

Sein Freund nahm ihm die Gen-Probe aus der Hand und schob sie zurück in den Aufnahmebehälter. Dann befahl er: „KI, Gen-Proben von Wächter Isaak ausfahren.“

Erschrocken sprang Jake einen Schritt zurück als die Wabensäule neben ihm in die Wand zurückschoss. Neben ihm baute sich ein zweites Geländer auf und sie bewegen sich, ohne es zu spüren. Sie drehten sich um die Mittelachse und schossen nach oben. Direkt unter der Decke hielten sie an und das Lichtsignal der Wabe, mit welcher der Laufsteg verbunden war, wechselte von grün zu orange und rauschte auf sie zu. Dann bewegten sie sich, wie auf einem Förderband, etwa bis in die Mitte der Säule. Diese drehte sich und eine Wabe wurde ausgefahren.

Der Rotblonde deutete auf eine der Scheiben und sagte: „Diese Probe entstand kurz nach meiner Geburt. Diese hier“, er zeigte auf eine andere: „Als ich zum Wächter wurde.“ Dann zeigte Isaak auf eine dritte Scheibe. „Und das ist die Probe nachdem ich meine DNA umstrukturiert habe.“

Er sah auf und grinste: „Wie du siehst bin ich keine Ausnahme. Auch meine Gene wurde erfasst und archiviert. Sowie die aller Wächter vor mir.“

Dann befahl er: „KI, Gen-Probe der menschlichen Magierin Morgan le Fay ausfahren.“

Abermals zog sich die die Wabensäue ein und kehrte in die Wand zurück. Anschließend schossen sie in die Tiefe, diesmal deutlich schneller.

„Diese Arche ist unser größter Schatz“, sagte der Wächter mit vor stolz geschwellter Brust. Dann wurde sein Blick ernst: „Zusammen mit dem Wissen der Kristallmatrix, wird dies unser Vermächtnis sein.“

Schnell erreichten sie das Ziel und Isaak zog die Probe heraus. Einen Augenblick starrte er die gläserne Wabe an. Dann senkte er den Blick und atmete tief durch. Mit leiser Stimme erklärte er: „Was ich dir nun sage ist nicht einmal der Kristallmatrix bekannt. Es ist unser größtes Geheimnis.“

„Warte“, fuhr Jake dazwischen. „Ich habe heute schon genug Dinge gehört und gesehen, welche mich in meinen Träumen verfolgen werden. Behalte dein Wissen für dich, ok? Ich vertraue dir.“

Isaak hob den Blick und lächelte liebevoll. „Und ich vertraue dir“, sagte er, dann wurde seine Miene wieder erst. „Deshalb solltest du es wissen. In einigen Punkten habe ich dich und die anderen belogen. Selbst mit meiner vollen Magie habe ich keine Chance gegen einen menschlichen Magier. Und schon gar nicht gegen Morgan le Fay. Sie ist sogar noch stärker als alle Magier vor ihr. Das habe ich gespürt als ich mit ihr verbunden war.“

„Warte. Was?“, fuhr Jake ihn an und wurde wütend.

Isaak hob beschwichtigend die Hände und sagte: „Lass mich bitte ausreden.“

Dann wartete er bis der Wolfsjunge zähneknirschend nickte. Durch ihre Verbindung spürte der Wächter, dass sein Freund sich betrogen fühlte, aber die Zeit war gekommen endlich reinen Tisch zu machen.

„Vor Äonen von Jahren, in der ersten Blütezeit der Wächter, waren wir so was wie göttliche Wesen. Unsere Macht war nahezu grenzenlos und nur unsere Vorstellungskraft schien uns bremsen zu können. Damals lebten die Wächter 100.000e von Jahren. Alles regelten wir mit unserer Magie. Nichts und niemand konnte uns aufhalten.

Wir waren die ultimativen Beschützer des Lebens und kümmerten uns gut um diesen Planeten. Unter unserer Obhut florierte das Leben, es explodierte quasi. Täglich entstanden unzählige neue Arten und Rassen. In unserer grenzenlosen Ignoranz beschleunigten wir die Evolution sogar. Der damalige Wächter hielt sich für unsterblich und dachte er würde bis in alle Ewigkeit über die Erde wachen.

Doch dann begann der Zerfall. Der Wächter bemerkten lange nicht, wie seine Kräfte schwanden. Es war ein schleichender Prozess und erst kurz vor einer globalen Katastrophe wurde es ihm bewusst. Er war zu schwach und opferte sich, um das Leben zu bewahren, das er so viele Jahrtausende gehegt und gepflegt hatte. Dennoch starben Milliarden und Abermilliarden von Lebensformen. Vom Einzeller bis zu den größten Tieren.

Damals gab es noch keine Zitadelle und auch keine Aufzeichnungen. Der nächste Wächter hatte von seinem Vorgänger lediglich seine Macht geerbt. Alles andere musst er sich selbst beibringen. Und auch dieser Wächter wähnte sich nach einiger Zeit allmächtig und unsterblich. Unter seiner Obhut erblühte das Leben wieder. Der Kreislauf begann von Neuem und der Wächter wurde schwächer.

Es dauerte einige Milliarden Jahre und viele Generationen von Wächtern, bis wir endlich den Fehler erkannten. Je mehr Leben existiert, desto schwächer wurden die Wächter. Das war die Geburtsstunde der Zitadelle. Von da an sammelten wir akribisch unser Wissen und versuchten aus dieser Spirale auszubrechen. Nicht um unseretwillen, sondern um das Leben zu beschützen. Das war und ist noch heute unsere einzige Aufgabe. Unser Daseinszweck.

Dennoch dauerte es Millionen von Jahren und unzählige Wächter, bis wir jeden Winkel auf dem Planeten untersucht und alles Wissen in unserer Bibliothek aufgenommen hatten. Aber auch mit diesem Wissen konnten wir das Leben nicht beschützen. Mit jeder größeren Katastrophe starb der Wächter bei dem Versuch seine Aufgabe zu erfüllen.

Voller Verzweiflung, und in dem Glauben versagt zu haben, wandten wir uns von der Magie ab. Dies war die Geburtsstunde unserer Technologie. Wir hofften mit Hilfe dieser, den ewigen Kreislauf unterbrechen zu können. Wie außerordentlich dumm wir doch waren.“

Isaak lachte kurz und mitleidig auf.

„Wie dem auch sei. Etliche Generationen später hatten wir es geschafft. Mit Hilfe unserer Technologie konnten wir einen Megavulkanausbruch aufhalten. Der damalige Wächter sah den Weg, den wir eingeschlagen hatten als den richtigen an und verstärkte unsere Technologie noch weiter, aber auch das rettete ihn nicht vor einem Asteroiden, bei dem er sich opfern musste.

Da erkannten wir es: Die Wächter und das Leben selbst waren eine Einheit. Je mehr wir das Leben schützten und mehrten, desto schwächer wurden wir. Durch unsere Technologie konnten wir das nun ausgleichen aber zu welchem Preis? Ohne die Katastrophen, welche das Leben dahinrafften, war unsere Magie nur noch ein schwacher Abklatsch unserer einstigen Macht.

Vor rund 100.000 Jahren erschufen wir dann die Kristallmatrix und wenig später die Außenposten und die Arche. Da wurde es richtig schlimm. Unsere Lebensdauer sank rapide. Nicht aufgrund von Katastrophen, gegen die wir nicht gewappnet waren, nein, wegen der Entwicklung der Menschen, welche auch uns beeinflusste. Wie ich bereits sagte. Die Selbstmordrate unter den Wächtern ist sehr hoch. Kaum einer lebte mehr als 200-300 Jahre.

Mittlerweile haben wir unser Schicksal anerkannt. Unsere Technologie ist nun bereit unsere Aufgabe fortzusetzen. Wir haben alles durchdacht und unzählige Tests durchgeführt. Ich selbst habe diese Arbeit beendet und vor rund 2000 Jahren die Außenposten runtergefahren. Alles ist vorbereitet für den Tag, an dem unsere Magie vollends versiegt und die Wächter aufhören werden zu existieren.

Die Kristallmatrix weiß nichts davon. Es gibt Wissen, dazu zählt auch dieses, welches wir sogar vor ihr geheim halten. In der Zitadelle gibt es einen Abschnitt, zu dem sie keinen Zutritt hat und dort sind die Bücher mit allem, was in unseren Augen zu gefährlich ist, um es einer KI anzuvertrauen.

Meine Magie ist viel zu schwach. Deshalb kann ich Morgan le Fay allein auch nicht besiegen, aber auch für einen solchen Fall haben wir vorgesorgt. In der Zitadelle haben wir Waffen erschaffen, um einen menschlichen Magier aufzuhalten. Ihre Identität zu enthüllen war mein oberstes Gebot.“

Er hielt die Gen-Probe hoch. „Mit dieser Probe kann ich in der Zitadelle eine Biowaffe erschaffen, welche Morgan le Fay töten wird. Das ist mittlerweile der beschämende Weg der Wächter.“

Traurig senkte er den Blick und ließ die Schultern hängen. „Auch in diesem Punkt habe ich gelogen. Wir haben so viel von unserer Magie eingebüßt, dass wir auf die Technologie angewiesen sind. Es ist nicht nur eine Spielerei für uns, wir sind vollkommen von ihr abhängig. Das ist auch der Grund warum die KI die Zitadelle in eine andere Dimension verschoben hat. Ohne den Zugriff auf unsere Hauptsysteme kann ich kaum etwas machen. Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Katastrophe eintritt und mein Leben endet.

Deshalb muss ich die Zitadelle zurückbringen und Morgan le Fay auslöschen, bevor sie bemerkt was los ist. Sie gibt sich dem verständlichen Irrglauben hin, dass Magie allmächtig ist, wie wir es auch einst taten, und die Wächter ihr darin ebenbürtig sind. Das ist der Grund, warum sie bisher nicht selbst in Erscheinung getreten ist. Ihre Angst vor mir lässt sie im Schatten die Fäden ziehen. Sollte sie aber erfahren, wie schwach ich wirklich bin, wird sie direkt mit aller Macht angreifen.“

Heimkehr

„Moment“, sagte Jake und hob die Hände. „Das ist zu viel auf einmal. Langsam. Eins nach dem anderen, bitte.“

Er atmete tief durch und fragte: „Wenn ich das richtig verstanden habe, dann versiegt deine Magie. Was passiert mit dir, wenn das geschieht?“

Isaak zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Wir wissen es nicht. Ich vermute, dass ich dann wieder zu einem Menschen werde. Also sterblich.“

„Und wie lange hast du noch?“, wollte der Wolfsjunge mit zittriger Stimme wissen.

„Das ist so eine Sache“, begann der Wächter und kratzte sich nebenher am Hals. „Nach unseren Berechnungen sollte dieser Punkt in etwa 84 Jahren erreicht sein. Aber…“, er brach nachdenklich ab und redete nicht weiter.

„Aber, was?“, hakte der Beta besorgt nach.

„Wir haben aber nicht mit der grenzenlosen Dummheit der Menschen gerechnet. Sie vergiften den Planeten zusehends. Dadurch und durch ihre Gier, haben sie schon sehr viele Lebewesen ausgelöscht. Die Summe aller Lebenskraft hat sich sogar reduziert. Das Resultat dabei ist, dass meine Magie, anstelle weiter auf null zu sinken, wieder stärker wurde. Die Frage ist nur wo das hinführen soll?“

„Also wirst du nicht zum Menschen?“

„Einfach ausgedrückt: Nicht in absehbarer Zeit.“

Irritiert runzelte Jake die Stirn und fragte: „Was soll das nun schon wieder bedeuten?“

„Ich kann dir keine genaue Angabe machen. Wenn wir die Magierin besiegen, dann bleibt immer noch das Problem mit der Menschheit an sich. Die Auswirkungen der Erdenbürger auf das globale Ökosystem werden immer schlimmer. Setzt sich diese Richtung weiter fort, so werde ich nie meine Magie verlieren und sogar stärker werden.

Dann ist da aber noch der Fall, es kann durchaus recht bald dazu kommen, dass sich die Erdlinge selbst auslöschen. In diesem Szenario, solange nicht alles Leben dabei zugrunde geht, würde ich wohl nicht eingreifen und zusehen was passiert. Meine Kräfte würden wachsen und nachdem alles Homo sapiens weg sind, könnte ich den Planeten von ihren Hinterlassenschaften säubern und die Saat des Lebens neu ausbringen. Was mich wiederum meine Magie kostet, sollte die Lebenskraft steigen.

Sollte ich jedoch gezwungen sein die Menschheit auszulöschen, dann würde das mit einem Schlag meine Magie verstärken, aber ohne ihren den schädlichen Einfluss, würde ich schwächer werden, sobald die Natur sich erholt.

Du siehst, es ist ein Teufelskreislauf.“

„Zu viel. Viel zu viele Informationen“, beschwerte sich der Wolfsjunge und rieb sich die Schläfen. „Also stirbst du nicht so schnell, oder was jetzt?“

Isaak lachte erheitert: „Selbst, wenn ich all meine Magie verlieren sollte, dann bin ich immer noch ein Gestaltwandler, dank dir. An Altersschwäche werde ich wohl eher nicht sterben.“

„Es sei denn wir hören auf uns zu verwandeln“, mutmaßte Jake.

„Ja, das stimmt.“

„Gut nächster Punkt: Die Magierin. Warum hast du mich angelogen?“, knurrte Jake und machte sich nicht einmal die Mühe seine Verärgerung zu verbergen.

„Ich habe euch alle angelogen. Vergiss nicht, der Blutschwur bindet auch mich an unsere Geheimnisse. Ich kann jetzt mit dir darüber sprechen, aber mit sonst niemandem“, erklärte der Wächter traurig. Entschuldigend fügte er hinzu: „Ich wollte dich nicht belügen, aber ich konnte nicht anders.“

Der Wolfsjunge stöhnte mitleidig, da war ja was. An den verdammenden Blutschwur hatte er mal wieder nicht gedacht. Auch musste er seinem Freund Recht geben, diese Informationen waren äußerst gefährlich. „Schon gut. So, nun zu der Menschheit: Was hast du mit den Menschen vor?“

„Ich weiß es nicht Jake. Um ganz ehrlich zu sein: In dem Augenblick, in dem die Menschheit die Summe der Lebenskraft des Planeten reduziert hat, wurde sie zu einer Bedrohung des Lebens an sich. Eigentlich ist es nun meine Aufgabe die Menschheit auszulöschen und die von ihnen angerichteten Schäden im Ökosystem zu beseitigen.“

Der Wächter seufzte schwer: „Ich weiß nicht, ob das gut wäre, oder ich das überhaupt kann. Wir Wächter haben stets diesen Weg gewählt. Darüber denke ich schon seit mehreren Jahren nach. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich die Menschheit nicht auslöschen werde, solange sie mir keinen triftigen Grund, wie einen atomaren Winter, liefert. Ich werde dem Leben seinen Lauf lassen und kann nur hoffen, dass das kein Fehler ist.“

„Kannst du dich nicht einfach der Gesellschaft zeigen und uns sagen, was wir besser machen sollen?“, warf der Wolf eine Idee in den Raum.

„Jake, wenn ich mich offenbare, dann werden sie mich auslachen und als Scharlatan hinstellen. Ich müsste den Menschen zeigen was ich kann und über welche Macht ich verfüge. Sobald sie dann aber mitbekommen, dass ich ihnen nichts tue, werden sie versuchen mich in einem Labor zu untersuchen. Sollte ich ihnen hingegen meinen Willen aufzwingen, so werden sie sich höchstwahrscheinlich gegen mich erheben und versuchen mich zu töten. Es tut mir leid, aber ich sehe keinen Weg dieses Vorhaben umzusetzen.

Denk doch mal daran, wie das Rudel auf mich reagiert hat. Ich habe es lediglich gewagt euer Revier zu betreten und schon wurde ich als Feind angesehen.“

Verlegen räusperte sich Jake. „Also, das ist aber auch was anderes. Ich habe mich auf dich geprägt und…“

„Das ist nichts anderes. Ich war ein Fremder, dazu noch kein Mensch und sofort wurde ich zur Bedrohung. Die Menschen werden das auch so sehen“, unterbrach sein Freund ihn. „Naja, egal. Hast du noch weitere Fragen? Ich wollte dir noch schnell was zeigen, dann muss ich wieder aber an die Arbeit.“

„Was kommt denn jetzt noch?“, maulte der Beta und verdrehte die Augen.

Der Wächter schmunzelte und sagte: „Ich wollte dir zeigen, wie wir an die Gen-Proben kommen, aber, wenn dir das zu viel wird, dann kann ich dir das ein anderes Mal zeigen.“

„Na gut, das will ich sehen. Bitte erspare mir aber die komplizierten Erklärungen“, mahnte der Wolfsjunge und verschränkte die Arme vor der Brust.

„KI, Lade einfahren und bring uns in die Zentralkammer“, befahl Isaak.

Die Beiden schossen auf die Mitte zu, während die Wabensäule in die entgegengesetzte Richtung in der Wand verschwand. Kaum waren sie in der Kommandozentrale, da verblassten hinter ihnen die beiden Laufstege und die Brüstung fuhr hoch.

Dann befahl der Wächter: „KI, bring uns zum Eingangskontrollbereich.“

Sie stiegen rasant auf und flogen durch die Decke. Dort öffnete sich ein Loch und die ganze Zentralkammer flog in den Raum darüber.

Der Beta machte große Augen, um sie herum standen unzählige Wabensäulen auf dem Boden. Einige davon nur wenige Meter hoch, andere hatten ihre volle Größe bereits erreicht. Sie stiegen hoch über den Säulengarten auf und Jake sah, was hier passierte.

Dieselben Drohnen, die im zoologischen Forschungsinstitut Gärtner spielten, bauten hier die Säulen auf. Neben ihnen schwebten kleine Transportwagen mit den Einzelteilen. Mit ihren kleinen flexiblen Armen nahmen sie die Teile und bauten Stück für Stück, Segment für Segment, die Säulen. War ein Wagen leer, so wurde er von einem vollen abgelöst und der vorherige schoss davon, um neu beladen zu werden.

Ein Schwarm kleinerer Drohnen flog um bereits gebaute Säulen und befüllte diese mit den Genproben.

Isaak deutete auf eine der Obelisken und sagte: „Pass auf, diese ist gleich fertig befüllt.“

Einen Augenblick lang schwirrte der Schwarm noch um die Struktur, dann stoben sie davon und schossen in die Tiefe, um sich der Nächsten zu widmen. Die nun fertige Säule wurde mit einem Kraftfeld umgeben. Dann öffnete sich der Boden unter ihr und sie fiel einfach gerade nach unten in die Lagerkammer.

„Die fällt jetzt einfach mit der Schwerkraft, bis sie auf der richtigen Höhe ankommt und dort in der Wand eingefahren wird.“

„Passiert das häufig?“, fragte Jake entsetzt.

„Vorhin sind vier weitere Säulen hinter dir nach unten gefallen.“ Der Wächter sah nach unten und sagte: „Sieh da, sie bauen schon die Nächste.“

Und tatsächlich, dort wo eben noch die Wabensäule gestanden hatte, bauten drei große Drohnen die Kopfseite mit dem Leuchtpunkt in der Mitte.

Jake schüttelte den Kopf. „Wie bekommt ihr die ganzen Proben?“

Der Wächter deutete auf den Schwarm kleinerer Drohnen. „Das sind alles Sammler. Sie fliegen los und stechen mit einer winzigen Nadel zu. Jeder Sammler kann 1.000 Proben aufnehmen. Dann kommt er hier her zurück, reiht sich ein und wartet, bis er alle Proben los geworden ist. Anschließend geht es kurz auf die Ladestation. Sobald der Akku wieder voll ist, fliegt er wieder los.“

Isaak deutete auf die Decke. „Siehst du dieses Löcher dort. Das sind kleine Tunnel. Sie führen an die Oberfläche. Von dort aus verteilen sich die Sammler auf dem gesamten Planeten. Zehntausende Drohnen sind zeitgleich im Einsatz und sie alle sind phasenverschoben, damit keiner sie sieht oder sie mit irgendetwas kollidieren können.“

„Schatz, bitte zu viel“, quengelte der Wolfsjunge und schob seinen Freund zu dem Kontrollpodest. Schnell bestimmt er: „Ich schaue den Drohnen zu, du machst deine Arbeit.“

Bevor Jake sich von ihm abwenden konnte, raubte sich der Wächter noch einen Kuss. Erst dann begann er mit seiner Aufgabe.

Der Wolfsjunge sah dem Treiben der Drohnen zu und dachte über all die neuen Informationen nach. Nun konnte er verstehen, warum die Wächter so einiges getan hatten. Vieles, das für ihn bisher keinen Sinn gemacht hatte, ergab auf einmal Sinn. Die ganzen Außenposten mit ihren Funktionen waren für die Wächter ein Notfall-Backup-System. Eine Versicherung, damit ihre Existenz und ihr Daseinszweck sie überleben würde, falls sie einmal nicht mehr waren.

Nach einer Weile wurden seine Gedankengänge unterbrochen, als ihn der Wächter von hinten in den Arm nahm. Vorsichtig frage dieser: „Bist du mir böse?“

„Nein, ich kann dich, euch, irgendwie verstehen. Dennoch habt ihr Wächter einen an der Klatsche.“ Ohne die Umarmung zu lösen drehte sich Jake um und gab dem anderen einen Kuss. „Und was jetzt?“

„Weiß nicht“, grinste Isaak und schmiegte sich an seinen Freund. „Alle Außenposten sind vollständig aktiv; den Befehl zum Aufladen habe ich gegeben und die Sonnensonden sind ausgerichtet. Alles ist erledigt. Jetzt heißt es vier Tage warten. Bis zum verabredeten Abendessen haben wir noch etwa eine Stunde.“

„Gut“, flötete Jake und drängte seinen Geliebten zur Aufstiegsplattform. Schnell gab er erst den Befehl sie zum Unterwasserposten zu bringen, dann den sie in ihr Zimmer zu befördern. Schon auf dem Weg dorthin raubte sich der Wolfsjunge einen gierigen Zungenkuss und ließ seine Hände unter das T-Shirt des Wächters wandern. Mit dieser Behandlung entlockte er dem Rotblonden ein gedämpftes Stöhnen.

Kaum im Zimmer angekommen, warf er Isaak einfach auf das Bett, welches ein gefährliches Ächzen von sich gab. Lüstern leckte sich der Wolfsjunge über die Lippen, da klopfte es an der Tür. Jake grollte wütend und seine Augen wurden schmal als er zur Tür sah.

„Wer stört?“, schrie er den Eingang erbost an.

Ohne ein Herein abzuwarten öffnete sich die Tür. Schnell zog Isaak den Beta aufs Bett, sodass er auf dem Rand saß und die deutliche Beule in der Hose verstecken konnte. Er hingegen drehte sich auf den Bauch, legte den Kopf auf die gekreuzten Arme und winkelte locker die Beine an.

Da tauchte auch schon ein triefnasser Edward auf und begann zu toben: „Du hättest uns ruhig vor dem Eisregen warnen können. Bella ist bis auf die Knochen durchnässt und durchgefroren. Zudem riecht das Wasser sehr seltsam. Was ist da drin? Wenn Bella krank wird, dann Gnade dir Gott!“

Jake mahlte mit den Zähnen, wurde aber von einer Hand auf seinem Bein gezügelt, bevor er einen bissigen Kommentar rauslassen konnte. Schnell erklärte Isaak: „Keine Sorge. Der Regen besteht nur aus Wasser und Pflanzendünger.“ Dann runzele er die Stirn. „In dem Areal, in dem ihr wart, sollte aber nur ein warmer leichter Schauer runterkommen. Das mit dem Eisregen verstehe ich nicht.“

Der Blutsauger offenbarte: „Da war auch nur ein leichter Schauer, aber das Wasser roch seltsam. Wir sind dann geflüchtet und in einem anderen Bereich gelandet. Da war es ziemlich kalt, aber trocken. Bevor wir jedoch wegkamen, setzte ein starker Eisregen ein. Du hättest und ruhig sagen können, dass es nach Einbruch der Nacht überall regnet.“

„Wann die Kuppel es regnen lässt, ist nicht zeitgesteuert. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Luftfeuchtigkeit, Wärme, dem Wasserbedarf der Pflanzen und so weiter. Egal. Eine Dusche sollte reichen, um den Dünger los zu werden.“

„Du hättest uns trotzdem vorwarnen können“, blieb der Vampir standhaft bei seiner Meinung.

„War das nicht logisch?“, fragte Isaak nachdenklich. „Wie soll sonst alles bewässert werden? Ok, Vorschlag zur Güte, du gehst und sorgst dafür, dass Bella angezogen ist, dann schaue ich sie mir kurz an, nur um auf Nummer sicher zu gehen.“

Jake knurrte erbost. Er hatte eigentlich etwas anderes vorgehabt. Der Vampir allerdings schien besänftigt und rauschte davon.

„Reg dich nicht auf, Schatz. Nach dem Abendessen haben wir noch genug Zeit. Da wird uns keiner stören“, flötete der Wächter. Dann krabbelte er auf den Schoß seines Freundes, legte die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss.

Augenblicklich schlang auch Jake seine Arme um den anderen und wollte weder den Kuss unterbrechen, noch seinen Geliebten gehen lassen. Einen Moment verharrten sie so, bis Isaak dann von sich aus den Kopf hob.

„Willst du mitkommen?“, fragte er, als er sich langsam aus dem Klammergriff des Betas löste.

Jake seufzte auf gab ihn frei. „Ja, ich komme mit. Dann können wir auch gleich danach zu Abend essen“, sagte er und sein Magen rumorte bei der Erwähnung von etwas Essbarem.

Während der Wächter ihn auf die Beine zog, grinste er über den Vielfraß. Anschließend gingen sie gemeinsam händchenhaltend zu dem Zimmer der anderen beiden.

Dort angekommen klopfte Isaak an. Sie warteten einen Augenblick, dann erklang das „Herein“. Bella saß angezogen auf dem Bettrand. Sie grinste die Besucher an und sagte: „Schön euch wiederzusehen.“ Dann hob sie tadelnd einen Finger: „Aber das mit dem Regen hättest du uns echt sagen können.“

Sie wechselte die Spur und sagte mit fester Stimme: „Mir geht es gut. Ich fürchte Edward hat ein wenig übertrieben, gleich zu dir zu rennen. Wirklich. Es ist alles in Ordnung.“

In dem Augenblick tauchte ihr Verlobter in der Tür zum Bad auf. Auch er war vollständig angezogen und trocken. Streng starrte er den Rotblonden an. Dieser grinste, schüttelte den Kopf und machte einen Schritt auf die junge Dame zu.

„Darf ich?“, fragte er und musterte sie einen Augenblick.

Schnell tauschte Bella einen Blick mit dem Blutsauger und nickte ergeben. Edward würde keine Ruhe geben, bis Isaak sie untersucht hatte. „Mach schon“, stöhnte sie und hob einen Arm, auf dass er ihr den Puls fühlen konnte.

Isaak hob eine Hand, deutete auf sie und befahl: „KI, vollständiger Bioscan.“

Er ließ die Hand sinken und eine kleine Drohne schoss durch ein Loch in der Wand, welches sich für sie geöffnet hatte, auf die junge Dame zu. Bella zuckte zurück als der Scanner, mit einem bläulichen gefächerten Lichtstrahl, sie von Kopf bis Fuß erfasste. So schnell die Drohne gekommen war, verschwand sie auch wieder.

Vor dem Wächter öffnete sich ein Display und er studierte einen Augenblick die Informationen. „Also ich kann nichts Auffälliges erkennen. Allgemein solltest du ein wenig mehr Eisen zu dir nehmen; für deine Haut empfehle ich eine sättigende, fettreiche Creme; und ein wenig Taurin für deine Haare. Das ist alles.“

Mit einer Handbewegung ließ er den Monitor erlöschen. „Der Bioscanner im Speisesaal wird das zwar berücksichtigen, aber ich nehme mal an, dass ihr heute lieber zu Hause essen wollt.“

„Was meinst du damit?“, fragte Bella misstrauisch.

Alle Drei starrten den Wächter ungläubig an. Schnell erklärte dieser: „Nun ja. Alle Außenposten sind aktiv. Die nächsten vier Tage heißt es warten. Wir können also nach Forks zurück, wenn ihr wollt.“

Jake knurrte und schnauzte: „Ich steige nie wieder in ein Flugzeug.“

Stirnrunzelnd fuhr Edward dazwischen und ging auf den Kommentar des anderen gar nicht ein: „Wie sollen wir zum Abendessen zu Hause sein? Die Reise dauert locker einen ganzen Tag?“

„Nein, die Reise dauert in etwa fünf Minuten“, verkündete der Wächter.

Aus drei Kehlen kam gleichzeitig ein erstauntes: „WAS?“

Nun war es der Wächter, der irritiert dreinsah und erklärte: „Als ich das Wetterkontrollobservatorium aktivierte, habe ich ihm den Befehl gegeben, seine Flugroute zu verlassen. Ich habe es auf direkten Weg nach Forks geschickt. Nach meinen Berechnungen müsste der Außenposten vor gut 3 Stunden sein Ziel erreicht haben. Er schwebt nun direkt über dem Haus der Cullens. Die Zeit, die wir benötigen, um zum Wetterkontrollobservatorium zu gelangen und von dort dann abzusteigen, beträgt in etwa fünf Minuten.“

Alle anderen schüttelten die Köpfe. Dann knurrte Jake und gab seinem Freund eine Kopfnuss. „Und du hältst es natürlich nicht für nötig uns das zu sagen?“

„Hatte ich das nicht erwähnt? Sorry, ich habe momentan echt viel im Kopf. War keine Absicht“, murmelte der Wächter und rieb sich den Schädel. „Ich dachte so sei es einfacher und ich wollte dich vor dem Heimflug bewahren. Außerdem ist es so besser als jedes Mal den Posten suchen zu müssen.“

„Das stimmt allerdings“, meinte Bella, sprang auf und johlte: „Na dann, ab nach Hause!“ Edward sammelte schnell ihre wenigen Habseligkeiten ein und beide standen aufbruchsbereit vor den anderen.

„Nur eine kleine Warnung: Ohne mich könnt ihr den Posten nicht mehr betreten“, sagte Isaak und fügte mental hinzu: „Bei dir ist das anders. Du kannst jederzeit die Aufstiegsplattform betreten und dich teleportieren lassen. Ich werde sie stets auf dem Boden lassen, damit du Zugang hast. Sobald wir die Magierin los sind, erstelle ich dir in der Zitadelle einen eigenen Zugangsschlüssel.“

Jake wusste nicht was er daraufhin sagen sollte.

„KI, bring uns zur Aufstiegsplattform“, befahl der Wächter und schon schossen sie durch den Unterwasseraußenposten.

„Was ist mit unseren Sachen?“, fragte Jake.

„Ich glaube, es ist besser, wenn wir hier im Posten schlafen. Das gilt auch für Bella“, meinte der Rotblonde und teleportierte sie zu dem fliegenden Posten.

Ohne Zeit zu verlieren befahl er „KI, Abstieg einleiten.“

Augenblicklich rauschten sie in die Tiefe. Die drei anderen stürmten an den Rand, aber sie sahen nur ein Wolkenmeer unter sich. Dann schossen sie durch die Wolkendecke und sie sahen das Gelände von oben. Es nieselte leicht und der Himmel war bedeckt, allein das war schon sehr vertraut.

Jake deute zu Boden. „Da ist La Push.“

„Und da Forks“, sagte Bella und zeigte in eine andere Richtung.

Der Vampir drückte sich gegen das Kraftfeld und versuchte direkt nach unten zu sehen, aber die Barriere gab keinen Millimeter nach. Als sie dann langsamer wurden, sahen sie das Haus der Cullens neben sich emporwachsen. Sie landeten auf der Wiese nahe der Eingangstür. Dort standen alle des Zirkels und sahen sich wachsam um. Offenbar suchten sie nach etwas.

Aus ihren Gedanken erfuhr der Vampir, dass sie sich Sorgen machten, weil Alices Zukunftsvisionen plötzlich ausgesetzt hatten. Sie erwarteten ihre Rückkehr oder einen Angriff. Die anderen Blutsauger konnten sie nicht sehen und das, obwohl sie direkt vor ihnen schwebten.

In dem Moment hielt die Scheibe etwa einen Zentimeter über dem Boden an. Die KI erhob die Stimme: „Lebewesen in der näheren Umgebung entdeckt. Heimlicher Abstieg nicht möglich. Erbitte Anweisungen.“

Isaak grinst und befahl: „KI, die sechs Personen“, er deutete auf die Cullens: „als Unbedenklich registrieren.“

„Verstanden. Scanne die Umgebung.“

Eine Sekunde verstrich. „Keine Bedrohung entdeckt. Ich wünsche allen Besuchern einen schönen Tag, beehren Sie uns bald wieder. Schilde und Tarnmodus offline.“

Die Barriere löste sich auf und die Vampire zuckten zurück als die Gruppe vor ihnen aus dem Nichts auftauchte.

„Wir kommen in Frieden“, sagte Isaak mit ernster Stimme, grinste aber von einem Ohr zum anderen.

Dann hüpften die vier von der Plattform. Während sich Bella und Edward zu den Vampiren gesellten und das große Erzählen begann, zog Jake seinen Freund weg von den anderen.

„Wartet, wo wollt ihr hin?“, fragte die junge Dame.

„Ich wollte kurz nach La Push“, meinte der Beta unschuldig, was aber nur ein Teil der Wahrheit war. Er hatte nicht sonderlich Bock darauf, von den Vampiren ausgefragt zu werden. Nein, da wollte er doch lieber mit seinem Geliebten ein wenig Zeit allein verbringen. Zudem hatte er Hunger und wollte nicht bei den Blutsaugern schnorren. Mit der Kreditkarte in der Tasche konnten sie auch in Folks essen gehen.

Bella strahlte und flötete: „Ok. Wann wollen wir uns wieder treffen?“

Der Beta warf einen Blick in den Himmel und schätzte die Zeit auf gegen Abend ein. „Ich würde mal sagen so in drei Stunden?“

„Einverstanden“, sagte Edward und zog seine Verlobte ins Haus, damit er sich um ihr Wohl kümmern konnte.

Die beiden wandten sich zum Gehen, als plötzlich die Stimme von Alice, scharf wie ein Messer erklang: „Wo sind eure Taschen und warum seht ihr so aus als ob ihr einen Unfall hattet?“

Das war das Stichwort und die beiden rannten davon.
 

Kaum außer Sichtweite der Vampire sprang Jake seinem Freund auf den Rücken und sagte: „Erstmal was spachteln, dann Sam und dann bist du fällig.“ Mit einem fiesen Grinsen drückte er dem Wächter die Füße in die Seiten und befahl: „Hüa.“

„Das bekommst du zurück“, meckerte der Rotblonde. Ein dämonisches Funkeln trat in seine Augen und er rannte los. Diesmal nahm er absolut keine Rücksicht auf den Komfort seines Geliebten. Immer schneller sprang er hin und her.

„Wenn du mir Angst einjagen willst, musst du dich schon mehr anstrengen“, spottete der Wolfsjunge mental.

„Zu Befehl“, flötete Isaak und ließ die Hände nach vorne schnellen. Rasch klammerte sich Jake fester an den Körper vor sich, nun da seine Sitzfläche fehlte. Da sprang der Wächter auch schon einen hervorstehenden Ast an, hielt sich mit den Armen kurz fest und nutzte den Schwung, um sich abzustoßen. Sie schossen über die Baumdecke empor und dem Beta wurde es anders. Das gefiel ihm dann doch nicht mehr so.

Isaak aber fing gerade erst an. Trittsicher sprang er von Baum zu Baum, wobei er nur mit einem Fuß jeweils nahe der Spitze landete und direkt wieder abhob.

„Na genug?“, stichelte der Wächter.

Jake war ein großer böser Wolf und so knurrte er zurück: „Nicht mal annähernd.“

Das war ein Fehler. Kaum waren die Worte raus, da sprang der Rotblonde senkrecht in die Luft. Sie schossen wie eine Gewehrkugel in den Himmel. In Panik vergriff sich der Beta an seinem Freund. Dieser jedoch schaffte es irgendwie, sich aus dem Klammergriff zu winden. Er drehte sich um und gab Jake einen schnellen Kuss, ohne diesen zu lösen, stürzten sie zu Boden.

Der Beta wusste nicht was er tun sollte. Sein Magen machte einen Satz und er verstärkte seinen Klammergriff. Da tauchten zwei Hände unter seinem Hintern auf und drückten kurz zu. Bevor er darauf reagieren konnte, landeten sie auf dem Waldboden.

Isaak löste den Kuss und grinste: „Du kannst mich wieder loslassen. Wir sind nahe am Dorf.“

Mit zittrigen Knien gab der Wolfsjunge seinen Freund frei. Hätte der Wächter ihn nicht gehalten, dann wäre er sicher umgekippt, so schwach waren seine Beine auf einmal. Solche Höhen waren nichts für ihn.

Als er sich etwas erholt hatte, ließ er seine Faust niederfahren, aber der andere wich einfach aus. Pfeifend und mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt, stolzierte dieser davon. Jake knurrte und stiefelte murrend hinterher.

Ein paar Bäume weiter trafen sie auf die Straße und Isaak wurde schlagartig erst. Nachdenklich sah er sich um. Dann schaute er die Straße entlang und sagte bedächtig: „Jake, wenn ich dich bitte jetzt wegzulaufen, würdest du das tun, mir zuliebe?“

Alarmiert ging der Wolfsjunge in Kampfhaltung: „Was ist los? Werden wir angegriffen?“

„Ja und Nein. Es besteht keine Gefahr für unser Leben, aber was da kommt, wird dir nicht gefallen“, murmelte Isaak vor sich hin.

„Was meinst du? Was ist los?“, fragte der Beta und starrte wachsam die Straße hoch. Er horchte hin und konnte ein Auto schnell näherkommen hören. Das Geräusch war aber vertraut. Es war das Polizeiauto von Charlie. Da tauchte auch schon, wie zur Bestätigung, eben jenes auf.

Schnell schoss der Sheriff auf die beiden Männer am Rand der Straße zu.

„Jake bitte geh, ich möchte nicht, dass du das mitbekommst“, bat der Wächter.

„Das ist doch nur Charlie“, sagte Jake, der den Fahrer nun eindeutig identifizieren konnte. Er gab seine Kampfhaltung auf und hob die Hand zum Gruß.

Verbannung

Plötzlich gingen Blaulicht und Sirene an und der Mann am Steuer beschleunigte. Irritiert starrte der Beta auf das Auto. Dieses kam nun schlitternd vor ihnen zum Stehen. Charlie öffnete die Fahrertür und stieg rasch aus. Dann, bevor Jake wusste wie ihm geschah, zückte der Polizist seine Pistole, stützte sich mit den Armen auf der offenen Tür ab und zielte auf Isaak.

Dieser hatte die Hände bereits erhoben, bevor Bellas Vater auch nur „Hände hoch“ geschrien hatte. Der ältere Mann beäugte den Rotblonden misstrauisch. Dann sah er kurz zu Jacob und sagte vorsichtig: „Du brauchst keine Angst mehr zu haben.“

Wütend fixierte er den Wächter und schrie: „Keine falsche Bewegung.“ Mit ruhiger Stimme, als ob man mit einem kleinen verängstigten Kind reden würde, sprach er weiter: „Jake, komm zu mir. Du bist jetzt in Sicherheit.“

Anstelle dieser Aufforderung nachzukommen, stellte sich der Wolfsjunge in die Schussbahn und schnaubte: „Charlie, was soll der Scheiß? Steck die Waffe weg.“

„Jake“, rief Isaak mental. „Lass ihn seine Arbeit machen.“

Der Gestaltwandler runzelte die Stirn. Was war hier nur los?

„Geh da weg Junge, ich will dir doch nur helfen. Der Kerl hat keine Macht mehr über dich. Komm einfach zu mir, dann kann er dir nichts mehr antun“, versuchte der Sheriff die Situation zu klären.

Jetzt wurden Jake wütend und er fuhr den älteren Mann an: „Alter, Charlie, steck die scheiß Waffe weg und sag mir was zum Teufel hier los ist.“

Der Polizist verlor so langsam die Geduld und fuhr den jungen Black an: „Jake, mach keinen Mist. Dein Vater macht sich schreckliche Sorgen um dich. Geh endlich weg von diesem Verbrecher.“

„Dad?“, echote der Wolfsjunge entsetzt. Dann machte es Klick. Das hier ging also auf seines Vaters Konto. Vor Wut bebend ging er zwei Schritte auf Charlie zu. „Was hat mein Alter dir erzählt?“

Nun sah der Sheriff zum ersten Mal irritiert drein. Die Lage entwickelte sich nicht so wie erwartet. Langsam verzog er den Pistolenlauf, sodass dieser nicht länger auf den besten Freund seiner Tochter gerichtet war. „Billy war bei mir“, gestand er langsam und versuchte nun seine Position zu verändern, damit er den Schurken wieder ins Visier bekam.

„Weiter“, bellte ihn der Jüngling zu. Dieser bemerkte das Vorhaben des anderen und schnitt ihm abermals den Weg ab.

„Jake, lass ihn seine Arbeit machen. Geh zur Seite“, sagte der Wächter mit ruhiger Stimme.

„Am Arsch“, fuhr der Beta seinen Freund an. Mit großer Mühe schaffte er es sich etwas zu beruhigen. Er atmete einmal tief durch und offenbarte: „Charlie, was auch immer mein Alter dir erzählt hat, war eine Lüge.“

„Jake…“, setzte der Sheriff an, aber der Wolfsjunge hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Hat dir Billy erzählt, dass er mich rausgeworfen hat? Oder, dass er mich verbannen will? Geh und frag Sam; mein Alter hat all meine Sachen aus dem Haus geworfen und mich enterbt. Hat er das auch gesagt?“

Verständnislos starrte Charlie zu dem Jungen vor sich auf. „Nein“, stammelte er. Dann schüttelte er den Kopf und sagte mit fester Stimme: „Dein Vater liebt dich und macht sich schreckliche Sorgen um dich. Das ist die Wahrheit!“ Mit der Pistole deutete er auf den Rotblonden und sagte mitleidig: „Glaub nicht den Lügen dieses Schufts.“

„Dieser Schuft ist mein fester Freund“, knurrte Jake erbost. „Deswegen ist Dad ausgetickt. Wenn du mir nicht glaubst, dann geh, fahr zu meinem Vater und sieh dir mein Zimmer an, oder das was davon noch übriggeblieben ist.“

Charlie ließ die Waffe sinken. Mit mahlenden Zähnen fragte er: „Du bist schwul, Jake?“

„Nein“, maulte der Beta und fügte hinzu: „Rede mit Bella, die kann das besser erklären.“

In den Augen des Polizisten blitzte es und er hob erneut die Pistole. Mit vor Wut verzerrter Stimme schrie er Isaak an: „Wo ist meine Tochter, du Monster?“

„Bella und Edward sind im Haus der Cullens“, antwortete der Wächter höflich. „Wir sind eben erst zurückgekommen.“

Charlie runzelte die Stirn und sah zu Jake. Dieser nickte und bestätigte die Aussage seines Freundes. Dann setzt er nach: „Nimmst du nun endlich mal das Ding runter oder muss ich dir die Knarre abnehmen? Hör endlich auf damit auf meinen Freund zu zielen.“

„Zügel deine Worte junger Mann. Ich bin der Sheriff, vergiss das mal nicht“, moserte der Ältere, steckte aber die Waffe weg. Jake bemerkte dabei, dass die Pistole gar nicht entsichert war. Das war alles nur eine Finte von ihm gewesen. Er wollte dem Wächter Angst machen. Als ob dieser sich vor einer Pistole fürchten würde.

Jake verdrehte die Augen und sagte: „Gut, wenn du uns nun entschuldigst, ich muss meinem Alten die Leviten lesen. Geh zu Bella, sie wird sich freuen dich zu sehen, Charlie.“ Bei diesen Worten klopfte er dem anderen freundschaftlich auf die Schulter.

„Du kannst gehen wohin du willst Jake, aber…“, der Sheriff nickte zu dem Rotblonden: „Der kommt mit mir. Bis das geklärt ist kommt er in eine Zelle.“

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“, regte sich der Beta auf und begann abermals zu beben.

„Jake, beruhig dich bitte. Der Sheriff macht nur seinen Job“, echote Isaak zum dritten Mal.

Mit einem seltsamen Blick betrachtete Charlie den Dritten im Bunde. Dieser hatte immer noch die Hände erhoben. „Jake“, begann Bellas Vater zu erklären: „Ich weiß nicht, was zwischen dir und Billy vorgefallen ist, aber er hat eine Anzeige wegen Kindesentführung erhoben.“

„Dann steht mein Wort gegen seins“, fuhr Jake wütend dazwischen.

Stirnrunzelnd legte der Sheriff die Lage dar: „Du bist erst 16 und somit nicht volljährig. Dein Wort wird in dieser Hinsicht nicht so stark ins Gewicht fallen. Wie ich schon sagte, dein Vater hat Anzeige erstattet. Das kann ich nicht einfach unter den Teppich kehren. Geh zu ihm und kläre das. Wenn Billy die Anzeige zurücknimmt, dann lasse ich deinen Freund sofort wieder frei.“

„Und wenn er das nicht tut?“

Der Ältere seufzte schwer und sagte: „Du bist Bellas bester Freund, Billy ist mein bester Freund. Du bringst mich in eine schwere Lage, Junge.“ Er zuckte mit der Schulter und lenkte ein: „Ich werde ihn erstmal 48 Stunden einsperren. Wenn sich bis dahin nicht alles geklärt hat, muss ich ihn dem Haftrichter vorführen. Dann liegt das nicht mehr in meiner Hand.“

„Dad wird niemals nachgeben. In seinen Augen bin ich eine abartige Missgeburt. Er wird alles tun, um mich von Isaak zu trennen. Charlie bitte“, flehte der Beta am Verzweifeln.

„Gesetz ist Gesetz“, blieb der Polizist eisern.

„Dann musst du mich auch einsperren“, bestimmte der Gestaltwandler leichthin und verschränkte die Arme vor der Brust.

Diesmal war es Isaak der antwortete: „Nein, du hältst dich da jetzt raus, Jake. Bitte mach es nicht noch schlimmer. Geh und rede mit deinem Vater.“

Wütend verengten sich die Augen des Betas und er knurrte: „Gut, dann reiße ich jetzt meinem Alten den Kopf ab.“

„Jake, was ist nur in dich gefahren?“, schimpfte Charlie, legte Isaak Handschellen an und presste ihm die Hände auf den Rücken. „Egal warum ihr euch in die Haare bekommen habt, Billy ist ein vernünftiger Mann. Du kannst bestimmt mit ihm reden.“

„Nicht, wenn es um Isaak geht“, konterte Jacob.

„Komm schon, Jake. Billy wird sich bestimmt wieder einkriegen. Ich nehme an er muss sich erst damit abfinden, dass du schwul bist. Dann ist es wieder so wie früher.“

„Nein, es wird nie wieder so wie früher. Alle die nicht normal sind, also hetero, werden verbannt, egal wer“, beschwerte sich der Jüngste der Runde.

„Das glaube ich nicht“, zweifelte Charlie. „Ich kenne Billy schon so lange und davon höre ich zum ersten Mal. Zugegeben, schwul sein wird bestimmt nicht allzu gut aufgenommen werden im Reservat, aber verbannen? Wo sind wir denn? Im Mittelalter? Es gelten immer noch die Gesetze des Staates Washington. Da kann sich auch dein Vater nicht darüber hinwegsetzen.“

„Dann geh und frag ihn“, knurrte der Beta und ihm kam eine Idee: „Lass uns gleich hinfahren. Soll er dir ins Gesicht sagen was er von mir hält, nur weil ich mit Isaak Se…“

„Zusammen bin“, unterbrach der Wächter den Wolfsjungen rasch.

Charlie sah von einem zum andern und schien einen Moment mit sich zu Ringen. Dann schüttelte er den Kopf und dirigierte den Rotblonden auf die Rückbank des Polizeiautos. „Nein, ich halte es für das Beste, wenn ihr euren Familiendisput unter euch regelt.“

Jake mahlte mit den Zähnen und wusste nicht, was er jetzt noch machen sollte. Er konnte ja schlecht den Vater seiner besten Freundin K.O. schlagen, zumal dieser ja auch noch ein Polizist war.

Mental meldete sich Isaak: „Alles gut, Wölfchen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Das wird sich sicher schnell klären. Ich werde die Zeit zum Meditieren nutzen und mir mal die Waffen der Vampire ansehen. Das ist eh schon längst überfällig. Es tut mir nur leid, dass wir heute wohl doch keine Zeit für uns mehr haben werden.“

„Ich reiße meinen Alten in Stücke“, donnerte der Wolfsjunge stumm zurück. Er sah noch zu, wie Charlie einstieg und zum Abschied winkte. Zornig verengte er die Augen und machte keine Anstalten die Geste zu erwidern.

Der Sheriff ließ den Kopf hängen und fuhr los. Einen Moment lang starrte der Gestaltwandler dem Auto hinterher, dann sprintete er los. Sich jetzt zu verwandeln war keine gute Idee. Er war so wütend, dass er nicht wusste ob er sich zügeln konnte, wenn er auf seinen Erzeuger traf.

Hals über Kopf rannte der Beta über die Landstraße und kam an einer uralten Bushaltestelle vorbei. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein junger Mann mit einer Karte in beiden Händen auf. Da diese Haltestelle eher selten benutzt wird, hatte man einfach ein Schild an einem nahen Baum befestigt. Hinter eben jenem war er hervorgetreten.

Jake versuchte halbherzig auszuweichen, rempelte den anderen dennoch um. Dieser ging unsanft zu Boden. Der Beta hielt weder an, um dem Fremden aufzuhelfen, noch kam ein Wort der Entschuldigung über seine Lippen. Er hatte gerade andere Sorgen. Der Mann würde es schon überleben.

Das wütende: „Arschloch“ hinter sich ignorierte er gekonnt.

Dann bog er in die Seitenstraße nach La Push ein. Er rannte einige hundert Meter weit und kratzte nur knapp die Kurve. Da stand auf einmal Paul, nur in kurzen Shorts bekleidet, vor ihm. Scharf bremste Jake ab und runzelte die Stirn.

„Du hast hier nichts mehr zu suchen, verpiss dich, Schwuchtel“, keifte dieser sogleich.

„Du sagst mir nicht was ich zu tun und zu lassen habe. Geh aus dem Weg oder ich helfe nach“, knurrte der Beta und begann zu beben. Paul tat es ihm gleich. Beide sahen sich hasserfüllt an und waren kurz davor aufeinander loszugehen.

„Hört auf“, befahl Sam mit der Macht des Alphas. „Jake, ich sagte doch, du sollst dich fernhalten.“

Schnell öffnete der Beta die Verbindung zum Rudel und sagte hastig: „Sam, ich brauche deine Hilfe. Wo ist mein Alter? Ich muss sofort zu ihm.“

„Der Häuptling ist bei mir. Wir haben gerade eine Sitzung des Rates“, erklärte der Leitwolf. Dann mahnte er: „Dein Eindringen in unser Revier war ein Fehler, Jake.“

„Das ist mir gerade völlig egal. Ich muss sofort zu meinem Vater. Du wirst mich nicht aufhalten“, schnauzte Jacob zurück.

„Du wirst dich beugen“, knurrte Sam mit voller Kraft und ließ seinen Stellvertreter erzittern. „Es ist mir egal was du mit dem Häuptling zu klären hast. Ich entscheide, wer mein Revier betritt, und wer nicht.“

„Er hat Isaak wegen Kindesentführung angezeigt“, schrie der Beta zurück und versuchte sich zu wehren.

„Das hat der Fremde ja auch getan, oder etwa nicht? Ihr seid einfach abgehauen. Du hattest nicht die Erlaubnis deines Vaters zu gehen“, gab der Leitwolf zu bedenken. „Wie dem auch sei, die Entscheidung ist soeben gefallen. Dein Versuch in das Revier einzudringen war der letzte Tropfen.“

Die Stimme des Älteren wurde autoritär und er verkündete: „Der Rat verbannt Jacob Ephraim Black mit sofortiger Wirkung. Es ist dir nicht gestattet nach La Push zurückzukehren. Zudem bist du ab sofort kein Teil des Rudels mehr. Solltest du es erneut wagen unser Revier zu betreten, werden wir dich davonjagen.“

In dem Moment, als Sam diese Entscheidung offenbarte, erstarben alle anderen Stimmen in seinem Kopf. Jake war nicht länger ein Teil von ihnen und auch nicht mehr mit ihnen gedanklich verbunden.

Entsetzt stotterte der ehemalige Beta: „Die Verbindung - sie ist weg.“

Paul lächelte hämisch und sagte: „Das geschieht dir Recht, Abschaum. Und nun verpiss dich, Schwuchtel. Dich will keiner mehr hier haben.“

„Aber, ich muss doch zu meinem Vater“, stammelte Jake neben sich stehend.

„Da du kein Teil des Rudels mehr bist, kannst du uns nicht mehr hören“, stichelte der andere und setzte nach: „Sam sagt: Geh.“

Wut stieg in Jacob auf und er knurrte: „Ich kann dich immer noch unterwerfen.“

„Sam sagt: Lass es“, eröffnete Paul schadenfroh. „Wenn du mich angreifst, wird das als Angriff auf das Rudel angesehen. Die anderen sind schon auf dem Weg, Schwuchtel. Gegen alle kannst du nicht bestehen.“ Dann lachte er seinen einstigen Kameraden aus.

„Dich mach ich platt, du Arschloch“, stieß dieser hervor und machte einen Schritt auf seinen Widersacher zu. Paul hörte auf zu lachen und knurrte bedrohlich. Beide fixierten sich gegenseitig. Ihre Körper bebten und ein Kampf schien unausweichlich.

Plötzlich stieg ihnen ein Geruch in die Nase und sie wandten augenblicklich die Köpfe. Es roch nach einem der ihren, aber diese Fährte war ihnen nicht bekannt. Wer auch immer da kam, war ein Gestaltwandler, aber kein Mitglied des Rudels.

Um die Ecke trat der Mann von der Bushaltestelle und zuckte erschrocken zusammen. Die zwei Wolfsjungen starrten den Eindringling bösartig an, fletschten die Zähne und knurrten. Eingeschüchtert trat der Fremde einen Schritt zurück. Jake gab seine Drohgebärden auf und beäugte den Mann misstrauisch.

Er hatte dunkelbraunes Haar, so kurz, wie alle im Rudel es bevorzugten. Seine Haut war dunkel gebräunt und von einer leichten Kupfernote, aber er stammte eindeutig nicht aus dem Reservat. Dafür war sein Teint viel zu hell. Wenn, dann konnte er lediglich nur einen Elternteil aus dem Volk der Quileute haben. Zudem hatte er dieselbe Statur wie alle Wolfsjungen. Vom Alter her schien er aber nicht so jung wie sie alle. Er sah eher so alt aus wie Sam, auch, wenn sich das bei ihrem raschen Wachstum schwer sagen ließ.

Von der Körpergröße her würde er ihn ein unmerklich kleiner als sich selbst einordnen, aber größer als Isaak, also irgendwo dazwischen. Er trug ein schwarzes einfaches Shirt und ebenso schwarze Trainingshosen, mit einem weißen Streifen an den Seiten. Dazu kamen noch Sneakers, schwarz mit weißen Streifen und weiße Socken. Zudem hatte er auf dem Rücken einen schwer aussehenden Reiserucksack bei sich.

Die dunkelbraunen Augen waren vor Schreck geweitet, aber es lag noch etwas anderes in ihnen: Neugierde? Fakt war: Dieser Mann war ein Wolf, das konnten sie riechen, aber sie kannten ihn nicht.

„Wer bist du? Und was hast du hier zu suchen?“, fauchte Jacob den Fremden an.

„Ich bin Kamden. Kamden Hayes. Ich suche meinen Vater“, antwortet der Mann und betrachtete seinen Gesprächspartner genauer.

„Nicht nur du“, erwiderte Jake kryptisch.

„Warte mal, du bist doch der Wichser, der mich eben umgerannt hat?“, fuhr Kamden ihn an.

„Du warst eben zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Der ehemalige Beta zuckte mit den Schultern. „Ich hatte es eilig“, erklärte er als ob das alles rechtfertigen würde.

„Ihr seid wohl alle weich in der Birne, oder was?“, meckerte der Neue und warf einen Blick auf den halbnackten zweiten Jungen.

Paul knurrte wütend und begann erneut zu beben: „Du riskierst ne ganz schön dicke Lippe. Du bist hier in unserem Revier.“

„Revier? Was seid ihr denn für Waldmenschen? Ich kann sagen was ich will und vor so einem Hosenscheißer wie dir habe ich keine Angst.“

Jake sah einen Augenblick zwischen den beiden hin und her. Dann seufzte er schwer und schnauzte Paul an: „Ruf Sam, du Spast.“ Schnell wandte er sich an Kamden und beachtete das wütende Knurren hinter ihm nicht weiter. „Ich geb dir einen gut gemeinten Rat: den Deppen hinter mir solltest du nicht ärgern, es sei denn du stehst auf Bisswunden. Der kann sich nämlich nicht zügeln.“

Anschließend ging er auf einen großen Stein am Wegesrand zu und begann sich auszuziehen.

„Warte mal“, fuhr Paul in an. „Wo willst du hin? Der da ist dein Job. Du kannst doch nicht einfach abhauen.“

Jake warf einen eiskalten Blick über die Schulter: „Schon vergessen, du Erbsenhirn? Ich bin nicht mehr im Rudel. Der Neue ist nicht mein Problem, sondern deins.“

Kamden starrte die beiden mit gerunzelter Stirn an. Wo war er den hier gelandet? Gebannt von der Szene vor sich hatte er nichts zu erwidern.

Jake stand nun im Adamskostüm da und drehte sich zu Paul. „Ich habe jetzt gerade keine Zeit, um mit dir zu spielen. Sag Sam: Die Sache ist noch nicht vorbei. So einfach wird mein Alter mich nicht los werden. Ich will keinen Stress mit dem Rudel, wenn ihr Billy aber nicht rausrückt, dann hole ich ihn mir“, warnte er und leitete die Transformation ein.

Der Neue zuckte zurück. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Der eine Junge hatte sich in einen Wolf verwandelt, so wie auch er einer werden konnte. Offenbar war er hier richtig. Bevor er aber noch etwas sagen konnte, schnappte der rostbraune Wolf sich den Kleiderhaufen und rauschte davon.

Hinter sich konnte Jake hören, wie Paul dem Neuen befahl mitzukommen. Dieser wehrte sich und man hörte das Geräusch von reißender Kleidung. Was für Idioten, dachte er und achtete nicht auf den Wolfskampf hinter sich. Er musste so schnell wie möglich zu den Cullens. Diese mussten ihm einfach helfen. Er wusste so langsam nicht mehr weiter.
 

Erst kurz vor dem Haus der Blutsauger hielt er an, wurde wieder zum Menschen und zog sich seine Sachen an. Dabei stellte er fest, dass er seine Schuhe mitsamt der Socken verloren hatte. Er zuckte mit den Schultern. Barfuß zu laufen war er gewohnt und so trauerte er den Sachen nicht weiter hinterher. Kurz nahm er Kontakt zu Isaak auf, aber dieser meditierte immer noch. Das tat er seitdem Charlie ihn ins Auto gesetzt hatte.

Nun aber saß der Wächter in einer Zelle, beachtete diesen Umstand aber nicht. Er hatte genug zu tun und nutzte die Auszeit, um sich die Waffen anzusehen.

Jake knurrte verstimmt und trat zwischen den Bäumen hervor. Keiner der Vampire erwartete ihn und so ging er zur Eingangstür. Einfach in das Haus zu gehen schien ihm dann doch unpassend. Immerhin wollte er was von den Blutsaugern und konnte es sich nicht leisten, diese auch noch zu verärgern. Er ließ die Schultern hängen und klingelte brav. Kaum war der Ton verklungen, da stand auch schon Carlisle auf der anderen Seite und öffnete die Tür.

„Guten Abend, Jacob. Wir haben euch erst später erwartet“, sagte der Doktor und sah sich suchend um.

„Abend, Doc. Isaak ist nicht hier.“ Der Wolfsjunge seufzte schwer und sagte traurig: „Ich fürchte, ich brauche schon wieder eure Hilfe. Ich weiß nicht an wen ich mich sonst wenden soll.“

„Komm doch erstmal rein“, bat ihn der Vampir höflich wie immer hinein und machte Platz.

Esme tauchte im Türbogen zum Wohnzimmer auf und fragte: „Möchtest du etwas essen? Wir haben noch Reste von Bellas Abendessen.“

Sofort rumorte sein Magen, aber Jake antwortet schnell: „Vielen Dank, das ist sehr freundlich von dir Esme, aber ich muss ablehnen. Ich kann gerade nichts essen.“ Dann ging er in das schon vertraute Zimmer und ließ sich auf einen der Sessel fallen.

Alle Augen waren auf ihn gerichtet und er erklärte schnell: „Mein Vater hat Isaak wegen Kindesentführung angezeigt und Charlie hat ihn in eine Zelle gesteckt. Ich kann nicht mit meinem Alten reden. Der Rat hat mich verbannt und ich wurde aus dem Rudel geworfen. Zudem versteckt sich Billy im Reservat vor mir. Könnt ihr mir helfen?“

Auf diese Nachrichten herrschte einen Augenblick schweigen, dann begann Edward: „Wenn wir uns da einmischen, gibt es nur Ärger mit dem Rudel.“ Jake ließ den Kopf hängen, aber der Vampir redete einfach weiter: „Ruf John an. Er soll die Anwälte auf den Fall ansetzen.“

Der Wolfsjunge sah auf und stammelte: „Warum habe ich nicht daran gedacht?“ Schnell suchte er in den Hosentaschen nach dem Mobiltelefon. Ratlos schaute er auf und verkündete: „Hab mein Handy verloren.“

Nun war es der Blutsauger, der den Kopf hängen ließ und ihn dann schüttelte. „Du bist echt schlimm. Zum Glück habe ich mit sowas gerechnet und Johns Nummer in meinem gespeichert.“ Er reichte den Jüngeren sein Handy.

Schnell erklärte Jake dem Broker die Sachlage und dieser stellte eine Gruppenverbindung mit Isaaks persönlichem Anwalt Mr. Nolan her. Dieser löcherte seinen zweiten Boss mit einigen Fragen und machte sich nebenher Notizen. Alle hörten gespannt zu und nach knapp zehn Minuten war alles soweit geklärt.

Mr. Nolan meinte: „Sie sagten Ihr Vater hätte die Anzeige erstattet. Dürfte ich erfahren wie alt Sie sind, Sir?“

„Ich bin 16“, gestand der Wolfsjunge kleinlaut.

„Verstehe. Möchten Sie Gegenanzeige erstatten?“

„Nein, ich glaube nicht. Ich will nur, dass Isaak aus der Zelle rauskommt.“

Einen Augenblick wurde es still in der Leitung und dann erklärte Mr. Nolan: „Gut, Mr. Black. Ich werde mich sofort darum kümmern. Keine Sorge, in einer Stunde ist Mr. Wächter wieder ein freier Mann. Eines noch: Mr. Wächter ist mein Hauptmandant, nicht Sie. Sollte Mr. Wächter Schritte gegen Ihren werten Vater einleiten wollen, so werde ich alles Nötige veranlassen.

Zudem, sollte Mr. Billy Black auch weiterhin Probleme verursachen, können wir verschiedene Wege gehen. Zum Beispiel könnten wir Ihm das Sorgerecht entziehen und einen provisorischen Vormund einsetzen. Dann hat Ihr Vater keine Handhabe mehr über Sie. Denken Sie einfach darüber nach was Sie wünschen und ich werde versuchen dementsprechend zu handeln. Einen schönen Tag noch, Mr. Black.“

„Bye“, sagte Jake und legte auf. Er blinzelte zwei Mal. Seinem Vater das Sorgerecht für ihn entziehen? Das wäre wohl wirklich das Beste, bevor sein Alter sich etwas anderes einfallen lässt. Aber so einfach würde er seinen Vater nicht davonkommen lassen. Es war Zeit für einen Befreiungsschlag.

Ohne zu fragen, tippte er eine Nummer ins Handy und wartete. Es klingelte einige Male, dann wurde abgenommen.

„Wer ist da?“, fragte eine Frau.

„Ich bin es, dein kleiner Bruder Jacob. Wir müssen reden, es ist dringend“, begann der Wolfsjunge und erzählte Rachel anschließend alles was vorgefallen war. Einige Details musste er auslassen. Seine Schwester wusste nichts vom Rudel und so sollte es auch bleiben. Zudem sprach er mit keinem Wort das Thema Wächter an. Auch Isaaks Vermögen ließ er erst mal aus. Er stellte es so dar, dass er sich in einen Mann verliebt hatte, von der Prägung konnte er ja nicht erzählen und dass er lange gebraucht hatte sich diese Gefühle einzugestehen. Dann gab es Zoff mit Billy und die beiden hätten eine kleine Reise unternommen, um dem ganzen Stress und Dad erst mal zu entfliehen. Er erwähnte New York und sagte ihr, dass sie dort eine Woche gewesen waren. Dann erklärte er ihr, dass Billy Anzeige erstattet und Sheriff Swan Isaak eingesperrt hatte.

Nachdem seine letzten Worte verklungen waren, wurde es still. Seine ältere Schwester hatte ihn einfach reden lassen und nicht einmal versucht ihn zu unterbrechen.

Nach einer Weile flehte Jake schüchtern: „Rachel, sag doch bitte was.“ Er ließ die Schultern hängen und bereitete sich auf eine Ablehnung vor. „Wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, dann ist das in Ordnung. Ich wollte nur reinen Tisch machen, bevor Dad es dir erzählt.“

„Mach dich nicht lächerlich“, fauchte Rachel. „Ich suche gerade nach einem Flug.“

„Was meinst du damit?“, hakte der Wolfsjunge vorsichtig nach.

„Ich komme heim und reiße dem Alten den Arsch auf. Das meine ich damit.“

Er hörte das Tippen auf einer Tastatur und Rachel seufzte: „Gut, alles vorbereitet. Ich bin morgen früh um 9 Uhr am Flughafen in Seattle. Kannst du mich abholen? Ach verdammt, du hast ja noch kein eigenes Auto; gut dann leihe ich mir eines.“

Jake sah Edward bittend an. Dieser nickte und sagte leise: „Du kannst dir eines unserer Autos leihen.“ Dann grinste er fies und flüsterte: „Die Rechnung schicke ich dann an Turner Industries.“

Der Wolfsjunge verdrehte die Augen und versicherte seiner Schwester schnell: „Ne, musst du nicht, ich werde dich abholen.“

„Ok. Hast du schon mit Rebecca gesprochen?“

„Nein, die ist zu weit weg und ich habe ihre Nummer eh nicht im Kopf“, gab Jake zu.

„Gut, dann mache ich das. Ich muss jetzt noch ein paar E-Mails schreiben. Wir sehen uns morgen früh. Um 9 Uhr am Flughafen in Seattle, vergiss das nicht“, mahnte sie und tippe schon wieder.

„Hey, ich kann mir das merken“, beschwerte sich der Gestaltwandler.

„Na ich weiß nicht. Offenbar vergisst du auch, dass du zwei Schwestern hast und meldest dich nie bei denen. Also was erwartest du im Gegenzug von mir?“ Dann lachte sie und sagte noch schnell: „Bis morgen, Kleiner“, und legte auf.

Automatisch gab Jake Edward das Handy zurück. Er schüttelte lächelnd den Kopf und stand auf. Ihm war ein gewaltiger Stein von Herzen gefallen. Wenigstes seine Schwestern hielten noch zu ihm. Er war sich sicher, dass auch Rebecca ähnlich reagieren würden.

Spaltung

Bella sprang ebenfalls auf die Beine und Edward folgte ihr auf dem Fuße. „Ich freue mich schon darauf Rachel wiederzusehen. Ist schon ewig her.“

„Ja, seit unsere Mutter gestorben ist, wollten meine Schwestern nur noch weg. Sie halten es hier nicht aus. Deshalb kommen sie uns auch so gut wie nie besuchen“, erklärte Jake nachdenklich. Dann grinste er glücklich und sagte: „Gut, ich gehe dann mal Isaak abholen.“

„Wir kommen mit“, bestimmte die junge Dame. „Ich habe da noch ein Wörtchen mit meinem Vater zu reden.“

Edward seufzte und rauschte ergeben davon. Er fuhr den Volvo vor und kutschierte sie anschließend zur Wache.

Als die drei die Tür zum Polizeipräsidium öffneten, fanden sie ein Chaos vor. Charlie stand an seinem Schreibtisch und sprach mit jemandem am Telefon. Einer der Hilfssheriffs sammelte die Blätter aus dem Faxgerät, welches wütend ein Blatt nach dem anderen ausspuckte. Jedes Mal, wenn er einen Blick auf das Geschriebene wagte, wurde er blasser.

Der andere Deputy stand am Haupttelefon und kämpfte sich möglichst höflich durch die Scharen von Anrufern. Schon von Weitem sah Bella, dass alle Leitungen munter vor sich hin blinkten. Sobald ein Gespräch beendet war, rutschte schon das Nächste in die Leitung. Die Sekretärin hingegen saß an ihrem Schreibtisch und starrte mit offenem Mund auf ihren Monitor. Leise murmelte sie: „Das gibt es doch nicht. Die Anzeige der eingegangenen Mail ist gerade von 999 auf xxx gesprungen. Das System ist scheinbar nicht auf sowas ausgelegt.“

Es herrsche Ausnahmezustand. Keiner der vier Anwesenden bemerkte die Neuankömmlinge. Alle waren zu sehr mit ihrer jeweiligen Arbeit beschäftigt. Langsam und vorsichtig näherte sich die Gruppe dem Sheriff. Sie wollten Charlie nicht bei seinem Telefonat stören, waren aber auch neugierig um was es ging.

Nun konnten sie hören was dieser sagte: „Ja Sir“-„Wie Sie wollen, Sir.“-„Ich werde mich sofort darum kümmern, Sir.“-„Auf Wiederhören, Sir.“ Er legte auf und sofort klingelte der Apparat erneut.

Der Polizist an der Sammelleitung hielt eine Hand vor die Sprechmuschel und sagte: „Chef, der Gouverneur ist auf Leitung 1. Auf Leitung 5 wartet der Oberste Staatsanwalt von Seattle. Dann haben wir noch zwei oder drei Senatoren, sowie eine Unzahl von Anwälten und Schwulenverbänden auf den anderen Leitungen.“

Entnervt hob Charlie den Blick und befahl: „Sag allen, dass ich gerade dabei bin Mr. Wächter freizulassen. Das sollte sie beruhigen.“ Schnell wandte er sich an den anderen Deputy und sagte: „Lass die Papiere einfach auf den Boden fallen. Da werden bestimmt noch so einige kommen, befürchte ich. Geh und hilf bei den Anrufern.“

Erst dann bemerkte er die drei Eindringlinge vor sich. Er nickte seiner Tochter und Edward zu und fixierte den Dritten im Bunde: „Du hättest mich ruhig warnen können. Hätte ich gewusst, wen ich da abführe, dann hätte ich mir das zweimal überlegt. Dein Freund ist ja ein ganz hohes Tier.

Mein Chef hat mir gerade den Arsch aufgerissen, wie ich es wagen konnte, Mr. Wächter einzusperren. Ich solle ihn augenblicklich freilassen. Seine ganze Behörde wird gerade von dutzenden namhaften Eliteanwälten und hochrangigen Politikern bombardiert. Genau wie wir. Und dann sagte er noch: Ich solle gut nachdenken, ob meine Freundschaft zu Mr. Black Senior mein Urteilsvermögen trübe.“

Der Sheriff schluckte und offenbarte: „Die Anklage ist vom Tisch. Es gibt beglaubigte Zeugenaussagen von einem Mr. John Turner und Earl Vincent Elroy, die schwören, dass du absolut freiwillig in New York warst. Zudem hat mein Chef mich gefragt, ob ich es witzig finde, mich bei der aktuellen Lage im Senat als Schwulenhasser zu präsentieren.“

„Earl Vincent Elroy? Was ist ein Earl?“, fragte Jake und kratzte sich am Hinterkopf.

Wie aus der Pistole geschossen antwortete Edward: „Einfach angedrückt ein Adelstitel. Mir ist aber nicht bewusst, dass er sich damit vorgestellt hat. Er hatte uns nur seinen Vornamen verraten.“ Der Blutsauger zuckte mit den Schultern. „Er wollte wohl nicht als was Besonderes angesehen werden. Bei unserem Eingeborenen hier war dieser Versuch jedenfalls wertlos“, stichelte er ein wenig.

Der Wolfsjunge ging nicht darauf ein und forderte: „Die Anklage ist also vom Tisch, dann lass Isaak frei.“

„Hey, nicht in diesem Ton, junger Mann“, schimpfte der Polizeichef.

„Ich kann auch wieder seinen Anwalt anrufen. Du sieht was ein einziger Anruf angerichtet hat. Ich werde dich und meinen Alten in Grund und Boden klagen“, grinste der Gestaltwandler und fügte hinzu: „War nur Spaß. Ich will nur meinen Freund zurück. Ich rufe gleich mal Mr. Nolan an, damit er die Meute mit den Mistgabeln zurückpfeift.“

Schnell mischte sich Bella ein: „Edward und ich können ebenfalls bezeugen, dass Jake absolut freiwillig mitgekommen ist.“

„Schon gut, schon gut“, maulte Charlie und hob die Hände. „Ich hole ihn ja schon.“

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging in den hinteren Teil des Gebäudes, wo sich die Zellen befanden. Geräuschvoll klimperte er mit den Schlüsseln und verschwand. Mit ihren übermenschlichen Ohren hörten sie, wie der Polizeichef mit dem Rotblonden sprach, dieser aber keine Antwort gab. Zudem schwang langsam Sorge in der Stimme des Polizisten mit, da sein Gefangener sich nicht bewegte.

„Was ist mit ihm?“, flüsterte Edward alarmiert

„Alles ok, er meditiert nur und bekommt nichts mit“, gab Jake leise zurück.

Schnell griff Jake mental nach dem Geist seines Freundes und drang in dessen Bewusstsein ein. Da saß der Wächter und begutachtete die Klingen, die er um sich herum ausgebreitet hatte. Er sah auf und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Na Wölfchen, hast du mich vermisst?“

„Um ehrlich zu sein ja und nein. Hatte einiges zu tun“, gab der Wolfsjunge zu. „Egal, du musst aufwachen, bevor Sheriff Swan sich in die Hosen macht.“

Irritiert runzelte der Wächter die Stirn. „Seltsam, es sind doch gerade mal 1 Stunde und 43 Minuten vergangen. Ich hatte damit gerechnet, dass es länger dauert.“ Er stand auf und alle Waffen verschwanden in einem dunkeln Riss, der sich öffnete und wieder schloss. „Wie hast du es so schnell geschafft deinen Vater zu überzeugen?“

„Gar nicht.“ Jake zuckte mit den Schultern. „Der Rat hat mich verbannt und das Rudel hat mich verstoßen. Da habe ich John angerufen.“

„Ah, verstehe“, meinte Isaak betreten und seufzte. „Sag mir bitte, dass er es nicht übertrieben hat.“

„Kommt drauf an. Die Telefone laufen heiß und alle rennen hin und her, aber bisher ist noch keine Fuhr Anwälte zur Tür rein gestürmt.“

„Ok“, sagte der Wächter und ging in die Realität über. Jake zog sich zurück und wartete freudig strahlend darauf, seinen Freund in die Arme schließen zu können.

Sie konnten hören wie Isaak kurz mit Charlie redete und ihm versicherte, dass er ihn nicht verklagen werde. Solange die Anzeige vom Tisch war, gab es keinen Grund für böses Blut.

Dann tauchten die beiden auch schon in der Tür auf. Jake mahlte mit den Zähnen. Das ging ihm zu langsam. Mit einem geknurrten „Scheiß drauf“ stürmte er vor, nahm seinen Freund in die Arme und forderte einen sanften Kuss ein.

Irritiert wurden die Zwei von allen angestarrt. Als sich Jake löste und die Blicke der anderen wahrnahm, wurde er so rot wie eine Tomate, griff nach einer Hand seines Freundes und zog diesen hinter sich her, raus aus der Wache. Bella, Edward und auch Charlie folgten dem Paar.

Vor der Tür ließ der Wolfsjunge den anderen los und drehte sich um. Der Sheriff sah peinlich berührt aus, seine Tochter grinste breit und Edward war eben Edward. Er stand stocksteif da und mimte eine einwandfreie Engelsstatue, inklusive mysteriösem Lächeln.

Charlie räusperte sich und sagte: „Nichts für ungut, Mr. Wächter.“

„Bitte Isaak, Mr. Swan“, flötete der Rotblonde vergnügt.

„Ja. Dann bitte auch Charlie. Mr. Swan war mein Vater und das ist wohl das Mindeste das ich dir als Entschädigung anbieten kann. Außerdem glaube ich, dass wir uns wohl noch öfter sehen werden. Immerhin bist du mit Jake zusammen und dieser hängt mit meiner Tochter rum.“

„Gut, danke für die Gastfreundschaft, Charlie. Glaub mir, ich bin schon in schlimmeren Zellen gewesen.“

Der Polizist runzelte die Stirn, sagte aber nichts dazu.

„Gut, lasst uns gehen“, drängelte Jake und winkte zum Abschied. „Bis dann, Charlie.“

Dieser hob die Hand zum Gruß und wandte sich seiner Tochter zu.

Isaak schenkte Jake ein freches Grinsen. Dann wurde sein Blick nachdenklich und er starrte ihn an. Mental fragte er: „Sag mal, hast du heute mit jemand Besonderem gesprochen?“

„Mit meiner Schwester. Wie kommst du darauf?“, fragte Jake in ihrer Verbindung.

„Nein, nicht deine Schwester Rachel, deren Beziehungsfaden hat sich zwar verstärkt, aber ich meine jemanden, den du heute kennengelernt hast.“

Nachdenklich runzelte der Wolfsjunge die Stirn. „Vorhin als ich beim Rudel war, haben Paul und ich einen anderen Gestaltwandler getroffen. Ich glaube sein Name war Kameron irgendwas. Er sucht seinen Vater.“ Er zuckte mit den Schultern. „Habe ihn Paul überlassen.“

„Kamden Hayes?“, fragte Isaak mit zittriger tonloser Stimme laut.

„Ja, ich glaube so hieß der“, meinte Jake und sah wie sein Freund erbleichte.

Ohne ein Wort zu sagen rannte der Wächter los. So schnell er es wagte, als Mensch zu sein, hetzte er in Richtung Reservat davon. Ungläubig starrten ihm die anderen hinterher. Schnell spurtete Jake los und holte ihn ein. Entsetzt fragte er: „Hey, was ist los?“

„Keine Zeit. Hinter dem Baum da, aufspringen oder zurückbleiben, deine Wahl“, sagte Isaak und beschleunigte noch ein wenig.

„Du kannst jetzt nicht einfach nach La Push stürmen. Sam wird ausrasten!“, warnte der Wolfsjunge als sie besagten Baum erreichten.

„Angelegenheit der Wächter. Entscheide dich, jetzt!“, knurrte der Rotblonde.

Schnell sprang Jacob seinem Freund auf den Rücken und schon rasten sie in Windeseile durch den Wald. Er war sich nicht sicher, ob der andere jemals so schnell gerannt war. Diese Geschwindigkeit war beeindruckend. „So, was ist los?“, wiederholte er mental seine Frage.

„Wenn ich nicht sofort eingreife, wird es ein Unglück geben. Kamden hätte nie so früh hierherkommen dürfen. Das ist nicht richtig. Er sollte erst in eineinhalb Jahren nach seinem Vater suchen. Offenbar hat er sich früher verwandelt als es vorherbestimmt war. Das Rudel ist zurzeit wie ein Pulverfass und Kamden wird der Zünder sein, wenn ich es nicht verhindere.“

„Was soll das heißen? Was für ein Unglück löst er aus?“

Bevor der Wächter antworten konnte, hörten sie das Geheul mehrerer Wölfe. Es war eine Warnung. Sie näherten sich dem Gebiet des Rudels. Isaak ignorierte diesen Umstand und rauschte unbeirrt weiter.

Zu ihrer Rechten tauchte Jared als Wolf auf, konnte sie jedoch nicht abfangen und fiel zurück. Er stieß ein lautes Heulen aus und als Antwort erklangen noch mehr Wolfsstimmen vor ihnen.

„Dafür habe ich jetzt keine Zeit“, murrte der Wächter, als Leah und Quil vor ihnen erschienen. Die beiden wollten ihnen den Weg abschneiden. Plötzlich machte der Wächter einen Satz und sprang in die nächste Baumkrone. Über den Bäumen konnte das Rudel nur hilflos zusehen und sie verfolgen. Zwar kamen sie nun langsamer voran, umgingen aber jede direkte Konfrontation. Mittlerweile hatten sich auch Seth, Paul und die beiden Neuen, Collin und Brady, der Jagd angeschlossen. Wer von den beiden Wölfen, welcher war, wusste Jacob aber nicht. Lediglich Sam, Embry und der Neue fehlten.

Der Wächter machte einen Bogen um das Dorf, um ungesehen zu bleiben und sprang dann mit einem mächtigen Satz aus den Baumwipfeln. Verwundert stellte Jake fest, dass sie direkt auf sein Haus zusteuerten. Sie landeten direkt vor Sam, Billy und Kamden.

Alle Verfolger stürmten ebenfalls aus dem Wald und wollten sich auf die beiden Eindringlinge stürzen. Isaak ließ Jake herunter, wirbelte herum und befahl mit der Macht des Alphas: „Stehen bleiben.“

Alle Wölfe erstarrten mitten in der Bewegung und wurden zu Statuen. Der Wächter wandte sich um und funkelte Kamden wütend an: „Du hast hier nichts zu suchen. Deine Anwesenheit löst eine Kette von Ereignissen aus, welche jetzt noch nicht vorherbestimmt ist. Du musst augenblicklich mit mir kommen, bevor es zu spät ist.“

Billy wurde knallrot im Gesicht und schrie: „Ihr beide habt hier nichts zu suchen. Das ist das Revier des Rudels. Verschwindet, ihr abartigen Missgeburten.“

Sam kämpfte verzweifelt gegen Isaaks Befehl an, schaffte es aber nicht sich zu widersetzen. Da rief er nach Embry.

Der Wächter riss entsetzt die Augen auf und machte einen Schritt auf Kamden zu. Dieser wich zurück und knurrte: „Was soll der Schwachsinn? Und wer bist du überhaupt? Ich werde auf keinen Fall mit dir mitkommen. Du tickst doch nicht mehr richtig. Zieh Leine.“

In dem Augenblick stürmte Embry als Wolf aus dem Unterholz. Ohne zu zögern stürzte sich Isaak auf den Neuen, rang ihn zu Boden und legte ihm eine Hand über die Augen. Panisch sah er auf und schrie: „Embry, verschwinde! Komm nicht näher!“

Der Angesprochene wurde langsamer und blieb unschlüssig stehen.

Kamden versuchte sich vom Wächter zu befreien, aber sein Gegner war zu stark. Dann verwandelte er sich. Er wurde zu einem schwarzen Wolf, ähnlich wie Sam, aber mit einer weißen Maserung um die Schnauze, die einem Strich glich. Seine Augen waren von demselben Bernsteinton wie Jakes.

Isaak ließ nur kurz von dem Mann ab, als dieser explodierte, sprang ihm auf den Kopf und hielt ihm abermals die Augen zu. „Kamden, beruhige dich“, befahl er mit der Stimme des Alphas, jedoch ohne Erfolg. Der schwarze Wolf wurde nur noch wilder und kämpfte verbissen darum den Ballast abzuschütteln. Dabei trampelte er wild umher und sie näherten sich Billy, welcher nicht schnell genug zurückweichen konnte.

Jake stand wie vom Donner gerührt da. Was machte sein Freund da nur? Was sollte dieser Irrsinn? Und warum hielt er ihm die Augen zu? Das ergab doch keinen Sinn. Wenn das so weiterging, würden die beiden seinen Vater umnieten. Auch wenn er diesen gerade nicht leiden konnte, so war er immer noch sein Dad. Er musste eingreifen, bevor der Häuptling zu Schaden kam. Schnell sprang er vor und griff nach den Armen des Rotblonden, wobei er den Zähnen des Wolfes ausweichen musste.

„Jake, nein!“, schrie der Wächter, als dieser seine Handgelenke zu fassen bekam. Mit einem Ruck riss er seinen verrückt gewordenen Freund vom Wolf und warf ihn zu Boden. Er setzte sich auf dessen Becken und drückte seine Arme über den Kopf.

Befreit von seinem Gegner machte der schwarze Wolf hastig einen Satz zurück und stieß mit Embry zusammen, der nähergekommen war.

„NEIN“, schrie der Wächter und kämpfte mit aller Kraft gegen seinen Freund an.

Jake hob den Blick und sah, wie in Zeitlupe, dass die beiden Wölfe sich einander zuwandten. Sie sahen sich direkt in die Augen und ihre Pupillen weiteten sich. Da verstand der Wolfsjunge was los war und was Isaak zu verhindern versucht hatte. Beide prägten sich zeitgleich auf den jeweils anderen. Er musste nicht mental mit ihnen verbunden sein um es zu begreifen.

Der Rotblonde gab jeden Widerstand auf und sackte kraftlos zusammen. Auch sein Befehl war gebrochen. Dennoch rührte sich keiner. Alle starrten entsetzt auf die Szene vor ihnen.

Sam erholte sich als Erster, ließ die Schultern sinken und sagte tonlos: „Nein.“

Kamden und Embry sahen sich immer noch tief in die Augen und gingen langsam aufeinander zu. Dann schmiegten sie zärtlich ihre Köpfe aneinander und gurrten zufrieden.

Billy, der als Einziger nicht verstand was los war, sah den beiden bei dieser Aktion zu. „Was ist los, Sam? Warum machen die das? Erkläre es mir!“

Der Alpha zuckte wie geschlagen zusammen und warf dem Rollstuhlfahrer einen panischen Blick zu. Er konnte es nicht sagen. Das würde in einem Desaster enden.

„Warum?“, fragte Jake tonlos.

Ebenso ausdruckslos antwortete der Wächter: „Weil sie füreinander bestimmt sind.“

Der Wolfsjunge ließ die Handgelenke seines Freundes los, blieb aber einfach auf ihm sitzen. „Ich verstehe nicht. Warum hast du dann versucht es zu verhindern?“

„Weil es noch zu früh ist. Kamden hätte erst in eineinhalb Jahren nach La Push kommen sollen. Bis dahin wären die Wogen geglättet gewesen. Nun kann ich das Folgende nicht mehr aufhalten. Durch ihre Doppelprägung aufeinander wird es ein Lauffeuer geben.“

„WAS?“, schrie der Häuptling und sah mit hervorquellenden Augen zu den beiden schmusenden Wölfen. Seine Stimme zitterte und die Augen zuckten wie wild umher: „Nicht schon wieder!“ Unfähig weiterzusprechen, sackte Billy zusammen und schien einem Herzinfarkt nahe.

Aufgeschreckt von den Worten des alten Mannes stoben die beiden Wölfe auseinander und sahen sich irritiert um.

„Was meint der Alte damit, nicht schon wieder?“, fragte Jacob.

„Kamden ist dein Halbbruder. In seinen Augen hat er heute einen neuen Erben bekommen und dieser hat sich gerade auf einen Mann geprägt. Das ist wohl das Schlimmste, was man ihm antun konnte.“

Der ehemalige Beta riss die Augen auf und deutete mit zittrigem Finger auf den schwarzen Wolf. „Der da ist mein Halbbruder?“

Langsam und vorsichtig nickte der Wächter und ergänzte: „Dein älterer Halbbruder väterlicherseits. Kamden ist etwa ein Jahr jünger als deine Zwillingsschwestern.“

In den bernsteinfarbenen Augen des schwarzen Wolfes blitze es gefährlich und er knurrte den Liegenden an.

Jake sprang auf, stellte sich seinem Halbbruder in den Weg und schnauzte: „Lass Isaak in Ruhe.“

Die wachsamen Augen richteten sich auf ihn. Sam trat vor und befahl: „Ihr drei werdet euch unterwerfen. Ich bin der Alpha des Rudels. Umstellt sie.“

Das Rudel zog einen knurrenden Kreis um alle Blacks, Sam, Embry und Isaak. Mit einem Satz sprang der Wächter auf die Beine und seufzte. „Und das Schicksal nimmt seinen Lauf,“ murmelte er traurig.

Embry winselte und warf sich zu Boden. Er präsentierte seinem Leitwolf die Kehle. Kamden sah zu ihm und seine Nackenhaare stellten sich zornig auf. Schnell trat er vor und schirmte den hellgrauen Wolf ab. Seine Zähne waren gebleckt und er knurrte unheilvoll.

„Du wirst dich mir unterwerfen“, befahl Sam erneut und legte seine ganze Macht als Alpha in seine Stimme.

Kamden zuckte zurück und schüttelte den Kopf. Langsam und immer noch gegen die Kraft des anderen ankämpfend, neigte er das Haupt, Zentimeter um Zentimeter.

Plötzlich sprang Jake dazwischen und schrie den Leitwolf an: „Ich warne dich, Sam. Lass die beiden in Ruhe!“

Die zwei taxierten sich einen Augenblick und wurden zu Wölfen. Beide bleckten die Zähne, knurrten und stellten die Nackenhaare auf. Erhobenen Hauptes standen sie sich gegenüber. Dann hörte er die Stimme des Alphas in seinem Kopf: „Ich habe diesen Unsinn schon zu lange toleriert. Unterwirf dich, Jake.“

„Nein!“, schnauzte dieser zurück. „Was hast du vor? Uns deinem Willen zu unterwerfen? Willst du uns mit Gewalt gefügig machen? Selbst du kannst nichts gegen die Prägung unternehmen.“

Sam baute sich zu voller Größe auf, sein ehemaliger Beta tat es ihm gleich. „Du wirst dich unterwerfen. Und dann werde ICH das beenden.“

„Du kannst mich mal“, schnaubte Jacob und widerstand dem Drang kleinbeizugeben. „Ich werde nicht kampflos untergehen. Du wirst weder Isaak, Kamden, noch Embry was antun. Das werde ich nicht zulassen.“

„Unterwirf dich“, schrie der Alpha und fackelte nicht lange. Er nutzte seine ganze Kraft, alles was ihm als Leitwolf zu Verfügung stand.

Widerwillig knickte Jake ein und senkte, um sich beißend, den Kopf.

„Du wirst dich unterwerfen und dann werde ich euch alle vier verbannen“, sagte Sam.

Er hatte das Falsche gesagt. Jake hielt kurz inne und kämpfte gegen die Macht des Alphas. „Das ist auch unsere Heimat. Ich werde dich nicht einfach machen lassen, was du willst.“

„Du hast keine Wahl. Unterwirf dich. Sofort!“, befahl der Leitwolf.

„Nein“, stieß der andere hervor. „Ich bin Jacob Ephraim Black. Ich bin der Nachfahre des letzten wahren Alphas. Ich wurde nicht geboren, um Sam Uley zu gehorchen.“ Während er sprach bemerkte er, wie sich seine Stimme veränderte. Sie schwang einen Augenblick hin und her und am Ende, als er auch wieder den Kopf erhoben hatte, hatte sie den Doppelklang eines Leitwolfes.

Sein Erbe war erwacht und er hatte es angenommen. Nun war er, wie Sam, ein Alphatier. Durch seine Abstammung sogar der „Wahre Alpha“ des Rudels. In dem Moment brach die Verbindung zu allen anderen wieder auf. Jacob war ihr wahrer Anführer, Sams ausgesprochene Verbannung war hinfällig. Das Rudel würde ihn nun wieder hören und auch Kamden war ein Teil ihrer Gemeinschaft geworden.

Sam war sprachlos; er wusste nicht was er tun sollte. Jake hatte mit der gleichen Kraft gesprochen wie er. „Ich werde nicht kampflos untergehen. Ich werde mich dir niemals unterwerfen“, sagte er ein wenig eingeschüchtert, aber mit vollem Ernst in der Stimme.

Der rostbraune Wolf knurrte und ließ alle seine neue Macht spüren. Die anderen blieben stehen und sahen zwischen den beiden Alphas hin und her. Dann wusste Jacob nicht weiter. Was sollte er jetzt tun? Sollte er mit Sam um die Macht im Rudel kämpfen? Der andere würde sich nicht unterwerfen, das wusste er. Wenn er nach der Krone greifen würde, so musste er Sam dabei töten. Das wollte er aber nicht. Es musste doch noch einen anderen Weg geben.

Da erinnerte er sich an die Szenen, die Isaak ihm gezeigt hatte. Er ließ sein Schicksal, wie es gewesen wäre, ohne ihre Begegnung, die alles aus dem Ruder hatte laufen lassen, erneut vor seinem inneren Auge ablaufen. Auch dort gab es eine ähnliche Szene.

Er warf einen Seitenblick zu seinem Freund. Dieser sah ihn nur mitleidig an. Isaak hatte ihn gewarnt, aber Jake hatte diesen Weg nun gewählt und es gab kein Zurück mehr, das wusste er. Wenn er sich falsch entschied, dann würde er jetzt alles zerstören. Sein Freund würde ihn aufhalten müssen. Das war immerhin dessen Bestimmung. Der Wächter konnte einfach nicht anders.

Der rostbraune Wolf seufzte innerlich. Nun wusste er, was er zu tun hatte. Er musste das Schicksal in die richtigen Bahnen lenken, auch wenn es eigentlich noch zu früh dafür war. Der Anflug eines Lächelns huschte über das Gesicht seines Geliebten und er sah dies als Bestätigung auf dem richtigen Weg zu sein.

„Ich habe nicht vor dich herauszufordern, Sam. Du hast nun weder Macht über mich noch steht es dir zu mich zu verbannen oder aus dem Rudel zu werfen. Du wirst weder Isaak, Kamden noch Embry anfassen. Die drei stehen ab sofort unter meinem Schutz.“

„Es kann keine zwei Alphas in einem Rudel geben“, fuhr ihn der andere an.

„Das wird es auch nicht. Ab sofort gibt es zwei Rudel und jedes hat einen Alpha. Wir werden gemeinsam über unser Revier wachen. So wie es unserer Aufgabe ist. Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe und ich dir nicht, was du zu tun hast“, erklärte der Rostbraune. „Alles Weitere liegt bei dir. Wie entscheidest du dich?“

„Was soll das, Jake? Es gibt nur ein Rudel. Es gab immer nur ein Rudel.“

„Vieles, was geschehen ist, gab es zuvor noch nicht“, erinnerte Jake anklagend. „Um des lieben Friedens willen werden wir uns nun zurückziehen. Wir gehen zum Haus der Cullens. Ich gebe dir bis morgen Abend Zeit meinen Vorschlag zu bedenken.“

„Und was, wenn ich ablehne?“

„Das ist deine Sache. Wir werden bleiben. Ich brauche deine Erlaubnis nicht. Ich bin der „Wahre Alpha“ des Rudels. Fordere mich nicht heraus, sonst wirst du verlieren. Also denk nach bevor du handelst. Denk auch daran, dass wir zwar nur zu viert sind, aber ich habe Isaak auf meiner Seite. Du weißt, wie stark er ist. Er wird nicht zulassen, dass mir ein Leid geschieht.“

Jake wusste, mit diesem Spruch schmälerte er seine eigene Position als Alpha, aber er musste einfach mit den Ketten rasseln, damit Sam begriff, was Sache war.

Sam grinste sein Wolfsgrinsen und eröffnete: „Und was, wenn sie dir nicht folgen wollen? Was dann?“ Er wurde ernst. „Unterwirfst du sie dann?“

„Du meinst so, wie du es immer mit uns machst? Nein. Ich zwinge niemanden mir zu folgen, noch werde ich so wie du Befehle durch die Gegend brüllen und Gehorsam erzwingen. Das ist dein Weg, Sam, nicht der meine“, sagte Jake stolz erhobenen Hauptes und zeigte dem anderen somit seine Fehler auf.

Dann wandte er sich an Isaak. Dieser lächelte kurz und verwandelte sich. Augenblicklich rollte der rote Wolf sich auf den Rücken und unterwarf sich somit vor den Augen aller anderen seinem Freund.

„Wie ich es dir versprochen habe“, flötete der Wächter mental nur zu ihm. „Auch wenn ich nicht an ein solches Szenario gedacht hatte.“

Der neue Alpha schnaubte und sah hinter sich zu Embry und Kamden. „Was ist mit euch? Wollt ihr meinen Schutz oder wollt ihr bei Sam bleiben?“

Sein bester Freund, der immer noch unterwürfig den Hals regte, sah ihm einen Augenblick in die Augen. Er versuchte wie immer zu klingen und sagte: „Habe ich denn eine Wahl? Ich weiß, was wir mit dir gemacht haben. Darauf habe ich keinen Bock, Alter. Ich folge dir.“

„Dann steh auf. Ich brauche keine Speichellecker in meinem Rudel“, knurrte Jake streng.

Unsicher blinzelte Embry. Sein Alpha hatte nicht mit der Doppelstimme gesprochen. Er hatte somit die Wahl zu tun was er wollte. Das rechnete er ihm hoch an. Schnell rappelte er sich auf und hob den Kopf. „Aye, aye. Kapitän.“

Während des Gesprächs hatte sich auch Isaak erhoben und stellte sich gurrend neben seinen Leitwolf. Dieser sah zu seinem Halbbruder. „Was ist mit dir?“

Irritiert sah Kamden ihn an. „Was soll mit mir sein? Was ist hier überhaupt los? Du bist mein jüngerer Bruder oder? Warum sollte ich mich dir unterwerfen? Und was soll dieser ganze Unterwerfensschwachsinn überhaupt? Was zum Teufel ist die Prägung? Und was ist mit mir passiert?“

„Später“, antwortete Jacob ruhig. „Du musst noch viel lernen. Eins nach dem anderen. Wichtig ist nur, dass du und Embry jetzt ein Paar seid. Ob du es willst oder nicht, du hast keine Wahl.“

Kamden warf einen Seitenblick zu dem hellgrauen Wolf und sagte: „Was soll das heißen, ich habe keine Wahl? Ich kenn ihn nicht einmal. Ich entscheide selbst ob ich einen Kerl mag oder nicht.“

„Du bist schwul?“

„Ich bin bi, wenn du es unbedingt wissen willst. Wieso?“

„Hm…, der fairnesshalber sollte ich dich warnen: Die Quileute hassen alle die nicht „normal“ sind. In den Augen des Stammes ist nur Heterosexualität erlaubt. Deshalb wurde ich verbannt. Ich habe es gewagt mich auf einen Mann zu prägen, so wie du. Bei mir ist es Isaak, der rote Wolf, der wie ein Fuchs aussieht. Wir sind nun ein Paar. Es ist deine Entscheidung, aber glaube mir, wenn du bleibst, spielen sie mit dir, so wie sie es auch mit mir taten, hau die Schwuchtel und dann verbannen sie dich.“

Wütend bleckte Kamden die Zähne und schnauzte: „Was soll das schon wieder bedeuten? Ich bin niemandes Prügelknabe. Ich bin wie ich bin und ich werde mich von niemanden in eine Schublade stecken lassen. Ich bin hierhergekommen, um meinen Vater zu finden und um zu erfahren, was es mit dieser Wolfsverwandlung auf sich hat. Ich mache bei eurem Unsinn nicht mit. Lass mich da raus. Ich verschwinde.“

Der schwarze Wolf machte auf dem Absatz kehrt und wollte gehen. Dann schaute er sich um und sein Blick fiel auf Embry, der betreten zu Boden sah. „Scheiße, was ist das? Wo kommen diese Gefühle auf einmal her?“, schrie er, ging auf den anderen zu, und schmiegte sich tröstend an das hellgraue Fell.

„Das ist die Prägung“, erklärte Jake tonlos. „Du kannst nicht einfach verschwinden. Damit tust du dir und Embry weh. Kommt erstmal mit mir mit. Entscheide später zu welchem Rudel du gehören willst. Wenn du Embry überreden kannst La Push zu verlassen und mit dir zu kommen, dann werde ich euch nicht im Wege stehen.“

Kamden knirschte mit den Zähnen. Er war noch nicht bereit kleinbeizugeben.

Flehend bat Embry: „Bitte, komm erstmal mit. Glaub mir, du willst nicht dasselbe Schicksal erleiden, das wir Jake aufgebürdet haben.“

„Ich komme mit“, offenbarte der Schwarze etwas neben sich stehend. Er musste einfach nachgeben, wenn der andere so bettelte.

„Gut“, sagte Jake und wandte sich erneut an Sam. „Lässt du uns in Frieden gehen oder willst du es gleich hier und jetzt zu Ende bringen?“

Der Angesprochene sah sich knurrend um. Alle nahmen nun Aufstellung an und sammelten sich hinter ihrem jeweiligen Alpha. Zu Jakes Rechten stand Isaak leicht versetzt, zur Linken Kamden und Embry gleich auf. Die Stellungen waren noch nicht klar definiert. Dafür war aber jetzt auch keine Zeit.

Zu Sams Rechten baute sich Jared auf, auf der anderen Seite Paul. Quil, Collin und Brandy standen in zweiter Reihe. Alle sahen hasserfüllt zu der zweiten Gruppe.

Irritiert schauten die beiden Alphas auf Leah und Seth; diese standen noch immer abseits.

„Geht zu Sam“, schnauzte Jake die beiden an. „Das ist mein Kampf, nicht der eure.“

„Ist das ein Befehl?“, fragte Seth.

„Nein“, gab der jüngste Black zu. „Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich halte es für das Beste, wenn ihr bei Sam bleibt. Wir sind doch die bösen Abartigen hier.“

„Wenn das so ist“, flötete der Sandfarbene und kam auf Kamden zu. Schnell drängte er sich zwischen die Brüder und sagte: „Ich bin dein neuer Flügelmann.“

„Das sind Isaak und Embry“, meinte Jake.

„Hey, lass mich da raus. Ich bin dein Freund. In deinem Rudel habe ich keinen Rang“, bestimmte der Wächter feierlich.

„Gut, dann bin ich der Beta“, gluckste Seth.

„Ich habe nichts dagegen“, meinte Isaak und machte brav Platz um den anderen auf die Position des Beta zur Rechten des Leitwolfs zu lassen.

„Darüber reden wir noch“, knurrte Jake zu den beiden.

„Ja, Schatz, alles was du willst“, flötete der Wächter und bebte vor unterdrücktem Lachen.

Als Reaktion auf diese Worte knurrte Sams Rudel böse auf.

Leah seufzte und folgte ihrem Bruder. Diesen dränge sie zurück und übernahm selbst die Position als Beta.

„Hey“, regte sich der Jüngere auf. „Geh weg, Leah. Du machst alles kaputt.“

Diese schnaubte und verkündete: „Ich passe nur auf meinen kleinen Bruder auf. Ich bleibe, es sei denn Jake befiehlt mir zu gehen.“

„Darüber reden wir auch noch“, moserte ihr Alpha. Dann sahen sich beide Leitwölfe an. „Was ist nun, Sam?“

Der schwarze Gigant sah sich kurz die Machtverhältnisse an und knurrte missgelaunt: „Geht in Frieden.“ Anschließend hob er den Kopf und blaffte. „Das ist aber noch nicht zu Ende. Ich werde den Rat darüber in Kenntnis setzen.“

„Mach doch“, sagte Jake und zuckte mit den Schultern. „Als ob die wirklich was zu sagen hätten. Wir sind die Krieger. Die wirklichen Kämpfer. Die Alten sitzen nur dumm rum und überlegen sich, wie sie uns das Leben schwer machen können.“

Abermals knurrte Sams Rudel und Jake befahl: „Abmarsch.“

Alle setzten sich in Bewegung, außer Isaak, der blieb einfach stehen und verwandelte sich in einen Menschen. Auf den fragenden Blick seines Freundes hin erklärte er: „Ich muss noch ein Versprechen einlösen. Ich komme gleich nach, versprochen.“

Jake schnaubte und führte sein Rudel langsam in den Wald.

Alle Augen fixierten den Wächter voller Hass. Dieser hob die Hände und sagte: „Sam, können wir reden?“

Der Alpha verwandelte sich zurück und bellte: „Was willst du noch, du Missgeburt? Sieh was du angerichtet hast.“

„Das war nie meine Absicht“, meinte Isaak und senkte den Blick. „Was geschehen ist, ist geschehen.“ Er straffte die Schultern und hob den Blick. „Ich bin nicht hiergeblieben, um mich beleidigen zu lassen.“

„Was willst du?“, knurrte Sam unheilvoll.

„Ich wollte nur fragen, ob du und Emily euch schon entschieden habt. Soll ich ihr Gesicht nun heilen oder nicht?“

Irritiert runzelte der Leitwolf die Stirn. „Wir sind nun Feinde und du fragst, ob du sie heilen sollst?“

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Emilys Heilung ist ein Gefallen, den ich dir schulde. Ungeachtet der Situation oder dass du mich als Feind siehst“, erläuterte der Wächter und zuckte mit den Schultern. „Ich gab dir mein Wort und ich halte mein Wort.“

Entwaffnet gestand Sam: „Wir haben uns noch nicht entschieden. Wir dachten das Angebot sei vom Tisch, durch Jakes Verbannung.“

„Ist es nicht. Es besteht noch immer. Sag mir, wenn ihr die Heilung wünscht. Bis dann“, flötete der Rotblonde und sauste wie der Wind davon.
 

Alle außer Jake zuckten zusammen als Isaak bei ihnen auftauchte und sich einfach frech auf den Rücken seines Freundes Schwang. Der Alpha knurrte kurz und gab sich geschlagen. Warum sollte er sich jetzt noch weiter verstecken wollen?

Rollenverteilung

Noch bevor sie das Haus der Cullens erreichten, bemerkten sie, dass sie nur die Gedanken der Wölfe aus Jakes Rudel hören konnten. Die Stimmen aus Sams Rudel waren verstummt. Alle seufzten erleichtert auf, außer Kamden. Für diesen war die mentale Verbindung noch neu und er wusste nicht, wie es war so viele Stimmen im Kopf zu haben.

Leah war sehr froh Sam los geworden zu sein, und auch Paul. Embry dachte ähnlich. Er hatte keine Lust dasselbe wie Jake durchzustehen und war glücklich erstmal seine Ruhe zu haben. Seth hingegen quasselte wie ein Wasserfall, um die Stille gut auszunutzen und instruierte Kamden ein wenig. Er sah es als seine Aufgabe an das zu machen. Immerhin glaubte Seth fest daran der Beta des Rudels zu sein. Jake verschloss, wie auch Isaak, seine Gedanken vor den anderen.

„Nachdem, was du mir damals gezeigt hast, fällt es mir schwer gemein zu Leah zu sein. Muss ich das unbedingt machen?“, fragte der Alpha seinen Partner durch ihre eigene Bindung.

„Nein, musst du nicht. Dadurch ändert sich nichts. Aber, wenn du von Bellas Plänen mit dem Sex erfährst, musst du brav böse werden. Sonst merken sie, dass da was im Busch ist.“

„Kein Problem. Ich rufe mir das Bild ins Gedächtnis, wie Nessie ihr das Rückgrat bricht. Das sollte reichen, um eine gute Show abzuliefern. Aber mal was anderes. Was sollen wir anziehen? Hast du da auch eine Lösung?“

„Also wenn ich daran denke, dass du meine Klamotten eh andauernd in Fetzen reißt, würde ich sagen, das ist unnötig“, gluckste der Wächter erheitert. „Außerdem gefällt es mir, wenn du nichts anhast.“

„Schatz“, mahnte Jake, musste aber zugeben, dass es durchaus Vorteile hatte einfach nackt herumzulaufen.

Dann warf er einen Seitenblick zu seinem Halbbruder und knurrte.

„Du bist ganz schön eifersüchtig, mein Wölfchen. Kamden ist geprägt. Den interessiert es nicht die Bohne.“

„Er ist schwul“, konterte der Alpha.

„Das Thema schon wieder?“, fragte Isaak mit einem Hauch von Schärfe in der Stimme. Dann wechselte er schnell das Thema: „Ich glaube die Kleidung von Alexei müsste schon da sein. Damit werden wir wohl auskommen müssen fürs Erste. Vielleicht sollte ich später Maß nehmen von allen und weiter Sachen bestellen? Was meinst du?“

„Ja, gute Idee. Noch was. Was ist mit den anderen? Wo sollen wir schlafen? Auf dem Boden um das Haus?“

„Ich würde vorschlagen, wir quartieren alle im Unterwasserstützpunkt ein“, schlug der Wächter vor.

„Echt? Das würdest du gestatten?“, fragte der Wolfsjunge überrascht.

„Es ist dein Rudel. Somit quasi Familie. Also ja“, erklärte sein Freund.

Damit war ihre kleine Unterhaltung beendet. Indes hatte Seth in groben Zügen die Rudeldynamik, die Prägung, Vampire und Wächter erklärt. Kamden schwirrte der Kopf. Das war eindeutig zu viel auf einmal.

Wütend knurrte Leah als sie sich dem Haus der Blutsauger näherten. Der Neue verzog die Schnauze als es ihm in der Nase brannte. „Das ist der Geruch von Vampiren. Schrecklich, nicht wahr? Aber man gewöhnt sich dran. Edward und ich sind beste Freunde. Wir haben schon gemeinsam gekämpft. Die Cullens sind in Ordnung. Egal, was die anderen sagen“, quasselte der Jüngste der Runde ohne Punkt und Komma.

„Seth, gut jetzt. Das ist zu viel“, warf Jake ein und der andere verstummte, aber nur für kurze Zeit.

Dann wandte sich der Alpha an sein Rudel: „Leah, ich weiß, du hasst die Vampire, aber wenn du bei mir bleiben willst, musst du brav sein. Ich werde es nicht dulden, dass du sie angreifst. Dasselbe gilt auch für die anderen.“

Schnell fügte er hinzu: „Nein Seth, ich sagte Ruhe.“ Der selbsternannte Beta ließ den Kopf hängen, er wollte gerade wieder etwas sagen.

In einiger Entfernung zu den Cullens blieb Jake stehen und sah in die Runde. Isaak hielt sich geduckt. Das war nicht seine Angelegenheit.

„So, wir sind gleich da. Also noch schnell ein paar Takte“, begann er und fixierte die Wölfin: „Leah, ich werde dich nicht wegschicken. Du kannst bei mir bleiben so lange du willst. Bitte verzeih mein bisheriges Verhalten. Ich war ein Idiot und habe mich nicht um dich gekümmert. Das ändert sich jetzt. In meinem Rudel bist du immer willkommen. Ich darf zwar nicht allzu viel preisgeben, aber ich kann dir verraten: Ich weiß um deine Pein und ich kann dich verstehen.“

Erschrocken weiteten sich die Augen der Frau, aber ihr Alpha ließ ihr keine Zeit für eine Antwort. „Seth“, begann der Leitwolf.

„Ja, Chef?“, flötete der Jüngling.

„Unterbrich mich nicht andauernd“, knurrte er und wies den anderen in die Schranken. „Du kannst auch bleiben, solange du willst. Aber, du bist nicht mein Beta. Wenn du diesen Rang haben willst, dann kämpfe darum, wie alle anderen auch. Ich begünstige dich nicht. Haben wir uns verstanden?“

Der Sandfarbene scharrte enttäuscht mit der Vorderpfote. „Ja, Alpha“, sagte er kleinlaut.

„Du bist ein guter Junge. Ich mag dich und hätte dich gerne in meinem Rudel, aber ich glaube, es wäre besser für dich, wenn du zu Sam zurückgehst. Wir sind ein Haufen Ausgestoßener. Leute, die keiner haben will. Du musst unser Schicksal nicht teilen. Ich werde es dir nicht übelnehmen, wenn du gehst. Versprich mir nur, dass du ernsthaft darüber nachdenkst und dann eine Entscheidung fällst.“

Scheu sah Seth auf und wollte etwas erwidern, als Jake erneut zu sprechen begann: „Still. In einer Sekunde kann man das nicht durchdenken, Welpe. Entscheide dich bis morgen Abend.“

Innerlich grinste der Leitwolf. Er wusste schon jetzt wie die Entscheidung ausfallen würde. Dann glitt sein Blick zu Embry, der sich sichtlich unwohl fühlte und versuchte sich klein zu machen. „Alter, wenn du flennst, dann trete ich dir in den Arsch. Ich habe mich mitunter auch wegen dir gegen Sam erhoben. Also hör auf mit der Mimosennummer. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann. Steh deinen Mann.“

Kamden knurrte ungehalten und bleckte die Zähne was der Alpha gekonnt ignorierte.

„Du bist nicht sauer, wegen dem ganzen Mist, den ich verbockt habe?“, fragte Embry kleinlaut.

„Was hast du denn gemacht? Mich ein paar Mal angegangen, wie es eben unter Wölfen üblich ist? Alter, dafür bekommst du von mir keinen Einlauf. Wenn du sowas willst, wende dich an deinen Freund. Der ist dein Ansprechpartner für sowas.“ Er nickte zu Kamden, der betölpelt dreinsah und vergaß weiter zu knurren.

„Ich werfe dir nicht vor, dass du dich nicht gegen Sam gestellt hast. Wie denn auch? Nur ein Alpha kann sich gegen einen Alpha stellen. Ich bin froh, dich bei mir zu haben, Alter“, grinste der Leitwolf und sah wie Embry seine Unterwürfigkeit aufgab.

Dann suchten die Bernsteinaugen ihre Äquivalente. „Kamden“, sagte Jake und wusste nicht so recht, was er sagen sollte.

Der Schwarze schnaubte und fragte bissig: „Ja, so heiße ich. Was willst du Spinner von mir?“

Plötzlich hob Isaak den Kopf über den des Alphas und sagte mit freundlicher Stimme: „Bevor es weitergeht, wollte ich mich für mein Verhalten dir gegenüber entschuldigen. Ich hoffe, du kannst mir vergeben. Du bist der Bruder meines Freundes und ich möchte nicht, dass unser Verhältnis von dem etwas holprigen Einstieg zu sehr beeinflusst wird.“

Verlegen lächelten der Wächter und Jake knurrte: „Halbbruder.“

„Macht das einen Unterschied? Sind nicht alle deines Rudels deine Brüder und Schwestern?“, konterte der Rotblonde gewandt und kraulte den Rostbraunen besänftigend.

Der Leitwolf mahlte mit den Zähnen und sagte widerstrebend: „Ja. Na gut. Es tut mir leid, dass wir uns unter solchen Umständen kennenlernen mussten. Lass uns von vorn anfangen.“

Er räusperte sich und sagte: „Ich bin Jacob Ephraim Black und ich heiße dich bei uns und in meinem Rudel willkommen, Bruder.“ Das letzte Wort knurrte er. Bis vor wenigen Minuten wusste er nicht einmal, dass er einen Bruder hatte und jetzt hatte sich dieser auf seinen besten Freund geprägt, wie auch andersrum. Das war ja zum verrückt werden.

Kamden dachte kurz nach und zuckte mit den Schultern: „Eine herzliche Begrüßung habe ich eh nicht erwartet. Immerhin hat sich mein Vater 19 Jahre lang nicht um meine Existenz geschert. Ich kenne dich nicht und ich weiß nicht, was es bedeutet Teil eines Rudels zu sein. Da ich anscheinend eh nicht wegkann und wohl oder übel mit dir auskommen muss, will ich mal nicht so sein. Lass uns von vorne anfangen, kleiner Bruder.“ Er betonte extra das Wort „Kleiner“, um klarzustellen, dass er nicht bereit war kleinbeizugeben.

Jake knurrte bei der Anspielung auf ihren Altersunterschied. „Lass gut sein. Alles ist neu für ihn“, mahnte Isaak mental.

„Die Ausrede lass ich ihm nicht lange durchgehen“, gab sein Freund rasch zu ihm zurück, beruhigte sich aber. Der Wächter hatte mal wieder Recht. So wie meist.

Dann schnaubte der Alpha und sie gingen gemeinsam weiter zum Unterschlupf ihrer Erzfeinde. Als sie ungeordnet aus dem Wald traten, sahen sie schon von weitem, dass die Vampire sich kampfbereit aufgestellte hatten.

Isaak hob die Hand zum Gruß und erklärte: „Wir haben schon wieder keine Klamotten mehr. Es sind nicht zufällig zwei Koffer für Jake und mich angekommen?“

Irritiert runzelten die Blutsauger die Stirn. Dann sagte Carlisle: „Da sind tatsächlich zwei Koffer geliefert worden.“

„Gut, wärt ihr so nett diese zu holen und zu uns zu bringen? Ich glaube, mein Freund hat was dagegen, wenn ich hier nackt herumrenne.“

Edward ließ den Kopf hängen und rannte schnell ins Haus. Eine Sekunde später schoss er auf die Wölfe zu. Leahs Augen zuckten gefährlich, als er näherkam und sie knurrte wütend. Der Leitwolf brachte sie mit einem mahnenden Knurren seinerseits zur Räson.

Dennoch wagte sich Edward nicht näher als fünf Meter an sie heran und stellte dort die Koffer ab. „Ich habe einen Teil eurer Unterhaltung mitbekommen. Soll ich die anderen informieren oder willst du das selbst erledigen, Jacob?“, fragte er mit seiner lieblichen Vampirstimme, die bei den meisten im Rudel das Nackenhaar zu Berge stehen ließ. Nur Seth und Jake schienen dagegen immun zu sein.

Der Jüngste der Runde konnte sich nun nicht mehr zügeln und sprang hastig mit einen gedachten „Edward“ vor. Der Zirkel fauchte und fürchtete einen Angriff, da hob der Vampir schnell die Hand, um zu zeigen, dass alles in Ordnung war und blieb ruhig stehen als der sandfarbene Wolf ihn einmal schnell umrundete, sich dann vor ihm auf den Hinter sinken ließ und eine Vorderpfote zum Gruß hob.

„Seth, schön dich mal wiederzusehen“, sagte Edward lachend und schüttelte die angebotene Pfote. Dann streichelte er dem Jüngling kurz über den Kopf. Abermals knurrte Leah und trat einen Schritt vor.

Seth sprang herum und kläffte sie an: „Wenn du nicht hier sein willst, dann geh doch zu Sam zurück.“

„Still, Seth. Genug, Leah“, raunzte Jake missgelaunt und hatte sich ein wenig geöffnet, sodass auch der Vampir ihn hören konnte. „Kurzzusammenfassung: Ich bin nun ein Alpha und das hier ist mein Rudel. Der Neue“ er nickte zu dem schwarzen Wolf: „ist mein Halbbruder Kamden, der es fertiggebracht hat sich auf Embry“, er nickte zu dem Hellgrauen: „zu prägen, wie auch umgekehrt. Wir ziehen uns nur schnell um und verschwinden dann zum Unterwasserposten. Es gibt viel zu besprechen. Sag deiner Familie das und dann würde ich vorschlagen, dass du und Bella uns gleich begleiten.“

„Gut, bis gleich. Ich sage allen Bescheid und hole Bella“, sagte der Blutsauger und sah misstrauisch in die Runde. „Von deinem Rudel geht doch keine Gefahr für Bella aus, oder?“

„Natürlich nicht, Bella ist ein Mensch. Alle Menschen sind Schutzbefohlene. Keiner aus meinem Rudel wird es wagen sie zu verletzen, darauf hast du mein Wort als Alpha.“

Schnell nickte Edward und rannte davon.

„Seth, mach dich nützlich, nimm einen der Koffer“, schnauzte Jake und nahm den zweiten mit den Zähnen auf. Dann zogen sie sich hinter die Bäume zurück. Nebenher hörten sie wie Embry Kamden einige Zusammenhänge erklärte. Noch bevor sie ihre Mitbringsel abgestellt hatten, fragte der Jüngste: „Unterwasserposten? Was soll das denn sein? Ist das einer der Außenposten der Wächter? Wo ist er denn und wie kommen wir da hin?“

„Das wirst du sehen, wenn es soweit ist. Gib schon Ruhe, Seth“, gab der Leitwolf mürrisch zurück und fragte sich insgeheim, womit er diese Nervensäge verdient hatte.

Schnell fischten sich alle etwas aus den Koffern, wobei Jake wie zufällig, in Wolfsgestalt, zwischen seinem Freund und den anderen stand. Somit konnte keiner den Rotblonden sehen. Erst als dieser angezogen war, verwandelte sich der Alpha und warf sich ebenfalls in Schale. Da alle Männer eine ähnliche Größe und Statur hatten, saßen die Kleidungstücke recht gut. Außer die bei den Clearwaters; diese trugen Schlabberlook.

Interessiert glotzte Kamden Embry ungeniert an, als dieser zum Menschen wurde und pfiff anerkennend. Was er sah, gefiel ihm gut und er konnte sich nicht zurückhalten einen Kommentar abzugeben: „Habe wohl Glück gehabt.“

Der andere mahlte mit den Zähnen und wurde rot. Dann knurrte er: „Lass das. Ich bin nicht schwul.“

„Ja, den Spruch kenne ich“, schwatzte Isaak und feixte Embry zu. Dieser wurde nur noch röter im Gesicht und beeilte sich mit dem Anziehen.

Isaak und Jack schnappten sich je eine der Behältnisse und gingen langsam, mit den anderen im Schlepptau, zum Haus zurück.

Der Blutsauger hatte seine Leute offenbar informiert, denn vor dem Haus standen nur Bella und Edward, abreisebereit.

Isaak winkte ihnen zu und sie strebten gemeinsam zu der Stelle, an der die Aufstiegsplattform war. Leah konnte einfach nicht anders und drängte ihren jüngeren Bruder weg von dem Vampir, sodass sie zwischen den beiden stand, wobei sie eine Grimasse zog und den Blutsauger genau im Auge behielt.

Seltsamerweise tat es ihr Kamden bei Embry gleich. Er wusste nicht wieso, aber er wollte nicht, dass dieser dem seltsam schönen Mann zu nahekam. Allein der Geruch des „Vampirs“ war abartig und brannte in der Nase. Wobei es als Mensch nicht ganz so stark war. Zwar konnte er keine Gefahr von dem kalten Wesen, wie Embry die Cullens nannte, ausgehen sehen, dennoch spürte er instinktiv die Bedrohung. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er knurrte bedrohlich, als Edward immer näher kam.

Jake fuhr herum und donnerte: „Kamden, Edward ist ein…, nun ja, also, kein Feind. Also lass ihn in Ruhe. Er wird den armen kleinen Embry schon nicht zum Weinen bringen.“

Bevor sein Bruder etwas sagen konnte, wurde er hart gegen den Arm geboxt. Wütend knurrte Embry: „Damit wir uns gleich richtig verstehen: Ich bin kein hilfloses Weib. Mach das nochmal und ich reiß dir die Eier ab.“

Kamden, der sonst immer einen Spruch in petto hatte, wusste nicht, was er sagen sollte. Er verstand nicht, warum er diesen fremden Kerl beschützen wollte und zugegebenermaßen sah dieser auch nicht danach aus, als ob er Schutz nötig gehabt hätte. Oder doch? Er raufte sich die Haare und stapfte wütend weiter. Auch wenn er nicht ergründen konnte, warum es so war, aber es störte ihn, dass Embry wütend auf ihn war. Was immer diese verdammte Prägung auch war, sie beeinflusste ihn sehr.

Embry hingegen mahlte kurz mit den Zähnen und sagte: „Ich wollte dich nicht so anfahren, tut mir leid.“

Augenblicklich war Kamden wieder an seine Seite und grinste dümmlich vor sich hin. Die Stimme in seinem Kopf ignorierte er gekonnt. Diese schrie ihm lediglich zu, wie unfassbar dämlich er sich benahm. Mit seiner Art entlockte er Embry ein leichtes Schmunzeln; das war Belohnung genug und er schmolz dahin.

„Hm, darum werden wir uns wohl als Erstes kümmern müssen“, kommentierte Isaak die Art der beiden.

Jake mahlte mit den Zähnen, hin und hergerissen. Er spürte die Gefühle der beiden und war damit nicht so wirklich einverstanden. Dieses Rumgeschwule ging ihm auf den Zeiger. Ungehalten frage er: „Was meinst du damit?“

„Die beiden sind aufeinander geprägt und es besteht keine Rangordnung bei ihnen. Je eher die zwei miteinander kämpfen und ihre Rollen sich festigen, desto besser. Sonst wird diese Gefühlsachterbahn nur noch schlimmer werden“, gab der Wächter seine Einschätzung bekannt. „Zumal ich auch vorschlagen würde, dass die Ränge im Rudel ebenfalls definiert werden sollten.“

Der Alpha nickte zustimmend und sagte: „Wenn wir uns morgen mit Sam treffen, sollten wir als Einheit auftreten. Sonst werden wir überrannt.“

Leah runzelte die Stirn und fragte: „Wenn Isaak kämpft, kann Sams Rudel einpacken. Oder habe ich da was nicht mitbekommen?“

Mit fester Stimme offenbarte der Leitwolf: „Ich habe geblufft. Isaak wird nicht mitkämpfen. Er ist ein Wächter. Derlei Nichtigkeiten haben mit seiner Bestimmung nichts zu tun.“

Sein Freund nickte zustimmend und fügte hinzu: „Ich bin ein Teil von Jakes Rudel, aber bei sowas werde ich mich nicht einmischen. Sollte allerdings die Situation außer Kontrolle geraten, werde ich gezwungen sein den Kampf zu beenden. Glaub mir Leah, das will keiner.“

Einen Augenblick dachte der Leitwolf nach. Dann sah er seinen Geliebten an und offenbarte: „Ich möchte keine Geheimnisse in meinem Rudel. Die Lage hat sich geändert. Unsere Absprache ist hinfällig.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich werde dich ohnehin nicht überreden können mein Beta zu werden. Dann kannst du es ihnen auch gleich sagen.“

Isaak sah ihn einfach nur sprachlos an. Jacob schüttelte den Kopf und sagte: „Isaak und ich führen eine gleichberechtigte Beziehung. Er hatte mir aber angeboten, sich mir vor dem Rudel zu unterwerfen. Aber nun bin ich der Alpha. Ich gehe meinen eigenen Weg. Wenn euch meine Art nicht passt, könnt ihr jederzeit zu Sam zurückkehren.“

„Gut, wenn du das so willst, bitte“, meinte der Wächter und setzte nach: „Nach außen hin stärke ich dir den Rücken, als Teil deines Rudels.“ Er wandte sich den anderen zu. „Aber innerhalb von Jakes Rudel halte ich mich vollkommen raus. Ich habe keinen Rang und ich werde mit keinem von euch kämpfen. Im Gegensatz zu euch lasse ich mich nicht von meinen Wolfsinstinkten kontrollieren. Ich strebe weder nach Macht noch Rang noch den Kampf an sich.“

Seth strahlte wie ein Honigkuchenpferd und quasselte: „Bestens! Einer weniger der mir im Weg steht.“

Jake rollte mit den Augen, drehte sich um und ging weiter. Als sie sich der Stelle näherten, wo die Scheibe sich befand, tauchte diese auf und meldete ergeben: „Sehr geehrter Wächter, bitte betreten Sie die Plattform.“

Die Wölfe staunten nicht schlecht und beäugten misstrauisch die dünne silbrige Scheibe. Ohne zu zögern stellten sich Jake und Isaak darauf. Ihnen folgten Edward und Bella, welche an das andere Ende gingen, um die anderen nicht zu belästigen.

„So, alle hoch hier“, befahl Jake, nutzte aber nicht die Doppelstimme.

Seth wollte aufspringen, da hielt ihn Leah zurück und ging vor, dicht gefolgt von ihrem Bruder und Embry. Unschlüssig starrte Kamden weiter das Ding an. Er sah auf und stellte fest, dass Embry auf der Plattform stand. Schnell sprang er dem anderen hinterher. Er wollte bei ihm sein und am liebsten in den Arm nehmen, war sich aber nicht sicher, ob dieser das zulassen würde.

Jakes rechter Mundwinkel zuckte ein wenig. Schnell befahl er: „KI, bring uns zum zoologischen Forschungsinstitut.“

„Verstanden. Teleportationssequenz initiiert. Auf Wiedersehen, Wächter Jacob“, flötete die Frauenstimme.

Die männliche KI mit der tiefen Stimme begrüßte sie: „Willkommen im zoologischen Forschungsinstitut.“

Als der Schutzschild sich senkte, rissen alle neuen Wölfe die Augen auf. Seth und Embry stürmten an den Rand der Kuppel und sahen sich mit offenen Mündern um. Leah und Kamden folgten den beiden. Sie staunten ebenfalls, konnten ihre Überraschung aber besser verbergen.

Bella und Edward setzen sich ab. Sie wollten nochmal zum Gewächshaus.
 

Nachdem dann Isaak und auch Jake dem Rudel einige Fragen beantwortet hatten, startete der Alpha den Rundgang, während Isaak sich in den Kontrollraum zurückzog. Als sie anschließend in dem Gang mit den Wohnquartieren ankamen, wartete der Wächter bereits auf die Bande. Die Koffer ließen sie im Korridor stehen, damit sich alle bedienen konnten.

Der Rotblonde dirigierte sie zum Holoraum. Jake erklärte ihnen noch schnell, wie alles hier funktionierte und welche Befehle sie sich merken sollten. Vor ihrem Ziel macht Isaak auf dem Display neben der Tür einige Eingaben und betrat den Raum.

Alle folgten und standen mitten auf einer schönen Wiese. Eine zwei Meter hohe Steinmauer grenzte die Ausmaße des Holoraumes ab. Jake ging einige Meter und prüfte den Boden. „Bestens“, murmelte er, drehte sich um und sagte: „Also dann starten wir mit den Rangkämpfen. Embry, Kamden, ihr beide fangt an.“

Keiner der beiden rührte sich. Kamden sah verständnislos drein, wohingegen Embry den Blick senkte und stammelte: „Ich will nicht gegen ihn kämpfen. Ich kann das nicht.“

Plötzlich mischte sich Isaak ein, der an der Mauer neben der Tür lehnte: „Glaubt mir, es ist besser, wenn ihr beiden das sofort regelt. Fragt euch doch mal: Wer von euch wird der Aktive sein wird?“

Beide fuhren zu dem Wächter herum und sagten bestimmend: „Ich natürlich.“

Augenblicklich wandten die beiden Geprägten sich einander zu und versuchten den jeweils anderen niederzustarren. Sie bemerkten das dreckige Grinsen im Gesicht des Rotblonden nicht.

Kamden schnaubte: „Ich bin der Aktive. Ich war noch nie passiv und ich habe nicht vor damit anzufangen.“

Embry knurrte: „Ich bin der Aktive. Mein Arsch ist und bleibt Jungfrau.“

„Das werden wir noch sehen“, meinte Kamden überheblich.

„Gut, kämpfen wir drum“, bestimmte Embry und zog sich rasch aus.

Etwas verunsichert sah Kamden ihm dabei zu. Dann fragte er: „Meinst du das ernst? Wir sollen kämpfen und der Verlierer muss den Arsch hinhalten?“

„Ja“, knurrte Embry und zog blank. „So läuft das bei uns Wölfen.“ Nach diesen Worten verwandelte er sich und trabte einige Meter weiter auf die Wiese. Neben Jake blieb er stehen, sah zurück und stichelte: „Komm her, oder bist du ein Feigling?“

Kamden knurrte ungehalten und verwandelte sich, ohne sich zuvor auszuziehen. Dann trabte er auf den Hellgrauen zu und bleckte die Zähne. Der Alpha zuckte mit den Schultern und trat beiseite. Sollten die das unter sich ausmachen.

„Kämpft“, befahl der Leitwolf in sicherer Entfernung.

Embry fackelte nicht lange und ging sofort in die Offensive. Der Schwarze war größer und stärker, er hingegen wendiger und schneller. Nach ein paar gezielten Bissen in die Vorderbeine seines Kontrahenten wurde Kamden allmählich richtig wild. Kraft und Stärke konnten jedoch Erfahrung einfach nicht wettmachen. Nach nur einer Minute wusste Embry, dass er gewinnen würde. Er grinste und sprang den anderen Wolf an. Ein schneller Sieg würde seine Position stärken.

Kamden jedoch hatte nicht vor sich zu unterwerfen. Auch wenn er wusste, dass er unterlag, blieb er stur wie ein Maultier und rettete sich einige Male nur haarscharf davor zu Boden geworfen zu werden. Dann machte er einen falschen Schritt und strauchelte. Das nutzte der Hellgraue aus und zwang ihn auf den Rücken.

Er hatte gewonnen und ragte nun über dem schwarzen Wolf auf. Nur noch ein Biss und es wäre vorbei. Langsam senkte er den Kopf. Aus unerklärlichem Grund zögerte er auf einmal. Wollte er das wirklich? War das fair? Kamden hatte zwar die Verwandlung im Griff, aber war im Kampf unerfahren.

In dem Moment bäumte sich der Besiegte auf und biss ihm von unten in den Hals. Sie rangelten einen Augenblick miteinander und rollten über die Wiese. Dann stand auf einmal Kamden über ihm, Embry auf dem Rücken, mit Zähnen am Hals. Er hatte zu lange gezögert, nun hatte er verloren. Einen Augenblick wehrte er sich noch, es war aber zwecklos: Er war besiegt und so fügte er sich.

Embry hatte ein seltsames Gefühl. In seinem Inneren rückte etwas hin und her. Auch in Kamdens Inneren veränderte sich etwas. Er knurrte wütend. Rasch winselte der Hellgraue und unterwarf sich ihm vollständig. Augenblicklich ließ er von seinem Freund ab. Liebevoll stupste er den Liegenden an. Dieser rappelte sich auf.

Sie standen sich einen Moment Auge in Auge gegenüber. Embry senkte den Kopf. Kamden hob den seinen und ließ es zu, dass der andere sich von unten an seinen Hals schmiegte. Zufrieden brummte der schwarze Wolf. Ihm gefiel die unterwürfige Art seines Gefährten. Warum auch immer er einen fremden Kerl auf einmal als seinen Freund, seinen Gefährten ansah, aber es war so. Offenbar hatte Isaak Recht. Durch ihren Kampf hatte sich alles geändert und verfestigt.

„Gut, Kamden hat gewonnen“, kommentierte Jake und ließ nun Leah gegen Seth antreten. Die beiden zogen sich umstandslos aus. Leah hatte damit kein Problem. Warum den auch? Die vier Kerle im Raum waren alles schwul und geprägt. Also blieb nur ihr kleiner Bruder. Dieser würde sowieso rot wie eine Tomate wegsehen. Genau das tat dieser auch.

Der Alpha eröffnete den Kampf. Durch ihre Schnelligkeit hatte Leah sofort einen gewaltigen Vorteil. Auch war Seth eher von sanftem Gemüt und wollte seine Schwester nicht verletzten. Der Kampf dauerte nur zwei Minuten, dann lag der Sandfarbene auch schon besiegt auf dem Rücken.

In der kurzen Pause, die Jake anordnete, erklärte Embry Kamden alles was er über einen Wolfskampf wissen musste. Die Beiden waren nicht mehr voneinander zu trennen. Embry klebte quasi an dem schwarzen Wolf und schmiegte sich schmusend an diesen. Kamden erwiderte die Geste, hatte aber stolz den Kopf in die Höhe geregt.

Dann schickte Jake Embry und Seth in den Ring. Ersterer jedoch wollte einfach nicht von dem Schwarzen ablassen. Er gab kampflos auf und Seth wurde zum Sieger ernannt. Ebenso bei der Paarung Embry Leah gab er augenblicklich auf.

Irritiert sah Jake zu seinem besten Freund, mischte sich aber nicht ein. Embry war es eh gewohnt ein normales Mitglied zu sein und recht weit unten zu stehen. Mit drei Niederlagen bei drei Kämpfen bildete er nun das Schlusslicht in Jakes Rudel.

Der Leitwolf gab das nächste Pairing bekannt: Kamden x Leah.

Das schwarze Ungetüm löste sich widerstrebend von dem kleineren Hellgrauen und stellte sich dem Kampf. Embry fieberte vom Rand her mit und feuerte seinen Freund an. Erneut wurde Kamden die Schnelligkeit seines Gegners zum Verhängnis. Leah hatte keine Skrupel und zögerte nicht. Nach nur einer Minute unterwarf sie den schwarzen Wolf, ohne auch nur einmal erwischt worden zu sein.

In der kurzen Pause sahen alle den beiden Geprägten zu. Kamden hatte sich auf den Hintern gesetzt und zeigte kein Anzeichen für gekränkten Stolz oder dass er verloren hatte. Embry indes leckte ihm über die leichten Bisswunden von Leah und tänzelte unterwürfig um ihn herum.

Dann begann auch schon der Letzte Kampf: Kamden gegen Seth.

Der Jüngste versuchte es wie seine Schwester mit seiner Geschwindigkeit, aber er war unvorsichtig. Unbeabsichtigt, im jugendlichen Leichtsinn, achtete er nicht auf seine Deckung und Kamden bekam ihn zu fassen. Wenige Sekunden später hatte Seth die Zähne des anderen an der Kehle und gab vor Schmerz winselnd auf.

Stolz setzte sich der Sieger auf den Hintern und ließ sich schwanzwedelnd die Lefzen von Embry lecken. Seth hingegen versteckte sich hinter seiner großen Schwester und ließ sich von ihr die Wunden lecken.

„So“, begann Jake und eröffnete: „Damit ist die Rollenverteilung wohl abgeschlossen, fürs Erste zumindest. Leah, du bist mein Beta. Dein Platz ist an meiner Rechten.“ Dann sah er zwischen Seth und Kamden hin und her. Er knurrte und bestimmte: „Seth, du bist an meiner Linken.“

Sein Bruder wollte gerade aufbegehren, da setzte der Alpha nach: „Kamden, ich kenn dich nicht. Zeig mir erstmal, dass du dich ins Rudel einfügen kannst. Dann sehen wir weiter. Die Ränge sind auch nicht in Stein gemeißelt.“

Dann änderte sich seine Stimme und er sprach mit der Macht des Leitwolfs: „Das gilt für euch alle. Arbeitet an euch. Ab morgen beginnen wir mit dem Kampftraining.

Seth, du musst noch viel lernen und du bist unvorsichtig.

Kamden, du musst auch noch viel lernen, aber was du mit heute gezeigt hast, sagt mir, dass du bald an meiner Linken stehen wirst, wenn du das überhaupt willst. Also Seth, streng dich an oder du wirst deinen Posten verlieren.

Leah, guter Kampf, aber ruhe dich nicht auf deiner Geschwindigkeit aus. Hätte Kamden dich erwischt, wäre es vielleicht anders ausgegangen.

Embry, ganz ehrlich, solange du so unterwürfig bist, weiß ich nicht, was ich mit dir machen soll. Heute lasse ich dir das mal durchgehen.“

Er machte sich Gedanken um seinen besten Freund. Später musste er unbedingt mit Isaak reden. Solange Embry sich so verhielt war er zu nichts zu gebrauchen.

Embrys Kummer

Nachdem die Ränge geklärt waren, wurden die vier Wölfe wieder zu Menschen. Seth und Leah zogen sich rasch an. Embry brachte hastig ein wenig Abstand zwischen sich und Kamden und versuchte dabei krampfhaft seinen Freund nicht anzusehen. Dieser stand einfach nur da, ließ seinen Partner nicht aus den Augen und beäugte dessen Körper begierig.

Bei dem Gedanken, wie gut Embry ihm gefiel, wurde der Jüngere ganz verlegen und lief rot an. Schnell knurrt er: „Lass das. Ich bin nicht schwul.“

Kamden ging auf den Kleineren zu und drehte ihn einfach um. Dann sahen sie sich tief in die Augen. Als er sich dann vorbeugte, um den anderen zu küssen, wich Embry panisch zurück. Kamden jedoch dachte gar nicht daran es dabei zu belassen. Er packte ihn an den Armen und hielt ihn fest.

Der Jüngere wusste sich einfach nicht mehr zu helfen und wimmerte: „Bitte nicht.“

Augenblicklich, als hätte er sich verbrannt, ließ der Ältere los. Beide traten einen Schritt zurück. Embry wandte sich mit Tränen in den Augen ab.

Das ging Jake dann doch zu weit und er wollt sich auf Kamden stürzen. Isaak stand urplötzlich neben ihm und hielt ihn auf, indem er nach seinem Oberarm griff. Mental sagte der Wächter: „Das müssen sie selbst regeln. Bitte halte dich raus.“

„Aber“, knurrte der Alpha erbost in die Verbindung zu seinem Freund.

„Hätte es dir gefallen, wenn sich Sam bei uns so eingemischt hätte, wie du es gerade vorhattest? Wenn du dich auf Kamden stürzt, dann werden die beiden dir das sehr übelnehmen. Gib ihnen etwas Zeit sich aneinander zu gewöhnen. Du spürst doch ihre Gefühle. Sie müssen damit allein klarkommen.“

„Na gut“, tobte der Leitwolf und wandte sich an alle: „Essen wir erstmal, dann sehen wir weiter.“ Seine Stimme war angespannt und man hörte sein Missfallen, dennoch war das kein Befehl.

Kamden sah an sich herab und realisierte offenbar erst jetzt, dass er nackt herumstand, während alle anderen angezogen waren. Rasch dreht er sich von den anderen weg und räusperte sich: „Hat jemand nen anständigen Fummel für mich? Wir wollen doch nicht, dass mich gleich alle bespringen.“

Isaak verdrehte kurz die Augen, sammelte die zerfetzte Kleidung ein und schoss davon. Einen Augenblick später war er auch schon wieder mit neuen Sachen aus den Koffern im Gang zurück.

„Hier, bitteschön“, sagte er und hielt Kamden die Kleidung hin. Dieser verdrehte leicht den Oberkörper, nahm alles an sich und zog sich rasch an.

Der Leitwolf mahlte mit den Zähnen und scheuchte sein Rudel in den Speisesaal. Dort erklärte er wie das hier mit dem Essenmachen funktionierte. Als dann alle mit gefüllten Tellern am Tisch saßen, beäugten die Wölfe fassungslos die seltsamen Würfel. Absichtlich hatte sich Embry so weit es ging von Kamden weggesetzt. Das gefiel dem Älteren nicht und er knurrte wütend. Als er dann aber sah wie sein Freund zusammenzuckte, schluckte er seinen Ärger runter und sagte kleinlaut: „Entschuldige.“

Jake rollte mit den Augen und lenkte ab, indem er sagte: „Ich bin auch kein Fan des Algenzeugs, aber es macht satt und enthält alles, was man braucht. Es schmeckt auch nicht schlecht, muss ich zugeben. Dennoch würde ich jederzeit das Essen von Emily dem hier vorziehen.“

Nachdenklich gab Isaak zu: „Da muss ich dir Recht geben.“ Dann zuckte er mit den Schultern und begann zu essen. Auch sein Freund machte sich über die Nahrungswürfel her, sodass die anderen ihre Scheu verloren und vorsichtig das Essen probierten.

Es dauerte nicht allzu lange bis alle mit der Mahlzeit fertig. Zum Erstaunen der Wölfe waren sie wirklich satt geworden. Isaak führte sie dann in einen Wohnraum mit einigen seltsamen Sofas und Sesseln. Die Wölfe konnten nicht herausfinden aus welchem Material dies Sitzgelegenheiten gefertigt waren, aber sie waren erstaunlich weich und sehr bequem.

Schnell verteilten sich alle, wobei Jake und Isaak einen Zweisitzer beanspruchten. Sofort griff der Alpha nach der Hand seines Geliebten und verschränkte ihre Finger. Auf den fragenden Blick des Rotblonden sagte er: „Ich will mich nicht mehr verstecken. Lass uns ein ganz normales Paar sein, ok?“

Isaak lächelte, beugte sich vor und holte sich einen sanften Kuss. Jake erwiderte diesen nur zu gerne. Dann wandten sich die beiden zu den anderen, welche sich ebenfalls gesetzt hatten. Embry saß ganz links, Kamden ganz rechts auf je einem Sessel. Ihnen gegenüber setzten sich Leah und Seth, welcher auf und abfederte und sich fragte, ob er sich das Innenleben des Sofas mal ansehen durfte. Ob Isaak was dagegen hätte?

„Ja, Seth ich habe da was dagegen“, meinte der Wächter. „Ich würde euch bitten die Einrichtung nicht zu zerlegen. Das ist nicht gerade höflich.“

Der Jüngste der Runde wurde feuerrot im Gesicht und murmelte: „Sorry, Mann. War nur ein Gedanke.“

Isaak lächelte gutmütig und eröffnete die Fragerunde. Es dauerte länger als zwei Stunden bis keine weiteren Fragen zum Thema Wächter, Außenposten und diversen anderen Dingen mehr kamen. Der Hausherr versuchte alles, so wahrheitsgemäß wie möglich zu beantworten, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Währenddessen achteten er und Jake auf die Gefühle und Gedanken der anderen, vor allem aber der beiden Geprägten.
 

Anschließend standen sie im Flur vor den Gästeräumen. Schnell erklärte der Wächter noch einige Dinge zu den Zimmern und die Benutzung der KI, dann verkrümelten sich alle. Leah, die noch immer sehr misstrauisch war und vor allem den Geruch von Edward aufgefangen hatte, rauschte ihrem Bruder, sehr zu dessen Missfallen, in eines der Zimmer hinterher.

Kamden hob erwartungsvoll den Blick und sah zu Embry. Dieser wandte sich mit rotem Kopf ab und eroberte sich schnell einen Raum für sich allein. Sein Freund ließ traurig den Kopf hängen und machte sich Vorwürfe, weil er zu stürmisch war und ihn küssen wollte. Er musste sich selbst zügeln und dem anderen mehr Zeit geben. Barfuß ging er in das nächstgelegene Zimmer neben Embrys und schloss die Tür.

Die beiden übrigen dachten über diese Situation nach. Dann gingen sie in ihr Zimmer. Isaak war tief in Gedanken und bekam kaum etwas mit. Jake hingegen lauschte kurz dem massiven Gedankenstrom, setzte sich auf das Bett und wartete.

Als der Wächter nach einer Minute immer noch abwesend dastand, knurrte er wütend und riss seinen Freund aus dessen Grübeleien. Etwas scheu sah sich Isaak um, stellte fest, wo sie waren und vor allem, dass sie allein waren. Er ließ die Schultern hängen und fragte vorsichtig: „Wie viel Ärger bekomme ich, weil ich dir nichts über Kamden erzählt habe?“

„Oh, das steht noch nicht fest“, grinste der Alpha dämonisch und winkte den anderen zu sich.

Ergeben seufzte dieser und kam brav näher. Kaum in seiner Reichweite griff Jake nach seinem Geliebten und zog ihn auf den Schoß.

„Bringen wir es hinter uns“, murmelte der Wächter und legte den Kopf schief. Sofort spürte er die Lippen seines Freundes am ungeschützten Hals. Anstelle zuzubeißen, küsste Jake die weiche Haut. Während er verspielt am Hals seines Geblieben knabberte, fragte er mental: „Es gibt da noch einige Dinge zu klären.“

Er ließ von der weichen Haut ab und raubte sich einen verlangenden Kuss. Zudem zog er ihn in eine enge Umarmung. Isaak legte ihm die Arme um den Hals und kraulte ihm besänftigend das Haar.

„Bin ganz Ohr.“

Der Alpha gurrte und biss ihm in die Unterlippe. Dann leckte er entschuldigend darüber und räuberte den Mundraum seines Freundes schamlos.

„Kannst du uns für das Kampftraining was im Holoraum bauen?“

„Ja“, stöhnte Isaak, als Jake ihm mit den Fingernägeln den Rücken verkratzte. Der Wolfsjunge achtete dabei genau darauf, auf dem schmalen Grat zwischen Lust und Schmerz zu wandern. Das er vergessen hatte dem anderen zuvor das T-Shirt auszuziehen und er dieses dabei in Fetzen riss, störte ihn nicht.

„Gut, alles weitere später“, versprach Jake und bockte sich erregt gegen den Rotblonden.

Plötzlich riss Isaak den Kopf hoch und bestimmte: „Jake, stopp.“

Irritiert sah dieser ihm in die Augen und knurrte dunkel auf. Einen Augenblick starrte sein Freund unfokussiert in den Raum und er begriff, dass etwas vor sich ging.

„Embry!“, sagte der Wächter, befreite sich von der Umarmung und verschwand ins Bad.

„Was ist mit ihm?“, fragte der Alpha mürrisch. Konnten sie nicht endlich mal ein wenig Zeit für sich haben? Musste immer jemand stören? Dennoch schwang auch Sorge in seiner Stimme mit.

„Er sucht nach dir und ist gleich da“, erklärte Isaak laut durch die offene Tür hindurch. Genau in diesem Moment klopfte es stürmisch.

„Komm rein, Embry“, befahl der Gestaltwandler und musste sich zusammenreißen. Immer dieseungebetenen Besucher. Dennoch wollte er unbedingt wissen, was jetzt schon wieder los war.

Hastig stürmte sein bester Freund in den Raum und schloss rasch die Tür hinter sich. Er lehnte am Holz und ließ geräuschvoll den Atem entweichen. Erst dann sah er scheu auf und suchte nach den braunen Augen seines Gegenüber.

„Ich hoffe, ich störe nicht?“, murmelte Embry und sah sich um.

Der Wächter kam mit einem ganzen Shirt wieder aus dem Bad und sagte: „Wir werden es überleben.“

„Du vielleicht nicht“, stichelte Jake und grinste den anderen Wolf an.

Embry schluckte und griff nach der Türklinke. „Entschuldige, bin schon weg.“

Schnell sagte Jake: „Was ist los mit dir? So kenne ich dich gar nicht. Das war doch nur Spaß. Na komm schon, setz dich und sag mir, was los ist.“ Er klopfte neben sich aufs Bett.

„Ich weiß nicht“, stammelte der andere und sah scheu auf.

„Es geht um Kamden“, erklärte Isaak ohne auf Embrys Gestammel zu achten. „Er hat darüber nachgedacht, zu Embry ins Zimmer zu gehen, da hat Embry die Flucht ergriffen und versucht sich jetzt zu verstecken. Er weiß nicht, was mit ihm los ist und will mit seinem besten Freund reden.“

Erschrocken zuckte Embry zurück.

„Ich bin dann wohl das fünfte Rad am Wagen. Ich werde euch dann mal allein lassen“, sagte der Wächter und holte sich noch schnell einen Kuss.

Bevor der Störenfried sich erholen konnte, hatte ihn der Wächter auch schon Richtung Bett geschoben und war entschwunden.

Mental fragte Jake: „Was hast du vor? Ich dachte wir sollten uns nicht einmischen?“

„Ja, nicht von uns aus. Nun hat Embry aber um Hilfe gebeten. Das ändert die Situation. Kümmere du dich um deinen besten Freund. Ich nehme mir deinen Bruder vor.“

Jake knurrte dunkel auf und der Kleinere im Zimmer zuckte zusammen.

„Beruhige dich. Ich liebe nur dich, mein Wölfchen“, flötete Isaak besänftigte.

„Ich behalte euch beide im Auge“, warnte der Alpha mental. „Und ich liebe dich.“

Dann wandte er sich an Embry und sagte: „Das Knurren galt nicht dir. Isaak will mit Kamden reden, allein.“ Er schluckte und gestand mit verschränkten Armen: „Das passt mir zwar nicht, aber da muss ich wohl durch. Und jetzt setz dich und verrate mir, was los ist.“

Unsicher nahm Embry Platz. Er knetete seine Hände und starrte unsicher den Fußboden an. „Jake, ich…“, begann er leise.

Der Alpha verdrehte die Augen, seufzte und setzte sich aufs Bett. Das Gespräch konnte länger dauern.

„Warum hast du dich von Kamden besiegen lassen?“, fragte Jake bemüht ruhig.

„Ich weiß es nicht. Als ich ihn beißen wollte, konnte ich das einfach nicht über mich bringen. Ich glaube, das war ein gewaltiger Fehler“, erklärte Embry und schluckte schwer. Dann brach er in Tränen aus und schluchzte: „Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich so gedemütigt und schwach. Bitte hilf mir, Jake.“

„Hey, ganz ruhig“, brummte der andere und tätschelte ihm sanft den Rücken. „Beruhig dich.“

Es dauerte etwas bis der Tränenstrom versiegte und Embry seufzte frustriert. „Ich bin so ein Feigling. Ich habe dem Kampf zugestimmt und verloren. Jetzt verstecke ich mich, weil ich Angst habe. Als Wolf habe ich mich ihm quasi angebiedert. Ich war so verdammt unterwürfig. Ich konnte nicht mal um meinen Rang kämpfen, dass hätte ihn verärgert. Ich weiß, dass es so gewesen wäre.

Aber seitdem ich wieder ein Mensch bin und er mich küssen wollte, habe ich ihn auf Abstand gehalten. Ich bin so ein Heuchler. Ich habe mich unterworfen und nun ziehe ich den Schwanz ein. Ich verletzte ihn mit meinem Verhalten, aber ich kann einfach nicht ertragen bei ihm zu sein.“

Erneut schluchzte er: „Du verstehst mich doch, oder? Du stehst genauso da wie ich. Jake, bitte hilf mir. Ich will nicht so abartig sein.“

„Sind wir das denn?“, fragte der Leitwolf nachdenklich. „Am Anfang dachte ich auch so. Aber jetzt?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ich bei Isaak bin, dann bin ich glücklich. Ist es denn so verwerflich glücklich sein zu wollen?“

„Du bist der Alpha, du verstehst das nicht“, jammerte Embry. „Du musst deinen Hintern nicht hinhalten.“

Jake biss sich auf die Unterlippe. Embry war sein bester Freund und er hatte ihm immer treu den Rücken freigehalten. Sollte Jacob es ihm sagen? War er wirklich bereit dafür, so viel zu offenbaren? Er musst sich entscheiden und mit dem Resultat leben. Aber warum sollte er sich verstecken? Er war ohnehin schon der Buhmann. Warum dann noch Dinge verheimlichen, die seinem Freund vielleicht helfen konnten. Als er sich entschied spürte er wie die Erleichterung ihn durchflutete.

„Ach nein?“, begann er und lächelte dabei. „Da kennst du aber meinen Freund schlecht.“

Ungläubig wurde er mit aufgerissenen Augen angestarrt. „Aber, aber er hat sich dir unterworfen!“

Der Leitwolf sah Embry tief in die Augen und gab zu: „Das war doch nur Show. Ich sagte doch schon, wir führen eine gleichberechtigte Beziehung.“

„Ich verstehe nicht.“

„Das ist eine Sachen zwischen mir und ihm. Fakt ist: Ich habe mich damit abgefunden. Ich bin zwar noch nicht bereit dieses Schritt zu gehen, aber ich bin nicht mehr gänzlich abgeneigt.“ Er seufzte frustriert: „Um ehrlich zu sein, will ich mich erstmal informieren, wie das geht. Ich will ihm keine Schmerzen zufügen und wissen, worauf ich mich im Gegenzug einlasse. Was das betrifft sind wir beide quasi noch Jungfrauen.“

„Aber, aber, ich verstehe nicht. Er hat sich dir unterworfen“, stammelte Embry verständnislos.

Jake grinste. „Ja, aber ich habe mich auch schon ihm unterworfen. Die Rollenverteilung ist bei uns, wie im Rudel, nicht in Stein gemeißelt.“

„Das heißt, ich kann Kamden erneut herausfordern und wenn ich gewinne, dann bin ich der Dominate?“

Nachdenklich sah Jake seinen Kumpel an und sagte: „Ich weiß es nicht. Isaak und ich habe eine andere Art von Bindung. Moment ich frage ihn mal. Er kann das sicher beantworten.“ Leise murmelnd fügte er hinzu: „Er weiß doch immer alles, auch wenn er nicht immer alles erzählt.“

Einen Augenblick lang starrte der Alpha ins Leere, dann fixierte er Embry und grinste: „Rein theoretisch, ja.“ Dann wurde er ernst und setzte nach: „Der Rollentausch ist eine Wolfsangelegenheit. Somit könnt ihr das auch, aber im Gegensatz zu Isaak, der seine Wolfsinstinkte unterdrücken kann, wird es für dich deutlich schwerer werden Kamden zu dominieren.“

„Also ist es tatsächlich möglich. Gut, dann will ich das.“

„Bist du dir da sicher?“, fragte die Stimme des Wächters auf einmal in seinem Kopf.

Embry blinzelte und fragte: „Was meinst du damit?“

„Was genau ist denn dein Problem, Embry?“

„Ich will keine Heulsuse sein und ich will meinen Arsch nicht hinhalten müssen“, knurrte der Wolfsjunge. Allein die Möglichkeit, dass er diesem Schicksal entkommen konnte, hatte seinen Kampfeswillen entfacht.

Die Tür öffnete sich. Isaak, gefolgt von Kamden, betrat den Raum.
 

Etwa eine halbe Stunde zuvor.

Isaak schloss die Tür hinter sich, sah auf und fand Kamden mitten im Gang stehend vor.

„Guten Abend, Schwager“, grinste der Wächter.

„Schwager? Du und Jake, ihr seid verheiratet?“, staunte der Braunhaarige. Er sah dem anderen auf die Finger, konnte aber keinen Ring erkennen.

„Lass uns ein Stück gehen“, meinte der Hausherr und führte Kamden in ein nahes kleines Wohnzimmer. Dort setzten sie sich gegenüber in zwei Sessel.

„Also verheiratet, so wie du das meinst, sind Jake und ich nicht. Ich bezweifele, dass ich einen Antrag überleben würde. Jake ist nicht der Typ für derlei Schnulziges“, erklärte Isaak. „Aber was ist schon die Unterschrift auf einem Formular wert, im Gegensatz zu einer Seelenbindung, oder in deinem und Embrys Fall einer Doppelprägung? Eine Ehe kann man auflösen. Was wir mit unseren Partner haben, kann nicht einmal der Tod auf Dauer trennen.“

Kamden schüttelte den Kopf und fragte: „Was meinst du damit?“

„Nun ja. Es gibt so einiges, dass du noch nicht weißt. In so wenig Zeit kann man dir auch nicht alles erklären. Nur solltest du wissen, dass Embrys Tod auch der deine wäre, wie auch umgekehrt.“

„WAS?“, donnerte sein Gegenüber.

„Warte, so lass mich doch erklären“, sagte der Wächter und hob beschwichtigend die Hände. „Ihr würdet nicht sofort sterben, aber du musst verstehen wie stark die Prägung ist. Seit eurer Doppelprägung hat sich so viel ereignet, dass du kaum Zeit hattest deine Gefühle zu ergründen.

Fakt ist: Embry ist nun ein Teil von dir und du von ihm. Ihr seid körperlich wie auch geistigvoneinander abhängig. Stirbt Embry, stirbt sozusagen auch ein Teil von dir. Der Teil, der deinen Lebenswillen darstellt sozusagen. Du würdest von unendlicher Trauer zerfressen werden und langsam dahinsiechen bis du stirbst. Dasselbe droht auch ihm bei deinem Tod.“

„Das ist ja schrecklich. Du bist doch so ein durchgedrehter Wächter - kannst du diese Prägungen nicht aufheben?“

„Theoretisch ja, aber aus diversen Gründen, werde ich es nicht tun“, offenbarte Isaak langsam und hob einen Finger: „Allein schon deswegen, dass ihr beide füreinander bestimmt seid. Das war und ist euer Schicksal.“

„Aber warum hast du dann versucht es zu verhindern?“

„Weil es zu früh war. Die Zeit war noch nicht reif. Durch deinen zu frühen Besuch und die daraus resultierende Doppelprägung, hast du eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die erst in mehr als zwei Monaten hätte gestartet werden sollen. Glaub mir, ich bedauere sehr, dass dein erstes Treffen mit deinem Vater und Bruder so abgelaufen ist. Gib ruhig mir die Schuld. Denn im Endeffekt ist es auch meine.“

„Ich verstehen nicht“, gestand Kamden und schüttelte den Kopf.

„Ich bin ein Wächter. Ein Mensch kann den natürlichen Lauf der Dinge nicht beeinflussen, ich schon. Da du zu früh hierherkamst, muss es somit meine Schuld sein. Wenn ich mal die Zeit habe, werde ich mir die Verkettungen der Ereignisse ansehen. Aber im Moment passiert so viel, dass ich an meine Grenzen stoße. So langsam verliere selbst ich den Überblick. Egal. Lassen wir das Thema.

Viel wichtiger ist nun was aus dir und Embry wird.“

Kamden verschränkt störrisch die Arme vor der Brust. „Was soll mit uns sein? Ich kenne ihn ja nicht einmal.“

„Dennoch fühlst du dich zu ihm hingezogen. Du willst bei ihm sein. Wenn er sich von dir abwendet, schmerzt es dich entsetzlich. Du kannst ihm keinen Wunsch abschlagen und hast das starke Bedürfnisse ihn zu beschützen“, zählte Isaak auf.

„Ich…“

„Oh, das waren keine Fragen oder Vermutungen. Ich weiß, dass es so ist. Wir sind beide Teil von Jakes Rudel. Wir sind mental verbunden. Im Gegensatz zu den anderen bekomme ich nahezu immer alles mit, was ihr denkt und wie es euch geht.“

Kamden knirschte mit den Zähnen. Diese ganze Gedankenverbindungsnummer war noch so neu für ihn, dass er noch nicht so wirklich damit klarkam.

„Ich weiß, es ist viel für dich. Deshalb möchte ich es dir nicht auch noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist“, sagte der Wächter und sah dem Wolfsjungen eindringlich in die Augen. „Ich würde vorschlagen, wir lassen dieses ganze Versteckspiel und legen die Karten offen auf den Tisch.“

Er schloss kurz die Augen und seufzte schwer, dann sprach er langsam und eindringlich: „Schließ deine Augen und konzentriere dich auf deine Gefühle.“

Sofort war Kamden auf 180 und sprang wütend auf. „Mit der Esoteriknummer braucht du erst gar nicht anzufangen.“

„Genau mit diesem Verhalten jagst du Embry Angst ein“, sagte Isaak und ließ sich nicht im Mindesten beeindrucken. „Willst du, dass Embry Angst vor dir hat?“

„NEIN“, schrie sein Gegenüber und wusste selbst nicht, warum er so ausrastete.

„Kamden, ich kenne dich besser als du ahnst. Ich weiß mehr über dich, als du selbst.“

„Das wage ich zu bezweifeln“, schnaubte der Braunhaarige und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Soll ich es dir beweisen?“, schmunzelte der Rothaarige.

„Beweis es“, knurrte Kamden stur. Diesem Blödmann würde er jetzt mal zeigen, wo seine Grenzen sind.

„Hm…, ok. Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt“, tadelte Isaak mit erhobenem Finger. „Wo fangen wir an?“, dachte er gespielt ernst nach. „Ah, ich weiß, wie wäre es mit deinem Schuhfetisch? Ist schon seltsam wie außerordentlich anregend es für dich ist ein brandneues Paar Schuhe anzuziehen.“ Er nickte gönnerhaft und sah wie Kamden Farbe im Gesicht bekam. Dann setzte er nach: „Soll ich dir deine erogenen Zonen aufzählen oder den Namen des ersten Jungen und des ersten Mädchens nennen, mit dem du geschlafen hast? Gut, also fangen wir mit deinem Bauchnabel an…“

Entsetzt riss der Wolfsjunge die Augen auf und stammelte: „Stopp. Ich glaube dir ja!“

Jeglicher Schalk verschwand aus dem Gesicht des Wächters und er bedeutete ihm sich wieder zu setzen. „Also nochmal: Schließ deine Augen und konzentriere dich auf das was du fühlst.“

„Warte“, sagte der Gestaltwandler kleinlaut und fragte: „Woher weißt du das?“

„Oh, ich war in deinem Kopf und habe mir dein ganzes Leben angesehen. Reine Vorsichtsmaßnahme. Keine Sorge. Ich werde niemandem etwas verraten, außer Jake, wenn er mich direkt danach fragen sollte“, erklärte Isaak und ließ den Kopf hängen. „Leider habe ich ihm versprochen, ihm immer die Wahrheit zu sagen und mich auch nicht rauszureden. Ich muss ohnehin noch zu Kreuze kriechen, weil ich deine Existenz verschwiegen habe.“

Mit einem schiefen Lächeln sah der Wächter auf und setzte nach: „Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass er mich nicht gefragt hat, ob er weitere Geschwister hat. Du kannst aber beruhigt sein, dass Embry gerade zu abgelenkt ist, um zuzuhören. Zudem schlafen Leah und Seth bereits. Also hat niemand etwas mitbekommen.“

Mental hörte Isaak die Stimme seines Freundes: „Ich schon. Warte nur, bis ich dich in die Finger bekomme.“

Die Mundwinkel des Wächters zuckten und er bedeutet seinem Gegenüber endlich mit der Übung zu beginnen.

Isaak betrachtete den Mann vor sich genau und sagte: „Bleib jetzt ruhig und beantworte meine Fragen einfach ehrlich, sonst bringt das hier nichts. Also: Embry hat dir als Wolf die Lefzen geleckt. Was hast du da gefühlt?“

„Ähm…“, sagte Kamden und riss die Augen auf. Er sah den strengen Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers. Seufzend schloss er erneut die Augen. „Es hat mir sehr imponiert.“

„Ja. Außerdem hat es dir sehr gefallen, dass sich Embry dir so unterordnet und du der starke Dominate warst, der sich eine Belohnung verdient hatte“, ergänzte der Wächter erbarmungslos. „So, was fühlst du jetzt?“

Kamden mahlte mit den Zähnen. „Ich bin traurig, weil er mir aus dem Weg geht, wütend, weil er mit Jake und nicht mit mir spricht und frustriert, weil ich zu weit gegangen bin, als ich ihn küssen wollte.“

„Gut. Das war sehr gut“, bestätigte die melodische Stimme ihm Gegenüber. „Was wünschst du dir?“

„Dass er zu mir kommt. Dass ich ihn in die Arme schließen kann. Ich will ihn küssen. Ich will mit ihm…“

„Schlafen?“, fragte Isaak mitfühlend.

„Ja“, fauchte Kamden aus seiner Hilflosigkeit heraus.

„Öffne die Augen.“

Er tat wie geheißen.

Ernst begann der Wächter zu sprechen: „So, jetzt erkläre ich dir mal ein paar Dinge. Wie Jake schon sagte, die Quileute sind nicht sehr tolerant. Um genau zu sein bekommen sie von klein auf eingetrichtert, dass alles was von „ihrer“ Norm abweicht, abartig und wider die Natur ist. Embry ist da keine Ausnahme. Er ist zwar etwas toleranter, aber er hat schlicht und ergreifend Angst vor dir und dem was du mit ihm machen willst.

Du kannst das nicht ganz nachvollziehen, ich weiß, aber du musst es verstehen. Homosexualität wird im Reservat nicht geduldet. Wird jemand bei einer solchen „Perversität“ erwischt, wird er oder sie verbannt. So läuft das hier und so hat Embry es gelernt.

Du bist der Dominate, deine Aufgabe ist es, dich um deinen Freund zu kümmern, also zügele dich. Du musst ihm mehr Zeit geben. Überfalle ihn nicht. Lass ihn von sich aus kommen. Wenn du hier wie ein wilder Stier auf Ecstasy rumrennst und daran denkst, was du mit ihm gerne machen willst, dann wird er panisch vor dir weglaufen.

Stehst du mit offenen Armen da und lächelst ihn an, wird er auf dich zukommen. Er will genauso zu dir, wie du zu ihm. Aktuell bist du das Problem. Embry ist nicht wie du. Du musst ihm zeigen, dass er bei dir sicher und geborgen ist. Auch wenn du der Dominate bist, heißt das nicht, dass du alles bestimmst und dir nehmen darfst, was du willst. Dann wärst du ein Tyrann.

All das, was ich dir gerade gesagt habe, weißt du bereits. Du musst jetzt gegen die Prägung ankämpfen. Zeig ihm dein wahres ich. Zeig ihm, dass er dir vertrauen kann. “

Kamden dachte über all das nach und ging in sich. Nun, da der Wächter ihm das alles eingebläut hatte, verstand er seinen gewaltigen Fehler. Embry war noch Jungfrau. Er hatte nie einen Freund, vielleicht nicht mal eine Freundin, gehabt. Der Braunhaarige biss sich in die Unterlippe und schlug sich die Hand gegen die Stirn. Warum zum Teufel verhielt er sich auch wie ein Psychoparth, der sein Opfer flachlegen wollte? So war er doch gar nicht. Daran musste er augenblicklich arbeiten.

„Ja, das ist genau der richtige Weg“, sagte Isaak, stand auf und schmunzelte: „Komm, wir gehen zu deinem Freund. Er will dir was sagen.“

Sofort war der andere auf den Beinen und gemeinsam hetzten sie ins Zimmer zurück. Schnell traten sie, ohne anzuklopfen, ein.

Aussprache

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Vereinbarungen

Kamden ging einen Schritt auf Embry zu und leckte ihm über die Schnauze. Der Kleinere tat es ihm gleich. Dann schmusten sie erneut ihre Köpfe aneinander. Beide gurrten zufrieden.

„Ist das auch wirklich ok für dich, Kleiner?“, fragte Kamden.

„Im Moment schon“, gestand sein Freund.

Irritiert löste sich der Größere und bohrte nach: „Wie meinst du das?“

Verlegen scharrte Embry mit den Pfoten. „Nun ja, dir mag das vielleicht noch nicht aufgefallen sein, aber solange wir Wölfe sind, ist unser Instinkt stärker ausgeprägt und übernimmt zum Teil die Kontrolle über unser Handeln. Als Mensch werde ich wohl nicht so glücklich über die Situation sein.“ In seiner Stimme schwang Trauer mit.

Kamden knurrte wütend und kämpfte mit seinen Instinkten. Sein Gefährte war traurig, er musste ihn trösten, aber das war nicht richtig. Er war doch der Grund, warum er sich schlecht fühlte, also sprang er einen Schritt zurück.

Unterwürfig folgte der Kleinere ihm und er wich noch weiter zurück. „Bitte, Embry. Ich will nicht, dass du unglücklich bist.“

„Ich will aber bei dir sein“, meinte sein Partner trotzig und blieb hartnäckig an ihm dran.

„Wenn wir wieder Menschen sind, wirst du sauer auf dich selbst sein und Angst vor mir haben. Bitte, so versteh mich doch.“

Embry winselte, senkte den Blick und zog den Schwanz ein. Schluchzend gab der Hellgraue zu: „Du hast jemand besseren verdient, jemanden der keine Angst vor dir hat und dich nicht auf Abstand hält.“

„Ich will aber keinen anderen“, sagte der Größere bemüht ruhig und schaffte es endlich etwas Abstand zwischen ihnen zu schaffen.

„Das sagst du nur, weil wir aufeinander geprägt sind. Sonst würdest du mich bestimmt nicht mögen.“

„Warum sollte ich dich nicht mögen? Du siehst gut aus und nach allem was ich bisher von dir weiß, bist du voll mein Typ“, sagte er schneller als er denken konnte und biss sich sofort auf die Zunge. Er sollte besser aufpassen, was er sagte. Sein Freund war so etwas nicht gewohnt und konnte das in den falschen Hals bekommen.

„Das bezweifle ich aber stark. Ich bin nicht schwul. Das alles ist so abartig.“

Kamden setzte sich damit er nicht zu seinem Kleinen hechtete und ihn tröstete. Diese verdammten Wolfsinstinkte störten ihn gerade und machten es ihm schwer sich zu konzentrieren. Er seufzte und verwandelte sich zurück. Im Schneidersitz verschränkte er die Arme so im Schoß, damit er seinen Freund mit seinem nackten Körper nicht überforderte.

Als Mensch spürte er sofort, dass sich etwas geändert hatte. Die unbändige Wut in seinem Inneren und der Drang sich auf den anderen zu stürzen hatten deutlich nachgelassen. Nun fühlte er sich schon wieder fast wie er selbst. Aber die seltsame Anziehung, die sie beide wie Magnete zusammenzog, war immer noch vorhanden. Dieser musste er nun widerstehen.

Sie mussten reden damit er seinem Freund keine Angst einjagte, denn das wollte er auf keinen Fall. Jetzt da er klarer sah, hätte er sich selbst ohrfeigen können, den anderen so bedrängt zu haben. Wäre er jetzt alleine zuhause und gäbe es gerade nicht etwas viel wichtigeres, würde er sich den Kopf darüber zerbrechen und sich bis zur völligen Erschöpfung trainieren gehen.

Früher ging er gerne ins Fitnessstudio. Seit seiner Verwandlung gab es da aber einige Probleme. Zum einen bereiteten ihm alle Geräte, selbst auf der höchsten Schwierigkeit, keinerlei Mühe mehr, zum anderen hatte er auch schon eines davon aus versehen zerlegt, aus einem Wutimpuls heraus, weil die Übung ihn nicht forderte. Deshalb wanderte er viel umher und suchte immer nach einem stillen abgelegenen Ort, an dem er seine Übungen machen konnte, ohne dabei alles zu demolieren.

Schnell schüttelte er den Kopf, das war gerade nicht wichtig. Es sah auf und sagte: „Isaak hat mir erklärt, dass man dir das eingetrichtert hat. Du bist nicht abartig.“

Erschreckt sah der Hellgrau auf und sah den anderen in Menschengestalt. Irritiert und misstrauisch wurde der Sitzende beäugt.

„Embry, können wir als Menschen reden? Bitte?“, bat er sanft.

„Warum?“, stellte der andere die Gegenfrage. „Damit du mich wieder anglotzen kannst?“

„Nein, damit wir ohne diese Wolfsinstinkte reden können“, sagte Kamden mit fester Stimme und änderte rasch seine Position, damit er mit dem Rücken zu seinem Partner saß. „Ich schwöre, ich schaue nicht und ich mache auch nichts, was du nicht willst. Bitte, lass uns als Menschen reden.“

Langsam und vorsichtig trabte Embry zu seinem Klamottenhaufen. Nachdem er als Mensch angezogen war, dachte er nach. Kamden hatte sich bisher sehr distanziert verhalten. Aus den Bruchstücken seiner Gedanken, die er aufgeschnappt hatte, versuchte dieser ihm keine Angst zu machen. Aber würde das auch so bleiben? Nun, da er seine Instinkte unter Kontrolle hatte, schämte er sich dafür mit einem Kerl geschmust zu haben.

Wütend knurrte er und stellte fest, dass er nun nicht mehr ganz so unterwürfig war. Er fühlte sich fast schon wieder wohl in seiner Haut. Das musste offenbar an diesem seltsamen Kampf und Kamdens Weigerung ihn zu unterwerfen liegen.

Bei dem Knurren zuckte der Brünette kurz zusammen und versuchte über ihre Verbindung zu erahnen, was in seinem Freund vorging. Außer Embrys Gedankenstimme hörte er niemand anderen und so fiel es ihm leichter auch dessen Gefühle zu spüren. Er konzentrierte sich ausschließlich auf seinen Partner und zuckte abermals zusammen, als er von etwas Weichem getroffen wurde.

Sofort riss er die Augen auf und sah neben sich seine Klamotten. Embry hatte ihm diese zugeworfen.

„Zieh dich an“, schnaubte der Schwarzhaarige.

Kamden hob den Blick und sah den anderen mit dem Rücken zu ihm stehen, mit verschränken Armen und ungeduldig mit dem Fuß tippend.

„Danke“, murmelte der Größere und zog sich rasch an. Nachdem er sich wieder auf die Wiese gesetzt hatte, sagte er freundlich: „Bin bedeckt, du kannst dich umdrehen.“

Misstrauisch warf Embry einen Blick über die Schulter und seufzte erleichtert. Dann drehte er sich um und ließ sich ebenfalls ins Gras nieder. „Du wolltest reden, also rede“, fuhr er seinen Freund grob an.

Kamden blinzelte bei dessen unfreundlichen Art und wusste, dass das nur gespielt war. Sein Gegenüber hatte immer noch Angst davor einfach genommen zu werden.

„Also erstmal: du brauchst echt keine Angst zu haben. Ich verspreche erneut: Ich werde nichts tun, was du nicht willst. Bitte glaube mir.“

„Wir kennen uns nicht. Ich werde abwarten, ob deinen Worten auch Taten folgen“, knurrte Embry und kaute auf der Unterlippe rum.

Kamden schluckte seinen Stolz hinunter und offenbarte: „Ich habe mich dir unterworfen, das wolltest du nicht. Ich habe versucht auf Abstand zu gehen, das wolltest du auch nicht. Bitte, sag mir wie ich dir beweisen kann, dass ich es erst meine.“

„Ich wünschte, du würdest verschwinden und mich einfach in Ruhe lassen“, fuhr ihn der Kleinere an.

Der Braunhaarige ließ traurig den Kopf hängen und stand auf.

„Was hast du vor?“, fragte Embry aufgeschreckt.

„Ich gehe, das wolltest du doch?“, gestand der andere und machte einen Schritt auf den Ausgang zu.

„Warte mal“, stammelte sein Freund irritiert. „Wo willst du hin?“

„Ich gehe zu Isaak und lasse mich zurück nach Forks bringen“, erklärte sein Gegenüber mit einem Schulterzucken. „Dann werde ich den nächsten Bus nach Hause nehmen.“

„Bist du irre? Willst du uns beide umbringen?“, fuhr Embry ihn an.

Stirnrunzelnd sah Kamden zu dem Sitzenden hinab. „Was meinst du? Ich mache doch nur, was du willst.“

Der Kleinere schüttelte den Kopf und erklärte möglichst neutral: „Unsere Prägungen sind noch ganz frisch. Je weiter wir uns voneinander entfernen, umso schmerzhafter wird es für uns. Forks ist doch bestimmt 20.000 km entfernt. Wenn du dorthin teleportierst, wird uns das bestimmt umbringen. Noch nie hat ein Wolf es geschafft sich mehr als 200 km von seiner geprägten Person zu entfernen. Sam hatte es mal versucht. Er kam keine 30 km weit, bevor er sich auf dem Boden wand vor Schmerz. Das war ganz am Anfang seiner Prägung auf Emily. Mittlerweile schafft er schon 110 km. Spätestens dann muss er aber umdrehen.“

Geschockt riss Kamden die Augen auf und stammelte: „Das wusste ich nicht.“

„Du weißt vieles nicht“, schnauzte Embry. Er seufzte und sagte versöhnlich: „Komm, setz dich wieder. Wir kommen sowieso nicht voneinander los. Mein Wunsch ist reines Traumdenken.“

Der Größere tat wie ihm geheißen und nestelte an seinen Fingerspitzen herum: „Dann sag mir was ich sonst tun kann.“

„Du meinst das ernst, oder? Du wärst tatsächlich gegangen, weil ich es gesagt habe?“, fragte der andere ungläubig nach.

Kamden nickte und sagte: „Bitte, ich mach alles.“

Wie aus der Pistole geschossen sagte Embry: „Ich will meinen Arsch nicht hinhalten.“

Erneut nickte sein Gegenüber und fragte: „Was noch?“

„Echt jetzt? Einfach so?“

„Ja, ich sagte dir doch schon, dass mir der Sex nicht so wichtig ist“, erklärte der Braunhaarige ernst.

Ungläubig starrte ihn sein Freund an. „Aber du wolltest das doch?“

Kamden ließ die Schultern hängen und sagte: „Ich gestehe, dass ich wollte. Aber das war nicht ich, jedenfalls nicht wirklich. Das war die Prägung. So bin ich nicht.“

Embry dachte kurz nach und forderte: „Ich will morgen um meinen Rang im Rudel kämpfen und du wirst brav zusehen.“

Kamden verengte die Augen und knurrte böse. Dann riss er sich zusammen und sagte: „Gut, dann darf ich aber bei dir schlafen.“

„Bitte? Wir verhandeln hier doch nicht?“, regte sich der Kleinere auf.

„Doch, genau das tun wir. Offenbar müssen wir wohl in der Nähe des anderen bleiben. Wir führen eine wie auch immer geartete Beziehung. Wenn du etwas forderst, dann musst du auch bereit sein etwas zu geben. So läuft das in einer Beziehung“, erklärte sein Freund.

„Am Arsch“, knurrte Embry wütend. „Du schläfst nicht mit mir, da hast du eben zugestimmt.“

„Ich will auch nicht mit dir schlafen… Ok, streichen wir das. Ich werde nicht mit dir schlafen, solange du das nicht willst. Aber wir können doch einfach friedlich nebeneinander im selben Bett schlafen, oder?“

„Nein. Ich bin nicht schwul. Du schläfst nicht mit mir in einem Bett.“

„Dann schlafe ich eben auf dem Boden“, verhandelte Kamden ungerührt weiter.

„Echt jetzt? Ist dir das so wichtig?“

„Wie wichtig ist es dir, dass ich dich kämpfen lasse? Alles in mir sträubt sich dagegen. Ich habe den Drang dich zu beschützen. Wenn ich nur daran denke, dass du mit einem dieser Idioten kämpfst, stellen sich mir die Nackenhaare auf“, offenbarte Kamden bemüht ruhig.

„Dieses Idioten sind unser Rudel“, schimpfte der Kleinere erbost. „So machst du dir keine Freunde.“

„Ich will auch nicht „deren“ Freund sein, sondern deiner“, knurrte Kamden zurück.

„Das ist mein Rudel und ich bin meinen Kameraden treu. Stell dich gegen die anderen und du stellst dich gegen mich.“

Der Braunhaarige knirschte mit den Zähnen und sagte: „Ok, ich benehme mich, solange sie mich nicht angehen. Aber das gilt nicht für diese Arschlöcher Sam und Paul. Wenn die mir dumm kommen, polier ich ihnen die Fresse.“

Embry dachte kurz nach und nickte. „Die beiden gehören nicht zu unserem Rudel. Damit kann ich leben.“

„Gut nächster Punkt. Darf ich nun bei dir schlafen?“, hakte sein Freund nach.

„Du behältst deine Finger auch bei dir?“

„Ich schwöre, ich mache nichts, was du nicht willst“, sagte Kamden feierlich und hob eine Hand.

„Einverstanden“, knurrte Embry und zuckte mit den Schultern. „Solange du mir nicht auf die Pelle rückst, darfst du auf dem Boden schlafen.“ Dann regte er den Kopf und sagte stolz: „Morgen beim Kampftraining werde ich dir zeigen, was ich kann.“

„Nein, du wirst nicht mitmachen“, sagte Kamden auf einmal und grinste frech.

„Was?“

„Ich werde es nicht zulassen, dass jemand dich verletzt.“

„Du hast gerade zugestimmt. Was soll der Scheiß jetzt?“, fauchte Embry und lief leicht rot an, so wütend war er.

„Nein, vom Kampftraining war nie die Rede. Du hast gefordert, dass ich dich um deinen Rang kämpfen lasse, nicht mehr“, erklärte Kamden und grinste verschmitzt.

„Dann setzte ich das eben dazu.“

„Gut, dann schlaf ich mit dir im Bett.“

„Nein.“

„Gut, dann auch von mir ein: Nein.“

Wütende funkelte Embry seinen Freund an und musste sich eingestehen, ausgetrickst worden zu sein. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blies eingeschnappt die Backen auf.

„Du siehst gerade echt süß aus“, grinste Kamden.

„Ich bin nicht süß“, schrie sein Gegenüber und hob drohend eine Faust. „Sag das nochmal und ich schlag dich.“

„Du bist süß, wenn du dich aufregst“, haute der Braunhaarige raus.

„Na warte“, knurrte Embry und stand auf. Er ließ die Knöchel knacken und ging auf seinen Gefährten zu. Dieser stand grinsend auf. Als der Kleinere sich vor seinem Freund aufbaute, feixte dieser immer noch.

„Das traust du dich nicht, Kleiner. Ich bin immer noch der Dominate“, stichelte Kamden überheblich.

Dafür bekam er einen saftigen Schlag gegen den Oberarm. Der Braunhaarige verzog das Gesicht und rieb sich die Stelle. „Aua. Hätte nicht erwartet, dass du so stark bist.“

Nun musste Embry unwillkürlich grinsen. „Ich bin ein Wolf, so wie du.“

„Ok. Den Schlag habe ich verdient. Können wir weitermachen?“, fragte Kamden begeistert. Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er sich ins Gras sinken. Zudem zog er seinen Freund ebenfalls runter, ließ aber sofort los als dieser saß.

„So, ich habe einen Vorschlag“, lenkte der Größere ein.

„Gut, ich höre“, knurrte Embry, dem nicht gefiel, so nahe bei dem anderen zu sitzen.

„Du bist wie ich ein echter Mann. Das gefällt mir. Dennoch bin ich der Dominante und du der Devote. So nun mein Vorschlag: Ich werde mich zurückhalten und dir nicht im Wege stehen. Dasselbe gilt dann aber auch umgekehrt. Ich mache dir keine Szene und du mir keine, in der Öffentlichkeit jedenfalls. Damit meine ich, du stellst mich nicht bloß und ich dich nicht. Das ist mir sehr wichtig. Sowas klären wir unter vier Augen, sobald wir allein sind. Einverstanden?“

„Was meinst du mit „eine Szene machen“?“, fragte der Kleinere misstrauisch nach.

„Zum Beispiel beim Kämpfen. Ich stelle mich da nicht vor dich und spiele den überfürsorglichen Beschützer, dafür schimpfst du nicht vor den Augen der anderen mit mir, wenn ich etwas mache, was dir nicht gefällt. Das hat, so empfinde ich jedenfalls, nichts in der Öffentlichkeit zu suchen. Das ist eine Sache zwischen uns und geht nur uns etwas an.“

Langsam nickte der Schwarzhaarige und sagte: „Einverstanden. Deal.“

„Deal“, echote Kamden und hielt seinem Freund die Hand hin. Dieser schlug ein. „Aber ein Wort zur Warnung. Das gilt nicht, wenn dir jemand wirklich weh tut; dann mache ich Gehacktes aus der Person.“

„Dann darf ich dich aber aufhalten, wenn du zu weit gehst.“

„Oh, du lernst das Spiel so langsam“, scherzte Kamden und erklärte sich zu diesen Ausnahmen einverstanden. „Noch was?“

„Im Moment nicht“, sagte Embry und unterdrückte ein Gähnen.

„Na dann komm, ab ins Bett mit dir“, sagte Kamden, stand auf und hielt seinem Freund die Hand hin.

Dieser sah kurz auf die angebotene Hand. Er seufzte und ließ sich hochziehen. Sie standen sich so nahe, dass sie die Wärme ihres Gegenüber spüren konnten.

Langsam und vorsichtig sagte der Größere: „Ich werde nichts tun was du nicht willst, aber ich werde nicht zurückweichen.“

„Hm…“, brummte Embry und dachte mit trägen Gedanken nach. Die Nähe zu seinem Freund gefiel ihm. Zudem hatte er gesehen wie Isaak und Jake miteinander umgingen. War es denn so falsch schwul zu sein? „Was würdest du gerne machen?“

„Dich umarmen und dir einen Kuss geben“, gestand Kamden sofort.

„Und warum machst du es nicht?“

„Weil ich es dir versprochen habe. Außerdem bin ich der Ältere und habe schon mehr Erfahrungen als du in Sachen Beziehung. Deshalb werde ich warten, bis du soweit bist“, erklärte sein Freund mit sanfter Stimme.

„Was, wenn ich gegen eine Umarmung nichts einzuwenden hätte?“, fragte Embry vorsichtig.

Anstelle einer Antwort machte Kamden genau das, was ihm Isaak geraten hatte. Er breitete die Arme aus und grinste den Kleineren lieb an.

Embry lief rot an und wollte sich abwenden, konnte aber nicht. Ohne es wirklich zu wollen überbrückte er die kurze Distanz zwischen ihnen und schlang die Arme um die breite Brust seines Freundes.

Dieser legte ihm sehr sanft ebenfalls die Arme um und brummte zufrieden. Alle Anspannung fiel von dem Schwarzhaarigen ab und er seufzte. Dann nahm er bewusst den Geruch seines Gegenüber wahr und verstärkte die Umarmung. Unsicher murmelte er dabei: „Das ist schön.“

Kamden brummte, sagte aber nichts. Er ließ eine Hand zu den Haaren seines Freundes gleiten und kraulte ihn behutsam.

Nun brummte Embry wohlig auf. „Das gefällt mir“, gestand er leise.

Sanft hauchte Kamden: „Ich weiß, mir auch.“

Den Atem des anderen an seinem Ohr zu spüren ließ ihn erschaudern. Er drückte sich etwas von seinem Freund weg und sah diesem tief in die dunkelbraunen Augen. Darin lag so viel Wärme, dass er einen Augenblick einfach hin und weg war. Unwillkürlich musste er schlucken. Dann beugte er sich vor und drückte seine Lippen hauchzart auf ihre Gegenstücke.

Kamden brummte erneut zufrieden auf, schloss die Augen und bewegte ganz sanft seine Lippen gegen die seines Freundes. Diesem fielen ebenfalls die Lider zu und er konzentrierte sich ausschließlich auf diesen zarten unschuldigen Kuss.

Es war ein seltsames Gefühl. Embrys Lippen kribbelten, so als ob sie Stromschläge bekommen würden. Sein Magen machte Purzelbäume und schien zwischendurch mit Schmetterlingen gefüllt zu sein. Zudem breitete sich eine Wärme, ausgehend von dem Kuss, in seinem ganzen Körper aus. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals und er spürte, dass sein Gesicht brannte, als ob er es in einen heißen Backofen gesteckt hätte. Dennoch konnte er den Kontakt unter keinen Umständen unterbrechen.

Und dann der Kuss selbst. Einmal hatte er ein Mädchen geküsst und prompt eine Ohrfeige kassiert. Das war noch bevor sein Wolfsblut erwacht war. Der Kuss damals war nicht mal annähernd vergleichbar mit diesem. So hatte er sich einen richtigen Kuss immer vorgestellt. Er wusste nicht ob es einen Unterschied ausmachte, ob man einen Mann oder eine Frau küsste, auch weil er nie im Leben daran gedacht hätte einen Mann zu küssen, aber diesen Kuss mochte er.

Sein Gegenüber überforderte ihn nicht und war auch nicht so wild und stürmisch, wie er es bei Jake gesehen hatte. Dieser hatte sich einen Kuss geraubt, anders konnte man es nicht ausdrücken. Er war rabiat und hart gewesen. Zugegebenermaßen auch voller Zuneigung, aber mit dem Verlangen, fast schon der Gier, nach mehr.

Embrys Kuss mit Kamden war gänzlich anders. Dieser steckte so voller Gefühl und war ohne Hintergedanken. Zudem waren die fremden Lippen so weich und zart, wie er sie sich immer bei einer Frau vorgestellt hatte. Mit geschlossen Augen hätte er auch fast meinen können, eine Frau zu küssen, wäre da nicht der starke männliche Geruch seines Gegenüber gewesen. Zu seinem Erstaunen allerdings störte ihn dieses Aroma nicht. Nein, ganz im Gegenteil, er fand es anziehend, fast schon berauschend. Und da war dann auch noch die Hand, die sein Haar kraulte. Das war fast schon zu viel des Guten.

Nach einer schieren Ewigkeit, so fühlte es sich für Embry jedenfalls an, löste sein Freund den Kuss und zog sich etwas zurück. Dann legte Kamden ihm den Kopf auf die Schulter und verstärkte die Umarmung ein wenig.

Gerührt sagte der Brünette: „Danke, mein Kleiner. Das war besser als ich es mir hätte vorstellen können. Mit so viel Gefühl wurde ich noch nie geküsst. Weder von einem Mann noch von einer Frau.“

Embry zog es vor zu Schweigen. Was hätte er auch sagen sollen? Ja, der Kuss war schöner als mein Erster? Oder, zumindest habe ich diesmal keine Ohrfeige bekommen? Laut über seine Gefühle zu reden, kam ebenso nicht in Frage. Er war ein Mann, ein Krieger, ein Wolf. Solche Leute trugen ihr Herz nicht auf der Zunge.

„Du musst gar nichts sagen. Ich verstehe dich auch so“, gestand Kamden und erlaubte sich ein sanftes Grinsen. „Aber nur zu Info, meiner Erfahrung nach küssen Männer anders als Frauen. Männer sind rabiater und verlangender. Frauen eher zurückhaltend und zart.“

Embry knurrte und fragte: „Und was soll das jetzt heißen? Dass ich wie eine Frau küsse?“

„Wenn dem so ist, dann ich doch wohl auch?“, scherzte der Größere. „Nein, dieser Kuss ist nicht mal annähernd vergleichbar mit meinen bisherigen Erfahrungen. Ich würde sagen, ein höheres Level. Keine Ahnung. Eben etwas Unvergleichbares. Meine Lippen sind immer noch leicht taub.“

Sein Freund grollte ein wenig und gab dann zu: „Meine auch.“

Kamden lächelte wie blöde und löste ihre Umarmung. „So, nun aber ab ins Bett mit dir. Du bist müde. Ich kann es spüren.“

Nachdem sie sich getrennt hatten, warf Kamden einen sehnsüchtigen Blick auf die Hand seines Gefährten. Wie schön es wäre, nach dieser zu greifen und ihre Finger zu verschränken. Er seufzte und schloss die Augen. Denk an was anderes, ermahnte er sich selbst. Du machst deinem Partner Angst.

Er zuckte zusammen als er etwas an seiner Hand spürte. Schnell sah er an sich hinab und bekam fast einen Herzanfall. Embry hatte nach seiner Hand gegriffen und ihre Finger verschränkt.

Mit leicht geöffnetem Mund und ungläubiger Miene sah der Größere auf. Sein Freund sah beschämt zu Seite und war knallrot im Gesicht.

„Warum?“, brachte Kamden atemlos heraus.

„Du wolltest es doch, oder?“, fragte Embry scheu und wollte sich schon lösen, als der andere zupackte und ihn festhielt.

„Danke, mein Kleiner“, lächelte der Braunhaarige breit. „Du verwöhnst mich ja. Daran könnte ich mich gewöhnen.“ Er konnte es einfach nicht lassen und streichelte sanft den Handrücken seines Freundes mit dem Daumen.

Dieser stammelte: „Das habe ich aber nicht erlaubt.“ Trotz seiner Worte tat er es dem Brünetten gleich.

„Künstlerische Freiheit“, feixte Kamden und zog seinen Freund zum Ausgang. Schnell spähte er in den Korridor. Für Embry wäre es wohl noch zu viel gewesen, wenn sie einer so sehen würde. Keiner zu sehen. Erleichtert ließ er die Luft entweichen. Er wollte nicht loslassen, dennoch hätte er es getan, seinem Gefährten zuliebe. Nun war er aber froh es nicht tun zu müssen.

Dann setzten sie ihren Weg schweigend fort. Embry wusste nicht, ob er auf die Gedanken des anderen reagieren sollte und entschied still zu sein. Diesen neuen Kamden mochte er und vor dieser Version hatte er auch keine Angst mehr.

Vor der Tür zum Zimmer des Schwarzhaarigen blieben sie stehen. Widerwillig löste Kamden ihre Hände, beugte ich vor und hauchte dem Kleineren einen Schmetterlingskuss auf die Lippen.

„Geh doch schon mal rein, ich komme gleich nach“, murmelte der Brünette und verschwand, bevor sich Embry von dem Überfall erholen konnte. Schnell zog dieser sich in seinen Raum zurück und zermarterte sich das Hirn, was sein Freund wohl ausheckte. Er hatte sich gerade auf das Bett geworfen, als die Tür aufging und ein Stoffberg hereinkam.

„Was zum…“, begann Embry und sah zu wie Kamden seitlich an dem Haufen vorbeilugte.

„Mein Schlafplatz“, erklärte der Brünette. Mit offenem Mund schaute der Kleinere zu, wie sein Freund zwei Decken auf dem Boden zurechtrückte. „So, willst du zuerst ins Bad oder soll ich?“, fragte Kamden als er fertig war und sah auf. Er begutachtete das Gesicht des anderen und stichelte: „Was? Soll ich etwa auf dem nackten Boden schlafen? Du bist echt herzlos, mein Kleiner.“ Anschließend ging er fröhlich pfeifend ins Bad.

Embry sah von der offenen Badezimmertür zu der Schlafstätte und wieder zurück. Das hatte er nicht erwartet. Er war fest davon ausgegangen, dass Kamden sich einfach mit auf das Bett legen würde, es dann zu einem Streit käme und er ihn rauswerfen würde. Aber nun wusste er nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte.

Wenig später kam der Größere zurück und warf sich auf die beiden Decken am Boden. „Ok, nach meinem Verhalten bisher, habe ich es wohl verdient, dass du so schlecht von mir denkst. Ich hoffe, ich kann dich vom Gegenteil überzeugen.“

Als Embry sich immer noch nicht rührte und ihn, nur mit einer dunkelblauen Boxershorts bekleidet, anstarrte, wobei sein linkes Auge ein wenig zuckte, sagte er sanft: „Wie wäre es, wenn du deine Grübeleien auf Morgen verschiebst, deinen hübschen Hintern ins Bad bewegst, dich bettfertig machst und wir einfach schlafen? Bin wolfsmüde.“ Bei dem letzten Wort gähnte er ausgiebig.

Daraufhin setze sich Embry mechanisch in Bewegung. Nach etwa einer Minute betrat er wieder das Schlafzimmer. Kamden hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und schien bereits zu schlafen.

Leise tapste der Kleinere zum Bett und legte sich hin. Das Licht ging von selbst aus und Embry entspannte sich. Er spürte, wie sich ihm etwas näherte und fuhr herum. Kamden lugte über den Bettrand. Mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht fragte er: „Willst du einen Gutenachtkuss?“

Embry wusste nicht mehr wo oben und unten war. Da lag ein Kerl neben seinem Bett, mit dem er offenbar zusammen war und fragte seelenruhig, ob er einen Kuss wollte. Er dachte an ihren ersten Kuss und beugte sich stumm vor. Reden konnte er eh nicht mehr. Dafür ging ihm gerade zu viel im Kopf rum.

Als sich ihre Lippen berührten, fegte das all seine Gedanken hinfort. Nur dieser Augenblick und dieser zweite, so unschuldig zarte, aber gefühlvolle Kuss zählte noch. Er war regelrecht enttäuscht als Kamden den Kuss beendete und sich wieder auf seine Schlafquartier sinken ließ.

„Gute Nacht, mein Kleiner“, flötete dieser außerhalb seines Blickfeldes.

Embry druckst kurz rum und sagte ebenfalls: „Gute Nacht.“ Dann robbte er in die Mitte des Doppelbettes und schloss die Augen.

Gestörter Schlaf

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Früh am Morgen

Jemand versuchte die Zimmertür zu öffnen. Isaak schlug alarmiert die Augen auf und spähte umher. Er sandte seinen Geist aus, nur um auf alles vorbereitet zu sein. Vor der Zimmertür stand Edward und hämmerte wie gestört gegen das Holz. Zum Glück hatte er die Tür abgeschlossen. Nicht auszudenken, wenn der Vampir es erneut gewagt hätte seinen Gefährten zu wecken, indem er das Zimmer betrat. Da er gefangen im Klammergriff seines Freundes war, konnte er nicht viel machen. Er seufzte und verband sich mental mit dem Blutsauger vor der Tür.

„Was ist los, Edward? Ich hoffe, du hast einen guten Grund. Jake reagiert ziemlich angepisst, wenn man ihn zu früh weckt“, beschwerte sich der Hausherr mit einer eisernen Schärfe in der Stimme. Sein Missfallen über die Situation war ihm deutlich anzuhören.

Das Klopfen erstarb und der Blutsauger gab einen erschreckten Laut von sich. Dann sagte er: „Warum kann ich deine Gedanken hören? Ich dachte, das geht nicht?“

„Du hörst meine Worte auch nicht durch deine Fähigkeit, sondern durch meine Magie. Ich habe eine von mir ausgehende mentale Verbindung hergestellt. Egal, was willst du?“

„Es ist schon fünf Uhr“, sagte Edward. „Bella hat mich gebeten euch zu wecken.“

„Erst fünf Uhr? Was soll das?“, knurrte Isaak wütend. „Wenn du keinen guten Grund hast zu stören, dann verschwinde und wage es nicht noch einmal uns zu stören.“

„Hey, ganz ruhig. Ich nehme mal an Jacob hat vergessen zu erwähnen, dass Rachel um neun Uhr am Flughafen in Seattle ankommt. Ihr müsst bald losfahren, wenn ihr rechtzeitig ankommen wollt.“

„Oh“, stammelte der Wächter. „Nimm meine Entschuldigung und meinen Dank an. Davon wusste ich nichts. Ich wecke Jake.“

„Gut, ich mache schon mal das Auto fertig. Soll ich Kamden und Embry ebenfalls wecken?“

„Ich glaube, das ist keine gute Idee“, meinte Isaak langsam. „Ich übernehme die beiden. Kamden ist noch schlimmer als Jake und er sieht dich als Feind. Auf einen wildgewordenen Wolf am Morgen kann ich gut und gerne verzichten.“

„Ok, beeilt euch“, riet Edward und verschwand.

Der Wächter seufzte und machte sich daran seinen Geliebten zu wecken. Es dauerte ganze fünf Minuten diesen zu überreden ihn loszulassen. Verschlafen verstand der Wolfsjunge nicht, was los war und gab seinen Freund nur widerwillig frei.

Als der Wächter dann aus dem Bett sprang knurrte Jake träge: „Komm wieder her. Ist noch zu früh.“

„Aufstehen, Wölfchen oder soll deine Schwester mit dem Taxi fahren?“, fragte Isaak und verschwand ins Bad. Als er eben Kontakt mit dem Geist des Vampirs gehabt hatte, bekam er nebenbei auch Einblicke in das Gespräch zwischen Jake und Rachel.

Schwester? Taxi? Die Worte ergaben keinen Sinn. Rebecca war in Hawaii und Rachel wollte doch erst morgen nach Forks kommen. Moment mal, war es nicht schon morgen? „Fuck“, stieß der Alpha aus und saß kerzengerade im Bett. Mit zwei großen Sätzen war er ebenfalls ins Bad gestürmt und stellte sich ungefragt mit unter die Dusche.

„Sorry, habe ich ganz vergessen“, brabbelte Jake und griff nach dem Seifenspender. Dann warf er einen Seitenblick auf seinen Freund und gurrte. Wie gerne würde er sich jetzt Zeit nehmen und Isaak von Kopf bis Fuß einseifen. Das wollte er schon, seitdem dieser das mit ihm gemacht hatte. Aber sie hatten keine Zeit. Oder doch?

„Nein, haben wir nicht“, meinte der Wächter sanft und holte sich einen Gutenmorgenkuss ab. Viel zu schnell zog er sich allerdings wieder zurück, was seinen Partner wütend knurren ließ. „Später, Schatz. Ich hasse es, zu spät zu kommen.“

„Ja ja“, meinte Jake nur und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

„Du bist echt schlimm“, gluckste Isaak und spülte sich den Schaum ab. „Ich gehe schnell Kamden und Embry wecken.“ Bei diesen Worten schoss er davon und zog sich rasch an, nachdem er sich von der KI hatte abtrocknen lassen.

Noch während des Duschens hatte er versucht die beiden Wölfe mental zu wecken. Beide schliefen so fest, dass sie ihn nicht hörten. Also ging er wie Edward zum Klopfen über. Aber auch das zeigte keine Wirkung. Isaak murrte etwas, schloss die Augen und öffnete die Tür. Allein an der Aura seiner Umgebung orientierend ging er ein paar Schritte in den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Er war sich bewusst, dass Jake gerade wütend grollte und wenn er sich nicht beeilte, würde sein Freund gleich hereinstürmen. Also versucht er es mit lautem Ansprechen. Seine Worte zeigten aber leider keine Wirkung. Also ging er weiter auf die beiden Schlafenden zu. Als er das Bett erreichte begann er Embry an der Schulter zu rütteln.

Dieser schlug die Augen auf, sah den Eindringling und schrie auf. Augenblicklich schreckte auch Kamden hoch und suchte nach der Gefahr. Beide Wölfe auf dem Bett knurrten und bebten. Sie waren kurz davor sich gemeinsam auf den Eindringling zu stürzen.

„Hey, ganz ruhig ihr beiden. Ich bin es nur. Wir müssen gleich los, deshalb musste ich euch wecken“, sagte Isaak ruhig und hob abwehrend die Hände.

Embry entspannte sich und atmete erleichtert auf. Der andere Wolf jedoch wirkte keineswegs beruhigt. Schnell raffte Kamden eine der Decken auf dem Boden zusammen und warf sie seinem Freund über.

„Hey, was soll das?“, maulte Embry und kämpfte sich aus dem Stoff empor. Als er die Decke anhob und zufällig an sich herabsah, stellte er entsetzt fest, dass er nichts anhatte. „Wo ist meine Unterhose?“, fragte er irritiert.

„Bad“, knurrte Kamden und fixierte weiterhin wütend den Eindringling. Isaak hatte sich derweil auf den Stuhl am Schreibtisch gesetzt. Der einzige Grund warum der Brünette ihm noch keine reingezimmert hatte war, dass der Wächter immer noch die Augen geschlossen hatte.

Sofort ließ Embry den Stoff sinken und wurde knallrot. Wann hatte er den seine Boxershorts eingebüßt? Moment mal - hatte er die ganze Nacht etwa nackt mit einem Mann gekuschelt?

Isaak grinste und sagte: „Ich freue mich, dass ihr beiden eure Differenzen beseitigen konntet.“

Kamden rutsche langsam auf den Rand des Bettes zu und knurrte: „Raus hier!“

„Ich wollte nur kurz mit euch sprechen, dann bin ich auch schon wieder weg“, sagte der Wächter und hob abermals die Hände.

„Sprich und dann zieh Leine“, schnauzte der Brünette und ballte die Fäuste.

„Schon gut. Ich wollte euch nur um einen Gefallen bitten: Wenn ihr unter euch sein wollt, dann unterbrecht doch bitte die Verbindung zum Rudel, ja? Das wäre echt sehr nett. Ich muss nicht alles wissen, was ihr miteinander treibt.“

Embrys Gesicht strahlte wie die Sonne, einem knallroten Stern gleichend. Kamden knurrte und sprang auf. Das war zu viel für ihn. Niemand spannte ungeschoren bei ihm. Was er mit seinem Kleinen machte ging niemanden etwas an. Vor allem nicht diesen merkwürdigen Fremden. Er schlug zu. Kurz bevor seine Faust mit dem Gesicht seines Gegners Bekanntschaft machen konnte, verschwand der Rotblonde spurlos.

„Das ist nicht sehr nett, Kamden“, tadelte Isaak von der Tür aus. „Ich wollte euch nur bitten, mir keine solchen Bilder in den Kopf zu setzen. Du bist quasi mein Schwager und Embry der beste Freund meines Geliebten. Es war auch keine Absicht. Wäre ich wach gewesen, dann hätte ich das auch selbst ausblenden können, aber wenn ich schlafe, kann ich das nicht steuern.“

Der Brünette fixierte erneut sein Opfer und machte einen Schritt auf dieses zu.

„Kamden, warte“, sagte Embry. Sofort verharrte sein Freund, funkelte den Spanner aber weiterhin zornig an.

Immer noch peinlich berührt und mit glühenden Wangen wandte sich der Jüngste an Isaak: „Wie meinst du das? Wie sollen wir denn die Verbindung unterbrechen und was meinst du damit, dass du das im Schlaf nicht ausblenden kannst?“

Isaak kratze sich an der Nase und erklärte: „Habe ich das nicht erwähnt? Die Magie von Jakes Anhänger wirkt sich auch auf sein Rudel aus. Da er euer Alpha ist, könnt ihr nun das Gleiche machen wie er und die Verbindung auf stumm schalten, wie Jake das gerne ausdrückt.

Was meine Wahrnehmung anbelangt, so solltet ihr wissen, dass mein Verstand anders arbeitet als der eure. Ich bin mir jederzeit aller Sinneswahrnehmungen bewusst. Deshalb bekomme ich auch nahezu immer alles mit, was in der Verbindung passiert. Meine Gedanken schirme ich aber bewusst ab. Ich gestatte nur Jake Zugang zu meinem Verstand.“

„Das heißt, wir können wie Jake die Verbindung kontrollieren?“, fragte Embry wissbegierig nach.

„Ja.“

„Perfekt“, strahlte der Jüngste. „Es hat echt so einige Vorteile bei Jake zu sein und dich im Team zu haben.“

„Danke, Embry. So nun muss ich aber los, bevor Jake die Tür einschlägt. Er ist nicht glücklich, dass ich hier bei euch bin. Macht euch bitte fertig. Wir brechen dann sofort auf“, sagte Isaak und ging einfach.

Embry ließ den Kopf hängen und fragte mental: „Was ist denn überhaupt los? Wo geht es denn hin?“

Anstelle des Wächters antwortete sein Leitwolf: „Rachel kommt in dreieinhalb Stunden am Flughafen in Seattle an. Ich gedenke Kamden mitzunehmen, damit er seine Halbschwester kennenlernen kann. Wahrscheinlich fahren wir dann auch direkt zu Billy. Rachel will mit unserem Alten reden. Da man euch nicht trennen kann, kommst du auch mit.“

„Alles klar, Chef“, meinte Embry und schottete sich vor allen außer Kamden ab. Sofort verschwanden Jakes Gedanken. Oh, das war ja echt der Himmel auf Erden. Er streckte sich und schloss dabei die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er direkt in Kamdens Gesicht. Dieser beugte sich vor und gab ihm einen zarten Kuss.

„Guten Morgen“, grummelte der Brünette, nachdem er den Kuss beendet hatte. „Was dagegen, wenn ich schnell duschen gehe?“

„Ne, mach nur“, meinte Embry etwas neben sich stehend. Diese Küsse raubten ihm immer noch den Verstand.

Kamden erhob sich und ging auf das Bad zu. Abermals ließ er die Tür einfach offen und schon erklang das Rauschen von Wasser.

Embry kaute auf seiner Unterlippe rum. Ob er seinem Freund folgen sollte? Würde Kamden das überhaupt zulassen?

„Ich werde den Teufel tun und dich abweisen, Kleiner. Ich halte mich zurück, weil ich es dir versprochen habe. Du aber kannst machen, was du willst. Wenn du zu mir kommst, würde mich das sehr freuen, aber es muss nicht sein. Ich bin geduldig. Lass dir Zeit. Überstürze nichts.“

Embry nahm sich diese Worte zu Herzen und blieb, wo er war. Er war noch nicht soweit gemeinsam mit einem Mann zu duschen. Vor allem war er sich sicher, dass dieses Erlebnis ausufern würde. Allein der Gedanke mit dem anderen nackt unter dem warmen Wasser zu stehen, ließ sein Blut auf Abwege geraten. Er biss sich auf die Unterlippe und versuchte an was anderes zu denken.

Aus dem Bad kam ein Glucksen: „Glaub ja nicht, dass mich das kalt lassen würde. Du brauchst dich aber nicht vor mir zu verstecken oder zu schämen, mein Kleiner. Ich will doch nur, dass es dir gut geht.“

Dann gab es ein Rumoren im Bad und Kamden fragte: „Sag mal, weißt du wie dieses Reinigungsding funktioniert?“

„Was meinst du?“, fragte Embry unsicher und beugte sich vor, um etwas sehen zu können, vergeblich, er musste schon aufstehen, um ins Bad sehen zu können.

„Hatte Jake nicht gestern irgendwas davon gesagt, dass im Bad eine Waschmaschine ist? Ich finde sie nicht.“

„Was willst du denn waschen?“, fragte der Kleinere und beugte sich noch weiter vor.

„Ich wollte unsere Kleidung reinigen, und vor allem deine Boxershorts. Die sind etwas besudelt.“

Feuerrot im Gesicht stammelte Embry: „Das kann ich auch selbst machen. Ich habe sie ja eingesaut.“

„Das sehe ich etwas anders. Ach verdammt, wie funktioniert das Ding nur? Irgendwas mache ich falsch. Würdest du mir bitte helfen?“, fragte Kamden kleinlaut.

„Warum fragst du nicht Jake oder Isaak?“ Anstelle einer Antwort zog ein Schwall von Gedanken und Bildern an seinem inneren Auge vorbei. „Moment, verstehe ich das richtig? Du bist eine Niete, wenn es um Technik geht, und willst dir vor deinem Bruder keine Blöße geben? Zumal du Isaak nicht vertraust?“

Auf einmal lugte Kamdens Kopf aus dem Bad. Er war rot im Gesicht und sagte kleinlaut: „Es fällt mir schon schwer genug dich zu fragen. Würdest du das bitte für dich behalten? Ich will nicht wie ein Depp dastehen.“

„Keine Sorge, nun da ich meine Gedanken vor den anderen abschirmen kann, werde ich dein Geheimnis für mich behalten“, schwor Embry feierlich und grinste. Dann setze er nach: „Weißt du eigentlich, wie süß du aussiehst, wenn du rot wirst?“

Kamden blinzelte und der Schalk trat in seine Augen als er konterte: „Ich bin nicht mal annähernd so süß wie du. Außerdem weiß ich, dass ich einfach umwerfend aussehe.“ Dann zog er sich ins Bad zurück.

Der Schwarzhaarige seufzte und gab sich einen Ruck. Schnell warf er die Decke von sich und stand auf. So wie die Götter ihn erschaffen hatten ging er zu seinem Freund ins Bad. Der Brünette stand vor der Plattform und raufte sich verzweifelt die Haare.

Embry blieb in der Tür stehen und besah sich die Rückansicht des anderen. Auch Kamden stand nackt da und so konnte der Schwarzhaarige ungeniert klotzen.

Auf einmal dreht sich Kamden um und zuckte zusammen als er den Überraschungsgast erblickt. Dann fiel ihm der musternde Ausdruck im Gesicht seines Kleinen auf. Er zuckte mit den Schultern und stellte sich demonstrativ lasziv hin. Seine Arme verschränkte er hinter dem Kopf; spreizte etwas die Beine, verlagerte sein Gewicht auf ein Bein, das andere winkelte er leicht an, zudem drehte er seine Hüfte ein Stück ins Profil und biss sich gespielt unschuldig auf die Unterlippe.

Sein Kleiner wurde rot wie eine Tomate und er konnte genau sehen, wie dessen Blut auf Abwege geriet. Dann entschied er aber, es gut sein zu lassen und fragte: „Kannst du mir nun helfen?“

„Helfen? Bei was helfen?“, fragte Embry mit zittriger Stimme und starrte seinem Freund in den Schritt.

„Na, mit der Waschmaschine“, meinte Kamden gespielt ernst und rollte mit den Augen. „Was du wieder denkst.“ Der Größere gab seine Pose auf, trat zur Seite und deutete auf das seltsame Regal.

„Ja“, stammelte sein Kleiner, schüttelte den Kopf und trat vor. Er sah sich das Ganze einen Augenblick an und drückte auf dem Display rum. Kamden hatte es geschafft sich in den Einstellungen zu verirren. Wenige Sekunden später baute sich das Kraftfeld auf und die Reinigung begann.

„Danke, mein Kleiner“, sagte Kamden und näherte sich seinem Partner. Embry zuckte zusammen als er von hinten in eine Umarmung gezogen wurde. „Du hast dir eine Belohnung verdient.“ Kamden griff nach seinem Kinn, drehte dieses ein wenig und gab ihm einen sanften Kuss. Dann flüsterte der Brünette ihm gegen die Lippen: „Du musst mir nur sagen, was du willst und ich kümmere mich um dein kleines Problem.“

Er deutete nach unten und Embry sah an sich hinab. Sofort verdeckte er seinen Harten mit überkreuzten Armen und drehte sich weg. Oh, war das peinlich.

„Das ist eine ganz normale Reaktion“, meinte Kamden und gab den anderen frei. „Mit gefällt es, wenn ich dich so einfach erregen kann. Das sagt mir, dass du mich magst und ich dir gefalle.“

Embry warf mit hochrotem Kopf einen Blick über die Schulter und schnaubte: „Und warum bist du dann nicht erregt?“

„Oh“, stammelte Kamden und ließ den Blick sinken. „Versteh mich da bitte nicht falsch. Ich mag dich, sehr sogar und ich finde dich auch sehr anziehend, aber bei mir bedarf es ein wenig mehr Stimulation. War schon immer so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Einer meiner Ex-Freunde kam damit überhaupt nicht klar. Außerdem möchte ich dich nicht überfordern. Wenn ich hier mit einem Steifen rumrenne, hätte ich Angst, dass du schreiend die Flucht ergreifst.“

„Hm…“, brummte Embry. Würde er das? Würde er die Flucht ergreifen? Wahrscheinlich schon. Er brauchte noch etwas mehr Zeit.

„Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst“, sagte Kamden, drehte sich um und verließ den Raum.

Tief in Gedanken duschte Embry schnell und zog sich mechanisch an. Seine besudelten Shorts waren absolut sauber und rochen dazu auch noch gut. Irgendwie ein wenig nach Ozean. Ja, diesen Geruch mochte er.

Bewaffnet mit Kamdens Klamotten trat er aus dem Bad und fand seinen Freund auf dem Bett vor. Dort hatte dieser sich über die gesamte Matratze ausgebreitet und schlief. Zudem sabberte er auf das Kopfkissen.

Embry schüttelte den Kopf und warf ihm die Kleidung auf den Bauch. Das schien den anderen nicht mal zu jucken und so sagte er: „Aufstehen.“

Keine Reaktion. Schnell ging er um das Bett herum und schüttelte seinen Freund an der Schulter. „Aufstehen, Murmeltier“, befahl der Jüngere und knurrte. Nach einigen Momenten erhob sich Kamden schläfrig und sah seinen Kleinen mit verschlafenen Augen an.

„Was ist los?“, nuschelte er und wollte schon wieder ins Kissen sinken.

„Hopp, hopp, anziehen“, schnaubte sein Freund. Dann sah er ungläubig zu, wie der Brünette mit halboffenen Augen nach der Hose griff und sie sich über den Kopf ziehen wollte. Rasch griff Embry ein und nach etwa drei Minuten saß alles da, wo es hingehörte.

Gemeinsam verließen sie das Zimmer. Kamden schlurfte wie ein Zombie hinterher und gähnte immer mal wieder. Im Gang stießen sie auf Isaak und Jake. Der Wächter lehnte an einer Wand und sah auf, als die beiden auf sie zukamen. Neben ihm auf dem Boden saß Jake, den Kopf gegen eines der Beine seines Freundes gelehnt und schnarchte vor sich hin.

„Da seid ihr ja endlich“, beschwerte sich der Rotblonde und sah zu, wie sich Kamden neben seinen Halbbruder schleppte, an der Wand hinabrutschte und die Augen schloss.

„Na so was“, lachte Isaak und befahl: „KI, bring uns vier zur Aufstiegsplattform.“

Er wandte sich an den gähnenden Embry und fragte: „Sag mal, ist das normal bei euch Wölfen, dass ihr so müde seid?“

„Ich würde sagen, es ist menschlich. Ich habe das Gefühl gerade mal drei Stunden geschlafen zu haben“, meckerte der Jüngste und versuchte sich mit Dehnübungen wachzuhalten. Nun da die Kraft der erfrischenden Dusche nachließ, spürte auch er die Müdigkeit in sich aufsteigen.

„Also, um genau zu sein, hast du eine Stunde und dreizehn Minuten geschlafen. Jake knapp zwei Stunden“, stellte der Wächter richtig.

„Alter, nur eine Stunde? Kein Wunder, dass ich so platt bin“, stammelte der Schwarzhaarige und sah sehnsüchtig auf den Boden.

„Hey, nein, böser Wolf. Halte noch ein wenig aus. Wir sind gleich im Auto, da kannst du dann pennen“, tadelte Isaak. Dann schnappte er sich je einen Black Junior mit einer Hand und schleifte die beiden zu der Plattform.

Embry sah ungläubig zu und grinste. Dieses Bild wurde abgespeichert, für die spätere Verwendung. Anschließend begaben sie sich zurück nach Forks und sahen Edward vor dem Volvo stehen. Der Vampir sah zu den zwei Schlafmützen, zog eine Augenbraue hoch und warf Isaak den Schlüssel zu. Dieser fing ihn auf und steckte ihn ein.

„Das Auto ist voll. Mit Rachel seid ihr zu fünft. Du kannst doch Autofahren Isaak, oder?“, fragte der Blutsauger, schüttelte den Kopf und stieg auf die Plattform. Er wollte zu Bella zurück.

„Ja, kein Problem“, grinste der Wächter und winkte zum Abschied. Dann sah er zu den beiden Schlafenden. Sie lehnten aneinander und sabberten sich gegenseitig an.

„Ein Bild für die Götter“, feixte Embry schadenfroh.

„Nimmst du deinen Freund oder soll ich beide tragen?“

„Schon gut, ich kümmere mich um Kamden. Der ist sowieso nicht gut zu sprechen auf dich“, meinte der Jüngere und warf sich seinen Freund einfach über die Schulter. Isaak tat es ihm gleich und beide trugen ihre Partner zum Auto. Dort schnallten sie die Brüder auf der Rückbank fest und stiegen selbst vorne ein.

Der Wächter zog den Schlüssel aus der Tasche und beäugte ihn einen Augenblick. Dann steckte er ihn in das Zündschloss und ließ den Motor an. Embry runzelte die Stirn als Isaak alle Knöpfe auf ihre Funktion testete. „Alter, das ist zwar vorbildlich, aber wir haben keine Zeit mehr, oder doch? Gib schon Gas“, beschwerte er sich.

„Wie du willst“, gluckste der Rotblonde, schaltete auf Automatik und drückte das Pedal ganz durch. Die Reifen bohrten sich in den Boden und quietschen einen Moment, dann bekamen sie Grip und sie schossen die Einfahrt hinunter.

„Alter, nicht so schnell. Du fährst ja wie ein Henker“, moserte Embry, machte sich aber nicht allzu viele Sorgen. Sie waren alle Wölfe. Bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen war fast unmöglich.

Dann bretterte Isaak in vollem Tempo auf die Hauptstraße und schoss weiter. Erneut runzelte Embry die Stirn und sah nach, ob sie jemand gesehen hatte. Zum Glück war kein anderes Fahrzeug in Sicht. „Hm“, brummte der Kleinere und sah wieder nach vorn. Genau in dem Moment missachtete der Wächter ein Stoppschild und bog mit quietschenden Reifen ab.

„Seltsam, muss dieses Automobil solche Geräusche von sich geben?“, fragte sich Isaak laut und betrachtete misstrauisch das Armaturenbrett.

„Warte mal. Hast du überhaupt einen Führerschein?“, fragte Embry vorsichtig nach.

„Nennt man das heutzutage so? Ich habe so was mal gemacht, ist aber schon eine Weile her“, erklärte der Wächter und brauste in die Stadt hinein.

„Hey, nicht so schnell. Du bringst noch jemanden um“, mahnte Embry und sah sich abermals um. Zum Glück war um diese Uhrzeit an einem Sonntag kaum jemand auf der Straße. Dennoch, die wenigen Passanten warfen ihnen misstrauische Blicke zu.

Dann überfuhr der Wächter eine rote Ampel und der Wolfsjunge sah entsetzt aus seinem Seitenfenster. Ein hupender LKW hielt direkt auf sie zu. Panisch riss er die Augen auf und machte gedanklich sein Testament. Zerquetscht von einem tonnenschweren Sattelschlepper. So hatte er sich das Ende nicht vorgestellt.

Einem Aufprall entgingen sie haarscharf und der Wolfsjunge sah, wie der LKW direkt hinter ihnen den Weg kreuzte, eine Vollbremsung hinlegte und quer mitten auf der Kreuzung zum Stehen kam. Mehr konnte er aber nicht erkennen, weil der Irre neben ihm mit Vollgas eine Kurve nahm und der Lastwagen hinter den Häusern verschwand.

„Alter, hast du sie noch alle? Was sollte das eben?“, fuhr er den Fahrer an.

„Was meinst du?“

„Den LKW?“

„Ach so. Na, hat doch gepasst oder habe ich was falsch gemacht?“

„Was falsch gemacht? Schon mal was von Verkehrsregeln gehört?“

„Ja, der Schnellste kommt als erstes an und wenn dir einer im Weg ist, dann stoß ihn beiseite“, offenbarte Isaak sein Wissen.

„Was? Wann hast du deinen Führerschein gemacht? Im Mittelalter?“, fragte Embry entsetzt.

„Na ja, eigentlich sogar davor. Meine Fuhrwerksgenehmigung habe ich als Mensch in Rom absolviert. Das war bevor ich zum Wächter wurde. Nach allem was ich bisher gesehen habe, hat sich nicht allzu viel verändert, muss ich sagen.“

Embry wurde weiß und stammelte: „Das ist doch locker 2.400 Jahre her. Und da soll sich nicht viel geändert haben? Bist du denn schon mal Auto gefahren?“

Isaak drehte den Kopf zu dem Beifahrer grinste breit und eröffnete: „Nein, ist mein erstes Mal.“

„Halt sofort an!“, schrie Embry in Panik und der Wächter legte eine Vollbremsung hin.

„Was ist? War ich nicht schnell genug?“, fragte der Fahrer bekümmert.

„Waaasseennn lossss?“, brabbelte Jake, der kurz aus dem Schlaf hochschreckte.

Embry drehte sich im Sitz nach hinten und fuhr den Alpha an: „Dein Lover hat noch nie ein Auto gefahren und hätte uns innerhalb von nur zehn Minuten fast schon vier Mal umgenietet, das ist los.“

„Ach so“, murmele der Leitwolf und setzte nach: „Schatz, sieh dir in meinem Kopf alles an, was ich zum Thema Autofahren weiß. Dann geht das schon.“

„Ausgezeichnete Idee“, strahlte der Wächter und schloss kurz die Augen. Der Alpha sank in seinen Sitz zurück, lehnte sich an die Autowand und war schon wieder eingeschlafen.

„Ah, jetzt verstehe ich“, sagte der Rotblonde sah sich um, setzte den Blinker und fuhr wieder los. Diesmal mit einigermaßen angemessener Geschwindigkeit.

„Warte mal. So schnell kannst du das lernen?“, hakte Embry nach und sah mit offenem Mund, wie sich Isaak als vorbildlicher Fahrer durch die Stadt schlängelte.

„Ja. Ich sagte doch: Mein Verstand arbeitet anderes als der deine. Ich kann eine Unmenge von Informationen in kürzester Zeit aufnehmen und verarbeiten. Bisher hatte ich nur keinen Sinn darin gesehen Autofahren zu lernen.“

Der Beifahrer schüttelte den Kopf und beruhigte sich allmählich. Der Wächter hatte offenbar wirklich den Dreh raus. Als das Adrenalin in seinem Kreislauf nachließ, wurde er wieder schläfrig und sein Kopf sank gegen die Fensterscheibe.

Isaak sah kurz nach, ob alle auch wirklich schliefen. Dann zeigte sich ein dämonisches Grinsen und er drückte das Gaspedal ganz durch. Nach dem Wissen seines Freundes musste man bloß aufpassen nicht erwischt zu werden. Das war doch kein Problem, wenn man den „Wahren Blick“ hatte.

Er schaffte es die verlorene Zeit wiedergutzumachen. Als sie am Flughafen ankamen, hatten sie noch eine Viertelstunde bis das Flugzeug landen würde. Nun stand allerdings eine Mammut-Aufgabe auf dem Programm. Der Wächter sah sich unschlüssig die anderen Insassen an.

„Wie soll ich die nur wach bekommen?“

Geschwister

Als Erstes weckte Isaak Embry. Dieser war wohl der Zahmste von den drei Wölfen. Jeder von ihnen schnappe sich anschießend seinen Partner und versuchte diesen wach zu bekommen. Nach fünf Minuten gingen Isaak und Embry voran in den Flughafen, ihre Freunde schlurften wie Zombies hinter ihnen her.

Der Kleinste sah auf die Tafel der ankommende Flüge und sagte: „Oh, Rachels Flug hat 20 Minuten Verspätung. Dann haben wir ja noch etwas Zeit.“

Schnell ließ er den Blick schweifen und fand einen Kaffeestand. Sofort kramte er in seinen Taschen. Da viel ihm auf, dass dies ja geliehene Kleidung war und sich dort wohl kein Notgroschen verstecken würde. Mitleidig seufzte er auf.

Der Wächter beobachtete den anderen genau und folgte dessen Gedankengängen. Embry hatte nach dem Schlafen sich wieder zum Rudel geöffnet, um mit Leah und Seth zu reden und ihnen zu erklären, wo sie abgeblieben waren.

Er hatte ihnen auch von ihrer alle Fähigkeit mit dem Verschließen der Verbindung erzählt. Die beiden jubelten und schon waren ihre Stimmen weg. Daraufhin hatte Embry vergessen sich selbst abzuschotten, deshalb konnte Isaak ohne seine Magie zu benutzen nun zuhören.

„Hm…, glaubst du mit einem Kaffee bekommen wir die beiden wach?“, fragte der Rotblonde und schielte über die Schulter zu den beiden Zombies.

„Ja, aber ich habe keine Kohle und du ja auch nicht“, meinte Embry und sah ebenfalls zu den anderen. Er dachte schon daran, jedem der beiden eine Ohrfeige zu verpassen, da mischte sich der Wächter ein: „Geld habe ich keines aber diese Plastikkarte.“

Er zog seine Kreditkarte aus der Hose und hielt sie hoch. „Können wir damit Kaffee kaufen?“

„Alter, steck die Weg. Wenn uns einer damit erwischt, sind wir dran“, flüsterte der Kleinere und sah sich hektisch um. „Ich weiß ja nicht, wie ihr Wächter das seht, aber bei uns normalen Leuten wird Diebstahl nicht gerne gesehen.“

„Wieso Diebstahl? Das ist meine Karte. Jake hat mir verboten darüber zu reden, aber ich kann dir sagen: Es hat sich herausgestellt, dass ich zu viel Geld habe“, erklärte Isaak und sah sich das kleine Ding in seiner Hand genauer an.

„Das ist deine Karte? Bist du dir sicher? Das ist doch eine Platin-Kreditkarte. Sowas habe ich schon mal in der Glotze gesehen.“

„Ja, das hier ist meine. Jake hat auch eine. Kann ich damit nun Kaffee kaufen oder nicht?“

Embry war immer noch misstrauisch. Auf der Karte war kein Name hinterlegt, nur eine Firma stand darauf: Turner Industries. Von der Firma hatte er noch nie gehört. Er zuckte mit den Schultern und entschied sich es auf einen Versuch ankommen zu lassen. „Lass uns fragen gehen, ob sie die Karte akzeptieren.“

Schon wanderte sie zu dem Geschäft. Bei dem Geruch von Kaffee wurden die beiden Zombies unruhig und drängten vorwärts. Sie stellten sich an. Zum Glück waren nur zwei Personen vor ihnen dran.

Isaak trat vor, als sie an der Reihe waren, hielt die Karte hoch und fragte: „Kann ich damit bezahlen?“

Die Bedienstete am Tresen sah gelangweilt auf und riss die Augen auf. Embry bekam ein mulmiges Gefühl, er konnte eindeutig die Dollarzeichen in den braungrünen Augen sehen. Bevor er eingreifen konnte, schwatzte sie auch schon unaufhörlich und überredete den Kunden mit der Platinkarte zu allen möglichen Extras.

Der Wächter nickte begeistert bei allem und bestellte: „Ich hätte gerne: vier weiße Schokolade Mokka mit Dreifachschuss, Bio-Milch und hawaiianischen Bohnen.“

Embry stand mit offenem Mund da und konnte nur den Kopf schütteln. Der andere ließ sich ja alles aufschwatzen. Er würde es später Jake überlassen dem Kerl die Ohren lang zu ziehen.

Sie gingen an einen kleinen Stehtisch und wartete ein paar Minuten. Da kam auch schon der überteuerte Kaffee. Die Frau stellte jedem eine großes Glas hin und legte eine kleine Ledermappe mit der Rechnung auf den Tisch. Dann torkelte sie glücklich davon.

Alle vergriffen sich an ihren Getränken und die beiden Zombies erwachten. Jake hatte sein Glas als erstes geleert und leckte sich die Lippen. „Wow, das belebt. Ich will noch einen.“ Er sah sich um und hob die Hand.

„Warte“, schnauzte Embry, riss die Rechnung vom Tisch und drückte sie seinem Alpha in die Pfoten.

Irritiert öffnete der Leitwolf die Mappe und sah auf die Zahlen. „Isaak“, knurrte er und sah auf.

„Ja, Schatz? Schmeckt dir der Kaffee nicht?“, fragte der Wächter leichthin.

„Doch“, meinte Jake und seufzte. Das seinem Freund zu erklären würde jetzt zu lange dauern. War aber eigentlich auch egal. Sie hatten das Geld ja, also warum nicht leben wie die Könige. Die Bedienung war mittlerweile bei ihnen und wartete auf die Bestellung. „Schon gut, Schatz. Willst du auch noch einen?“

„Gerne“, flötete der Wächter. Jake wandte sich zu der Dame und sagte: „Das gleiche bitte nochmal, und zwar zum Mitnehmen. Hm…“, er dachte kurz nach. „Fünf Stück bitte.“ Er zückte seine Karte, legte dieses in die Mappe und gab sie der Dame gleich mit. „Legen sie sich 10% Trinkgeld obendrauf und machen sie bitte die Rechnung fertig.“

Mit offenem Mund starrte Embry seinen Alpha an. Kaum war die Bedienung weg fragte er: „Bist du von allen guten Geistern verlassen? So ein Glas kostet über 15 Dollar. Das ist doch Wucher.“

Kamden verschluckte sich und hustete: „Wie viel?“

Jake grinste, zuckte mit den Schultern und sagte: „Das bleibt unter uns verstanden? Isaak hat genug Kohle. Sowas fällt da gar nicht auf.“

„Über wie viel Geld reden wir?“, fragte Kamden plötzlich sehr interessiert nach.

Der Alpha runzelte die Stirn und fragte: „Kann ich dir vertrauen?“

Sofort nickte sein Halbbruder begeistert.

Jake grinste verschmitzt und sagte: „Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich mit einem Alpha-Befehl sicherstelle, dass du es nicht aus Versehen ausplauderst. Oder?“

Kamden sah verständnislos drein. Embry nickte und sagte: „Wir stimmen zu, Boss.“

„Gut“, meinte Jake und räusperte sich. Dann sprach er mit der Doppelstimme des Alphas: „Ich verbiete euch, das Wissen, dass ich euch gleich anvertraue, weiterzugeben oder auch nur Andeutungen zu machen. Keine Spielchen oder Hintertüren. Ihr sagt es keinem. Das bleibt unter uns vieren.“

Kamden zuckte zusammen. Die Stimme war so mächtig. Er konnte spüren, wie sich dieses Verbot über ihn legte und er war absolut machtlos dagegen. Ohne, dass es ihm einer gesagt hatte, wusste er einfach, dass er sich diesem Befehl nicht widersetzen konnte. Das war also ein Alpha-Befehl. Der Brünette schüttelte sich.

„So“, begann Jake und seine Stimme war wieder normal. Schnell sah er sich um und flüsterte: „Isaak ist reich und ich meine so richtig reich. Keine Ahnung, wie viel Geld er wirklich hat, aber er ist der reichste Mann der Welt. Außer uns vieren wissen nur noch fünf weitere Personen davon. Alle sind an Verschwiegenheitsvereinbarungen gebunden. Ihr beide durch meinen Befehl. Na ja, zudem auch Bella und Edward, die sagen bestimmt nichts. Keiner soll das Wissen.“

Kamden Augen wurde groß und er sah zu dem Wächter der rot angelaufen war.

Isaak mischte sich nun ein und meinte: „Es hat auch einen guten Grund, warum ich so ein Geheimnis daraus mache. Es war ein Fehler von mir. Ich habe nur ein wenig am Aktienmarkt gespielt. Das wollte ich nicht. Wächter mischen sich nicht ein. Da ich mit Geld nichts anfangen kann, habe ich Jake bevollmächtig und beauftragt mein Vermögen loszuwerden.“

„Loszuwerden“, stöhnte der Brünette entsetzt. Schnell schüttelte er den Kopf und sagte mit einem verschmitzten Grinsen: „Oh, ich nehme dir gerne ein wenig davon ab. Wenn du es loswerden willst.“

Bevor Isaak antworten konnte, zischte Jake: „Ich verwalte das Geld und ich bestimme, was damit gemacht wird. Bis ich entschieden habe, was damit passiert, bekommst du keinen Dollar von mir.“ Seine Stimme war messerscharf. Dann grinste er und sagte: „Aber ich lade euch gerne zum Essen ein oder sowas. Wenn du brav bist, lass ich vielleicht auch ein kleines Geschenk springen.“

Dann wurde er ernst und seine Stimme bekam auch wieder den Doppelklang: „Wenn du glaubst, ich würde dir einfach so das Geld meines Freundes geben, bist du schief gewickelt. Das ist seine Kohle und ich passe darauf auf, wie ein Luchs. Also schlag dir das gleich aus dem Kopf. Wehe du bittest meinen Freund nochmal um sowas. Ich werde nicht zulassen, dass jemand die Gutmütigkeit meines Partners ausnutzt.“

In dem Moment kam die Kellnerin und stellte fünf Becher auf den Tisch. Dann gab sie Jake das Mäppchen und einen Stift. Schnell überflog der Alpha die Rechnung, unterschrieb und nahm seine Karte zurück.

Als er aufstand tranken alle ihre Gläser aus. Während der Leitwolf jedem einen Becher vor die Nase stellte. Zwei behielt er für sich. Anschließend kämpften sie sich, Jake voran, zum Ankunftsbereich durch.

Kamden war sauer. Das sein Bruder so ein Raffzahn war, hätte er nicht angenommen.

Mental redete Embry nur mit ihm und fragte: „Was wäre, wenn es mein Geld wäre? Würdest du dann jemanden, den du nicht kennst, einfach was davon geben? Ich kann die beiden verstehen.“

Unwillig knurrte der Brünette. Dann ließ er den Kopf hängen und antworte flüsternd: „Ich würde niemanden an dein Geld lassen, Kleiner. Aber Isaak braucht das doch gar nicht und will es eh loswerden.“

Jake sah über die Schulter und kaute auf seiner Unterlippe. „Ich werde keinem Zugriff gewähren oder direkt Geld in die Finger drücken. Aber wir können gerne um kleine Gefälligkeiten sprechen. Essen gehen; Klamotten, sowas eben. Solange du nicht gleich eine Jacht haben willst, können wir gerne drüber reden. Aber bleib auf dem Boden. Ok?“

Kamden hob den Blick und fragte atemlos: „Schuhe?“

„Wenn es normale Schuhe sind und keine aus Gold oder so, spräche nichts dagegen“, meinte der Alpha und zuckte mit den Schultern. Wie teuer konnten Schuhe schon sein? 30 bis 40 Dollar? Großzügig ergänzte er: „Kannst auch gerne mehrere Paare haben.“

Die Augen seine Halbbruders wurde groß und Embry zuckte zusammen als er dessen Gedanken aufschnappte. Irritiert starrte er seinen Gefährten an. Dieser stand traumverloren da. Fehlte nur, dass er sabberte. Aber das konnte ja noch kommen.

Isaak warf dem Brünetten einen kurzen Blick zu und grinste in sich hinein. Ob Jake wusste, was er da eben losgetreten hatte?

Der Alpha hingegen war abgelenkt und bekam nichts mit. Das Flugzeug mit seiner Schwester war gelandet und die ersten Passagiere kamen an ihnen vorbei. Dann sah er sie und übergab Isaak schnell den zweiten Becher. Rasch hob er die Hand. Ausgelassen winkte er und freute sich wie ein kleines Kind.
 

Rachel sah über die Reihe der Wartenden und runzelte die Stirn. Dann sah sie eine Gruppe von vier großen Männern. Sie sahen aus wie Brüder und überragten die anderen Wartenden. Zudem waren sie breitschultrige Muskelberge. Wenn die keine Spritzen nahmen, dann war sie eine Prinzessin. Nur der Rotblonde unter ihnen schien nicht ganz in das Bild zu passen, aufgrund seine Haar- und Hautfarbe.

Einer der Bullen sprang unruhig wie ein Kleinkind herum und winkte ihr aufgeregt zu. Sie verzog das Gesicht und rümpfte empört die Nase. Dann sah sie genauer hin und ihr ging der Mund auf. Wie in Trance kam sie auf die Gruppe zu.

„Rachel“, sagte der größte der Männer und kam ihr entgegen.

„Jake?“, stammelte sie entgeistert und beäugte den Mann misstrauisch. Auch wenn ihr Gegenüber ein Bulle von Mann war, so sah sie doch in seinen Gesichtszügen die vertrauten Konturen. Das war tatsächlich ihr „kleiner“ Bruder. Wie lange war sie nicht mehr zu Hause gewesen? Offenbar war es zu lange her.

„Kleiner, was ist denn mit dir passiert“, stammelte sie und beäugte ihn von Kopf bis Fuß. Dann wurde sie auch schon in eine schraubstockartige Umarmung gezogen und umhergewirbelt.

„Ich habe dich so vermisst, Schwesterherz“, sagte ihr kleiner gigantischer Bruder.

„Luft“, krächzte sie und er setzte sie wieder auf dem Boden ab. Schnell trat sie einen Schritt zurück und Jake hob ihren Koffer vom Boden als würde dieser nur so viel wiegen wie eine Streichholzschachtel. „Wow, da ist man mal eineinhalb Jahre weg und der kleine Bruder wird zu einem Mann.“

Dann runzelte sie die Stirn. Ihr Bruder war gerade mal 16. Der Mann, der vor ihr stand, sah aber nicht aus wie 16, eher wie 21, 22? Auch der Muskelaufbau war sehr ungewöhnlich. So schnell konnte man doch nicht zu einem Muskelberg werden, oder?

„Jake? Nimmst du Anabolika?“, fragte Rachel misstrauisch.

„Nein, hatte nur einen Wachstumsschub“, wich er der Frage aus. Laut ihren Gesetzen durfte er ihr nichts über das, beziehungsweise die, Rudel sagen, ebenso wenig von der Verwandlung in einen Wolf, mit allem, was damit verbunden war.

Er wusste zwar nicht, wie er ihr alles Geschehene erklären und gleichzeitig das Geheimnis wahren sollte, da musste er wohl ein wenig flunkern, um die Lücken zu füllen. In der aktuellen kritischen Situation im Stamm musste er als gutes Vorbild vorangehen und durfte sich keine Fehler leisten.

„Rachel, wenn ich dir vorstellen dürfte“, sagte Jake, trat einen Schritt zur Seite und deutete mit dem Koffer, der hilflos an seiner Hand baumelte, auf den Rotblonden: „Das ist mein fester Freund Isaak. Isaak, das ist meine Schwester Rachel.“

Der Wächter trat mit einem freundlichen Lächeln vor und verbeugte sich. Eine Hand für einen Handschlag hatte er nicht frei. „Ich freue mich, dich kennen zu lernen, Rachel. Oder sollte ich Sie sagen?“

„Bloß nicht“, sagte die Frau und griff sich theatralisch an die Brust. „So alt bin ich nicht, dass ich gesiezt werden möchte. Es freut mich, Isaak.“

„Oh, ich glaube der war für dich bestimmt“, meinte der Rotblonde und gab ihr einen der Pappbecher. Nun hatte er eine Hand frei und sie konnten einander einen Handschlag geben.

Dann wandte sich Rachel den anderen beiden zu. Zuerst erkannte sie keinen der beiden. Der Braunhaarige kam ihr wage bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht einordnen. Dann fixierte sie den letzten im Bunde und hauchte: „Embry, bist du das?“

„Treffer und versenkt, Rachel. Schön, dass du dich an mich erinnerst“, schwatzte der Wolfsjunge und sie gaben sich kurz die Hände. „Und wer bist du?“, frage sie und sah zum vertraut wirkenden Unbekannten hinauf.

Jake räusperte sich verlegen und stellte vor: „Rachel, das ist unser Halbbruder Kamden. Kamden, das ist deine Halbschwester Rachel.“

„Halbbruder?“, stammelte die Frau und starrte dem Mann ins Gesicht. Ja, da war wirklich eine deutliche Ähnlichkeit zu Jake und ihrem Vater zu erkennen. Nur seine Haut war nicht so dunkel und bronzen, wie die der anderen aus ihrem Stamm.

„Dad?“, zischte sie wütend und Kamden trat einen Schritt zurück. Die Situation war ihm nicht geheuer. Jake klopfte ihr auf die Schulter und sagte: „Yep, der Alte hatte einen Seitensprung. Kurz nach eurer Geburt. Aber willst du nicht erstmal hallo sagen, Schwesterchen?“

Wie geschlagen zuckte sie zusammen. Ihr Bruder, ihr kleiner Bruder tadelte sie. Er war nicht mehr der kleine Hosenscheißer den sie zurückgelassen hatte. Jetzt bekam sie ein schlechtes Gewissen. Wie konnte sie sich nur so von ihrer Familie abwenden. Ihr Bruder hatte offenbar einiges durchstehen müssen und sie war nicht für ihn da gewesen. Das musste sie wieder gut machen.

Rachel räusperte sich und Kamden hielt ihr schüchtern die Hand hin. Sie sollte wohl gleich mal die Fronten klären, dachte sie und schlug den Handschlag aus. Dann trat sie zwei Schritte vor und schlang die Arme um den Brünetten, dabei sagte sie: „Willkommen in der Familie kleiner Bruder.“ Sie konnte einfach nicht anders und betonte gleich mal das „kleiner“. Somit stellte sie die Rangordnung in der Familie dar.

Kamden blieb stumm und wusste nicht, was er sagen oder machen sollte. Dann bekam er einen Rippenstoß und einen mahnende Blick von seinem Partner. Schnell erwiderte er die Umarmung und nuschelte ein: „Danke.“

Nach allem, was der Brünette mit der Familie Black bisher erlebt hatte, war er auf diese herzliche Art nicht vorbereitet gewesen.

Als sie sich voneinander lösten, sah Rachel zu dem Kleinsten der Runde und fragte frei heraus: „Ok, ich kann verstehen, warum Kamden und Isaak hier sind. Aber, was ist mit dir, Embry? So gut kennen wir uns auch wieder nicht. Wie passt du in das Bild?“

Der Angesprochene druckste ein wenig rum und wusste nicht, wie er das erklären sollte. Da erledigte das Kamden und sagte: „Weil wir aufeinander geprägt sind. Du weißt schon so ein Wolfsding eben.“

Alle Männer rissen die Augen auf. Jake knurrte wütend und befahl mit der Macht des Alphas: „Kein Wort mehr.“

Augenblicklich war Kamdens Mund wie zugeschnürt. Hatte Sam dem Neuling denn gar nichts erklärt? Dieser verdammte Schwachkopf von Möchtegern Alpha. Andererseits, Jake war nun auch ein Leitwolf. Wenn einer seines Rudels Mist baute, dann ging das auf sein Konto. Er hätte nachhaken sollen, um sicher zu stellen, dass der Neuzugang die wichtigsten Regeln kannte. Nun war es dafür zu spät, oder? Konnten sie sich da noch rausreden?

Rachel sah zu dem Leitwolf und schimpfte: „Was soll dieser Ton auf einmal? Was heißt das, die beiden sind geprägt? Wolfsding? Sowas wie in den alten Legenden?“

Schnell fragte Isaak mental seinen Freund: „Soll ich uns rausreden oder nicht? Ich meine, sie wird es ohnehin bald erfahren. Sobald sie auf Paul trifft, gelten die Regel eh nicht mehr.“

Jake wurde bleich. An diesen flohverseuchten Streuner hatte gar nicht mehr gedacht. Paul wird sich auf Rachel prägen, sobald sie sich begegnen. Aus einem Impuls heraus wollte er seine Schwester augenblicklich wieder fortschicken, nur um das zu verhindern.

„Das darfst du nicht machen“, mahnte die Stimme seines Gefährten in seinem Kopf.

Der Alpha ließ den Kopf hängen und dachte schnell nach. Er traute es seinem Freund definitiv zu, die Situation zu retten, aber was sollte das bringen? Rachel würde es ihnen übelnehmen, wenn sie sich jetzt rausredeten und sie dann doch die Wahrheit erfuhr. Eine Person, auf die ein Wolf geprägt ist, steht unter besonderem Schutz, zudem erfährt sie alles. Die Regeln der Verschwiegenheit galten in diesem Fall nicht mehr.

Dennoch, noch hatte sich kein Wolf auf sie geprägt. Also durfte er ihr nichts sagen. Der Ältestenrat würde ihm die Hölle heiß machen. Nicht mal 24 Stunden Alpha und schon die Regeln gebrochen. Aber dieser Fall war auch wieder anders.

Ohne das Geheimwissen konnte Rachel die Komplexität des Ganzen nicht verstehen. Da fehlten einfach entscheidende Punkte, wie das Rudel, die Prägung und die Sache, dass er nun ein Alpha war.

Jake seufzte innerlich auf und suchte Rat bei seinem Freund durch ihre Verbindung: „Was soll ich machen?“

„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, antwortete Isaak mental.

„Und im Klartext?“

„Es ist deine Entscheidung. Ich sage nur, dass es deiner Schwester missfallen wird, belogen zu werden.“

Der Leitwolf nickte und sagte mental zu allen: „Ich habe mich entschieden Rachel alles zu sagen. Dein Glück Kamden, andernfalls hätten wir nun ein Problem miteinander. Ich bin der Alpha und ich nehme alles auf mich.“ Dann beschwor er seine Leitwolfkräfte und befahl: „Kamden, du darfst wieder reden, mein Schweigebefehl von eben ist aufgehoben.“

Mit sanfter Stimme fügte er hinzu: „Nimm es mir nicht übel, Bruder. Ich dachte, du kennst unsere Regeln. Embry, klär deinen Freund über unsere Gesetzte auf. Ich übernehme derweil meine Schwester.“ Damit war das stumme Gespräch beendet.

Jake atmete noch einmal tief durch, hob den Blick und zeigte Rachel sein schiefes Grinsen. „Ich erkläre dir alles, versprochen. Aber lasst uns erstmal zum Auto gehen. Es gibt so viel zu besprechen und die Rückfahrt ist lang.“ Dann schob er sie einfach vor sich her. Die anderen folgten schweigend. Embry tat wie ihm geheißen und erläuterte Kamden mental alle Regel die zu beachten waren.

Beim Auto angekommen verstaute Jake den Koffer schnell im Kofferraum und sie stiegen alle ein. Isaak mimte den Fahrer und verhielt sich vorbildlich im Straßenverkehr, jedenfalls solange einer der Insassen ihn beobachtete. Auf der Rückbank hatten sich Rachel zwischen ihre Brüder gequetscht und brummte verstimmt. Die Jungs brauchten schon etwas mehr Platz als zwei Hänflinge es taten. Embry war wieder Beifahrer und hörte aufmerksam seinem Leitwolf zu, der die Frau langsam in ihre Welt einführte.

Jake begann mit den alten Legenden und stellte sicher, dass Rachel sich daran erinnerte. Dann ließ er die Bombe platzen und eröffnete, dass alles wahr sei. Erst lächelte seine Schwester und sah das alles als einen Witz an, aber Jake hörte nicht auf zu erzählen. Er sprach über die Kalten Wesen, welche die Cullens waren und wie sein Körper sich rasant veränderte. Über seine ersten Tage als Wolf und wie Sam, sein Alpha, ihn aufnahm und anleitete.

Schließlich, nach langen ausschweifenden Schilderungen über das Leben im Rudel, kam er zu dem Thema Prägung und stellte die Sachlage richtig. Anschließend sagte er: „Deshalb sind Isaak und ich zusammengekommen. Ich habe mich auf ihn geprägt und er sich auf mich. Dasselbe passierte auch bei Kamden und Embry. Deshalb ist er auch hier. Ein geprägter Wolf kann sich nicht allzu weit von seinem Partner oder Partnerin entfernen.“

Dann lehnt er sich zurück und wartete. Seine Schwester musst das alles erstmal verarbeiten. Nach fünf Minuten schweigen schloss sie ihren offenen Mund und fragte: „Ist das dein Ernst? Die Legenden sind wahr? Das alles ist kein Scherz?“

„Yap, alles wahr“, flötete der Leitwolf und sah sich um. Sie hatten die Stadt hinter sich gelassen und fuhren durch menschenlehre Einöde, der Küstenlinie folgend. Ohne dass er was sagen musste, wurde das Auto langsamer und Isaak bog in einen Waldweg ein.

„Was hast du vor? Wo fährst du hin?“, fragte Rachel und sah der Straße nach Hause hinterher.

„Jake will es dir zeigen und ich stelle nur sicher, dass uns keiner stört“, offenbarte Isaak und grinste sie über die Schulter an.

„Hey, sie nach vorne“, schrie die Frau und bangte um ihr Leben. Der Weg, den sie entlangfuhren war nicht mehr als breiter Trampelpfad. Die Bäume standen eng und es war sehr kurvenreich. Der Wächter runzelte die Stirn und versuchte das Verhalten der Dame zu analysieren, während er einfach ohne hinzusehen exakt in der Mitte blieb.

Rachel war sprachlos. Wie konnte der Rotblonde wissen, wie er steuern musste, ohne die Strecke zu sehen?

„Ja, mein Freund ist manchmal sehr speziell“, erklärte Jake und grinste den Wächter liebevoll an. Dann seufzte er: „Schatz, du machst ihr Angst. Tu wenigstens so, als ob du nach vorne siehst, ok? Normale Menschen können das nicht, was du da gerade machst.“

„Oh, verstehe“, murmelte der Rotblonde und sah wieder brav aus der Frontscheibe. Sie fuhren noch einige Minuten, bevor Isaak anhielt. „Im Umkreis von 40 km sind keine menschlichen Lebenszeichen zu erkennen. Wir sind unter uns.“

Während Rachel noch den Kopf schüttelte und sich fragte, woher der Mann das wusste, stiegen alle anderen aus.

Jake suchte sich eine gute Stelle und begann sich zu entkleiden. Irritiert folgte seine Schwester. „Halt, bleib da stehen“, befahl der Alpha. Er wollt sie auf keinen Fall zu nahe bei sich haben. Nicht, dass er sie noch verletzte. Dann ließ er die Short fallen und sie starrte ihren kleinen Bruder mit offenem Mund an: „Jake, was soll das werden?“

„Ich will nur meine Klamotten nicht zerfetzen“, meinte er grinsend und kickte die Boxershorts locker mit einem Fuß weg. „So, bleib ruhig, ich tue dir nichts, versprochen. Denk immer daran, auch wenn ich ein Wolf bin, bin ich immer noch ich. Ich werde dir kein Haar krümmen, Schwesterchen. Du brauchst absolut keine Angst zu haben.“

Dann bevor sie noch was erwidern konnte, verwandelt er sich. Ihr Bruder explodierte und an seine Stelle trat ein Monstrum von einem Wolf, mit rostbraunen Fell.

Sofort war Isaak bei dem Wolf und kraulte ihn am Hals. „Ich liebe es dich zu streicheln. Dein Fell ist so schön weich“, flötete er und löste so die Spannung mit seiner eigenen Art und Weiße.

Der Alpha hob den Kopf, setzte sich auf den Hintern und gurrte genießend. Dann raschelte es neben den beiden und zwei weitere Wölfe gesellten sich zu ihnen. Embry und Kamden hatten es vorgezogen sich hinter einem dichten Busch zu verwandeln.

„Das ist Embry“, sagte Isaak und deutete auf den Hellgrauen.

Der kleinste Wolf jaulte kurz auf und schmuste dann mit dem Schwarzen neben sich.

„Dann ist das Kamden?“, fragte Rachel und deutete auf diesen.

Schnell nickte der angesprochene Wolf.

„Wow“, stieß die Frau hervor.

„Willst du deinen Bruder mal streicheln? Das musst du mal versuchen. Sein Fell ich so flauschig“, meinte der Wächter und Jake knurrte auf.

„Beachte das Knurren einfach nicht. Ist so ein Männerstolzding, verstehst du?“, erklärte Isaak und grinste. Als Rache leckte der Rostbraue ihm einmal über das Gesicht.

„Jake, aus. Die nächste Dusche ist Kilometer weit entfernt“, schimpfte der Mann.

Der Leitwolf erhob sich und ging langsam mit gesenkten Kopf auf seine Schwester zu. Aus dem Hintergrund sagte Isaak: „Bei dir macht er eine Ausnahme, du darfst ihn kurz streicheln.“

Erst wollte Rachel zurückweichen, dann sah sie aber in die klugen bernsteinfarbenen Augen und wusste, dieses monsterhafte Tier war keine Gefahr für sie. Jake blieb kurz vor ihr stehen und winselte ein wenig. Ihr Mundwinkel zuckten und sie streckte die Hand aus. Isaak hatte vollkommen recht das Fell war flauschig und so weich.

„Himmlisch“, murmelte sie und vergrub auch die zweite Hand in dem Fellberg vor ihr.

Jake rollte mit den Augen, hob den Kopf und schnaubte seiner Schwerster in die Haare, sodass dieses in alle Richtungen verstrubbelt wurden.

„Hey“, schimpfte sie und trat einen Schritt zurück. Schnell prüfte sie ihre Frisur und rettete was zu retten war. Dann hob sie drohend einen Finger und konterte: „Mach das nochmal und ich drehe dir Lockenwickler ins Fell.“

Der Leitwolf grinste sein beunruhigendes Wolfsgrinsen und sie setze nach: „Oh, ich kann auch ganz andere Dinge mit deinem Fell anstellen. Wie wäre es mit einem rosa Irokesen von der Schnauze bis zum Schweif.“

Jake schüttelte den Kopf und trat hastig einen Schritt zurück. Das würde sie doch nicht wagen oder doch? Es handelte sich hier um seine Schwester, also sollte er diese Drohung sehr ernst nehmen.

Plötzlich lugte Isaak über den Wolfskopf hinweg, er hatte sich einfach frech auf den Rücken seines Freundes geschwungen, und sagte: „Er sagt: Er ist brav.“

„Woher weißt du, was er sagen will?“, fragte Rachel irritiert trat vor und streichelte erneut über das Fell.

„Mentale Verbindung“, meinte Isaak. „Innerhalb des Rudels können alle die Gedanken der anderen hören.“

„Ok…, immer?“

„Ja“, grinste der Wächter und wusste genau, worauf sie hinauswollte.

„So langsam verstehe ich“, murmelte Rachel nachdenklich und warf einen Seitenblick zu den beiden anderen Wölfen. Die zwei standen immer noch an ihrer Ausgangsposition und schmusten ausgiebig miteinander.

Familienbande

Isaak lachte herzlich und sagte mental: „Ich mag deine Schwester. Sie hat eine gute Auffassungsgabe. Allein an ihrem Blick erkenne ich, dass sie den Kern des Problems im Rudel verstanden hat, bevor du es ihr gesagt hast. Ich bin ja echt mal gespannt auf das Gespräch mit deinem Vater.“

Dann aus heiterem Himmel sah Rachel auf und fragte: „Die drei sind Gestaltwandler, Kinder der Wölfe und was ist mir dir? Ein normaler Mensch bist du sicherlich nicht, zudem du auch nicht zu unserem Stamm gehörst. Also was bist du?“

Das Lachen des Rotblonden erstarb und er schaute sie nachdenklich an. „Hm, ich bin ein Wächter. Dank der besonderen Verbindung zwischen Jakes und mir, bin ich auch ein Gestaltwandler.“

„Was ist ein Wächter?“, harkte sie augenblicklich nach.

„Ich würde vorschlagen, dass wir dieses Thema erstmal aufschieben. Einfach ausgedrückt ich bin ein Wächter allen Lebens. Meine Aufgabe ist es: Die Zukunft allen Lebens sicher zu stellen und Bedrohungen globalen Ausmaßes abzuwenden.“

Irritiert runzelte Rachel die Stirn.

„Wie gesagt, lass uns das erstmal hintenanstellen. Es gibt noch so viel zu erklären, dass würde zu viel werden, fürchte ich.“

„Ok, dann: Du kannst auch zu einem Wolf werden? Darf ich es sehen?“

Jake knurrte und Rachel trat hastig einen Schritt zurück.

„Keine Angst, das galt nicht dir. Jedenfalls nicht direkt. Mein Freund mag es nicht, wenn ich mich vor anderen Entblöße und ich möchte mich gerade auch nicht verwandeln. Vielleicht zeige ich dir meine Wolfsgestalt später“, erklärte Isaak.

Der Rostbraune unter ihm Schnaubte zustimmend und warf einen Blick zu den anderen Wölfen. Kurz dachte er nach, nickte und trat ein paar Schritte zurück. Dann wurde er wieder zum Menschen, wobei sein Freund neben ihm zum Stehen kam. Schnell raffte Jake seine sieben Sachen zusammen und zog sich an. „Jungs, wir sind noch eine Weile vom Revier der Quileute entfernt. Wenn ihr wollt, könnt ihr als Wölfe umherstreifen. Ich gebe euch später einen Treffpunkt durch.“

Kamden hob den Kopf und nickte erhaben. Das war ganz nach seinem Geschmack. Sein Freund hingegen hatte offenbar nichts mitbekommen und schmuste einfach unbeirrbar weiter. Als Wolf war Embry sehr anhänglich und kuschelbedürftig.

„Gut, bleibt in unserer Nähe. Viel Spaß euch“, sagte der Leitwolf und hob eine Hand. Schon schossen die beiden davon. Wobei der Hellgraue auch weiterhin an dem Schwarzen klebte.

Rachel sah den beiden Wölfen nach und fragte sich, was hier abging? Ihr kleinster Bruder war offenbar sowas wie der Anführer der Bande. Er entschied und alle fügten sich. Wenn sie an die Legenden dachte, dann vermutete sie, dass er der Alpha, der Leitwolf des Rudels sein musste.

Jakes Magen rumorte laut und er sah sich nach seinem Gefährten um. Dieser hatte schnell die Kleidung der anderen eingesammelt und im Kofferraum verstaut.

Neben dem Wagen stehend sah der Rotblonde auf und offenbarte: „Wir kommen bald bei einer kleinen Siedlung an. Da können wir sicher was zu essen auftreiben.“

„Ok. Dann lass uns weiterfahren. Es gibt noch so viel zu erklären“, bestimmte der Leitwolf und scheuchte seine Schwester auf die Rückbank. Er nahm ebenfalls hinten Platz. Während Isaak das Auto wieder zu der Straße zurückfuhr, klärte Jake Rachel weiter auf. Nun da sie die Grundlagen verstand, begann er mit seiner Prägung und allem, was seitdem passiert war.

Über eine halbe Stunde redete er ununterbrochen, bis sie die versprochene Kleinstadt erreichten. Kurz zuvor bog Isaak wieder in den Wald ein und sie sammelten die Wölfe ein. Gemeinsam ließen sie sich in einem Diner nieder und wählten den abgelegensten Tisch, damit sie weiterreden konnten.

Jake der sich über die Gesellschaft seiner Schwester freute lud alle ein und sagte: „Ihr könnt euch holen, was immer ihr wollt. Keine falsche Scheu, haut euch kräftig die Bäuche voll.“

Bei der Bestellung allerdings mahnte Isaak mental mit einer todernster Stimme: „Ihr könnt so viel Essen wie ihr wollt, aber bestellt bitte nicht mehr, als ihr auch essen könnt. Ich mag derlei Verschwendung nicht. Bei sowas werde ich echt wütend. Glaubt mir, ihr wollt euch meinen Zorn nicht zu ziehen.“

Entgegen dieser Warnung war der Tisch kurze Zeit später brechendvoll und Rachel machte große Augen als die drei Wölfe, ohne mit der Wimper zu zucken, mit ihrem Beutezug begannen.

„Wölfe brauchen mehr Essen als normale Menschen. Die Menge ist also für sie als normal anzusehen“, flüsterte der Wächter und grinste die Frau an.

„Dass sie keine Tischmanieren haben, offenbar auch“, gab sie ungerührt zurück und drei Köpfe am Tischen zuckten wie geschlagen.

„Oh, wenn du das schon schlimm findest, dann solltest du nicht bei einem Gelage des ganzen Rudels dabei sein“, lachte Isaak und bekam für den freche Kommentar einen Rippenstoß, den er ohne die Miene zu verziehen ertrug.

„Wer gehört denn noch alles zum Rudel“, fragte Rachel leise nach.

„Es gibt aktuell zwei Rudel“, erklärte der Rotblonde. „Sam und Jake sind die Alphas ihrer Rudel. Zu Sam Uley gehören: Jared Cameron, Paul Lahote…“ Bei diesem Namen knurrten die drei Wölfe böse auf. „…Quil Atara V, Collin Littlesea und Brandy Fuller. Jakes Rudel besteht aus: Leah und Seth Clearwater, Embry Call, Kamden Hayes und mir, wobei ich da eine Sonderstellung habe.“

Rachel nickte und sagte: „Du bist sein Beta oder? Als der Freund des Alphas ist das nur verständlich.“

„Das hätte Jake gerne, aber ich weigere mich. In seinem Rudel habe ich keinen Rang und stehe ganz unten in der Nahrungskette“, offenbarte Isaak und sah wie ihre Gesichtszüge entgleisten. „Ich möchte das so. Als Wächter darf ich nicht in den natürlichen Lauf der Dinge eingreifen. Deshalb halte ich mich möglichst raus.“

„Ich bin wohl immer noch nicht ganz auf dem Laufenden, oder?“, fragte die Frau.

„Noch nicht“, meinte Jake und sah von seinem Essen auf. Das war ein Fehler, als der Leitwolf gerade nicht hinsah leerte Kamden dessen Teller. „Bis wir zu Hause sind solltest du aber alles nötige wissen.“ Er sah auf seinen leeren Teller und grollte: „Wer war das?“

„Ich“, sagte sein Bruder, als dieser den letzten Rest Essen beseitigt hatte. „Dein Freund sagt doch: Esst so viel ihr wollt und ich wollte das haben.“ Er zuckte mit den Schultern und feixte seinen Leitwolf an.

Isaak legte Jake eine Hand auf den Oberschenkel und besänftigte ihn ein wenig. Dennoch schnauzte er: „Na warte, deinem Alpha das Essen zu stehlen. Dir werde ich später beim Training die Ohren langziehen.“

Nach dem Essen fuhren sie weiter. Diesmal schloss sich auch Jake den beiden anderen an und überließ es Isaak weiter zu reden. Rachel saß vorne als Beifahrer und sie unterhielten sich ausgiebig.

Neugierig wollte sie ihm einige Informationen zu ihrer Beziehung entlocken, aber der Wächter gab in diesem Punkt nur preis, dass sie ein gleichberechtigte Partnerschaft führten.

Die höfliche und herzliche Art des Rotblonden hatte es ihr angetan und sie mochte den Mann jetzt schon. Erst hatte sie bedenken, aber nun da sie sah wie die beiden miteinander umgingen, konnte sie beruhig sein.

Nachdem dann alles erzählt war und sie im hier und jetzt angekommen waren, schwirrte Rachel der Kopf ein wenig. Sie hüllte sich einige Minuten in Schweigen. Dann sah sie den Fahrer an und fragte: „So, habe alles verarbeitet fürs Erste, aber da gibt es ein paar Lücken. Ich nehme mal an, das hat was mit dem Thema Wächter zu tun?“

„Sehr scharfsinnig“, lachte Isaak. „Soll ich diesen Teil auch noch erzählen oder willst du erstmal deine Ruhe haben? Das war schon eine Menge an Informationen heute.“

„Ach, da kennst du meinen Tutor Mr. Davis nicht. Er hält Vorträge in Philosophie. Durch ihn bin ich abgehärtet. Er redet ohne Punkt und Komma die ganze Stunde lang durch. Fragen sind nicht gestattet. Wer nicht folgen kann, der fliegt aus dem Kurs.“

„Das klingt interessant. Mal sehen“, murmelte Isaak und sein Blick wurde leer. Es sah so aus, als ob er seine Umgebung nicht mehr wahrnahm. Sie wedelte kurz vor seinen Augen, keine Reaktion. Sofort legte sie eine Hand auf das Lenkrad. Aber sie konnte dieses keinen Millimeter bewegen. Der eiserne Griff des Wächters war unbeirrbar.

Dann plötzlich grinste der Rotblonde und sah zu ihr herüber. „Sehr interessanter Mann, dieser Mr. Davis. Einige seiner Theorien sind seiner Zeit weit voraus, andere eher mangelhaft. Im Großen und Ganzen ist er aber ein guter Lehrer, würde ich sagen.“

„Was?“, fragte Rachel und schnappte nach Luft.

„Beginnen wir also mit der Vorlesung zum Thema Wächter…“, sagte Isaak, wobei er perfekt die Mimik und Sprechweise des Lehrers nachahmte.

Rachel wurde bleich. Woher wusste dieser Mann neben ihr auf einmal so gut über ihren Tutor beschied. Das war unheimlich. Sie fühlte sich auf einmal sehr unbehaglich.

Isaak registrierte ihr Verhalten und sah entschuldigend zu ihr herüber: „Bitte verzeih. Ich wollte dich nicht ängstigen. In deiner Stimme lag nur viel Hochachtung für Mr. Davis, sodass es mein Interesse geweckt hat. Mit Hilfe meiner Magie kann ich durch Raum und Zeit sehen. Daher konnte ich einigen Vorlesungen deines Tutors beiwohnen.“

Der Wächter achtete mal wieder überhaupt nicht auf die Straße und Rachel riss die Augen auf, als sie auf eine scharfe Kurve an einem Abgrund zusteuerten. Während sie schon mental ihr Testament machte, wurde das Auto langsamer und nahm die Kurve ohne von der perfekten Mittelline abzuweichen.

„Ängstigt dich meine Art und Weiße?“, fragte Isaak und versuchte ihre Miene zu ergründen. „Das war nicht meine Absicht. Ich wollte dir nur eine Freude bereiten. Entschuldige bitte.“

„Wie machst du das?“, stieß Rachel hervor und sah ihm ins Gesicht. Sie deutete auf die Straße. „Wie kannst du mich ansehen und gleichsam den Weg sehen?“

„Oh“, meinte der Wächter und runzelte die Stirn. „Nun ja, ich sehe die Straße nicht. Jedenfalls nicht mit den Augen. Das ist vielleicht ein wenig zu kompliziert. Sagen wir einfachheitshalber, ich habe mehr Sinne als normale Menschen. Ich orientiere mich anhand einer Art Echolot, zudem behalte ich die Umgebung mit meinem Geist erfasst. Es ist schwer einem Menschen das zu erklären. Zumal mein Verstand auch wesentlich komplexer und effizienter arbeitet.“

Sprachlos starrte die Frau ihn an.

„Können wir nicht einfach sagen: Ich bin ein Wächter und ich kann das? Das würde die Angelegenheit wesentlich vereinfachen.“

„Du kannst in die Vergangenheit sehen und hast zusätzliche Sinne. Ok, das muss ich erstmal verarbeiten“, sagte Rachel und schloss die Augen. Langsam kehrt die Farbe in ihr Gesicht zurück. Sie machte es sich auf dem Sitz bequem und sagte: „Du wolltest mir eine Vorlesung halten. Leg los. Mal sehen wir gut du Mr. Davis imitieren kannst.“

Als Isaak anfing zu sprechen, riss sie abermals die Augen auf und starrte ihn an. Neben ihr saß noch immer der Rotblonde aber die Stimme mit der er redete, gehörte eindeutig ihrem Lehrer. Er ahmte Mr. Davis nicht nach, er war Mr. Davis.

Sie grinste, entspannte sich wieder und lauschte der Vorlesung. Nach einigen Minuten zückt sie sogar Block und Stift und machte sich Notizen. Isaak sah ihr dabei zu und legte nebenher einen kleinen Verwirrungszauber über das Geschriebene, nur zur Sicherheit. Er konnte es nicht gestatten, dass sein Wissen ungeschützt irgendwo niedergeschrieben stand. Alle Eingeweihten könnten es lesen, alle Unwissenden würden nur eine Mischung aus unzusammenhängenden Zeichen vorfinden.

Die Wölfe im Wald lauschten ebenfalls dieser Vorlesung. Vor allem für Kamden und Embry war einiges dabei, was sie noch nicht wussten. Da ihr Verstand mit dieser Informationsflut zu kämpfen hatte, gaben sie es irgendwann auf, folgten ihren wölfischen Instinkten und rannten ziellos umher.

Nach einer Weile bog Isaak wieder in den Wald ein. Kurz hinter einer Kurve tauchten auch schon die Wölfe auf. Der Rostbraune trabte neben der Fahrertür. Die anderen beiden liefen auf der anderen Seite, wobei der Hellgraue sich so nahe wie möglich bei dem Schwarzen aufhielt.

Rachel beobachtete die Wölfe und deren Interaktionen miteinander, bis sie im Unterholz verschwanden, um sich zu verwandeln. Zu fünft fuhren sie weiter und erreichten die Grenze der beiden Rudel. Die drei Jungs hatten sich auf die Rückbank gequetscht. Embry saß in der Mitte und freute sich mal wieder ausgelassen mit Jake zu reden. Kamden hörte nur mit einem Ohr zu und sah aufs Meer hinaus.

Nach einer ausschweifenden Erklärung von der Jagd auf einen Blutsauger, welche Jake während seiner Zeit in den Außenposten und in New York verpasst hatte, landete seine Hand aus Versehen auf Kamdens Bein. Dieser sah auf und legte ebenso zufällig seine Hand obendrauf. Je mit einem Daumen begannen sie die jeweils andere Hand zu streicheln, während nun Jake begann zu erzählen, was sie auf ihrer Reise erlebt hatten. Einiges unwichtiges hatte er bisher ausgelassen.

Nun erfuhren die anderen von der Story in der Schwulenbar und wie sie da überhaupt gelandet waren.

Bei dieser Geschichte rümpfte Rachel die Nase und meckerte: „Jake, du bist erst 16. Du hast weder etwas in einer Bar zu suchen, egal welche es sein mag, noch Alkohol zu trinken!“

Schuldbewusst kratzte sich ihr Bruder am Hals und sah angemessen drein. Isaak lachte auf und sagte: „Rachel, du solltest nicht allzu streng sein. Auch wenn Jake auf dem Papier 16 ist, vom Körper und Verstand her ist er wohl eher auf deinem Niveau. Wölfe wachsen rasant bis sie einen Körper von 25 Jahren erreichen. Dann bleibt ihre körperliche Entwicklung stehen. Sie altern nicht mehr und könnten quasi ewig leben. Zudem solltest du wissen, dass der Wolfsmetabolismus wesentlich schneller arbeitet. Einen Wolf betrunken zu bekommen ist nicht leicht. Außerdem war ich ja auch noch da. Ich habe auf ihn aufgepasst.“

Rachel betrachtete den Wächter neben sich und sagte spitz: „Wenn du besser aufgepasst hättest, dann hätte dieser Kellner meinem Bruder keine Drogen unterjubeln können. Wie viel wert ist also dein Schutz?“

Das hatte gesessen und der Rotblonde sackte zusammen. Sie hatte recht, es war seine Schuld. Er war ein miserabler Freund gewesen und begann sich schreckliche Vorwürfe zu machen. Mit jedem Gedanken und jeder Sekunde fühlte er sich schuldiger und hilfloser. Der Schmerz bohrte sich tief in sein Herz und er begann sich in sein Inneres zurückzuziehen. Die Umgebung blendete er mehr und mehr aus. Allein seine Aufgabe als Fahrer vernachlässigte er nicht, überließ dies aber seinem Körper.

„Es war nicht seine Schuld“, knurrte Jake wütend. Er spürte, was die Worte seiner Schwester angerichtet hatten und musste diese Spirale schnell unterbrechen.

„Das sehe ich aber anders“, meinte Rachel stur und sah zur Seite. Sie erschrak. Der Blick des Wächters war leer und ausdruckslos. „Was ist mit ihm?“, fragte sie entsetzt.

„Er gibt sich selbst die Schuld und versinkt gerade in Selbstvorwürfen“, schrie der Alpha aufgebracht. „Bei sowas ist er sehr empfindlich. Du hast ihm weh getan. Wärst du nicht meine Schwester, würde ich dich dafür zerreißen.“

Rachel zuckte zurück. So aufgebracht hatte sie ihren Bruder noch nie gesehen. „Es… Es tut mir…“, stammelte sie eingeschüchtert, aber er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.

Mit sanfter Stimme sagte der Leitwolf: „Isaak, setz den Blinker für rechts, werde langsamer und halte den Wagen an.“

Der Körper seines Freundes tat wie ihm befohlen. Alle wirkten etwas Irritiert. Was war hier los?

„Gebt mir einen Augenblick. Ich versuche ihn zu wecken“, meinte der Alpha und griff nach dem Geist seines Freundes. Er redete eine Weile auf seinen Geliebten ein und versicherte ihm, dass ihn keine Schuld traf. Er war doch kein Gott und konnte nicht alles im Auge behalten. Zudem war er geschwächt und irren sei menschlich.

Nach viereinhalb Minuten blinzelte Isaak und sagte kleinlaut: „Verzeiht, ich war kurz abgelenkt.“

Schnell wandte sich Rachel an den Mann neben sich und bat: „Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht verletzen.“

„Du hast mich nicht verletzt. Es ist die Wahrheit, die mir Schmerzen bereitet. Ich hätte es sehen müssen, habe es aber nicht. Dieser Fehler wird mir kein zweites Mal unterlaufen.“

„Genug davon“, entschied Jake und stieg aus. Seine Stimme war sanft, aber es lag auch eine Tonlage darin, die Eindeutig machte, dass er keinen Widerspruch duldete.

Isaak stieg ebenfalls aus und wurde in eine Umarmung gezogen. Schnell raubte sich der Leitwolf noch einen Kuss, dann stiegen sie wieder ein. Den Rest des Weges fuhr der Alpha selbst.

Es herrschte betretenes Schweigen und keiner wagte es die Stille zu durchbrechen. Dann räusperte sich Jake. „Ich möchte euch bitten, das mit den Ko-Tropfen für euch zu behalten.“

Die drei anderen stimmten murmelnd zu.

Schnell schüttelte der Alpha den Kopf und seine sonst so fröhliche Art kehrte zurück: „So Schwesterherz, soll ich dir unser neues Zuhause zeigen oder willst du direkt nach La Push.“

Rachel dachte kurz nach und entschied erstmal zu Billy zu fahren. Die Situation mit ihrem Stamm schien ihr das vordringlichste Problem. Gegen diese Magierin Morgan Le Fay konnte sie eh nichts ausrichten, wenn die Angaben des Wächters korrekt waren. Das überstieg eindeutig ihren Horizont.

Als sie in die Straße nach La Push einbogen, bekamen die drei Wölfe ein mulmiges Gefühl. Sie sahen nach rechts in den Wald und wussten, dass sie beobachtet wurden.

„Das fängt ja gut an“, murrte Jake und fuhr langsamer. Er fragte sich, welcher seiner ehemaligen Kameraden im Gebüsch lauerte.

Isaak beantwortet die ungestellte Frage: „Es ist Quil. Er hat Alarm geschlagen. Sam mitsamt seines ganzen Rudels ist auf dem Weg hierher.“

Der Leitwolf wurde langsamer und hielt an. Dann stieg er aus und rief in den Wald: „Wir begleiten nur meine Schwester Rachel zu unserem Alten. Das ist kein Angriff auf das Rudel. Sag Sam, wenn er will, kann er sich mit uns vor unserem Haus treffen.“

Er sah zu seinem Freund und dieser nickte. „Er hat dich gehört und gibt es weiter. Sams gesamtes Rudel wird kommen, als Menschen.“

„Gut“, knurrte Jake, stieg wieder ein und fuhr langsam weiter. Er wollte den anderen Zeit geben, sich zu beruhigen bevor die Situation noch eskalierte.

Rachel saß eingesunken auf ihrem Sitz und fragte ängstlich: „Vielleicht war das doch keine gute Idee.“

„Keine Sorge“, besänftigte der Leitwolf. „Dir werden sie kein Haar krümmen. Die Gesetze des Rudels sind in der Hinsicht eindeutig. Du bist ein Mensch und ein Mitglied des Stammes. Außerdem auch noch die Tochter des Häuptlings. Sam würde es nicht wagen dich zu verletzen. Du bist eine Schutzbefohlene und somit sicher.“

Auch wenn er selbst nicht zu 100% von seinen eigenen Worten überzeugt war, so legte er so viel Zuversicht wie möglich in seine Stimme.

„Rachel ist sicher“, bestätigte Isaak und sagte zu ihr: „Ich garantiere für deine Sicherheit. Keiner wird dich anrühren, solange ich in deiner Nähe bin.“

Auch wenn sie nicht wirklich wusste, wie mächtig der Wächter eigentlich war, so beruhigte sie das Wissen, dass dieser sie beschützen würde.

Vor dem Haus der Blacks hatte sich das gesamte Rudel von Sam aufgestellt und blockierte den Weg.

Alle trugen lediglich kurze Short in mehr oder weniger gutem Zustand und hatten die Arme vor der Brust verschränk. Ihr Alpha stand an der Spitze.

Noch bevor sie ganz ausgestiegen waren, hörten sie schon Pauls liebliche Stimme: „Sie mal einer an, ein Wagen voller Schwuchteln. Na ihr Homos, fühlt ihr euch sicher, wenn ihr euch hinter einer Frau verstecken könnt?“

Eher war Rachel diejenige, die sich etwas hinter die vier stellte. Zwar erkannte sie einige der vor ihnen stehenden Jungs, aber die gesamte Masse an Muskeln und die unnatürliche Größe jedes Einzelnen ließ ihren Magen doch etwas flau werden.

Wütend stürmten Jake und Kamden los und wurden von ihren jeweiligen Partnern zurückgehalten. Erzürnt knurrte der Brünette überheblich: „Komm doch her, du hässlicher Bettvorleger. Dann zeige ich dir, was so ein Homo mit einem Schwächling wie dir anstellen kann. Wir haben eh noch eine Rechnung offen, du Penner.“

„Da reißt der kleine Schwanzlutscher ja richtig die Fresse auf. Wollen wir mal sehen, ob meine Faust da hineinpasst?“

Kamden grinste fies: „Neidisch, dass du keine Freundin findest? Ich meine, wer will schon sowas wie dich. Wobei es wohl auch sehr schwer wird eine Partnerin zu finden, die dir nicht intellektuell überlegen ist. Wie wäre es mit einem holen Stein? Der würde wunderbar zu dir passen.“

Paul bebte vor Zorn und trat einen Schritt vor.

„Genug“, knurrte Sam und nutzte die Macht des Alphas um den Streit zu beenden. Paul bebte weiterhin, konnte sich aber nicht gegen den Befehl seines Leitwolfs stellen.

Der Brünette grinste fies und stichelte: „Und nun gib brav Pfötchen.“

Daraufhin kämpfte sein Widersacher gegen die Macht, die ihn zurückhielt an und seine Augen traten leicht hervor, während er versuchte, so viel Verachtung und Hass wie nur möglich in seinen Blick zu legen

„Kamden!“, mahnte Jake. „Man tritt nicht nach. Oder hast du keine Ehre im Leib?“

Auch wenn sein Bruder die Macht des Alphas nicht benutz hatte, so zeigten seine Worte die gleiche Wirkung, aber aus einem anderen Grund.

Sam hatte absichtlich nur sein Mitglied zurückgehalten. Er wollte wissen, was sein ehemaliger Beta in dieses Situation tun wurde. Eigentlich hatte er erwartet das Jake ebenso wie er auf die Macht des Alphas zurückgreifen würde, aber er tat es nicht. Das ärgerte Sam. Schnell sah er sich die gegnerische Gruppe an und sein Blick blieb auf der Frau hängen, die sich mittlerweile neben den Wächter getreten war „Rachel weiß Bescheid?“

Der andere Leitwolf nickte. „Ja, sie weiß alles.“

„Das ist schon wieder ein Verstoß gegen unsere Gesetze. Aber es macht die Sache auch leichter. Rachel darf durch. Ihr anderen, verschwindet wieder. Die Sitzung des Rates ist erst heute Abend, bis dahin bleibt ihr außerhalb meines Reviers.“

Jake baute sich zu voller Größe auf und knurrte: „Das ist nicht deine Entscheidung. Du kannst uns weder verbannen noch werden wir uns deinem Willen beugen. Wir können kommen und gehen, wie es uns passt. Wir werden nun alle gemeinsam meinen Alten besuchen, ob du willst oder nicht. Wenn das alles war, was du zu sagen hattest, dann mach nen Abflug und nimm deine Schar willenloser Schafe mit.“

Die Stimmung war angespannt und gereizt. Beide Alphas taxierten sich und spielten verschiedene Kampfszenarien durch. Aber egal wie man es drehte oder wendete, es lief immer auf einen Kampf um die Macht hinaus. Nur ein Leitwolf konnte mit einem Leitwolf kämpfen und der Macht der Stimme widerstehen. Sam würde Jakes Rudel erstarren lassen, aber Jake würde das Gleiche auch mit seinem Rudel machen. Ein Zweikampf schien unausweichlich.

Sam schluckte und versuchte eine andere Taktik: „Jake, es ist noch nicht zu spät. Lass uns das friedlich beenden. Ich gebe zu: Deine Verbannung war vorschnell. Gib deinen kindischen Widerstand auf und lass die Rudel wieder zu einem werden. Was sagst du?“

Der zweite Alpha wurde sehr ruhig und fragte tonlos nach: „Das soll dein Kompromiss sein? Ich soll mich dir unterwerfen, und dann? Alles vergeben und vergessen?“

„Ja“, sagte Sam und breitete die Arme aus.

„Lügner!“, fauchte Isaak und erklärte: „Du hast vergessen zu erwähnen, dass dieses Angebot nur für Leah und Seth gilt. Die beiden können zurückkommen. Aber Jake, Kamden, Embry und auch ich werden verbannt.“

„Ist das wahr, Sam?“, fragte Jacob ruhig.

„Was hast du erwartet? Ihr brecht unser Gesetz. Ihr vier könnt nicht bleiben. Aber für Leah und Seth ist es noch nicht zu spät“, knurrte sein ehemaliger Alpha wütend, weil er ertappt worden war.

„Ist das deine Art zu verhandeln? Wo ist deine Ehre geblieben? Hast du so große Angst vor mir, dass du es mit sowas versuchst?“ Der jüngste der Blacks schüttelte den Kopf und ergänzte: „Das ist echt armselig, Sam. Ich hatte so lange zu dir aufgesehen und mehr von dir erwartet. Du tust mir echt leid. Du bist nichts weiter als meines Vaters Marionette.“

„Wie kannst du es wagen?“, tobte Sam und hob drohend seine Faust.

In Jakes Augen blitzte es gefährlich und er sprach mit der vollen Macht des Leitwolfes: „Ich kann das Schicksal des Rudels nicht länger in deine unfähigen Hände legen. Ich dachte, wir könnten auf Augenhöhe reden, das war wohl ein Irrtum. Heue Abend wirst du dich mir vor den Augen des Rates unterwerfen. Du kannst dein Rudel behalten und auch weiter Alpha spielen, wenn du das willst, aber du wirst mir unterstellt sein und nicht mehr dem Rat. Das ist meine Entscheidung, als der „Wahre Alpha“ des Rudels und du wirst dich mir fügen.“

Sam spürte zum ersten Mal die volle Power eines „Wahren Alphas“ und erzitterte. Er hatte nicht erwartet, dass Jake so stark war.

Paul sprang vor und unterbrach den Blickkontakt der beiden. „Du abartige Missgeburt. Wir werden uns dir niemals unterwerfen. Du bist weniger wert als der Dreck unter meinen Fingernägeln. Du widerliche Ausgeburt…“

Klatsch!

Alle rissen die Augen auf. Rachel war bei dieser Schimpftirade vorgestürmt und hatte Paul eine saftige Ohrfeige verpasst. Auch wenn ihre Hand nun unglaublich schmerzte, war es das wert gewesen. Ihr Gegenüber schien einen Augenblick erstarrt, aber nicht aus Schmerz, sondern aus Überraschung.

Paul blinzelte und in ihm erwachte der Zorn. Er würde sich verwandeln und diese freche Frau in die Schranken weisen. Mit Hass in den Augen sah er zu ihr runter. Sie starrte mit dem gleichen Hass zurück. Ihre Augen trafen sich.

Isaak grinste ein schiefes Grinsen und Jake knurrte wütend, war aber machtlos. Es musste einfach sein.

Alle aus Sams Rudel zuckten zusammen als Paul sich auf Rachel prägte. Dessen Augen flackerten und die Pupillen weiteten sich. Dann änderte sich der Ausdruck von Hass zu treuer Ergebenheit und Liebe.

Rachel bekam davon nichts mit. Ihre Hand schmerzte und sie hüpfte ein wenig auf und ab. Dabei sah sie auf ihre Verletzung und fauchte: „Entschuldige dich, du hirnloser Idiot.“

„Entschuldigung. Ich wollte dich weder verletzen noch verärgern“, sagte Paul ergeben und schien wie ausgewechselt.

Irritiert starrten alle den einst so aggressiven Wolfsjungen an.

Auch Rachel hob den Blick und sah diesen eigenartigen Ausdruck in den braunen Augen ihres gegenüber. „Du sollst dich nicht bei mir entschuldigen“, sagte sie misstrauisch und deutete auf ihren kleinsten Bruder. „Entschuldige dich bei Jake wegen deiner abfälligen Worte.“

„Entschuldigung, Jake“, sagte Paul mit neutraler Stimme, sah aber nicht auf. Seine Augen waren fest auf die Frau geheftet.

„Kann mir mal einer sagen, was hier los ist?“, schrie Billy plötzlich. Der Alte wurde vom Tumult vor seinem Haus angelockt und war mit seinem Rollstuhl durch die Haustür gestürmt. „Was macht das Auto der Cullens hier. SAM! Ist etwa einer der Blutsauger hier? Macht mal Platz, ich wüsste gerne, wer da ist.“

Sams Rudel trat benommen zur Seite und gab dem alten Mann die Sicht auf die Ankömmlinge frei. Er erblickte seine Söhne und deren Partner. „Ich will diese widerlichen Schwuchteln nicht sehen. Scheuch sie weg. SAM! Hörst du mich? Mach, was ich dir sage.“

Rachel machte einen Schritt zur Seite und fuhr ihren Vater an: „Hi, Dad. Wir müssen reden!“

Da Paul direkt vor ihr gestanden hatte, war es ein Schock für den Rollstuhlfahrer als er seine Tochter erspähte. Tonlos sagte er: „Rachel, Schatz? Was machst du denn hier?“

Ein große glückliche Familie

„Jake hat mich angerufen“, meinte Rachel und zuckte mit den Schultern. „Er dachte wohl: Es ist mal wieder Zeit, dass ich mich blicken lasse.“

Billy blinzelte mehrmals und sah zu seinen Söhnen. Sein Blick verengte sich zornig.

„Ja, das ist auch so ein Thema.“, sagte seine Tochter und schob sich an Paul vorbei, der sie immer noch anschmachtete. „Wollen wir nicht ins Haus gehen? Oder willst du gleich hier und jetzt hören was ich zu allem zu sagen habe.“

Der Blick des Alten huschte zu Sam und Rachel sagte scharf: „Wenn du Sams Rudel auf deine Söhne hetzt, dann mache ich auf dem Absatz kehrt. Ich warne dich, Dad.“

Billy sackte kurz zusammen und schien angestrengt nachzudenken. Um sich mehr Zeit zu verschaffen, fragte er: „Du weißt über das Rudel Bescheid?“

„Ich weiß über „die“ Rudel Bescheid“, korrigierte die Frau.

„Jake hätte dir das nicht sagen dürfen“, meinte ihr Vater missmutig. „Dafür muss er sich vor dem Rat rechtfertigen.“

„Oh, das sehe ich aber anders“, sagte Isaak im Hintergrund mit seiner melodischen sanften Stimme. „Paul ist auf Rachel geprägt, somit darf sie alles Wissen.“

„WAS?“, schrien Billy und seine Tochter synchron und sahen zu dem schmachtenden Paul.

Der Rollstuhlfahrer sackte abermals in sich zusammen. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Rachel hingegen fragte entsetzt: „Das soll doch ein Scherz sein, oder?“

Nun mischte sich Jake ein und erklärte: „Nein, Schwerster. Was glaubst du, warum er auf einmal so ruhig ist und sich entschuldigt hat? Er ist auf dich geprägt und tut alles, um dir zu gefallen.“

Bei der Steilvorlage konnte sich Kamden einfach nicht bremsen und sagte: „Lass ihn mal sitz machen. Ich will sehen, wie er Pfötchen gibt.“

Für diesen bösen Kommentar bekam er je eine Kopfnuss von Jake und Embry.

„War doch nur Spaß“, grummelte der Brünette. Aber seine Kameraden ließen sich nicht täuschen. Er hatte es ernst gemeint. Schnell beugte sich sein Alpha vor und flüstere ihm ins Ohr: „Du weißt schon, dass Embry das auch mit dir machen könnte? Ich würde mir es zweimal überlegen, wem du so einen Floh ins Ohr setzt.“

Entsetzt sah Kamden zu seinem Freund. Dieser grinste fies, sagte aber mental und nur zu ihm: „Keine Sorge, ich halte mich an unseren Deal. Ich mache dir keine Szene, versprochen.“ Embry strich sich über das Kinn. „Es sei denn, du bist nicht brav. Dann könnte ich mir das nochmal überlegen.“

Sein Partner schluckte und schwor ihm mental: „Ich bin brav. Ich verspreche es.“

Schnell warf Embry einen Seitenblick zu Paul und flüsterte: „Ich kann ihn nicht leiden. Aber mal sehen, wie sich die Prägung auf seinen Charakter auswirkt. Wenn er wieder zum Arschloch wird, dann bin ich dafür ihn zu bestrafen.“

„Das ist weder deine Aufgabe noch Kamdens“, meinte Jake. „Ihr werdet euch nicht in die Beziehung der beiden einmischen. Oder soll ich das auch bei euch machen?“ Erschrocken starrten seine beiden Rudelmitglieder ihn an. „Nein, also gut. Leben und leben lassen.“

Billy war neben der Spur und wusste nicht mehr, was er machen sollte. „Ok, lasst uns reden. Sam. Lass meine Kinder durch.“ Er sah auf und fauchte: „Die anderen bleiben aber draußen.“

Isaak und Embry nickten ergeben. Paul allerdings schien nichts mitzubekommen.

Jake und Kamden mahlten mit den Zähnen, stimmten aber zu, um den Frieden zu wahren. Sams Rudel zog sich indes etwas zurück.

Der Häuptling mühte sich einen Augenblick, hatte sich aber festgefahren und kam nicht vom Fleck. Schnell sprang Jake vor, schnappte sich die Griffe am Rollstuhl und schob seinen Vater auf das Haus zu. Dieser lief rot an und brabbelte wütend vor sich hin. In Rachels Gegenwart traute er sich nicht eine Szene zu machen.

Rachel ging an den beiden vorbei und wollte die Tür offenhalten, da spurtete Paul an ihr vorbei und hielt nun seinerseits ihr die Tür auf. Die Frau war etwas überrascht und brachte nur ein: „Danke“ zu Stande, als sie an dem Wolfsjungen vorbeiging. Paul strahlte wie ein Honigkuchenpferde und glühte sie unverwandt an.

Rachel ging in das Wohnzimmer und ihr Schatten folgte ihr einfach. Die Haustür schwang zu. Entnervt stöhnte Jake auf. „Kamden, wärst du so freundlich?“

„Für dich ja, für den Alten nein“, knurrte sein Bruder. Er hatte schlechte Laune. Embry war nicht neben ihm und das machte ihm mehr zu schaffen als er bereit was zuzugeben. Dennoch ging er zu der Tür, öffnete sie und ließ die beiden durch.

Dann gingen alle ins Wohnzimmer. Dort thronte, musste man schon sagen, Rachel auf dem Sessel. Jemand, alle sahen zu Paul, hatte alle Kissen zusammengesammelt und eine Art Nest gebaut, in dem nun die Frau saß und den Wolfsjungen neben sich nachdenklich musterte.

Jake schob seinen alten Herrn an seinen regulären Platz und quetschte sich mit seinem Bruder auf das winzige Sofa, das sehr unbequem war, nun da es keine Kissen mehr besaß.

Schnell warf er einen Blick zu seiner Schwester und fragte genervt: „Eure Hoheit, würdet ihr uns vom niederen Volke die Gust eines Kissens gewähren?“

Rachel zuckte zusammen und warf ihren Brüdern je ein Kissen zu. Den missmutigen Ausdruck im Gesicht ihres Schattens bemerkte sie dabei nicht.

Schnell zog er ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er vor ihr in die Hocke ging und mit einem verträumten Lächeln fragte: „Darf ich dir was zu trinken bringen? Oder hast du Hunger? Ich kann dir was zu essen machen. Du musst es mir nur sagen, Rachel.“ Ihren Namen sprach er mit so einer Ergebenheit aus, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagte.

Billy in seiner Ecke knurrte: „Das ist mein Haus. Raus hier Paul. Das ist eine Familienangelegenheit!“

Der Wolf ignorierte den Ältesten und starrte einfach weiter seine Angebetete an.

„Ein Glas Wasser bitte“, sagte Rachel schnell und warf Jake einen fragenden Blick zu. „Wird er nun immer so sein?“

„Nein“, beruhigte sie der Jüngste der Runde. „Das wird sich einspielen. Einfach ausgedrückt, er weiß gerade nicht, was du willst und wie er dir gefallen kann, also ist er unterwürfig und macht alles, was du willst. Sobald er sich sicher ist, dass du ihn akzeptierst, wird er wieder einigermaßen normal. Du bist nun das wichtigste für ihn. All seine Gedanken drehen sich nur um dich.“

„Moment mal. Du hast dich doch auf Isaak geprägt. Hast du nicht erzählt, dass du dich gegen die Prägung geweht hast? So wie Paul warst du also nicht drauf, oder doch?“

„Nein“, bestätigte Jake. „Isaak hat meine Prägung abgeschwächt und so konnte ich mich zur Wehr setzen. Aber das ist echt keine gute Idee. Der Drang ist einfach zu stark. Ich hätte mich fast selbst zu Grunde gerichtet bei dem Versuch meiner Prägung zu wiederstehen.“

„Aber nun ist das anders, oder? Ich meine, du bist wieder normal und Isaak steht unter dir, wenn ich das richtig verstanden habe.“

„Ich bin ich. Aber bei uns ist das etwas ganz anderes. Einfach ausgedrückt: Isaak hat uns mit seiner Magie aneinandergebunden und unsere Prägungen aufgehoben“, erklärte ihr Bruder mit starker Stimme. „Zudem führen wir eine gleichberechtigte Beziehung. Nur im Rudel hat er sich mir unterworfen.“

Entsetzt rissen Billy und Rachel die Augen auf. Der Häuptling moserte leise Beschimpfungen vor sich hin. Wie konnte sein Sohn und Erbe hier vor ihm sitzen und solche abartigen Dinge sagen?

Die Frau hatte allerdings ganz andere Sorgen. Sie nahm das Glas mit Wasser von ihrem treuen Schatten entgegen und trank erstmal einen Schluck. Dann fragte sie vorsichtig: „Und was wird aus Paul, wird er wieder normal werden?“

„Ich werde das werden, was du willst“, flötete dieser ergeben.

Jake zuckte mit den Schultern und erklärte: „Das liegt an dir. Wie er eben sagte: Er wird das, was du willst. Wenn du ihn so haben willst, wie er vor der Prägung war, dann wird er das. Du verstehst nicht wie stark die Prägung ist. Also pass bitte auf, vor allem jetzt am Anfang ist er dir absolut hörig. Das wird sich in einigen Stunden oder Tagen legen. Wenn du zu ihm sagst, spring einen Abgrund hinunter, dann macht er das auch, mit einem Lächeln im Gesicht.“

„Das ist ja schrecklich“, stieß seine Schwester aus. „Was wenn sich ein Wolf auf eine Person prägt, die ihn nicht will? Was, wenn ich Paul abweisen würde, was dann?“ Sofort war der geprägte Wolf vor ihr in die Hockte gegangen und winselte sie mitleidig an. Sie konnte einfach nicht anderes und tätschelte ihm den Kopf.

„Wenn du ihn wegschickst und ihm sagst, du willst ihn nicht mehr sehen, dann wird er genau das machen“, brummte Billy auf einmal. „Er würde in deiner Nähe bleiben, er kann nicht anders. Je weiter du dich von ihm entfernst, desto schmerzhafter wird es für ihn. Er würde sich aber verstecken und alles in seiner Macht Stehende tun, damit du ihn nicht mehr siehst, gleichsam aber dich beobachten und vor allen Gefahren beschützen.

Solltest du zum Beispiel angegriffen werden, dann wird er sich deinem Willen widersetzen und aus seinem Versteck kommen. Deine Unversehrtheit wiegt schwerer als deine Worte. Du hast nun also einen Beschützer der sein eigenes Leben opfert, wenn er dich damit vor Schaden bewahren kann. So tickt ein geprägter Wolf.“

„Was ist, wenn die Person, auf die sich ein Wolf prägt, böse ist? Was, wenn sie ihre Macht missbraucht?“, harkte Rachel nach. Sie war bleich geworden. Von ihrem Bruder diese Informationen zu bekommen und nun selbst in dieser Position zu sein waren gänzlich verschieden Dinge.

Billy sah zu seinen Söhnen und mahlte mit den Zähnen: „So einen Fall gab es noch nie. Wir hatten immer angenommen, dass die Prägung dazu dient den Fortbestand des Rudels sicher zu stellen und stärkere Nachkommen zu zeugen, aber…“, er brach ab und hüllte sich in Schweigen.

Jake seufzte und fragte: „Wenn ihr wollt, kann Isaak das Erklären. Er hat sich die Prägung in allen Einzelheiten angesehen. Er kennt ihre Bedeutung und alle Hintergründe.“

„NEIN“, schrie sein Vater. „Der kommt nicht in mein Haus.“

„Gut, dann versuche ich mal mein Glück, das zusammenzufassen“, sagte Jacob und ließ den Kopf hängen. „Die Prägung hat eine tiefere Bedeutung: Zum Teil stimmt unsere alte Annahme: Den Fortbestand der Wölfe zu sichern ist ein Teil der Prägung, aber das ist nicht ihre Hauptaufgabe. Ein Wolf prägt sich auf die Person, die ihn stärker macht.

Laut Isaaks Forschungen spielt dabei ein Art Seelenverwandtschaft eine starke Rolle. Sieht ein Wolf durch die Augen einer Person auf eine ihm vertraute und ähnliche Seele so prägt er sich augenblicklich. Primär wird ein Wolf sich aber auf eine Person des anderen Geschlechts prägen, um Nachkommen zu zeugen. Sollte er jedoch auf die richtige Person treffen, welche sozusagen durch das Schicksal für ihn bestimmt ist, so ist das Geschlecht und auch die Rasse vollkommen egal.

Theoretisch gibt es einige potenzielle Partnerinnen für einen Wolf. Seine Instinkte wählen dabei die bestmögliche Partie für ihn aus, wobei er kein Mitspracherecht hat. Auch spielt das Schicksal dabei eine starke Rolle. Alles ist miteinander verwoben. Ein Wolf, dessen wahrer Seelenpartner oder Partnerin lebt, wird sich nur auf diese Person prägen.

Das Ganze ist sehr kompliziert gestaltet. Das Problem ist, dass der wahre Seelenpartner nicht unbedingt in der Nähe leben muss und die Instinkte der Wölfe nur eine begrenze Reichweite haben. Das Schicksal, ob sie sich jemals Treffen werden spielt da auch mit rein. Ebenso, ob diese Person überhaupt schon geboren wurde oder sogar bereits gestorben ist. Seelenverwandtschaften sind auch eher selten, da jede Seele einzigartig ist. Wie gesagt, es ist ein sehr komplexes Thema.

Bei Isaak und mir war es ein Anschlag auf sein Leben, welcher meine Prägung ausgelöst hat. Isaak weiß nicht, ob es unser Schicksal war zueinander zu finden. Er ist aber der Meinung, dass wir uns gut ergänzen und einander stärken. Auch muss eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen uns vorliegen, sonst hätte unsere Seelenbindung nicht funktioniert. Isaak kann in die Zukunft sehen, aber nur dann, wenn er nicht selbst Teil davon ist. Somit kann er nicht mit Bestimmtheit sagen, was aus uns werden wird.

Bei Kamden und Embry sieht es anders aus: Die beiden sind füreinander bestimmt. Sie sind wahre Seelenpartner. Wohingegen Pauls Instinkte Rachel als beste Partnerin bestimmt haben. Seine wahre Seelenpartnerin starb noch vor seiner Geburt. Somit wurde Rachel zu seinem Schicksal.

In diesem Zusammenhang wird sich ein Wolf aber niemals auf eine Person prägen, welche ihm Schaden würde. Seelenverwandte wollen einander helfen und unterstützen, sie ergänzen und stärken sich gegenseitig.“

Billy schnaubte: „Das sagt jedenfalls dieser Wächter. In unserer gesamten Geschichte gab es nie eine solch abartige Verbindung.“

„Hm…“, brummte Jake und sagte: „Isaak hat diesbezüglich etwas nachgeforscht. Vor Kamden und mir gab es mehrere Wölfe dessen wahre Seelenpartner Männer waren, aber nur einer hatte sich geprägt. Alle andern haben ihre Partner nie getroffen. Immer starb einer der beiden, bevor sie sich finden konnten. Taha Akis dritter Sohn allerdings, war auf einen Mann geprägt. Das hielten sie aber geheim und es wurde nach seinem Tod niemals mehr erwähnt.“

„Lügen“, spuckte sein Vater ihm entgegen. „Du und dein Halbbruder, ihr seit die einzigen die sich wider der Natur verhalten.“

„Glaub doch, was du willst, alter Mann“, fuhr Jake ihn an. „Ich habe mich eh schon damit abgefunden, dass du mich nicht mehr als Sohn ansiehst. Ich bin nicht hier, um mir deine Ideologie anzuhören, sondern, um dir eine Warnung auszusprechen.“

Billy lief rot an und wollte gerade loswettern, da hob Jake die Hand, holte tief Luft und sagte eindringlich: „Lass uns vier einfach in Ruhe. Das ist alles, was ich noch von dir will.“

„Und wenn nicht?“, schrie der Rollstuhlfahrer. „Ich werde erst ruhe geben, wenn diese abartigen Verbindungen gelöst sind.“

Jake sprang auf und in seinen Augen funkelte es zornig. Seine Stimme war aber ruhig: „Mein Vorschlag ist: Du lässt uns in Ruhe und wir werden dir aus dem Weg gehen. Mehr kann ich dir nicht anbieten. Solltest du es aber erneut wagen, meinen Freund mit fadenscheinigen Anschuldigungen, hinter Gitter zu bringen oder uns vieren sonst irgendwelche Steine in den Weg zu legen, dann wirst du mich kennenlernen.

Du bist mein Vater und gehörst zur Familie. Auch, wenn du mich hasst, so kann ich nicht aus meiner Haut, ich liebe meine Familie und will sie beschützen. Das ist der einzige Grund, warum ich dir bisher kein Haar gekrümmt habe. Machst du aber so weiter, dann wird sich das ändern.“

„Du willst einen wehrlosen alten Mann schlagen? Dann komm her und zeig mir, was aus meinem ehrenvollen Sohn geworden ist. Ich leg dich übers Knie, du undankbareres Balg“, tobte Billy. Er griff nach einem Schürharken. Alle hielten die Luft an während der Ältere das rostige Eisen hob und zuschlug. Er zielte auf das Gesicht seines Sohnes.

Jake seufzte, wehrte den Angriff locker mit einer Hand ab und entwand seinem Vater das Eisen. Dann verbog er den Schürharken und machte einen Knoten in das Metall. Den unförmige Metallklumpen warf er seinem Vater vor die Füße. Dieser riss die Augen auf und sah auf das etwas, was eben noch seine Waffe gewesen war.

Mit trauriger Stimme sagte Jake: „Niemals werde ich die Hand gegen meinen Vater erheben. So tief werde ich nicht sinken. Aber ich kann dir auch auf andere Weise das Leben schwer machen. Das will ich aber nicht. Können wir nicht einfach einen Waffenstillstand vereinbaren?“

„Nein“, sagte Billy und ihm war noch immer der Schreck anzusehen. „Ich werde solche Perversionen nicht dulden. Geht, verlasst das Reservat und kehrt nie zurück.“

Jake ließ sich niedergeschlagen wieder auf das Sofa sinken. „Das ist auch unsere Heimat, Dad. Ich werde meine Aufgabe als „Wahrer Alpha“ und Beschützer der Schutzlosen erfüllen, egal ob es dir passt oder nicht.“

„Sam ist der Alpha, nicht du. Du bist nur eine Missgeburt“, schrie der Älteste.

„Missgeburt?“, fragte Rachel scharf nach und mischte sich zum ersten Mal mit ein. „Wie soll ich das verstehen Dad?“

„Er ist mit einem Mann zusammen, Schatz. Siehst du das denn nicht? Das ist abnormal. Das kann ich nicht dulden“, versuchte Billy sich zu erklären. Seine Stimme war nicht mehr hasserfüllt während er sprach. Sie triefte aber vor Abneigung und Ekel.

„Dad, die Welt hat sich gewandelt. Schwul sein ist nichts ungewöhnliches mehr. Allein in meinem Philosophie-Kurs haben wir drei offen Schwule. Wer weiß schon, wie viele es verstecken und sich nicht trauen es offen zu zeigen. Genau wegen Leuten wie dir haben die meisten Angst davor, wie sie in der Gesellschaft wahrgenommen werden.“

„Rachel Schatz, versteh doch, das ist falsch.“

„Was soll daran falsch sein? Was genau ist eigentlich dein Problem?“, fragte seine Tochter und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Es ist wider die Natur.“

„Das stimmt nicht. Allein bei den Tieren gesehen gibt es auch bekannte schwule oder lesbische Verbindungen. Bei den Menschen gibt es das auch schon seit langem. Im antiken Griechenland war der beste Freund eines Mannes mehr wert als die eigene Frau. Die hatten nie ein Problem damit, das offen zu zeigen. In Sparta wurde eine Verbindung zwischen Männern sogar bewundert und gefördert. Weltweit gibt es überall Homosexuelle. Zudem kann etwas nicht wider der Natur sein, was ein Teil der Natur ist“, erklärte Rachel langsam. „Hast du noch mehr Argumente? Oder stützt sich dein ganzer Hass auf mangelnde Informationen und eine altertümliche Weltsicht?“

Einen Moment war der Häuptling sprachlos. Dann wetterte er: „Es ist gegen das Gesetz des Stammes.“

„Dann sollte man mal darüber nachdenken das Gesetzt anzupassen, oder? Wenn ich mich recht entsinne, gibt es da nicht auch ein uraltes Gesetz, welches besagte: Wäsche waschen ist die Aufgabe der Frau und muss kurz vor Sonnenaufgang in einem fließenden Gewässer erledigt werden, damit die Kleidung bis abends getrocknet ist?

Tja, also das hat sich wohl auch geändert, oder? Dem Mann, der mir sagt, ich soll im Bach seine Socken waschen, dem zeige ich den Vogel. Heute kann selbst ein Mann eine Waschmaschine bedienen. Was macht dann eigentlich ein Junggeselle? Alles zu Mami bringen? Ich glaube mich zu erinnern, dass du auch schon die Wäsche gemacht hast. Oh Gott, du hast das Gesetz gebrochen. Vater, ich glaube, du musst dich selbst Verbannen, da führt wohl kein weg dran vorbei. Gesetz ist Gesetz.“

Billy lief knallrot an. Ein solches Gesetz gab es wirklich. Es fand heutzutage keine Anwendung mehr, aber es wurde nie abgeschafft. „Ich, ich…“, stammelte er und fand ein neues Argument: „Schwule und Lesben können keine Kinder bekommen.“

Rachel runzelte die Stirn. „Echt jetzt. Die Kinderkarte?“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Darauf werde ich nicht näher eingehen. Adoption und künstliche Befruchtung. Mehr sage ich dazu nicht.“

„Es geht mir aber um die Erblinie und da gilt Adoption nicht. Bei der künstlichen Befruchtung wäre es dann nur das leibliche Kind eines der Beiden. Weder zwei Frauen noch zwei Männer können Nachwuchs bekommen ohne Hilfe von außen, das ist nicht normal. In einer Ehe sollte es möglich sein Kinder zu bekommen.“

Unruhig rutsche Jake auf dem Sofa umher. „Geht es dir darum, dass ich kein Kind bekommen werde, um den Namen Black weiter zu führen?“

„Ja, mitunter“, knurrte Billy und warf seinem Sohn einen hasserfüllten Blick zu.

„Was ist mit Rachel, wenn Paul ihren Namen annimmt und sie Kinder bekommen hast du deinen Stammhalter doch, oder?“

„Nein, Rachel ist meine Tochter. Die Erblinde geht nur mit einem männlichen Stammhalter weiter“, beharrte Billy stur. „Da könnt ihr sagen, was ihr wollt, so war es schon immer und das wird auch so bleiben. Ich liebe meine Töchter und ich werde auch meine Enkel lieben, aber nur ein Sohn kann die Erblinie fortsetzen. Und beide meiner Söhne sind schwul. Also endet mit mir der Stammbaum der Blacks.“

Jake ließ den Kopf hängen und haderte mit sich selbst. Er war noch nicht bereit für dieses Thema, aber er wollte seinem Vater den Wind aus den Segeln nehmen. „Dad, Isaak und ich können Nachkommen bekommen.“

Die Augen des Ältesten traten hervor und er schrie: „Lüge. Missgeburt…“

Sein Sohn hob eine Hand und erklärte: „Ein Mann kann kein Kind bekommen, das stimmt, in diesem Punkt gibt dir Isaak recht. Er kann aber unser beider Erbgut vermischen und eine befruchtete lebensfähige Eizelle daraus erzeugen. Wir wären somit die biologischen Eltern. Wir benötigen nur eine kompatible Leihmutter.“

Jake wurde rot und setzte kleinlaut nach: „Darüber will ich aber noch nicht nachdenken. Ich bin erst 16. Zudem sind wir unsterblich. Also haben wir viel Zeit uns darüber den Kopf zu verbrechen. Ich wollte dir nur sagen, dass es möglich ist. Nicht mehr, nicht weniger.“

Seine Schwester staunte nicht schlecht und sagte kleinlaut: „Also wäre dieser Punkt auch vom Tisch. Wenn ihr Nachwuchs bekommen könnt, der euer beider Erbgut enthält, wäre das ein wahrer Stammhalter, jedenfalls wenn das Kind männlich werden würde.“ Sie runzelte die Stirn. „Kann es überhaupt weiblich werden, bei zwei Männern als Eltern?“

„Isaak sagt: Rein theoretisch kann er alles bestimmen: Augenfarbe; Haarfarbe; männlich, weiblich; Erbkrankheiten; einfach alles. Mit seinem Wissen kann er alles beeinflussen und anpassen. Aber er würde einen anderen Weg gehen, meint er. Er will mit seiner Magie eine Spermazelle von sich zu einer Eizelle umfunktionieren, dann kann das Schicksal seinen natürlichen Lauf nehmen. Allerdings muss er sich erst mit diesem Thema beschäftigen. Er weiß nicht, ob unser beider Erbgut kompatibel ist, immerhin ist er kein Mensch mehr, er ist ein Wächter. Das muss er erst erforschen. Bei Kamden und Embry wäre das was anderes. Sie sind beide Gestaltwandler, Menschen. Bei ihnen wäre es ohne Probleme möglich. Halten wir einfach fest, dass es eventuell möglich ist, ok?“

Sein Bruder warf ihm einen Seitenblick zu. Über Nachwuchs hatte er auch noch nie nachgedacht. „Ich weiß nicht, ob ich Kinder in die Welt setzen will. Aber mir gefällt der Gedanke, dass es möglich ist. Damit steht eine homosexuelle Beziehung einer Heterosexuellen in nichts mehr nach.“

„Schwule sind pädophil und verbreiten Krankheiten, wie AIDS. Solche Leute sollten keine Kinder haben. Allein diese Unzucht, wenn zwei Männer sich betten ist schon abartig genug. Dann auch noch Nachwuchs zu zeugen wäre die Krönung der Abnormität“, schrie Billy, der sich noch nicht geschlagen geben konnte.

„Ja, diese Vorwürfe kenn ich“, sagte Rachel und ergänzte: „Indianer sind dumme versoffene Waldmenschen die dem Glückspiel frönen. Wir müssen wohl oder übel den gesamten Stamm verbannen. Ist doch alles wahr, oder?“

Entsetzt starrte ihr Vater sie an, mit offenem Mund.

„Ok, das war wohl zu hoch für dich. Dad, Schwule und Lesben sind nicht pädophil, sondern Pädophile sind pädophil. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Dinge. Zum Thema Krankheiten. AIDS galt wirklich mal als Schwulenkrankheit, das wurde schon lange widerlegt. Echt mal Dad. Ich hasse Leute die nur irgendwelchen Blödsinn nachbrabbeln, weil sie nicht in der Lage sind selbst zu denken.“

Sie schüttelte den Kopf und fragte: „Hast du auch noch ein brauchbares Argument oder ist das alles? Halbwahrheiten, Aberglaube und Verleumdungen. Ich bin wirklich enttäuscht, Dad. So hast du uns nicht erzogen.“

Der Rollstuhlfahrer war langsam am Ende seines Lateins, aber ein Argument hatte er noch. Er deutete auf seine Söhne und sagte: „Schwule sind keine echten Männer. Sie sich schwach und können keine ehrenhaften Krieger sein.“

Nun riss aber Kamden der Geduldsfaden. Bisher hatte ihm Embry immer wieder beruhigende Worte zugeflüstert. Aber als Schwächling ließ er sich nicht abstempeln. Mit einem Satz war er bei seinem Vater. Dieser schrie auf und hob panisch die Arme, um sich zu wehren.

Jake überlegte, ob er ihn aufhalten sollte, entschied sich aber dagegen. Ihr Alter hatte eine Abreibung verdient. Zudem wusste er, was sein Bruder vorhatte. Solange er ihm keine Schmerzen zufügte, würde er nicht eingreifen.

Kamden hob Billy einfach hob und setzte ihn auf dem Boden ab. Er würde seinem Vater mal zeigen, wer hier der Schwächling war. Dann nahm er sich den alten Rollstuhl vor. In wenigen Sekunden hatte er das Ding zu einem Haufen verarbeitet. Als er fertig war, lag vor ihm ein Klumpen Metallschrott, hübsch zu einer Kugel gepresst.

„So, alter Mann. Hier bitte schön. Dein Schwächling von Sohn hat dir ein schönes Geschenk gemacht. Reicht das oder soll ich gleich das ganze Haus zerlegen, um meine Stärke zu beweisen?“, knurrte der Brünette und kickte die Metallkugel zu dem am Boden liegenden Mann.

„Genug“, sagte Jake, stand auf und ging zu seinem Vater. Er beachtete dessen Toben nicht weiter, hob ihn auf und trug ihn zum Sofa. Sanft setzte er ihn dort ab.

Rachel hatte sich wieder gefasst und meckerte: „Kamden, das war echt übertrieben. Man vergreift sich nicht an einem Wehrlosen. Was soll der Mist?“

„Kamden hatte recht“, meinte Jake und sah zu seiner Schwester runter. „Genug ist genug. Dad, kann sich nicht immer hinter Sam und seinem Diabetes verstecken. Er wirft uns vor keine echten Männer zu sein, ist aber selbst hilflos und schreit wie ein Mädchen. Das finde ich sehr verwerflich. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“

Er sah zu seinem Vater. Dieser hatte die Arme vor der Brust verschränkt und war schon wieder so rot wie eine Tomate. „Den Rollstuhl ersetze ich dir, Dad. War eh schon uralt das Ding.“

„Ich kann selbst für mich Sorgen. Ich brauche weder dich noch die Almosen dieses selbsternannten Wächters“, meckerte Billy und versuchte zu seiner erhabenen Art zurückzufinden. Er schnaubte angewidert. „Sam hat mir seinen Brief und die Dinge gebracht, die er mir geschickt hat. Ich lasse mich nicht kaufen, sag das diesem Arschloch.“

Jakes Auge zuckte gefährlich, aber noch konnte er sich beherrschen. „Ein Brief von Isaak? Was für Dinge? Von was redest du?“

„Oh, hat er dir das gar nicht erzählt? Der werte Wächter wollte mich mit schönen Dingen bestechen. Die Pakete liegen in deinem Zimmer und auch der Brief. Ich habe nichts davon angefasst. Ich wollte es zurückschicken, aber es war keine Absende-Adresse drauf. Dann kamt ihr zurück, ich wollte dir heute Abend das Zeug zurückgeben“, rechtfertigte sich der Älteste.

Jake blinzelte und ging in sein Zimmer. Rachel und Kamden folgten ihm ungefragt. Mit einem Stich im Herzen sah er, dass der Raum unpersönlich leer war. Nur die Möbel waren noch da. Alles von ihm war weg. Auf dem abgezogenen, verwaisten Bett lagen vier große Pakete. Alle waren unangetastet und auf dem ganz links lag ein ungeöffneter Brief.

Jake griff nach der Nachricht und riss sie auf. Er wusste, dass Isaak seinem Vater in New York was geschrieben hatte, aber nicht was. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er diesen Brief, sowie den für Sam und die Pakete für alle, vollkommen vergessen. Es war einfach zu viel passiert im Anschluss.

Er las die Zeilen und ihm ging langsam der Mund auf. Vollkommen neben sich stehend reichte er den Zettel an seine Schwester weiter. Ihr erging es nicht besser. Über ihre Schulter entzifferte auch Kamden die Schrift. Er runzelte die Stirn und sagte: „Dein Freund ist eine Nummer für sich, Jake. Das muss ich echt sagen.“

Die anderen beiden nickten. Dann stampfte Rachel ins Wohnzimmer zurück und warf ihrem Vater den Brief auf den Schoß. „Lies das. Dann reden wir weiter.“

„Ich will…“, begann Billy aber sie schnitt ihm mit einer Handbewegung die Worte ab. „Lies den Brief, Dad. Bitte.“

Der Ältere grummelte und faltete das Blatt auseinander. Ungebeten reichte Jake ihm die Lesebrille. Ohne danke zu sagen nahm er diese und widmete sich dem Schriftstück.
 

Sehr geehrter Mr. Black,

ich möchte mich in aller Höflichkeit für mein ungebührliches Verhalten bei der Ratssitzung entschuldigen. Es war weder meine Absicht noch meine Intention mich zu verwandeln. Ich bitte Sie daher mir diesen Fehler zu verzeihen.

Ich möchte keinen Keil zwischen Ihnen und Jake treiben. Verzeihen Sie mir meine Direktheit, aber lassen Sie mich Ihnen einen gut gemeinten Rat geben: Versöhnen Sie sich mit Ihrem Sohn. Akzeptieren Sie ihn so wie er ist. Jake hat diesen Weg gewählt und selbst ich kann ihn nicht zur Umkehr bewegen. Ich bitte Sie, überdenken Sie Ihre Meinung. Es schmerzt mich zu sehen wie sich Ihr Verhältnis zu Jake verändert hat. Ich weiß, das ist meine Schuld, aber ich kann es leider nicht ändern.

Für all die entstandenen Unannehmlichkeiten habe ich mir erlaubt Ihnen einige Dinge zu senden. Bitte nehmen Sie und das Rudel diese als eine kleine Entschädigung an. Und auch, wenn Sie diese Geschenke höchstwahrscheinlich als Almosen oder Bestechungen ansehen werden, die sie nicht annehmen wollen, sollten Sie wissen, dass es rein praktische Inhalte sind, die das Rudel sehr wohl gut gebrauchen kann.

Da leider alle unsere bisherigen Treffen unter keinem guten Stern standen, hoffe ich hiermit einen Neubeginn erreichen zu können. Der Sitte nach möchte ich Sie auch ganz offiziell um ihre Gunst bitten, da ich gedenke Ihrem Sohn den Hof zu machen.

Hochachtungsvoll

Wächter Isaak

Bedingungen

Billys Blick begann mit Verärgerung, wechselte zu Verwunderung wie der Wächter ihn so gut kennen konnte, dann zu Wut. Am Ende lief er rot an und warf den Brief erzürnt von sich. Er machte seinen Ärger Luft und schrie: „Meinen Segen wird er niemals bekommen. NIEMALS.“

Rachel hob den Brief auf und schüttelte den Kopf. „Dad, was ist nur aus dir geworden. Ich erkenne dich gar nicht mehr. Bist du wirklich so von Hass zerfressen? Verstehst du nicht, was dieser Brief bedeutet? Kannst du nicht mehr zwischen den Zeilen lesen?“

„Ich werde diese Verbindung nicht tolerieren und ich lasse mich nicht kaufen“, tobte ihr Vater und redete sich langsam in Range.

„Apropos Geschenke“, begann Kamden und runzelte die Stirn. „Was ist in den Paketen?“

Jake zuckte mit den Schultern und fragte schnell nach. Dann schüttelte er den Kopf und offenbarte: „Nur Kleidung und Essen. Isaak wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er sich die Gunst der Leute kaufen will. Seine Intention ist recht simpel: Durch sein Zutun hatte das Rudel Kleidung eingebüßt, diese wollte er einfach ersetzen. Das Essen ist als gut gemeinte Geste zu verstehen. Er wollte Emily ein wenig entlasten und ihr eine Freude bereiten. Das ist alles. Mehr steckt nicht dahinter.“

Er sah zu seinem schimpfenden Vater hinab: „Die Pakete gehen an Sam. Isaak will sie nicht zurück. Für ihn war es lediglich ein Dankeschön und Friedensgeschenk. Nicht mein Problem, wenn du das nicht verstehst, Dad.“

Mental setzte er sich mit dem Wächter in Verbindung: „Schatz, könntest du uns einen Rollstuhl besorgen? Kamden hat…“

„Ich habe alles mitbekommen“, unterbrach ihn der Rotblonde. „Hm, statt einen Rollstuhl zu besorgen würde ich gerne etwas anderes vorschlagen. Ich kann deinen Vater auch einfach heilen, dann braucht er so ein Ding nicht mehr.“

„Ernsthaft? Nach allem, was er getan hat, bietest du ihm an, ihn zu heilen? Was bist du, ein Heiliger?“, fragte Jake, wobei er vor lauter Verwunderung laut gesprochen hatte.

„Nein, ich bin kein Heiliger, aber er ist dein Vater und dir wichtig“, erklärte Isaak mit seiner Stimme und so laut das ihn jeder im Haus hören konnte.

Alle starrten zwischen der Haustür und Jake hin und her.

Der Alpha schnaubte und schüttelte den Kopf. Sein Freund würde ihm noch mal einen Hirnschlag verpassen, mit solchen Aktionen. Er sah zu dem Ältesten hinab und sagte: „Isaak kann dir einen neuen Rollstuhl besorgen oder dich heilen. Damit wir uns recht verstehen, Dad. Dieser Vorschlag kommt nicht von mir und ich bin auch dagegen. Nach allem, was du getan hast, verdienst du die Gunst meines Freundes nicht. Aber er hat dieses Angebot ausgesprochen. Also leite ich es weiter. Wähle.“

Billy war sprachlos und entsetzt. Er öffnete den Mund, bekam aber kein einziges Wort heraus.

„Ach, bevor du dich entscheidest sollten wir über die Bedingungen reden. Isaak komm rein und erkläre es ihm“, bestimmte Jake und ließ sich etwas abseits auf dem Boden nieder.

„Sicher, dass ich das Haus betreten darf?“, frage der Wächter unsicher nach.

„Ja, das ist immer noch auch mein Haus, bis mein Dad mich offiziell rauswirft“, meinte Jake und lehnte sich gegen die Wand.

Langsam und vorsichtig kam der Wächter in den Raum und blieb in der Tür stehen. Weiter wagte er sich nicht vor. Billy machte den Hals lang und spähte über die Sofalehne wütend zu dem Eindringling. Dann schimpfte er: „Was kommt jetzt? Willst du meine Gunst mit meiner Heilung erkaufen? Du hast mir meinen Sohn gestohlen, was willst du noch? Meinen Stolz?“ er deutete auf den demolierten Rollstuhl. „Da kommst zu spät, du Monster.“

„Ich will nichts von Ihnen als Gegenleistung. Es geht um die Bedingungen, welche meine Magie unterliegt. Eine dauerhafte Verletzung wie die Ihre erfordert einen Tribut“, stellte der Rotblonde sachlich dar.

„Warum so höflich auf einmal? Bisher hast du mich auch einfach geduzt“, knurrte Billy und blinzelte verwirrt.

Isaak runzelte die Stirn und erklärte: „Liegt das nicht auf der Hand? Bei unserem ersten Treffen, hatte ich mich auf Ihren Sohn geprägt und sah keine Möglichkeit mein Schicksal zu ändern. Da es nicht meine freie Entscheidung war, dass es so verlief, habe ich es nicht für Nötig erachtet Sie zu siezen.

Bei unserem zweiten Treffen hatte Jake bestimmt, dass wir nur Freunde sein sollen. Da sah ich auch keinen Grund für diese Höflichkeit. Ich duzte eigentlich jeden. Nur wenigen, die es auch verdient haben, gewähre ich die Gunst sie zu siezen.

Als Jake und ich uns in New York näherkamen und sich eine echte Beziehung anbahnte änderte das alles für mich. Damit wurden Sie zum Vater meines Freundes und da ist es nur angemessen Sie zu siezen. Daher habe ich auch um Ihre Gunst gebeten. Ich hatte mich entschieden: Mich auf diese Beziehung einzulassen.“

Das verschlug dem alten Mann erneut die Sprache.

„Um die Bedingungen zu bestimmen, müsste ich Sie untersuchen“, meinte Isaak vorsichtig und schlug den Blick nieder.

Billys Augen zuckte. Bevor er aber etwas erwidern konnte, meckerte Jake in seiner Ecke: „Jetzt frag nicht lange und mach einfach. Ich habe heute noch was anderes vor als zu warten bis mein Dad über seinen Schatten springt.“

Isaak sah auf und musterte den Ältesten. Dann kam er langsam näher. Er umrundete das Sofa und Billy hob abwehrend die Hände. „Fass mich ja nicht an.“

„Das hatte ich nicht vor“, murmelte der Wächter und hob eine Hand. Etwa einen halben Meter von dem Mann entfernt fuhr er dessen Konturen nach und untersuchte ihn mit seiner Magie. Vom Kopf bis zu den Füßen prüfte er den Gesundheitszustand genauestens. Als er fertig war, stand er auf und dachte kurz nach. Sein Gesichtsausdruck war eine eiserne Maske und ließ keine Emotionen durchsickern.

Dann eröffnete er: „Hm, das wird nicht so einfach wie ich dachte.“ Isaak sah zu seinem Freund. „Ich dachte, dein Vater hat nur Diabetes.“

„Was heißt denn hier nur?“, fragte Jake alarmiert nach.

Der Wächter sah wieder zu seinem Patienten und offenbarte: „Nun ja, der Diabetes ist wohl das kleinste Problem. Ich habe so einige Dinge festgestellt. Gelenkverschleiß, Knorpelschäden und die zwei Bandescheiben-Prolaps zum Beispiel, aber auch diese sind kein größeres Problem. Sowas passiert vielen im fortgeschrittenen Alter.“

„Was ist es dann?“, fragte Rachel mit einer hohen schrillen Stimme.

„Ich bin kein Arzt und weder an die Schweigepflicht noch an den hypokritischen Eid gebunden. Dennoch ist das etwas, was ich nicht einfach so sagen werden“, sagte der Wächter zu Billy. „Ich würde vorschlagen das unter vier Augen zu besprechen.“

Der Alte schnaube angewidert und meckerte: „Mit dir werde ich nicht allein in einem Raum sein. Nun spuck´s schon aus. Was ist los?“

„Sie haben Bauchspeichelkrebs im fortgeschrittenen Zustand“, offenbarte Isaak langsam. „Der Krebs hat bereits Metastasen gebildet. Sie haben die Schmerzen wohl nicht bemerkt, weil Sie durch die Bandscheibenvorfälle bereits Rückenschmerzen haben. Zudem werden Aufgrund der Durchblutungsstörungen der Diabetes die Symptome verschleiert. Wobei der Diabetes selbst ein Symptom des Bauchspeichelkrebses ist.

Ihr Zustand ist äußerst besorgniserregend. Wenn Sie sofort zu einem Arzt gehen, kann Ihr Leben mittels herkömmlicher Medizin um einige Jahre verlängert werden. Ohne Behandlung gebe ich Ihnen höchstens noch drei Monate.“

Alle Anwesenden waren geschockt und Billy erbleichte. Rachel sprang vor, ging vor ihrem Vater auf die Knie und flehte zu Isaak: „Bitte, du musst ihn Heilen. Ich flehe dich an.“ Sie nahm die Hände des Alten in die ihren und schluchzte laut.

Kamden hielt sich, wie Paul, im Hintergrund. Er mahlte mit den Zähnen und schien nicht glücklich mit der ganzen Situation. Aber er hatte keinen wirklichen Bezug zu seinem Erzeuger, denn mehr als das war Billy auch nicht für ihn, sein Erzeuger. Zudem hatte der Alte sich ihm gegenüber nicht gerade herzlich verhalten. Dennoch traf es auch ihn, dass sein Dad so schwer krank war. Offenbar hatte er doch noch nicht alle Bindungen und Hoffnungen zu dem Mann gekappt und begraben.

Jake sprang auf. „Kannst du das heilen?“, fragte er seinen Freund schnell.

„Ja und Nein. Mein Magievorrat ist aktuell zu niedrig. Die Bedingungen für eine sofortige Heilung währen gravierend.“

„Was wären die Bedingungen?“, fragte Billy kleinlaut und tätschelte geistesabwesend seiner Tochter den Kopf.

„Hm, bei der Behandlung würden äußerst starke Schmerzen auftreten. Zudem wird es Spätfolgen geben. Sie würden impotent werden und zudem müsste ich Ihr Wolfsgen deaktivieren. Damit nehme ich Ihnen die Möglichkeit sich zu verwandeln.“

„Das ist alles?“, fragte Billy und sah verständnislos aus. „Ich bin eh schon impotent und viel zu alt für die Verwandlung.“

„Nein und nein“, meinte Isaak langsam. „Sie sind körperlich nicht in der Lage weitere Kinder zu zeugen, aber ihr Sperma ist in Ordnung. Man könnte es extrahieren. Was die Verwandlung anbelangt, so ist diese nicht unbedingt vom Alter abhängig. Um genau zu sein, befinden Sie sich mitten in der Verwandlung. Das Wolfsgen ist erwacht, als Sie das erste Mal auf die Cullens getroffen sind. Aber aufgrund des Bauchspeichelkrebs wird alle Energie für die Heilung benötigt. Ohne den Tumor hätten Sie sich vor Jahren verwandelt. Ohne die Heilungskräfte der Wölfe wären sie allerdings auch schon vor Jahren gestorben.“

Der Wächter ließ den Kopf hängen. „An Ihrem aktuellen Zustand trage ich die Verantwortung. Der durch mich entstandene Stress belastet Ihren Körper zusätzlich. Hinzu kommt noch, dass ich die Kraft der Wölfe kurzzeitig angezapft hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein Unentschieden. Die Ausbreitung der Krebszellen und die von der Wolfsheilung zerstörten Zellen waren gleichauf. Jedoch nun haben die Tumore die Oberhand gewonnen. Ohne meine Einmischung in das Schicksal Ihres Sohnes, wäre Ihr Zustand stabil geblieben.“

„Was?“, stammelte der Älteste.

„Ich schwöre: Das ist die Wahrheit. Ich verdrehe meist die Wahrheit oder sage nicht alles, aber ich lüge niemals“, schwör Isaak und hob die Hand.

„Naja, es war nicht deine Schuld, dass alles so gekommen ist. Jetzt können wir eh nichts mehr daran ändern“, begann Jake und runzelte die Stirn. „Egal, kommen wir zum Thema zurück. Dad hat schon vier Kinder und ist eh zu alt für weitere. Das ist also kein Verlust.“ Das eingeworfene: „Hey“, Seitens des Ältesten ignorierte er und redete einfach weiter: „Dass er sich nicht verwandeln kann, ist auch kein Problem. Er hatte eh nicht damit gerechnet. Blieben also nur noch die Schmerzen. Kannst du die auf mich übertragen?“

Isaak zuckte zusammen und sagte: „Ja, aber das werde ich nicht. Ich kann dir nicht weh tun. Zwing mich bitte nicht dazu. Das könnte ich nicht ertragen.“

Ungläubig schaute Billy zwischen den Beiden hin und her. „Ich bin ein Mann. Ich kann meine Schmerzen auch alleine aushalten“, knurrte er und wurde erneut zornig.

Sofort mischte sich Rachel ein und bestimmte: „Ich nehme die Schmerzen auf mich.“

Paul der in einer Ecke stand knurrte wütend, aber keiner beachtete ihn.

„Nein“, sagten ihre beiden Brüder synchron. Die Zwei sahen sich kurz an und Kamden trat vor. „Bevor Rachel die Schmerzen aushalten muss, mache ich das.“ Er warf seinem Vater einen bösen Blick zu und offenbarte: „Das mache ich nur, weil du alter Sack mir irgendwie leidtust und ich nicht will, dass Rachel wegen dir Schmerzen erleiden muss. Das hat sie nicht verdient.“

Billy wurde rot und tobte: „Ich werde mir nicht von einer Schwuchtel helfen lassen. Weder du noch Jake werden meine Schmerzen aushalten. Du wirst mir nicht noch mehr meiner Ehre wegnehmen, du…“

Isaak harkte schnell ein und unterbrach den Ältesten: „Ich würde Vorschlagen, dass Sie eine zweite Meinung einholen. Sie vertrauen mir nicht und will Sie zu nichts drängen.“

Kamdens linkes Auge zuckte und er zog sich wutschnaubend in seine Ecke zurück. Billy hingegen brauchte einen Moment um die Spur zu wechseln. „Wenn ich diesem Vorschlag zustimme, dann kann ich wieder laufen?“, fragte der Älteste und sah zu Rachel. Er mahlte mit den Zähnen.

„Ja, ich kann alle Schäden beseitigen. Nach Abschluss der Heilung sind Sie wieder vollkommen gesund.“

„Und was willst du dafür?“

„Was ich will? Ich verstehe nicht“, meinte Isaak und warf seinem Freund einen ratlosen Blick zu.

„Er will wissen, wo der Harken ist. Er glaubt, du willst eine Gegenleistung“, erklärte Jake und verdrehet die Augen. „Würde er dich kennen, würde er sowas nicht fragen.“

„Nichts ist umsonst, also was willst du?“, knurrte Billy der nicht lockerlassen konnte.

Der Wächter dachte kurz nach und sagte: „Frieden. Ich will keinen Streit wegen mir. Wenn Sie sich mit Jake versöhnen könnten, das würde mir einen Stein vom Herzen nehmen. Aber das ist keine Bedingung, nur ein Wunsch, eine Bitte. Ob Sie diese erfüllen liegt an Ihnen.“

„Du gibst mir meine Beine wieder und du willst nur, dass ich wieder mit meinem Sohn rede?“, harkte der Älteste nach und verenge ungläubig die Augen. „Bitte, das kannst du haben. Aber wenn du mich anlügst, dann mache ich euch das Leben zur Hölle, solange ich lebe.“

Mit einem Seitenblick sah er zu seiner Tochter. Er würde ihr beweisen, dass dieser Mann ein Monster war und wenn er dafür sterben musste.

„Einverstanden“, strahlte Isaak glücklich. „Wollen Sie erst eine zweite Meinung einholen?“

„Nein“, schnaubte der Häuptling. „Ich traue Ärzten nicht.“ Erneut sah er zu seiner Tochter. „Warum nicht sofort?“

Irritiert sah der Wächter zu ihm herunter. Hier stimmte doch was nicht. Billy verhielt sich seltsam. Keiner änderte so schnell seine Meinung. Plötzlich spürte er wie Jake in seinen Verstand eindrang.

„Schatz, ich glaube da ist was faul. Kannst du mal in seinem Kopf nachsehen? Ich vermute eine Falle oder Tücke, wenn ich ehrlich bin“, sagte sein Geliebter und fasste seine Befürchtungen in Worte.

Isaak sah ihm in die Augen: „Etwas ähnliches ging auch mir durch den Kopf. Ich werde nachsehen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Dieser Meinungsumschwung ist schon merkwürdig.“

Sofort stürmte eine Flut von Bildern und Gefühlen an ihnen vorbei. Jake verschloss sich etwas davor und fragte sich, ob sein Freund das mit Absicht machte, damit er nichts mitbekam.

„Zum Teil ja. Diese Informationen aus dem Kopf einer Person sind sehr persönlich“, gab der Wächter zu. „Aber warum sollte ich langsamer arbeiten als ich es kann? Oder willst du das?“

„Nein, mach nur. Sag mir nur, was der Alte vorhat“, meinte der Wolfsjunge und versuchte die Bilderflut zu ignorieren.

Nach einigen Sekunden sah Isaak verblüfft auf und erklärte: „Er hat wirklich Hintergedanken.“ Er schüttelte den Kopf: „Er denkt, dass ich ihm Schaden zufügen will und will euch allen Beweisen, dass ich ein Monster bin. Das ist sein Weg, um mich zu entlarven. Er glaubt nicht daran, dass ich ihn heilen kann und werde.“

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Jake langsam.

„Ich heile ihn. Vielleicht ändert das seine Meinung. Wenn ich das halte was ich verspreche, dann muss er sich eingestehen, dass ich nicht der Teufel bin, für den er mich hält.“

Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. „Echt mal, so ein Arschloch. Dafür kann er die Schmerzen ruhig selbst ertragen.“

Sie kehrten in die Realität zurück und Isaak grinste: „Wie sie wünschen, Mr. Black.“ Er wandte sich an seinen Freund: „Gibst du bitte Sam Bescheid? Wenn ich anfange, darf ich nicht unterbrochen werden. Nicht, dass das Rudel glaubt, ich foltere den Häuptling.“

„Jo, mach ich“, flötete Jake und ging.

Isaak sah zu Billy und sagte: „Legen sie sich bitte längs auf das Sofa. Um Sie zu heilen, werde ich Sie am Kopf und an der Brust anfassen müssen. Ich benötige Körperkontakt.“

Mit Hilfe seiner Tochter spielte der Häuptling brav mit. Schnell zogen sie ihm das Hemd aus und warfen es zu Boden. Anschließend legten sie ihn waagerecht auf das Polster.

Der Wächter kniete sich vor ihm hin und sagte: „Am besten gehen alle Raus. Er wird vor Schmerzen schreien.“

„Ich werde nicht schreien“, empörte sich der Älteste. „Ich ertrage die Schmerzen wie ein Mann.“

Schnell sah sich der Wächter im Raum und fixierte alle mit einem scharfen Blick. Dann erklärte er: „Ihr könnt gerne bleiben. Aber eine Warnung. Wenn ich anfange, kann ich nicht mehr aufhören. Es wird einige Minuten dauern. Macht euch alle bereit, das wird sehr heftig.“

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Mann vor sich. Eine Hand hob er über dessen Stirn, die zweite schwebte über dem Herzen. „Ich werde Sie nun berühren und mich mit Ihrem Stirn- und Herzchakra verbinden.“

In dem Moment tauchte Jake an ihrer Seite auf und steckte seinem Vater ein grobes, mehrfach gefaltetes Lederstück in den Mund. Billy wollte protestieren, da berührte Isaak ihn.

Eine seltsame Empfindung machte sich in ihm bereit. Der Älteste fühlte sich auf einmal losgelöst und schwerelos. Dann hörte er die Stimme des Wächters in seinem Kopf.

„Soll ich Beginen?“

„Ja!“, befahl Billy mental und machte sich auf den Schmerz bereit.

Aber auf das was folgte konnte man sich nicht vorbereiten. Als der Schmerz einsetzte rollten sich seine Augen nach oben und er konnte nichts mehr sehen. Der Begriff Höllenqualen konnte nicht mal annährend beschreiben, wie er sich fühlte.

Es war so, als ob man jede Zelle seines Körpers mit einer spitzen Nadel durchbohren würde. Es brannte, juckte, stach, pulsierte und bohrte sich in ihn. Alles kam auf einmal. Er biss die Zähne zusammen, aber auch die taten weh. Noch während der ersten Sekunde konnte er es nicht mehr aushalten und schrie sich die Seele aus dem Leib. Wobei er weder seine Stimme hören konnte noch ein Gespür für seine Muskulatur hatte.

Alle Muskeln in seinem Körper krampfen unkontrolliert. Zudem hörte er einen schrillen Ton, der alles andere überlagerte und ihn vollkommen taub machte. Dieses Geräusch trieb ihn zusätzlich in den Wahnsinn. Auch seine anderen Sinne waren überfordert. Er roch den abartigen Gestank der Verwesung und hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Als ob man verwesendes Blut mit Galle und verdorbenen Eiern gemischt hätte.

Die Tortur hatte kaum begonnen da spürte er auch schon die Ohnmacht nahen. Aber etwas hielt ihn in der Realität. Egal wie sehr er es sich wünschte, er konnte nicht ins Nichts sinken. Es war einfach nicht möglich. In seiner Verzweiflung wollte er nach seinen Kindern rufen, aber auch das blieb ihm verwehrt.

Kein Laut, außer den erstickten Schreien, drang über seine Lippen. Seine Kiefermuskeln gehorchten ihm nicht und er verbiss sich ohne sein Zutun auf dem gefalteten Leder. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft schaffte er es seine Muskeln dazu zu zwingen einen genuschelten Satz zu Stande zu bringen: „Tötet mich. Bitte. Tötet mich.“ Doch ob er wirklich etwas gesagt hatte, wusste er nicht. Konnte es nicht wissen. Viel zu weit war sein Körper von ihm entfernt und doch war er an ihn gekettet. Unfähig sich von ihm zu trennen.

Nichts war es Wert, solche Pein zu ertragen. Diese Schmerzen waren eine Dimension für sich. Etwas was nicht von dieser Welt zu kommen schien. Es schien sogar so, als ob er neue Sinne hatte, welche nur eine Aufgabe hatten ihm noch mehr Schmerz zu bereiten.

Er verlor vollständig das Zeitgefühl. Sekunden wurden zu Stunden und seine Pain schien endlos zu sein. Nach einer Weile bemerkte er, dass der Wächter sein Bewusstsein schützte und ihn davor bewahrte dem Wahnsinn zu verfallen. Aber das war kein Trost. Es war ein weiterer Punkt der Folter. Der Wahnsinn war eine Erlösung, die ihm verwehrt wurde.

Durch die Schreie ihres Vaters wurden all seine Kinder bleich. Wie hätten sie sich auch auf sowas vorbereiten können. Der Älteste schien unvorstellbare Qualen zu ertragen. Er zappelte wie wild, als ob er unter Strom stehen würde.

Rachels Beine gaben als erstes nach. Hätte ihr ergebener Schatten sie nicht aufgefangen, wäre sie unsanft zu Boden gestürzt. Als nächster sackte Kamden neben dem Sofa zusammen und am Ende auch Jake, der bis eben noch schützend hinter Isaak gestanden hatte. Was sie sahen war einfach zu grausam. Einzig Paul schien resistent. Aber er hatte auch nur Augen für Rachel. Alles andere war ihm egal. Nur sie zählte.

Nach einer Minute stürmten alle Wölfe herein. Wie ein Wolfsrudel schlichen sie um das Sofa und auch sie wurden bleich. Collin und Brandy ergriffen jaulend und in Panik die Flucht, während Jared und Embry sich an Ort und Stelle übergaben. Nur Sam stand noch, konnte offenbar nicht fassen, was er sah und stand unter Schock.

Isaak bekam von seiner Umgebung nichts mit. Er war nur auf seine Aufgabe konzentriert. Er löste jede schädliche Zelle aus dem Gewebe und sammelte diese zu Klumpen. Die Haut des alten Mannes wölbte sich an einigen Stellen nach außen und es entstanden abartig aussehende Beulen. Die Spannung wurde so groß an diesen Stellen, dass die Haut aufriss und die schwarze Masse sich aus dem Körper drückte. Sie schwebte in Bröckchen empor und sammelte sich als eine pulsierende unförmige Kugel. Allein dieser Anblick war so schrecklich, dass niemand der Anwesenden auch nur einen Finger rühren konnte.

Während der Wächter die Geschwüre beseitigte, reparierte er den dadurch entstandenen Schaden. Er regte die Zellteilung an und beschleunigte diese erheblich. So ersetzte er jede Zelle, die er aus dem Gewebe entfernte durch eine neue Normale.

Akribisch arbeitete er sich durch den Körper des Mannes. Als er sicher war alle Krebszellen erwischt zu haben, schloss er die Haut und ließ sie wieder zusammenwachsen. Dann wandte er sich den anderen Dingen zu. Die Bandscheiben und Gelenke stellten kein Problem dar. Auch die Nervenbahnen ließ er erstarken und beseitigte einige Verkalkungen in der Blutbahn. Ein kleiner Gallenstein hielt ihm nur den Bruchteil einer Sekunde stand, bevor er diesen vollkommen aufgelöst hatte. Als kleinen Bonus stärkte er auch die Beinmuskeln, damit Billy stehen konnte. Da dieser seine Beine schon so lange nicht mehr belastet hatte, war die Muskulatur verkümmert. Der Älteste würde ohne diese Stärkung Wochen bis Monate brauchen, um wirklich laufen zu können.

Nachdem Isaak mit seinem Werk zufrieden war, hob er beide Hände und sah zu der Tumorkugel. Er war erschöpft und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten, dennoch hielt er verbissen durch. „Was soll ich mit den Krebszellen machen? Ich habe gehört, manche wollen sowas als Andenken.“ Er schnippte mit den Fingern und eine gläserne Kugel entstand um den Klumpen, mit etwa zwanzig Zentimeter im Durchmesser.

Das Innere füllte er mit einer Formaldehydlösung. Es sah aus wie eine schreckliche Karikatur einer Kristallkugel. Er ließ das Gebilde zum Tisch gleiten. Dann sackte er zusammen. Billy zu heilen war doch aufwendiger gewesen als er angenommen hatte.

Jake krabbelte kreideweiß auf seinen Freund zu und streckte ihm eine Hand entgegen. Isaak griff nach der Hand, ohne hinzusehen und sie fanden sich wie zwei Magnete.

Der Häuptling lag mit offenem Mund und starren Augen auf dem Sofa. Das Zucken der Muskeln ließ langsam nach und sein Atem normalisierte sich ebenfalls allmählich. Das Lederstück lag noch immer zwischen seinen Zähnen und hatte deutliche Abdrücke vorzuweisen.

Nach einigen Momenten erwachte Billy aus seinem Martyrium. Er schlug und trat wie wild um sich, dabei schrie er sich erneut die Seele aus dem Leib. Diesmal schaffte er es auch das Leder auszuspucken. Dieser Zustand hielt aber nicht lange an. Einige Sekunden später sackte er in sich zusammen und begann zu zittern.

Sam stotterte: „Was…, was ist mit ihm?“

„Das sind ganz normale Nebenwirkungen. Gib ihm einfach ein zwei Minuten, dann ist er wieder so gut wie neu“, erklärte Isaak mit einem schwachen Lächeln. Er war erschöpft und seine Magie war fast gänzlich aufgebraucht. Eine solch verehrende tödliche Krankheit zu heilen, forderte auch von ihm einen Tribut. „Sam, es tut mir leid.“

Alarmiert sah der älteste Wolf zu dem Wächter und starrte diesen ängstlich an. „Was ist? Was ist los?“

„Ich kann Emily erst in ein paar Tagen heilen. Ich habe leider zu viel Magie verbraucht“, erklärte der Wächter und sah wie beide Augen seines Gegenübers zuckten. „Ihr werdet euch noch etwas gedulden müssen.“

Der Jüngste der Blacks wusste bei dieser Aussage nicht, ob er lachen oder heulen sollte. Sein Freund schaffte es immer wieder alle so stark aus der Fassung zu bringen, sodass es schon an ein Wunder grenzte, dass noch keiner einen Hirnschlag erlitten hatte. Er schüttelte den Kopf und entschied für sich, jetzt nicht darauf einzugehen. Es gab schließlich Wichtigeres in diesem Moment.

Jake rappelte sich schnell auf und setzte sich hinter seinen Geliebten. Als er die Arme um ihn legte sackte der Wächter kraftlos zusammen. „Musst du es immer so übertreiben. Du hast dich zu sehr verausgabt“, murrte der Wolfsjunge und streichelte ihm sanft die Brust.

„Ich habe nur getan, was ich für nötig gehalten habe und was meine Pflicht ist“, moserte der Wächter leise und ließ sich fallen. Sein Partner kannte seine schwache Seite bereits und er wusste, dass Jake ihn nicht für einen Schwächling hielt, wenn er sich offen verletzlich gab.

Nach und nach erwachten auch die anderen aus ihrer Starre. Rachel stürzte zu ihrem Vater. „Dad! Dad, kannst du mich hören?“

„Ja, das kann ich“, brummte Billy und drehte ihr den Kopf entgegen.

„Wie geht es dir?“, fragte seine Tochter und Tränen liefen ihr über die Wange.

„Gut, glaube ich“, meinte der Häuptling. Er blinzelte und ließ sich in eine sitzende Position helfen. Dann sah er auf seine Beine. Mit aufgerissen Augen schaute er zu, wie diese sich seinem Willen beugten und er sie mühelos bewegen konnte.

Aufgeregt sagte er: „Sam, hilf mir hoch.“ Schnell trat sein Alpha vor und half dem Ältesten dabei aufzustehen. Billy war erst sehr wacklig auf den Beinen. Dann machte er einen Schritt und langsam erinnerte er sich wieder daran, wie man richtig lief. Mit Tränen in den Augen machte er einen zweiten Schritt und löse sich von Sam und seiner Tochter. Jeder Schritt viel ihm leichter als der vorherige. Seine Beine trugen sein Gewicht und er umrundete ganz allein einmal das Sofa.

Ungläubig starrte er seine Beine an und er stammelte: „Das ist doch unmöglich.“

„Ich habe Ihre Beinmuskelstränge gestärkt, damit Sie sofort laufen können“, sagte Isaak mit geschlossenen Augen. „Das erspart Ihnen einen langen Rehabilitationsprozess.“

Jake knurrte wütend. Dafür, dass es sein Freund immer übertrieb, würde er ihm später gehörig den Arsch aufreißen.

„Ist das ein Versprechen?“, flötete der Wächter mental.

Der Wolfsjunge ließ sich nicht zu einer Antwort hinreißen. Er hob den Blick und sah zu Billy. „Ich hoffe, du bist jetzt glücklich. Isaak hat sich total verausgabt.“

Blitzschnell ruckt der Kopf des Häuptlings rum. Er sah seinen Sohn, der den Wächter im Arm hatte und diesen auch noch streichelte. Seine Augen verengten sich zornig. Bevor er aber etwas sagen konnte, deutete sein Zweitgeborener auf den Wohnzimmertisch.

Irritiert folgte Billy der Geste und sah die Kugel mit der schwarzen Masse darin.

„Darf ich dir vorstellen: Dad, dass ist dein Krebs“, schnaubte Jake und sah, wie sein Alter erbleichte. „Das hat Isaak aus deinem Körper geholt. Ich weiß, was du dir gedacht hast und warum du zugestimmt hast. Mich kannst du nicht täuschen. Isaak wusste es auch und dennoch hat er dich behandelt. Da hast du deinen Beweis. Wenn du mir nicht glaubst, dann frag die anderen. Das da kam aus deinem Körper. Mein Freund war so nett es dir als Andenken zu verpacken.“

Ungläubig hob der Älteste den Blick und sah zu dem anderen Alpha. Sam nickte und deutete auf die Kugel: „Ich habe es gesehen, Billy.“

Jake sah auf und suchte Kamden. Dieser war bei Embry, der sich von seinem Partner beruhigend den Rücken kraulen ließ. Der „Wahre Alpha“ seufzte und stemmte seinen Freund ein wenig von sich. Dann stand er auf und hob Isaak in die Arme.

Das schwache: „Hey“, von seinem Freund ignorierte er gekonnt. Er wandte sich an Rachel: „Kann ich Dad in deine Obhut überlassen?“

„Ja, ich bleibe und passe auf ihn auf.“ Rachel sah ihren Vater, dann verfinstere sich ihr Blick. „Da es ihm offenbar gut geht kann er mir auch gleich erklären, wie Kamden entstanden ist! Bisher kam das ja noch nicht zur Sprache.“

Jake schnaubte: „Mir egal. Nimm ihn ruhig in die Mangel, wenn dir danach ist. Nach allem was passiert ist, schockt mich sein Seitensprung kein bisschen mehr. Ich will einfach nur das er uns ihr Ruhe lässt. Mehr nicht.“ Er sah zu seinen Kameraden: „Kamden, Embry, wir gehen. Ich muss mich um meinen Freund kümmern und nach meinem Rudel schauen.“

Ohne ein weiteres Wort stürmte er aus dem Haus und trug Isaak zu dem Auto. Das musste er schließlich auch wieder zurückgeben. Ohne auf den Protest seines Partners zu hören, schnallte er diesen auf dem Beifahrersitz fest.

Bevor Kamden und Embry ebenfalls das Haus des Alten verließen, dreht sich Kamden nochmal zu Rachel um. „Kommst du klar mit unserem Vater und deinem frischgebackenen Schoßhündchen?“, fragte er sie mit mehr Ernst in der Stimme, als es für ihn üblich war. Er erinnerte sich daran, dass das Ganze für sie ebenso neu war wie für ihn, auch wenn sie zumindest die alten Legenden schon früher als Gutenachtgeschichten erzählt bekommen hatte.

Rachel erwiderte lächelnd: „Keine Sorge, kleiner Bruder. Ich werde die Horde hier schon zähmen können.“ Mit einem Augenrollen schnappte sich Kamden seinen Embry und trat aus der Haustür ins Freie.

Als Jakob die Fahrertür öffnete, gesellten sich die anderen beiden zu ihm. Schnell sah er ihnen ins Gesicht. „Geht’s euch gut?“

Kamden nickte wortlos, immer noch blass um die Nase von dem eben Gesehenen. Sein Freund hingegen sagte: „Alter, hättest du uns nicht vorwarnen können? Das war ja mal eine krasse Horrorshow, welche dein Lover da abgezogen hat.“

„Ich wusste selbst nicht, was er machen würde. Wetten, wenn ich ihn später danach frage kommt entweder ein: „War das nicht klar?“, oder ein: „Habe ich das nicht erwähnt?“ Ja, so tickt mein Partner eben“, offenbarte Jake und schüttelte den Kopf. Dann befahl er knurrend: „Einsteigen, wir fahren.“

Kampftraining I

Ohne Rücksicht jagte Jake das Auto über die Straßen, somit brauchten sie nicht lange für den Weg. Vor dem Haus der Cullens parkte er und alle stiegen aus. Selbst Isaak war schon wieder auf den Beinen, wenn auch wackelig. Der Alpha löste dieses Problem auf seine Weise und hob seinen Freund einfach wieder in seine Arme. Diesmal protesteierte der Wächter nicht, verdrehte aber die Augen.

Mental sagte er: „Danke“, und beließ es dabei. Er wusste, dass sein Partner gerade schlechte Laune hatte und er besser keine Widerworte geben sollte.

Jake steuerte direkt auf die Aufstiegsplattform zu und brachte sie zum Stützpunkt. „Geht schon mal in den Holoraum. Ich komme gleich nach“, bestimmte der Alpha und die beiden anderen sahen ihm hinterher, wie er mit seinem Freund auf den Armen in ihrem Zimmer verschwand.

„Schatz“, begann Isaak, aber Jake reagierte gar nicht. Sein Partner trug ihn zum Bett und legte ihn sanft auf die Matratze. „Jake“, versuchte der Wächter es ein zweites Mal.

Jedoch war seinem Freund gerade nicht nach reden. Er zog ihm Schuhe und Socken aus, welche achtlos auf dem Boden landeten. Dann deckte er ihn zu und knurrte: „Du ruhst dich jetzt aus.“

„Aber…“

„Keine Widerworte“, schnauzte Jake und warf Isaak einen wütenden Blick zu. Dieser seufzte und machte es sich bequem.

„Bleibst du bei mir?“, wagte er es zu fragen.

Der Leitwolf drehte sich einfach weg und ging. Wenn er jetzt noch länger geblieben wäre, würde er seine Wut an Isaak auslassen und das wollte er nicht. An der Tür blieb er stehen und knurrte: „Wir reden später. Ich muss mich um mein Rudel kümmern.“ Dann schlug er die Tür zu.

Im Auto hatte er gesehen, dass es schon nach vier Uhr nachmittags war. Der Rat traf sich immer nach Sonnenuntergang. Es gab noch so einiges zu regeln und sie hatten nicht mehr viel Zeit. Schnell ging Jake zum Holoraum und stürmte ohne anzuklopfen hinein.

Eine Dampfwolke aus schwüler heißer Luft schlug ihm entgegen. Er blinzelte und sah sich um. Vor ihm erstreckte sich eine japanische heiße Quelle mit allem Drum und Dran, so wie er sowas schon mal im Fernsehen gesehen hatte. Er achtete weder auf die aufwendigen Holzverzierungen und die hübschen papiernen Raumteiler in ihren Holzrahmen, welche Karikaturen von Fabelwesen zeigten. Sein Blick galt seinem Rudel. Die Rasselbande saß mitten im heißen Wasser und ließ es sich offenbar gut gehen.

Embry und Kamden saßen beisammen und konnten es offenbar nicht lassen, sich andauernd wie zufällig zu berühren. Leah hingegen trieb einfach ungeniert auf der Wasseroberfläche und schien vollkommen entspannt. Ihr kleiner Bruder lümmelte am Rand der Quelle, hatte die Arme auf dem Steinrand liegen und trieb bäuchlings im Wasser.

Der Leitwolf knurrte und sie sahen auf.

Sofort stoben Embry und Kamden etwas auseinander. Traumverloren hatten sie die Umgebung ausgeblendet und wurden erst jetzt wieder bewusst, dass sie nicht allein waren.

Seht sprang auf und freute sich sichtlich Jake zu sehen. „Endlich bist du da“, meinte der Jüngste und seufzte erleichtert.

Seine Schwester hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und trieb einfach weiter. Zu Seht sagte sie tadelnd: „Du brauchst gar nicht so erleichtert zu sein. Wenn du meine Gegenwart nicht zu schätzen weißt, dann frage ich mich, warum du mir den ganzen Tag hinterherläufst.“

Der Alpha knurrte abermals und meckerte: „Jetzt ist nicht der Richtige Zeitpunkt für so was. Alle raus aus dem Wasser. Wir haben noch einiges zu besprechen.“ Seine Laune hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht. Er spürte, wie sein Freund im Stützpunkt umherstromerte. Dieser hielt sich nicht an die von ihm verordnete Ruhe.

„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fuhr die Frau ihn an, hielt es aber nicht für nötig ihre Position zu ändern.

„Wenn du dich nicht vollständig abgeschottet hättest, dann wüsstet du, was los war“, knurrte Jake angepisst und bemühte sich seine schlechte Stimmung nicht an seinem Rudel auszulassen.

Leah gab einen spitzes „Püh“ von sich.

Er kniff die Augen zusammen und rieb sich über die Nasenwurzel. Schnell atmete er einmal tief durch und sagte mit versöhnlicher Stimme: „Entschuldigung. Ich wollte euch nicht so anschnauzen. Kommt bitte aus dem Wasser, wir müssen noch einiges klären.“

Die Wölfin stöhnte genervt auf und gab endlich ihre Position auf. „Du bist echt nicht wie Sam. Der hätte sich niemals entschuldigt seine Laune an uns auszulassen und uns gebeten auf ihn zu hören. Nein, so wie ich meinen Ex kennengelernt habe, hätte er es mit seiner Macht befohlen.“

„Ich bin nicht Sam“, knurrte Jake und seine Wut kehrte zurück.

„Beruhige dich bitte“, sagte Isaak, der den Raum betrat und ein Tablet mit Essenswürfeln in den Händen trug.

Jake fuhr herum und grollte böse auf.

„Schatz, mir geht es gut, versprochen. Ich bin nur etwas erschöpft. Wenn du mich bestrafen willst, dann mach es jetzt und lass uns diesen Streit beenden, bitte.“

Der Wächter ließ sein Mitbringsel einfach los. Die Platte schwebte einfach in der Luft und er schob sie sacht zur Seite. Dann trat er vor seinen Freund und bot ihm seinen Hals an.

Jake grollte abermals und mahlte mit den Zähnen. Dann zur Überraschung aller packte er seinen Partner grob und senkte sein Gesicht an dessen Hals. Vor den Augen der anderen wollte er Isaak beißen und ihm somit seiner geforderten Strafe unterziehen. Kurz bevor seine Zähne jedoch die zarte Haut seines Geliebten durchstoßen konnten, zögerte er. Das Gedankenwirrwarr in seinem Kopf ließ ihn eine Sekunde innehalten. Er änderte seine Plan und zog seinen Geliebten in eine feste Umarmung, die einem normalen Menschen wohl die Rippen gebrochen hätte.

Isaak versuchte den Gedanken seines Partners zu folgen, sagte aber nichts dazu, weil es sich in dem Moment einfach falsch anfühlte. Er versuchte zu verstehen, wie es zu dieser Wendung gekommen war. Noch kurz zuvor hätte er mit Gewissheit sagen können, dass die Wut, die Jake auf ihn verspürte, ihn zu der Ausführung der Strafe zwingen würde. Dann jedoch hatte sich in Jakes Gedanken ein Funke entzündet, der die Wut zur Seite drang. Und nun schien es als wäre die Wut wie weggeblasen.

Keiner der anderen rührte auch nur einen Finger. Sie waren die raue Art der Wölfe untereinander gewohnt. Jakes Zurückhaltung in letzter Sekunde war in dieser Situation auch für sie Neuland.

Jake lockerte seinen Griff und sah seinem Gegenüber tief in die Augen. Ohne großartig darüber nachzudenken, sagte er: „Ich liebe Dich. Bitte versuch solche Aktionen in Zukunft zu lassen. Warum machst du auch andauernd solche dummen Dinge? Du übertreibst es und machst mir damit Angst.“

„Entschuldige“, erwiderte Isaak. „So, bin ich eben. Wenn ich etwas anfange, dann bringe ich es auch zu Ende. Deinen werten Vater zu heilen war ein notwendiger Schritt. Du hängst an ihm und ich muss einfach alles in meiner Macht Stehende tun, um dich glücklich zu machen.“

„Mich glücklich zu machen?“, lachte der Alpha sarkastisch auf. „Das ist dir nicht gelungen.“

„Jetzt im Moment nicht. Da hast du Recht. Aber ich hoffe in Zukunft schon. Es war das Richtige und auch meine Pflicht.“

„Ich weiß“, seufzte Jake und löste sich etwas. „Bitte, übertreib es aber nicht immer so. Kannst du mir das Versprechen?“

„Nein“, gluckte Isaak, beugte sich vor und hauchte seinem Partner auf die Lippen: „Ich bin wie ich bin. Friss oder stirb, mein Lieber.“

„Dann muss ich dich wohl fressen“, brummte Jake und raubte sich einen gierigen Kuss.

Kamden, der langsam genug hatte von dieser Show, beschwerte sich: „Müsst ihr das vor uns machen? Sucht euch ein Zimmer. Ihr beiden seid ja mehr Tier als Mensch. Echt mal, benehmt euch.“

Der Leitwolf ließ sich nicht im Geringsten stören. Erst als er es für richtig hielt löste er den Kuss und auch die Umarmung. Ohne auf das Kommentar seines Bruders einzugehen, lugte er zu dem Essen und fragte: „Was hast du mit den ganzen Würfeln vor?“

„Oh, ich dachte wir lümmelen uns zu den anderen und kombinieren dein Gespräch mit einem entspannenden Bad. Nebenher können wir dann von den Würfeln naschen. Ich habe verschieden Süßspeisen hergestellt. So schlagen wir gleich drei Fliegen mit einer Klappe“, erklärte Isaak seinen Plan.

Sein Freund verdrehte die Augen und nickte ergeben. Was er mit den anderen zu klären hatte, konnten sie auch während des Essens und Badens erledigen. Der Vorschlag hatte echt was. Er trottete an den Rand der Quelle und ließ die Hüllen fallen. Der Wächter tat es ihm gleich.

Als sich Isaak auszog, knurrte Jake böse auf und starrte alle im Rudel böse an, welche es wagten nicht den Blick abzuwenden. Nur Kamden ließ sich nicht beeindrucken, grinste und nickte anerkennend. „Da haste aber einen guten Fang gemacht, Bruder.“

Isaak grinste, stieg in das Wasser und flötete: „Danke, das kann ich nur zurückgeben. Du und dein Freund seit auch sehr ansehnlich.“

Stolz grinste der Brünette, während seine bessere Hälfte sich mit einem hüsteln abwandte. Keiner sollte sehen, dass er leicht rot geworden war.

Erneut knurrte der Leitwolf, schnappte sich seinen Freund und zog ihn zu sich. Demonstrativ schlag er die Arme um ihn und bettete seinen Kopf auf dessen Schulter. „Meins“, grollte er.

Der Wächter lachte, tätschelte ihm den Kopf und murmelte: „Dito.“

„Und was ist mit mir?“, maulte Seth auf einmal.

Diesmal lachte Isaak herzhaft auf und sagte schnell: „Du bist noch ein Welpe, Kleiner. Frag mich in einem Jahr nochmal, wenn du körperlich ausgewachsen bist.“

Bei dem beleidigten Gesichtsausdruck des Jungwolfes brach allgemeines Gelächter aus. „Hey, ich bin schon 14.“ Dann blinzelte er und zuckte mit den Schultern. Er war eben eine Frohnatur, so stieg auch er mit ein und meinte: „Bald bin ich groß und stark, dann reden wir nochmal.“

Die Stimmung war ausgelassen. Als sich alle wieder beruhigt hatten, ließ Isaak mit einem Handwink, die Platte mit dem Essen zu ihnen schweben und die Meute stürzte sich auf das Essen. Schnell wurde ihnen klar, dass der Wächter für jeden was mitgebracht hatte. Er hatte es geschafft den Geschmack von jedem zu treffen. Aber das konnte sie bei dem Mann auch nicht mehr wirklich schocken. Der Rotblonde wusste einfach alles.

Nachdem alle mit kauen beschäftigt waren, ließ sich Jake auf die im Wasser angebrachte steinerne Sitzbank am Rand nieder und räusperte sich. Alle Blicke wandten sich ihm zu.

„So Leute. Es gibt einige Dinge über die ich mit euch reden möchte“, begann er und alle hörten gespannt zu. „So als erstes Mal, Seth, Leah, öffnet euch und lasst mich euch zeigen, was alles passiert ist. Mit der Verbindung geht das viel schneller, als alles zu erzählen.“

Schnell brachte er die beiden auf den neusten Stand und sie verstanden jetzt, was es mit dem Beinahe-Biss von vorhin auf sich hatte. Auch wenn vor allem Leah damit nicht einverstanden war. Sie warf einen mitleidigen Blick zu dem Wächter.

Aber dieser grinste nur: „Du musst dir echt keine Sorgen machen. Jake ist eben wie ihr ein Wolf und hat eine rauere Art und Weiße. Ich dachte gerade, ihr als Wölfe würdet das Verstehen. Ich bin kein Mensch, bei dem man aufpassen muss, ihn nicht zu zerbrechen. Wenn ihr mit einem Menschen intim werdet, müsst ihr immer auf der Hut sein, das ist bei uns, sowie bei Kamden und Embry anders. Zudem weiß mein Partner, dass ich das auch mit ihm mache, wenn er Mist baut.“

Ungläubig starrten alle Jake an. Dieser zuckte mit den Schultern und knurrte: „Ich weiß zwar nicht, was es euch angehen würde, aber ja, Isaak hat Recht. Ich sagte doch schon, wir führen eine gleichberechtigte Beziehung. Damit wir uns aber auch recht verstehen. Ich sehe euch alle als meine Familie, da halte ich mich nicht zurück. Vor euch bin ich wie ich bin. Außer bei euch würde ich das höchstens noch vor meinen Schwestern machen. Dad würde das nicht verstehen und in der Öffentlichkeit bin ich der starke Alpha. Da würde weder ich Isaak noch er mich beißen. Das ist was zwischen uns und geht niemand Außenstehenden was an.“

„Wage es ja nicht, das mit mir zu machen“, warnte Embry mental seinen Freund. Dieser blinzelte, sah ihm in die Augen und erwiderte lautlos: „Keine Sorge, ich bin doch kein wildes Tier. So animalisch bin ich nicht. Ich würde dir niemals absichtlich Schmerzen zufügen oder dich mit sowas bestrafen.“

Erleichtert atmete sein Kleiner tief durch und griff unter Wasser nach der Hand seines Gefährten. Er drückte kurz und dankbar zu. Dann verschränkten sie ihre Finger miteinander und begannen sich gegenseitig mit dem Daumen zu streicheln.

Der Leitwolf räusperte sich abermals und achtete nicht auf das zweite Paar. „Zurück zum Text. Wir alle haben nun die Macht unsere Gedanken zu verschließen. Die Verbindung ist aber keine Schwäche für uns, sondern eine unserer stärksten Waffen. Ich möchte nicht, dass ihr die Fähigkeit meines Anhängers missbraucht. Jeder hat mal einen schlechten Tag und bracht mal Zeit für sich. Zudem ist es nur verständlich, wenn ihr mache Dinge für euch behalten wollt. Wenn ihr mit eurem Partner oder Partnerin intim werdet, bitte ich euch sogar euch abzuschotten.

Außer Kamden wisst ihr alle, was ich durchmachen musste und warum mir Isaak diesen Anhänger gab. Das hier ist aber nicht Sams Rudel. Ich dulde solche Anfeindungen nicht. Keiner in meinem Rudel soll Angst haben zu sein, wie er ist. Jeder denkt aber anders und jeder von euch weiß das aus Erfahrung.

Deshalb schlage ich einen Mittelweg vor. Die Magie des Anhängers ist sehr fein einstellbar. Jedem ist freigestellt, ob er die Gedanken der anderen hören will oder eben nicht. Aber, wenn einer von uns direkt einen anderen anspricht, dann sollte er auch gehört werden. Ihr könnt es so einstellen das unbewusste Gedanken ausgeblendet werden, bewusste Gespräche aber nicht. Genau das erwarte ich von euch.

Zudem, wenn ihr etwas unbedingt verbergen wollt, dann tut das. Solange es nicht das Rudel gefährdet, überlasse ich das euch. Ich möchte nicht so wie Sam diktieren und ich möchte jedem von euch vertrauen. Deshalb bekommt ihr alle einen Vertrauensvorschuss von mir. Ich gewähre allen in meinem Rudel diese Freiheiten.“

Er hob einen Finger und sagte: „Aber ich warne euch. Solltet ihr die Magie der Anhänger missbrauchen oder euch nicht an meine Regeln halten, dann ziehe ich die Kette einfach aus. Ohne sie ist Isaaks Magie dahin. Dann habt ihr keine Wahl mehr. Also denkt gut nach, ob und warum ihr etwas vor den anderen verbergt.

Letzter Punkt zu dem Thema: Wenn wir als Wölfe unterwegs sind und vor allem, wenn wir gegen Vampire kämpfen, dann will ich, dass die Verbringung vollständig geöffnet ist. Da akzeptiere ich keine Alleingänge, verstanden?“

Alle nickten, sogar Kamden und Isaak.

Jake wandte sich an seinen Bruder: „Hast du dich schon entschieden, ob du in meinem Rudel bleiben willst?“

Der Brünette dachte kurz nach und sah zu seinem Freund. Ergeben flötete er: „Ich bin da, wo mein Kleiner ist.“ Er sah seinem Leitwolf in die Augen und ergänzte: „Das alles ist noch neu für mich, aber wenn ich die Wahl zwischen dir und diesem Stümper Sam habe, dann bleibe ich bei dir. Aber auch ich möchte eine Warnung aussprechen: Wenn du deine Macht als Alpha missbrauchst und Embry dadurch zu Schaden kommt, reiß ich dir den Arsch auf.“

Jake lachte und sagte: „Einverstanden.“ Dann ließ er seinen Blick schweifen und stellte die gleiche Frage der Reihe nach den anderen.

Embry erwiderte: „Mich haste nun an der Backe, Alter. So schnell wirste mich nicht mehr los.“

Leah schnaubte nur und fragte: „Wo soll ich denn sonst hin? Bevor ich zu Sam zurückgehe, stürze ich mich von einer Klippe.“

Seth gelobte ausschweifend seine Treue und drückte seine Bewunderung aus. Er fand kein Ende, bis Jake eine Hand hob und ihn zum Schweigen brachte. „Genug, Seth.“

Der Leitwolf stand auf und streckte sich. „Heute Abend müssen wir als eine Einheit auftreten und dem Rat zeigen, dass es auch einen anderen Weg gibt. Deshalb machen wir nun ein paar Übungen und auch ein Kampftraining. Nur für den Fall der Fälle.“

Das Rudel folgte seinem Beispiel und alle stiegen aus dem Wasser. Am Rand des Beckens wurden alle zu Wölfen, außer Isaak. Dieser ließ das leere Tablett aus dem Raum schweben und öffnete eine Konsole. Schnell machte er ein paar Eingaben und der Raum um sie herum veränderte sich. Alles verschwamm und als die Welt wieder scharf wurde, standen sie erneut auf der Wiese.

Der Wächter stand auf, wobei er von einem rostbraunen massigen Fellhaufen abgeschirmt wurde, und zog sich wieder an, nachdem er sich von der KI hatte abtrocknen lassen. Die Wölfe hingegen schüttelten sich trocken, ganz ihrer Instinkte entsprechend.

Ohne Mühe wich Isaak den herumfliegenden Wassertropfen aus.

Schnell trat Embry vor und sagte: „Bevor wir anfangen möchte ich gerne um meinen Rang kämpfen. Gestern war ich etwas neben der Spur.“

Jake nickte und alle traten zurück. Der Wächter zog sich an eine Wand zurück und begann ein Übungsszenario für das Rudel zu erstellen.

Der Kampf zwischen Leah und Embry dauerte lange. Der Hellgraue war unter den Männern der kleinste und wendigste Wolf, dennoch unterlag er am Ende der Geschwindigkeit und Wildheit seiner Gegnerin. Wie eine Löwenmutter verteidigte sie ihre Position als Beta verbissen.

Anschließend machten sie ein paar allgemeine Übungen, um ihr Auftreten zu verbessern. Nachdem sich Embry genug erholt hatte, begann der zweite Kampf. Eine Weile lang waren beide gleichstark, dann verschusselte Seth einen Sprung und Embry hatte den Sieg in der Tasche. Stolz trabte der Hellgraue nach seinem Sieg zu dem Schwarzen und ließ sich die Lefzen lecken. Dann schmusten die beiden miteinander.

Jake verdrehte die Augen und schnaubte: „Wie war das mit: Sucht euch ein Zimmer?“ Dann wurde er ernst und sagte: „Konzentriert euch. Isaak hat da was vorbereitet für uns. Schatz, dein Auftritt.“

Der Wächter erhob sich und auf seinen Befehl hin erschien eine Person mitten auf der Lichtung. Allein schon rein optisch sahen alle sofort, dass es sich um einen Vampir handelte. Als sie den süßlichen Geruch des Gegners aufnahmen, knurrten alle Wölfe und ließen den Mann nicht aus den Augen. Der Feind hingegen bewegte sich keinen Millimeter.

Jake trat vor und klärte das Rudel über die spezifischen Stärken und Schwächen der Vampire auf. Das wussten zwar die meisten schon, aber dennoch hörten alle brav zu. Nur für Kamden war das alles neu und er folgte gespannt dem Vortag. Nachdem der Leitwolf fertig mit der Einweisung war, trat er beiseite und befahl: „Kamden, du fängst an. Du bist der Einzige der noch keinen zerstört hat.“

„Zerstört? Nicht getötet?“, fragte der Schwarze, ging aber ein paar Schritte vor. Alle anderen machten Platz und der Alpha erklärte: „Wir sehen Vampire nicht als Menschen an. Eher als untote Steine. Du wirst es gleich verstehen. Keiner mischt sich ein. Keine Sorge, er kann dich nicht verletzen. Das lässt die KI nicht zu.“

Jake nickte Isaak zu und der startete den Kampf. Der Vampir erwachte aus seiner Starre und ging sofort in Kampfhaltung. Er fixierte seinen Gegner, den schwarzen Wolf, und fauchte. Kamden rollte mit den Augen und stürzte sich auf den Blutsauger. Wie schwer konnte das schon sein ein Hologramm zu besiegen?

Mit übermenschlicher Geschwindigkeit wich das kalte Wesen aus und ging zum Gegenangriff über. Der Schwarze hatte Mühe dem Angriff zu entgehen. Dann war der Kampf auch schon vorbei. Ein Ton erklang und die männliche KI-Stimme flötete: „Irreparabel Verletzung der Wirbelsäule. Kampf verloren.“

Der Vampir hatte es irgendwie geschafft Kamden zu fassen zu bekommen und hatte ihm das Genick gebrochen. Zumindest hätte sein Gegner das getan, wenn das hier ein echter Kampf gewesen wäre. Doch so spürte er nur die Arme seines Gegners um den Hals.

Irritiert sah Kamden wie sich der Vampir in Luft auflöste und auf seiner Ausgangsposition wiederauftauchte. Bewegungslos starrte der Blutsauger ins Leere.

„Hey, Moment mal“, stammelte der Schwarze und schüttelte den Kopf. „Ich will nochmal.“

„Gleich, Kamden“, bestimmte Jake und trat selbst vor. „Ich zeige dir mal ein paar Kniffe.“ Dann erklärte er einige Dinge und Seth sprang unruhig umher.

„Ich will auch“, schnatterte der Jungwolf immer wieder, bis dem Leitwolf der Geduldsfaden riss.

Er ließ von seinem Freund je einen Vampir für die anderen erscheinen. Isaak überwachte die Kämpfe von Embry, Seth und Leah, während sich der Alpha einzig um seinen Bruder kümmerte. Dieser brauchte das meiste Training zurzeit.

Leah und Embry schafften es fast gleichzeitig ihre Gegner zur Strecke zu bringen und ihnen den Kopf abzureisen. Die KI flötete zu beiden: „Feind kampfunfähig. Sieg.“ Dann sahen beide zu Seth, dieser hatte Probleme, weil er einfach viel zu ungeduldig vorging. Noch immer im Kampfrausch gefangen sprangen beide vor und zerrissen den Feind.

Der Ton für Niederlage erklang und die KI sagte: „Fremdeinmischung. Kampf verloren.“ Seth brauste sofort auf und verlangte eine Revanche. Zudem meckerte er mit den beiden Störenfrieden und behauptete alles unter Kontrolle gehabt zu haben.

Isaak lächelte und erhöhte für Leah und Embry die Schwierigkeit. Dann bekamen alle drei einen neuen generierten Gegner.

Indes übte Kamden verbissen und versuchte alles im Kopf zu behalten, was Jake ihm eintrichterte. Aber auch seine nächsten zwei Kämpfe verlor er. Sein Bruder erklärte: „Du denkst zu viel. Lass dich fallen. Spüre deine Instinkte. Lass deinen inneren Wolf ans Steuer, der weiß was zu tun ist.“

Verständnislos starrte sein Bruder in an.

Jake rollte belustigt mit den Augen und sagte: „Ok, pass mal auf. Setzt dich hin und konzentriere dich nur auf mich. Nimm die Welt durch meine Sinne war und achte auf meine Gedanken und Emotionen.“

Kamden machte den Weg frei und tat wie ihm geheißen. Diese mentale Verbindung war ihm immer noch nicht so ganz geheuer. Zum einen gefiel es ihm nicht, dass andere seine Gedanken hörten, zum anderen hatte er noch immer Probleme sich auf spezifische Leute zu konzentrieren. Allein bei seinem Kleinen klappte das einigermaßen.

Er seufzte und konzentrierte sich auf den Gedankenstrom seines Bruders. Dabei musste er sich stark zusammenreißen seine Gedanken nicht zu seinem Freund wandern zu lassen.

Der Leitwolf wartete einen Augenblick, bis er sich sicher war die uneingeschränkte Aufmerksamkeit seines Verwanden zu haben. Dann gab er Isaak ein Zeichen und der Vampir, mit dem Kamden übte, erwachte zum Leben. Jake konzentrierte sich auf seine Instinkte und entfesselte seinen inneren Wolf.

Kamden war sprachlos. Die Welt durch die Sinne eines anderen zu sehen war seltsam, viel seltsamer waren aber dessen Gedanken und Emotionen. Sein Bruder dachte nicht mehr wie ein Mensch, der einen Gegner analysierte und sich eine Strategie zurechtlegte. Nein, der Vampir war nun seine Beute und alles in ihm gierte danach ihn zu erlegen.

Wild und ungestüm trieben die niederen Wolfsinstinkte den Rostbraunen voran. Ohne zu zögern sprang er den Blutsauger an. Aber das hatte Kamden auch schon versucht und war gescheitert. Da musste es einen Trick geben und er achtete noch genauer was geschah.

Wie zu erwarten wich der Gegner mit seiner abnormalen Geschwindigkeit aus. Nun zeigte sich aber der deutliche Unterschied. Noch im Sprung änderte Jake mit seinem Schweif seine Flugbahn. Anstelle aber zu dem Feind hin drehte er den Kopf in die andere Richtung, von ihm weg. Durch die Drehung und da die Gefahr, das Maul des Wolfes, sich von dem Vampir wegbewegte, wurde er unachtsam und bekam Jakes Hinterläufe gegen die Brust geknallt.

Der Blutsauger hatte nur auf die Zähne, nicht aber auf den Rest des Wolfskörpers geachtet. Durch den Stoß taumelte er einen Schritt zurück. Der Rostbraune nutzte die zusätzliche Energie seines Trittes, um sich noch weiter zu drehen. Als er auf dem Boden aufkam fuhr er alle Krallen aus und bremste mit diesen. Bevor das kalte Wesen auch nur die Chance hatte sich von dem Tritt zu erholen, hatte Jake seine Beute auch schon an der Gurgel gepackt und ihm den halben Kopf abgerissen.

Das Geräusch, welches dabei erklang, war Metallen und die Wunde blutete auch nicht. Sie sah eher so aus als hätte man einer Statur aus Marmor ein Stück herausgeschlagen. Kamden schauderte es bei dem Geschmack der Vampirhaut auf Jakes Zunge und spürte auch wie widerstandsfähig ein Vampirkörper war.

Das Ganze ging rasant schnell und die KI verkündete Jakes Sieg.

Kamden öffnete die Augen und sah seinen Bruder auf sich zukommen.

„Und glaubst du, du kannst das auch?“, fragte der Leitwolf. „Lass dich einfach fallen.“

„Ich kann das“, sagte Kamden überzeugt von sich und trabte auf einen der Gegner zu. Kurz vor ihm setzte er sich, schloss die Augen und suchte die Bestie in sich. Als er sie fand gab er das Startsignal und fixierte den Vampir vor sich.

Kamden versuchte es mit der gleichen Taktik, die er bei Jake gesehen hatte. Aber anstelle zu warten, sprang er direkt mit einer leichten Drehung los. Der Blutsauger wich aus und er konnte ihn mit den Hinterläufen nicht treffen. Durch den vermasselten Angriff schaffte er es auch nicht auf allen Vieren zu landen und stürzte. Der schwarze Fellberg rollte einige Male um sich selbst.

Dann passierte etwas Seltsames. Er spürte Gefahr und entfesselte seinen inneren Wolf. Noch in der Drehung fing sich Kamden ab und da war auch schon der Vampir neben ihm und wollte ihm abermals das Genick brechen. Aber der Wolf war da anderer Meinung. Er drehte sich zu seinem Gegner und bäumte sich auf. In der Bewegung biss er nach seinem Gegner, verfehlte aber.

Jedoch war das aber auch nur eine Finte gewesen. Er stieß sich mit den Hinterläufen vom Boden ab und wusste der Blutsauger sah nur zu seinem Maul. Mit den Vorderläufen traf er seine Beute in die Brust und schleuderte ihn nach hinten weg. Der Vampir stürzte und Kamden landete auf ihm. Ohne zu zögern ließ er den Kopf niederschnellen und er vergrub seine Zähne in der steinernen Haut seines Gegners. Nun wusste er, warum sie „Zerstören“ und nicht „Töten“ sagten.

Etwas, was so kalt und hart wie ein Stein war, das konnte man nicht als menschlich bezeichnen. Er riss seinem Feind den Kopf vom Körper und die KI erklärte ihn zum Sieger.

„Gut gemacht“, lobte Jake.

Plötzlich tauchte Embry neben dem Schwarzen auf und drückte sich gegen ihn. „Gut gemacht“, schnurrte sein Kleiner und leckte ihm über die Lefzen. Sie schmiegten die Köpfte gegeneinander und schmusten ausgiebig.

Alle Kämpfe waren beendet und nun lag der Fokus auf den beiden anhänglichen Wölfen.

Der Alpha setze sich und grinste sein Wolfsgrinsen. Eine kleine Pause hatte sein Rudel verdient. Neben ihm tauchte Isaak auf und kraulte ihn. Jake brummte zustimmend. Dieses Gekraule gehörte verboten. Es war einfach viel zu gut.

Kampftraining II

Nach einer Weile versammelte Jake seine Leute. Er wusste, dass Isaak die ganze Zeit über nebenher an einem Szenario arbeitete. Das wollte er nun ausprobieren. Der Wächter startete die neu erschaffene Simulation. Diese war auf einen Kampf für das ganze Rudel ausgelegt.

Die Umgebung änderte sich und plötzlich standen sie mitten in einem Wald. Dieser ähnelte der Umgebung von Forks, aber in der kurzen Zeit hatte der Rotblonde nicht die Zeit gehabt die Feinheiten auszubauen.

Die KI flötete: „Rudelkampfszenario eins. Gegneranzahl zufällig. Gegnerstärke zufällig. Schwierigkeit leicht. Aufgabe: Aufspühen und vernichten. Der Kampf gilt als verloren, wenn die Feinde nicht im vorgegebenen Zeitfenster eliminiert werden oder ein Rudelmitglied kampfunfähig wird. Start in fünf Minuten.“

„So, dann wünsche ich euch mal viel Spaß“, sagte Isaak, grinste und wandte sich dem Ausgang zu.

„Momentchen mal. Du kämpfst mit, mein Lieber“, bestimmte Jake.

„Ich mache was?“

„Du sagtest: Dir geht es gut. Dann kämpfst du auch mit.“

„Nein, das werde ich nicht“, sagte der Wächter und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Ich bin ein Wächter. Kämpfe des Rudels sind nicht meine Angelegenheit.“

„Das sehe ich aber anders“, begann der Alpha und baute sich zu voller Größe auf. „Ja, du bist ein Wächter, aber du bist auch ein Wolf und Teil meines Rudels. Somit wirst du auch mit dem Rudel kämpfen. Wenn ich die Regeln der Wächter richtig verstanden habe, dann darfst du als Wolf tun, was du als Wolf tun kannst. Solange du deine Kräfte als Wächter nicht einsetzt, die du ja als Wolf eh nicht einsetzen kannst. Also wirst du als Wolf mitkämpfen.“

Isaak blinzelte und gestand: „Nun ja. Das Stimmt schon. Aber ich habe noch nie als Wolf gekämpft. Wenn ich zusammenrechne, habe ich gerade mal einige Stunden in meiner Wolfsgestalt verbracht.“ In den Augen seines Leitwolfs sah er, dass diese Argumente hier nichts bewirken würden. Also versuchte er es anders und warnte: „Ich werde euch nur im Weg sein.“

„Dann lernst du es eben. Und nun mach hinne, es geht gleich los“, befahl Jake. Isaak gab sich geschlagen und entkleidete sich rasch. Dann wechselte er zu seiner Wolfsgestalt. Stolz und majestätisch stand der rote Wolf da und wartete auf Anweisungen.

Der Alpha grinste sein angsteinflößendes Wolfsgrinsen und teilte sie in zwei Gruppen ein. Wie seit den Tagen von Taha Aki stellte er zwei Dreierteams auf. Er behielt Embry zu seiner Rechten und stellte Seth an seine Linke. Leah seine Beta, bekam Kamden zur Rechten und Isaak zur Linken zugewiesen.

Alle fügten sich und stellten sich neu auf. Dann erklang das Startsignal. Auf den Befehl des Leitwolfes preschten beide Gruppen los und suchten nach ihren Zielen. Leahs Gruppe fand als erstes eine Spur und jaulte laut auf. Sofort wechselte Jake die Richtung und beide Gruppen versuchten die Vampire aufzuspüren.

„Leah, verfolg die Fährte. Keine Alleingänge. Wenn ihr die Blutsauger gefunden habt, haltet euch bedeckt und wartet bis wir bei euch sind“, gab der Leitwolf einen Plan vor. Schnell hatte die Beta die Gegner aufgespürt und sie verbargen sich in einem nahen Busch.

Kamden spähte durch die Blätter und sah lediglich zwei Vampire. „Die schaffen wir auch ohne Jake“, bestimmte der Schwarze und machte sich bereit loszustürmen. Schnell sprang ihm Leah in den Weg und knurrte ihn an: „Du wirst dich an den Befehl des Alphas halten.“

„Und wenn nicht?“, fragte der Größere und knurrte ebenfalls.

„Kamden, du wirst tun, was ich sage“, schnauzte Jake mental. „Wir sind gleich da.“

Aber sein Bruder wollte nicht warten. Er mache einen Satz über die Wölfin und griff überstürzt an. Bevor die Vampire reagieren konnten, hatte er einen erledigt. Der Zweite ging wild fauchend auf ihn los, kam aber nicht weit. Als er sich auf Kamden stürzen wollte, fiel ihn Leah von hinten an und erledigte auch diesen.

Dann traf Jakes Gruppe ein und der Alpha tobte: „Was soll das? Das war nicht der Plan.“

„Hat doch geklappt. Was willst du denn?“, fragte Kamden, der sich keiner Schuld bewusst schien.

Der Leitwolf holte Luft und wollte seinen Bruder gerade mit einer Schimpftirade eindecken, als Isaak dazwischenfuhr: „Das Szenario läuft noch. Anweisungen, Alpha?“

Jake war einen Augenblick irritiert. Dann besann er sich, dass die KI nicht ihren Sieg ausgerufen hatte. Bevor er über weitere Schritte nachdenken konnte, brach die Hölle los. Aus den Baumkronen fielen vier Vampire herab und griffen an. Leah und Embry gingen zu Boden. Isaak und Jake konnten ihren Angreifern ausweichen.

„Seth zu Embry. Kamden zu Leah“, befahl der Leitwolf und kämpfte mit seinem Gegner. Der Sandfarbene stürzte sich auf den Blutsauger, welcher Embry versuchte zu erwürgen. Während Isaak den seinen einigermaßen in Schach halten konnte, kämpfte Leah verzweifelt um ihren Vampir loszuwerden.

Bevor Seth aber bei seinem Ziel angekommen war, stand Kamden über dem Blutsauger und zerlegte diesen. Irritiert bremste Seth ab und sah panisch zu seiner Schwester. „LEAH“, schrie er und sauste los, um ihr zu helfen. Doch es war zu spät …

„Irreparable Verletzung der Wirbelsäule. Kampf verloren“, flötete die KI und alle Vampire lösten sich in Luft auf.

Jake tobte und schrie seinen Bruder an: „Was soll das? Ich habe dir gesagt, hilf Leah.“

„Embry brauchte mich“, erwiderte Kamden stur und baute sich zu voller Größe auf.

Nun mischte sich sein Kleiner ein und biss ihm in den Hinterlauf. Kamden zuckte vor Schmerz zusammen und drehte sich erschrocken um. Irritiert sah der Schwarze seinen Freund an, der sich von ihm abwandte.

„Hey, ich habe dich gerettet“, maulte Kamden.

Embry schnaubte und knurrte: „Ja, danke, dass du mich gerettet und Leah getötet hast. Wir sind ein Rudel. Wäre das ein echter Kampf gewesen, würde ich dir das nie verzeihen. Das Wort des Alphas ist Gesetz. Hättest du das getan, was zu hättest tun sollen, dann hätten wir es geschafft und keiner von uns wäre zu Schaden gekommen. Aber du denkst nicht und handelst einfach.“

„Aber Kleiner, ich…“, stammelte Kamden und wusste nicht, was er sagen sollte.

„Mit solchen Alleingängen gefährdest du alle“, erboste sich Jake.

Aber sein Bruder hörte ihm gar nicht zu. Kamden trabte mit gesenktem Kopf auf seinen Kleinen zu und winselte.

„Hey, las das“, zischte Embry, als sich sein Freund an ihn schmiegte. Schell machte er eine Satz zur Seite und knurrte: „Wenn wir als Rudel unterwegs sind, dann lass das.“

„Aber du bist mir böse, das gefällt mir nicht“, maulte Kamden und ließ nicht locker. Er winselte noch lauter und sein Freund brach ein.

Ergeben seufzte Embry und warf seinem Alpha einen Blick zu. Dann schmusten die beiden ihre Köpfe aneinander. „Kamden, wir sollten da mal ein paar Punkte klären“, begann der Hellgraue versöhnlich.

„Als dein Freund danke ich dir und bin dir auch nicht böse. Aber als mein Rudelmitglied und Kampfgefährte, da bin ich dir böse. Verstehst du das? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn wir als Wölfe kämpfen, dann musst du dich Jake fügen. Oder wir können dich nicht gebrauchen. Du bist eine Gefahr für alle, wenn du machst, was du willst.“

Betölpelt ließ Kamden den Kopf hängen. „Oh, jetzt verstehe ich“, murmelte er und suchte den Blick zu seinem Bruder. „Entschuldige.“

„Deine Entschuldigung kannst du behalten“, knurrte Jake und seufzte. Wesentlich ruhiger forderte er ihn auf: „Zeig mir, dass du es besser kannst.“

„Ich versuche es“, schwor der Schwarze.

Dann wandte sich der Leitwolf, zur Verwunderung aller, an Isaak und fuhr ihn an: „Das nächste Mal lässt du dieses rumgetänzle und greifst deinen Gegner auch mal an. Was sollte das denn werden? Wie willst du so deinen Gegner besiegen?“

„Gar nicht“, gab Isaak zu und ließ den Kopf hängen. „Ich unterdrücke meine Wolfsinstinkte. Sie stehen im Gegensatz zu meinem Wesen. Ich darf mich nicht fallen lassen und so wild werden. Ich fürchte mich davor, mich in ihnen zu verlieren.“

Jake blinzelte irritiert und fragte nur ihn: „Geht es dir darum, zum Dominaten zwischen uns zu werden?“

„Ja“, erwiderte der Wächter beschämt. „Wenn ich mich diesen Instinkten hingebe, werde ich wohl nicht mehr so unterwürfig sein.“

Der Leitwolf wechselte zu allen: „Dann ist das eben so, damit beschäftigen wir uns, wenn es so weit ist. Ich möchte, dass du jetzt richtig kämpfst.“ Er wandte sich den anderen zu: „Seth zu langsam, achte mehr auf die Deckung deiner Kameraden. Leah und Embry immer den Rücken freihalten. Lasst euch nicht so leicht überrumpeln. Passt besser auf. Gut, dann auf eine neues.“

Sie machten sich wieder kampfbereit und Isaak startete eine zweite Runde.

Jake gab die gleichen Anweisungen und sie suchten in zwei Dreiergruppen nach den Feinden. Kurz nachdem sich die Gruppen getrennt hatten, bemerkte der Leitwolf, dass Kamdens Gedanken sich nur um Embry drehten und er seine Aufgabe missachtete.

Egal wie oft der Leitwolf und auch der Hellgraue diesen ermahnten, Kamden konnte einfach nicht anders. Seitdem er gesehen hatte, wie sein Kleiner in Bedrängnis gewesen war, machte er sich einfach Sorgen. Alle versuchten das so gut wie möglich zu ignorieren und die Feinde ausfindig zu machen.

Dann aber widersetzte sich Kamden mehrmals den Befehlen von Leah und gab selbst Anweisungen, wie sie es besser machen konnte.

Bevor Jake noch vollkommen der Geduldsfaden riss, mischte sich Isaak ein und schlug vor Seth und Kamden auszutauschen. So waren das Paar zusammen und der Leitwolf konnte seinen Bruder selbst beaufsichtigen.

Mürrisch stimmte Jake diesem Austausch zu und die beiden wechselten die Gruppen. Nun da Embry und Kamden beieinander waren, konnten sich beide besser Konzentrieren, denn auch der Hellgraue hatte mit der Distanz zwischen ihnen zu kämpfen gehabt.

Zudem bemerkte der Leitwolf, dass sich sein Bruder offenbar nur ihm unterordnete und seine Befehle, wenn auch mürrisch, umsetzte. Diesmal fand Jakes Gruppe die Gegner und behielt die vier Vampire im Auge, währen der Rest auf dem Weg zu ihnen war.

Der Wind drehte plötzlich und die Vampire hoben die Köpfe. Sie hatten den Geruch der Wölfe aufgenommen. Jake bellte sofort: „Angriff. Die anderen stoßen zu uns, sobald sie da sind.“

Die Drei stürzten sich auf die Feinde und konnten zwei von ihnen erledigen. Die anderen beiden sahen die Übermacht und rannten davon. Die Wölfe nahmen die Verfolgung auf.

„Das gefällt mir nicht“, meinte Jake und ab Anweisung: „Leah, ihr haltet euch im Hintergrund. Das sieht nach einer Falle aus.“

Kaum, dass er diesen Befehl gegeben hatte, da wurde die zweite Gruppe auch schon in einen Kampf verwickelt. Abermals hatten sich einige Feinde in den Baumwipfeln versteckt und sich auf Seth und Leah fallen lassen.

Unschlüssig stand Isaak da und war hin und her gerissen. Er wusste, was sein Freund von ihm erwartete, aber er ahnte die möglichen Konsequenzen, also zögerte er. Jake platzte der Kragen und er schrie ihn an: „KÄMPFE!“

Innerlich seufzte der Wächter und gab sich seiner wilden animalischen Seite hin. Da Leah ihren Gegner hatte abschütteln können stürzte sich der Rote auf den Blutsauger auf Seths Rücken. Ohne mit der Wimper zu zucken riss er dem Gegner den Kopf ab. Noch im Sprung machte er sich bereit und war mit zwei weiteren Sätzen bei Leah und ihrem Vampir. Wie aus dem nichts schnappte sich der rote Fellberg den Feind und zerstörte auch diesen.

Dann warf er den Kopf in den Nacken und ließ ein markerschütterndes Heulen erklingen. Irritiert sahen die Geschwister zu dem Wächter und wussten nicht so recht, was los war.

Jake fluchte innerlich, mit dem Krach würde sein Freund alle Feinde zu sich locken. Aber genau das war auch dessen Plan.

„Leah rechts, Seth links“, befahl Isaak mit der Doppelstimme eines Alphas. Überrascht und unfähig sich zur Wehr zu setzen, gingen die beiden auf ihre zugewiesenen Positionen und der Wächter schoss an der Spitze durch das Unterholz.

„Jake, komm uns entgegen. Ich kann noch weitere Feinde ausmachen, direkt vor euch. Lasst sie angreifen und wir überraschen sie von der Seite.“

Der eigentliche Alpha hatte Mühe weiterhin klar zu denken. Gegen die Willenskraft seines Freundes konnte er sich kaum zur Wehr setzen. Er hätte sich zwar widersetzen können, aber der Befehl galt nicht nur ihm und er war sich nicht sicher, ob er Kamden und Embry mit seiner Stimme hätte aufhalten können. Also blieb ihm keine Wahl als das zu tun, was Isaak angeordnet hatte.

Jakes Gruppe beschleunigte und sie stürzen sich auf die zwei Flüchtigen. Genau in diesem Moment fielen drei weitere Blutsauger aus den Baumwipfeln herab. Jake versuchte noch seine Gruppe umzulenken, aber es war sinnlos. Gegen die Macht des Wächter konnte er nichts ausrichten. Embry und Kamden mussten gehorchten und stürzten kopflos in die Falle.

Der Leitwolf bremste ab und sah entsetzt zu. Er konnte nichts tun, um seine Leute zu schützen.

Noch in der Luft prallten Isaak, Leah und auch Seth, mit je einem der fallenden Angreifer zusammen und sie konnten zwei erledigen, bevor sie den Boden erreichten. Kamden und Embry sprangen derweil die zwei Übrigen an, welche mit einem Grinsen stehen geblieben waren. Als diese sahen wie ihre Gefährten mit den drei weiteren Wölfen zusammenstießen, gefror ihr Grinsen und sie zischten wütend.

Zu mehr kamen sie aber nicht. Da sie damit gerechneten hatten, dass ihre Freunde die Angreifer ausschalten würden, waren die beiden zu langsam und wurden von dem Wolfspärchen rasch erledigt.

Nur noch ein Gegner war übrig. Seth hatte den seinen noch nicht besiegen können und bekam nun einen Tritt gegen den Kopf. Der Jungwolf ging zu Boden. Plötzlich tauchte Isaak hinter dem Vampir auf und riss ihm einfach den Kopf ab, bevor dieser einen zweiten Treffer landen konnte.

Die KI meldete sich: „Alle Gegner besiegt. Kampf gewonnen.“

Isaak ließ erneut ein markerschütterndes Heulen erklingen und überflutete die Verbindung mit seiner Macht. Leah, Seth und auch Embry neigten die Köpfe und huldigten ihrem neuen Alpha. Nur die Black-Brüder schafften es, sich der Kontrolle des Wächters zu entziehen. Doch Kamdens Widerstand hielt nur eine Sekunde an, dann neigte auch er gezwungenermaßen den Kopf.

Einzig Jake stand noch erhobenen Hauptes da und knurrte wütend. Isaak ruckte mit dem Kopf zu ihm und sie bauten sich beide zu voller Größe auf.

„Unterwirf dich“, befahl der Rote und neigte majestätisch leicht den Kopf.

„Nein“, presste der Leitwolf hervor. Noch konnte er der Macht seines Gegenüber widerstehen.

„Unterwirf dich“, wiederholte Isaak und knurrte.

Jake wusste, bei einem Duell der Willenskraft konnte er nicht gewinnen. Er musste sofort handeln und sprang ohne Vorwarnung vor. Mit geöffnetem Maul schnappte er nach dem Roten. Dieser hatte nicht mit einem Angriff gerechnet und war zu langsam. Nach einem kurzen Gerangel, bei dem beide einige Bisswunden einstecken mussten und alle anderen Winselten, gewann Jake. Er biss Isaak in den Hals und unterwarf ihn grob.

Isaak hatte verloren und anerkannte notgedrungen den Leitwolf als stärkeren. In genau diesem Moment erstarb seine Macht und die anderen erwachten aus seiner Kontrolle. Irritiert sahen sie sich um.

Wütend bleckte Kamden die Zähne und begann zu knurren: „Du hast uns als Kanonenfutter missbraucht.“

Jake hatte zwar gewonnen, aber er ließ noch nicht los und wartete bis Isaak zu winseln begann. Erst dann öffnete er sein Maul und gab seinen Freund frei.

„Tut mir leid“, stammelte Isaak und winselte auch weiterhin. Er blieb einfach auf dem Boden liegen, in seiner unterwürfigen Haltung.

Jake ignorierte ihn und sah auf. „Geht es allen gut?“

Alle nickten und sie sahen wütend auf dem am Boden liegenden Wolf hinab.

Isaak verwandelte sich zurück in einen Menschen und setzte sich auf. Dann vergrub er sein Gesicht in den Händen und atmete tief durch. Sein Freund ließ ihm einen Augenblick, damit er sich wieder fangen konnte, dann sagte der Rotblonde: „Zwing mich nicht nochmal dazu. Ich kann das nicht kontrollieren. Ich werde nicht mitkämpfen als Wolf. Bitte Jake, lass mich da raus.“

Der Leitwolf neigte den Kopf und schmuste sich an seinen nackten Freund. „Ist schon gut. Halte dich raus. Du hattest mich gewarnt und ich hätte dich nicht so bedrängen sollen.“

„Moment mal. Warum darf er sich raushalten?“, knurrte Kamden und forderte: „Dann will ich, dass Embry sich auch raushält.“

Sofort knurrte sein Freund aber der Schwarze beachtete ihn nicht weiter. Er wollte ihn in Sicherheit wissen und ihn nicht mal in die Nähe solcher Steinwesen lassen.

Ohne aufzusehen sagte der Alpha: „Nein. Ihr seid beide Gestaltwandler. Es ist euer Erbe und eure Pflicht unser Revier zu verteidigen. Außerdem würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen, ob du Embry so beschämen willst. Du bist zwar der Dominante bei euch beiden, aber Embry ist immer noch ein Mann und ein Krieger. Du entehrst ihn mit deinen Worten.“

Schnell sah Kamden zu seinem Kleinen und fand sich geleckten Zähnen gegenüber. „Im Rudel hast du mir nichts zu sagen, du sturer Bock.“

Der Schwarze wusste nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Er war nicht im Reservat aufgewachsen und konnte mit dieser Weltansicht von einem stolzen ehrenhaften Krieger nicht allzu viel anfangen. Jedoch sah er ein, dass er seinen Freund bloßgestellt hatte und gab klein bei. Er hatte ihm versprochen keine Szene zu machen und nun tat er es doch.

„Schon gut“, murmelte Kamden seinem Kleinen zu und stupste ihn mit der Schnauze an. „Ich halte mich da raus. Aber, ich werde auf dich aufpassen. Ich kann einfach nicht anders.“

„Damit werde ich wohl leben müssen“, knurrte Embry und gab seine Drohgebärden auf. Es spürte in seinem Inneren den Drang sich Kamden zu fügen, aber er war ein Wolf und als Wolf würde er kämpfen, solange er sich gegen seinen Freund behaupten konnte. Allerdings machte er sich keine Illusionen, er war der Schwächere und wenn Kamden ihn unterwarft, müsste er sich fügen.

Zudem war der Schwarze immer noch ein Neuling, also nahm Embry ihm seine Worte auch nicht übel. Dass er ihm so viel Freiheit gewährte, freute ihn und so schmuste er sich von unten an den Kopf seines Gefährten. Er wollte ihm seine Dankbarkeit zeigen und ihm klarmachen, dass er nicht wütend war.

Isaak stand auf und wurde sofort von dem Rotbraunen abgeschirmt. „Ich habe nachgedacht. Ja, ich bin Teil des Rudels, aber ich bin immer noch ein Wächter. Als solcher kann ich wesentlich nützlicher sein. Ich werde zwar nicht mitkämpfen, aber ich kann euch Informationen zur Verfügung stellen. Wäre das ein Idee mit der alle leben können?“

„Was kannst du als Mensch schon ausrichten?“, schnaubte Kamden abfällig. „Du behauptest, dass du stark bist, aber das glaube ich dir nicht. Bleib besser zu Hause, wenn du nicht kämpfen kannst.“

„Ich kann kämpfen“, grinste der Wächter über den Rücken seines Gefährten hinweg. „Aber ich darf meine Kräfte nicht einsetzen für solche Dinge.“

„Laber Rhabarber“, meinte der Schwarze und rollte mit den Augen. „Wenn du nicht kämpft, bist du nutzlos.“

„Zieh dir was an und dann testen wir das mal“, bestimmte Jake. Er wollte jetzt keinen Streit aufkommen lassen.

Isaak sauste davon und kehrte wenig später angezogen zurück. Dann starteten sie die dritte Runde.

Da sie nun nur noch fünf Wölfe waren, wollte Jake sie nicht aufteilen und sie bildeten eine große Gruppe. Er ordnete sie neu an. An Jakes rechter Seite stellte sich Leah auf, daneben ihr kleiner Bruder. Zu seiner Linken standen Kamden und ganz rechts Embry. Isaak hatte sich einfach frech auf den Rücken des Leitwolfes geschwungen.

Seth maulte ein wenig, da man ihm seinen Rang aberkannt hatte. Schlussendlich fügte er sich aber. Für ihn stand fest, dass er immer hoch einen höheren Rang innehatte als bei Sams Rudel. Keiner der anderen wollte ihm dieses Illusion nehmen.

Als das Startsignal erklang blieben sie einfach stehen. Der Alpha gab weder einen Befehl, noch machte er Anstalten loszurennen.

Die Wölfe sahen sich irritiert an. Dann murrte Kamden: „Was ist los?“

„Still“, befahl der Leitwolf und konzentrierte sich auf den Gedankenstrom seines Freundes.

„Was genau machen wir hier?“, wagte es nun Leah angepisst zu fragen.

„Zeig es ihnen“, knurrte Jake, der keine Lust hatte das lange zu erklären. Warum konnten sie ihm nicht einfach vertrauen. Er wusste, was er tat.

Isaak blinzelte und öffnete sich für das ganze Rudel. Alle zuckten zusammen als eine Flut von Bildern, Gerüchen und anderen Wahrnehmungen an ihrem inneren Auge vorbeizog. Sie konnten mit den vielen Informationen nichts anfangen und waren irritiert. Was sollte das werden?

Dann plötzlich erstarben die Eindrücke und eine einzelne Szene wurde scharf. Sie sahen zwei Vampire zwischen den Bäumen stehen. Der Blick hob sich und sie erblicken drei weitere in den Baumkronen. Zu aller Überraschung senkte sich die Perspektive und zeigte allen noch zwei Blutsauger, die verborgen im Gebüsch lagen.

Isaak hob die Hand und zeigte in eine Richtung. Schnell fasste er zusammen: „Sieben Vampire. Zwei als Lockvogel, drei in den Bäumen, zwei im Gebüsch.“

Der Leitwolf jaulte laut auf und sie setzten sich in Bewegung. Auf dem Weg durch das Unterholz fragte Jake: „Kannst du uns auch einen Plan geben?“

„Es ist nicht mein Kampf und du bist der Alpha. Aber du kannst mich gerne nach einem Tipp fragen“, schmunzelte der Wächter. Nun war er wieder in seinem Element. Mit all seinen Sinnen und seiner Magie konnte er gelassen alles betrachten und analysieren.

„Gut, dann ein Tipp bitte“, spielte Jake mit.

„Nutze, was dir zur Verfügung steht“, gab Isaak ominös preis.

Einen Augenblick lang dachte der Alpha über diese Worte nach dann fragte er: „Spielst du wieder den Lockvogel oder hält du dich komplett raus.“

Isaak lachte und meinte: „Soll ich?“

„Ja“, bestimmte Jake und grinste.

„Wie könnte ich da ablehnen“, flötete der Wächter und sprang direkt vom Rücken des Wolfes in die Höhe. Er verschwand in den Baumwipfeln.

Durch die Augen des Rotblonden sahen sie, wie er über ihnen hinwegsprang. Dann schoss er davon und rasche direkt auf die Gegner zu. Lautlos und mit verborgener Präsenz tauchte Isaak hinter einem der Vampire in der Baumkorne auf. Er grinste fies und sagte: „Buh.“

Der Blutsauger zuckte zusammen und fiel von dem Stamm. Bevor er auf dem Boden landete, war der Wächter auch schon wieder verschwunden und stand direkt zwischen den beiden auf dem Boden. Diese drehten sich fauchend um und griffen an.

Spielerisch wich Isaak den Hieben aus und gähnte gelangweilt. Daraufhin gesellten sich auch die zwei Übrigen aus dem Blätterbaldachin zu ihnen. Zudem rappelte sich der Fünfte wieder auf und gemeinsam versuchten sie den Wächter zu treffen. Nur die beiden in den Büschen blieben, wo sie waren.

Als Jakes Rudel die Stelle erreichte sandte er Seth und Embry aus, die beiden Versteckten zu überraschen. Leah, Kamden und er warteten einen Augenblick, bis alle auf Position waren, dann gab er den Befehl zum Angriff und das Gemetzel begann.

Die Beiden in den Büschen waren tot, bevor sie überhaupt mitbekamen, was los war. Jeder Wolf erledigte mit dem ersten Sprung einen Feind und so blieben nur noch zwei übrig. Diese wollten die Flucht ergreifen, aber der Wächter stellte sich ihnen in den Weg und sie mussten ausweichen.

Die kurze Ablenkung reichte aus, damit die fünf Wölfe leichtes Spiel hatten.

Als das Abschlachten, einen Kampf konnte man das nicht gerade nennen, beendet war, sahen sich alle um und die KI verkündete ihren Sieg.

„Die waren schwächer als die zwei Gruppen zuvor“, maulte Kamden.

Isaak grinste und offenbarte: „Nein, ich habe die Schwierigkeit sogar angehoben. Zufall oder bewusst…“, er deutete auf Leah: „…deiner hatte besondere Kräfte. Hätte er diese zum Einsatz bringen können, wäre das hier ganz anders ausgegangen.“

„Das hast du verschwiegen“, maulte Jake und fragte: „Welche Kraft hatte er?“

„Er konnte den Gleichgewichtssinn seiner Gegner stören. Damit hätte er euch Schachmatt setzen können. Und was deine Anschuldigung anbelangt. Ich weiß es erst seitdem der Kampf vorbei war.“ Er deutete auf die Konsole neben sich. „Da unsere Gegner Hologramme sind, kann ich nicht ihn ihre Gedanken eindringen. In der Realität hätte ich dir diese Information gegeben. Da kannst du sicher sein. Ich persönlich finde es aber recht spannend mit einem Handicap zu kämpfen.“

„Du hast aber nicht gekämpft“, beschwerte sich Kamden.

Jake hob den Kopf und sah seinen Freund nachdenklich an. „Ich würde auch gerne mal sehen, zu was du wirklich im Stande bist.“

„Wenn du das willst. Dieser Raum wurde ursprünglich als Kampfarena für die Wächter konzipiert. Erst später wurden für die Familien der Wächter die anderen Programme wie die Wiese oder die japanisch heiße Quelle hinzugefügt. Viele Wächter erprobten sich hier im Kampf, bevor er oder sie in die weite Welt hinauszogen. Wenn du willst, zeige ich euch mal ein Szenario.“

„Ui, das will ich sehen“, flötete Seth und sprang aufgeregt umher. „Bitte Jake, lass uns das sehen. Ich würde es so gerne sehen. Kamden wird dann bestimmt auch anders denken und wir alle wollen wissen, was Isaak kann. Bitte, Jake. Komm schon, gib dir einen Ruck…“

„Stopp“, knurrte der Leitwolf und der Jüngste verstummte. Dann nickte er und sagte: „Ich möchte das doch auch sehen.“

„Gut. Ich würde vorschlagen ihr werdet wieder zu Menschen und zieht euch an. Ich bereite alles vor“, verkündete der Rotblonde und tippte auf der Konsole rum.

Ihre Umgebung verblasste und sie stellten fest, dass sie keine fünfzig Meter von der Eingangstür entfernt standen. Nun sahen sie den Raum ohne Hologramme. Der Boden und die hohe Decke bestanden aus schwarzen glänzendem Granit, wie auch der Rest des Außenpostens. Der Raum hatte die Form einer Halbkugel, mit locker mehreren Kilometer Durchmesser. Bis jetzt war ihnen gar nicht bewusst wie groß der Holoraum eigentlich war.

Die Wölfe gingen zum Eingang, verwandelten sich und zogen ihre Klamotten wieder an.

Als sie sich umsahen veränderte sich abermals ihre Umgebung und ein offenes Schlachtfeld erschien. Der Himmel war bewölkt und ihnen gegenüber stand eine Armee, bestehend aus Menschen in mittelalterlichen Rüstungen. Es waren so viele Feinde, dass sie sie nicht zählen konnte. Sie schätzen grob auf über 1.000 Gegner.

„Übungsszenario der Wächter: Übermacht. Besiege alle Feinde.“ Ein Warnton erklang und vor den Gestaltwandlern baute sich ein Schutzschild auf. „Achtung, Sicherheitsprotokoll deaktiviert. Wächter, die Waffen ihrer Feinde können Sie verletzen. Besucher, zu Ihrer eigenen Sicherheit müssen Sie hinter der Barriere bleiben.“

Vor Isaak erschienen in der Luft schwebend einige Waffen.

„Wächter, wählen Sie ihre Waffe. Start in zwei Minuten.“

Der Rotblonde entschied sich für zwei schlichte Einhandschwerter. Die anderen Waffen verschwanden und Isaak machte sich mental bereit. Er schloss die Augen und bereite sich auf einen Todestanz mit seinen Klingen vor.

Als das Startsignal erklang brach die Hölle los. Dutzende Bogenschützen nahmen den Wächter ins Visier. Zu dem Pfeilhagel gesellten sich auch andere Wurfgeschossen, wie Steine die locker mehrere hundert Kilo wogen und von großen Katapulten abgefeuert wurden. Sowie Harpunen, die so dick wie ein menschliches Bein waren.

Wie ein Wirbelwind schoss Isaak über das Feld und wich allem aus. Die Wölfe rissen die Augen auf und zuckten als einige Bruchstücke der Steine gegen ihre Barriere krachten. Allein der Lärm, den die Maschinen und die heranstürmende Armee von sich gab, war beängstigend.

Aber das störte den Wächter kein bisschen. Wie ein zu Fleisch gewordener Todesengel wirbelte er umher und pflasterte seinen Weg mit Leichen. Er kämpfte mit einer tödlichen Gelassenheit die ihres Gleichen suchte. Jeder Schlag steckte mindestens einen Feind nieder und jeder Treffer war absolut tödlich. Nichts traf ihn. Egal ob mit Schwert, Keule, Axt oder Pike, keines der Hologramme schaffte es dem Rotblonden auch nur einen Kratzer zuzufügen.

Dann plötzlich änderte sich etwas und die Wölfe schüttelten die Köpfe. Zwischen den Kriegern in ihren Metallrüstungen tauchten auf einmal Soldaten in Tarnanzügen mit Gewehren auf. Isaak beschleunigte abermals und musste nun auch noch Kugeln ausweichen.

Mit offenen Mündern sah das Rudel zu, wie sich der Wächter über das Schlachtfeld arbeitete. Isaak sprang auf einmal schnell zur Seite, als etwas wie eine Rakete angeflogen kam. Die Stelle, an der er eben noch stand, explodierte und als sich der Staub legte, sahen sie einen tiefen Krater.

Die Wölfe hoben die Köpfe und sahen zu den altertümlichen Belagerungswaffen. Neben dem Holzgeräten, welche immer noch feuerten, stand ein Soldat auf einem Podest bewaffnet mit einem Raketenwerfer. Offenbar änderte sich mit der Zeit die Waffenwahl der Holofeinde.

Gebannt sahen sie wie einige Grenadiere vorrückten. Dann fielen ihnen fast die Augen raus. Isaak grinste und schlug mit seinen Schwertern, wie mit einem Baseballschläger die Granaten von sich. Die Kraft, die er dabei einsetzte, reichte aus, die Bomben bis zu den Belagerungswaffen fliegen zu lassen. Dort sprangen die Feinde in Deckung. Dann Explodierten die Geschosse und zerstörten die Ballisten und Schleudern. Auch den Soldaten mit dem Raketenwerfer konnte er mit dieser Taktik ausschalten.

Die Grenadiere verzogen zornig die Gesichter und warteten absichtlich, bevor sie die nächste Salve warfen. Sie wollten dem Feind nicht die Gelegenheit geben erneut ihre Waffen gegen sie zu benutzen. Aber Isaak hatte damit gerechnet und schoss nach vorne, als die Granaten niederregneten. Die erschreckten Soldaten hatten nicht mal die Zeit ihre Waffen zu ziehen, da war er auch schon bei ihnen und streckte sie nieder.

Das Feld der Feinde lichtete sich allmählich. In der Ferne sahen sie eine Gruppe auf einem kleinen Hügel stehen. Ein Krieger mit einer silbernen Maske in der Form eines grinsenden Dämonen stand vorn und digerierte die Feindbewegungen.

Als die Zahl der Gegner deutlich abgenommen hatte erdröhnte ein Horn und das Fußvolk zog sich zurück.

Isaak war schweißgebadet und wischte sich über die Stirn. Den fliehenden Feinden krümmte er kein Haar. Nun setzte sich die Gruppe um den Anführer in Bewegung. Mit ihren prunkvollen Rüstungen stachen sie deutlich aus der Masse hervor. Diese Feinde bewegten sich viel schneller als normale Menschen es tun konnten. Es waren offenbar Vampire.

Dann erreichten sie Isaak und die Kampfpause war vorbei. Sofort war klar, dass das Szenario einen weiteren Schwierigkeitssprung gemacht hatte. Mit diesen Gegnern konnte der Wächter nicht mehr so spielen wie bisher.

Auch wenn diese es nicht schafften ihn zu erwischen, so war es dem Rotblonden anzusehen, dass er langsam an sein Limit geriet. Nach einer Minute hatte er alle Vampire erledigt und jetzt war nur noch der Anführer selbst übrig. Einen Verlust gab es allerdings: Isaak hatte eine seiner beiden Klingen eingebüßt. Diese brach unter der Kraft eines Hammerschlags, der eine Druckwelle erzeugte, die den Staub um sie her aufwirbelte.

Silbermaske kam langsam über das Feld des Todes geschritten und zog eine reich verzierte Klinge. Es war ein Bastardschwert, ein Anderthalbhänder, welches er mit beiden Händen führte.

Isaak hob seine Klinge zum Gruß und sein Gegner tat es ihm gleich. Sie verbeugten sich voreinander, dann begann der epische Endkampf.

Sofort war klar, dieser Gegner stand dem Wächter in nichts nach. Kraft, Geschwindigkeit, Können und Reflexe waren ein perfekter Spiegel. Sie ließen ein ums andere Mal die Klingen gegeneinanderschlagen ohne das einer der beiden sich einen Vorteil erarbeiten konnte.

Der Kampf zog sich in die Länge. Alle Wölfe waren begeistert von der Show und feuerten ausgelassen ihren Favoriten an. Nach einer Weile öffnete sich eine Lücke in der Verteidigung des Hologegners und Isaak trat ihm hart gegen die Brust.

Der Feind taumelte zurück und der Wächter zielte auf den Hals seines Gegners. So schnell, dass sie es kaum sehen konnten, riss sich der Feind den Helm vom Kopf und Isaaks Klinge stoppte nur Millimeter vor dem ungeschützten Hals.

Entsetzt riss der Rotblonde Augen und Mund auf. Er war unfähig sich zu bewegen. Gebannt von dem, was er sah. Der Mann vor ihm hatte Jakes Gesicht. Isaak zuckte unkontrolliert und ließ sein Schwert fallen. Etwas setzte in ihm aus. Er sah weder das Schwert seines Gegners noch setzte er sich in irgendeiner Weise zur Wehr.

Erschrocken sah der echte Jake in sein Spiegelbild und er spürte das Chaos in seinem Partner. So konnte dieser nicht mehr kämpfen. Dann hob sein Spiegelich das Bastardschwert und wollte Isaak enthaupten. In dem Augenblick schrie Jack: „KI, Kampf sofort abbrechen!“

Die Klinge sauste auf den Hals des Wächters zu und verschwand. Sie hinterließ aber eine blutige Linie auf der Haut des Rotblonden.

„Kampf Abgebrochen. Niederlage“, bestimmte die KI und der Raum ging in seinen Ursprungszustand über.

Die Barriere verschwand und Jake rannte zu seinem Freund. Dieser stand immer noch stocksteif da und hatte offenbar einen Schock erlitten.

Stärke und Schwäche

Der Leitwolf stellte sich vor seinen Freund und besah sich als erstes die Verletzung am Hals. Die Wunde war nicht allzu tief und heilte bereits. Bei dem Gedanken, dass sein Partner eben fast geköpft worden war, erschauderte er und wurde bleich.

„Isaak?“, sprach er den Mann an. Dieser schien aber immer noch gefangen in seiner Starre und reagierte überhaupt nicht. Jake biss sich auf die Unterlippe und warf einen Blick in das Bewusstsein des Wächters. Auch dort stand alles still. Er versuchte es erneut ihn anzusprechen, erfolglos. Kein Gedanke oder eine Bewegung seines Geistes war zu beobachten.

Er wagte es aber nicht ihn zu berühren. Wer wusste schon, wie der Wächter darauf reagieren würde. Oder sollte er ihn anfassen? Wie sollte man mit einer Person, die einen Schock erlitten hatte, umgehen? War Isaak überhaupt menschlich genug, um ihn zu behandeln wie einen normalen Menschen?

Hilfesuchend hob er den Blick und sah seine Kameraden an. Diese waren mittlerweile zu ihnen gekommen und starrten den Rotblonden ratlos an.

Jake hob eine Hand und berührte seinen Partner sanft an der Wange. Als er die Haut berührte, zuckte der Wächter zusammen und blinzelte. Dann richteten sich die blauen Augen auf ihn und Isaak stammelte: „Jake.“

Tränen rannen dem Rotblonden aus den Augen und er sah so aus, als ob er gleich zusammenbrechen würde. Vorsichtig nahm der Leitwolf seinen Partner in den Arm und streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Haltsuchend klammerte sich der Wächter an ihn und dessen Beine gaben nach.

Jake fing ihn auf und ließ sie beide zu Boden gleiten, sodass er den anderen halb auf dem Schoß hatte. Beruhigend redete er auf ihn ein und streichelte ihm auch weiterhin behutsam über den Rücken.

In einem Anflug von weiblicher Intuition scheuchte Leah die anderen weg, damit das Paar Platz zum Atmen hatte. Das Rudel setzte sich etwas abseits auf den Boden und begann, um sich abzulenken, über den Kampf des Wächters zu diskutieren. Selbst Kamden musste einsehen, dass der Rotblonde kämpfen konnte und man ihn nicht zum Feind haben wollte.

Als dann Seth überschwänglich und mit anbetungswürdiger Stimmer erklärte, dass Isaak stärker, schneller und auch widerstandfähiger war als selbst ein Vampir. Zudem mutmaßte der Jungwolf, dass der Wächter unter normalen Umständen wohl nicht mal einen Kratzer von den Waffen der Hologegner davor tragen würde. Da starrte Kamden das schluchzende und zitternde Bündel in den Armen seines Bruder sprachlos an.

Dieser Mann war eine Heulsuse und dennoch so sein Monster? Er hatte ihn vollkommen falsch eingeschätzt. Bisher hatte er ihn als eine Art Trickser angesehen. Jemand der mit dem Verstand der anderen spielte, und dass genau das seine Stärke war. Aber nun, nach diesem Gemetzel, wussten alle, dass mit dem Rotblonden nicht zu spaßen war.

Bedachte man das wenige Wissen, welches sie über die Wächter hatten, so kamen sie nicht umhin zu verstehen, warum sich Isaak aus normalen Kämpfen raushielt. Er war keine Einmannarmee, nein, er war eine Naturgewalt, ausgestattet mit der Macht die natürliche Ordnung im globalem Maßstab zu beeinflussen.

Keiner von ihnen wollte sich ausmalen, was er anstellen konnte, wenn er auch noch seine Magie benutzen würde. Allein diese Demonstration seiner reinen körperlichen Kampfkraft reichte schon aus, um deutlich zu machen: Legt euch nicht mit mir an. Dennoch schluchzte er nun wie eine Memme und hatte seinen letzten Gegner nicht besiegen können.

„Hättest du das denn geschafft?“, fragte ihn Embry auf die Gedankengänge seines Partners hin.

„Einen Holofeind platt zu machen? Natürlich“, meinte Kamden großspurig.

„Und wenn er mein Gesicht hätte? Hättest du ihn dann töten können?“, stellte sein Freund die Lage in ein anderes Licht.

Der Brünette verzog die Miene und dachte angestrengt nach. Wenn er einen Gegner vor sich hätte, der wie sein Kleiner aussah, könnte er ihn töten? „Hm…“, brummte er.

Embry legte ihm ein Hand auf sein Bein und bekundete: „Ich weiß ja nicht, wie du tickst. Wir kennen uns ja kaum, aber ich könnte dich nicht töten oder auch nur böswillig verletzen. Allein unsere Prägung lässt das schon nicht zu. Ich kann verstehen, dass Isaak gerade neben der Spur ist. Mit sowas hatte er nicht gerechnet.“

Erneut brummte der Brünette und wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.
 

Nach einer Weile versiegten die Tränen und Isaak entspannte sich ein wenig. „Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Angst machen“, sagte er mit gebrochener Stimme. „Ich habe mich überrumpeln lassen.“

Jake ging nicht darauf ein und fragte: „Wie geht es dir?“

„Einigermaßen gut. Ich bin noch etwas durcheinander, aber es geht schon wieder.“

„Warum sah der Anführer der Gegner aus wie ich?“, harkte der Leitwolf wissbegierig nach. Bei dieser Frage spitzen alle die Ohren, das wollte jeder wissen.

Isaak räusperte sich und erklärte: „Die einfache Antwort lautet: Weil du mein größer Schwachpunkt bist.“

„Bitte?“, brauste der Leitwolf auf und sein Freund holte weiter aus:

„Das Kampftraining der Wächter wird nicht von der KI des Stützpunktes gesteuert. Dafür gibt es eine speziell für diese Aufgabe konstruierte KI. Diese analysiert sämtliche Daten, welche ihr zur Verfügung stehen. Sie nimmt das Wissen aus der Chronik des aktuellen, sowie aller anderen Wächter zuvor und generiert die Szenarien. Die KI berechnet mit hochkomplexen Wahrscheinlichkeits-Modellen wie der Wächter auf eine Situation reagieren wird.

Dann erarbeitet sie Gegenmaßnahmen und verändert das Szenario, um es schwieriger zu gestalten. Ihre Aufgabe ist es den Wächter zu fordern und ihm seine Schwachstellen aufzuzeigen. Ein Wächter muss mit allen Situationen klarkommen und seine Aufgabe erfüllen. Ansonsten ist er seiner Bestimmung unwürdig. Je länger ein Wächter lebt und je öfter er in Kämpfe verwickelt ist, desto gefährlicher und problematischer werden die Übungen.“

Entsetzt riss Jake die Augen auf und sein Freund besänftigte ihn: „Es gibt eine Notfallabsicherung. Tödliche Verletzungen werden verhindert. Jedoch gab es schon so einige Wächter die eine längere Erholungsphase benötigten, nach einem solchen Kampf gegen ihre innere Dämonen.

Die KI ist zwar sehr effektiv und versucht uns mit allem, was ihr zur Verfügung steht zu töten, lässt aber immer einen Ausweg. So ist das Training angelegt. Es gibt immer eine Möglichkeit für einen Sieg. Die eingebauten Wendungen sollen den Wächter auf alle Eventualitäten vorbereiten. Bisher konnte ich auch fast alle Kämpfe erfolgreich beenden.

Wie gesagt, die KI zeigt einem Wächter seine Schwächen. Mein Herz ist wohl die meine. Einmal hatte sie ein Hologramm von meinem Vater als Wendung hinzugefügt. Meine Aufgabe war es diesen zu beschützen. Aber ich konnte das nicht. Ich habe gezögert und er wurde getötet. So habe ich verloren. Heute hat die KI erneut auf mein Herz gezielt und abermals hatte sie Erfolg damit.“

Betrübt brach er ab und senkte den Blick. „Ein Wächter muss jederzeit und ohne Rücksicht auf Verluste seine Aufgabe erfüllen. Mein Verhalten war absolut inakzeptabel.“

„Das ist ja grausam. Warum setzt ihr euch solchen Gefahren aus? Das muss doch Spuren hinterlassen, oder?“, mischte sich Leah entsetzt ein.

„Die Aufgabe eines Wächters ist es das Leben selbst zu beschützen. Egal was passiert, ein Wächter muss seine Aufgabe erfüllen. Die KI bereitet uns lediglich darauf vor. Durch solche Szenarien wird der Geist der Wächter gestählt und wir können uns besser gegen Störungen behaupten. Aber ich muss gestehen es gab schon so einige von uns, welche die psychische Belastung nicht ausgehalten und sich selbst umgebracht haben“, offenbarte Isaak betrübt.

„Das ist unmenschlich“, ließ die Wölfin verlauten.

Der Rotblonde lachte sarkastisch: „Wächter sind keine Menschen. An uns werden hohe Erwartungen gestellt. Gefühle sind eine Schwäche die wir uns nicht leisten können. Nur ein Fehler und alles Leben könnte enden. Bei der gewaltigen Verantwortung, die auf unseren Schultern ruht, können wir uns keine Blöße leisten.“

„Dennoch hast du verloren“, quakte Kamden dazwischen und bekam einen Stoß in die Rippen, von seinem Kleinen, für das schnippische Kommentar.

Isaak zuckte wie geschlagen zusammen und Jake knurrte seinen Bruder wütend an. „Ist schon gut, Schatz. Er hat doch recht. Ich war zu schwach, um dieses Aufgabe zu beenden. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht mit dieser Wendung gerechnet. Da die Zitadelle mitsamt der Zentral-KI in einer anderen Dimension ist, hatte ich nicht angenommen, dass die Kampf-KI mich auf diese Weise außer Gefecht setzen könnte.“

Eher zu sich selbst murmelte er: „Aber selbst, wenn ich das gewusst hätte, bin ich mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde. Ich hätte meinen Gegner nicht die Gelegenheit geben dürfen den Helm abzusetzen. Das war mein Fehler.“

„Genug davon“, bestimmte Jake und raubte sich einen Kuss. „Ich liebe dich und ich sehe unsere Liebe nicht als eine Schwäche an. Du hast gesagt, dass man sich auf den prägt, der einen Stärker macht. Also sehe ich das auch so.“

„Aus Liebe wächst große Kraft, dennoch ist sie nüchtern betrachtet auch die größte Schwäche. Versteh mich nicht falsch. Ich will das zwischen uns nicht schlecht reden und ich möchte es auch nicht ändern, es ist nur eine Tatsache. Die Geschichte lehrt uns, dass schon viel Unheil der Liebe entsprang. Es wurden schon viele Kriege geführt, aus Rache oder um die Person des Herzens zu retten.

Das schlimmste Übel, an dem die Welt leidet, ist nicht die Stärke der Bösen, sondern die Schwäche der Guten. [Zitat: Romain Rolland]“

Isaak hob den Blick und sah seinem Freund eindringlich in die Augen: „Wenn es nach mir ginge, würde ich dich nicht als Wolf umherziehen lassen. In deiner animalischen Gestalt bist du anfällig und schwach. Es wäre besser dich in den Kampfkünsten als Mensch zu unterweisen. Aber, du bist du und ich habe nicht das Recht dir dein Erbe und deine Ehre zu nehmen. Also bleibt mir nur ein Auge auf dich haben und dich zu beschützen, so gut ich es kann.“

Irritiert schüttelte der Leitwolf den Kopf und fragte: „Was meinst du denn damit schon wieder? Ich bin ein Alpha. Warum sollte ich als Wolf anfällig sein?“

„Als Mensch bist du besser geschützt. Durch meine genetischen Modifikationen, die aufgrund unserer Verbindung auch auf dich übertagen wurden, kann dir kaum ein Gegner gefährlich werden. Diese werden aber nicht mit in die Wolfsform übernommen. Als Wolf bist du ein normaler Gestaltwandler und wesentlich anfälliger gegenüber deiner menschlichen Gestalt.

Das ist auch mit einer der Gründe, warum ich mich ungern verwandle. Ich muss jederzeit zu 100% kampfbereit sein. Als Wolf bin ich nicht stark genug und zudem kann ich meine Magie nicht einsetzen. Das macht die Sache noch schwieriger für mich.“

Jake ließ den Kopf hängen und fragte angepisst: „Seit wann weißt du das? Das letzte Mal als wir darüber sprachen, wusstest du noch nicht wie sich die genetischen Veränderungen auf meine Wolfsgestalt auswirken.“

„Oh“, blinzelte der Wächter und offenbarte: „Als du dich in der Wüste Gobi verwandelt hast und ich das erste Mal auf dir reiten durfte, habe ich das festgestellt.“

„Und warum hast du nichts gesagt?“, fuhr ihn der Leitwolf an.

„Nun ja, das war kurz nach dem Flugzeugabsturz und da hatte ich wichtigeres im Kopf. Zudem habe ich entschieden, dass es ohnehin egal ist. Du bist wer du bist, Jake. Du bist ein Wolf und nun auch ein Alpha. Ich wollte dich nicht mit meinen Ängsten belästigen und dir das Leben schwer machen.“

“Flugzeugabsturz?“, fragte die anderen wie aus einem Munde. Seth sprang auf und hüpfte umher: „Davon hast du gar nichts erzählt. Oh, ich möchte alles wissen? Wie habt ihr das Überlebt? Seid ihr mit einen Fallschirm aus dem Flugzeug gesprungen?“ Er machte einen noch größeren Satz in die Luft. „Oder war es Magie? Bitte sag mir: Es war Isaak mit seiner Magie. Komm schon, Jake…“

„Seth, Ruhe“, knurrte der Leitwolf und seufzte. Da hatte sein Freund ihm ja einen schöne Bescherung bereitet. Er konzentrierte sich wieder auf seinen Geliebten und sagte mental zu ihm: „Darüber reden wir noch.“ Laut sagte er: „Ich erzählte es euch später, versprochen. Aber jetzt haben wir keine Zeit mehr. Die Versammlung der Ältesten steht kurz bevor. Alle man in die Duschen und ordentlich anziehen. Abflug in zwanzig Minuten.“

Murrend standen alle auf und trotteten dem Ausgang entgegen. Auch Isaak erhob sich in einer fließenden anmutigen Bewegung und zog dann seinen Freund auf die Beine. Das Rudel verteilte sich auf ihre jeweiligen Zimmer, wobei Kamden einfach frech seinem Kleinen folgte.

Jake betrat nach seinem Geliebten das Zimmer und sah diesen mitten im Raum auf ihn warten.

Die Gedanken des Wächters waren immer noch etwas träge. Zudem war er unsicher, ob er nun eine Bestrafung verdient hatte oder nicht. Er hatte es schon wieder getan und seinem Partner etwas verschwiegen. Auch hatte er seinen Kampf verloren und seinem Freund einen Mords Schrecken eingejagt. Für das alles würde er einen Biss akzeptieren.

„Ich werde dich nicht bestrafen dafür, dass du einen Gegner, der wie ich aussieht, nicht besiegen konntest“, sagte der Wolfsjunge und trat näher an den anderen. „Für deine Verschwiegenheit hättest du schon einen Biss verdient, aber auch das mache ich dir nicht zum Vorwurf.“

Er nahm seinen Gefährten in die Arme und drückte sich an ihn. „Ich kann verstehen, wie es dir geht. Nun da ich weiß, dass du als Wolf anfälliger bist, möchte ich auch nicht, dass du in der Tierform kämpfst.“

Jake lachte gequält auf. „Da habe ich es wohl leichter. Du bevorzugst es als Mensch zu kämpfen. Ich hingegen bin von Geburt an ein Wolf und werde nicht aufhören einer zu sein. In der Hinsicht muss ich dir danken für deine Rücksichtnahme.“

Gierig raubte sich der Leitwolf einen Kuss und begann einfach seinen Freund auszuziehen. Isaak schmunzelte und tat es ihm gleich. Wenig später standen sie eng aneinandergeschmiegt in der Dusche. Dunkel grollte Jake auf. Sie waren beide erregt und das half nicht gerade sich zu konzentrieren.

Als sich Isaak dann vor ihm räkelte ging es fast mit ihm durch. Er war aber der Alpha und als solcher durfte er nicht zu spät kommen. Es hing so viel davon ab.

„Wenn du willst, kann ich mich schnell um dich kümmern“, flötete der Wächter und schenkte seinem Freund einen verführerischen Blick. Zudem leckte er sich lasziv über die Lippen.

Mit Aufgebot all seiner Willenskraft griff Jake an seinem Partner vorbei nach dem Seifenspender. „Ich will mehr als einen Quicky in der Dusche. Leider haben wir keine Zeit dafür.“ Dann schmierte er die Seife dem anderen auf den Kopf und dieser schloss schnell die Augen, damit die Lauge ihm nicht hineinlief.

Schnell schnappte er sich seinen Partner an der Hüfte und dirigierte ihn so, dass dieser mit dem Rücken vor ihm stand. Er ließ sein Becken vorschnellten und biss dem Wächter in den Hals. Isaak stöhnte rau auf, begann aber brav sich einzuseifen.

In das Ohr des Wächters flüsterte Jake: „Sobald wir die Zeit haben, bist du fällig.“ Zu gerne würde er nun nach der Erregung seines Geliebten greifen, aber es wusste, dass er dann nicht mehr hätte aufhören können. Es verlangte ihm zu sehr nach seiner Beute. Schnell ließ er von dem anderen ab und begann nun auch sich zu säubern.
 

Einige Minuten zuvor in einem anderen Zimmer.

Embry stand etwas bedröppelt da und sah zu seinem Freund. Dieser war ihm einfach gefolgt und zog sich aus. Seine Klamotten landeten auf dem Bett und er fragte: „Willst du zuerst duschen?“ Als er keine Antwort bekam, drehte er sich um.

Der Schwarzhaarige schluckte und konnte einfach nicht anders als den anderen anzustarren. Wie von Gott erschaffen stand dieser muskulöse Adonis da. Als er bei seinem Schritt ankam, wurde er leicht rot und schluckte abermals.

Kamden grinste süffisant und kam langsam näher. Direkt vor seinem Kleinen stehend griff er nach Embrys Kinn und drückte ihm den Kopf hoch, sodass sie sich in die Augen sahen. Mit rauer Stimme und einem verführerischen Grinsen fragte er: „Wir können auch zusammen duschen.“

Dann, bevor sein Kleiner antworten konnte, gab er ihm einen hauchzarten Kuss. Embry fielen die Augen zu. Er seufzte und erwiderte diese unschuldige Geste. Ganz automatisch schlang er dem Brünetten die Arme um den Hals und drückte sich ihm entgegen.

Schnell löste sich Kamden und grinste fies: „Ist da jemand erregt?“ Er ließ sein Becken vorschnellen und spürte deutlich die pralle Härte seines Kleinen.

Embry wurde knallrot und trat einen Schritt zurück. Nicht wirklich in der Lage klar zu sprechen, wollte er ablenken und stammelte: „Das, das ist mein Zimmer.“

Kamden runzelte die Stirn, griff sich nachdenklich ans Kinn und sagte: „Nein.“ Dann grinste er verführerisch und flötete: „Du hast mich in dein Bett gelassen, damit ist das unser Zimmer. Gewöhn dich besser dran. Mich wirst du nicht mehr los, mein Kleiner.“

Sein Gefährte schüttelte den Kopf und griff nach einem Kissen auf dem Bett. Dieses warf er gegen seinen Freund. Der fing es auf und warf es einfach wieder auf das Lacken zurück.

„Gut, dann dusche ich eben zuerst“, meinte Kamden und ging fröhlich pfeifend ins Bad. Aus der wie immer offenen Tür drang seine Stimme in das Zimmer zurück: „Als Wolf gefällst du mir besser. Da hast du keine Berührungsängste und bist so süß verschmust. Das gefällt mir.“

Embry stand wie vom Donner gerührt vor dem Bett. Dann machte er einen Schmollmund und dachte nach wie er sich rächen konnte. Als er hörte wie das Wasser anging, grinste er dämonisch und befahl: „KI, Wassertemperatur in der Dusche auf 0°C.“

Es erklang das Pling, dass den Befehl bestätigte und aus dem Bad drang ein sehr mädchenhafter Aufschrei.

Mental wurde er angesprochen: „Das bekommst du zurück und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“ Die Stimme überschlug sich vor Schalk und Embry schluckte. Was hatte er da nur losgetreten?

Kamden erhöhte die Wassertemperatur wieder und lachte ausgelassen. Das gefiel ihm sehr. Sich gegenseitig kleine Streiche zu spielen, war genau sein Ding. Er liebte das und er schmiedete bereits Rachepläne.

Als er dann sauber und nackt in das Zimmer kam, düste ein aufgescheuchter Embry mit rotem Gesicht an ihm vorbei. Sein Kleiner machte die Tür zu und stieg in die Dusche. Der Brünette schlüpfte in seine Buchse, welche er noch schnell gereinigt hatte und ging fröhlich pfeifend in den Gang, um Klamotten für sich und seinen Kleinen zu besorgen.

Einen Augenblick dachte er daran seinen Freund einfach in ein rosa T-Shirt zu stecken. Aber das wäre wohl in Anbetracht der aktuellen Situation nicht angemessen. Er wusste zwar nicht, was er von dem Ältestenrat halten sollte, aber wenn die auch so gegen Homos waren wie sein Alter, dann sollte er auf keinen Fall deren Meinung bestärken und ihnen noch mehr Gründe gegen sie geben.

Währenddessen duschte Embry und erwartete, dass das Wasser jederzeit abkühlen könnte. Je länger nichts geschah, desto unruhiger wurde er. Aber es passierte nichts. Er konnte in Ruhe, innerlich war er total hippelig, duschen und kam mit einer Boxershorts am Körper in das Schlafzimmer.

Dort fläzte sich sein Freund auf dem Bett und summte glücklich vor sich hin. Als sein Kleiner den Raum betrat, genoss er die Aussicht und grinste fies, als er dessen scheuen vorsichtigen Blick bemerkte. Er spürte die wachsende Unruhe in Embry und beschloss ihn zappeln zu lassen.

Mit überschwänglicher Stimme sagte er: „Ich habe dir was zum Anziehen mitgebracht.“ Dabei deutete er auf den Kleiderhaufen auf dem Bett.

Misstrauisch beäugte Embry die Klamotten und näherts sich langsam, immer darauf bedacht vorsichtig zu sein.

Kamden lachte laut auf und sagte: „Keine Sorge, dass ist keine Falle.“ Ein dämonisches Grinsen zierte sein Gesicht und offenbarte: „Ich vergesse nichts und ich bin geduldig. Du wirst es nicht kommen sehen.“

Erleichtert atmete Embry aus. Das beruhigte ihn. Dann blinzelte er. Moment mal, wenn er sich nun entspannte, dann würde er unvorsichtig sein und dann würde er es auch nicht kommen sehen. Also musste er wachsam sein, aber dann würde nichts passieren und er könnte sich wieder entspannen. Eine verzwickte Zwickmühle.

Als er dann an der Kleidung roch, um sicher zu gehen, dass der andere ihm doch keinen Streich spielte, tätschelte Kamden ihm die Schulter und sagte: „Keine Sorge, ich will dich doch nicht vor deinem Stamm blamieren. Ich schwöre, ich habe nichts gemacht mit den Klamotten.“

Erleichtert zog sich Embry an und sein Freund wechselte das Thema: „Sag mal, glaubst du, dass Isaak uns beiden auch solche genetischen Veränderungen verpassen könnte? Das wäre doch geil. Unzerstörbarkeit und die Stärke eine Armee auszuschalten.“

Er sprang vom Bett und kämpfte mit einem imaginären Schwert gegen unsichtbare Feinde.

Erst nachdem sich sein Kleiner vollständig angezogen hatte, ließ dieser sich zu einer Antwort herab: „Das kannst du wohl vergessen. Wenn ich das richtig verstanden habe, war es bei Jake ein Unfall und nicht beabsichtigt, dass sie ihre Fähigkeiten auf den jeweils anderen Übertragen. Die Wächter haben mal versucht Lebewesen auf diese Weise zu pimpen. Alle Versuche scheiterten und die Versuchsobjekte starben alle bei der Prozedur.“

„Oh“, murrte Kamden und hielt kurz inne. Dann zuckte er mit den Schultern und machte einfach weiter seine Fantasiegegner zu zerhacken. „Ich frage ihn trotzdem. Vielleicht geht es ja, wenn man unsterblich ist, wie wir es sind. So leicht geben wir Wölfe den Löffel nicht ab.“

„Ja, das stimmt schon“, bestätigte Embry und schüttelte den Kopf. Sein Freund war offenbar ein sturer Kindskopf. „Maultier“, murmelte er.

„Ah, ich wurde getroffen. Räche mich, mein Kleiner“, stöhnte Kamden gequält und mimte den sterbenden Schwan.

Irritiert starrte sein Freund ihn an. „Moment mal. Ist das etwa mein Kosename? Kleiner?“

Vom Boden her sah sein Freund verschmitzte auf und fragte: „Ja und nein. Also es heißt: mein Kleiner. Ist aber nur die Kurzform. Ich wollte dich nicht gleich überfordern.“ Er runzelte die Stirn: „Das sage ich schon seit über 24 Stunden und du merkst erst jetzt, dass das dein Kosename ist?“

Embry wurde leicht rot um die Nasenspitze und stammelte: „Ich, ich habe nicht darauf geachtete und…“ Schnell blinzelte er und fragte scharf nach: „Was? Das ist die Kurzform? Und was ist die Lange?“

Kamden stemmte sich auf die Ellenbogen und sagte mit einem liebevollen Lächeln: „Mein kleiner Prinz?“

Sein Gegenüber war einen Moment sprachlos und starrte den Mann auf dem Boden ungläubig an. Entsetzt fragte er: „Warum Prinz?“

Nachdenklich setzte sich der Brünette auf und stellte die Gegenfrage: „Willst du das echt wissen? Ich fürchte, meine Erklärung könnte etwas zu schwul für dich sein.“

Wut flammte in Embry auf und er knurrte: „Spuck´s schon aus.“

„Wie ihr wünscht, mein kleiner Prinz“, flötete Kamden und deutete eine Verbeugung an. Dann wurde er ernst und erklärte: „Es gibt mehrere Gründe dafür. Zum einen finde ich die Vorstellung, dass ein Prinz auf einem edlen Ross angeritten kommt und mein Herz im Sturm erobert, sehr ansprechend. Naja, das stimmt nicht so ganz. Du bist als Wolf zu mir gekommen und sahst so edel und vornehm aus, dass ich bei deinem Anblick an einen Prinzen denken musste. Zudem hast du mit nur einem Blick mein Herz im Sturm erobert.“ Ein verträumtes Seufzen entrann seiner Kehle.

Schnell schüttelte er den Kopf und fuhr fort: „Zum anderen möchte ich dich auf Händen tragen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Ich kann dir einfach keinen Wunsch abschlagen. Also bin ich dir stehts zu Diensten.“ Er erlaubte sich ein süffisantes Lächeln. „Zudem sehe ich mich als deinen Beschützer, auch das passt. Bin also ein großer starker Beschützer der alles für seinen kleinen Prinzen machen würde. Der letzter Punkt ist, dass die Vorstellung ein Leibwächter treibt es mit seinem Prinzen etwas Verrutchtes und Verbotenes an sich hat. Mir gefällt die Vorstellung.“

Feuerrot im Gesicht knurrte Embry böse auf.

Kamden grinst nur noch breiter und meinte: „Oh ja. Kratz mich. Beiß mich. Gib mir Tiernamen, Nein, warte. Gib mir böse Tiernamen.“

„Esel“, schrie sein Kleiner ihm entgegen.

„Damit kann ich leben“, erwiderte der andere und lachte laut.

„Böser Schmetterling“, versuchte es Embry irgendwie sein Gesicht zu wahren, aber sein Freund lachte nur noch lauter.

Der „Wahre Alpha“

Ungeduldig ging Jake im Gang auf und ab. Isaak lehnte an der Wand und ließ sich, wie so meist, nicht in die Karten schauen. Aber sein Freund ließ sich nicht täuschen. Auch der Wächter war aufgeregt, zeigte es jedoch nicht. Neben ihnen standen Leah und Seth. Die vieren waren abreisebereit und warteten auf den Rest des Rudels.

Der Leitwolf knurrte erbost und schnauzte in die Verbindung: „Embry, Kamden, wenn ihr nicht in drei Sekunden hier seid, dann komme ich und hole ich euch.“

Augenblicklich wurde die Tür ihres Zimmers aufgerissen und Embry sprang förmlich in den Gang. Hinter ihm kam sein Freund mit gemächlichen Schritten hinterhergeschlurft. Jake warf den beiden einen verärgerten Blick zu und knurrte abermals. Sein bester Freund war so anständig schuldbewusst dreinzusehen und den Kopf zu senken. Kamden allerdings war bester Laune und summte verträumt vor sich hin.

„Könnt ihr nicht mal die Uhr lesen? Wir warten schon alle“, fuhr der Leitwolf die beiden an.

Sein Bruder blinzelte und warf einen Blick auf eine der Uhren, die hier überall angebracht waren. Eher gelangweilt tadelte er den Alpha: „Wir haben doch noch zehn Sekunden. Also mach den Kopf zu und hör auf zu blöken wie ein Schaf. Sei das nächste Mal einfach präziser mit deinen Zeitangaben.“

Empört plusterte sich Jake auf, da befahl Isaak: „KI, bring uns alle zur Aufstiegsplattform.“ Dann ermahnte er mental: „Beruhige dich Schatz. Wir haben keine Zeit für einen Streit.“

„Ja, ja. Du hast ja recht“, knurrte sein Freund durch ihre Verbindung zurück.

Wenige Augenblicke später standen sie auch schon vor dem Haus der Cullens. Sie sahen sich um und Seth fragte: „Und wie kommen wir jetzt nach Hause ohne uns zu verwandeln?“

Alle Blicke wandten sich an den Leitwolf. Dieser blinzelte und machte ein bedröppeltes Gesicht. Isaak grinste und zog den Autoschlüssel des Volvos aus dessen Tasche. Als wäre das der Plan gewesen nickte Jake und versuchte den Anschein zu erwecken, dass das so geplant war.

Kamdens Mundwinkel zuckten und er meinte: „Du weißt schon, dass wir deine Gedanken hören können?“

Ertappt ließ der Leitwolf den Kopf hängen.

„Zum Glück hast du einen Freund, der dir aus der Patsche hilft“, stichelte sein Bruder einfach weiter.

„Da fällt mir was ein“, sagte Jake und sah zu seinem besten Freund. Er wollte nicht auf die Stichelleien eingehen und hatte wichtigeres im Kopf. „Embry, kannst du deinen Freund im Zaum halten? Du weißt, um was es geht. Wir müssen als eine Einheit auftreten. Also pack deinen Freund bei den Eiern, sonst muss ich das machen.“

„Hey“, brauste Kamen auf.

„Ich kann es versuchen“, begann Embry und erklärte: „Ich weiß aber nicht, ob er auf mich hören wird.“

„Mach ihm klar, was auf dem Spiel steht. Ich denke, es wäre das Beste es dir zu überlassen diesem sturen Bock Vernunft einzubläuen“, bestimmte der Leitwolf und wandte sich an seinen Bruder. Dieser hatte die Backen aufgeblasen und mimte einen Ballon.

„Kamden, ich erwarte, dass du die Klappe hältst. Ich weiß, wie sehr es dir in den Fingern juckt Embry zu beschützen, geht mir bei Isaak nicht anders, aber das darfst du nicht. Nicht heute Abend. Der Rat wird versuchen uns aus der Fassung zu bringen. Das darf nicht passieren. Bleib ruhig und hör auf Embry, oder ich muss dich zwingen den Mund zu halten. Diese Angelegenheit ist zu wichtig, um sie an deinem Temperament scheitern zu lassen.“

Er sah in die Runde und knurrte: „Das gilt für alle. Haltet euch zurück und überlasst es mir zu reden. Ihr seid mein Rudel, also lasst mich euer Schild sein.“

Seth flötete ergeben: „Aber sicher doch Boss.“

Embry und Leah nickten, wobei die Wölfin sich ihre eigenen Gedanken macht. Sie konnte es einfach nicht lassen und verglich die beiden Alphas und ihre Art miteinander. Sam hatte sich als Leitwolf schon bewiesen. Er schützte sein Rudel und achtete stehts darauf, dass alle unversehrt aus einem Kampf vorgingen. Das konnte Jake noch nicht von sich behaupten. Das Geplänkel im Holoraum war kein echter Kampf und sie zählte das nicht mit.

Aber ihr Ex war ein Speichellecker und dem Rat absolut hörig. Wenn es hart auf hart kam, so beugte er sich stehts dem Ältestenrat. Er würde sich nicht vor sein Rudel stellen und sich gegen die Ältesten erheben. Jake war da ganz anders. Vielleicht auch deshalb, weil sein Vater der Häuptling war und er mit diesem schon im Klinsch lag. Dennoch rechnete Leah es ihrem jetzigen Alpha hoch an, dass er sich schützen vor sie stellen würde. Er würde nicht vor dem Rat klein beigeben. Nein, so war er einfach nicht gestrickt.

Sie warf einen Blick in die Runde und wurde leicht rot um die Nasenspitze. „Was? Darf Frau nicht mal denken, was sie will?“

„Schwester, du himmelst Jake ja an“, meinte Seth und bekam postwenden einen spitzen Kommentar: „Nicht mal annähernd so stark wie du. Du wedelst ja schon mit dem Schwanz, wenn du ihn siehst.“

Der Jungwolf wurde rot und senkte schüchtern den Blick. Leise brabbelte er vor sich hin: „Ich mag Jake eben. Aber ich bin nicht schwul. Glaube ich jedenfalls.“

Bevor das zu einem Geschwisterstreit ausufern konnte, nahm Jake seinem Freund den Schlüssel ab und öffnete das Auto. „Alle einsteigen“, befahl er.

Kamden, der immer noch angepisst war, bluffte: „Wir sind zu sechst. Es gibt nur fünf Sitzplätze.“

Jake deutet mit dem Daumen zu seinem Partner und sagte: „Isaak läuft. Noch mehr dumme Fragen?“

Grollend stieg sein Bruder mit den anderen ein. Seth ergatterte sich den Platz als Beifahrer. Der Leitwolf schüttelte den Kopf und grinste. Dann raubte er sich noch einen letzten Kuss und machte es sich anschließend hinter dem Lenkrad gemütlich.

Der Motor sprang ohne Probleme an und schnurrte wie ein Kätzchen. Wenn er doch nur Zeit hätte das zu genießen. Er seufzte und gab Gas. Sie mussten sich beeilen. Die Sonne ging bereits unter und der Rat würde eine Verspätung nicht gut aufnehmen.

Isaak sah dem Auto einen Augenblick hinterher und winkte dem Vampirzirkel zu. Diese hatten sich an einem der vielen Fenster versammelt und beobachten alles. Dann düste auch der Wächter davon. Er musste nicht die Straße nehmen und rannte auf gerader Strecke, über Stock und Stein, mitten durch den Wald.
 

Als Jake das Auto parkte, war sein Freund schon längst da. Dieser saß auf einem Stein und meditierte ein wenig vor sich hin. Alle stiegen aus und der Leitwolf fragte: „Sind sie schon da?“

„Ja. Der Ältestenrat, Sam mit seinem ganzen Rudel, zudem ist Tiffany Call anwesend“, verkündete der Rotblonde und streckte sich.

„Meine Mutter ist hier?“, fragte Embry entsetzt und wurde kreidebleich. „Warum ist sie hier?“, stammelte er sprachlos.

Der Wächter hob den Blick und suchte die Augen seines Partners. Dieser hatte schon so eine grobe Idee und fragte: „Dad?“

„Ja“, bestätigte Isaak bekümmert. Er wollte nicht noch mehr Feindseligkeiten in der Familie Black hervorrufen und wollte Billy nicht bloßstellen.

„Warum?“, harkte Jake nach und ignorierte die Gedanken des anderen. Er musste wissen, was vor sich ging. Mit seinem Alten würde er sich später beschäftigen.

Der Rotblonde gab nach und offenbarte: „Für ihre Anwesenheit gibt es mehrere Gründe. Tiffany weiß nichts von den Wölfen und somit können wir nicht offen reden. Wir können nichts über die Prägungen sagen und erklären, warum sich drei Jugendliche nicht an das Gesetz halten. Im Gegenzug kann der Rat uns aber der Unzucht beschuldigen. Wir brechen die Regeln des Stammes und haben keine Chance es zu erklären.

Hinzu kommt noch, dass der Rat Gewalt vermeiden will. Eine Unbeteiligte dabei zu haben, so hoffen sie, soll sicherstellen, dass es nicht zu einem Kampf der Rudel kommt. Zudem, und das ist etwas zwiespältig, glaubt Billy zwar immer noch, dass Schwulsein eine Schwäche ist, du aber zum Alpha des gesamten Rudel werden könntest. Nachdem er am eigenen Leib gespürt hat, wie stark meine Magie ist, hat er nun die Meinung, dass ich dich mit meinen teuflischen Kräften an mich gebunden habe und du weder schwul noch schwach bist.

Du hast gedroht Sam vor dem Rat zu unterwerfen. Er glaubt, dass ich im Hintergrund die Fäden ziehe und dein Erbe ausnutze um mir die Kontrolle über das Rudel anzueignen. Davor fürchtet er sich. Außerdem sind mit Tiffany Call alle Eltern der Beschuldigten vertreten. Außer Kamdens Mutter, aber die zählt nicht, da sie keine Quileute ist. Zumal, sollten wir das Geheimnis des Stammes vor ihr offenbaren, dann geben wir dem Rat noch mehr Gründe gegen uns.“

Jake seufzte schwer und gestand: „Das macht alles wesentlich komplizierter.“

„Ja“, bestätigte Isaak und nickte. „Am besten ich halte mich komplett raus. Aber auch das wird ihre Meinung nicht ändern.“

„Dieser Rat tickt doch nicht mehr richtig“, knurrte Kamden. „Selbst wenn wir nicht geprägt wären, Homosexualität ist was ganz normales. Eigentlich sollte es darüber gar keine Diskussion geben. Soll doch jeder selbst entscheiden, ob er oder sie mit einem Mann oder einer Frau in die Kiste steigt. Ich bin mir echt nicht sicher, ob ich zu einem Stamm zurückgebliebenen Waldmenschen gehören will.“

Die Augen des Wächters richteten sich auf ihn. „Ach, an eurer Verbindung bin ich auch schuld. Sie wollen es so darstellen, dass ich einen schlechten Einfluss auf euch habe. Sie werden wohl auch die Gang- und Drogenkarte ausspielen.“

„Bitte?“, fuhr Leah dazwischen. „Nicht deren ernst, oder? Ich glaube, ich muss mal ein erstes Wörtchen mit meiner Mutter reden.“

Jake kratzte sich am Hals und dachte nach. Das war echt nicht gut. Der Ältestenrat bestand aus Billy dem Häuptling und Sam als Alpha. Hinzu kamen noch Sue Clearwater, die ihren Mann nach dessen Tod ersetzte und Quil Ateara III, der Opa von seinem ehemals guten Freund Quil Ateara V. Ursprünglich war auch Sams Dad Joshua Uley im Rat. Aber dieser wurde als Säufer in Schimpf und Schande davongejagt. Keiner wusste, was aus ihm geworden war.

„Dann mal auf in die Schlacht“, meinte der Leitwolf. Erhobenen Hauptes und mit der im angeborenen Autorität eines Alphas schritt er fruchtlos auf die Versammlung zu.

Schnell redete Embry noch auf Kamden ein: „Bitte. Ich flehe dich an, bleib ruhig. Mach mir keine Szene vor meiner Mutter. Ich bitte dich.“

Sein Freund warf ihm einen eindringlichen Bick zu und erwiderte: „Ich werde dich nicht bloßstellen, mein Kleiner. Ich weiß, wie wichtig dir das ist. Keine Angst, ich werde brav sein.“
 

Die Versammlung war bereits voll im Gange. Im Halbkreis saß der Rat auf Baumstümpfen, umringt von Sams Rudel, alle in Menschengestalt. Vor den Ältesten stand Tiffany Call. Sie sah aus, wie ein Häufchen Elend, während der Rat sie über die Missetaten ihres Sohnes aufklärte.

Billy sprach gerade: „Zu seiner eigenen Schande hat sich dein Sohn mit einem Mann gebettet. Das ist absolut inakzeptabel. Sowas wird nicht geduldet.“

„So denkst du jedenfalls“, knurrte Jake und in Begleitung seines Rudels trat er vor. „Diese altertümlichen Ansichten sollten wir mal überarbeiten.“

Embrys Mutter fuhr erschrocken herum und suchte unter den Neuankömmlingen nach ihrem Sohn. Mit zitterndem Finger deutete sie auf ihn und stammelte: „Ist das wahr? Du bist schwul, Embry?“

Der Angesprochene fühlte sich absolut nicht wohl in seiner Haut. Was sollte er jetzt nur sagen? Wie konnte er das erklären, ohne die Prägung zu erwähnen? Unter dem strafenden Blick seiner Mutter nickte er schuldbewusst.

Die Frau blinzelte und warf einen ängstlichen Blick zum Rat. Dann schrie sie ihren Sohn an: „Wie kannst du mir eine solche Schade bereiten? So habe ich dich nicht erzogen. Ich werde dir diese Flausen austreiben. Du wirst diese Abartigkeit sofort unterlassen. Mir ist vollkommen egal was du dir dabei gedacht hast. Du bist eine Schade für den gesamten Stamm.“

Sofort sprang sein Leitwolf für ihn in die Presche: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Wobei er allerdings offen ließ, wen er damit meinte.

Sie richtete ihren Blick auf Jake und fragte irritiert: „Was soll das heißen? Was fällt dir eigentlich ein, dich einzumischen? Das geht nur mich und meinen Sohn etwas an. Halte dich da gefälligst raus, Jacob Black.“

„Oh, das sehe ich anders“, meinte der Jüngste der Blacks und fuhr mit ruhiger Stimme fort: „Es geht mich sehr wohl etwas an. Embry ist mein bester Freund und ich werde nicht zulassen, dass ihm Unrecht getan wird. Zumal nicht nur er hier vor den Pranger gestellt wird.“

„Ich verstehe nicht?“, gestand Tiffany ratlos. Dann wurde sie bleich und fragte ihren Sohn: „Sag mir nicht, dass du den Sohn des Häuptlings verführt hast? Bist noch ganz bei Trost?“

„Oh, da hat mein Vater wohl ein paar Dinge verschwiegen“, grinste Jake und warf seinem Dad einen bösen Blick zu. Anschließend fixierte er die Frau vor sich und gestand: „Nein, Embry und ich haben nichts miteinander, aber auch ich bin mit einem Mann zusammen.“ Er deutete auf den Isaak.

Dann fuhr er fort: „Somit ist Embry nicht der einzige, der mit den uralten Regeln bricht. Zudem sollten Sie wissen, dass der Mann mit dem sich ihr Sohn bettet, wie Dad das so schön ausgedrückt hat, der uneheliche Sohn des Häuptlings ist.“

„Das bin dann ich“, meinte Kamden und hob die Hand. Dann zur Überraschung aller trat er einen Schritt vor und hielt der Frau seine Hand hin. „Es freut mich Sie kennen zu lernen Mrs. Call. Vergeben Sie mir, dass ich mich nicht schon eher bei ihnen Vorgestellt habe. Ich bin Kamden Hayes, der uneheliche Sohn von Billy Black und der feste Freund ihres Sohnes.“

Tiffany ging nicht auf die Geste ein und fuhr entsetzt herum. Straffend starrte sie den Häuptling an. „Dein unehelicher Sohn?“

Billy war rot wie eine Tomate und stand mit einem Satz auf. „Du hast kein Recht mich anzuklagen. Der Vater deines Sohnes war auch verheiratet Tiffany.“

Die Frau zuckte wie geschlagen zusammen und stammelte: „Das kannst du nicht wissen. Ich habe nie jemanden gesagt, wer Embrys Vater ist.“

Hochmütig offenbarte der Häuptling: „Das ist nicht allzu schwer zu erraten. Es gibt nur drei, die in Frage kommen: Joshua Uley, Quil Ateara IV oder ich. Da ich es nicht war, bleiben nur die anderen beiden.“

Mit hoher Stimme frage Tiffany: „Woher willst du das Wissen? Der Stamm hat noch mehr Männer.“

„Versuche nicht abzulenken“, schnarrte Billy gereizt. „In Anbetracht seines Erbes kann es nur einer der Beiden sein.“

„Ich verstehe nicht“, piepste sie und trat einen Schritt zurück.

Sofort standen Kamden und auch Embry vor ihr und schirmten sie ab. „Lass die Mutter meines Freundes in Ruhe, Alter“, knurrte der Größere wütend. „Bevor du Sie angehst greif dir an die eigene Nase, du Penner.“

„Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden. Du bist mein Sohn, also respektiere mich als deinen Vater“, schimpfte Billy erbost.

„Ja, ein toller Vater bist du. Du hast mich gezeugt und dann 19 Jahre nicht mal eine Karte oder so geschickt. Von dir lasse ich mir gar nichts sagen. Du bist mein Erzeuger, nicht mehr. Den Titel Vater hast du dir nicht verdient.“

„Ich, ich“, stammelte der ältere Mann. „Ich wusste nichts von dir. Deine Mutter hat dich vor mir versteckt. Sie trägt die Schuld.“

Drohend hob Kamden die Faust. „Wage es nicht meine Mutter zu beleidigen, du alter verbohrter Zausel. Du hattest deine Chance und hast versagt. Von dir erwarte ich gar nichts mehr.“

„Wie kannst du es wagen?“, donnerte Billy und hob nun seinerseits die Fäuste.

„Oh, du willst dich prügeln, dann komm her Alter“, konterte Kamden. So langsam redete er sich in Rage. Seit er denken konnte wollte er einen Vater haben. Nun hatte er endlich einen und dieser war eine Enttäuschung. Billy würde ihn nie so akzeptieren, wie er nun mal war. Dazu noch die Art wie Kamden begrüßt wurde und alles, was geschehen war. Zusammen kochte das in ihm hoch und er bebte am ganzen Körper.

Er schrie den Mann vor sich an: „Die Krüppelkarte kannst du jetzt nicht mehr ausspielen. Dir zeige ich wie schwach eine Schwuchtel ist. Dir reiße ich den Arsch auf, du…“

Eine Hand umschloss seinen Arm und zwang diese nieder. Kamdens Kopf ruckte zur Seite und er sah sich Jake gegenüber. Dieser schaute ihn eindringlich an und schüttelte leicht den Kopf. Mental sagte sein Leitwolf: „Genug jetzt. Beruhige dich. Du kannst später mit Dad kämpfen, aber nicht vor dem Rat und nicht als Wolf.“

Irritiert bemerkte der Brünette erst jetzt, dass er kurz vor der Verwandlung stand. Er mahlte mit den Zähnen und warf seinem Vater einen vernichtenden Blick zu. Ein dunkles Grollen entrann seiner Kehle. Die Verwandlung begann und er konnte sie nicht mehr aufhalten.

Dann plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Rücken, sowie ein geflüstertes: „Bitte nicht.“

Kamen erstarrte. Es war sein Kleiner. Er griff nach diesem Rettungsanker und ließ sich von seinem Freund beruhigen. Das Beben seines Körpers erstarb rasch. Er drehte sich um und flötete: „Für dich tue ich doch alles.“ Dann nahm er seinen Kleinen einfach in den Arm.

Nun mischte sich Sue Clearwater ein und sagte mit messerscharfer Stimme: „Nicht vor dem Rat. Ich will sowas nicht sehen.“ Sie wandte sich an den Häuptling und sagte mit gebieterischer Stimme: „Einer nach dem anderen, Billy. Wir waren bei Embrys Abnormität. Kamden und Jake kommen später dran.“

Der Häuptling nickte und schluckte seinen Ärger herunter. „Du hast recht, Sue.“ Dann setzte er sich wieder und kehrte zu seiner Rolle als Vorsitzender zurück. Mit autoritärer Stimme begann er: „Alle haben es gesehen. Embry und Kamden machen nicht einmal halt davor vor dem Rat ihre Abnormität zur Schau zu stellen. Die Sachlage ist eindeutig.“

Kamden ließ augenblicklich seinen Kleinen los und ging schuldbewusst einen Schritt zurück. Er hatte ihm doch versprochen sich zu benehmen. Nun hatte er echt Scheiße gebaut.

Billy gestattete sich ein höhnisches Grinsen und sagte: „Aufgrund ihrer Verbrechen gegen den Stamm, beantrage ich die Verbannung von Tiffany und Embry Call.“

Er hob eine Hand und sah in die Runde. Sue schloss sich ihm augenblicklich an. Ebenso der alte Quil Ateara III. Dann fiel sein Blick auf Sam. Dieser zögerte einen Augenblick. Dann ließ er den Kopf hängen und hob auch seine Hand.

„Einstimmig“, flötete Billy.

„Oh, auch das sehe ich anders“, meinte Jake und grinste nun seinerseits. „Sam hat hier nicht mehr zu suchen. Ich nehme seinen Platz ein und mache von meinem Vetorecht Gebrauch. Die Abstimmung wird verschoben.“

Entsetzt starrte der Rat auf den Jüngsten der Blacks. Quils Opa sagte mit seiner altersschwachen tiefen Stimme: „Es steht dir nicht zu, Sam aus dem Rat zu entfernen und seinen Platz einzunehmen, Junge. Deine Stimme hat hier kein Gewicht.“

Jake hatte nicht vor klein beizugeben. Er sah Sam tief in die Augen und befahl mental: „Gib deinen Posten an mich ab.“

Der andere Alpha knurrte wütend und sprang auf. „Niemals“, schrie er seinem ehemaligen Beta entgegen. Dabei vergaß er zu mental über zu gehen. „Du bist nicht der Alpha des Rudels.“

„Mach brav Sitz“, setzte Jake unbarmherzig nach.

Sein Gegenüber bebte vor Zorn und explodierte. An seiner Stelle stand nun ein großer schwarzer Wolf vor dem anderen Leitwolf. Wütend knurrte Sam und wartete darauf dass sein Kontrahent sich ihm im Kampf stellte.

Sue schlug sich die Hand ins Gesicht. Billy und der alte Quil seufzten frustriert auf. Ihr Ratsmitglied hatte gerade das Geheimnis um das Rudel rausposaunt und sich auch noch vor einer Außenstehenden verwandelt.

Jake grinste noch breiter und sagte: „Danke Sam. Nun, da du das getan hast, können wir offen reden und diese Angelegenheit ein für alle Mal klären.“

Erst bei diesen Worten Begriff der Wolf, was er angerichtet hatte.

Mit einem Kopfnicken, gab Jakob den Befehl Platz zu machen. Sofort drängte Embry seine erstarrte Mutter weg von dem Platz. Tiffany stammelte vor sich hin: „Ein Wolf. Sam ist zu einem Wolf geworden.“

Alle aus Sams Rudel knurrten und machten Anstalten sich ebenfalls zu verwandeln.

Jake fuhr seinen Kontrahenten scharf an: „Halte deine Leute zurück. Das ist ein Kampf zwischen uns. Ein Kampf zwischen den Alphas. Oder bist zu feige dich mir in einem fairen Kampf zu stellen?“

Wütend grollte der schwarze Wolf und warf einen Blick zu seinem Rudel. Diese zuckten zusammen und sie traten wieder auf ihre Wachposten hinter den Ratsmitgliedern zurück. Dann warf Sam einen Blick zu seinem Kontrahenten und bleckte die Zähne.

„Keiner mischt sich ein“, befahl Jake und zog sich rasch aus. Er hatte nicht vor seine Klamotten schon wieder zu schreddern. Er warf seine Sachen dem Wächter zu. Isaak fing alles auf und nickte ihm kurz zu, als sich ihre Blicke trafen. Dann verwandelte sich auch zweite Alpha.

Der Rostbraune und der Schwarze grollten beide wütend auf und demonstrierten ihre Größe. Nur war Jake mittlerweile der Größere und Sam knurrte noch dunkler, als er das bemerkte. Ohne Vorwarnung griffen sie sich nun gegenseitig an und es begann eine erbitterte Schlacht um den Posten des Alphas.

Beide mussten einige Bisse und Kratzer einstecken. Alle fieberten mit. Sams Rudel feuerte ihren Alpha an, während Jakes Leute stumm blieben und ihren Leitwolf unterstützten in dem sie sich an seine Anweisungen hielten und brav waren. Seth konnte es aber nicht lassen auf und ab zu hüpfen und gab dabei Geräuschen von sich wie: „Uh“ oder „Ah“, je nachdem was gerade passierte.

Kopfschüttelnd sah der Rat dem Treiben zu und wusste nicht, wie sie die Kontrolle zurückerlangen konnten. Ihnen blieb nichts anderes mehr übrig als auf Sam zu setzen und zu hoffen.

Nachdem die beiden Wölfe sich schon länger als eine Minute gegenseitig verletzten stieß Jake seinen Gegner mit der Schulter zur Seite. Sie gingen auf Abstand und drehten sich im Kreis. Sie waren fast gleich stark und keiner der beiden würde aufgeben.

Jake glaubte Sam besiegen zu können, aber um welchen Preis? Wenn sie so weiter machen, könnte das tödlich enden. Er war aber nicht bereit so weit zu gehen. Auch Sam zögerte noch, alles zu geben.

Da mischte sich Billy ein und befahl: „Sam, besieg ihn!“

Der Schwarze warf einen Blick zu dem Häuptling und winselte leicht.

„Kämpf mit voller Kraft. Es kann nur einen Alpha geben“, tobte dieser.

Sofort richteten sich Sams Augen auf Jake und in seinem Blick sah sein Gegner, die wilde Entschlossenheit bis zum Äußersten zu gehen. Der Schwarze schoss vor und sein Gegner baute sich zu voller Größe auf.

Bevor Sam bei ihm war, befahl der Rotbraune: „Stopp!“ Er sprach mit der Doppelstimme des Alphas und sein Gegner blieb wie angewurzelt stehen.

Wütenden knurrte Jake: „Du willst mich töten? Du bist eine Schande und nicht würdig der Alpha des Rudels zu sein.“

Einen Augenblick duellierte sie sich geistig. Dann befahl der Jüngste der Blacks: „Unterwirf dich!“

Sam zuckte und kämpfte gegen die Macht seines Kontrahenten. „Nein“, stieß er hervor und kämpfe verbissen weiter.

„Unterwirf dich!“, diktierte Jake erneut und trat einen Schritt vor. Er verstärkte seine Stimme noch weiter und sah zu wie Sam langsam einknickte. Schnell trat er noch einen Schritt vor und wich den scharfen Zähnen seines Gegners aus. Der Schwarze hatte auf seine Kehle gezielt. Nun reichte es Jake aber und er gab alle seine Kraft frei. Mit der Macht des „wahren Alphas“ zwang er Sam erst in die Knie, dann auf den Rücken.

Alle hielten den Atem an als Jake sich über dem am Boden liegenden aufbaute. Dieser kämpfte immer noch verzweifelt und versuchte sich der Kontrolle zu entziehen.

Zum dritten Mal befahl Jakob: „Unterwirf dich!“

Der Schwarze erzitterte und bäumte sich ein letztes Mal auf. Dann brach sein Widerstand und er präsentierte dem Gewinner den Hals.

„Tu es, töte mich“, flehte Sam mit zittriger Stimme.

„Nein“, bestimmte Jake und dachte kurz nach. Rasch hatte er einen Entschluss gefasst und senkte den Kopf. Sam winselte erbärmlich und bereite sich darauf vor, diese Welt zu verlassen. Aber der erwartete Biss blieb aus. Er spürte, wie er am Hals angestupst wurde und dann zog sich Jake einfach zurück.

Ungläubig starrten alle Jake an. Dieser trabte zu seinem Freund und verwandelte sich. Schnell hatte er sich wieder angezogen und drehte sich um. Auf dem Boden lag Sam in Menschengestalt und wusste nicht was er machen oder denken sollte.

„Steh auf, Sam“, sagte Jake, benutzte aber nicht seine Doppelstimme.

Irritiert setzte sich der andere auf und fragte: „Warum?“

„Ich hatte nie vor dich zu töten oder dein Rudel zu übernehmen“, offenbarte Jakob. „Hätte ich dich gebissen, dann wärst du nun kein Alpha mehr und ich hätte alle an der Backe, darauf kann ich echt verzichten.“ Er erlaubte sich ein fieses Grinsen. „Ich habe schon mehr als genug mit meinem eigenen Rudel zu tun.“

Dann wurde er erst und sagte: „Ich habe gewonnen und nehme mir mein Recht. Ab sofort ersetze ich dich als Mitglied des Rates. Was die Rudel betrifft so gelten von nun an andere Regeln. Ich bin der „Wahre Alpha“ und das Bindeglied zwischen dem Rat und den Rudeln. Ich behalte vorerst mein Rudel und du das deine.“

Ungläubig schüttelte Sam den Kopf. Er konnte nicht verstehen. Für was hatten sie gekämpft, wenn alles so bleiben sollte wie bisher?

Jake grinste fies und offenbarte: „Ich kann deine Gedanken wieder hören, Sam, genau das wollte ich erreichen. So weiter im Text. Wir beide werden Alphas bleiben und jeder von uns behält sein Rudel, aber du wirst dich mir beugen. Du bist kein Anführer, aber du bist ein guter Hauptmann. Genau das habe ich mit dir vor. Alles läuft so wie bisher, nur unterstehst du jetzt mir und nicht mehr dem Rat.

Alle Wölfe können sich von nun an frei entscheiden, welchem Alpha sie folgen wollen. Sollte sich noch ein Alpha erheben, so hat er, wie auch Sam, das Recht mich als den „Wahren Alpha“ herauszufordern und meine Position zu übernehmen. Desweitern wirst du meinem Rudel keine Befehle geben. Im Gegenzug mische ich mich bei deinem Rudel nicht ein. Das gilt natürlich nicht für Kämpfe gegen Vampire. Wenn was ist, regeln wir das untereinander. Ich bin sozusagen der General, du mein Offizier.“

Er hob den Blick und starrte die Ältesten an: „Ihr habt mir heute erneut gezeigt, wie wenig Verstand dieses Gremium hat. Dennoch muss ich mich mit euch rumschlagen. Ich bin der „Wahre Alpha“ und werde meine Aufgabe, mein Erbe, erfüllen. Die Rudel beschützen das Revier und alle Unschuldigen darin. Aber ich lasse mir nicht, so wie Sam, auf der Nase rumtanzen. Wir können gerne miteinander reden, aber von nun an habt ihr in den Angelegenheit der Rudel nur noch eine beratende Funktion.

Ihr werdet keinen Wolf mehr verbannen oder diskriminieren. Das obliegt allein mir. Was die Verbannung von Tiffany Call betrifft mache ich von meinem Vetorecht Gebrauch. Sie ist kein Wolf. Angelegenheiten des Stammes bleiben bei euch. Ihr solltet aber gut nachdenken, bevor ihr mich verärgert, indem ihr die Mutter eines meiner Wölfe verbannt. Den Punkt „schwuler Sohn“ akzeptiere ich nämlich nicht. Wenn ihr keine anderen Anklagepunkte vorzubringen habt, dann hebe ich die Verbannung auf.“

„Das kannst du nicht machen“, stammelte Billy und war fassungslos. „Du hast uns gar nichts zu sagen. Wir akzeptieren dich nicht als Alpha. Sam versuche es erneut!“

„Sam“, sagte Jake und wandte sich an den Mann, der immer noch auf dem Boden saß. Dieser sah auf und erhob sich. Er warf einen Blick in die Runde und stellte sich rechts neben Jake auf. Ohne einen Befehl kam Bewegung in Sams Rudel und sie scharrten sich hinter ihrem Alpha. Auch Jakes Rudel versammelte sich hinter ihrem Leitwolf.

Nun standen beide Rudel auf der einen Seite und auf der anderen der Rat, oder was davon noch übrig war.

Jake schnaubte: „Du vergisst da den springenden Punkt, Dad. Wir sind die Krieger des Stammes. Ohne uns seid ihr nur zwei alte Säcke und eine Frau. Was wollt ihr denn gegen uns machen? Uns verbannen? Und wenn wir nicht gehen wollen, was dann? Wer soll uns denn rauswerfen? Ihr drei? Oder rennst du wieder zu Charlie und jammerst wie ein kleines Kind: Mein Sohn ist böse zu mir? Alle Wölfe unterstehen mir und ohne uns seid ihr nichts. Also denk nach, bevor du sprichst.“

Er schnaubte angewidert und meinte: „So viel zu, schwul sein heißt schwach sein. Ich muss nicht mal meine Hand erheben und habe dich in deinem eigen Spiel entmachtet. Spielt ihr nur weiter den Rat. Wir haben Wichtigeres zu tun. Wir beschützen die Unschuldigen und müssen unsere Grenzen sichern.“

Der Ältestenrat war absolut sprachlos. Ungläubig starrten sie die Wölfe an. Sie hatten diesen Putsch nicht kommen sehen und nun war es zu spät. Jake hatte die Macht übernommen. Sie konnten sich fügen oder untergehen. Sich gegen ihn zu stellen war aussichtslos.

Alt Quil grinste auf einmal und meinte: „Es ist schon so lange her, dass wir einen „Wahren Alpha“ hatten. Verzeih mir Sam, aber du warft nie der „Wahre Alpha“ du warst nur der Beste, den wir hatten für den Job. Ich beuge mich dir, Jake.“ Dann hob er mahnend einen zitternden Finger: „Du hast mir heute bewiesen, dass auch ein schwuler Wolf ein Krieger sein kann. Ich für meinen Teil sehe keinen Grund mehr euch Steine in den Weg zu legen. Seht aber davon ab, das vor aller Augen zu machen. Alte Gewohnheiten sterben langsam.“

Entsetzt starrten Sue und Billy den Ältesten von ihnen an.

Nun trat Leah vor und sagte zu Sue: „Mom, ich werde bei Jake bleiben. Mir und Seth ist es egal, mit wem er ins Bett steigt. Du hast uns doch zu Offenheit erzogen. Warum bist du nun so gegen Schwule?“

„Ich, ich“, stammelte Sue. Sie schluckte hart: „Ich will doch nur meine Kinder wiederhaben. Was Jake oder die anderen treiben ist mir doch vollkommen egal. In dem Punkt schließe ich mich Quil Ateara III an. Solange sie das nicht in der Öffentlichkeit machen und ich es nicht sehen muss, ist es mir egal.“

Irritiert schüttelte Leah den Kopf: „Ich verstehe nicht? Ich bin Jake aus freien Stücken gefolgt, um von Sam weg zu kommen. Was hat das jetzt damit zu tun, dass wir keine Familie mehr sind.“

Sue deutete auf Isaak. Ihr Augen verengten sich zornig und sich klagte ihn an: „Er. Er hat mir meine Kinder gestohlen. Er ist der Teufel in Menschengestalt.“

Alle sahen zu dem Wächter und dieser hob den Blick: „Ich habe niemandes Kinder gestohlen. Diesen Vorwurf weise ich zurück.“

Irritiert sahen alle zwischen den beiden hin und her. Dann machte es klick bei Jake und er schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Dad? Kannst du das aufklären?“

Billy, der langsam zurückgewichen war, blieb stehen als sich alle Augen auf ihn richteten. Stur starrte er zurück und sagte kein Wort.

„Das ist auf deinem Mist gewachsen, oder Dad?“

Black Senior blieb weiterhin stur und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du bist echt ein Heuchler“, sagte der Leitwolf und schüttelte den Kopf. „Isaak hat dich geheilt. Kamden und ich haben dir bewiesen, dass Schwul sein nicht das Ende der Welt ist und du machst einfach weiter? Wie Isaak es dir schon geschrieben hat: Wenn du diesen Weg weiter gehst, dann wirst du alles verlieren.

Er hat es nur gut gemeint und ich habe keine Lust mehr, dich andauernd in Schutz zu nehmen. Am besten unserer Wege trennen sich hier. Ich werde mit dem Rat zusammenarbeiten, aber nur solange du kein Teil mehr davon bist.“

Dann wandte er sich einfach ab und sagte zu Sue: „Ich weiß nicht, was mein Alter dir gesagt hat. Aber Leah und Seth waren die Nacht bei Isaak und mir, weil es Stress zwischen den Rudeln gab. Daran trägt auch Billy die Schuld, er hat Sam auf mich und Kamden gehetzt. Wir wollten nur die Situation nicht noch weiter anheizen. Jetzt, da das geklärt ist, können sie gerne wieder heim gehen. Damit habe ich auch wieder meine Ruhe.“

Seth trat vor und sagte: „Ich bleibe bei euch. Ich bin alt genug um selbst zu entscheiden, wo ich wohne.“

„Nein“, kam es gleich aus drei Kehlen. Leah, Sue und auch Jake hatten synchron widersprochen. Etwas ängstlich sah die älter Frau auf dem Alpha.

Dieser nahm sich den Jungwolf zur Brust. „Du geht wieder nach Hause und damit basta. Du wirst auch wieder zur Schule gehen.“ Mit einem Grinsen füge er hinzu: „Wenn du brav bist, dann darfst du uns auch besuchen kommen.“

„Echt?“, fragte Seth und hüpfte aufgeregt auf und ab.

„Wenn Sue es erlaubt, darfst du auch mal über Nacht bleiben. Also schön lieb sein.“

Der Jungwolf salutierte und flötete: „Ja, Chef.“

Jake sah Leah an. Diese zuckte mit den Schultern und gestand: „Ich werde wieder nach Hause gehen, aber ich denke schon länger darüber nach, mir ne eigene Bude zu suchen.“

„Das musst du mit deiner Mutter klären. Leute, ich bin nicht euer Herrscher oder euer Kindermädchen. Klärt eure Angelegenheiten selbst“, maulte der Alpha.

Sam grinste fies und tätschelte ihm die Schulter. „Du wolltest den Job, dann musst du auch mit den Konsequenzen leben.“

Sie lachten alle und auch Jake stieg mit ein. Nur einer rührte sich nicht. Isaak stand mit geschlossenen Augen da und war weit weg in Gedanken. Einen Augenblick später erstarb Jakes Lachen und er wurde kreideweiß im Gesicht. Die Welt um ihn herum wurde grau und er sah alle Tod am Boden liegen. Entsetzlich entstellt und wie von einem wilden Tier mit scharfen Krallen zerrissen.

Alle bemerkten das Entsetzen ihres Alphas und erstarrten. Schnell suchte Jake den Blick seines Freundes, aber dieser war schon auf der Suche nach der Gefahr.

Plötzlich ruckte eine Hand des Wächters hoch und zeigte Richtung Osten. „Ein Rudel von 13 Werwölfen nähert sich der Grenze des Rudels. Sie werden in drei Stunden bei uns sein.“

Kinder des Mondes

Irritiert starrten alle den Wächter an. Seth fand als erstes seine Stimme wieder und fragte: „Es gibt noch mehr Werwölfe, außer uns? Wow. Wo kommen die den her? Was wollen die hier?“

Sam hingegen sah unschlüssig in die Runde und meinte: „Wir sind zu zwölft. Hm… das wird ein schwerer Kampf, wenn sie uns feindlich gesonnen sind.“

Nun schnatterten alle wie wild durcheinander und bedrängen Isaak mehr Informationen preis zu geben. Dieser suchte den Blick zu seinem Freund. Jake spürte die wachsende Panik in seinem Partner und das beunruhigte ihn sehr.

„Ruhe!“, befahl der Leitwolf. Die Wölfe verstummten augenblicklich und, dass obwohl er nicht seine Doppelstimme eingesetzt hatte. Dann wandte er sich an Isaak und fragte: „Wenn du von Werwölfen redest, dann…“, den Rest des Satzes ließ er offen und hoffte sich zu irren. Als sie in New York waren, hatte Isaak etwas von verschiedenen Arten von Werwölfen gesagt.

Zudem gefiel Jake der Gesichtsausdruck seines Gefährten überhaupt nicht. Nach dem, was er ihnen vorhin im Holoraum gezeigt hatte, stellte ein Rudel aus 13 Wölfen für ihn keine Bedrohung dar. Also stimmte hier was nicht.

„Wenn ich Werwolf sage, dann meine ich echte Werwölfe, Kinder des Mondes, keine Gestaltwandler wie ihr es seid“, offenbarte der Wächter und Jakes Befürchtungen bewahrheiteten sich. Isaak sah in den Himmel und runzelte die Stirn. „Das kann eigentlich nicht sein.“

Der Leitwolf spürte, dass die anderen Fragen hatten und kam ihnen schnell zuvor: „Sagest du nicht, echte Werwölfe wären mordlustige Killermaschinen und Einzelgänger?“

„Ja, ihre Anzahl ist äußerst besorgniserregend. Was mich aber weitaus mehr beschäftig ist, dass sie ihre Werbiestgestalt angenommen haben, und das obwohl kein Vollmond ist. Zudem habe ich in der Zukunft der Quileute nie einen Angriff von Werwölfen gesehen. Jemand hat in das Schicksal eingegriffen.“

Er senkte den Blick, straffte die Schultern und knurrte: „Morgen le Fay. Sie ist die einzige neben mir, die so etwas bewerkstelligen kann. Das ist wieder ein Angriff von ihr. Ein gerissener Schachzug. Bei dieser Streitmacht plant sie wohl den gesamten Stamm, wie auch die Cullens mit einem Schlag zu vernichten.“

Sam spottete: „Jetzt mach mal halblang, Isaak. Wir sind nahezu eins zu eins, mit den Blutsaugern sind wir klar im Vorteil. Ich weiß zwar nicht, was ein Werbiest ist oder, was du mit echten Werwölfen meinst, aber die sind doch keine Bedrohung für uns.“

Tadelnd hob der Wächter einen Finger: „Keine Gefahr? Du verstehst nicht mal ansatzweise, was hier gerade passiert. Werwölfe sind in ihrer Biestform die unangefochtene Spitze der Nahrungskette. Sie zerreißen Vampire, so wie ihr Papier zerreißt. Sie sind das ultimative Raubtier.

Betrachtet man allein die Kampfkraft der jeweiligen Rassen so benötigt man normalerweise im Schnitt drei Gestaltwandler um einen Vampir zu besiegen und sechs Vampire um einen Werwolf zu erledigen. Du und Jake, ihr beide seit Kämpfernaturen, zudem sind die Cullens ebenfalls keine normalen Vampire und kampferprobt. Mit dem Vampirzirkel zusammen steht ihr somit umgerechnet in etwa eins zu fünf da. Allein schon bei dieser Rechnung zeigt sich, dass ihr keine Chance auf einen Sieg habt. Ein Kampf mit einem Werbiest ist viel zu gefährlich für euch.“

Isaak griff sich an die Brust und zog die Wächterklinge aus seinem Körper. Zudem ließ er auch noch das erbeutete Schwert erscheinen.

„Dieser Angriff war nie vorherbestimmt, also werde ich mich nicht zurückhalten. Das ist mein Kampf. Ihr bleibt hier, während ich das allein regele.“

Er machte einen Schritt auf die Gegner zu und Jake stellte sich ihm in den Weg. Mit unergründlicher Miene sagte der Leitwolf: „Du gehst nicht allein. Ich komme mit.“

„Nein, du bleibst hier“, bestimmt sein Partner und sah ihn wütend an. „Ich kann besser kämpfen, wenn ich dich in Sicherheit weiß.“

„Unser Gegner ist Morgan le Fay“, erinnerte Jake den Wächter. „Ich denke diese Streitmacht wurde aufgestellt, um dich anzulocken. Sie plant doch offenbar, dass du es allein mit den Werwölfen aufnimmst. Siehst du nicht, dass du geradewegs in eine Falle rennst?“

Der Wächter biss sich auf die Unterlippe und sah zur Seite.

„Du weißt, dass das eine Falle ist“, schlussfolgerte der Alpha und knurrte wütend. „Und dennoch willst du das alleine durchziehen?“

„Ich bin ein Wächter. Es ist meine Aufgabe das Schicksal in die richtigen Bahnen zu lenken. Diesen Angriff sollte es nicht geben. Es ist also meine Pflicht das zu korrigieren“, versuchte Isaak sich zu rechtfertigen.

Jake schnaubte und sah zu seinen Leuten auf. „Seth, renn zu den Cullens und warne sie. Bleib bei ihnen und berichte, was wir besprechen.“

Der Jungwolf salutierte und verwandelte sich. Stofffetzen umwehten ihn, als er davonsprintete. Dann wandte sich der Leitwolf abermals seinem Freund zu und knurrte: „Ich will eine ehrliche Antwort. Wie stehen deine Chancen die Werwölfe im Alleingang zu erledigen?“

Isaak sackte zusammen und erwiderte: „Unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Angriffe, ihrer Magie und den Veränderungen bei den Vampiren, schätze ich etwa 25 % für meinen Sieg. Ich kann die Gedanken der Werwölfe nicht lesen, eine magische Barriere umgibt sie alle. Zudem bin ich noch geschwächt, durch Billys Heilung.“

Jake nickte und knurrte dann: „Und was hast du vor?“

Sein Freund wich seinem Blick aus und biss sich abermals auf die Unterlippe.

„Du willst dich opfern, oder? Du willst dein Leben als Bedingung einsetzen um deine Magie zu verstärken, nicht wahr?“, schlussfolgerte der Leitwolf, aus den Gedankenfetzen, welcher er von seinem Freund aufgeschnappt hatte.

Trotzig hob der Wächter seinen Blick und schrie: „Das ist meine Bestimmung.“

Der Leitwolf baute sich zu voller Größe auf und knurrte: „Und was wird aus meinem Rudel? Meinem Stamm und der dem Rest der Welt? Wenn du dein Leben opferst, dann spielst du Morgan le Fay in die Hände. Du hast doch gesagt: Wenn sie dich tötet, dann wird sie über den ganzen Planeten herrschen. Deine Aufgabe ist es, sie aufzuhalten und nicht dein Leben wegen ein paar Werwölfen wegzuwerfen. Ich werde nicht zulassen, dass du unser beider Leben einfach so beendest, solange diese verdammte Magierin noch da ist. Zumal ich mich nicht gegen alle gestellt und mich für dich entschieden habe, um so den Löffel abzugeben. Ich werde nicht brav hier rumsitzen und auf unseren Tod warten.“

Isaak seufzte schwer. Er wusste, dass Jake recht hatte. Was aber sollte er sonst machen? Er musste doch eingreifen, oder nicht? War die Beseitigung der Magierin es wert, so viele Leben zu opfern? Unsicher hob er den Blick und fragte kleinlaut: „Hast du denn einen besseren Plan?“

„Du wirst erstmal genau erklären, was ein Werwolf ist und wie man ihn tötet. Dann erarbeiten wir einen Plan der kein Himmelfahrtskommando ist“, bestimmte der Alpha.

„Wie du willst“, meinte der Wächter und begann zu erklären: „Werwölfe sind in ihrer Biestform eine Mischung aus Menschen und Wolf. Kopf Wolf, muskulöse breite Brust, Fell am ganzen Körper, lange Arme.

Auf allen vieren sind sie fast so schnell, wie ich es bin. Einen Kampf werden sie jedoch auf zwei Beinen austragen. Sie sind dann zwar langsamer, können aber von ihren Händen Gebrauch machen. Diese besitzen einen opponierbaren Daumen und messerscharfe etwa fingerlange Klauen. Ihre Zähne und Klauen sind, im direkten Vergleich, härter als die euren.

Zudem haben sie auf zwei Beinen eine ähnliche Geschwindigkeit wie Vampire oder Gestaltwandler, sind aber wendiger. Ihr Körperkraft ist größer als die eines neugeborenen Vampirs. Wenn sie einen von euch in die Finger bekommen, werden sie euch zerquetschen wie eine überreife Frucht.

Auch auf ihre Klauen müsst ihr sehr achten. Diese können euch nicht nur das Fell abziehen, sondern schwere innere Verletzungen hervorrufen. Treffen sie auf lebenswichtige Organe kann ein einzelner Treffer euer Tod sein.

Das einzig Gute ist, dass sie über keinen Verstand verfügen. Dafür aber über eine Wildheit, die ihres Gleichen sucht. Sie empfinden zwar Schmerzen, diese stacheln sie aber nur an noch wilder zu werden. Selbst, wenn ihr einem Werwolf, beide Arme und Beide abreißt wird er immer noch mit seinen Zähen versuchen euch zu zerreißen. Nur der Tod kann ihn wirklich aufhalten.

Rein anatomisch gesehen, sind sie vom Körperbau her menschenähnlich. Was bedeutet, dass man sie durchaus mit einem Stich ins Herz oder Kopf ab endgültig töten kann. Sie können nicht wie Vampire wieder zusammengesetzt werden, verfügen aber über immense Selbstheilungskräfte, welche die euren bei weitem übersteigen. Ihre Haut, beziehungsweise ihr Fell, ist dem euren sehr ähnlich. Man kann sie selbst mit einem normalen Klinge verletzen.

Sie aber zu töten wird ein Problem. Selbst bei einer normal tödlichen Verletzung werden sie Überleben und sehr schnell genesen. Um einen Werwolf sicher zu töten, muss das Herz oder das Gehirn irreparabel zerstört werden. Der einfachste Weg für euch ist wohl ihnen das Genick zu brechen. Ohne eine Waffe werdet ihr kaum in der Lage sein ihr Herz zu erreichen. Von dem Versuch ihnen den Kopf abzureißen rate ich dringend ab. Dann seid ihr nämlich ihren Zähnen zu nahe.

Kommen wir zu ihrem Speichel. Dieser hat ebenfalls eine besondere Eigenschaft. Werwölfe sind nicht nur immun gegen Vampirgift, nein, ihr Speichel neutralisiert es sogar. Wenn ihr einem Vampir einen Arm abreißt, so kann er diesen wieder anbringen.“

Bei diesen Worten wurde Jake ganz grün um die Nase und musste seinen Würgereiz unterdrücken. Er hatte das live miterleben dürfen und das war das Ekligste, welches er je zu Gesicht bekommen hatte.

Issak versuchte das zu überspielen und ihm dieses Peinlichkeit zu ersparen, indem er einfach weiterredete: „Hat er alle Fragmente wird er nicht mal eine Narbe davontragen. Die Blutsauger rühmen sich, dass nur der Biss ihrer eigenen Art ihnen dauerhafte Verletzungen zufügen kann. Und nur das Feuer sie endgültig tötet, lässt man mal mein Schwert außen vor.

Bei dem Biss eines echten Werwolfs sieht es da aber anders aus. Dieser vermag ihnen dauerhaften Schaden zuzufügen und ihr Speichel verhindert, dass ein Vampir sich wieder zusammensetzen kann, da er ihr Gift neutralisiert, welches sie als Kleber benutzen.

Zudem werden Werwölfe nicht geboren, sie werden erschaffen. Wird ein Mensch gebissen und überlebt diese Verletzung, was eher selten der Fall ist, dann wird dieser beim nächsten Vollmond ebenfalls zu einem Werwolf. Nur wissen die Personen meist nicht einmal, was sie sind. Als Mensch sind sie ganz normal. Sie haben keinerlei Kräfte oder Erinnerungen an die Zeit als Werwolf. Das ist ihre größte Schwäche.

Bisher wurde noch nie ein Gestaltwandler von einem Werwolf gebissen. Ich kann nicht sagen, was passiert, wenn ihr gebissen werdet, daher solltet ihr das auf jeden Fall vermeiden. Es könnte euch töten.

Normal verwandeln sie sich nur einmal im Monat in ein Werbiest. In der Nacht des Vollmondes. Warum das so ist, erspare ich euch mal. Rundum sind sie wirkliche Monster. Kein Wunder, dass die Blutsauger sie als eine Bedrohung ansehen und ihre Art fast gänzlich ausgerottet haben. Vampire und Werwölfe sind natürliche Feinde. Außer in Europa gibt es nur noch wenige Werwölfe auf der ganzen Welt.

Ich habe keine Ahnung wo dieses dreizehn Stück herkommen. In ganz Nord- und Südamerika gibt es meines Wissens nach nur noch einen einzigen Werwolf. Ich vermute das Morgan le Fay diesen eingefangen hat, um seinen Speichel zu nutzen, damit sie mehr Werwölfe erstellen konnte.

In der ganzen Geschichte ist es nie vorgekommen, dass es ein Rudel Werwölfe gab. Sie sind absolute Einzelgänger und töten sich gegenseitig, wenn sie auf einen Artgenossen treffen. Ich weiß nicht, wie Morgan es geschafft hat sie gefügig zu machen und sie kontrollieren kann. Zudem haben wir keinen Vollmond. Ich kann nur hoffen, dass sie dadurch schwächer sind.“

Nach diesem Monolog starrten alle den Wächter mit offenen Mündern an. Nur Jake ging nachdenklich auf und ab. Er hatte keine Zeit Bauklötze zu staunen. Nach der Beschreibung seines Freundes hatten sie wenig Chancen gegen solche Gegner. Selbst der Wächter würde Probleme bekommen.

Jake blieb stehen und fragte: „Was passiert, wenn du allein kämpfst und scheiterst?“

„Hm“, brummte Isaak und dachte einen Augenblick nach. Solange er nicht in der Gleichung vorhanden war konnte er die Zukunft recht eindeutig bestimmen. „Das kommt darauf an, was Morgen mit ihnen gemacht hat und welchen Befehl sie ihnen eingepflanzt hat. Lautet ihr Befehl mich zu töten, werden sie anschließend übereinander herfallen bis nur noch einer übrig ist.

Lautet die Anweisung allerdings, die Quileute und die Cullens auszulöschen, was ich leider annehme, so werden sie erst aufhören, wenn der gesamte Stamm und alle Vampire ausgelöscht sind. Sie werden alles und jeden zerfetzen, der sich ihnen dabei in den Weg stellt.“

„Also haben wir keine Wahl. Wir müssen kämpfen“, schlussfolgerte Jake. „Die Frage ist nur wie? Wenn du dich opferst, dann reißt du mich mit dir in den Tod. Wäre die Gefahr damit gebannt, wäre ich damit einverstanden. Aber so bleibt immer noch diese verdammte Magierin übrig. Wer sollte sie daran hindern ein weiteres Rudel Werwölfe zu erschaffen und auf uns zu hetzen? Nur du kannst gegen sie bestehen.“

„Da hast du recht“, bestätigte der Wächter und ließ traurig den Kopf hängen.

„Du kannst doch alles berechnen. Sag mir, wie stehen unsere Chancen, wenn wir zusammen Kämpfen?“

Isaak schloss die Augen und begann in rasender Geschwindigkeit alle möglichen Szenarien durchzuspielen. Langsam sagte er: „Unter Einbeziehung alles vorhandenen Fakten über die Werwölfe, sowie unserer Stärken, besteht die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg bei circa 31 %. Sollten sich die Cullens uns anschließen steigt der Wert auf 49 %.“

Nachdenklich starrte der Wächter in den Himmel: „Es käme auf die Strategie an. Verlustfrei werden wir aber nicht rauskommen. Das kann ich garantieren.“

Jake wandte sich an seine Kameraden: „Ich werde kämpfen. Aber ich werde keinen von euch zwingen sich mir anzuschließen. Ihr müsst selbst entscheiden, ob ihr bereit seid euer Leben zu riskieren.“ Er ging ein paar Schritte und sagte: „Alle die mir und Isaak folgen wollen, sollen vortreten.“

Einen Augenblick herrschte stille und keiner rührte sich. Dann sagte Seth in der Verbindung: „Ich bin nicht bei euch, aber ich werde mit euch kommen.“

Augenblicklich knurrte Leah und trat vor. „Ich kann meinen Bruder nicht allein lassen. Wenn er kämpft, bin ich auch mit dabei.“

Im Hintergrund japste Sue hysterisch, wagte es aber nicht sich einzumischen. Auch die anderen des Ältestenrates hielten sich bisher bedeckt. Billy hatte eine undefinierbare Miene aufgesetzt, wohingegen Opa Quil anerkennen nickte und zusah.

Ihr folgten Sam und Jared, wortlos. Die Drei stellten sich hinter Jake auf.

Dann zur Überraschung aller trat Paul vor. Irritiert starrte der Leitwolf diesen an. Paul zuckte mit den Schultern und sagte: „Rachel wäre traurig, wenn du stirbst und ich kann nicht gestatten, dass diese Dinger ihr zu nahekommen.“

Bei diesem Argument runzelte Quil die Stirn und knurrte: „Ich werde nicht hinter einer Schwuchtel zurückstehen.“ Auch er reihte sich ein.

Embry und Kamden sahen sich kurz an: „Ich muss meine Mutter beschützen und kann mein Rudel nicht allein lassen“, sagte der Kleinere traurig und der Brünette seufzte: „Ich passe auf dich auf.“

Tiffany umklammerte den Arm ihres Sohnes, als dieser zu seinem Alpha gehen wollte und hauchte: „Das klingt gefährlich, bitte bleib bei mir.“ Ihr Sohn drehte sich zu ihr um und nahm sie in den Arm. „Ich kann nicht anders. Ich erkläre dir alles, wenn wir zurück sind, versprochen.“

Auch Kamden sprach die Frau an und versicherte: „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Ihnen Ihren Sohn unversehrt zurückzubringen Ma´am.“ Tiffany brach dennoch in Tränen aus und sah den beiden Männern hinterher, wie diese sich der Kampftruppe anschlossen.

Unschlüssig sahen sich Collin und Brandy ihre Kameraden an. Die beiden waren noch nicht lange im Rudel und zudem erst 13, ein Jahr jünger als Seth. Dennoch traten sie eine Schritt vor und der Leitwolf hob die Hand um sie zu stoppten.

Er wandte sich an Sam und fragte: „Wie weit sind die beiden?“

Sein Gegenüber runzelte die Stirn und sagte streng: „Für diesen Kampf ungeeignet. Sie sind noch nicht mal so weit wieder zu Schule zu gehen und als Wölfe stolpern sie eher über ihre eigenen Beine. Es fällt ihnen immer noch schwer sich zu beherrschen.“

Jake nickte und wandte sich an seinen Freund. Bevor er die Frage stellen konnte, hatte dieser bereits begonnen die beiden aus der Gleichung zu entfernen. Äußerlich nickte er einfach, während er mental zu seinem Freund sagte: „Ohne die Beiden steigen unsere Chancen sogar. Sie währen uns nur im Weg.“

„Was ist mit Seth?“

Kurz dachte der Wächter nach und schlussfolgerte: „Ohne ihn sinken unsere Chancen. Er kann kämpfen, wenn er angeleitet wird.“

Der Alpha beendete ihr Gedankengespräch und sah zu den beiden Jüngsten. „Ihr werdet im Dorf bleiben und es verteidigen.“

Die zwei plusterten sich auf und wollten gerade anfangen zu widersprechen, da befahl Jake mit der Doppelstimme des Alphas: „Collin und Brandy, ihr beiden werdet nicht mit uns Kämpfen. Wenn alle Stricke reißen, dann seid ihr die letzte Bastion zwischen dem Stamm und seinen Feinden. Ich unterstelle euch dem Kommando von Quil Ateara III.“

Dann wandte er sich an sein Rudel und sagte: „Alle mir nach.“ Anschließend machte er einen Satz und verwandelte sich noch im Sprung. Fetzen flogen und alle Kämpfer folgten ihrem Alpha in Wolfsgestalt.

Isaak schwang sich auf den Rücken des Leitwolfs und dachte angestrengt über ihre Strategie nach. Währenddessen hatte Seth die Vampire erreicht und stürzte Hals über Kopf, zudem nackt, in das Haus. Er redete schnell und erklärte ihnen was vorgefallen war. Mir der Hilfe des Rudels wiederholte er alles, was Isaak gesagt hatte und die Vampire erklärten sich nach einer kurzen Diskussion bereit zu helfen. Was blieb ihnen auch anderes übrig. Ohne den Wächter und das Rudeln war ihr Schicksal so oder so besiegelt.

Die Cullens und das Rudel trafen sich auf einer Lichtung und sie gingen ihren Schlachtplan durch. Nun da feststand, wer alles kämpfen würde, konnte Isaak eine Strategie planen. Jake griff nach dessen Geist und half mit ein paar Ideen aus.

Als dann alles geregelt war, wandte sich der Leitwolf an Sam: „Hast du deine Macht als Alpha noch?“

„Ja“, antwortete dieser mit der Doppelstimme.

„Gut“, meinte Jakob und sagte: „Du wirst nicht mitkämpfen.“

Augenblicklich knurrte der schwarze Wolf und wollte Widerworte geben, aber Jake redete einfach weiter: „Du wirst dir eine sichere Position suchen und das Rudel mit deiner Macht steuern. So wie du es auch bei den Neugeborenen gemacht hast. Sorge dafür, dass alle zusammenarbeiten und beschütze das Rudel.“

Sam warf einen wütenden Blick zu Isaak und sein Leitwolf setzte nach: „Das ist auf meinem Mist gewachsen. Ich würde es ja selbst tun, aber ich bin noch nicht so lange ein Alpha. Meine Macht ist zwar stärker, aber du kannst damit besser umgehen. Pass auf alle auf und sorge dafür das keiner stirbt.“

Jake wandte sich an alle anderen: „Ihr werdet euch von Sam steuern lassen. Das ist ein Befehl. Wir haben keine Zeit alles bis ins kleineste Detail durchzugehen.“

Anschließend teilte er sie, nach Isaaks Vorgaben in drei Gruppen auf:

Jake, Kamden, Embry, Rosalie, Emmet.

Jared, Seth, Esme, Carlisle, Edward.

Paul, Quil, Leah, Alice, Jasper.

Nach dem Plan des Wächters, würde sich dieser als erstes in die Schlacht werfen und versuchen mit dem ersten Schlag so viele Werwölfe wie möglich auszuschalten. Zudem sollte er drei verwunden, so dass diese ihm bei seiner anschließenden Flucht nicht folgen konnten. Dann würde sich jede Gruppe einen der Werwölfe als Ziel nehmen und beseitigen. Wenn alles gut ginge, würden sie dieses Spiel so lange treiben bis alle Gegner erledigt waren.

Leah, Seth und Embry waren die Lockvögel. Ihre Aufgabe war es die Gegner zu reizen und zu verwirren. Sie sollten nicht angreifen sondern ihre Geschwindigkeit nutzen um sie auszumanövrieren. Die anderen sollen sich bedeckt halten, Angriffe vortäuschen und auf ihre Chance warten. Ziel war es das jede Gruppe sich mit einem Werwolf befasste. Sam sollte alle Wölfe koordinieren und als Verstärkung dienen.

Sie sammelten sich in ihren Gruppen. Isaak bildete die Spitze und Sam die Nachhut. Auf die Anweisung des Wächters versteckten sich alle im Unterholz, während er in den Baumwipfeln verschwand.

Mehrere Minuten gingen ins Land, dann sagte Isaak: „Sie kommen. Macht euch bereit.“

Die Wölfe gaben den Vampiren ein vorab vereinbartes Zeichen und alle starrten gespannt in den Wald. Bevor sie die Gegner sehen konnten, rochen sie sie. Im ersten Moment konnte man den Geruch mit einem aus dem Rudel verwechseln, aber beim zweiten Atemzug bemerkten alle den Unterschied. Es roch nach Wolf, ja, aber auch nach Verwesung und Tod. Den Wölfen stellten sich die Nackenhaare auf und auch die Blutsauger wirkten auf einmal sehr nervös.

Bevor aber noch einer etwas unternehmen konnte, brachen die Werwölfe aus dem Unterholz und schossen auf allen vieren auf sie zu. Isaak hatte nicht gelogen. Ihre Gegner waren schnell, sehr schnell. Bei ihrer Geschwindigkeit konnten sie nur ihre verschwommenen Umrisse sehen.

Ohne Vorwarnung fiel der Wächter aus der Baumkrone, mitten in die Masse aus Leibern hinein. Sie hörten das entsetzliche Gekreische zweier sterbender Kreaturen. Es war eine Mischung aus Wolfslauten, knurren und winseln, und einem menschlichen Schrei.

Undeutlich flogen Isaaks Klingen wie Schlieren umher und trafen noch weitere fellbesetzte Körper. Dann so schnell, wie es begonnen hatte, sprang der Rotblonde zurück in die Baumkronen und schoss davon. Ein wütendes Knurren setze ein und die übrigen elf unförmigen Fellhaufen setzen zur Verfolgung an.

Am Boden lagen zwei tote nackte Menschen und drei Werwölfe humpelten ihren Kameraden hinterher. Isaak hatte diese an den Beinen erwischt und einem von ihnen sogar das Bein abgeschlagen. Einer versuchte es auf allen vieren und lahmte mit dem verletzten Fuß, wohingegen die beiden anderen versuchten auf drei Gliedmaßen zu rennen.

Jake gab den Befehl und die Lockvögel sprangen aus dem Gebüsch, jeder von ihnen knurrte einen der Werwölfe an schnappte ihnen von hinten in das unverletzte Hinterbein. Dann schossen sie in drei Richtungen davon.

Die Werwölfe jaulten laut auf und setzen zur Verfolgung an. Nun begann Phase zwei. Die Gruppen stürzten sich von hinten auf ihren jeweiligen Gegner.

Jake machte den Anfang und verfehlte aber sein Ziel. Der Werwolf duckte sich und er schoss über ihn. Aus den Augenwinkels sah er die schrecklichen Klauen des Monsters auf sich zuschießen, aber sie streiften ihn nur. Kamden hatte sich in einen Hinterlauf verbissen und es geschafft den Feind aus dem Gleichgewicht zu bringen. Jake spürte seine Haut aufreißen, wo die Klauen ihn mit der Spitze erreichten. Aber zum Glück war es nur ein Kratzer. Ohne Probleme landete er auf allen Vieren und sah zurück.

Emmet baute sich über dem Werwolf auf und schlug ihm mit aller Kraft in den Nacken. Es gab ein lautes Knacken und das Monster wurde wieder zu einem Menschen. Einer weniger.

Schon bei dem ersten Angriff musste Sam bei Pauls Gruppe eingreifen. Der Werwolf drehte sich einfach um und schlug nach den Angreiffern, als ob er wusste, dass diese da war. Durch die schnelle Reaktion des Alphas konnte dieser verhindern, dass Paul und Quil der Schädel gespalten wurde. Alice tänzelte schnell zurück, wurde aber an der Brust leicht erwischt. Sie zischte erbost und schimpfte etwas von wegen: „Nicht mein Kleid, du Monster.“

Jasper schoss vor und schnappte sich einen der Arme. Aber er hatte nicht mit der Kraft seines Gegners gerechnet. Der Werwolf hob den Arm und warf den überraschten Vampir, wie ein Spielzeug gegen einen nahen Baum. Unter mächtigem Getöse brach der Stamm und begrub den Blutsauger unter sich.

Dann setzte Paul zum zweiten Sprung an und diesmal traf er den Nacken des Monsters. Er verbiss sich in das Fell und er hörte ein dumpfes Knacken. Dann brach der Feind zusammen und verwandelte sich wieder in einen Menschen.

Bei der dritten Gruppe hatten sie mächtige Problem. Es war der Werwolf mit nur einem Bein, aber das hinderte ihn nicht daran dem Hinterhalt auszuweichen. Mit seinem ersten Schlag spaltete er einen Baum der im Weg war und warf diesen auf Jared. Dieser jaulte und war erstmal außer Gefecht gesetzt. Verzweifelt versucht sich der Wolf unter dem Baum hervor zu kämpfen. Währenddessen stürzte sich das Monster auf Esme und riss ihr, wie einer Stoffpupe beide Arme aus.

Der Werwolf lachte bellend und wollte ihr gerade den Kopf abbeißen, als Carlisle und Edward ihn von beiden Seiten rammten. Sie legten alle Kraft die sie hatten in den Angriff und sie konnten hören, wie die Knochen ihres Gegners brachen. Aber diesen schien das gar nicht zu interessieren. Er schnappte nach dem Arzt und verfehlte ihn nur um Millimeter.

In dem Augenblick sprang Seth den Feind von hinten an und verbiss sich in seinen Nacken. Aber er hatte nicht richtig getroffen und riss nur ein Stück Fleisch heraus. Das Monster brüllte, drehte sich herum und schlug nach dem Übeltäter. Der Jungwolf wurde im Gesicht erwischt und brach blutend zusammen.

Da tauchte Sam bei ihnen auf und er traf die Wirbelsäule. Es knackte und das Monster ging zu Boden. Erstaunt stellten sie fest, dass es eine Frau war.

Alle vereinten sich kurz und besprachen wie es weiter gehen soll. Esme und Seth waren außer Gefecht. Der Arzt hatte beide kurz untersucht. Die Bruchstellen bei seiner Frau waren sauber und es sollte kein Problem sein die Arme wieder zu befestigen. Der Jungwolf allerdings war bewusstlos und hatte drei blutenden Schnitte quer über das Gesicht. Eines seiner Augen war zerstört und seine Nase halb abgerissen. Zum Glück waren es aber keine lebensbedrohlichen Verletzungen. Darum würden sie sich später kümmern. Jared blutete etwas am Kopf, aber war bereit weiter zu machen. Jasper hatte nur seinen Stolz verletzt.

Jake beriet sich mit Isaak und sie entschieden auf zwei Gruppen zu reduzieren. Edward und Carlisle schlossen sich dem Leitwolf an. Jared übernahm Pauls Gruppe. Dann wechselten sie ihre Position und stellten einen neuen Hinterhalt, während sich Sam wieder absetzte.

Der Wächter lenkte seine Verfolger zu dieser Stelle und stürzte sich in die Masse aus Leibern. Einer der Werwölfe wurde geköpft. Alle anderen wischen zurück und umzingelten ihr Ziel.

Schnell schickte der Leitwolf Leah los. Sie schoss aus dem einem Busch und biss einem der Monster in die Hachse. Dann gab sie Fersengold und rauschte davon. Ihr Ziel jaulte auf und verfolgte mit einem zweiten der Wölfin. Darauf hatte es Jake abgesehen und sandte nun Embry aus die zwei zu trennen.

Plötzlich ging aber alles schief. Die Beiden, die Leah verfolgten ließen von ihr ab und hetzten direkt auf den versteckten Leitwolf zu. Zusätzlich löste sich auch noch einer aus der Gruppe des Wächters und machte ebenfalls jagt auf den Alpha.

Isaak opferte eine seiner Klingen und warf dieses dem Werwolf, der sich von ihm löste, hinterher. Er traf und durchbohrte den Gegner. Knapp unter dem Kinn trat die Klinge wieder hervor und der Feind ging als Mensch zu Boden.

Der Leitwolf sprang aus seinem Versteck und rannte davon. „Ich spiele den Lockvogel, schnappt euch einen, nach dem anderen.“

Aber auch das funktionierte nicht. Egal, was sie versuchten die beiden Werwölfe ließen sich nicht trennen. Embry biss einem der Beiden ins Bein und bekam als Dank von dem anderen einen Hieb gegen die Schulter verpasst. Knochen knackten und Embry ging winselnd zu Boden. Kamden geriet in Rage und stürzte sich auf den Übeltäter aber Edward war vor ihm da. Bevor der Blutsauger aber angreifen konnte drehte sich das Monster, welches von Embry gebissen wurde, um und biss nach dem Untoten. Edward konnte gerade noch so den Arm zurückziehen, bevor sich an dieser Stelle die spitzen Zähne schlossen.

Jake bremste ab und zwang Kamden zur Ruhe. Gegen solche Feinde konnten sie nicht kopflos vorgehen. Sam steuert derweil das Rudel in einem Kreis um die beiden Werwölfe. Die Vampire zogen sich ebenfalls etwas zurück, wobei sich der Arzt um Embry kümmerte und ihn aus dem Gefahrenbereich zog.

Als keiner mehr Angriff knurrten die Feinde synchron auf und stürzten sich wieder auf Jake. Darauf hatten sie gewartet und alle griffen von hinten an. Die Gegner sprangen auf alle Viere und schossen einer nach links einer nach rechts davon. Beide machten einen Harken und stürzten sich je auf einen Angreifer. Einer nahm sich Rosalie vor und spaltete sie mit einem Handkantenschlag von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte. Die Vampirin schrie auf und zerbrach in zwei Teile.

Der andere warf sich auf Paul und trieb ihm seine Klauen tief in die Seiten. Der Wolfsjunge zappelte wild um sich und wurde zum Menschen. Er schrie sich die Seele aus dem Leib. Das Biest lachte gehässig und wollte gerade den Mann zerreißen, als Jared und Leah ihm je in einen Knöchel bissen. Wütend und auch vor Schmerz brüllte das Monster und warf den Wolfsjungen in seinen Klauen achtlos weg. Er schlug nach seinen beiden Peinigern, welche augenblicklich sich in Sicherheit brachten. Paul flog durch die Luft und krachte gegen einen großen Findling. Bewusstlos blieb er liegen, während sich eine Blutlache unter ihm bildete.

Sam dirigierte Quil und Jared hinter die Monster und wartete auf eine günstige Gelegenheit. Der Leitwolf warf sich nun ebenfalls in den Kampf. Kaum war er in die Reichweite der Monster geraten, flogen auch schon Krallen auf ihn zu. Er wisch aus und steuerte seinen Feind, damit dieser abgelenkt war. Emmet schoss nun mit einem wütenden Gebrüll vor und griff den Werwolf an, der seine Frau zerrissen hatte.

Rosalie stemmte sich mit den Armen hoch und feuerte ihn dabei an. Die Klauenhände trafen auf die des Vampirs und einen Augenblick sah es nach einem Unentschieden aus. Dann lachte der Feind bellend und brach dem Vampir beide Arme. Entsetzt taumelte der Blutsauger einen Schritt zurück und wurde geköpft.

Der Kopf landete vor der Halbierten. Sie sah nach unten und schimpfte: „Ein schöner Ehemann bist du. Sie mich nicht so an. Ohne Lunge kann man nicht reden du Pfeife, also mach den Mund zu.“

Emmet verdrehte die Augen und wollte dem Kampf weiter folgen. Mit seinen Gesichtsmuskeln versuchte er seine Position so zu verändern, sodass er etwas sehen konnte.

Derweil gingen auch Alice und Quil zu Boden. Beide hatten sich auf den Werwolf geworfen, der Emmet ausgeschaltet hatte. Dieser hatte beide mit einem Schlag ausgeknockt.

In der Zwischenzeit hatten Jake, Kamden, Carlisle und Edward versucht den anderen zu erledigen. Aber sie schafften es einfach nicht. Ihr Feind war zu schnell und wendig. Sie bekamen ihn einfach nicht zu fassen. Immerhin konnten sie es verhindern, dass sie von dem Monster getroffen wurden.

Dann tauchte auf einmal der zweite hinter Jake auf. Mit diesem hatte der Alpha nicht gerechnet. Der Leitwolf sah die Krallen auf sich zufliegen und wusste, nun war alles vorbei.

Auf einmal warfen sich gleich zwei schwarze Wölfe dazwischen. Sam und Kamden. Der zweite Alpha jaulte auf und bekam das meiste ab. Seine Knochen knackten und die Wucht des Schlages schleuderten beide Wölfe davon. Sie krachten gegen einen Stein und sackten bewusstlos zusammen.

Das Werbiest heulte wütend auf und fixierte erneut Jake. Währenddessen hatte der andere Carlisle und Edward in die Finger bekommen und ihnen die Köpfe abgerissen.

Nun hatte es Jake gleich mit zwei Werwölfen zu tun. Sie würden verlieren. Es war nur noch Leah, Jared, Jasper und er übrig. Er hatte die Kampfkraft dieser Monster unterschätzt. Das waren tollwütige Kampfmaschinen. Was sollten sie nur machen?

Langsam wichen die Übrigen ein wenig zurück, um sich einen neuen Plan auszudenken. Aber ihre Gegner ließen das nicht zu. Beide schossen auf Jake zu und dieser hatte nicht die Zeit auszuweichen.

Plötzlich stand Isaak vor ihm und hielt mit je einer Hand einen der Angreifer in Schach. Der Wächter sah entsetzlich aus. Er blutete überall und seine Kleidung war total zerfetzt. Zudem hatte er offenbar auch noch seine zweite Waffe eingebüßt.

Der Rotblonde hatte allein gegen vier dieser Biester gekämpft und schlussendlich gewonnen. Sie hatten gemeinsam nicht mal diese beiden hier erledigen können.

Wütend sprangen die Werwölfe zurück, gingen auf alle viere und schossen, einer im, einer gegen den Urzeigersinn, um Jake und den Wächter im Kreis.

Isaak war am Enden und sackte leicht ein. Genau in dem Moment griffen beide Monster an. Der Wächter stieß den Leitwolf aus dem Weg und vier Klauenhände trafen ihn. Er schrie auf und die Biester hoben den Mann leicht in die Luft.

Plötzlich erstarrten die Werwölfe und ein dunkler Schatten wuchs aus dem Boden empor. Sie bestand aus schwarzem Rauch und lachte mit hallender Stimme. Ihr Umriss wogte im Wind und es war nur wenig zu erkennen. Sie hatte lange Haare und trug ein altertümlich aussehendes Gewand. Ihre Gesichtszüge waren nicht zu erkennen.

Isaak würgte einen Schwall Blut hervor und knurrte: „Morgan le Fay“.

Diese reckte nur stolz das Haupt in die Höhe und antwortete, mit einem überheblichen Unterton in der Stimme: „Ja, dies bin ich. Eine Magierin von königlichem Blute.“ Kurz bedachte sie den Wächter mit einem spöttischen Blick: „Seid unbesorgt, Wächter – ich werde Euch von Eurer jämmerlichen Existenz befreien und Euren Qualen ein Ende bereiten.“

Leah und Jared stürzten sich von zwei Seiten auf die Schattengestalt der Magierin, die nur höhnisch lachte, als die Wölfe durch ihren Körper hindurchglitten.

Die nebulöse Frau hob Zeige- und Mittelfinger beider Hände und zwang die Wölfe auf den Boden, wo sie jämmerlich winselten. „So ist es richtig. Kniet vor Eurer Herrin und wisset ob Eures Platzes.“

Diesen Moment der Unachtsamkeit wollte Jasper ausnutzen und schlich sich von hinten an einen der Werwölfe heran. Gerade, als er ihm den Gnadenstoß versetzen wollte, fuhr die Nebelgestalt herum.

Mit einer Geste ihrer Hand, so als ob man ein lästiges Insekt verscheuchen wollte, wurde der Vampir in die Höhe geworfen und durch mehrere Bäume geschleudert, die unter dem Aufprall umknickten. Erst ein massiver Stein konnte den Flug des Untoten stoppen. An diesem rutschte er reglos hinab.

Morgan le Fay selbst legte die Hände vor dem Körper zusammen und bedachte Jasper mit einem geringschätzigen Blick. „Vampire – widerlich. Eine meiner ersten Handlungen wird es sein, diese Untoten zu vernichten, sobald ich die Macht der Wächter in mir trage. Ihre bloße Existenz ist meiner unwürdig.“

Damit drehte sie sich zu Isaak herum und schenkte diesem wieder ihre Aufmerksamkeit: „Wo waren wir stehengeblieben, Wächter? Ah ja, bei Eurem Untergang.“

Sie verzog die Lippen zu einem boshaften Lächeln: „Zerreißt ihn und labt euch an seinem Fleische.“

In die Werwölfe kam Bewegung. Jake konnte nichts mehr unternehmen. Er war zu schwach. „NEIN“, schrie er und griff panisch, nach dem Geist seines Gefährten.

Im Kopf des Wächters nahm er diesen in die Arme und wimmerte: „Können wir nichts mehr tun? Gibt es keinen Weg mehr, sie aufzuhalten?“

Isaak tätschelt ihm den Kopf und begann nebenher seine Zauber zu weben. „Es tut mir leid. Meine Magie zu schwach. Ich kann nur die beiden Werwölfe mit uns nehmen. Mehr kann ich nicht bewerkstelligen.“

Jake presste sich so fester konnte gegen seinen Freund. Zwischen den beiden blitze es und blaue Funken stoben davon.

Irritiert sahen beide an sich hinunter. An der Stelle, an der sich ihre Seelen schon einmal berührten, war immer noch ein Spalt in der Barriere, welche die Seelen voneinander trennte. Nachdenklich sah sich der Wächter das genauer an.

„Das ist doch so, wie das letzte Mal oder?“, fragte der Leitwolf und versuchte den Gedanken seines Freundes zu folgen. Aber dieser dachte mal wieder so schnell, dass er nichts verstand.

„Ja und nein. Die Seelenbarriere ist beschädigt. Ich hatte noch keine Zeit über dieses Ereignis nachzudenken“, meinte der Wächter besorgt. „Seelen sollten sich nicht berühren. Ich kann dir nicht sagen, was das für Konsequenzen hat.“

„Aber, damit kann ich dir Magie geben, oder?“, ließ Jake nicht locker.

„Ja, schon, aber ich weiß nicht, wo diese Energie herkommt. Ich könnte unsere Seelen beschädigen, wenn ich diese Macht nutze.“

„Würde diese Kraft reichen?“

„Auch das kann ich nicht sagen.“

„Was haben wir zu verlieren? Du stirbst gerade. Lass es uns versuchen“, bestimmte Jake und drückte gegen die Stelle.

Isaak wisch zurück. „Schatz, du verstehst nicht. Man darf nicht mit Seelen spielen, die Konsequenzen könnten das Gefüge von Leben und Tod beeinträchtigen.“

„Ist mir egal. Ich will leben und ich will bei dir sein. Bitte“, flehte der Alpha und spürte, wie der Körper seines Geliebten Millimeter für Millimeter zerrissen wurde.

„Ich will doch auch bei dir sein“, gestand der Wächter und drückte sich seinem Freund entgegen. „Ich hoffe, wir tun das Richtige.“, murmelte er noch und ihre Seelen berührten sich.

Wie schon das letzte Mal wurden sie auseinanderkatapultiert und ihre Verbindung vibrierte unheilvoll. Isaak griff nach der freigesetzten Kraft und wandelte sie in Magie um.

Dann kehrte er in die Realität zurück, während Jake die Verbindung aufrechterhielt. Das letzte Mal hatte er es wohl nicht mitbekommen, aber nun spürte er eine Kraft, welche sie zu trennen versuchte.

Der Wächter schlug die Augen auf und setzte seine Magie frei. Die beiden Werwölfe erstarrten und er schwebte einfach nach oben aus ihren Klauen heraus. All seine Wunden zischten und heilten augenblicklich.

Entsetzte sah Morgen le Fey, was da passierte.

Isaak sah zu dem Werwolf rechts von ihm und mit einer kleinen Handbewegung brach dessen Genick. Ein toter Mensch brach auf dem Boden zusammen. Dann wandte er sich zu dem Zweiten und zögerte.

Nun da seine Magie wieder voll aufgefüllt war, konnte er auch mehr sehen. Dieser Mensch war wichtig für die Zukunft. Aber was sollte er mit ihm machen? Er wusste noch immer nicht, was die Magierin mit diesem Angestellt hatte. Dennoch musste er es versuchen, dessen Schicksal zu retten. Mit einer weiteren Handbewegung schickte er den Werwolf in das Reich der Träume und das Biest sackte in der Werbiestgestalt zusammen.

Die Magierin schürzte die Lippen. All ihre Kreaturen waren besiegt und auf Distanz konnte sie nicht viel gegen einen Wächter ausrichten.

„Es ist noch nicht vorbei“, fauchte sie und löste den Zauber, bevor Isaak wieder in ihren Kopf eindringen konnte.

Der Wächter hatte eh gerade anderes zu tun. „Kannst du es noch aushalten?“, fragte er Jake und stupste ihm gegen die Stirn. In Sekundenbruchteilen war sein Freund wieder vollständig geheilt.

„Beeil dich etwas“, knurrte der Leitwolf. Die Verbindung zu halten kostete ihn immer mehr Kraft.

Isaak schoss wie ein Blitz umher und heilte die anderen. Auch die Vampire setzte er wieder zusammen. Dann sprach er einen Zauber und ließ die Leichen ihrer Gegner zu Asche verbrennen. Als letztes unterwarf er noch schnell den noch lebenden Werwolf einigen Bannen und teleportierte ihn weg. Ihn zu tragen barg Gefahren, falls er aufwachte. Was immer Morgen mit ihm gemacht hatte, er war immer noch ein Werbiest, das musste der Wächter erst untersuchen.

Dann lösten Isaak und Jake ihre Verbindung und beide sackten erschöpft zusammen. Wie in Trance scharrten sich alle Kämpfer langsam um die zwei und starrten den Wächter ungläubig an. Einige von ihnen hinkten noch etwas.

Die Wogen glätten sich

Alle Wölfe standen in Menschengestalt rum, quer durchmischt mit den Vampiren, welche zum Teil ihre Kleidung eingebüßt hatten. Rosalie raffte ihre Sachen zusammen und versteckte sich halb hinter den breiten Schultern ihres Mannes.

Mit geschlossenen Augen und schwer atmend sagte Isaak: „Es tut mir leid, ich konnte euch nicht vollständig heilen, dafür reichte die Zeit nicht. Primär habe ich mich um die schlimmsten Verletzungen gekümmert. Der Rest wird von selbst heilen.“

Bei diesen Worten trat Kamden an seinen Kleinen heran und drehte diesen zu sich um. Kritisch besah er sich dessen lädierte Schulter und stupste dagegen.

Scharf zog der andere die Luft ein und knurrte: „Lass das.“

„Wie geht es dir?“, fragte der brünette Wolfsjunge und achtete genau auf die Gefühlswelt seines Partners.

„Es geht“, meinte Embry und sah sich um.

Die anderen hatten sich ebenfalls in Grüppchen gespalten und alle Paare untersuchten ihre jeweiligen Partner oder lagen sich in den Armen, wie Alice und Jasper. Er konnten die Vampirfrau leise über ihr ruiniertes Kleid jammerte hören. Daneben stand der Arzt, der seine Frau untersuchte und sie anschließend an sich drückte. Emmet schirmte mit seinem massigen Körper Rosalie ab, aber man konnte unverkennbar das leisen Schmatzen ihrer Küsse hören.

Edward und fast alle anderen des Rudel standen immer noch um den Wächter und starrten diesen weiterhin ungläubig an. Nur Leah hatte sich abgewandt und sich ihren kleinen Bruder geschnappt. Sie befingerte die Kratzer in seinem Gesicht und befahl ihm ihren Finger zu folgen. Der Rotblonde hatte Seths Auge wiederhergestellt und seine Schwerster wollte sicherstellen, dass es vollständig geheilt war.

Erst als sie mit ihrer Untersuchung zufrieden war, schnappte sie sich den widerspenstigen Jungwolf und drückte diesen an ihre Brust. Tränen der Freunde rannen ihr aus den Augen und Seth versuchte verzweifelt sich aus ihrem Klammergriff zu winden. Dass sie, wie alle Wölfe nackt waren, störte die Wölfin offenbar wenig, ihren Bruder umso mehr. Er lief zum Teil aus Scharm, zum anderen aus Anstrengung rot an. „Lass mich los“, jammerte er vor sich hin.

Embry biss sich auf die Lippe und sah zu seinem Alpha. Dieser hatte sich als einziger nicht verwandelt und war als Wolf zu seinem Freund gekrochen. Ohne auf die andern zu achten hatte er seinen Kopf dem Wächter auf dem Schoß gelegt und ließ sich kraulen.

Seufzend wandte sich der Kleinere wieder an seinen Freund. Dann sah er auf seine Zehen und breitete die Arme aus. Augenblicklich klebte Kamden an ihm und sie umarmten sich innig. Mit brüchiger Stimme gestand der Brünette: „Ich habe mein Versprechen gebrochen. Es tut mir leid, dass ich dich nicht beschützen konnte.“

Embry erwiderte die Umarmung und zischte als seine Schulter bei der Bewegung schmerzte. Dann tätschelte er seinem Freund den Rücken und sagte: „Du hättest nichts tun können. Aber ich bin stolz auf dich.“

Kamden löste sich so weit, dass er seinem Kleinen in die Augen sehen konnte und fragte: „Was habe ich denn getan?“

Mit einem schiefen Grinsen meinte Embry: „Du hast dich von Jake beruhigen lassen und ihn auch noch gerettet. Ich hätte mich auch dazwischen geworfen, um den Alpha zu beschützen, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre.“

Irritiert runzelte Kamden die Stirn. Dann beugte sich der Schwarzhaarige vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Einen Moment setze das bewusste Denken des Größeren aus. Sein Freund hatte ihn in aller Öffentlichkeit geküsst. Zudem standen sie nackt da und umarmten sich auch noch.

Verunsichert zog sich Embry etwas zurück. Da erwachte Kamden aus sein der Starre und drückte ihre Lippen erneut aufeinander. Diesmal war der Kuss aber nicht ganz so unschuldig und federleicht. Viel zu viele Emotionen lagen offen und suchten nun einen Ausgang. Beide seufzten und schlossen die Augen. Dieser Moment gehörte ihnen.

Quil und Paul mahlten mit den Zähnen und warfen einen Blick auf das Paar. Da hörten sie Jakes strenge Stimme in ihren Köpfen: „Wagt es ja nicht.“ Dann öffnete er sich zu allen im Rudel, wobei er Embry und Kamden ausließ, und erklärte: „Solange ich der Leitwolf bin, dulde ich Diskriminierung nicht. Aber ich verbiete euch nicht, zu denken, was ihr wollt. Als euer Alpha wirkt nun die Magie meines Anhängers bei allen. Wenn ihr es nicht lassen könnt, dann schottet euch einfach ab und lasst euren Gedanken freien Lauf.“

Anschließend hielt er nochmal seine Rede, wie das Rudel mit dieser Fähigkeit umzugehen hatte und was er von jedem erwartete. Unerwartet mischte sich Isaak ein und fügte hinzu: „So wie die Dinge aktuell liegen, braucht ihr eh keine Angst zu haben unbeabsichtigt unsere Gedanken zu hören. Nur Jakes und meine Stimme können von allen gehört werden. Jake weil er der Alpha aller ist und bei mir ist es meine Magie. Zudem können auch nur wir die Stimmen aller Wölfe hören, solange wir das wollen. Der Rest vernimmt nur die Gedanken ihres jeweiligen Rudels. Also besteht kein Grund für Feindseligkeiten. Seht einfach weg, wenn euch der Anblick stört.“

„Aber beim Kampf konnte Sam doch alle beeinflussen. Ich dachte, wir sind nun ein großes Rudel“, schlussfolgerte der Leitwolf und wurde von dem Wächter korrigiert: „Ja, weil du es Sam gestattet hast. Du bist der „wahre Alpha“ und legst das fest. Bei diesem Kampf hast du unbewusst alle in ein Rudel gezogen, damit die Kommunikation stimmt. Jetzt da die Gefahr gebannt ist, hast du die Banden gelöst und die Wölfe wieder in zwei Rudel gespalten. Das ist die Macht des „wahren Alphas“.“

„Das heißt, ich kann noch mehr Rudel als zwei erstellen?“, fragte Jake interessiert nach.

„Ja und nein. Jedes Rudel benötigt einen Alpha. Sollte einer der anderen diese Macht erwecken, so kannst du ihm oder ihr ein eigenes Rudel geben. So wie du es schon vor dem Rat gesagt hast“, erklärte Isaak und erlaubte sich ein fieses Grinsen. Nur zu seinem Partner setzte er noch hinzu: „Du hast das gesagt, ohne wirklich die Zusammenhänge zu verstehen, Wölfchen.“

Unschuldig streckte sich der Wächter und sagte laut: „So, ich bin wieder einigermaßen fit. Wir können nach Hause gehen. Oder planst du hier im Wald zu schlafen?“

Jake grollte ein wenig und hob den Kopf. Als Rache für den dummen Spruch leckte er dem Wächter einmal quer über das Gesicht. Dieser blinzelte und gab dem Wolf einen Kuss auf die Lippen. Jake verdrehte die Augen. Er hätte sich ja denken können, dass sein Partner den Spieß einfach umdrehte.

Er trat einen Schritt zurück und ließ Isaak aufstehen. Ein wenig wacklig war er immer noch und der Rostfarbene war sofort stützend neben ihm.

Mit einer Hand kraulte der Wächter den Wolf und hob den Blick. Alle hatten dem kleinen Schauspiel der beiden zugesehen. Isaak erlaubte sich ein Schmunzeln und erhob die Stimme: „Ich danke dem Cullenzirkel für die Hilfe. Ohne euch wären wir nicht mir heiler Haut davongekommen.“

Zur Überraschung aller verneigte er sich vor den Vampiren und auch Jake senkte anerkennend das Haupt. Dann wandte sich der Alpha an sein Rudel: „Ihr habt gut gekämpft. Ich bin stolz auf jeden einzelnen. Dennoch müssen wir alle noch hart an uns arbeiten. Ich will nicht auf die Hilfe von meinem Freund oder den Blutsaugern angewiesen sein, um unsere Grenzen zu sichern.“

Er sah zu Sam und sagte: „Es ist deine Sache, wie du mit deinem Rudel verfährst, aber ich habe da einige Vorschläge für dich. Dank Isaak haben wir nun Möglichkeiten, welche du dir nicht einmal vorstellen kannst. Aber, das klären wir wann anders.“

Jake sah in die Runde und öffnete sich, sodass auch Edward ihn hören und seine Worte weitergeben konnte: „Der Kampf ist vorbei. Lasst uns Feiern.“ Die Wölfe jubelten und stimmten ein Lied des Stammes an. Kamden schaute dem Treiben erst zu und hüpfte dann ausgelassen mit den anderen in einer Art Kreis um den Leitwolf.

Der Alpha nickte und sah zu den Vampiren: „Ihr habt ehrenhaft mit uns gekämpft. Ich würde euch deshalb gerne einladen uns zu begleiten, aber ich habe kein Haus und keine Vorräte. Zudem wird der Stamm euch nicht dulden. Ich möchte eine Panik vermeiden. Denn auch, wenn sie nicht wissen, was ihr seid, so fürchten sie euch. Ich werde mich für eure Hilfe erkenntlich zeigen, sobald die Wogen sich geglättet haben.“

Edward wiederholte schnell alles und Carlisle trat vor. „Ich danke dir für dieses Angebot, wir sehen das ebenso. Wir wissen deine Geste zu schätzen. Vielleicht wird dies der Beginn eines neuen Zeitalters, in dem wir alte Vorurteile abbauen können und gemeinsam in die Zukunft sehen.“

Im Hintergrund mischte sich nun Emmet ein: „Wir können zwar nicht zu euch, aber ihr könnt doch zu uns kommen. Lasst uns doch bei uns Feiern.“

Alle sahen den breiten Vampir an und Rosalie fauchte erbost. Alice hingegen, schoss davon und rief noch schnell über die Schulter: „Gebt mir eine halbe Stunde alles vorzubereiten. Jasper komm, ich brauche dich. Es gibt noch so viel zu tun.“

Die Goldblonde verschränkte die Arme und murrte Edward an: „Es hat wohl keinen Sinn ein Veto einzulegen?“

Ihr Bruder grinste und sagte: „Alice hatte eine kurze Vision von der Feier. Also steht der Ausgang bereits fest. Wenn du dich mit ihr anlegen willst, dann bitte renn ihr hinterher und versuch sie aufzuhalten.“

Die anderen Vampire lächelten bei Rosalies Gesichtsausdruck und sie gab sich geschlagen. Sie riss die Arme in die Höhe und murrte: „Toll, eine Feier mit einem Rudel wilder Hunde. Bin begeistert.“

Das Rudel hatte seinen Tanz eingestellt und einige mahlten mit den Zähnen. Schnell mischte sich Jake ein und sagte: „Ich zwinge keinen diese Einladung anzunehmen. Jeder soll selbst entscheiden, was er oder sie machen will.“

Diesmal war es Isaak, der laut seine Worte wiederholte. Kurz beratschlagten sich die Blutsauger. Dann nickte Carlisle und sagte: „Wir stehen alle hinter den Worten meines Sohnes. Ich lade euch hiermit offiziell zu uns ein. Über jeden einzelnen des Rudels werden wir uns freuen. Diese Einladung gilt auch für den Ältestenrat.“

Jake nickte und der Wächter verkündete: „Wir werden kommen und auf unsere neue Freundschaft anstoßen.“ Der Alpha richtete sich zu voller Größe auf und gab ein lautes Heulen von sich. Alle verwandelten sich und stimmten in diesen Ruf mit ein. Selbst Kamden ließ sich einfach fallen und machte mit. Lediglich Isaak schmunzelte nur und blieb in seiner Menschengestalt. In der Ferne hörten sie die Antwort ihrer zwei zurückgelassenen Kameraden.

Sie teilten sich in zwei Gruppen auf. Während die Vampire in Richtung ihres Zuhauses verschwanden, rannten die Wölfe geschlossen nach La Push zurück, angeführt von ihrem Alpha. Isaak lief demonstrativ hinter dem Leitwolf. Zur Rechten des Anführers hatte sich Sam eingereiht und damit Leah verdrängt, welche ohne Umschweife den Platz geräumt hatte. Sie beanspruchte als die Beta des Leitrudels die linke Seite.

Zur Rechten des schwarzen Alphas rannte Jared und zur Linken der Wölfin Embry und Kamden nebeneinander. Als Wölfe klebten die beiden wieder aneinander und liefen im Gleichschritt. Der Rest formierte sich hinter ihren jeweiligen Leitwolf.

Kurz vor dem Dorf gesellten sich auch die beiden letzten Wölfe zu ihnen und reihten sich hinter Sam ein. Geschlossen sprinteten sie auf den Versammlungsplatz der Ältesten zu. Diese standen auf ihren Positionen und warteten auf die Rückkehr ihrer Krieger.

Das Rudel hielt an und Jake trat erhobenen Hauptes vor. Er nahm Menschengestalt, kniete nieder und verkündete: „Die Krieger des Stammes kehren siegreich nach Hause zurück. Unsere Zähne sind das Schild der Schwachen und das Verhängnis unserer Feinde.“ Diese Worte hatte er schon so oft Sam sagen gehört. Sie stellten den ersten Teil eines uralten Brauches da. Wann immer das Rudel eine große Schlacht ausgetragen hatte, trat der Alpha vor den Rat und rezitierte diese Worte.

Unsicher hob der Leitwolf den Blick und sah zu seinem Vater. Würde er es über sich bringen den zweiten Teil einzuleiten?

Billy schnaubte und warf seinen Söhnen einen bösen Blick zu. Er hatte aber keine Wahl. Jacob war der Alpha des Rudels und hatte den Sieg verkündet. Egal, was er von ihm und den anderen hielt, er musste seine Rolle als Häuptling spielen. Mit mahlenden Zähnen hob er die Arme und die anderen Ältesten taten es ihm gleich.

Gemeinsam stimmten sie die rituellen Worte an: „Sehet die stolzen Krieger des Stammes. Nehmt unseren Dank und den aller Quileute. Mögen die Wölfe uns stehts vor Unheil bewahren und die Ahnen über unsere Krieger wachen.“

Jake erhob sich und suchte den Blick zu seinem Vater. Dieser lief rot an und nickte. Dann wandte er sich ab. Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Leitwolfs und er räusperte sich: „Keiner hat dauerhafte Verletzungen davongetragen. Dafür müssen wir Isaak danken. Ohne ihn wären wir alle gestorben.“

Sue und Tiffany, welche hier gewartet hatte, atmeten erleichtert aus. Dann überbrachte der Leitwolf die Einladung der Cullens. Noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, wusste er, dass alle drei ablehnen würden. Und so war es auch.

Dann wurde Jake wieder zum Wolf und erneut stimmte er ein Siegesgeheul an. Das Rudel stieg geschlossen mit ein.

Als ihre Stimmen verklungen waren, teilten sich all auf und rannten nach Hause, wobei die Geprägten als allererstes einen Blick auf ihre Panterinnen werfen würden. Sie konnten gar nicht anders und mussten sich versichern, dass es ihnen gut ging.

Embry, Seth und Leah sprangen in den Wald und suchten eines ihre Kleidungsverstecke in der Nähe auf. Kamden schloss sich einfach seinem Freund an und mopste sich etwas von ihm. Die Sachen passten zwar nicht, aber es würde notgedrungen reichen. In Menschenform kehrten die vier zurück.

Sue lief sofort auf ihre Kinder zu und nahm sie in den Arm, dann versicherte sie sich, dass es ihnen wirklich gut ging. Anschließend gingen sie als eine Familie nach Hause.

Embry und Kamden liefen langsam auf Tiffany zu und wussten nicht so recht, was sie sagen sollten. Die Frau aber schloss sofort ihren Sohn in die Arme und weitere Tränen lösten sich aus ihren Augen. Das salzige Wasser zog neue Spuren zu den bereits vorhandenen.

„Ich hatte so eine Angst um dich, Embry“, schluchzte sie. Während der Wartezeit, hatte sie den Ältestenrat mit Fragen gelöchert. Da alle angespannt waren und nervös die Ohren spitzen, kam diese Ablenkung wie gerufen. Der Rat hatte sie mittlerweile in einige der Geheimnisse eingeweiht und sogar die Prägung angesprochen.

Immerhin hatte Tiffany nun begriffen, warum ihr Sohn so viel Kleidung verbrauchte und wohin er nachts immer verschwand. Über dieses Thema hatten sie schon so oft Streit gehabt, aber egal welche Strafen sie Embry auferlegte, er hatte nie auch nur ein Wort verlauten lassen. Er ertrug seine Strafe und schlich sich dennoch fast jede Nacht aus dem Haus. Schon seit Wochen hatte Tiffany aufgegeben ihn dafür zu Maßregeln und gesagt, er solle doch bitte nicht aus dem Fenster springen.

„Wenn du so oder so gehst und mir nicht sagen kannst, was los ist, dann geh doch bitte aus der Haustür. Lass das Verandalicht an, wenn du gehst und mach es aus, wenn du zurück bist. Dann weiß ich wenigstens, ob du da bist.“

Daran hatte sich Embry gehalten und ihr Verhältnis besserte sich allmählich wieder. Wie gerne hätte er ihr die Wahrheit gesagt, aber die Gesetze verboten das. Zudem hatte Sam dem Rudel mit seiner Macht verboten das Geheimnis preis zu geben. Ein Wolf war an den Befehl seines Alphas gebunden und konnte sich diesem nicht widersetzen.

Doch jetzt war alles anders. Tiffany wusste nun Bescheid. Zudem auch noch über die Sache mit Kamden. Was sollte er nun sagen? Sollte er sich entschuldigen? Zu Kreuze kriechen? Oder mit erhobenen Haupt offen mit ihr reden? Wie würde sie auf seinen Freund reagieren? Würde sie es verstehen?

Noch während er angesträngt nachdachte, legte sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter und drückte trostspendend zu. Embry warf einen Seitenblick zu seinem Partner und dieser lächelte ihn mal wieder etwas dümmlich an. Aber genau das war eben Kamden und Embry liebte diesen Gesichtsausdruck von ihm. Dieser erwärmte stehts sein Herz und spendet ihm Mut.

Zur seiner Überraschung warf sich seine Mutter plötzlich, den irritiert aussehenden Brünetten, um den Hals und schluchzte: „Danke, dass du auf meine Sohn aufgepasst hast.“

Beschämt gestand Kamden und tätschelte ihr den Rücken: „Diese Ehre gebührt mir nicht. Embry wurde schwer verletzt.“

Erschreckt löste sich die Frau von ihm und musterte ihren Sohn eindringlich. Schnell setze der Größere nach: „Sie müssen sich keine Sorgen machen. Isaak hat ihn geheilt. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut.“

„Ach wirklich“, murmelte Tiffany und warf dem zerlumpten Wächter einen abschätzigen Blick zu. Dieser verbeugte sich vor ihr und flötete: „In ein paar Tagen wird er wieder vollständig genesen sein. Ich hatte viel zu tun und konnte nicht alle Verletzungen vollständig heilen.“

Tiffany wusste nicht, was sie daraufhin sagen sollte und wandte sich ihrem Sohn zu: „Was jetzt? Kommst du wieder nach Hause?“

Embry druckste etwas rum und kickte nervös einen Stein weg. „Uns gibt es nur im Doppelpack“, sagte er und griff nach der Hand seines Freundes. „Ich kann nicht anders. Ist so ein Wolfsding, Mutter.“

„Die Prägung“, schlussfolgerte die Frau und nickte. „Das war heute etwas viel auf einmal. Gib mir Zeit das alles zu verarbeiten.“ Sie warf einen kritischen Blick auf den Mann neben ihrem Sohn und registrierte missbilligend, dass er Sachen von Embry trug. Unwillkürlich schürzte sie die Lippen und sagte: „Ich hoffe mal, du hast auch eigene Kleidung.“

Kamden lief knallrot an und nickte. „Ich habe eigene Sachen, aber die sind noch bei Isaak. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich bei Ihrem Sohn bedient habe. Ich wollte nur nicht nackt vor Ihnen erscheinen, Ma´am.“

Sie runzelte die die Stirn und nickte. „Lasst uns nach Hause gehen und reden. Ich weiß ehrlich gesagt aber noch nicht, was ich denken soll.“

Die Wölfe nickten und gemeinsam gingen sie zu dem alten Auto der Familie. Ganz Kavalier hielt Kamden ihr die Fahrertür auf und stieg dann umstandslos hinten ein, wobei Embry absichtlich auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Sie wollten Tiffany nicht überfordern.

Auch Alt Quil setzte sich nun ab. Zurück blieben Jake, Isaak und Billy.

Der Häuptling hatte das Gebaren der Familie Call kritisch beäugt und versuchte nun seinen Sohn mit Missachtung zu strafen.

Jake schnaubte und verwandelte sich zurück in einen Menschen. „Sie es ein, Alter. Ich bin der neue Alpha des Rudels und von nun an laufen die Dinge anders.“ Er seufzte schwer und gestand: „Ich weiß ja nicht, was in deinem Schädel vorgeht, aber ich hatte keinen Spaß dabei, dich vor aller Augen vorzuführen. Du kannst mich nicht so akzeptieren, wie ich bin, gut, dann lass es. Aber hör endlich auf uns Steine in den Weg zu legen.

Wir werden dich von nun an meiden. Solange du im Ältestenrat bist, wirst du notgedrungen mit mir zu tun haben, also gib deinen Posten als Häuptling ab, oder besinne dich deiner Pflichten. Du entehrst dich selbst mit deinem störrischen Verhalten.“

Jake wandte sich ab und sagte traurig: „Ich vermisse den Mann, der mich großgezogen hat. Leb wohl, Vater.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wurde er wieder zum Wolf und sprintete davon. Isaak lief nachdenklich neben ihm her.

Dann sprang er seinem Freund auf den Rücken und kraulte ihn am Hals und am Bauch. Wollig seufzte der Rostfarbene auf und genoss diese Behandlung, welche seine trübe Stimmung davonschwemmte.

„Hm“, brummte Isaak und fragte: „Gibt es einen bestimmten Grund, warum du auf Sams Bude zuläufst?“

„Ja“, sagte Jake. „Meine Sachen sind bei Sam und außerdem kenne ich dich. Deine Magie ist stärker als vor Billys Heilung, also willst du doch eh bei Emily vorbeischauen und sie fragen, ob sie sich schon entschieden haben.“

Der Wächter lachte auf. „Du kennst mich sehr gut mittlerweile. Erstaunlich, dass du spüren kannst, wie stark meine Magie ist.“

Darauf ging der Alpha nicht ein und beschleunigte noch weiter.

Kurze Zeit später erreichten sie den Wolfsbau und Isaak sprang ab. Jake verschwand hinter den Bäumen und suchte sich, was zum Anziehen. Mit einer kurzen Hose und einem verschlissenen Shirt kehrte er zurück.

Mental hatte er den anderen Leitwolf über ihr kommen informiert und somit standen Sam und Emily vor der Eingangstür. Sie runzelten die Stirn, als Jake nach der Hand seines Freundes griff und die beiden auf sie zukamen.

„Guten Abend, Emily“, sagte Jake und hob eine Hand. Isaak hingegen deutete eine höfliche Verbeugung an.

„Was wollt ihr hier?“, fragte die Hausherrin und klammerte sich schutzsuchend an ihren Verlobten.

„Keine Sorge, ich bin nicht hier um zu streiten. Das haben wir hinter uns. Ich wollte nur fragen, wo meine Sachen sind und mein Freund würde gerne wissen, ob ihr euch schon entschieden habt, was dein Gesicht anbelangt“, erklärte der Leitwolf und zuckte mit den Schultern.

Irritiert sah die Frau Sam an und dieser wurde leicht rot. Zu Jake sagte er: „Ich hatte noch keine Zeit, Emily alles zu erklären. Heute ist ja mal wieder so viel passiert.“

Jake rollte mit den Augen. „Wem sagst du das? Gestern wurde Isaak verhaftet, ich wurde verbannt, habe einen Bruder und ein eigenes Rudel bekommen. Heute habe ich meine Schwester abgeholt; einen Haufen Stress mit meinem Alten und dem Rat gehabt. Zudem bin ich nun der „wahre Alpha“ aller Wölfe. Ein Kampf auf Leben und Tod ist auch ein netter Zeitvertreib.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ein paar ganz normale Tage im meinem Leben eben.“

Sams Mundwinkel zuckten und er erwiderte: „In deiner Haut möchte ich echt nicht stecken. Egal. Deine Sachen sind hinter dem Haus in dem kleinen Schuppen. Was Emily Gesicht angelangt, sind wir uns noch uneinig.“ Er wandte sich direkt an den Wächter und fragte: „Bist du denn schon wieder fit?“

„Ja“, sagte der Wächter, während Jake sie einfach stehen ließ und sich auf die Suche nach seinen Sachen machte.

Emily seufzte und fragte ihren Verlobten: „Du wirst erst Ruhe geben, wenn ich ja sage, oder?“

Ohne ein Spur Scham nickte Sam einfach. „Es war meine Schuld. Wenn die Chance besteht, meinen Fehler zu beseitigen, dann tue ich alles dafür.“

Die Frau seufzte und wandte sich an den Wächter: „Wie stark wären die Schmerzen für Sam?“ Sie warf ihrem Freund einen bösen Blick zu und brummte: „Ich werde ihn ohnehin nicht davon abhalten können die Schmerzen zu übernehmen.“

„Hm“, dachte Isaak laut nach. „Die Schmerzen wären äquivalent zu denen der Verletzung. Er würde das Spüren, was er dir zugefügt hat.“

„Worauf warten wir dann noch?“, fragte Sam erleichtert. Er hatte mit deutlich schlimmeren gerechnet. Wenn er an Billys Heilung dachte, musst er sich eingestehen, dass er Angst gehabt hatte. Aber so war das doch ein Kinderspiel, nicht der Rede wert.

„Ich warte auf eure Entscheidung“, grinste der Wächter gutmütig.

Emily seufzte schwer und löste sich von Sam. „Was muss ich machen?“

„Einfach nur dastehen“, antworte Isaak und fügte hinzu: „Ich muss dich im Gesicht berühren. Habe ich die Erlaubnis dich zu heilen?“

„Ja“, bestimmte die Hausherrin und verschränkte die Arme vor der Brust.

Der Rotblonde kam langsam näher und Sam konnte ein Knurren nicht unterdrücken. Unwirsch schnauzte Emily: „Aus. Du willst das, dann sei auch brav.“

„Ja, Ma´am“, sagte Sam kleinlaut und zuckte wie geschlagen zusammen.

Isaak hob die Hand und berührte die Frau an den Narben. „Ich fange nun an. Wenn ich begonnen habe, kann ich nicht mehr aufhören. Verstanden?“

„Ja“, sagten beide Verlobte und der Wächter schloss die Augen. Er konzentrierte sich und flüstert in der Sprache der Wächter seinen Zauber.

Der Wolfsmann zuckte zusammen und griff sich ins Gesicht. Scharf zog er die Luft ein. Dann wurde der Schmerz so schlimm, dass er leicht winselte und in die Knie ging.

Entsetzt drehte Emily ihren Kopf und fragte: „Sam, alles in Ordnung?“

„Ja, macht weiter“, winselte der mächtige Alpha und rollte sich auf dem Boden zusammen. Seine Verlobte konnte es nicht lassen und ging vor ihm in die Hocke, beruhigend streichelte sie ihm über die Seite.

Isaak hatte damit gerechnet, dass die Frau sich nicht würde beherrschen können, also passte er sich ihren Bewegungen einfach an. Seine Hand bleibt stetig auf den Narben. Mit seiner Magie schloss er die Hautschichten und stellte die Nervenbanen wieder her. Daher kam auch der Schmerz. Nervenzellen waren immer eine schwierige Angelegenheit. Vor allem wenn die Verletzung schon so weit zurücklag.

Nach knapp zwei Minuten löste er seinen Zauber und trat einen Schritt zurück. Sam zuckte noch einige Sekunden und sah dann auf. Seine Augen suchten das Gesicht seiner Verloben und weiteten sich als er es fand. Unbändige Freude zeigte sich in seiner Mimik und er hob eine zitternde Hand. Ehrfürchtig streichelte er den geheilten Stellen und hauchte: „Du bist so schön. So unglaublich wunderschön.“

Emily lachte gequält und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sam strich sie weg und sie schmiegte sich an die große Hand. „Du bist ein Trottel“, schimpfte sie und lächelte schwach.

Der Blick mit dem er sie ansah war geprägt von seiner ewigen Liebe zu ihr. Er betete sie an. Sie war alles für ihn. Seine Welt drehte sich nur um Emily. Alles würde er für sie tun und sie wusste das. Emily beugte sich zu ihm und er stemmte sich ihr entgegen. Ihre Lippen trafen sich und Isaak zog sich klammheimlich zurück. Seine Anwesenheit war nicht mehr erforderlich und er wollte nicht stören.

Hinter dem Haus fand er seinen grinsenden Freund, der in einigen Boxen wühlte. Ohne aufzusehen sagte Jake: „Nun hast du auch noch einen Alpha als Groupie. Mach so weiter und bald himmeln dich alle an.“

Irritiert runzelte der Wächter die Stirn. War das ein Kompliment oder ein Seitenhieb, dass er es mal wieder übertrieben hatte?

„Beides“, flötete sein Partner und förderte eine Hose zu Tag. „Na endlich. Nach der habe ich gesucht. Natürlich musste sie auch in der letzten Kiste ganz unten sein. Alles andere wäre ja auch nicht logisch.“

„Rein logisch…“, begann Isaak und wurde zum Schweigen gebracht in dem sein Freund ihm die Hose und ein Hemd zuwarf.

„Hier zieh das an. Mit den Fetzen können wir doch nicht auf der Party aufschlagen.“

Der Wächter besah sich die Kleidung und sagte: „Also ich würde gerne zuvor duschen.“

Jake schaute ihn mit Unverständnis in den Augen an und legte den Kopf leicht schief.

„Du könntest auch eine vertragen, Wölfchen. Der Gestank der Werbiester hängt noch an dir.“

Der Leitwolf zog eine Schnute und moserte vor sich hin: „Das will doch jeder zu hören bekommen. Schatz, geh duschen, du stinkst.“

Isaak rollte mit den Augen und grinste fies. Seinem Partner schwante Schlimmes und dieser hob abwehrend die Hände. Da schnappte sich der Rotblonde die Kleidung und warf sich Jake einfach über die Schulter.

Bevor der Alpha wusste, wie ihm geschah rannte der Wächter auch schon durch den Wald. Wie peinlich war das denn?, schoss es ihm durch den Kopf. Zu mehr kam er aber nicht. Schon wurde er in einen kleinen See geworfen. Prustend tauchte er auf und knurrte wütend.

Vor ihm tauchte Isaak auf und schlang die Arme um seinen Nacken. Jake blinzelte, sie waren beide nackt. Einen Augenblick mahlte er mit den Zähnen und grollte wütend. Aber sein Zorn versiegte rasch. Sie waren alleine und es gab wichtigeres als beleidigt zu sein. Er wusste, dass sie keiner gesehen hatte. Auf so was achtete der Wächter immer, wenn dieser so eine Aktion durchführte. Immerhin wollte Isaak seinen Partner nicht blamieren.

Jake seufzte und zog seinen Freund ebenfalls in die Arme. Solange es keiner mitbekam, hatte er nichts gegen die Eigensinnigkeiten seines Gefährten. Dennoch einen Punkt musst er ansprechen: „Verschwende bitte deine Magie nicht um uns auszuziehen, ok? Das ist echt unnötig. Morgane ist immer noch hinter uns her.“

Isaak blinzelte und versprach: „Ich werde darauf achten, meine Kräfte zu sparen. Nur konnte ich es nicht erwarten deinen Körper an dem meinen zu spüren.“

„Geht mir doch auch so“, brummte Jake und raubte sich einen verlangenden Kuss. Dann grollte er frustriert. Sie hatten schon wieder keine Zeit das hier zu genießen. Also wuschen sie sich schnell den Schmutz ab. Isaak hatte im Vorbeigehen einige Kräuter gepflückt und sie nutzen diese um den üblen Geruch nach Tod und Verwesung loszuwerden.

Vampirparty

Je näher sie dem Haus der Calls kamen, desto nervöser wurden beide Wölfe. Embry hatte leichte Panik vor dem, was auf sie zukam und Kamden spiegelte ihn in seinen Gefühlen. Zudem fühlte sich Kamden unwohl dabei mit der Mutter seines Kleinen zu reden. Was sollte er sagen? Wie sollte er sich verhalten? Wie konnte er Embry stolz machen? Auf keinen Fall wollte er die Gunst dieser Frau verlieren. Er spürte, wie sehr Embry an Tiffany hing. Das konnte er so gut verstehen. Auch seine Mutter hatte ihn allein großgezogen und sie war lange Zeit seine ganze Familie.

„Hm“, brummte Embry auf einmal und drehte sich im Sitz zu ihm um. „Ist das wahr?“

Kamden wusste, dass diese Frage auf seine Gedanken abzielte und sagte: „Ja.“

Bevor sein Kleiner weiter nachfragen konnte, mischte sich Tiffany ein und fragte selbst: „Ist was wahr? Hat Kamden etwas gesagt? Ich habe nichts gehört?“

Ihr Sohn blinzelte und sah zu seiner Mutter. Dann erklärte er: „Nein, er hat nichts gesagt. Er hat aber was gedacht. Wir Wölfe sind geistig miteinander verbunden. Wir können die Gedanken der anderen hören.“

„Ach so. Ich dachte schon, er hätte was gesagt und du hättest es mit deinem besseren Gehör mitbekommen“, sagte sie. „Moment, WAS?“, schrie sie fast schon und verriss das Lenkrad. Sofort reagierte Embry und griff ein. Mit eiserner Kraft zwang er das Auto wieder in die Spur zurück und verhinderte so, dass sie näherer Bekanntschaft mit einem Baum am Straßenrand machten.

„Alles ok bei dir?“, fragte er schnell und blickte besorgt zu seiner Mutter.

Etwas neben sich stehend vergegenwärtigte sie, wo sie sich befanden und sah wieder nach vorne. „Wie hast du das gemacht?“

„Gute Reflexe sind ebenfalls ein Teil von uns, Ma´am“, flötete Kamen von der Rückbank. Er hatte sich bereits auf das Schlimmste vorbereitet und abgeschnallt. Den Sicherheitsgurt hatten die Wölf nur angelegt, um die Frau nicht zu beunruhigen. Nun aber ließ er das Ding wo es hingehörte, in der Bordwand.

Unsicher mahlte er mit den Zähnen. Wenn es zu einem Unfall gekommen wäre: Wen hätte er retten sollen. Embry oder dessen Mom? Sein Freund war noch verletzt, würde ihm aber bestimmt den Arsch aufreißen, wenn er ihn beschützt hätte. Andererseits war es sein Kleiner. Er konnte einfach nicht anders und musste ihn vor sämtlichen Schaden bewahren.

Scharf fuhr Embry ihn mental an und knurrte: „Natürlich meine Mutter, du Esel. Ich bin ein Wolf, wie du. Zudem halt die Klappe. Du verwirrst sie. Warte bis wir aus dem Auto raus sind. Dann kannst du immer noch schleimen.“

Schuldbewusst schlug der Größere den Blick nieder.

„Ach, du weißt, wie es gemeint war“, versuchte der Schwarzhaarige seine Gedanken zu entschärfen.

Mit einem Welpenblick sah sein Freund auf und Embry schmolz dahin. Dann grinste dieser auf einmal und er verstand, dass Kamden ihm nur etwas vorgespielt hatte.

Embry holte Luft, um ihm eine Standpauke zu halten, da fragte seine Mutter: „Redet ihr schon wieder gedanklich?“

Ertappt setzte sich ihr Sohn wieder richtig hin und sagte schnell: „Nein.“

„Hm…“, Tiffany warf dem Mann neben ihr einen prüfenden Blick zu. „Lügner“, sagte sie als ihr die verräterischen Zeichen in seinem Gesicht auffielen. Embry wurde rot und erwiderte nichts mehr.

Tiffany straffte ihre Schultern, atmete ein paar Mal tief durch und lenkte das Auto wieder sicher über die Straße. Dann waren sie auch schon zu Hause und parkten gekonnt neben dem kleinen Haus. Wenig später saßen sie am Tisch der winzigen Küche. Embry hatte sich einen weiteren Stuhl aus dem Wohnzimmer geholt, denn mehr als zwei gab es normalerweise in dem Raum nicht.

Schweigen breitete sich aus und alle drei warteten darauf, dass der andere anfing. Interessiert sah sich Kamden um. Der Raum war zwar klein, aber gemütlich.

Tiffany, die seinen Blick falsch interpretierte, schürzte die Lippen.

Schnell sprang Embry ein und sagte: „Kamden hat mir im Auto gesagt, dass auch er ohne Vater aufgewachsen ist.“

„Tatsächlich?“, fragte die Frau und musterte den jungen Mann vor sich.

„Ja, Ma´am. Meinen Vater habe ich erst gestern kennengelernt und meine Mutter hatte nie einen Freund gehabt.“ Er richtete seinen Blick auf sie und fügte hinzu: „Sie haben eine sehr schöne Wohnung, Ma´am.“

Tiffany runzelte die Stirn und ihr Sohn sagte beschwichtigend: „Er meint es wirklich so. Ich kann seine Gefühle wahrnehmen.“

„Oh“, sagte die Frau und wurde leicht rot. „Wenn das so ist, dann danke ich dir.“ Sie machte eine Geste, die das Haus einbezog und setze nach: „Es ist zwar klein aber unser. Bestimmt nicht zu vergleichen mit eurem Haus.“

„Nein, Ma´am. Wir haben kein Haus oder eine Wohnung. Wir wohnen zur Miete. Mutter hatte nie viel Geld und als Alleinerziehende ist es schwer nebenher noch Geld zu verdienen“, gestand Kamden. Er hatte sich zu der Wahrheit entschieden. Alles andere würde später nur Ärger geben. Auch, wenn er einen guten Eindruck machen wollte, so konnte er sich doch nicht mit fremden Federn schmücken.

„Oh“, Tiffany nickte. „Ihr hattet es wohl auch schwer.“

„Ja, Ma´am“, bestätigte Kamden und knetete unter dem Tisch nervös seine Hände. „Ich habe es meiner Mutter aber auch nicht leicht gemacht.“ Mental drückte Embry seinen Geliebten und schenkte ihm ein liebevolles aber schuld volles Lächeln. „Ich war auch nicht gerade ein Vorzeigesohn”, dachte er.

Die Frau runzelte die Stirn und fragte: „Billy hat euch nicht geholfen?“

„Meine Mutter hatte mir lange Zeit nicht verraten, wer mein Vater ist. Billy hat sich auch nie bei uns blicken lassen. Mittlerweile weiß ich, dass er gar nichts von mir wusste. Billy war verheiratet und Mom wollte nicht, dass seine Ehe darunter leidet. Hätte ich mich nicht in einen Wolf verwandelt, hätte sie mir wohl nie gesagt, wer mein Vater ist.“

„Das verstehe ich nicht“, meinte Embry. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

Kamden hob den Blick und sah seinem Kleinen in die Augen: „Meine Mutter war vor zwanzig Jahren Teil eines Fernsehteams. Die Moderatoren wollten eine Dokumentation über die Stämme in dieser Region drehen. Es ging um die Legenden und Sitten der Ureinwohner. So lernte meine Mutter Billy kennen. Er sollte als Geschichtenerzähler auftreten.

Kurz nach dem Beginn der Dreharbeiten wurde alles abgeblasen. Und nun ja. Meine Mutter verlor ihren Job und ging in eine Bar, dort traf sie erneut auf Billy. Dieser hatte einen Streit mit seiner Frau und versuchte seine Sorgen in Alkohol zu ertränken. Die beiden kamen sich näher und landeten schließlich im Bett.

Meine Mutter hat mir erzählt, dass es Billy am nächsten Morgen sehr leidgetan hat. Er sagte, er liebe seine Familie und dass es ein gewaltiger Fehler war. Er ließ sie sitzen und kehrte zu seiner Frau und den beiden Babys zurück. Mutter hat nie wieder etwas von ihm gehört oder über ihn gesprochen.

Aber egal. Sie entschied mich alleine aufzuziehen und ich finde, sie hat ihre Sache gut gemacht.“ Er erlaubte sich ein Lächeln. „Dann habe ich mich in einen Wolf verwandelt und Mom bekam das mit. Da erinnerte sie sich an die Legenden der Quileute und sagte mir, wer mein Vater ist. Deshalb bin ich nach La Push gekommen. Den Rest kennt ihr ja.“

Tiffany nickte und sagte: „Von diesen Dreharbeiten habe ich gehört. Selbst bei uns im Dorf wurde darüber gesprochen. Das war bevor ich hierherzog. Die Ältesten der Makah hatten große Hoffnungen auf diese Dokumentation gesetzt. Wir alle sahen das als eine große Chance den Bleichgesichtern unsere Lebensweise zu zeigen und den Tourismus anzukurbeln. Unsere Stämme waren noch nie reich. Wir sind seit jeher mit der Natur verbunden und leben mit ihr im Einklang.“

Vorsichtig fragte Tiffany: „Weiß deine Mutter, dass du schwul bist?“

„Ja“, sagte Kamden und grinste. „Sie hatte es schon sehr früh geahnt und es stört sie nicht. Wobei ich sagen muss, dass ich bi bin.“ Verlegen druckste er ein wenig rum und gestand: „Aber egal, ob ich einen Freund oder eine Freundin hatte, Mom hatte bisher immer etwas gegen meine Wahl. Sie sagte jedes Mal: Du hast etwas Besseres verdient und sie oder er passt nicht zu dir.“

Schnell hob er den Blick. „Sie hatte Recht.“ Er warf Embry einen glühenden Blick zu. „Jetzt habe ich den Richtigen gefunden.“

„Sie hat kein Problem damit, dass du einen Freund hast?“, harkte Tiffany wissbegierig nach.

„Nö. Wir leben doch nicht hinter dem Mond. Schwulsein ist doch was ganz Normales. Ich war echt entsetzt als ich erfuhr, wie mein Vater darüber denkt. Aber was soll man schon von einem solchen Waldmenschen halten.“

Embry sah ihn böse an. Kamden hatte schneller gesprochen als er gedacht hatte und riss nun leicht panisch die Augen auf. Schnell entschuldigte er sich stotternd: „Ich, ich wollte Sie auf keinen Fall beleidigen, Mrs. Call. Bitte verzeihen sie mir meine Worte. Ich…“

Die Frau hob die Hand und unterbrach Kamdens andauerndes Gebrabbel. Dann rümpfte sie die Nase und offenbarte: „Nicht alle von uns sind so strikt dagegen wie der Ältestenrat. Aber welche Wahl haben wir? Wer wünscht sich schon einen schwulen Sohn oder eine lesbische Tochter. Das ist einfach zu stark mit unserem Erbe verflochten.

Es wird wohl noch etliche Jahre dauern, bis sowas bei uns als normal angesehen wird. Wobei…“, sie verstummte und tippte sich nachdenklich an die Schläfe. „Wenn wir jetzt zwei Schwulenpaare haben, welche der Rat nicht einfach verbannen kann, dann müssen sich die Leute wohl oder übel mit dem Thema auseinandersetzen.“

Sie seufzte schwer. „Die Frage ist nur, wie der Stamm darauf reagieren wird. Es wird bestimmt viel Getuschel und Ablehnung geben.“

„Du hast also nichts dagegen, dass ich schwul bin?“, fragte Embry angespannt nach.

Erneut seufzte die Frau und gestand: „Ich weiß es nicht. Das war einfach zu viel für einen Tag. Wenn es nach mir ginge, so wünschte ich mir für dich eine richtige Familie.“

„Aber, mit mir kann er doch eine richtige Familie haben“, empörte sich Kamden.

Scharf wurde er gemusterte und Tiffany tadelte ihn: „Ach ja? Soweit ich weiß, können Männer keine Kinder bekommen. Oder ist das bei euch Wölfen anders?“

„Wir können zwar nicht schwanger werde, aber wir können dennoch Kinder haben“, blieb ihr Gegenüber stur.

„Redest du von Adoption oder einer Leihmutter? Das ist nicht dasselbe“, beharrte Tiffany.

Kamden öffnete den Mund und wollte ihr von dem erzählen, was Jake über Nachkommen gesagt hatte. Aber kein Laut drang aus seiner Kehle. Er versuchte es ein zweites Mal und wieder schaffte er es nicht. Irritiert sah er zu seinem Kleinen. Dieser runzelte die Stirn und sagte: „Darüber dürfen wir wohl nicht reden.“

Mental fügte er hinzu: „Soweit ich weiß, hat Isaak alle, welche von seiner Existenz wissen, mit einem Bann belegt, damit keiner etwas über ihn preisgeben kann. Meine Mutter wurde nicht in dieses Geheimnis eingeweiht. Deshalb kannst du auch nichts sagen.“

Wütend knurrte Kamden und Tiffany zuckte erschreckt zusammen.

„Keine Sorge, Mom. Das galt nicht dir“, schlichtete Embry.

Sie schürzte die Lippen und schimpfte: „Hör auf meinen Sohn anzuknurren.“

Kamden schlug den Blick nieder und murmelte kleinlaut: „Ich habe Embry nicht angeknurrt.“

„Es ging gerade um Isaak. Jakes Freund. Der ist...ähm… etwas speziell in manchen Dingen“, stellte der Schwarzhaarige die Situation richtig.

„Ach so? Warum? Ich verstehe nicht“, sagte sie. Dann ging ihr ein Licht auf: „Auch ihr hört seine Gedanken, oder?“ Sie nickte verstehend. „Das muss echt anstrengend sein.“

„Ist es, aber wenn wir kämpfen, ist das ein gewaltiger Vorteil“, klärte ihr Sohn sie auf. „Egal, zurück zum Thema. Wir können zwar nicht viel sagen, aber es gibt eine Möglichkeit für uns ein Kind zu zeugen. Einen echten Nachkommen von uns beiden. Dieses Argument zieht also nicht.“

„Was? Wie?“

„Ich kann nicht mehr sagen. Nur, dass es möglich ist“, redete Embry geschickt um den heißen Brei. Dieser Bann funktionierte offenbar wie der Befehl des Alphas. Somit gab es einen gewissen Spielraum, den er ausnutzen konnte. Zwar konnte er nichts direkt offenbaren, aber vage Andeutungen machen. Mehr musste seine Mutter auch nicht wissen.

Sie sah ihren Sohn irritiert an und runzelte die Stirn.

„Spricht aus deiner Sicht sonst noch etwas gegen das Schwulsein?“, fragte der Schwarzhaarige schnell nach, um das Thema zu wechseln.

Tiffany seufzte geschlagen: „Habe ich denn eine Wahl? Der Rat hat mir von dieser Prägung erzählt. Billy sagte: Das kann man weder beeinflussen noch lösen. Also habe ich nur die Wahl dich so zu nehmen, wie du bist oder dich zu verstoßen.“

Nervös rutschten beide Wölfe auf ihren Stühlen herum.

Erneut seufzte Tiffany schwer: „Du bist und bleibst mein Sohn. Ich werde dich niemals verstoßen. Aber ich weiß nicht, ob ich damit klarkomme, wenn ihr vor meinen Augen miteinander rum macht. Gib mir bitte etwas Zeit. Das war heute echt zu viel des Guten.“

Embry sprang auf und warf sich seiner Mutter um den Hals. Leise schluchzte er und war froh, dass sie ihn nicht gleich vor die Tür setzte.

„Sch…“, brummte die Frau und strich ihrem Kind sanft und beruhigend über den Rücken.

Kamden mahlte mit den Zähnen und musste sich stark zurückhalten. Er konnte es nicht ertragen seinen Kleinen so aufgelöst zu sehen. Schnell schlug er den Blick nieder und krallte sich an der Tischplatte fest.

Nachdem sich Embry wieder gefangen und gesetzt hatte, erhob der Brünette das Wort: „Ich danke Ihnen, Ma´am. Ich werde mich Ihres Sohnes als würdig erweisen.“

Streng hob sie einen Finger und schimpfte: „Sag nochmal Ma´am zu mir und ich werfe dich aus dem Haus.“

Irritiert schrak Kamden zurück.

Da grinste sie und sagte: „Tiffany.“ Zusätzlich hielt sie ihm die Hand hin.

Der Brünette blinzelte, dann strahlte er und ergriff die angebotene Hand. „Kamden. Danke, Tiffany.“

„Schon besser“, sagte die Frau. „Ma´am. Da komme ich mir wie eine alte Dame vor.“

„Du stehst doch noch in der Blühte deines Lebens“, flötete Kamden ohne Scharm.

Leicht errötete Embrys Mutter und lächelte.

Auf einmal hörten die beiden Wölfe die Stimme ihres Leitwolfes: „Isaak und ich gehen jetzt zu den Cullens. Wer sich uns anschließen will, weiß, wo er uns findet. Wer nicht kommen will, dem wünsche ich noch einen schönen Abend.“

Die beiden sahen sich kurz an. Dann wandte sich Embry an seine Mutter. Vorsichtig fragte er: „Mom, dürfen wir hier duschen?“

„Zusammen?“, stellte sie die Gegenfrage und ihr Blick wurde misstrauisch.

„Nein, einzeln“, versicherte ihr Sohn und wurde rot. Schnell erklärte er: „Wir wollen noch zu der Siegesfeier.“

„Zu den Cullens?“, harkte sie scharf nach. „Was hat es eigentlich mit denen auf sich? Der Rat hat sich diesbezüglich sehr vage ausgedrückt. Ich habe nur verstanden, dass sie Feinde des Stammes sind.“

„Feinde ist etwas übertrieben“, meinte Embry und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Ich glaube, das verschieben wir auf später. Das wird wohl wieder eine längere Geschichte.“

Tiffany nickte und sagte: „Ok, morgen erzählst du mir aber alles, einverstanden?“

„Einverstanden“, schwor Embry und erhob sich.

„Einen Moment“, sagte sie und sah zu Kamden. „Wie alt bist du?“

„19.“

„Also seid ihr beide noch minderjährig“, schlussfolgerte sie und sah von einem zum andern. „Wehe, ihr beide kommt hier total betrunken an. Wenn wir schon mal bei dem Thema sind. Dein Bett ist schon für dich allein zu klein. Ich warne euch. Ich habe gute Ohren und die Wände sind dünn.“

Feuerrot im Gesicht wandte sich Embry ab: „Mom, bitte.“

Kamden grinste schelmisch und sagte: „Vielleicht ist es das Beste, wenn wir die Nacht bei Isaak und Jake schlafen. Ihre… ähm… Bude ist ja nicht weit weg von den Cullens.“

Tiffany machte ein zerknirschtes Gesicht und wandte sich an ihren Sohn: „Sag mir bitte, dass ihr euch schützt.“

„MOM“, maulte dieser und zog seinen Freund auf die Beine. Als er ihn aus der Küche zog, drehte der Brünette noch schnell den Kopf und sagte: „Keine Sorge, ich habe Kondome.“

„Kamden“, schimpfte Embry und sein Gesicht brannte vor Scharm. Für den Spruch bekam sein Gefährte eine Kopfnuss und er sagte schnell: „Ich bin noch Jungfrau und so wie sich mein Freund gerade aufführt, bleibt das auch noch sehr lange so.“

Dann ließ er Kamden los und stürmte gepeinigt in sein Zimmer. Schnell lief ihm Kamden hinterher und bettelte: „War doch nur ein Scherz. Bitte, nicht sauer sein.“

Die Mundwinkel der Frau am Tisch zuckten. Die beiden waren irgendwie schon ein süßes Paar. Sie seufzte. Damit würde sie sich wohl anfreunden müssen.
 

Jake ließ sich von Isaak Huckepack tragen. Wenn es sein Freund auf seinem Rücken in Wolfsgestalt gemütlich machte, dann stand es auch ihm zu, das bei diesem zu machen. Zudem konnte er so am Hals des Wächters knappern. Auch wenn er seinen Partner wohl etwas damit ablenkte. Fast wären sie mit einem Baum kollidiert, nachdem der Alpha zugebissen hatte.

„Wäre es unhöflich einfach die Party zu schwänzen?“, murmelte Jake und leckte über die Wunde, die er seinem Geliebten zugefügt hatte.

„Du bist echt schlimm, Wölfchen“, schimpfte der Rotblonde und seufzte. „Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn kein Wolf die Einladung annehmen würde.“

„Du glaubst, dass keiner kommen wird?“, fragte der Wolfsjunge und ließ von dem Hals ab. Auch er seufzte. „Du hast ja recht. Wenigstens wir sollten den Anstand waren. Vielleicht kommt ja Seth noch hinzu.“

Isaak zuckte mit den Schultern. „Nicht, wenn es nach seiner Mutter geht.“

Unglücklich brummte Jake: „Na dann, auf zu den Blutsaugern. Jay, Party!“

Kurz vor der letzten Baumreihe hielt der Wächter an und sie gingen Händchen haltend nebeneinander weiter. Als sie die Lichtung, auf der das Haus der Blutsauger gebaut war, betraten, staunten sie nicht schlecht.

Alice hatte alle Bäume um das Haus mit leuchtenden Sternen geschmückt - Pastellfarben, gemischt mit dunklen Waldtönen. Zudem stand auf der Wiese ein großer Tisch mit dazu passenden Bänken und Stühlen. Alles war festlich mit vielen Rüschen gepflastert. Neben dem Tisch hatten die Vampire eine Grillstelle aufgebaut und einen großen Schwenkgrill darüber angebracht. Etwas abseits befand sich ein aufgeschichtetes Lagerfeuer, welches wohl für später gedacht war.

Hinzu kamen noch gewaltige Lautsprecher, die auf Ständern angebracht waren und um den Bereich verteilt dastanden. Auch einen Bartresen hatten sie auf die Schnelle im Vorgarten aufgestellt. Auf den Stufen vor dem Haus stand Alice in einem hautengen lachsrosafarbenen Abendkleid und wartete auf die Gäste.

Als die Vampirin sie erblickte hellte sich ihr Gemüht auf und sie sagte: „Leute, sie sind da.“

Emmett stürmte aus dem Haus und sah sich das selbst an. Zu den Beiden gesellten sich auch alle anderen Bewohner. Bella kam in einem hübschen Kleid und einer deprimierten Miene aus dem Haus. Sie hatte wohl schon wieder eine Diskussion bezüglich ihres abendlichen Outfits gegen Alice verloren.

Emmett strahlte und klopfte Jasper auf die Schulter. Dann sagte er: „Die Wette habe ich gewonnen.“

„Abwarten“, meinte sein Bruder. „Ein Wolf ist noch kein Rudel. Isaak ist ein Wächter und zählt nicht. Wenn es mindestens drei Wölfe sind, dann hast du gewonnen.“

Jake rollte mit den Augen und murrte: „Ihr habt gewettet, ob einer von uns kommt?“

Edward berichtigte: „Emmett hat gewettet, dass das Rudel kommen wird.“

Der Wächter runzelte die Stirn und meinte: „Ist es nicht sinnlos gegen eine Seherin zu wetten? Alice hat doch die Party vorhergesehen.“

Stolz trat die zierliche Frau vor und sagte: „Das versuche ich ihnen schon seit langem beizubringen. Aber ich beschwere mich nicht, gegen mich zu wetten ist ein geschenkter Sieg für mich.“

Edward grinste fies und meinte: „Das stimmt aber auch nicht ganz. Du hast gesehen, dass du die Party vorbereitest, nicht das auch jemand kommt.“

Alice reckte den Hals und stolzierte, Edwards Kommentar ignorierend, auf die Besucher zu. „Ich freue mich, euch willkommen zu heißen. Wir alle sind glücklich, dass ihr gekommen seid.“

Im Hintergrund schnaubte Rosalie und sagte: „Ja, welch Freude.“

Jasper runzelte die Stirn und meinte: „Nun ja, eigentlich sind die beiden ja schon fast Dauergäste bei uns. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Isaak diese Plattform hier geparkt hat.“

Wütend blähte Alice die Backen auf und sah zu ihrem Mann. Dieser schluckte und sagte schnell: „Willkommen werte Gäste.“

Emmett und Edward lachten verhalten. Carlisle und Esme grinsten, versuchten aber ihre Würde zu bewahren.

Bella verdrehte die Augen und stürmte los. Sie kam keine vier Schritte weit, da stolperte sie über ihre eigenen Füße und ihr Schatten bewahrte sie vor einem peinlichen Sturz.

„Diese verflixten Pumps“, murmelte sie grummelnd, was natürlich alle Anwesenden mit ihren übernatürlichen Sinnen hörten.

Die beiden Besucher gingen auf die anderen zu und Jake wandte sich entschuldigend an Alice: „Ich danke dir für all die Mühen, aber ich bezweifle, dass außer uns beiden noch einer aus dem Rudel kommen wird.“

„Der Abend ist ja noch jung“, meinte sie und scheuchte Emmett zum Grill. Jasper nahm die Position des Barkeepers ein und aus den Lautsprechern erklang leichte Klaviermusik.

Jake kam sich total dämlich vor. Das alles hatten sie nur für ihn und Isaak aufgebaut. Er seufzte und ging an die Bar. Etwas verunsichert sah er Jasper an.

Dieser lächelte schwach und fragte mit seiner samtenen Stimme: „Nur keine Scheu. Was darfs sein?“

„Einen Pina Colada, bitte“, orderte Jake und bekam einen leichten Rotschimmer auf die Wangen. Die lustigen und weniger lustigen Erinnerungen an ihren Abend in New York schossen ihm durch den Kopf.

Isaak neben ihm sah in die Runde. Die Vampire würden weder etwas trinken noch essen können. Das empfand er als nicht richtig. Er warf einen Seitenblick zu seinem Freund und dieser nickte zustimmend. Mit einem Lächeln im Gesicht ging Isaak hinter die Theke. Jasper starrte den Wächter irritiert an, machte aber umstandslos Platz.

Dann begann der Rotblonde zu werkeln. Er besah sich die Auslage an Alkohol und zog eine echt teuer aussehende Sektflasche zu sich. Es war eine extragroße, fast schon gigantische Flasche. Groß genug um zehn Gläser zu füllen und immer noch mehr als die Hälfte an Inhalt zu haben.

Alle hatten den Mann bei seinem Vorhaben beobachtet und die Vampire, mit Ausnahme von Carlisle und Edward, zischten als er sich in den Zeigefinger biss und Blut zum Vorschein kam.

„Das hast du ihnen offenbar nicht erzählt, Edward“, schmunzelte Isaak und ließ in sieben der Gläser je einen Tropfen fallen. Zudem murmele er die nötigen Zauber.

Edward, Bella und Jake grinsten breit. Carlisle trat interessiert vor, alle anderen wichen fauchend und mit schwarzen Augen zurück. Der Alpha zeigte erbarmen und sagte: „Beruhigt euch. Ihr könnt frei atmen. Isaaks Blut hat keine Wirkung auf euch. Aber ein Tropfen in Kombination mit seiner Magie ersetzt eine Mahlzeit. Zwei Tropfen oder einer ohne Magie ist für euch tödlich.“

„Als kleiner Dank“, sagte der Wächter und stellte die Gläser auf der Auslage ab. Die drei ohne Blut hatte er gesondert gestellt. Als wäre es das Normalste der Welt ging er um den Tisch herum. Er und Jake nahmen sich je einen Sekt und hoben den Blick. Edward und Bella kamen zu ihnen und nahmen sich ihre Gläser.

Der Vampir drehte sich zu seinen Leuten um und sagte: „Absolut ungefährlich und zudem auch noch köstlich. Glaubt mir.“

Demonstrativ nahm er einen Schluck und stöhnte genießerisch auf.

Das reichte aus und die anderen schlichen näher heran. Als erstes nahm sich der Arzt einen Sekt und roch daran. „Ich kann kein Blut riechen, erstaunlich.“

Isaak hob sein Glas und alle die ebenfalls eines hatten, taten es ihm gleich. Schnell nahm sich auch der Rest eines.

„Auf ein neues Zeitalter und den Beginn einer ewigen Freundschaft“, sagte der Wächter.

„Hört, hört“, warf Emmett ein.

Anschließend tranken alle einen Schluck. Vor Überraschung rissen alle Vampire, außer Edward, die Augen auf und seufzten genießerisch. Wie lange war es nun schon her, dass sie ein solches normales Getränk genießen konnten.

Schnell warf Edward ein: „Trinkt langsam. Mehr als ein Tropfen Wächterblut alle paar Tage würde uns vergiften.“

Für Emmett kam dieser Einwand zu spät und er starrte traurig auf sein leeres Glas.

Isaak rollte mit den Augen und griff nach der Sektflasche. Leise murmelte er einen Zauber und schenkte dem Breitschultrigen nach.

„Durch meine Magie wird es euch schmecken, aber nicht wie die vorherigen Gläser nähren“, warnte er. „Da ich keine Lust habe andauernd zu zaubern, habe ich gleich die ganze Flasche modifiziert. Also lasst es euch schmecken.“

Isaaks kleines Zauberkunststück war der Stimmungslockerer. Alle nippten ehrfürchtig an ihren Gläsern und achteten peinlichst genau darauf, dass keiner sich mehr nahm als ihm zustand.

Die drei Nicht-Vampire amüsierten sich köstlich als eine Rauferei um das letzte Glas ausbrach. Am Ende setzte sich der Hausherr durch und drückte Esme den Sekt in die Hände. Keiner wagte es sich gegen die Frau zu erheben und so nickten sie ihr nur gutmütig zu.

Dann hob Isaak den Kopf und strahlte. Auch der Alpha hatte es gespürt. Mehrere Wölfe näherten sich ihnen. Sie sahen zum Waldrand und warteten. Ihre Gastgeber hatten die Neuankömmlinge ebenfalls bemerkt und Alice scheute alle auf ihre Posten zurück. Dann zupfte sie mal hier mal da an der Tischdecke und achtete peinlichst genau darauf, dass auch alles auf dem Tisch exakt dastand, wo es ihrer Meinung nach hingehörte. Akribisch und auf den Millimeter genau prüfte sie das Besteck und wirkte dabei sehr glücklich. Das war ihre Welt.

Langsam und vorsichtig schlichen mehrere Gestalten aus dem Wald und sahen sich wachsam um. Dann hüpfte einer von ihnen vor und auf Edward zu. Es war Seth, dessen Rücken stehts von seiner großen Schwester abgeschirmt wurde. Beide wagten sich näher ran, auch wenn die Wölfin misstrauisch alle Blutsauger im Auge behielt.

Ihnen folgten Embry und Kamden, händchenhaltend. Auch Jared hatte sich der Bande angeschlossen, hielt sich aber bedeckt.

Isaak schmunzelte und gesellte sich zu Emmett an den Grill. „Lass mich das machen, Emmett. Ihr müsst nicht für uns kochen. Ganz ehrlich, ihr könntet das Essen ja auch nicht kosten.“

Der Vampir legte die Arme hinter den Kopf und trollte sich glücklich, dieser lästigen Aufgabe entkommen zu sein. Den erbosten Blick seiner filigranen Schwester ignorierte er gekonnt. Seiner Meinung nach konnte Alice sagen was sie wollte, der Rotblonde hatte recht. Vampire konnten normales Essen nicht abschmecken. Für sie war alles außer Blut eklig.

Nachdem sich der Wächter einen Überblick verschafft hatte, rannte er ins Haus und besorgte sich weitere Gewürze. Auch wenn die Blutsauger nichts aßen, hatten sie zum Schein eine hochmoderne und vollständig ausgerüstete Küche. Zudem hatten sie für Bella Gewürze und Vorräte aufgestockt. An Gastlichkeit mangelte es ihnen jedenfalls nicht.

Alles, was er wollte, fand Isaak allerdings nicht und so machte er einen kurzen Abstecher in den Wald. Nachdem er dann das Essen neu gewürzt hatte, warf er es auf den Rost und schmunzelte als alle Wölfe die Köpfe reckten.

Auch wenn sich Alice Mühe gab die Stimmung aufzulockern und jedem aus dem Rudel ein Glas Sekt, aus einer anderen, aber nicht minderwertigeren, Flasche reichte, blieben die Gruppen unter sich. Auf der einen Seite standen die Wölfe, auf der anderen der Zirkel. Nur Seth und Jake trauten sich zwischen beiden Gruppen zu wechseln. Beide Fraktionen waren vorsichtig und versuchten hastige Bewegungen zu vermeiden.

Während das Essen vor sich hin brutzelte, schlich sich Isaak davon. Er begab sich zur Aufstiegsplattform. Als er sich dieser näherte, erschien sie aus eigenem Antrieb. Mitten auf der Scheibe lag der bewusstlose Werwolf. Isaak teleportierte mit ihm zum zoologischen Forschungsinstitut und verfrachtete den Gefangenen in ein passendes Forschungsareal. Schnell gab er Befehle in die Konsole ein und die Drohnen gestalteten den weitläufigen Bereich für ihren Gast. Hier konnte der Werwolf erstmal bleiben. Die Wände waren verstärkt und Magieabweisend. Egal, was Morgana mit dem Mann angestellt hatte, hier war er sicher aufgehoben.

Er richtete eine ständige Überwachung ein und befahl eine vollständige Untersuchung, inklusive DNA-Analyse. Später würde er die Daten auswerten und entscheiden, ob der Werwolf noch zu retten war. Dann begab er sich in den Speisesaal und erstellte eine Auswahl von Nahrungswürfeln. Er nahm sich sogar die Zeit das System umzuprogrammieren und auf die Bedürfnisse der Vampire anzupassen. Für diese erstellte er eine eigene Platte mit blutroten leicht durchsichtigen Würfeln.

Zufrieden mit seinem Werk kehrte er mit den schwebenden Platten zurück zu den Cullens. Dort angekommen ließ er seine Mitbringsel neben den Esstisch fliegen. Dass die Platten nicht durch Magie levitierten, wussten nur er und sein Partner. Alle starrten auf die beiden silbernen Scheiben und beäugten misstrauisch die Würfel. Jene, welche schon über das Essen der Wächter Bescheid wussten, stöhnten verhalten auf und rollten mit den Augen.

Isaak erklärte für die übrigen: „Das sind Nahrungswürfel. Wir Wächter erstellen diese aus einem Nährkonzentrat, das aus Algen gewonnen wird. Normalerweise wird das Essen auf die Person abgestimmt, aber ich habe mir erlaubt diese Würfel ein wenig anzupassen. Der rechte Teller ist für die Meschen, der Linke für die Vampire. Keine Sorge, ihr werdet alles vertragen.“ Er wandte sich an den Zirkel: „Da ihr bereits gesättigt seid, habe ich den Nährwert für euch herabgesetzt. Das Essen ist auf eure spezielle vegetarische Ernährung angepasst.“

Seth und Edward traten vor und jeder nahm sich einen Würfel. Beide rochen daran zuckten synchron mit den Schultern und bissen ein Stück ab. Wie Zwillinge rissen beide die Augen und stöhnten freudig überrascht. Dann endete ihre Gemeinsamkeit.

Seth sprang aufgeregt zu seiner Schwester und schob ihr einfach ein Stück in den Mund. „Probier mal“, schnattert er. Leah ergab sich ihrem Schicksal und schmeckte. Verhalten stöhnte auch sie wollig auf.

Währenddessen ermutigte Edward seine Familie die blutroten Würfel zu versuchen. Zur Überraschung aller war es Rosalie, welche als erste einen Bissen versuchte. Sie drehte sich um und sagte: „Schmeckt eklig.“ Wobei sie hinter dem Rücken einige weiter Würfel mopste.

Ihre Familie durchschaute ihre Intrige und alle versuchten ihr Glück. Ebenso wie auch die Wölfe.

Am Grill stand Jake und grinste in sich hinein. Mal wieder ein geschickter Schachzug seines Freundes. Das würde die Stimmung lockern. Isaak gesellte sich zu ihm und er raubte sich schnell eine Kuss. „Das hast du gut gemacht.“

Dann wurde er erst und ging zu mental über: „Was hast du mit dem Werwolf vor?“

„Ihn retten. Er ist wichtig für die Zukunft“, antwortet der Wächter in ihrer eigenen Verbindung.

Der Alpha zuckte mit den Schultern, sowas in der Art hatte er schon erwartet. Anschließend kümmerten sie sich gemeinsam um das Essen, während sich die Wölfe über die Würfel hermachten und kleine Kämpfe entstanden.

Nachdem das Grillgut fertig war und der Tisch unter der Last der Speisen ächzte, hörten sie ein Auto auf sie zukommen. Irritiert runzelte Jake die Stirn und sprang schnell auf. Er kannte dieses Geräusch. Wenn er sich nicht allzu sehr täuschte, handelte es sich hierbei um das alte Vehikel seines Vaters.

Tatsächlich, genau dieses tauchte auch plötzlich auf. Aber es war nicht Billy am Steuer, nein, es war Paul. Zudem saß Rachel neben ihm. Das waren aber noch nicht alle Insassen. Mit offenem Mund starrte er auf Sam und Emily, welche ebenfalls ausstiegen, nachdem sie geparkt hatten. Um seine Verwirrung noch zu komplettieren, schlich nun auch der Rest des Rudels aus dem Wald.

Sams Rudel versammelte sich hinter ihm und gemeinsam traten sie vor.

„Ihr hier?“, stammelte Jake, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Seine Schwester hob einen Finger und tadelte: „Hast wohl vergessen mich einzuladen. Und sowas nennt sich Bruder. Hätte Paul mir nicht erzählt was los ist, säße ich immer noch zu Hause mit dem alten Griesgram.“

Dann sah der Leitwolf zu Sam, dieser zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich habe dir und Isaak viel zu verdanken. Ich und mein Rudel stehen hinter dir. Deshalb sind wir hier. Die Rudel müssen doch zusammenhalten und ihrem „wahren Alpha“ folgen.“

Er sah wie sich die Miene des jüngsten Black verfinsterte und hob abwehrend die Hände: „Keine Sorge, alle sind freiwillig hier. Ich habe nur gesagt, dass Emily und ich zu euch gehen, da sind die anderen mir einfach gefolgt.“

„Rudeldynamik“, schmunzelte Isaak und freute sich fast so sehr wie Alice über ihr kommen. Die Vampirfrau sprang wie ein hyperaktives Eichhörnchen hin und her und gab Anweisungen an ihre Familie die Gäste zu bewirten.

Die Party wurde ein voller Erfolg. Nachdem die Wölfe alles Essbare vernichtet hatten, wobei Sam und Paul darauf achteten, dass ihre Partnerinnen genug abbekamen, wurde das Lagerfeuer entzündet und alle sammelten sich darum. Einige der Quileute stimmten, ein wenig angeheitert vom Alkohol, eines ihrer Lieder an und tanzten ausgelassen in wirren Kreisen.

Edward hatte sich erlaubt die Musik an die Ureinwohner anzupassen. Nach einer Weile schnappte sich Seth den Blutsauger und zog ihn mit in den Kreis. Einen Moment warfen alle Wölfe böse Blicke zu dem Eindringling in ihrer Mitte, dann zuckten sie mit den Schultern und tanzten einfach weiter.

Edward stand einen Augenblick etwas verloren da. Dann ahmte er die Bewegungen der anderen perfekt nach. Nun schlossen sich auch Alice und Jasper der Gruppe an. Auch Emmett wollte mitmachen, wurde aber von Rose in einen eigenen Tanz verwickelt.

Etwas abseits standen Carlisle und Esme und strahlten überglücklich über die Entwicklung des Abends. Auch Bella hatte sich abgesetzt, diese Bewegungen waren absolut nichts für sie. Wenn sie allein schon daran dachte, wie viele Verletzungen sie sich dabei zuziehen konnte.

Jake tanzte eine Weile mit seinem Stamm und zog auch Isaak mit in die Meute. Der einzige Wolf, der sich bedeckt hielt, war Kamden. Er kannte so etwas nicht und er hatte auch keine gesteigerte Lust da mitzumachen. Als sein Kleiner ihn allerdings zu sich rief, sprang er todesmutig in die Gruppe und gab sein bestes um seinen Partner glücklich zu machen.

Emily, Leah und Rachel tanzten, ganz nach ihren Sitten, einen eigenen Tanz, der für die Frauen vorgesehen war. Nachdem einer Alice darauf hingewiesen hatte, dass sie in der falschen Gruppe war, gesellte sie sich zu den drei Frauen und passte sich deren Bewegungen an. Wachsam behielten Sam und Paul ihre Gefährtinnen im Auge, man konnte ja nie wissen.

Rudel 2.0

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Rallige Wölfe

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Das erste Mal

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Einkaufen in Forks

Isaak war schon länger wach und hatte ein Display vor sich erscheinen lassen. Mit einem Arm, mehr hatte er wegen Jakes besitzergreifender Umarmung nicht zur Verfügung, arbeitete er sich durch die Daten des gefangenen Werwolfes. Nachdem er bemerkte, dass sein Gefährte sich regte, ließ er von seinem Studium ab und die Konsole verschwand.

Als Jake erwachte, hatte er noch immer seinen Freund fest umschlungen. Das gefiel dem Leitwolf. So wollte er jeden Morgen aufwachen. Dass er Isaak seine Morgenlatte gegen den Hintern presste, störte ihn kein bisschen mehr. Ein herzhaftes Gähnen entfuhr ihm. Zum Aufstehen war er noch zu müde und so kuschelte er noch ein wenig.

„Guten Morgen, Wölfchen“, säuselte Isaak munter und erntete ein undefinierbares Grummeln. Ohne seinen Morgenkaffee war der Alpha nicht zu gebrauchen. Heute hatten sie nichts Wichtiges vor, soweit er wusste und so konnten sie diesen Tag ausnahmsweise mal in Ruhe angehen.

Der Rotblonde lachte und kuschelte sich an seinen Freund. Dabei bewegte er ein wenig das Becken und Jake grollte erregt auf.

„Oh, ich hätte nichts gegen eine zweite Runde“, meinte Isaak und drückte sich gegen den harten Schwanz seines Geliebten. Als er dann aber zwischen sie griff und das Glied zu seinem Eingang dirigierte, stoppte der Leitwolf ihn und knurrte: „Nicht ohne Gleitgel. Ich will dir keine Schmerzen bereiten.“

Isaak hob den Kopf und mit einem Schwenk seiner Hand kam die Tube vom Schreibtisch zu ihnen geflogen. „Hm…“, brummte der Wächter unwillig, weil nichts mehr drin war.

„Tja“, schnaubte Jake und schnippte das leere Ding vom Bett. „Habe gestern wohl alles verbraucht.“ Insgemein war er aber froh. Immerhin hatte er noch keine Zeit gehabt in Ruhe über ihr erstes Mal nachzudenken und wollte es langsam angehen lassen.

Sein Freund seufzte und kuschelte sich wieder an ihn. „Wo bekommt man so etwas?“

„Woher soll ich das denn wissen?“, stellte der Leitwolf die Gegenfrage.

„Da muss ich wohl Kamden fragen. Wenn das deine Bedingung ist, dann möchte ich einen Vorrat davon haben. Leider habe ich keinen Zugang zur Zitadelle, sonst könnte ich es dort synthetisieren.“

Die Zitadelle! Da war ja noch was. Jake knurrte verstimmt und seine Lust war dahin. Er musste wohl den Rat erneut zusammentrommeln. Sie sollten erfahren, was auf die Quileute zukam. In dem ganzen Durcheinander hatte er noch keinen Bericht erstattet und erklärt, was sie vorhatten.

Aber eins nach dem anderen. Immer noch schläfrig forderte er: „Kaffee.“

„Wenn du mich loslässt, hole ich dir welchen“, bot sein Freund an. Allerdings hatte der Wolfsjunge nicht vor ihn gehen zu lassen. Er verstärkte seinen Klammergriff sogar und sagte: „Du gehst nirgendwo hin. Du bleibst schön bei mir.“

Der Wächter schmunzelte und begann den Arm seines Partners zu streicheln. Auch dieser war nicht untätig und fuhr mit den Fingern über Isaaks Brust und Bauch. So verbrachten sie noch eine halbe Stunde, bis der Ruf der Natur Jake aus dem Bett trieb. Als er aus dem Bad kam, fand er das Zimmer leer vor, aber damit hatte er schon gerechnet. Halbwach zog er sich an und schlurfte in Richtung Küche. Am liebsten wäre er nackt rumgelaufen, aber Bella und ihr Blutsauger schwirrten hier noch irgendwo herum.

Wären es nur Kamden und Embry gewesen, dann hätte er nichts angezogen. Im Rudel war sowas ja schließlich normal. Sie hörten die Gedanken der anderen, was sollte man also noch zu verstecken haben. Wobei er es nicht zulassen würde, dass Isaak nackt rumlief. Nicht mal seinem Rudel würde er es gestatten ihn so zu sehen.

„Ich weiß nicht, ob das gut ist, wenn du bei mir eine Ausnahme machst. Zudem bin ich eigenständig, du kannst das nicht einfach für mich bestimmen“, tadelte Isaak als Jake den Speisesaal betrat.

Der Leitwolf grollte und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Augenblicklich stand ein Kaffee vor ihm und er schnappte sich das Getränk. Schnell leerte er seine Tasse und bat seinen Partner um einen zweiten.

Erst nach diesem war er bereit zu reden. „Ich bin der Alpha und bestimme das einfach, basta.“

„Ich bin nur zum Schein Mitglied deines Rudels“, mahnte der Wächter und ließ sich ihm gegenüber nieder.

„Um so besser. Dann gibt’s auch nichts zu diskutieren“, meinte der Wolfsjunge und grinste fies.

„Hey, ich bin immer noch eine eigenständige Person“, maulte sein Freund.

„Du bist mein für immer, das waren deine Worte“, hielt Jake dagegen.

„Ja, aber doch nicht so.“

Der Leitwolf zuckte mit den Schultern und flötete: „Tja, dann drück dich nächstes Mal genauer aus. Ich will ja nicht so sein. Mach was du willst. Aber bedenke, dass ich jedem die Augen auskratze, der dich nackt gesehen hat.“

Isaak seufzte und gab auf. In dem Punkt war sein Geliebter einfach stur und zudem war er sich sicher, dass dieser seine Drohung wahr machen würde. Er hatte ohnehin nicht wirklich vorgehabt nackt rumzulaufen. Sowas wurde allgemein als unhöflich angesehen.

Jake grinste noch breiter. Diese Diskussion hatte er eindeutig gewonnen. Bevor einer der beiden aber noch etwas sagen konnte öffnete sich die Tür und Embry kam herein. Hinter ihm folgte sein Zombiefreund. Mit halb geöffneten Augen schnupperte Kamden und forderte: „Kaffee!“

Der Wächter schmunzelte: „Das liegt wohl in der Familie.“ Dann stand er auf und versorgte alle Wölfe mit dem benötigten Muntermacher. Bevor er sich allerdings wieder auf seinen Platz setzen konnte, schnappte Jake ihn und zog ihn auf seinen Schoss. Besitzergreifend schlag er die Arme um ihn und knurrte leise: „Meins.“

Isaak verdrehte die Augen, machte es sich bequem und blieb wo er war. Ein winziges bisschen gefiel es ihm, wie sein Freund heute drauf war. Insgeheim fragte er sich aber, ob sein Gefährte mit dem Echo leben konnte.

Nachdem Jakes Bruder drei Tassen intus hatte und seine Augen komplett offen waren, wandte sich Isaak an ihn: „Kamden, ich wollte mich für deine Hilfe bedanken. Ich stehe in deiner Schuld.“ Er deutete eine Verbeugung an und fügte hinzu: „Wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, musst du es mir nur sagen.“

Auf dem Gesicht des Brünetten zeigte sich ein schmutziges Grinsen und er wandte sich an seinen Bruder: „Du lässt wirklich nichts anbrennen, wie?“

Der Alpha zog es vor diese unverschämte Frage einfach zu ignorieren. Stattdessen sagte er einfach nur: „Danke nochmal, Bruder.“

Dieser wandte sich an den Rotblonden und flötete: „Oh, da fällt mir so einiges ein, was ich gerne hätte.“ Er räusperte sich und legte los: „Kannst du meinen und Embrys Körper ebenfalls modifizieren?“

„Leider nein. Experimente an Menschen sind verboten. Zudem bisher jeder Versuch scheiterte“, lehnte der Wächter höflich ab.

Aber noch gab Kamden nicht auf und fragte: „Embry sagte mir, dass alle Testsubjekte gestorben sind. Aber hast du es mal mit einem Gestaltwandler versucht? Wie du weißt, sind wir weit widerstandsfähiger und zudem unsterblich.“

Nachdenklich kratzte sich Isaak am Kopf. „Hm…“, brummte er. An diesen Aspekt hatte er wirklich nicht gedacht. Die Experimente lagen weit vor seiner Geburt. Damals gab es weder Vampire, Werwölfe noch Gestaltwandler. Mit den regenerativen Kräften der Wölfe könnte es theoretisch möglich sein. Zumindest würde das einen neuen Ansatz bedeuten. Dennoch schüttelte er den Kopf und sage: „Auch unter Berücksichtigung eurer Kräfte unterliege ich einem magischen Verbot. Selbst wenn ich wollte, könnte ich deinen Wunsch nicht erfüllen.“

Kamden nickte und ließ sich in keinster Weise entmutigen. Seine Liste beinhaltete mehr als diesen einen Punkt. „Ok, wie wäre es dann mit einer kleinen Finanzspritze? Mit den paar Kröten, welche ich angespart habe, kann ich meinem Kleinen nicht das bieten, was er verdient hat.“

Schlitzohr, dachte Embry. Aber er hatte nicht vor sich als Druckmittel einsetzen zu lassen und machte seinem Partner einen Strich durch die Rechnung: „Geld macht nicht glücklich und wir haben auch so alles, was wir zum Leben brauchen. Ich kann uns ein Haus bauen, wenn du das willst. Zudem der Wald und das Meer dem Stamm schon seit Generationen Nahrung liefert. Wir Quileute leben im Einklang mit der Natur.“

Der Brünette blinzelte und sein Lächeln bröckelte ein wenig. Er hatte nicht erwartet, dass sein Gefährte sich gegen ihn stellen würde. Dann musste er also erst diesen überzeugen. Schnell sah er seinen Kleinen tief in die Augen und fragte:

„Ok, ja. Wir sind stark und haben ewig Zeit, somit könnten wir uns selbst ein Haus bauen, aber wo bekommen wir all die Dinge her, die wir nicht aus Holz und Stein fertigen können? Wäre es nicht auch schön ein wenig Kohle für schlechte Zeiten zu haben? Zumal wir Wölfe sind und ich schon jetzt weiß wie teuer es ist, andauernd neue Klamotten zu kaufen. Von den riesigen Massen an Essen will ich gar nicht erst anfangen.

Ist es denn wirklich verwerflich, wenn ich meinem Freund mehr als einen klapprigen Schuppen bieten möchte. Ich finde sowieso, dass der Stamm uns unterstützen sollte. Wir sind ihre Soldaten und Beschützer, die jede Nacht ein gewaltiges Gebiet patrouillieren und dafür sorgen, dass sie ruhig schlafen können. Aber der Stamm hat bestimmt nicht so viel Kohle übrig, uns für unsere Arbeit zu entlohnen.”

Dann deutete Kamden mitten in seinem Monolog auf den Wächter. “Isaak hingegen hat das Geld und will es loswerden. Das käme dann doch allen zugute, oder? Der Stamm ist sicher und braucht keine schlaflosen Nächte zu fürchten, weil seine Wölfe ausgehungert im Wald nach Tieren jagen müssen, um sich zu ernähren.

Was ist mit unserer Bildung? Wir können ja nicht studieren gehen oder eine Ausbildung machen, weil wir die Leute beschützen müssen. Dann sollten wir uns doch auch mal etwas gönnen dürfen.

Denk auch an unsere Mütter. Wäre es nicht schön ihnen für alles, was sie für uns getan haben, danken zu können. Sie würde sich bestimmt über etwas Luxus freuen. Sie haben doch schon genug geschuftet für uns, oder?“

Er hatte seinen kleinen Prinz am Wickel, das wusste er. Schnell setzte er eine betrübte Miene auf und unterdrückte ein freudiges Grinsen.

Embry gab nach und senkte den Blick. „So betrachtet wäre es schon schön keine Geldsorgen zu haben.“

Begeistert von dieser Idee meinte der Rotblonde: „Ich würde gerne helfen. Geld ist mir nicht wichtig. So erfüllt es wenigstens einen guten Zweck.“

Plötzlich räusperte sich Jake und knurrte: „Abgelehnt.“

Alle sahen den Leitwolf an und sein Bruder fragte gereizt: „Wieso?“

„Oh, die Idee dem Rudel eine Finanzspritze für seine Dienste zu verpassen finde ich klasse. Darüber werde ich in Ruhe nachdenken. Aber ich verwalte das Geld meines Freundes und werde keinem gestatten, sich an meinen Gefährten zu bereichern. Ich habe dir bereits zugestanden ein paar Einkäufe zu bezahlen. Dagegen habe ich nichts. Bring mir eine Liste mit Dingen, welche du benötigst, dann reden wir darüber. Bargeld wirst du aber keines von mir bekommen.“

Jake dachte kurz nach und fügte hinzu: „Wie wäre es mit Gutscheinen zum Einkaufen oder Essengehen. Damit könnt ihr euren Müttern sicher eine Freude bereiten. Ich bin bereit für diesen Zweck ein wenig springen zu lassen. Hm, sagen wir 1.000$ pro Nase sollten fürs erste reichen. Das müsste deine Hilfe mehr als wett machen. Zudem werde ich mir überlegen ein Konto einzurichten, um Dinge wie Miete und andere Lebenshaltungskosten, wie Essen und Kleidung, zu übernehmen. Das sollte die Familien der Wölfe angemessen entlasten.“

Nachdenklich wandte sich Jake an seinen Liebsten: „Wie wäre es, wenn wir in La Push einige Häuser bauen lassen. Das Rudel könnte dann diese beziehen und wir hätten die volle Kontrolle über die Kosten.“

Isaak strahlte und nickte: „Ich wusste doch, dass es eine gute Idee war dir mein Geld anzuvertrauen. Alle deine Vorschläge gefallen mir. Auch wenn du meine Zustimmung nicht benötigst. Ich vertraue dir ganz und gar.“

„Gut“, meinte Jake zufrieden und raubte sich einen schnellen Kuss. „Ich werde später mit John reden. Der hat bestimmt Erfahrungen mit sowas. Wenn nicht fragen wir einfach die Finanzabteilung, dafür ist sie ja da.“

„Finanzabteilung?“, fragte Embry. „Ähm, ich verstehe nicht.“

Isaak sah zu dem Kleinsten und sagte leichthin: „Ach, ich verstehe das auch nicht so richtig. John kümmert sich um meinen Besitz. Er hat einige Firmen gegründet, um mein Geld zu verwalten.“

„Moment mal“, sagte Embry. „Ich dachte, das war ein Scherz mit dem Geld. Bist du wirklich so reich?“

Jake lachte und meinte: „Reich? Ich sagte doch schon: Isaak ist der reichste Mann auf der Welt. John hat ihm die Mona Lisa gekauft und als der Louvre sie nicht rausrücken wollte, hat er versucht das ganze Museum zu kaufen. Alles nur weil mein Freund keine Ahnung von Finanzen hat. Er hat ihm einfach eine Liste in die Hand gedrückt und gesagt: Nimm 10% des Gewinns und kauf mir das.“

Dann wurde er wieder ernst und sah zu seinem Geliebten: „Wir müssen uns auch mal über deine Artefakte unterhalten. Wenn du einfach solche Dinge kaufst, hat das doch Auswirkungen auf die Welt, oder nicht?“

Isaak ging kurz in sich und analysierte diese Aussage genauestens. Entsetzt gestand er: „Du hast recht. Verdammt noch eins. Das muss ich auch in Ordnung bringen.“

„Wie wäre es, wenn wir die Originale einlagern und durch Kopien ersetzen. Dann hättest du deine Sachen und die Welt gerät nicht aus den Fugen“, schlug der Leitwolf vor.

„Gute Idee. Am besten ich überlasse dir das. Du hast ein besseres Händchen für solche Dinge.“

Kamden mahlte mit den Zähnen und sah den beiden kurz zu. Auf seinen Bruder musste er aufpassen, der hatte ihm gerade seinen Plan zu Nichte gemacht. Dabei war dieser aber auch so geschickt vorgegangen, dass er sich nicht beschweren konnte. Alle seine Argumente wurden entkräftet.

Er seufzte, setzte ein Lächeln auf und ging zu seinem nächsten Punkt über: „Ok, wie wäre es dann mit einem Zauber?“

Der Wächter öffnete den Mund, aber Jake knurrte: „Abgelehnt. Jeder Zauber kostet Isaak Magie und wir haben immer noch Morgan le Fay im Nacken. Erinnere dich mal an die Werwölfe gestern. Die waren keine harmlosen Kuscheltiere. Solange wir diese elendige Magiern nicht los sind, bin ich strickt gegen Magieverschwendung. Wir brauchen seine volle Kraft, um uns zur Wehr zu setzen.“

Sein Bruder ließ den Kopf hängen, damit keiner sah wie enttäuscht er war. Diesmal musste er aber einsehen, dass die Argumente hieb- und stichfest waren. Frustriert gab er auf. Er musste allein mit Isaak reden. Gegen seinen Bruder kam er im Moment nicht an.

Kleinlaut sagte er: „Ich werde mir etwas anderes überlegen.“

Dann fragte Isaak: „Ach ja. Kannst du mir bitte sagen, wo wir mehr Gleitgel herbekommen?“

Kamden runzelte die Stirn und sah auf. Jake war knallrot und sah schnell weg. „Ähm, die Tube sollte doch noch eine Weile reichen.“ Irritiert sah er, dass sein Bruder seinem Blick auswich. „Hast du etwa die ganze Tube verwendet? Alter, die hätte locker für 30-mal reichen sollen. Oder habt ihr es wie die Karnickel die ganze Nacht hindurch getrieben?“

Kleinlaut stammelte der Leitwolf: „Du sagtest doch: Mehr ist besser als zu wenig.“

Mit offenem Mund starrte Kamden die beiden an. „Unglaublich“, brachte er hervor und schüttelte den Kopf. „Hat es wenigstens geholfen?“

Jake druckste herum und war nicht bereit eine Antwort zu geben. Aber sein Partner lächelte und sagte einfach: „Ja. Deshalb brauchen wir mehr davon. Also, wo bekommen wir das?“

„In jeden größeren Gemischtwarenladen. Aber ich empfehle einen Sexshop. Die sind zwar teurer aber die Auswahl ist größer und es gibt spezielle Mischungen.“

Nachdenklich nickte der Rotblonde und fragte: „Kennst du dich da aus?“

Kamden zuckte mit den Schultern. „Einigermaßen. Die speziellen Mischungen sind schon nicht gerade billig. Man sollte aber auf verschieden Dinge achten. Gleitmittel auf Wasserbasis erleichtert es die Sauerei danach besser los zu werden, halten aber nicht allzu lange, weil sie in die Haut einziehen. Von Ölen solltet ihr die Finger lassen. Die gehen nur mit Seife ab und greifen zudem auch noch Kondome an. Die dritte Gruppe sind die auf Silikonbasis. Bessere Beständigkeit und lassen sich einigermaßen gut abspülen. Bei Analverkehr würde ich zu diesen Raten oder zu Hybridgelen auf Wasser- und Silikonbasis.“

Isaak nickte und meinte: „Gut zu wissen. Habt ihr heute schon was vor? Wenn nicht, würde ich dich darum bitten, mich zu so einem Shop zu begleiten. Jake meint, ich kann nicht mit Geld umgehen und werde über den Tisch gezogen.“

Ohne groß nachzudenken sagte Kamden begeistert: „Keine Sorge, ich kann auf dich aufpassen. Mache ich doch gerne.“ Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Embry räusperte sich und meinte nebenbei: „Du weißt schon, dass ich dann auch mit muss? Wäre nett, wenn du auch mal mich fragen würdest. Außerdem haben wir doch schon meiner Mutter zugesagt ihr alles zu erklären. Wir haben also schon was vor.“

Der Brünetten drehte sich augenblicklich zu seinem Freund. „Daran hatte ich nicht mehr gedacht. Sorry Isaak, kann nicht. Mein Kleiner braucht mich“, sagte er schuldbewusste und versuchte seinen Fehler wieder gut zu machen. Wenn er wählen müsste zwischen Reichtum und Embry, so würde er sich immer für seinen Freund entscheiden und der verpassten Chance nachtrauern, aber man musste eben Prioritäten setzen.

Einen Moment dachte der Kleinste nach und sagte langsam: „Wenn wir in Forks einkaufen gehen, hätten wir noch genug Zeit für meine Mutter.“

„Danke“, strahlte Kamden und gab ihm einen sanften Kuss.

„Na gut“, brummte Jake. „Aber lasst uns mal hinne machen. Ich muss heute Abend noch zum Rat.“

Anschließend rief er ins Rudel: „Leah, bist du schon wach?“

„Ja“, kam die Antwort und sie schleimte: „Was kann ich für Euch tun, mein Alpha?“

„Erstmal mich wieder Jake nennen“, meinte der Leitwolf und seufzte genervt auf. „Sag bitte deiner Mutter, sie soll für heute Abend den Rat versammeln. Es muss noch einiges geklärt werden.“

„Sollen wir auch kommen?“, mischte sich Seth ein.

„Nein, nicht nötig. Ich erwarte keine Probleme. Zudem nehme ich Isaak und Sam mit. Haltet euch aber bereit“, sagte Jake und rief nach dem zweiten Alpha: „Sam, heute Abend gibt es ein weiteres Ratstreffen. Hast du Zeit mich zu begleiten?“

Der andere ließ sich einen Augenblick Zeit und erwiderte: „Ich werde da sein, Jake. Soll ich das Rudel mitbringen?“

„Nein, nicht nötig. Bis heute Abend“, bestimmte der oberste Leitwolf und beendete damit das Gespräch.

Kamden versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Wenn er es nicht besser wüsste, dann wollte sein Bruder verhindern, dass er mit dem Wächter alleine war. Innerlich seufzte er. Das stimmte wahrscheinlich sogar. Zudem musste er sich selbst eingestehen, dass auch er nicht beabsichtigte seinen Kleinen kampflos mit irgendwem allein zu lassen. In dieser Hinsicht tickten die beiden Blacks wohl gleich.

Nach einem schnellen Frühstück aus Eiern und Speck, die Nahrungswürfel schmeckten zumindest danach, verließen die Vier den Stützpunkt. Vor dem Haus der Cullens rochen sie Bella und Edward. Diese hatten eindeutig keine Lust mehr auf das Essen der Wächter und waren vor ihnen zum Zirkel aufgebrochen.

Kamden sah zu der geschlossenen Garage und fragte laut: „Sollen wir uns wieder ein Auto borgen?“

„Nein“, bestimmte Jake: „Ich möchte nicht andauernd bei ihnen schnorren. Vielleicht sollten wir auch ein Auto kaufen.“ Diese Idee setzte er auf seine gedankliche Liste und sah sich nachdenklich um. „Wir sind Wölfe. Lasst uns laufen. Forks ist nicht weit weg.“

Dann rannte er los. Die anderen schlossen sich ihm an und sie jagten durch den Wald, ihrem Alpha hinterher. Sie brauchten knapp zwanzig Minuten und kamen nicht mal ins Schwitzen. Beiläufig meinte Kamden: „Wie wäre es mit Fitnessgeräten? Sowas könnte das Rudel gebrauchen.“

„Haben wir schon“, meinte Embry und dachte an ihre selbstgebastelten Konstruktionen bei Sam.

Jake gab ihm recht und meinte: „Geräte die für uns geeignet sind, müssten speziell für uns hergestellt werden. Sowas wird es nicht einfach in einem Geschäft geben.“

Da musste Kamden allerdings zustimmen. Wenn er daran dachte, was er im Fitnesscenter mit den Geräten angestellt hatte, dann war seine Idee echt ein Flop gewesen.

Beiläufig meinte Isaak: „Ich kann für den Holoraum etwas programmieren. Da braucht ihr auch keine Angst zu haben die Geräte zu zerstören, denn sie existieren ja gar nicht wirklich.“ Nachdenklich fügte er hinzu. „Ich muss dann aber die Schutzprotokolle ein wenig anpassen. Aber das bekomme ich hin.“

„Echt sehr praktisch so ein Raum“, meinte Kamden und sah sich um. „So, wo sind nun die Geschäfte?“

„Mach die Augen auf, das hier ist die Ladenstraße. Mehr gibt es in Forks nicht“, erklärte Embry.

Kamden verdrehte die Augen und maulte leise: „Hinterwäldlermarkt, na toll.“ Für den Spruch bekam er von seinem Gefährten gegen den Arm geboxt.

Jake sah sich einen Augenblick um und steuerte einen kleinen Laden an. Das winzige Schaufenster war mit einem schwarzen Vorhang verdeckt und über der Eingangstür befand sich ein großes Schild: Zutritt nur für Erwachsene.

Embry und Jake blieben vor der Tür stehen und sahen sich schnell um.

„Was ist los?“, fragte Kamden genervt. „Na geht schon rein.“

„Nun ja“, meinte Jake kleinlaut. „Eigentlich sind wir beide ja erst 16, du verstehst.“

„Oh, das hatte ich vergessen“, meinte sein Bruder und grinste. Schnell schlug er vor. „Dann gehen Isaak und ich allein.“

„Nicht nötig. Ihr seht viel älter aus. Es würde mich sehr wundern, wenn man euch nach dem Alter fragen würde“, sagte Isaak fröhlich.

Kamdens Mundwinkel zuckten. Hatten sich heute alle gegen ihn verschworen? Schnell überspielte er seine Enttäuschung und scheuchte die drei in das Geschäft.

Der Raum war gerade groß genug, dass die vier hineinpassten ohne dabei zu kuscheln. Die Wände waren mit schwarzem Stoff behängt und es gab kein einziges Regal mit Waren hier. Hinter einen mit demselben Stoff bedeckten Tresen befand sich eine Tür und durch diese eilte nun der Besitzer auf sie zu. Er hatte die Türglocke gehört und sah sich die Kunden genau an. Einem nach dem anderen musterte der ältere Herr, während die Wölfe versuchten selbstsicher zu erscheinen.

Missbilligend deute er auf Isaak und sagte: „Dein Ausweis, bitte.“

Jake sah zu seinem Freund und fragte mental: „Hast du den dabei?“

„Nö“, meinte dieser Stumm. „Aber ich kann das auch anders lösen.“

Freundlich lächelte er und quetschte sich nach vorne. Dann nahm er eine Visitenkarte vom Tresen und hielt sie dem Mann hin. Dieser nahm seine eigene Karte entgegen und musterte sie kritisch. Er nickte zufrieden und gab sie an Isaak zurück.

„Entschuldigen sie, Mr. Wächter. Sie haben sich erstaunlich gut gehalten, möchte ich meinen“, sagte der Mann, räusperte sich und fragte: „Wie kann ich den Herrschaften helfen?“

Isaak warf einen Blick zu Kamden der ihn einfach ungläubig anstarrte. „Wir suchen nach Gleitgel“, sagte der Wächter zu dem Verkäufer. Schnell knuffte Jake seinen Bruder, damit dieser den Mund schloss.

„Wir hätten Verschiedene zur Auswahl“, meinte der Mann und kratzte sich am Hals. „Dürfte ich fragen, welche Art es sein soll?“

Kamden schüttelte den Kopf und trat vor. Ohne ein Spur von Scharm sagte er: „Silikonbasis, geeignet für Analverkehr.“

Bedächtig nickte der Besitzer und fragte: „Für Frauen oder Männer?“

„Männer.“

Abermals nickte der Mann und verschwand durch die Tür.

Kamden drehte sich zu dem Wächter um und sagte: „Wow. Kannst du mir diese Jedinummer beibringen?“

Ratlos starrte Isaak ihn an. „Wie bitte?“

Kamden wedelte mit der Hand und sagte mit dunkler Stimme: „Das sind nicht die Druiden, die ihr sucht.“

„Was für Druiden?“, fragte Jake und sah zu Embry. Dieser zuckte mit den Schultern und fragte seinen Gefährten: „Geht es dir gut?“

„Alter ernsthaft, ihr kennt Star Wars nicht?“, empörte sich Kamden.

„Ich bin der Wächter dieses Planeten. Ein interplanetarer Krieg interessiert mich nicht. Sollten sie aber die Erde angreifen, werde ich sie verteidigen“, sagte Isaak todernst.

„Es gibt Aliens?“ Kamdens Augen weiteten sich ungläubig.

Irritiert runzelte Isaak die Stirn. „Die Möglichkeit besteht. Aber du hast doch gerade von einen Krieg der Sterne gesprochen. Deine Aussage war doch metaphorisch gemeint, oder? Wenn nicht, dann muss ich dich darüber in Kenntnis setzen, Sterne führen keinen Krieg. Sie leben und denken nicht. Es sind nur brennende Gaskugeln.“

Kamden klatschte sich die Hand an die Stirn. „Ich meinte den Film. Star Wars IV, Eine neue Hoffnung.“

Bei diesen Worten schlug Jakes die Hände zusammen. Trocken sagt er: „Davon habe ich schon mal gehört.“

„Oh, man. Ihr lebt wirklich hinter dem Mond. Echt mal. Ihr habt da eine gewaltige Bildungslücke. Das müssen wir unbedingt beheben.“

Isaak zuckte desinteressiert mit den Schultern und meinte: „Ich habe mal einen Stummfilm gesehen. War sterbenslangweilig.“

Kamden wollte gerade etwas erwidern, als der Ladenbesitzer zurückkehrte.

„So“, sagte dieser und stelle vier Tuben auf den Tresen. „Die hier sind alle auf Silikonbasis. Sie sollen angeblich gut für den Analverkehr zwischen Männern geeignet sein.“

Schnell drehte sich Kamden um und besah sich die Auswahl. „Welches würden sie empfehlen?“

Gutmütig lächelte der Ältere und sagte: „Verzeihen Sie, aber ich kann leider nur mit Erfahrungen aus zweiter Hand dienen.“ Er deutete auf eine Tube und erklärte: „Ein Kunde sagte mir mal, das hier wäre die beste Wahl. Wie gesagt, ich hatte nie Interesse das zu Testen.“

Mit nachdenklicher Miene nickte Kamden und fragte fordernd: „Haben sie auch Kondome, speziell für den Analverkehr?“

„Selbstverständlich. Welche Größe?“

Kamden sah fragend zu seinem Bruder. Dieser warf kurz einen Blick zu Isaak und lief verdächtig rot an. „Also ich bevorzuge es ohne.“ Isaak nickte zustimmend und Kamden zog missbilligend eine Augenbraue hoch. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte zum Verkäufer: „Eine Packung XL, extra reißfest, bitte.“

„Oh, da muss ich erst schauen. Die werden eher selten angefordert“, meinte der ältere Herr und verschwand ein zweites Mal.

Schnell rief ihm Kamden hinterher. „Wir hätten gerne vier Tuben von diesem Gleitgel.“

„Bin gleich wieder da“, rief der Ältere von hinten. Leise hörten sie ihn, wie er in verschiedenen Kisten suchte.

Vorwurfsvoll drehte Kamden sich um und schimpfte: „Also wirklich. Ohne Kondom? Ernsthaft? Aber von sexuell übertragbaren Krankheiten habt ihr schonmal was gehört, oder?“

Isaak grinste gutmütig, und erwiderte geflissen: „Jake und ich sind gegen nahezu jede Krankheit immun, auch bei diesen Speziellen. Zudem werden wir eh nie mit einer anderen Person schlafen.“

„Dennoch“, beharrte Kamden verstimmt und seufzte: „Ist ja eure Entscheidung.“

Der Besitzer kehrte zurück und stellte alles auf den Tisch. „Darf es noch was sein? Ein wenig Spielzeug vielleicht?“

„Nein, danke“, winkte Kamden ab und zeigte auf Isaak. „Er zahlt.“ Dann nahm er den Einkauf in einer schwarzen Plastiktüte entgegen, während der Wächter mit seiner Karte die Transaktion abschloss.

Gemeinsam verließen sie den Laden, wobei Isaak unbemerkt die Visitenkarte zurücksteckte.

Vor dem Geschäft sah sich Embry schnell um und nahm sich dann seinen Gefährten vor: „Warum hast du Kondome gekauft? Erstens bin ich noch lange nicht so weit meinen Arsch hinzuhalten. Zweitens, ich bin Jungfrau. Ist das da nicht unnötig. Du kannst eh nicht mit einem anderen als mir schlafen.“

Kamden ließ den Kopf hängen und gestand: „Diese Sache mit dem: Sex ist nur mit dem Geprägen möglich, ist etwas, was mich schon von Anfang an gestört hat.“

Entsetzt riss Embry die Augen auf und knurrte wütend.

Schnell hob sein Freund die Hände und stammelte: „Warte, das kam jetzt falsch rüber. Lass mich erklären. Es geht mir nicht darum fremdzugehen, ehrlich. Wenn ich eine feste Beziehung habe, bin ich absolut treu. Aber was hat meine Treue für ein Gewicht, wenn es gar nicht anders geht? Für mich ist das ein Beweis, dass ich meinen Partner über alles andere Stelle und allen Versuchungen widerstehe. Dieser Aspekt, dir das beweisen zu können, fällt weg. Das ist es, was mich daran stört.“

Eindringlich sah er seinem Kleinen in die Augen und sagte traurig: „Verstehst du, was ich meine? Wenn ich dir jetzt meine ewige Treue schwöre, was hätte das denn schon für ein Gewicht? Ich kann ja gar nicht anders.“

Über diese Aussage musste Embry kurz nachdenken. Wohingegen Isaak zu Kamden trat und ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter legte: „Ich weiß, was du meinst. Ich sehe das ebenso. Deshalb habe ich diese leeren Worte auch nicht ausgesprochen. Die Prägung ist Segen und Fluch zugleich. Ein Blick und alles ändert sich.“

Embry nickte bedächtig und schüttelte dann schnell den Kopf. „Aber warum hast du dann welche gekauft?“

„Nun ja“, brummte Kamden und platzte dann heraus: „Ich bin gerne vorbereitet. Ich will ja nicht wie mein Bruder dumm dastehen, wenn es soweit ist.“

Im Hintergrund knurrte Jake angepisst vor sich hin und wurde von Isaak besänftigt.

„Da plane ich doch lieber im voraus. Ich dränge dich zu nichts, mein Kleiner. Ich werde warten, das schwöre ich dir. Bis du soweit bist. Sollten die Kondome in der Zeit ablaufen, kaufe ich eben neue. Hauptsache ich kann dir das geben, was du willst. Zudem mag ich die Sauerei nicht. Ich bevorzuge es mit Gummi zu tun, egal ob wir beide gesund sind.“ Er zuckte mit den Schultern und meinte: „So bin ich eben.“

Embry war gerührt von diesen Worten, trat einen Schritt vor und gab seinem Freund einen sanften Kuss. Nachdem die beiden sich trennten, leckte sich Kamden über die Lippen. Er konnte einfach nicht genug von seinem Kleinen bekommen. Am liebsten wäre er jetzt mit ihm allein, aber es gab da noch ein paar Dinge die sie zuvor erledigen sollten. Er seufzte und sah sich um.

„Wir sollten mal neue Klamotten kaufen. Oder was sagt der Geizkragen dazu? Ist es annehmbar sich angemessen bedecken zu wollen?“

Jake knurrte gereizt: „Ich bin kein Geizkragen. Ich bewerte nur nach der Notwendigkeit. Neue Kleidung ist genehmigt.“ Dann grinste er fies und deutete auf einen Laden in der Nähe. „Such dir aus, was immer du willst. Ich will ja nicht so sein.“

Kamden strahlte, schnappte sich die Hand seines Gefährten und zog diesen mit federnden Schritten auf das Geschäft zu. „Danke“, flötete er noch schnell und sie betraten die Ladenfläche.

Keine fünf Minuten später fuhr Kamden seinen Bruder an: „Du Arschloch. Diese Fetzen werde ich meinem Kleinen nicht antun.“ Sein Auge zuckte als er aus dem Augenwinkel die Ware sah. Angewidert schüttelte er sich. Forks war nicht mehr als ein Dorf. Dementsprechend gab es hier nur ein einziges Geschäft für Kleidung. Viel Auswahl gab es hier nicht. Zudem sahen die Kleidungsstücke so aus, als wären sie aus einem Altkleidercontainer für die dritte Welt entsprungen.

„Was denn?“, fragte Jake mit Unschuldsmiene. „Gefällt dir unsere Kleidung nicht?“ Er grinste, schnappte sich seinen Bruder und zog ihn in eine Ecke: „Du wolltest doch ein paar Schuhe haben. Hier ist die Schuhabteilung. Tob dich ruhig aus.“

Kamden warf eine Blick auf die angebotenen Schuhe und erschauderte: „Bevor ich solche Treter anziehe, laufe ich lieber barfuß rum. Und diese Fetzen hier sind nur für eines geeignet: Sich den Arsch abzuwischen.“

Er sprach so laut, dass die junge Verkäuferin ihn hörte. Sie baute sich vor den Kunden auf und zischte: „Wenn Sie mit unseren Sortiment nicht zufrieden sind, dann fahren Sie doch nach Seattle.“ Dann scheuchte sie die Bande aus dem Laden.

Embry schämte sich ein wenig für seinen Freund. Was hatte er denn erwartet: Eine Luxus-Boutique in Forks? Er gab ihm einen Klaps gegen den Hinterkopf und murrte: „Das war sehr unhöflich, du Pfau.“

Kamden schob die Unterlippe vor und warf seinem Freund eine Welpenblick zu: „Nur das Beste ist für meinen Kleinen gut genug.“

Jake hatte ein Einsehen. Hier würden sie wirklich nichts Gutes finden. Hinzu kam, dass auch er es leid war solche Lumpen zu tragen. Sie hatten das Geld und er würde das ganze Rudel neu einkleiden, und zwar angemessen.

„Kommt mit“, meinte er versöhnlich. Er führte seine Wölfe aus der Stadt hinaus. Sie gingen einen Weile und er bog in den Wald hinein. Als er sich sicher war, dass sie vor den Blicken Fremder verborgen waren, drehte er sich rum und fragte: „Füchslein, brauchst du ein Maßband?“

„Nein“, kam die Antwort. Natürlich wusste sein Freund, was er vorhatte und wandte sich einfach an die beiden anderen: „Na dann runter mit den Klamotten.“

Kamden schob sich vor Embry und knurrte: „Was soll das werden, wenn’s fertig ist?“

Der Leitwolf hatte sich auf einen Findling niedergelassen und sagte gelangweilt: „Mein Freund will nur eure Maße nehmen. Ich rufe dann später unsere Schneider an und lasse was für euch herstellen. Die Sachen werden dann in ein paar Tagen geliefert.“

Misstrauisch beäugte ihn sein Bruder. Nach allem, was er heute gesehen hatte, traute er ihm nicht, wenn es um anständige Klamotten ging. „Warum gehen wir dann nicht einfach zu eurem Schneider? Was heckst du jetzt schon wieder aus? Ich habe es ja verstanden. Du bist ein Geizhals, dann kaufe ich eben von meinem Geld etwas Gescheites.“

Isaak hob einen Finger und tadelte: „Du tust ihm unrecht. Gut, das mit dem Geschäft war eine Finte, aber er meint es gerade ehrlich. Die Schneider sind in New York und sie haben uns bisher gute Dienste geleistet. Die beiden sind Luxus-Designer und werden deinen Anforderungen entsprechen, glaub mir. Zieht euch einfach aus. Die Unterwäsche könnt ihr anbehalten.“

Ungläubig starrten Kamden den Mann vor sich an. Sein Freund hingegen war bereits dabei sich zu entkleiden. Kamden seufzte und knurrte: „Na schön.“ Dann zog auch er sich aus.

Isaak stand vor den beiden und fragte: „Um eure Maße zu nehmen, muss ich euch berühren. Ist das ok für euch?“

„Ich wusste doch, dass du mich schon immer betatschen wolltest“, stichelte Kamden und hob die Arme. „Tu dir keinen Zwang an. Ich weiß, wie perfekt ich bin.“

„Ja, und wie bescheiden“, konterte sein Kleiner. Kamden schluckte den spitzen Kommentar einfach ohne etwas zu erwidern. Sein Freund durfte das.

Langsam und bedächtig zog Isaak mit den Fingern Linien über die Körper der beiden und war ganz auf seine Aufgabe fixiert. Nach weniger als einer Minute war er auch schon fertig und nickte. „Gut, hab alles. Spezielle Wünsche was Stoff, Qualität, Muster und Farbe anbelangt?“

Kamden war sofort Feuer und Flamme und begann bis ins kleinste Detail zu beschreiben, was er sich für sie beide vorstellte. Embry hörte nur mit einem Ohr zu und ließ ihn einfach machen. Alles war besser als die Fetzen, die sie sonst trugen. Solange ihm sein Freund kein schwules farbenfrohes Outfit verpasste, war alles in Ordnung.

Ohne Probleme merkte sich Isaak alles und nickte. „Gut dann könnt ihr euch wieder anziehen.“

Jake sprang auf und warf ein: „Oder blankziehen. Ich weiß ja nicht, was ihr vorhabt, aber Isaak und ich werden jetzt alle Wölfe abklappern und Maß nehmen. Da wir alle nach La Push wollen, können wir als Wölfe laufen.“ Bei diesen Worten entkleidete er sich und warf alles seinem Freund zu. Dieser sammelte auch die Kleidung der anderen, sowie die schwarze Tüte ein und sie rannten gemeinsam los.

Investitionen in die Zukunft

Sie setzten Kamden und Embry bei den Calls ab und machten eine große Runde. Quil fanden sie am Strand vor, dort spielte er schon seit einer geschlagenen Stunde Kuckuck mit Claire. Der Wolfsjunge war immer noch mit Begeisterung bei dieser Aktivität als sie zu ihm kamen. Aufgedreht grinste er Jake an und sagte verträumt: „Sie grinst, wie die Sonne. Meine Sonne!“

Er sah wieder zu ihr hinunter. Sie giggelte ihn an und seine Augen strahlten. Dann hob er sie auf den Arm und wickelte sie in eine Decke. Die Temperatur hatte um ein halbes Grad abgenommen und er musste sofort handeln. Der Zweijährigen durfte es an nichts mangeln. Jake schüttelte den Kopf, sie hatten Mitte Juli und somit Sommer.

Erst als der Gestaltwandler sich überzeugt hatte, dass sie auf keinen Fall fror, wandte er sich wieder an die Neuankömmlinge: „Ich weiß zwar nicht mehr alles, was ich gestern Abend gesagt habe, aber die Jungs haben es mir freundlicherweise den ganzen Morgen über gezeigt. So alle fünf Minuten.“ Sein Gesicht wurde ernst und er sagte: „War vielleicht nicht ganz so glücklich ausgedrückt, aber ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Jake, bitte nimm meine Entschuldigung an und lass uns das Kriegsbeil begraben.“

Der Alpha seufzte und legte einen Arm über die Schulter seines alten Kumpels. Dabei achtete er genau darauf Claire nicht zu berühren. Er wusste wie außerordentlich beschützerisch frisch geprägte Wölfe waren. Ihm ging es ja genauso. Nur konnte Isaak sprechen und ihn auch zügeln. Claire hingegen hatte nun eine überfürsorgliche Glucke in Wolfsgestalt. Ein geprägter Wolf war der perfekte Babysitter. In seiner Gegenwart war sie absolut sicher.

Isaak hielt sich im Hintergrund. Zum einen wollte er die beiden Männer bei ihrer Versöhnung nicht stören, zudem spürte er, dass Quil zwar Jake seinen Segen gab, ihm aber weiterhin misstraute und es nicht tolerieren würde, wenn er der Kleinen zu nahe kam.

Schnell erklärte Jake, warum sie hier waren. Daraufhin war Quil Feuer und Flamme. Aufgeregt quasselte er drauf los: „Kann ich auch welche für Claie haben? Sie mag rosa und Schleifchen. Sie freut sich immer mega wenn ich ihr sowas anziehe.“

Jake runzelte die Stirn und scherzte: „Dann pass mal auf, dass sie dir keine rosa Schleifchen in die Haare flechtet.“

„Würde dir das gefallen? Vielleicht sollte ich sie wieder wachsen lassen“, fragte Quil die Kleine und befingerte seine kurzgeschorenen Haare.

Claire giggelte und sagte undeutlich: „Sliiife.“

Er grinste sie dümmlich an und alles um ihn war vergessen.

Schnell räusperte sich der Leitwolf und fragte vorsichtig: „Klar kann ich auch für sie was besorgen, aber Isaak muss sie dafür anfassen und ihre Maße zu nehmen. Sonst passen die Sachen nicht richtig.“

Quil sah auf und ein dunkles Knurren entrann seiner Kehle. Die Botschaft war eindeutig und Jake zuckte mit den Schultern. „Wer nicht will, der hat schon. Gib sie mir. Ich halte sie, während mein Freund deine Maße nimmt.“

Er streckte die Arme aus und Quil beäugte ihn äußerst misstrauisch.

„Du weißt schon, dass ich auch geprägt bin und keine Gefahr darstelle? Na, willst du auf den Arm von Onkel Jake?“

Der Wolfsjunge mahlte mit den Zähnen. Am Ende entschied es Claire. Sie streckte die Arme aus und brabbelte: „Ogel Jake.“

Der Alpha grinste und Quil gab sie ihm. „Du musst auf ihren Kopf aufpassen und sie ist sehr leicht. Pass auf, dass du nicht grob zu ihr bist. Sie ist ein normaler Mensch. Wenn sie friert, habe ich noch eine zweite Decke. Sie darf nicht ins Wasser und pass auf, sie versucht gerne zu rennen, aber auf den nassen Steinen hier rutscht sie immer aus.“

Als Quil Luft holte, um weitere Anweisungen zu geben, hob Jake die Hand und meinte: „Je schneller du dich ausziehst, desto schneller hast du sie zurück.“

Der andere blinzelte und zog sich rasch aus. Bevor ihn einer aufhalten konnte hatte er schon blankgezogen. Hibbelig sah er zu Claire und behielt sie genau im Auge. Er bekam das Maßnehmen gar nicht wirklich mit und zog sich anschließend schneller an als menschenmöglich. Erst als er seine Kleine wieder auf dem Arm hatte, verschwand sein besorgter Gesichtsausdruck.

Dann sah er in den Himmel und zog aus der Tasche neben sich einen Schirm. Schnell öffnete er diesen und murmelte: „Verdammter Regen.“

Es begann zu tröpfeln und sie ließen den Wolf wieder mit Claire allein. Als sie außer Hörweite waren sagte Isaak: „Weißt du nun, was ich meinte? Genau das ist es, was mir an der Prägung nicht gefällt. Sie ändert eure Identität.“

„Ja, am Anfang schon, aber das wird besser, oder nicht?“, fragte Jake und sprang über eine dicke Baumwurzel.

„Oh, Quil wird noch lange Zeit die Glucke mimen“, meinte der Wächter und zuckte mit den Schultern. „Aber sie werden sich finden, sobald Claire alt genug ist.“

Anschließend klapperten sie die anderen Wölfe ab. Bei keinem gab es Problem. Nur Paul hoben sie für den Schluss auf. Diesen würden sie bei Rachel im Haus der Blacks finden, wie Sam ihnen berichtete.

Langsam näherten sie sich dem Haus. Paul und Rachel erwarteten sie in der Tür stehend. Nach einer kurzen Begrüßung, bei der beide Neuankömmlinge von der Frau umarmt wurden, gingen sie ins Haus. Dort fanden sie auch den Hausherren vor. Dieser saß in seiner gewohnten Ecke, nun aber auf einem Sessel und nicht mehr im Rollstuhl.

Vorsichtig sagte Jake: „Hallo Dad.“

Billy knurrte und nickte. Er schloss die Augen und seufzte. „Hallo, Jacob.“ Isaak ignorierte er einfach mal. Aber dennoch war es ein Fortschritt. „Sue sagte mir, dass du den Rat einberufen hast? Was ist los?“

Rachel ließ sich auf dem zweiten Sessel nieder und Paul stellte sich hinter ihr auf. Die beiden anderen quetschten sich auf das winzige Sofa.

Der Leitwolf sah seinem Vater in die Augen und erklärte: „Ich habe da einige Dinge mit dem Rat zu besprechen. Zum einen wie es weiter gehen soll und was Isaak gegen die Magierin geplant hat. Zudem müssen wir uns mal über die Finanzen des Rudels unterhalten.“

Billy schnaubte: „Finanzen? Die Rücklagen des Stammes sind schon längst aufgebraucht. Wir hatten noch nie viel. Den Familien etwas zu helfen wegen eurem Kleidungsverbrauch, hat den Rest aufgebraucht. Also egal, was du dir zusammengesponnen hast, daraus wird nichts.“

„Ja, genau darüber will ich reden. Aber eines nach dem anderen“, sagte Jake und wandte sich an den zweiten Wolf im Raum: „Paul, ich möchte allen Wölfen eine neue Garderobe kaufen. Zieh dich mal kurz aus, damit Isaak Maß nehmen kann.“

Paul knurrte wütend und warf dem Wächter einen bösen Blick zu. „Ich werde mich nicht vor euch Schwuchteln ausziehen.“

Rachel räusperte sich und Paul fuhr zusammen. „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“

„Ja, Ma´am“, erwiderte Paul kleinlaut, stampfte um den Sessel und zog sich aus.

„Die Buchse kannste anbehalten“, meinte Jake. Schnell war auch das erledigt und Billy schnaubte: „Und woher soll das Geld dafür kommen? Das wächst nicht auf Bäumen. Du bist vielleicht der Alpha des Rudels, aber auch du kannst das nicht einfach vom Himmel regnen lassen.“

Der Leitwolf grinste breit und eröffnete: „Also ich glaube, Isaak könnte das sogar. Vielleicht nicht direkt Geld, aber Dinge, die gutes Geld bringen würden.“ Dann wurde er ernst. „Aber das brauchen wir gar nicht. Mein Freund hat ausversehen“, bei dem Wort machte er Anführungszeichen mit den Fingern: „zu viel Kohle angehäuft. Er kann damit weder was anfangen noch umgehen. Deshalb hat er mich bevollmächtigt und beauftragt das Geld los zu werden. Ich plane einen Teil davon für das Rudel zu verwenden. Kamden kam auf die Idee und ich finde sie gut.“

Sein Vater staunte Bauklötze, schüttelte den Kopf und fragte: „Über wie viel Geld reden wir da?“

„Bevor ich dir das verrate, will ich euch vorwarnen. Mein Freund wird einen Bann auf euch legen, wenn ich mehr sage. Niemand soll davon wissen. Außer uns beiden wissen nur eine Handvoll Leute davon. Die Menschen haben Verschwiegenheitsklauseln unterschrieben. Kamden und Embry habe ich es mit einem Alphabefehl verboten was zu verraten. Seid ihr mit dieser Bedingung einverstanden?“

Die drei anderen sahen sich kurz an und nickten. Jake nahm sich sofort Paul vor und unterwarf ihn dem gleichen Befehl wie die anderen beiden Wölfe. Erst dann wandte er sich wieder seinem Vater zu. „Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld Isaak genau besitzt. Ich weiß nur, dass diese Karte“, er zog seine Platin-Kreditkarte hervor: „mit 100 Millionen Dollar pro Transaktion belastet werden kann. Der Direktor von Isaaks Bank sagte, dass wäre lediglich ein Spesenkonto und ich kann den Betrag jederzeit anheben. Mit Fug und Recht kann ich behaupten, Isaak ist der reichste Mann auf dem Planeten und keiner weiß davon. Als Wächter darf er sich aber nicht einmischen, deshalb hat er mich gebeten das Geld loszuwerden.“

Isaak rutschte etwas nervös umher als alle ihn anstarrten und sagte: „Du hast Zeit bis zur Finanzkrise in zwei Jahren. Wenn dann noch was da ist, werde ich es dort entsorgen.“

Jake rollte mit den Augen. „Seht ihr. Er will es nicht und ich gedenke einen Teil davon sinnvoll zu verwenden. Deshalb würde ich das gerne mit dir, dem Häuptling des Stammes, besprechen.“

Alle starrten zwischen dem Wächter und dem Leitwolf hin und her. Kein Wort entrann ihren Kehlen. Jake, der keine Lust hatte alles mehrfach zu erklären, zückte sein Handy, dass er in ihrem Schlafzimmer wieder gefunden hatte. Die KI im Posten hatte es sogar aufgeladen. Wie? Das fragte er besser nicht. Er kannte seinen Freund nun schon gut genug, um solche kleinen Dinge einfach hinzunehmen. An einer langatmigen Erklärung hatte er da kein besonderes Interesse.

„Am besten wir klären das direkt mit John.“ Schnell hob er den Finger und mahnte: „Er weiß nichts über die übernatürliche Welt und glaubt, Isaak wäre eine Art Prophet oder so. Das soll so auch bleiben.“

Dann tippte er eine Weile auf dem Gerät herum. „Blödes Ding. Ich will nur telefonieren“, murrte er frustriert und fand endlich die richtige Funktion. Schnell wählte er und am anderen Ende erklang Johns Stimme: „Hi, Jake. Wie geht’s, wie stehts? Was kann ich für dich tun?“

Ausversehen hatte der Leitwolf die Freisprechfunktion eingestellt. Er zuckte mit den Schultern und legte das Ding auf den Tisch. „Hi, John. Hast du Zeit? Ich möchte da ein paar Dinge mit dir besprechen.“

„Klar, Boss. Aber zuvor wüsste ich gerne, wie es denn dem Big Boss geht. Ihr habt euch nicht mehr gemeldet. Ich habe mir schon Sorgen um euch gemacht“, tadelte der Broker.

„Uns geht’s gut. Danke nochmal für deine Hilfe die Anzeige abzuwenden.“

Unruhig rutschte Billy auf seinem Sessel herum.

„Kein Ding, Boss. Dafür bin ich ja da. Euer privater Anwalt kann auch mal was tun für sein Gehalt. Ich hoffe mal, alles ist zu eurer Zufriedenheit abgelaufen?“

Jake schmunzelte und scherzte: „Ja, war lustig zu sehen wie Charlie ins Schwitzen kam. Wenn wir schon mal bei dem Thema sind. Ich wünsche, dass keine weiteren Schritte gegen Sherif Swan eingeleitet werden. Das Thema ist für uns abgeschlossen.“

„Natürlich, wie du willst.“

Erst als Jake sicher war, dass diese Angelegenheit abgehakt war, ging er zum Nächsten über: „Gut, nun zu einem anderen Punkt. Ich gedenke ein wenig Geld von Isaaks Vermögen in einen Fond einzulagern, um meinem Stamm zu unterstützen. Ist das möglich?“

„Klar Boss. Wie viel? Auf welchen Namen soll das laufen und wer soll Zugriff darauf haben?“

Jake sah Billy an und sagte: „Genau das wollen wir jetzt besprechen. Ach, ich habe mich mit meinem Dad versöhnt. Er ist der Häuptling des Stammes und wird bei dieser Besprechung mitwirken.“

„Das freut mich zu hören. Vincent wird ein Stein vom Herzen fallen. Er hat sich echt Sorgen um euch gemacht. Vor allem nach Isaaks Verhaftung.“

„Liebe Grüße“, mischte sich Isaak ein und fragte: „Bevor wir anfangen, wüsste ich gerne noch, was aus Blondie geworden ist.“

„Blondie …, Blondie? Ach, du meinst den Kellner, der uns KO-Tropfen untergeschoben hat? Ja, um den habe ich mich gekümmert. Als die gesamte Rechtsabteilung bei ihm aufgetaucht ist, hat er klein beigegeben. Von dem habt ihr nichts mehr zu befürchten. Ich habe mir erlaubt ihm den Aufenthalt im Krankenhaus zu sponsern, damit war dann alles geregelt.“

Isaak nickte bedächtig, sagte „Danke“ und machte es sich wieder bequem. Bei dem finanziellen Teil würde er sich raushalten.

„Gut, zurück zu meinem Fond“, begann Jake und sie diskutierten eine Weile über dieses Thema. Nach ein paar Minuten erwachte auch Billy aus seiner Starre und warf ein paar gute Punkte mit ein. Es ging immerhin um den Stamm und wie seine Tochter schon sagte: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Nachdem er dann verstand, was sein Sohn plante, machte er begeistert mit, wobei er dem Braten nicht ganz traute.

Sie beschlossen ein Konto für diesen Zweck zu erstellen, ähnlich des Spesenkontos 001. Dieses würde über Strohfirmen bedient werden, damit es keine Möglichkeit gab, das Geld zurückzuverfolgen. Ganz der Häuptling versuchte Billy den Verwendungszweck etwas weiter zu fassen, damit der gesamte Stamm davon profitieren konnte. Das meiste war aber für bestimmte, „notdürftige“ Familien vorgesehen.

Mit dem Geld sollten Miete und Lebenshaltungskosten, wie Strom, Wasser, Steuern, Essen und Kleidung gestellt werden. John beschloss eine kleine Abteilung dafür zu erstellen um Anträge zu prüfen. Jake bestimmte, dass kein Bargeld ausgeschüttet werden soll und nichts für Luxusartikel drauf gehen darf. Nur das Lebensnotwendigste sollte bezahlt werden.

Zudem würde, durch Billys Zuspruch, Geld in die Modernisierung der Schule und anderer wichtiger Gebäude abgezweigt. In diesem Punkt war Jake sehr spendabel. An Bildung sollte es dem Stamm nicht mangeln. Allerdings verknüpfte er dieses Vorhaben mit einer Aufklärungskampagne, welche gegen die Homophobie im Stamm ankämpfen sollte.

Der Häuptling war damit zwar nicht so ganz einverstanden, aber er hatte nicht wirklich eine Wahl. Entweder er nahm die Spende samt Bedingung an, oder es würde kein Geld fließen. Er seufzte schwer und gestand: „Vielleicht ist es wirklich an der Zeit ein paar der alten Bräuche zu überdenken.“

Jake wollte zudem eine Art Wohnheim mitten im Wald errichten. Es sollte einige Kilometer vom Dorf entfernt aufgebaut werden. Dieses Gebäude war für das Rudel bestimmt, auch wenn er gegenüber John etwas von wegen Hilfsbedürftigen faselte. Zum Glück war der Broker ein guter Geschäftsmann und wusste bei welchen Dingen er besser nicht nachhaken sollte.

Auch Rachel mischte sich ein und so fügten sie auch die großflächige Erschließung des Dorfes ans Internet hinzu. Jeder Haushalt sollte zudem mit einem passablen Computer ausgestattet werden. Es wurde echt mal Zeit, dass der Stamm sich der Welt öffnete.

John war in seinem Element und ergänzte alles mit scharfsinnigen Fragen und kleinen Anmerkungen. Als erstes, so schlug er vor, würde er, um die späteren Aufgaben besser Händeln zu können, die Straße nach La Push, bisher ein breiterer Feldweg, komplett ausbauen. Das erleichterte die Anfahrt der LKWs mit dem Baumaterial.

Zudem schlug er vor auch über eine eigene Stromversorgung nachzudenken. In Anbetracht seiner eigenen Kampagne zum Klimaschutz tendierte er zu Offshore-Windanlagen. Diese würden sich in Küstennähe besonders gut eignen und auch die Umwelt nicht belasten. Er würde sich auch gerne mal das Dorf ansehen und schlug eine Modernisierung aller Gebäude vor.

Ganz in seinem Business überlegte er laut, ob er einige neue Tochtergesellschaften von Turner Industries gründen sollte. Wenn man das richtig aufziehen würde, könnte man La Push zu einem Vorzeigebeispiel für Umweltschutz und klimaneutralen Wohnraum mitten im Wald aufbauen. Die Marketingabteilung lag ihm schon lange mit sowas in der Art in den Ohren und wollte gemeinsam mit der Technologieabteilung ein Statement setzen.

Auch dem Stamm würde das zugutekommen und den Tourismus fördern. Rachel plädierte diesbezüglich aber, dass die Sitten und Bräuche des Stammes berücksichtigt werden sollen und sie keine Plattenbauten akzeptieren würden. John war ganz ihrer Meinung und wollte lediglich alles auf neuestem Stand bringen. Das Dorf sollte in neuem Glanze erstrahlen ohne die Natur darum zu gefährden.

Das Ganze ging viel weiter als Jake anfangs beabsichtigt hatte. Auch wenn sein Freund sicher froh darüber sein würde, einen Teil seines Vermögens sinnvoll anzulegen, so wusste Jake nicht, ob sie ein wenig übers Ziel hinausgeschossen waren.

Er hob den Blick. In den Augen seiner Schwester funkelte es euphorisch. Sein Vater war ebenfalls voll bei der Sache, auch wenn er Isaak hin und wieder einen misstrauischen Blick zuwarf.

Wenn alle damit einverstanden waren, so wollte Jake ihnen nicht den Spaß verderben. Er entschied sich, mitzuziehen und die ganze Angelegenheit im Auge zu behalten.

Wie der Geschäftsführer bereits sagte, hatte Tuner Industries nahezu überall seine Finger mit drin und so war es ihm ein großes Anliegen, den Wandel in der Gesellschaft voranzutreiben. Zudem wäre dieser Sektor eine wahre Goldgrube, so prophezeite es jedenfalls seine Planungsabteilung. Genügend Startkapital hatten sie ja zur Verfügung und in einigen Jahren würde ihre Saat Früchte tragen. Nur hatte er sich bisher gescheut so viel zu investieren, ohne zuvor den Big Boss um seinen Segen zu bitten.

Isaak grinste in sich hinein. Ja, John war ein Unternehmer nach seinem Geschmack und schlug von sich aus schon die richtige Richtung ein. „Ich begrüße dein Engagement in diesem Bereich und werfe mal ein paar Ideen hinzu. Ich würde gerne einen Großteil des Gewinns in dieses Segment setzen. Zudem hatten wir auf unserer Reise den Einfall ein Tierschutzorganisation zu gründen. Das könnte man Hand in Hand laufen lassen. Umwelt- und Tierschutz, diese Dinge liegen mir am Herzen.“

„Alles klar, Boss“, flötete es aus dem Lautsprecher. „Ich werde noch heute den Aufsichtsrat einberufen und alles in die Wege leiten. In diesem Sinne werde ich einige neue Firmen gründen und die Vorhandenen auch in diese Richtung verschieben. Ich melde mich, wenn ich einen ausgearbeiteten Plan vorweisen kann.“

Langsam sagte der Wächter nachdenklich: „Ich habe da noch ein Anliegen. In Anbetracht der Zukunft möchte ich das Unternehmen absichern. Sollten Jake und mir etwas zustoßen, muss die Nachfolge gesichert sein. In diesem Zusammenhang möchte ich, dass du ein Testament für mich aufsetzen lässt. Das Konto für die Quileute und alle Planungen, welche wir gerade besprochen haben, sollen auch dann noch umgesetzt werden. Zudem möchte ich dich als Treuhänder einsetzen. Deine Aufgabe wird die gleiche sein, wie bisher, nur mit dem kleinen Unterschied, dass du alles auf meinen wahren Erben überschreiben wirst, sollte dieser sich bei dir melden.“

Ungläubig fragte John: „Du hast einen Erben? Da fällt mir mal wieder auf, wie wenig ich über dich weiß. Aber das geht mich auch nichts an. Würdest du mir bitte den Namen deines Erben verraten?“

„Die Formulierung lautet einfach nur: „Mein wahrer Erbe“. Ich bin mir sicher, dass du es erkennen wirst, wenn mein Erbe bei dir auftaucht. Er oder sie wird sich zweifelsohne identifizieren können“, schloss der Wächter die Unterhaltung und zog sich wieder zurück.

Alles was er zu sagen hatte war gesagt und John kannte ihn gut genug um nicht nachzubohren. Auch wenn er es nicht verstand, so würde er alles in die Wege leiten. Nur die Anwesenden im Hause Black wussten, was der Rotblonde soeben getan hatte. All sein Besitz würde somit an den nächsten Wächter übergehen. Es oblag dann diesem die Entscheidungen zu treffen.

„So, wir haben da noch eine große Bestellung für Alexei. Schnapp dir einen Stift, das wird einiges werden“, sagte Isaak, während er sich das Handy schnappte. Um die anderen nicht zu stören, ging er kurz vor die Tür und ratterte dort alle Maße, die jeweiligen Mengen, Farben und Stoffe hinunter.

Den Rest des Nachmittags verbrachten sie gemeinsam und unterhielten sich ein wenig. So langsam tauten Paul und Billy auf und wagten es sogar Isaak ein paar Fragen zu stellen, auch wenn sie ihn dabei nicht ansahen und auch nur das Nötigste von ihm wissen wollten.

Sie bestellten Pizza, da nicht genug Essen für alle im Haus war und Isaak bezahlte brav mit seiner Karte. Nur mussten sie dem Lieferjungen eine Wegbeschreibung mitgeben. Die Quileute bestellten eher selten und so wusste dieser nicht, wo sich das Haus der Blacks befand.

Nachdem dann alles Essbare vernichtet war, wobei sich Jake und Paul wie zwei Neandertaler aufführten, verabschiedeten sich der Leitwolf und sein Gefährte. Sie wollten ein wenig spazieren gehen und die schwarze Tüte mit den Einkäufen des Tages loswerden, vor der Ratsversammlung.
 

In der Zwischenzeit standen Embry und Kamden Tiffany Rede und Antwort. Die Frau hatte über Nacht alles Erfahrene des vorigen Tages sacken lassen und bombardierte die beiden nun mit unzähligen Fragen. Vor allem wollte sie alles über die Gestaltwandler, Vampire und Werwölfe wissen. Gegen Mittag kochte sie dann für die Jungs. Da sie nun verstand, warum ihr Sohn so eine Menge essen konnte und kein Gramm Fett ansetzte, erstellte sie gleich eine gewaltige Portion für die beiden.

Kamden zeigte sich von seiner besten Seite. War höflich, viel seinem Kleinen nicht ins Wort und bedankte sich artig für das leckere Essen. Anschließend ließ er es sich nicht nehmen den Abwasch zu machen. Eine Spülmaschine besaß Familie Call nicht. Embry trocknete ab und verstaute alles, wo es hingehörte, wobei seine Mutter immer mal wieder regulierend eingreifen musste. Ihr Junge hatte noch nie Interesse am Kochen gezeigt und drückte sich in der Regel auch vor dem Saubermachen.

Nun verstand sie aber auch, welche gewaltige Last bisher auf seinen Schultern ruhte und bedauerte die Eltern der anderen Wolfsjungen, die keine Ahnung hatten, was mit ihren Kindern los war. Im Dorf munkelte man schon länger, dass Sam der Anführer einer Sekte war und keiner wollte sein Kind bei dieser Bande wissen.

Nachmittags zogen sich die Jungs dann in Embrys Zimmer zurück und Kamden sah sich dort interessiert um. Gestern hatte sein Freund geschmollt und ihn nicht reingelassen. Nun aber saß er auf dem kleinen Bett und schaute sich die Einrichtung des kleinen Raumes an. Viel mehr als das Bett, einen winzigen Schreibtisch mit Schulbüchern und einen kleinen Schrank mit Klamotten besaß sein Freund nicht.

Embry hatte es sich neben ihm gemütlich gemacht und wartete auf seine Einschätzung. Kamden ließ den Blick über die nackten Wände wandern und sah dann seinen Freund an. Er grinste dümmlich und sagte: „Gemütlich. Aber solange ich bei dir sein darf, kann es auch eine Abstellkammer sein.“

Sein Kleiner verdrehte die Augen und raunte: „Das ist ja sowas von schwul.“

„Na und? Ich bin bi und ich stehe dazu“, meinte der Brünette und beugte sich zu seinem Partner hinunter. Sanft gab er ihm einen Kuss und murmelte: „Vor allem stehe ich aber auf dich, mein kleiner Prinz.“

Embry wurde leicht rot und konterte: „Eselchen.“

„Damit kann ich leben“, sagte sein Gegenüber und zuckte mit den Schultern. Dann warf er sich auf seinen Kleinen und drückte ihn auf die Matratze. Bevor der Schwarzhaarige wusste wie ihm geschah, wurde er durchgekitzelt.

Er lachte und versuchte zu entkommen, aber sein Freund hatte ihm jede Möglichkeit des Entkommens abgeschnitten. Da Flucht aussichtslos war, ging er zum Gegenangriff über, aber er hatte keine Chance. Erst als er um Gnade rief, ließ sein Freund von ihm ab. Während er noch nach Luft japste krabbelte Kamden hinter ihn und zog ihn in eine Umarmung.

Der Größere gähnte und küsste den Nacken seines Gefährten. Dann kuschelte er sich an ihn und schloss müde die Augen. Die Nacht war kurz und das Essen lag schwer im Magen. Er war müde und er wollte ein kleines Nickerchen einlegen. Sein Kleiner sträubte sich erst, dann seufzte er, machte es sich bequem und schloss ebenfalls die Augen.

Beide schliefen rasch ein und bekamen nicht mit wie sie von Tiffany beobachtet wurden. Die Frau stand im Türrahmen und sah den beiden jungen Männer eine Weile zu. Sie seufzte und schloss leise die Tür. Die zwei war schon nach nur wenigen Tagen ein Herz und eine Seele. Sie hatte zwar immer noch vorbehalte dagegen, dass ihr Sohn schwul war, aber Kamden konnte sie akzeptieren. Er würde auf Embry aufpassen und ihn ergänzen. Zudem blieb ihr aber auch kaum eine Wahl. Die beiden waren geprägt, das würde sich nicht mehr ändern.

Verlangen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Ruhe vor dem Sturm

Jake

Während sie so dalagen, verlor Jake jegliches Zeitgefühl. Er genoss die unbeschwerte Nähe zu seinem Liebsten in vollen Zügen. Eine Weile lang hatte Isaak noch die Ruhe benötigt um sich von den Strapazen zu erholen, dann war er einfach eingeschlafen. Jake gönnte ihm diese kleine Pause.

Die Sonne ging langsam unter und Isaak seufzte laut.

„Wir müssen los, oder?“, fragte Jake, der wusste, dass sein Freund auch im Schlaf nicht vollkommen abschaltete. Isaaks Verstand arbeitete einfach anders.

„Ja“, brummte das Bündel in seinen Armen. „Ich würde gerne noch etwas liegen bleiben, aber es wäre sehr unhöflich den Rat zusammenzutrommeln und dann nicht zu erscheinen.“

„Da hast du recht.“ Liebevoll schmuste Jake mit den Lippen über den Nacken seines Liebsten.

„Hm …“, brummte Isaak und räkelte sich in seinen Armen. „Ich hätte nichts gegen eine zweite Runde, aber nicht jetzt. Ich mag es nicht, zu spät zu kommen.“

Nach diesen Worten drehte Jake den Kopf des anderen zu sich und stahl sich einen langen gefühlvollen Kuss. Erst dann war er bereit Isaak gehen zu lassen. Eilig standen sie auf und richteten ihre Kleidung. Zum Glück hatte niemand sie gesehen. Sie hatten bestimmt ein sehr seltsames Bild abgegeben: Zwei halbnackte Kerle, die innig kuschelten, mit in den Kniekehlen hängenden Hosen.

Jake nahm die schwarze Tüte vom Boden und sah Isaak fragend an.

Dieser verdrehte die Augen. „Du willst den Beutel zuvor loswerden, nicht wahr? Na gut. Wenn ich mich beeile, schaffe ich das.“

Noch ehe Jake reagieren konnte, hatte Isaak ihm die Tüte abgenommen und war davon gerannt. Einen Augenblick sah er ihm nach. Dann zuckte Jake mit den Schultern. Zufrieden summend machte er sich auf den Weg zur Versammlung. Ein wenig Rennen würde ihm sicher gut tun. Verwandeln wollte er sich jedoch gerade nicht. Vor allem hätte er dann seine Kleidung im Maul mitnehmen müssen, das war ihm im Moment zu umständlich. Er war sich sicher, dass sein Freund ihn in wenigen Minuten einholen würde.

Dem war dann auch so. Wie aus dem nichts tauchte Isaak neben ihm auf. Jake grinste ihn an und bemerkte dessen nachdenkliche Miene. „Was ist?“

„Hm …“, brummte Isaak. „Weißt du, wie schnell du bist?“

Irritiert runzelte Jake die Stirn und sah nach vorn. Jetzt da ihn sein Freund darauf aufmerksam gemacht hatte, bemerkte er, dass die Bäume nur so an ihm vorbeiflogen. Die herunterhängenden Äste hätten ihn bei der Schnelligkeit hart treffen müssen, jedoch spürte er nur ein sanftes Streicheln auf der nackten Haut. Verblüfft lachte Jake auf. Er bewegte sich quasi in Lichtgeschwindigkeit und es war ihm nicht einmal aufgefallen.

Als Wolf war das normal für ihn, daher hatte er nicht einen Gedanken daran verschwende. Aber er war kein Wolf. Er rannte als Mensch. Müsste er nicht verschwommen sehen bei dieser Geschwindigkeit? Entgegen seiner Gedanken sah er alles scharf und klar. Ob das am wahren Blick lag?

Abrupt bremste er ab und stolperte. Augenblicklich war Isaak stützend an seiner Seite, bevor Jakes Gesicht noch Bekanntschaft mit dem erdigen Waldboden machen konnte.

„Das Anhalten musst du noch üben.“

Jake grinste schief. „Wie schnell war ich denn?“

„In etwa so schnell wie ein Vampir. Außer bei Edward dürftest du mit allen mithalten können“, meinte Isaak und stupste ihm mit einem Finger an die Brust.

Jake verdrehte die Augen, hielt aber brav still. Natürlich musste sein Geliebter seinen Körper augenblicklich untersuchen. Er hingegen fand das klasse. Bald schon würde er Isaak in keinster Weise mehr nachstehen. Ob das ein Nebeneffet von ihrem Sex war? Anscheinend hatten sie einen weiteren Meilenstein hinter sich gebracht.

„Die Geschwindigkeit deiner Nervenimpulse haben stark zugenommen. Das erklärt dein Tempo, sowie den Umstand, dass du trotz der enormen Beschleunigung klar sehen kannst. Ich denke, deine Vermutung ist korrekt. Diese Anpassung wird mit unserem Beischlaf zusammenhängen.“

Beischlaf? Jake schnaubte. Manchmal vergaß er, wie alt sein Freund doch war. Auch wenn dieser versuchte sich an die aktuelle Sprechweise anzupassen, rutschten ihm immer mal wieder solche altbackenen Wörter heraus. In einigen Jahren oder Jahrzehnten würde es ihm wohl ähnlich gehen. Dann wäre er derjenige, der Ausdrücke längst vergangener Zeit verwenden würde.

Er beugte sich vor und gab Isaak einen Kuss. „Können wir weiter? Wir kommen sonst zu spät.“

„Du hast recht. Natürlich.“ Die Hand seines Freundes strich ihm liebkosend über die Brust, dann zog sich Isaak zurück. Mit einer angedeuteten Verbeugung sagte er: „Nach dir, Wölfchen.“

„Aber gerne doch, Füchslein“, konterte Jake und rannte los. Nun da er wusste, wie schnell er war, achtete er darauf und testete seine Geschwindigkeit. Fast wäre er mit einen großen Findling kollidiert, weil er bei einem kleinen Sprung über fünfzig Meter den Abstand falsch eingeschätzt hatte. Isaak rettete ihn und änderte geschickt seine Flugbahn ein wenig ab. Ohne seinen Schweif hatte er Mühe die Richtung zu ändern. Erst jetzt wusste er diesen Teil seines Wolfskörpers so richtig zu schätzen. Bisher war er halt da gewesen und hatte sich, zu seiner Bestürzung, gerne mal seiner Kontrolle entzogen.

„Du musst noch lernen mit der Massenträgheit umzugehen. Je schneller ein Objekt ist, desto schwieriger ist es die Richtung zu ändern.“

Jake blinzelte. Auch wenn sein Freund versuchte einfache Worte zu verwenden, verstand er nicht wirklich, was er sagen wollte.

„Nehmen wir ein Auto als Beispiel. Je schneller du bist, desto weniger darfst du das Lenkrad bewegen. Beim Einparken kurbelst du wild umher. Machst du das auf der Autobahn, verlierst du die Kontrolle über den Wagen.“

„Achso“, brummte Jake. „Warum erklärst du es mir nicht gleich so, dass ich es verstehe.“ Ein wenig wehleidig war ihm schon zumute. In Wolfsform hatte er seine Klauen und Instinkte. Als Mensch musste er erst lernen damit umzugehen.

Leise seufzte er. Auch wenn er es niemals zugeben würde, hatte er es genossen von Isaak Huckepack genommen zu werden. Dabei konnte er seinen Freund immer so schön ärgern, indem er ihm am Hals knabberte. Diese Zeiten würden wohl bald der Vergangenheit angehören. Oder nicht?

„Mir soll es recht sein. Ich habe nichts dagegen dich zu tragen. Aber wir wollen doch nicht, dass das dein Image als großer böser Wolf schädigt, oder?“

Jake zog einen Schmollmund. Da war ja was: Sein Stolz als Krieger. Er biss sich auf die Unterlippe und brummte: „Solange mich dabei keiner sehen kann, geht das in Ordnung. Aber jetzt haben wir keine Zeit dafür, wir sind eh gleich da.“

Isaak lachte und sprang vor ihn. Fasziniert sah Jake seinem Freund dabei zu, wie er mühelos rückwärts vor ihm tänzelte, bei gefühlten zweihundert Meilen die Stunde. „Angeber.“

*

Kurz vor dem Treffpunkt bremsten sie ab. Diesmal schaffte es Jake ohne Hilfe. Anschließend schritten sie in normalem Tempo aus dem Wald. Sie wurden bereits erwartet. Der Rat saß wie immer erhaben auf den Baumstümpfen, während Sam hinter dem letzten leeren Platz stand.

Etwas seltsam fühlte sich Jake schon als er sich auf dem ihm zugewiesenen Stumpf setzte. Er hatte sich dieses Recht schwer erkämpft und so versuchte er es sich nicht anmerken zu lassen. Dass Isaak allerdings in der Mitte des Halbkreises stehen geblieben war, störte ihn. Zu gern hätte er ihn auf den Schoß genommen. Das war aber in dieser Gesellschaft keine gute Idee.

Angefressen knurrte Jake ein wenig vor sich hin. Warum nur musste er sich verstecken? Das wollte er nicht mehr. Seine Beziehung mit Isaak war vollkommen normal. Sie fühlte sich so natürlich an, wie atmen. Dann konnte das doch nicht schlecht sein.

Mental hörte er die Stimme seines Freundes: „Sam hat Emily auch nie auf dem Schoß gehabt bei einer Ratsversammlung. Und das, obwohl derer Beziehung anerkannt wird von diesem Gremium. Ich finde, es ist eine Frage des Anstandes. In einer solchen Situation wäre so etwas unangemessen, egal ob Hetero oder nicht.“

Kurz schloss Jake die Augen, dann nickte er kaum merklich. Sein Liebster hatte wie immer recht. Er würde es überleben, mal einen Moment nicht an ihm zu kleben. Dennoch sehnte er sich nach dessen Nähe. Wie schnell man sich an solche Dinge gewöhnen konnte. Vor einigen Monaten hätte er sich das nicht einmal im Traum vorstellen können, derart süchtig nach der Nähe zu einem anderen Mann zu sein. Aber Isaak war ja auch nicht irgendein Mann. Isaak war Isaak, basta. Und Jake war nicht schwul, er liebte nur eine Person, die zufällig männlich war. Ja, genau so war es und nicht anders.

Am Rande bekam er mit, dass sein Freund zu diesem Gedanken so einiges zu sagen hatte, daher kam er ihm zuvor und erhob die Stimme: „Guten Abend zusammen. Machen wir es kurz, wir haben alle Besseres zu tun als hier rumzusitzen.“ Er sah auf und gab Isaak ein Zeichen, dass er dran war.

Freundlich wie eh und je verbeugte sich sein Liebster. „Guten Abend. Der Grund für dieses Treffen ist recht schnell erklärt. Wir wollten den Ältestenrat lediglich über unser weiteres Vorgehen gegenüber Morgan le Fay informieren.“

Isaak legte ein kleine Künstlerpause ein und redete dann weiter: „Morgen Nachmittag, gegen halb fünf, kann ich in die Zitadelle der Wächter eindringen. Sobald ich die Kontrolle über die Systeme zurückerlangt habe, werde ich einen gezielten Vernichtungsschlag gegen die Magiern einleiten. Sollte alles nach Plan verlaufen, wird ihr Leben noch vor Sonnenuntergang enden. Damit wären wir diese Bedrohung los und ich kann endlich wieder meiner Bestimmung entsprechend agieren.“

Was und wie er es tun würde, ließ er offen, doch Jake wusste es auch so. Isaak plante eine dimensionale Verschiebung, eine Art Portal zu öffnen und anschließend alle Auswirkungen von Morganas eingreifen zu revidieren. Soweit es ihm jedenfalls möglich war.

„Was?“, erklang die Stimme seines Vaters. Jake hob den Blick und sah dessen irritierte Miene. „Das war es dann? Keine Endschlacht oder einen Kampf auf Leben und Tod? Einfach einen Knopf drücken und die Magiern stirbt? Das klingt zu einfach, um wahr zu sein.“

Insgeheim musste Jake ihm da Recht geben. Allerdings wusste er auch an dieser Stelle mehr als Isaak sagen durfte. Auf ihnen beiden lag noch immer der Blutschwur. Selbst wenn sie wollten, konnten sie dieses Wissen nicht preisgeben.

Eines wusste er aber: Ganz so einfach war die Angelegenheit dann doch nicht. Mithilfe von Morganas Blutprobe würde Isaak eine Biowaffe erstellen. Einen mutierten Virus, der exakt auf ihre DNA abgestimmt war. Dieses Wissen überstieg das Menschenmögliche bei Weitem, jedenfalls jetzt noch. In einigen Jahrzehnten wäre die Wissenschaft vielleicht so weit, zu verstehen, was sein Freund da zusammenbraute.

Fakt aber war, sobald dieser tödliche Erreger auf die Zielperson treffen würde, war es das. Es gab keine Möglichkeit sich dagegen zu verteidigen, nicht ohne das Wissen und die Technologie der Wächter.

„Ja“, sagte sein Freund schlichthin. „So in etwa können Sie sich das vorstellen. Mehr kann und werde ich nicht offenbaren. Normalerweise sollte kein Sterblicher etwas über mich, meine Magie oder Technologie wissen. Daher hülle ich mich in Schweigen.“

Mit Mühe verkniff sich Jake, mit den Augen zu rollen. Wieder so eine altbackene Formulierung. Aber das war eben sein Freund. Immer für eine Überraschung gut.

Er ließ den Blick schweifen und sah die entrückten Gesichter der Ältesten. Sie alle schienen fassungslos darüber zu sein, dass es so einfach war.

„Nächster Punkt“, sagte Jake und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. „Ich habe mich heute ausführlich mit dem Häuptling unterhalten. Gemeinsam haben wir einige Dinge geplant, die ich dem Rat nun vorstellen werde.“

Anschließend fasste er das lange Gespräch mit John im Haus seines Vater zusammen. Am Ende starrten ihn Quil Ateara III, sowie Sue ungläubig an. Beiden war der Mund aufgeklappt und sie staunten eindrucksvoll wie Fische auf dem Trockenen. Jake amüsierte sich köstlich über ihre Gesichter, während er sich ein freches Grinsen nicht verkneifen konnte.

Sue schaffte es als erste ihre Fassung zurückzuerlangen. „Wie willst du das alles bezahlen?“

„Seht es als Geschenk von meinem Freund.“ Langsam erhob sich Jake und ging auf eben diesen zu. „Soweit ich weiß, war es das. Oder gab es noch mehr zu berichten?“

„Nicht, dass ich wüsste“, murmelte Isaak.

Jake wandte sich noch einmal an die Ältesten. „Noch irgendwelche Fragen? Nein? Gut, dann danke ich euch für euer Kommen. Das wäre dann alles. Man sieht sich.“

Er grinste breit in die Runde, bevor er einfach losrannte. Durch Isaaks Augen sah er die entrückten Gesichter der anderen. Sein vampirgleicher Abgang hatte ihnen wohl den Rest gegeben. In Zukunft sollte er wohl etwas aufpassen. Nicht, dass der alte Quil noch einen Herzinfarkt bekam. Das würde ihm sein Kumpel und dessen Enkel nicht verzeihen.

*

Wie aus dem Nichts tauchte Isaak neben ihm auf. „Gibt es einen bestimmten Grund für deine Eile?“

„Ja“, grinste er seinen Freund an, der mühelos neben ihm herging. „Ich wollte noch etwas Zeit mit dir allein verbringen. Morgen wird bestimmt wieder ein stressiger Tag.“ Er ließ seine Gedanken wandern. „Ganz so einfach, wie du es dargestellt hast, wird es nicht werden. Kann ich dir helfen die Abwehr der Zitadelle zu umgehen?“

„Nein“, meinte Isaak. „Die Abwehrsysteme sind zu stark. Das muss ich allein bewältigen.“

Damit hatte Jake schon gerechnet. Er zuckte mit den Schultern. Bestimmt gab es unzählige Fallen. Magische, wie auch technologische. Da wäre er eh nur ein Klotz am Bein. Allerdings würde er ihn im Geiste begleiten. Nur für den Fall, falls etwas schiefgehen würde und sie erneut auf die Energie ihrer Seelenverbindung zurückgreifen mussten.

„Danke, das wäre sehr nett von dir“, erwiderte sein Freund auf seine Gedanken.

Nach nur wenigen Minuten hatten sie die Teleportplattform erreicht und begaben sich gemeinsam zum Unterwasserposten. Kaum in ihrem Zimmer angekommen warf sich Jake auf das Bett, das gefährliche Quietschlaute von sich gab. Aber das scherte ihn nicht wirklich. Nur einen Augenblick später war Isaak an seiner Seite. Das war das einzige was zählte.

Er schlang die Arme um seinen Freund und zog ihn mit sich auf die Matratze. Isaak lag mit dem Rücken zu ihm. Genau so wie es sein sollte. Er brummte zufrieden und schloss die Augen. Einen kurzen Moment fragte er sich, wo die schwarze Tüte abgeblieben war, dann musste er gähnen. Eine schwere Müdigkeit erfasste ihn. Bevor er wusste, wie ihm geschah, schlief er auch schon ein, eng an seinen Freund gekuschelt.
 

Embry

Als er erwachte, lag er noch immer in Kamdens Armen. Auch wenn alle im Stamm so etwas als falsch ansahen, es fühlte sich gut und richtig an. Diese Nähe, Wärme und Geborgenheit, die Kamden ihm schenkte, gefiel ihm sehr. Aber durfte er so fühlen?

Er dachte an Jake und Isaak. Anfangs hatte Jake sich mit Händen und Füßen gewehrt, auch nur einen Schritt auf Isaak zuzugehen. Und jetzt, da zog er ihn einfach auf seinen Schoß. Jake machte ja nicht einmal davor halt Isaak in der Öffentlichkeit zu küssen oder mit ihm zu schmusen.

Embry seufzte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann mochte er Kamden, sehr sogar. Ob das allerdings an der Prägung lag, konnte er nicht sagen. Jedoch war es im Endeffekt auch egal, weil es auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen würde. Er wäre mit seinem Liebsten zusammen.

Zum Glück musste er nicht den gleichen Spießrutenlauf hinter sich bringen, wie Jake. Dennoch konnte er nicht einfach alles vergessen, was er bisher gelernt hatte. In ihrem Stamm war Homosexualität eben ein Tabuthema.

„Wenn ich dir zu sehr auf die Pelle rücke, dann musst du es nur sagen“, gähnte Kamden und ließ ihn los.

„Das habe ich aber nicht gesagt“, seufzte Embry traurig.

„Aber gedacht“, hielt Kamden dagegen. „Um ehrlich zu sein, kann ich diese homophobe Art der Quileute nicht nachvollziehen. Die meisten kommen heutzutage damit klar. Natürlich habe ich auch schon den einen oder anderen Hornochsen getroffen, der anderer Meinung war. Die meisten lagen mir wenig später zu Füßen. Ich habe ihnen gezeigt, wie die Faust eines Bisexuellen schmeckt.“

Embry fühlte Kamdens Genugtuung darüber einem solchen ignoranten Individuum gezeigt zu haben, wo der Hammer hängt. Aber er spürte auch dessen schlechtes Gewissen. Mit solchen Aktionen hatte er es seiner Mutter nicht leicht gemacht. Die eine oder andere Schule hatte ebenfalls kein Verständnis für solche Dinge. All das erfuhr Embry aus den unausgesprochen Gedanken seines Freundes.

„Gib mir bitte mehr Zeit.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Nimm dir so viel, wie du brauchst“, erwiderte Kamden.

Unruhig rutschte Embry ein wenig umher. Es gefiel ihm nicht, dass Kamden die Umarmung gelöst hatte. Nach dem Kampf mit den Werwölfen hatte er ihn vor allen anderen geküsst und nun machte Embry einen Rückzieher. In Zukunft sollte er sich weniger Gedanken machen und den Augenblick genießen. Er sammelte seinen ganzen Mut zusammen und sagte: „Komm bitte wieder zu mir.“

„Zu Befehl, mein kleiner Prinz.“ Mit diesen Worten schmuste sich Kamden erneut an ihn.

Seinen Kosenamen zu hören, ließ Embry das Blut in die Wangen schließen. Er beschloss das zu übergehen und entspannte sich. Kamdens Nähe hatte einen sehr beruhigenden Effekt auf ihn. Träge schloss er die Augen und ließ sich fallen. Wenn Jake das hinbekam, dann er doch wohl auch.

Über zehn Minuten lagen sie noch kuschelnd da, bis der Ruf der Natur Embry aus dem Bett jagte. Noch während er überlegte, ob er sich abermals zu Kamden legen sollte, traf er auf seine Mutter. Mitten im Flur stehend hatte sie ihn abgepasst.

„Bleibt ihr zum Abendessen?“

„Ich denke schon.“ Er druckste ein wenig herum. Über den weiteren Tagesablauf hatten weder er noch Kamden sich bisher Gedanken gemacht. Zurzeit stand, zur Abwechslung mal, keine Katastrophe an.

In diesem Augenblick kam Kamden zu ihnen in den Gang. „Danke für die Einladung. Von meiner Seite spricht nichts dagegen. Das Mittagessen war megalecker. So gute Hausmannskost habe ich schon lange nicht mehr gehabt.“

Während seine Mutter sich grinsend zu Kamden drehte, rollte Embry mit den Augen. Kamden meinte es zwar durchaus ernst, jedoch wollte er sich primär einschmeicheln. Mit Erfolg, wie Embry feststellte.

„Danke für dieses Kompliment. Ich bin dann mal in der Küche und bereite das Abendessen vor“, erwiderte seine Mutter mit leicht geröteten Wangen.

„Kann ich dir bei irgendwas helfen? Sachen kleinschneiden kann ich sehr gut. Auch wenn das, das einzige ist, was ich hinbekomme.“

Embry sah genau wie sich seine Mutter beschämt abwandte. „Nein, nein. Das geht doch nicht. Du bist bei uns zu Gast.“

„In der Küche kann ich zwar nicht viel beisteuern, aber ich könnte den Rasen mähen oder so was.“ Kamden ließ nicht locker. Aus dessen Gedanken entnahm Embry, dass er es als seine Pflicht ansah, sich mit der Familie seines Freundes gut zu stellen. Und das mit allen Mitteln.

Embry rollte abermals mit den Augen und schnaubte: „Die Dachrinnen müssten mal wieder sauber gemacht werden.“

Es war als Scherz gemeint doch Kamden nickte begeistert. „Das ist kein Problem. Sowas kann ich. Wird sofort erledigt.“ Bevor Embry ihn aufhalten konnte, stürmte sein Freund auch schon davon.

„Warte mal“, rief er ihm hinterher, aber Kamden war schon zur Haustür raus.

„Das meint er doch nicht ernst oder?“, fragte seine Mutter in die entstandene Stille hinein.

„Ich fürchte schon“, antwortete Embry und seufzte schwer. Einen Augenblick dachte er über die Situation nach. Die Dachrinne musste wirklich mal wieder gesäubert werden. Er zuckte mit den Schultern. Warum nicht jetzt. Damit konnten sie seiner Mutter einen Gefallen erweisen. „Ich geh ihm helfen“, sagte Embry schnell, bevor er ebenfalls aus dem Haus eilte. Er musst nicht hinsehen, um zu wissen, dass seine Mutter ihm mit offenem Mund hinterherstarrte. Normalerweise wehrte er sich mit Händen und Füßen, wenn es um solche Hausarbeiten ging.

*

Die Aufgabe war schnell erledigt. Nachdem sie sich sicher waren ungesehen zu sein, kletterten sie einfach an der Hauswand hoch. Für was brauchte man eine Leiter, wenn man Wolfskräfte hatte? Seine Mutter sah das offenbar anders. Er konnte ihren spitzen Aufschrei deutlich hören als sie vom Dach sprangen und vor dem Küchenfenster landeten.

Das nächste Mal sollte er darauf achten, wo sich seine Mutter befand. Nicht, dass sie noch einen Herzkasper bekam. Für sie war die ganze Gestaltwandler-Nummer noch Neuland. Nachdem er seine Mutter wieder beruhigt hatte, er musste ihr versprechen so etwas nie wieder zu tun, erledigten sie eine liegengebliebene Arbeit nach der nächsten.

Kamden mähte den Rasen, während Embry sich um den Gemüsegarten kümmerte. Die losen Bretter ihres kleines Schuppens neben dem Haus wurden festgenagelt und der Zaun um das Grundstück neu verdrahtet. Eine in Embrys Augen sinnlose Tätichkeit. Seit er sich verwandelte, hatte sich kein Reh oder Hase mehr in das Beet gewagt. Sein Eau de Wolf hielt solche Störenfriede fern. Er half nur mit, weil Kamden damit angefangen hatte.

Bevor sein Freund aber noch auf die Idee kam das Haus zu streichen, entschied er, dass sie für einen Tag genug getan hatten. Nacheinander gingen sie duschen, wobei sich Kamden notgedrungen wieder bei Embrys Klamotten bediente. Dann stand auch schon das Essen auf dem Tisch.

„Nach der ganzen Arbeit seid ihr sicher sehr hungrig, also haut kräftig rein.“

Das ließen sich Embry und Kamden nicht zweimal sagen. Wölfe hatten immer Hunger. Auch wenn das bisschen Arbeit nicht der Rede wert war.

Nach dem Essen unterhielten sie sich noch eine Weile mit seiner Mutter. Während Kamden immer mal wieder Komplimente einstreute, erklärte Embry ihr, was sie alles nicht mitbekommen hatte seit seiner Verwandlung.

Es wurde ein sehr angenehmer und gemütlicher Abend. Langsam schien sich seine Mutter an die neuen Umstände anzupassen. Auch mit Kamden kam sie sehr gut klar, was Embry sehr freute.

Als es langsam spät wurde, machte sich Embry Gedanken darüber, wo sie die Nacht verbringen würden. Es stand außer Frage, dass es sie nur im Doppelpack gab. Aufgrund der Prägung konnten sie gar nicht anders. Mehr als ein paar Kilometer konnten sie sich nicht voneinander entfernen, ohne dass sie entsetzliche Schmerzen erleiden würden.

Der arme Sam hatte das zur Genüge getestet und sein Wissen mit dem Rudel geteilt. Anfangs schaffte er wenige Meilen, nun konnte er bis zu 140 Kilometer zwischen sich und Emily vertragen. Aus den alten Legenden ging hervor, dass die bisher größte Distanz 200 Kilometer betrug.

Doch war das nicht der einzige Grund. Wenn Embry ehrlich zu sich selbst war, dann wollte er Kamden bei sich haben. Allein die Vorstellung von ihm getrennt zu sein, jagte ihm einen Schauder über den Rücken.

Bevor er das Thema ansprechen konnte, stand seine Mutter bewaffnet mit einem Kopfkissen und einer alten Decke in der Wohnzimmertür. Ihre Lippen waren geschürzt, doch gab sie sich sichtbar Mühe gelassen auszusehen.

„Ich möchte, dass ihr die Nacht hier verbringt. Das ist für dich Kamden.“ Unsicher hob sie die Arme.

„Danke“, stammelte sein Freund, sprang auf und nahm beides entgegen.

Embry sah, wie verunsichert seine Mutter war. Gleichsam zu erfahren, dass der Sohn schwul war, sowie ein Wolfswandler, war wohl etwas viel für sie. Insgeheim fragte er sich aber, welcher dieser beiden Punkte ihr mehr zu schaffen machte.

„Ich habe auch noch eine dickere Decke, falls dir diese zu dünn ist.“ Verlegen räuspert sich seine Mutter und versuchte Kamden in die Augen zu sehen, mit mäßigem Erfolg. Sie sah eher an ihm vorbei. Dennoch rechnete Embry es ihr hoch an. Wenn er da an Billy dachte, so war das hier ein Kinderspiel.

„Die hier reicht vollkommen. Danke, für die Gastfreundschaft, Tiffany.“ Kamden schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Anhand dessen Gefühlen wusste Embry, wie ernst sein Freund es meinte. Dieser sah das wohl als den ersten Schritt in der Familie Call willkommen zu sein.

In diesem Punkt musste Embry ihm zustimmen. Nicht auszudenken, wenn seine Mutter so verbohrt wäre, wie Billy. Das würde er nicht verkraften. Kamden gehörte in sein Leben, daran konnte niemand mehr etwas ändern.

Eine peinliche Stille breitete sich aus. Um seine Mutter zu erlösen, mischte sich Embry rasch ein: „Danke, Mom. Wir gehen dann jetzt schlafen. Komm, Esel. Oder willst du im Wohnzimmer übernachten?“

„Embry“, schnaubte seine Mutter und hob tadelnd einen Finger. „Das ist nicht sehr nett.“

„Mein Freund weiß, wie es gemeint war. Vergiss nicht, er kann spüren was ich fühle, sowie andersrum. Zudem ist das seine Strafe, weil er mich den ganzen Nachmittag zur Hausarbeit gezwungen hat.“ Er drehte sich zu Kamden um und hob auffordernd eine Augenbraue. „Kommst du jetzt oder nicht?“

Sofort sprang sein Freund auf ihn zu. Ein wenig unterwürfig sagte er: „Bin schon da.“

Dieses Verhalten gefiel Embry. Somit fühlte er sich nicht mehr ganz so devot.

*

Lautes Brummen weckte Embry am nächsten Morgen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Es war somit eindeutig noch nicht die Zeit aufzustehen. Doch ließ das Brummen nicht nach. Das ganze Haus schien zu vibrieren.

„Was ist das?“, knurrte er schläfrig. Im Halbschlaf blinzelte er gegen das Sonnenlicht an.

„Ist bestimmt nur ein LKW. So hört es sich jedenfalls an“, nuschelte Kamden hinter ihm.

Sein Freund hatte sich mal wieder an ihn gekuschelt. Aber das störte Embry nicht. Er gestattete es sich, diese Vertrautheit zu genießen. So wollte er jeden Morgen aufwachen. Wenn nur dieses Brummen nicht wäre.

„Was hat ein LKW im Reservat zu suchen?“ Langsam wurde er wach. Die eigentliche Frage war aber, wie hatte ein LKW es bis ins Dorf geschafft? Dafür war die Zugangsstraße, eher ein breiter Trampelpfad, gar nicht ausgelegt. Mit einem normalen Auto hatte man schon Schwierigkeiten ins Dorf zu gelangen.

Verstimmt mahlte Embry mit den Zähnen. Er wollte nicht aufstehen, aber dieses Rätsel würde ihm keine Ruhe mehr lassen. Zu dem Brummen gesellte sich ein heller Piepton. Vor sich hin murrend schälte er sich aus Kamdens Armen und aus dem Bett. Zwei kurze Schritte später spähte er aus seinem Fenster. In der Ferne konnte er den Dorfplatz sehen. Dort rangierte tatsächlich ein kleiner LKW hin und her.

„Das muss ich mir ansehen.“ In einem so kleinen Dorf konnte man so etwas als Highlight des Monats verbuchen.

„Ist doch nur ein doofer LKW“, brummte Kamden. „Komm wieder ins Bett.“

Ein Blick über die Schulter offenbarte Embry, dass sein Freund sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die Augen zu öffnen. Einladend hielt Kamden die Decke hoch und wartete auf ihn.

„Wenn du willst, kannst du noch liegen bleiben. Ich gehe mal nachsehen, was los ist. Bestimmt hat er sich verfahren und braucht Hilfe.“

Während Embry sich bereits anzog, hörte er seinen Freund hinter sich murren: „Warte, ich komme mit.“

„Dann beeil dich“, trieb Embry ihn an. Ein LKW in La Push. Darüber würde der Stamm noch Tage reden.

*

Keine fünf Minuten später stürmte Embry auf den Dorfplatz, Kamden im Schlepptau. Neben dem kleinen LKW, der mittlerweile geparkt hatte, stand ein Luxussportwagen. Embrys Wissen über Autos erstreckte sich ein wenig mehr über die einfache Formulierung: Es hat vier Räder und kann fahren. Aber selbst er erkannte, dieses Auto suchte seinesgleichen. Er wollte gar nicht wissen, wie teuer das Ding war. So etwas würde er sich im Leben nicht leisten können.

„Wow … Ein Aston Martin“, sagte sein Freund ehrfürchtig.

„Ist das die Marke?“, fragte Embry leichthin.

„Ja“, hauchte Kamden und trat mit glänzenden Augen näher. „James Bond fährt solche Autos.“

„Wer?“ Irritiert runzelte Embry die Stirn.

Ungläubig schüttelte sein Freund den Kopf. „Wir müssen dringend einige Filme zusammen anschauen. Du hast da echt was verpasst, Kleiner.“

Eine freundliche Stimme belehrte sie: „In „Casino Royal“, der am 16. November diesen Jahres in die Kinos kommt, fährt James Bond einen Aston Martin DBS. Das hier ist ein Aston Martin DBS Coupé.“

Zwei Männer schritten auf sie zu. Nur ein Blick genügte. Die beiden waren steinreich. Ihre Designer-Anzüge saßen ebenso perfekt wie die schwarzen Lackschuhe.

Der braunhaarige Mann, der gesprochen hatte, runzelte die Stirn, während er Kamden musterte. „Verzeihen Sie. Sie kennen nicht zufälligerweise Mr. Jacob Black? Sie sehen ihm sehr ähnlich muss ich sagen.“

Zögerlich fügte der zweite Unbekannte hinzu: „Außer die Haare. Jakes sind schwarz wie die Nacht, nicht braun.“

„Jake ist mein Halbbruder“, stammelte Kamden völlig neben sich stehend. „Und wer sind Sie?“

„Sehr erfreut“, grinste der erste und hielt ihnen die Hand hin. „Ich bin John Turner, Geschäftsführer von Turner Industries.“

Embry blinzelte. Der Name kam ihm vage bekannt vor …

Bauprojekt XXL

Isaak

Sein bewusstes Denken schlief tief und fest. Wobei der Teil seines Verstandes, der bei normalen Menschen das Unterbewusstsein darstellte, weiter arbeitete. Während er die Berechnungen der dimensionalen Verschiebung durchging, achtete er auf Gefahren und Besonderheiten innerhalb seiner Reichweite.

Eine wachsende Aufruhr in der Verbindung der Gestaltwandler lenkte seine Aufmerksamkeit nach La Push. Mit seinem inneren Auge sondierte er die Lage. Menschen, keine Magie zu erkennen. Ein Angriff von Morgan le Fay? Nein. Bedrohung alles Lebens? Nein. Einstufung: Unbedenklich.

Somit bestand kein Grund sein bewusstes Denken zu wecken. Alle gesammelten Informationen wurden für die spätere Durchsicht aufbewahrt, während sein Verstand sich anderen Dingen widmete.

„Isaak, Jake, könnt ihr mich hören?“ Embrys Stimme drang durch die mentale Verbindung. Die darin enthaltene Dringlichkeit lenkte ihn vom Studium der Werwolfdaten ab. Hatte er sich geirrt? Bestand doch eine Gefahr? Ohne sein bewusstes Denken konnte er nur einfache Aufgaben durchführen. Berechnungen und Analysen. Jedoch keine komplexen Bewertungen. Er beschloss aufzuwachen und die Entscheidung abzugeben.

Augenblicklich schlug Isaak die Augen auf. Mental antwortete er: „Ich kann dich hören. Was ist los?“ In der kurzen Wartezeit ging er alles durch, was sein Verstand während seiner Ruhephase erfasst hatte. Er runzelte die Stirn. Zwei ihm wohl bekannte Personen waren im Reservat erschienen. Obwohl keine Gefahr von ihnen ausging, waren die Quileute aufgebracht. Seltsam.

„Ein gewisser John Turner sucht nach Jake“, erklärte Embry. „Was habt ihr nun schon wieder ausgefressen? Wollt ihr das Dorf platt machen?“

Ein Blick durch die Augen der Wölfe vor Ort bestätigte Isaaks bisherige Beobachtungen. John wie auch Vincent standen auf dem Dorfplatz, umringt von einigen ihm unbekannten Menschen. Die Fremden hatten sich um einen Tisch versammelt und schienen lautstark zu diskutieren. Dabei gestikulierte eine adrett gekleidete Frau enthausiastisch mit den Händen zu den umstehenden Häusern.

„Weder von John noch von seinen Leute geht eine Gefahr aus. Am besten du wartest kurz bei ihnen, wir sind auf dem Weg.“ Noch während er Embry antwortete, begann er sich leicht zu bewegen.

„Halt still. Will noch schlafen“, brummte Jake hinter ihm.

„Es tut mir leid, Wölfchen, aber wir müssen aufstehen.“ Möglichst sanft befreite er sich aus dem Klammergriff seines Freundes.

„Komm wieder her“, murmelte Jake im Halbschlaf. Er streckte eine Hand aus und versuchte ihn zu fassen zu kriegen. Geschickt wich Isaak ohne hinzusehen aus. „John ist in La Push. Komm schon, wir müssen los.“

„Sag ihm, er soll später wieder kommen.“ Wehleidig seufzte Jake und drehte sich um. Die Botschaft war eindeutig, er wollte noch nicht aufstehen.

Mitten in der Tür zum Bad blieb Isaak stehen. „Schatz, wir sollten nachsehen was los ist. Das ganze Dorf ist in Aufruhr.“

Begleitet von einem zutiefst frustrierten Stöhnen öffnete Jake einen Spalt breit die Augen. „Was soll das heißen? Was hat er überhaupt hier zu suchen? Und was treibt er im Dorf?“

Isaak richtete seine Aufmerksamkeit auf Embry und Kamden. Durch ihre Sinne nahm er wahr, was vor Ort geschah. „Er diskutiert gerade mit einem stämmigen Mann, wie viele Bäume abgeholzt werden müssen. Ich glaube, es geht um die Zugangsstraße ins Reservat.“

„Was, so schnell? Ich habe erst in einigen Wochen mit ihm gerechnet.“ Gähnend stemmte sich Jake in eine sitzende Position und streckte sich. „Wir haben ihm doch erst gestern Nachmittag den Auftrag gegeben. Meine Güte. Das ist ein wenig zu viel Arbeitseifer, wenn du mich fragst.“

„Kann schon sein“, murmelte Isaak nachdenklich. Auf solche Dinge hatte er nie geachtet. Daher wusste er nicht, wie schnell solche Arbeiten verrichtet wurden. Seinem Empfinden nach stellte es sich so dar: Er ging einen schmalen Weg entlang. Weit und breit nichts als Felder. Bei seinem nächsten Besuch dieser Stelle, stand dort eine Stadt voller Menschen. So etwas war ihm schon häufiger passiert. Die Menschen ließen Städte wie Ameisenhügel aus dem Boden ragen. Einmal kurz blinzeln und schon sah alles anders aus. Bisher hatte er dem Faktor Zeit in diesem Zusammenhang wenig Beachtung geschenkt.

Am Rande bekam Isaak mit, dass Jake seinen Gedanken lauschte. „Na komm, lass uns duschen bevor La Push zu einer Weltmetropole heranwächst.“

Isaak runzelte die Stirn. War das eine Metapher oder ernst gemeint?

*

Weniger als eine halbe Stunde später erreichten sie La Push. Mittlerweile war das ganze Dorf auf den Beinen. In einem weiten Kreis standen sie um den kleinen LKW und beäugten die Eindringlinge kritisch. Sam und sein Rudel hielten sich am Waldrand versteckt, bereit einzugreifen, falls es nötig sein sollte.

Schnell schoben sich Isaak und Jake durch die Menge.

„John?“

„Guten Morgen, Big Boss“, sagte John als sie auf ihn zukamen. Er streckte Isaak aufgeregt eine Hand entgegen. „Guten Morgen, Jake.“

„Hi, John. Wir haben dich nicht so schnell erwartet“, murmelte Jake und schlug ebenfalls ein.

Bevor John zu einer Antwort ansetzen konnte, dränge sich Vincent vor. „Da seid ihr zwei ja endlich. Kommt, lasst euch drücken.“ Ohne zu zögern schloss er Jake, der zu perplex war um sich zur Wehr zu setzen, in die Arme. Zu allem Überdruss bekam sein Freund auch noch ein Küsschen rechts und links auf die Backe.

Alarmiert wachte Isaak genau über Jakes Geisteszustand. Derlei Verhalten könnte seinen Freund leicht in Rage versetzen. Der Schock über diesen Überfall verhinderte jedoch schlimmeres.

„Hi“, stammelte Jake neben sich stehend. Reflexartig schlang er einen Arm um den Mann und drückte Vincent kurz, die Küsschen erwiderte er aber nicht.

Anschließend war Isaak an der Reihe. Vorsichtshalber hielt er Vincent auf Abstand, in dem er ihm seine Hand hinhielt. Er wusste nicht, wie Jake auf diese Form der Begrüßung reagieren würde. In einem war er sich aber absolut sicher, sein Freund war sehr besitzergreifend. Da wollte er kein Risiko eingehen. Ein wild gewordener Wolf mitten im Dorf war das letzte, was sie gerade gebrauchen konnten.

Etwas enttäuscht gab sich Vincent mit einem Handschlag zufrieden.

Tadelnd mischte sich John ein: „Schatz, bitte. Das hier ist meine Arbeit, kein Kaffeekränzchen.“

„Man wird doch wohl noch hallo sagen dürfen.“ Vincent seufzte theatralisch und zog sich zurück. „Bin ja schon weg und spiele das brave Frauchen.“ Ein wenig eingeschnappt lehnte er sich an das schwarze Auto. Seine Aufmerksamkeit galt dabei seinem Handy. „Honey, das solltest du mit auf die Liste setzen. Der Empfang hier ist grauenhaft.“

„Ja, Schatz“, versichert John. Er warf Isaak und Jake einen entschuldigenden Blick zu. In dem Augenblick da er zu sprechen ansetzte, rief Jake: „Ist das ein Aston Martin DBS Coupé?“ Mit weit aufgerissen Augen ging er staunend auf das Auto zu.

Wie aus dem nichts tauchten Kamden und Embry neben ihm auf. Wobei, aus dem Nichts war es nicht. Isaak hatte sie nie aus den Augen verloren. Nur ein kleiner Teil seines Denkens war auf die Geschehnisse vor Ort gerichtet. Der überwiegende Teil war noch immer mit Berechnungen, Analysen und der Umgebungsobservierung beschäftigt. Für Isaak ein Normalzustand.

„Der Hammer, oder? Sieh dir die Ledersitze an, Bruder. Das ist ein Luxusschlitten ganz nach meinem Geschmack.“

„Ja, das stimmt.“ John grinste den Brüdern verlegen zu. „Ihr beiden kennt euch wohl aus.“

Ohne die Augen von dem Auto abzuwenden, fragte Jake: „Wie bist du da ran gekommen, John? Der kommt doch erst nächstes Jahr raus.“

„Als Geschäftsführer von Turner Industries habe ich viele Kontakte in den höchsten Kreisen. Geld regiert die Welt.“

„Darf ich mal unter die Haube sehen“, fragte Jake hibbelig, während er um den Wagen tänzelte.

„Aber klar doch, Boss. Hier, fang.“ Mit Leichtigkeit und überaus enthusiastisch, wie Isaak feststellte, wurden die Schlüssel von Jake aus der Luft gegriffen.

Wie zwei Kindergartenkinder deuteten Jake und Kamden auf verschiedene Dinge unter der Motorhaube. Offensichtlich waren sie nicht länger in der Realität, sondern in ihrer eigenen Welt. Der Welt der Pferdestärken, Motoren, Zahnriemen und vielem anderen mehr.

Irritiert runzelte Isaak die Stirn. „Geht das wirklich in Ordnung?“

Freundlich lächelnd antwortete John: „Selbstverständlich, Big Boss. Das ist immerhin ein Firmenwagen.“

Na, wenn das so war. Isaak zuckte mit den Schultern. Insgeheim speicherte er allerdings die Information ab: Jake mochte Autos. Dieses Wissen würde er zu gegebener Zeit noch zu nutzen wissen.

„Hey, John. Wenn du sagst, das ist ein Firmenwagen, dann gehört er Isaak oder?“ Jake sah auf. „Es spräche also nichts dagegen, wenn ich eine kleine Spritztour mache?“

„Tu dir keinen Zwang an. Wenn du es willst, kann ich das Auto auch direkt auf dich überschreiben.“

John kam näher und fragte Isaak flüsternd: „Es wird doch hoffentlich keinen Ärger geben, oder? Ich meine Jake ist erst sechzehn und hat noch keinen Führerschein.“

Mit einem leichten Grinsen versicherte er ihm: „Keine Sorge. Hier im Reservat fragt keiner danach. Zudem der Sheriff von Forks ein guter Bekannter ist. Nach der Angelegenheit mit meinem kurzen Aufenthalt in der Zelle, bezweifle ich stark, dass Charlie sich traut Jake anzuhalten.“

„Verstehe.“ John druckste ein wenig rum. Seine nächsten Worte waren sogar noch leiser. „Ich habe Vincent gegenüber Jakes Alter verschwiegen. Ist wohl besser so. Er würde sich sonst nur aufregen. Die Idee in die Bar zu gehen, kam immerhin von ihm. Auch wäre er bestimmt gegen diese Spritztour ohne einen Führerschein.“

Beruhigend legte Isaak ihm eine Hand auf die Schulter. „Glaub mir, ich kann Schweigen wie ein Grab.“

„Danke.“

Nur um auf Nummer sicher zu gehen, überprüfte Isaak Johns Gedankenmuster. Innerlich musste John schmunzeln. Wie immer war Isaak ein Rätsel für ihn. Wenn es um das Thema Geheimnisse ging, so kannte er niemanden, dem er mehr vertrauen würde. Denn immerhin hütete sein Boss die seinen mit Argusaugen. Nach beinahe jedem Gespräch mit Isaak blieb er mit mehr Fragen zurück als zuvor. John hatte schon längst aufgegeben aus ihm schlau zu werden. Das musste er auch nicht. Isaak war sein Boss und er tat, was dieser von ihm wollte, solange es keine verwerflichen oder illegalen Aufträge waren. Mehr musste er nicht wissen, um friedlich schlafen zu können.

Innerlich musste auch Isaak grinsen. Wenn John nur wüsste, was er alles übersah. Die Frage war nur, ob Johns Verstand mit all dem klar kommen würde. Isaaks enormer Wissensschatz würde einem normalen Menschen wohl den Verstand rauben. Beruhigt zog er sich aus Johns Gedanken zurück.

Vincent mischte sich mit geschürzten Lippen ein: „Wenn Jake den Wagen behält, wie kommen wir dann hier wieder weg?“

„Keine Sorge, Schatz. Ich rufe einfach ein Taxi.“

An Vincents Miene sah Isaak genau, wie sehr ihm diese Vorstellung zusagte. In diesem Moment erwachte der Aston Martin lautstark zum Leben. Kurz ließ Jake den Motor aufheulen, dann sah er aus dem offenen Seitenfenster. „Keine Sorge, Vincent. Ich nehme euch den Wagen nicht weg. Ich will nur eine Runde drehen. Bis später, Isaak.“ Er sah zu Kamden auf. „Komm schon, steig ein. Wenn du brav bist, lasse ich dich vielleicht auch mal ans Steuer.“

Isaak nickte ihnen zum Abschied zu. Vor versammeltem Dorf sollte er sich besser zurückhalten. Nicht, dass sein Geliebter noch böse auf ihn wurde, wenn er ihn in aller öffentlichkeit Schatz nannte.

Zum Glück lag die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf Jake, sonst hätte er mit seiner Magie eingreifen müssen. Kamden war so schnell auf dem Beifahrersitz gestiegen, dass es wohl jedem Menschen aufgefallen wäre.

Neben dem Auto verschränkte Embry die Arme und tippt missmutig mit dem Fuß auf den Boden. Aus dessen Gedanken erfuhr Isaak, dass er ein wenig sauer war. Kamden hätte ihn ja wenigstens fragen können. Durch ihre Prägung konnten sie sich nicht allzu weit voneinander trennen. Also musste Embry mitfahren.

Ein wenig bedröppelt stieg Kamden wieder aus und klappte den Sitz nach vorne. Begeleitet von gemurmelten Entschludigungen ließ er Embry auf dem winzigen Rücksitz Platz nehmen. Für einen gestandenen Mann, wie alle Wolfswandler es waren, gab es dort nicht viel Raum sich zu entfalten. Dementsprechend sank Embrys Laune noch weiter. Auch wenn er versuchte, Kamden nicht den Spaß zu verderben.

Innerlich schmunzelte Isaak. Die beiden waren schon ein süßes Paar. Murmelnd machten die Quileute dem Luxusschlitten Platz und Jake brauste davon.

Mental rief Isaak in die Rudelverbindung: “Paul, wärst du so nett, Billy bescheid zu gehen. Du kannst dann auch gleich dort bleiben. Ich denke nicht, dass es zu einem Kampf kommen wird.” Mit dieser Aussage hatte er den Wolfswandler in der Tasche. Der wollte eh nur das eine: Zu Rachel.

Schnell grummelte Paul: “Mach ich”, dann war er auch schon auf und davon.

„So, nun zu den wichtigen Themen“, begann Isaak und hob den Blick. „Warum seid ihr beiden hier?“

Vincent kam John zuvor und sagte: „Weil du meinem Freund einen Auftrag erteilt hast. John wartete schon seit Jahren darauf etwas für den Big Boss erledigen zu können. Da konnte er einfach nicht an sich halten sofort loszustürmen.“

„Schatz, bitte“, warf John ein. Sein Gesicht lief langsam rot an. „Das ist mein Boss, mit dem du da sprichst. Falls du es vergessen haben solltest, er bezahlt uns unseren Lebensstil.“

Angesäuert kniff Vincent die Augen zusammen.

Mit einem verhaltenen Räuspern wandte sich Isaak an ihn: „Das erklärt Johns Anwesenheit, nicht die deine.“

„Heute ist unser Jahrestag. Den wollte ich nicht allein zu Hause verbringen“, beschwerte sich Vincent, versuchte aber sich zu zügeln.

In diesem Augenblick erklang eine vertraute Stimme: „Hi Isaak. Was machen die Leute denn alle hier und wo hast du Jake gelassen. Ihr beiden klebt doch normalerweise immer aneinander.“ Seth zwängte sich durch die Menge.

„Guten Morgen, Seth. Leah.“ Missmutig sah Leah sich um: „Wer sind die Fremden?“

„Wenn ich euch vorstellen dürfte, das hier sind John Turner und sein Lebensgefährte Earl Vincent Elroy. John, Vincent, das hier sind die Geschwister Seth und Leah Clearwater.“

Er wandte sich an die beiden Wölfe. „Perfektes Timing. John und ich haben noch einiges zu besprechen. Wärt ihr so nett, Vincent ein wenig herumzuführen. Ihr könntet ihm den Strand zeigen.“

„Alles klar, machen wir. Komm, Vincent, wir zeigen dir alles. Das hier ist immerhin unser Revier“, schnatterte Seth vergnügt los. Ohne Scheu griff er nach dem Arm des anderen und zog ihn mit sich. Leah sah ihnen augenrollend hinterher.

Mental fügte Isaak hinzu: „Vergiss bitte nicht, die beiden sind normale Menschen. Sie wissen nichts über die übernatürliche Welt.“

„Ich passe auf“, versicherte Leah stumm und folgte ihrem Bruder.

Nun waren alle Unruhestifter beseitigt. Ob er jetzt endlich dazu kam, mit John zu reden? Ein wenig ärgerte ihn diese ganze Angelegenheit. Alles, was er wissen wollte, wusste er bereits. Kaum dass er in ihrer Nähe war, hatte er ihre Erinnerungen durchforstet. Zum einen eine Vorsichtsmaßnahme, zum anderen pure Neugierde.

Hier zu stehen und so zu tun, als ob er nichts wüsste, ging ihm gegen den Strich. Wie viel einfacher war seine Welt als er noch in den Schatten gelebt hatte. Dort musste er sich nie verstellen oder mit normalen Menschen rumschlagen. Jedoch würde er sich diese Zeit auch nicht zurückwünschen, da er ansonsten Jake nicht bei sich hätte.

Innerlich seufzte er. Dann wandte er sich erneut John zu, mit den Gedanken ganz woanders. „Was genau gedenkst du jetzt zu unternehmen? Und wer sind die anderen?“

John hob eine Hand und winkte die Gruppe Fremder zu sich. Bisher hatten diese das Geschehen beobachtet, ohne auch nur auf die Idee zu kommen einzugreifen. Isaak wusste auch wieso. John hatte ihnen allen Verschwiegenheitsklauseln vorgelegt und sie anschließend unterrichtet, wer der Kopf des ganzen Unternehmens war.

Großartig! Noch mehr Menschen, denen er einen Bann auferlegen musste. Nahm das denn nie ein Ende?

„Das hier ist Mrs. Darlyn Brown. Sie hat sich freiwillig gemeldet für den Posten der Projektmanagerin. Mr. Christan Blackwood kümmert sich um den Papierkram. Er redet mit den Behörden und überwacht das Budget. Dann haben wir den Leiter der Architekten: Willhelm Schmidt. Zu guter Letzt den Leiter der Bauabteilung: Frank Stone.“

Der Reihe nach traten sie vor und schüttelten Isaak die Hand.

“Ich freue mich Sie kennenzulernen, Mr. Wächter.”

“Sehr erfreut.”

“Der Big Boss. Welch Ehre Ihnen zu begegnen.”

Als letztes war Daryln an der Reihe. Äußerlich schien sie die Ruhe selbst zu sein. Isaak ließ sich aber nicht täuschen. Er war in ihrem Kopf. Während sie eine einstudierte förmliche Begrüßung runter ratterte, bei der sie sich auf gute Zusammenarbeit freute, sprach sie in Gedanken etwas vollkommen anderes:

“Meine Güte ist der heiß. Hoffentlich werde ich nicht rot. Ganz ruhig. Nur nicht den Faden verlieren … Seine Hände sind so weich. Ach, wie neidisch ich bin. Warum müssen die bestaussehensten Männer immer schwul sein? Die Welt ist so ungerecht.”

Isaak prägte sich geistesabwesend sämtliche Daten ein. Größe, Haarfarbe, Körpermaße, Gedankengänge und vieles mehr. Er bezweifelte diese Information jemals zu benötigen, aber er ging bei sowas immer auf Nummer sicher. Auch ihre Auren speicherte er sofort. Anhand derer würde er jeden einzelnen aufspüren können, egal wo dieser sich befand. Seinem Blick entging nichts. Außer Morgana. Aber die zählte nicht. Sie schützte sich mit Magie vor ihm.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, mittlerweile hatte er allen einen Bann auferlegt, war die Begrüßungsrunde zu Ende und sie konnten weitermachen.

John trat vor und erklärte: “Nach deinem Anruf habe ich eine Notfallsitzung des Aufsichtsrates einberufen. Es kommt immerhin nicht jeden Tag vor, dass ich einen Auftrag von dir erhalte. Ich habe bereits alles in die Wege geleitet.

Alle Abteilungen arbeiten auf Hochtouren. Die Rechtsabteilung zum Beispiel ist mit den Behörden im Dialog. Sie kümmern sich um die Bau- und Transportgenehmigungen. Wir werden wohl so einige Straßen und Autobahnen sperren lassen müssen, um alle Teile für die Bauprojekte hierher zu bekommen.”

Gelangweilt hörte Isaak seinen Ausschweifungen zu. Angemessen für diese Informationen wäre wohl eine gehobene Augenbraue. Oder?

“Keine Sorge, Boss. Die bekommen das hin. Sie alle sind Experten in ihrem Metier. Bevor wir jedoch beginnen können, müssen wir die Straße ausbauen. Darüber hatten wir gerade gesprochen als ihr zu uns kamt.”

Die Dorfbewohner um sie her begannen zu murmeln. Was sie hörten, schien ihnen nicht zu gefallen. Isaak ließ den Blick schweifen. Für die Ureinwohner war es sicher sehr seltsam, dass hier Fremde über solche Dinge sprachen.

In der Menge entdeckte er zwei bekannte Gesichter. “Sue, Quil, würdet ihr bitte zu uns kommen.”

Mental nahm er Kontakt mit Sam auf. “Du bitte auch. Billy ist auch gleich da. Dann sind alle beisammen.”

“John, das hier sind Sue Clearwater und Quil Ateara III. Sie gehören zum Ältestenrat und sind im Bilde.” Isaak hob einen Finger und deute zum Waldrand: “Das dort ist Sam Uley. Er wird Jake in den Angelegenheiten des Stammes vertreten.”

Er sah genau, wie Sam die Augenbrauen hob. Damit hatte der zweite Alpha nicht gerechnet. Aus seinen Gedanken erfuhr Isaak, dass er angenommen hatte: Isaak würde als Freund des Leitwolfs den Macker raushängen lassen. Was auch immer diese Formulierung bedeuten sollte.

Erneut gab es eine Runde Händeschütteln, während alle sich vorstellten. Auch wenn das sehr nervig war, musste es sein. Es war eine wohl überlegte Verzögerungstaktik. Billy würde gleich da sein und Isaak hatte kein Interesse sich Johns Vorträge zwei mal anzuhören. Wenn es nach ihm ginge, müsste John gar nichts mehr sagen. Isaak war bereits bestens Informiert.

Während John seinen kurzen Eingangsmonolog abhielt, traf dann auch Billy ein. Nun war die Runde komplett. Isaak zog sich ein wenig zurück. Er hatte nicht vor sich groß einzumischen. Das hier war Jakes Projekt nicht das seine.

Nachdem dann die Begrüßung des Häuptlings abgeschlossen war, wandte Billy sich an die Dorfbewohner. Diese hatten mittlerweile begonnen laut zu tuscheln. “Bitte beruhigt euch. Ich erkläre, was hier los ist.”

Isaak sah genau, wie er schwer schluckte. Bei Billy vermied er es in dessen Gedanken einzudringen. Er hatte schlicht und einfach keine Lust auf das Gezeter dieses Mannes.

“Isaak Wächter hat sich bereit erklärt eine Spende zum Erhalt des Dorfes zu tätigen. Ich weiß, dass Gerüchte die Runde machen, wonach mein Sohn schwul ist.” Er senkte kurz den Blick und sammelte sich.

Isaak sah ihn nachdenklich an. Was hatte er vor? Würde das schon wieder ein Schlag gegen Jake und ihn werden?

“Das ist die Wahrheit. Dieser Mann hier”, Billy deutete auf ihn, “ist sein fester Freund.

Der Ältestenrat ist nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, dass Homosexualität nicht länger als verwerflich angesehen werden darf. In diesem Zusammenhang haben wir der großzügigen Spende zugestimmt. Alle sind eingeladen der heutigen Besprechung beizuwohnen.”

Etwas eingeschüchtert sahen sich John und die seinen um. Nicht alle Blicke der Dorfbewohner waren ihnen wohlgesonnen.

“Niemand muss der Modernisierung seines Hauses zustimmen. Es ist eure Entscheidung, ob ihr das Angebot annehmt, oder ausschlagt. Bei allen allgemeinen Themen entscheidet, wie stehts, der Ältestenrat.”

Billy drehte sich zu den Neuankömmlingen um. “Wir können beginnen.”

“In Ordnung”, stammelte John eingeschüchtert. Er rückte seine Seidenkrawatte zurecht und räusperte sich. “Als erstes sollten wir über die Straße reden. Mr. Stone?”

Frank, ein stämmiger Mann Mitte vierzig trat vor. “Um die Bauarbeiten wie geplant auszuführen, müssen wir die Zugangsstraße ausbauen. In Anbetracht der bevorstehenden Modernisierungen und des damit entstehenden Tourismus, würde ich eine zweispurige Straße vorschlagen. Daneben können wir die Rohrleitungen verlegen.”

“Wäre es nicht besser, unter der Straße einen Schacht zu graben und in diesem die Leitungen zu verlegen? Das würde eine Modernisierung in einigen Jahren erleichtern und einen stetigen Zugang gewährleisten.”

Alle starrte Isaak an. Verdammt, er hätte sich besser nicht einmischen sollen.

Frank rang die Hände miteinander. “Das stimmt schon, wäre aber wesentlich teurer. Auch wird so etwas hier zu Lande kaum gemacht. Es geht ja auch nur um die Wasser- und Abwasserleitungen. Strom verlegen wir mittels Oberleitungen.”

“Nein.” Isaak verschränkte die Hände vor der Brust. “Keine Oberleitungen. Die zerstören das Ambiente. Zudem vereinbart wurde, so wenig Wald wie möglich abzuholzen. Die Natur darf nicht beschädigt oder verschandelt werden.”

“Mr. Turner, bitte sagen sie etwas dazu.” Erwartungsvoll wandte sich Frank an John. Dessen Miene wurde hart. Er hob einen Finger und tadelte: “Mr. Stone, Geld spielt keine Rolle. Sie sind der Bauleiter und werden alles Menschenmögliche veranlassen, um die Wünsche von Mr. Wächter umzusetzen. Sollten Sie sich diesem nicht gewachsen sehen, dann suche ich mir einen anderen für den Job.”

Resigniert ließ Frank den Kopf hängen. “Keine Oberleitungen und unterirdische Wasser- und Abwasserleitungen, wie sie wünschen Mr. Wächter.”

“Gut, damit wäre das geklärt.” Isaak lächelte freundlich. Auf John war verlass. Und je mehr Geld er hier ausgab, um so besser.

Sie versammelten sich um den Tisch und gingen den Verlauf der Straße im Detail durch. Der Ältestenrat hatte wenig zu bemängeln in diesem Bereich. Immerhin hatte Isaak die für sie wichtigsten Punkte bereits geklärt. Die Quileute lebten im Einklang mit der Natur, demnach hätten sie die Pläne mit der Oberleitung eh abgelehnt. Zumal die Wölfe von dem Brummen der Strommasten verrückt werden würden. Nach dieser kleinen Show, wagte es niemand mehr Isaak zu widersprechen.

Die Arbeiten an der Straße würden in den nächsten Tagen beginnen. Dafür hatte John schon den Kauf eines großen Bauunternehmens in Seattle angeordnet. Bis die fabrikneuen Bagger, Kräne, Raupen und sonstigen Baumaschinen angeliefert wurden, sollte der Straßenumbau mit den vorhanden Geräten möglichst abgeschlossen sein. Die in die Jahre gekommenen Maschinen wurden in diesem Augenblick bereits auf LKWs verladen.

Als nächstes sprachen sie kurz über die Häuser des Dorfes. In diesem Punkt mischte vor allem Darlyn stark mit. Das Dorfbild zu modernisieren war ihr Herzensprojekt. Schon immer wollte sie ein ganzes Dorf ihrem Ermessen nach umgestalten. Allerdings übertrieb sie es ein wenig mit ihren Vorstellungen. Ein Marterpfahl aus Stahl wurde vehement von den Ältesten abgelehnt. Auch alle Häuser mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten scheiterte lautstark.

Am Ende einigten sie sich darauf, die Aussenfassaden möglichst intakt zu lassen, jedoch mit den modernsten Baustoffen das Innenleben umzugestalten. Bei der Frage, wer alles ein solches Haus wollte, wurde es Ruhig. Niemand wollte der Erste sein. Die meisten Quileute waren mehr als skeptisch aufgrund diese Überfalls aus heiterem Himmel.

Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, entschied der Ältestenrat, dass sie ihre Häuser als erstes anpassen würden. Anschließend konnte jeder für sich entscheiden, ob er oder sie das wollte oder nicht.

Als nächstes war die Schule dran. Hier setzte sich Darlyn erfolgreich durch. Dieses Gebäude sollte zum Vorzeigeobjekt für das Dorf werden. Mr. Schmidt stand der Schweiß auf der Stirn. Er sah sich mit einer enormen Herausforderung konfrontiert, denn er musste diese Vorstellungen in einen Bauplan umsetzen.

“Glaswände: Hier, hier und hier. Hier einen weiten Bogen. Ich will keine harten Ecken sehen. Alles muss perfekt ineinander übergehen.” Sie sah auf die grobe Zeichnung herab. “Diese Wände müssen weg.”

“Aber das sind tragende Wände, das geht nicht”, protestierte Mr. Schmidt.

“Ist mir egal, die müssen weg. Setzen Sie sich mit der Technologieabteilung in Verbindung. Die sollen sich etwas einfallen lassen.”

Isaak schmunzelte. An dieser Stelle würde er wohl unterstützend eingreifen müssen. Mit Hilfe seiner Technologie sollte es kein Problem sein, die Konstruktion zu stabilisieren. Die Frage war nur, wie er das unbemerkt umsetzen konnte?

Die Diskussion verlagerte sich zu den Offshor Windanlagen. Hier gab es gewaltigen Gegenwind. Keiner der Quileute wollte sich die Aussicht durch dutzende Windräder verbauen lassen.

Isaak dachte kurz nach und ward dann ein: “Dann nutzen wir eben die Gezeitenkräfte. Kein Problem. Solche Aggregate werden unter Wasser gebaut. Von ihnen geht weder eine Umweltverschmutzung noch eine Beeinträchtigung der Meerestiere aus. Damit ist das Problem vom Tisch.”

Zu spät bemerkte er, dass ihn alle entgeistert anstarrten. Diese Technologie war wohl noch nicht erfunden. Verdammt. Ob er sich da wieder rausreden konnte? Zur Not würde er allen das Gedächtnis löschen.

“Ich frage gar nicht erst, wie du an dieses Wissen gelangt bist. Die Technologieabteilung arbeitet in der Tat an solchen Aggregaten. Jedoch sind diese noch nicht einsatzbereit.”

Wenn schon daran gearbeitet wurde, konnte er mit kleinen Stupsern an den richtigen Stellen die Entwicklung bestimmt beschleunigen. Innerlich seufzte er. Am liebsten würde er das Dorf einfach an den Geothermal-Reaktor anschließen. Das würde die Energieversorgung für mehrere Jahrhunderte sicherstellen. Aber wie sollte er das bitte erklären? Dann eben der Umweg über eine experimentelle Energiegewinnung.

“Ich werde mich darum kümmern. Nächstes Thema.”

Isaak sah genau, wie einige zögerten, doch keiner wagte es zu widersprechen.

“Wie wäre es mit einer eigenen Kläranlage?”, fragte Darlyn.

“Darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Aber es wäre nur logisch.” Nachdenklich ließ John seine Gedanken schweifen. “Wenn wir dieses Dorf zu einem Vorzeigeprojekt in Sachen Umweltschutz und Ökologie machen wollen, dann benötigen wir selbstverständlich eine passende Kläranlage. In diesem Zusammenhang sollten wir vielleicht auch über Gewächshäuser sprechen.”

So ging die Besprechung weiter. Von Jake fehlte weiterhin jede Spur. Über ihre Verbindung konnte er fühlen, dass es ihm gut ging. Mehr als gut. Jake jubelte und gönnte sich eine ausgiebige Testfahrt. Wie oft würde er in seinem Leben die Gelegenheit haben so ein Auto zu fahren?

Isaak schmunzelte und begann eigene Pläne zu schmieden.

Stunde Null

Jake

Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit jagte Jake über den Highway. Sein Bruder jubelte neben ihm. “Hör dir diesen Sound an. Der schnurrt wie ein Kätzchen. Der Schlitten ist der Hammer. Nicht wahr, Kleiner?”

“Wenn du meinst”, antwortet Embry schleppend. “Er fährt, toll.”

“Ach, du verstehst das nicht.” Kamden drehte sich im Sitz leicht um und sah zu Embry. “Sag bloß, das lässt dich kalt. Diese handgearbeiteten Ledersitze. Das schwarz glänzende Armaturenbrett. Die Kraft der Beschleunigung.”

“Du Affe.”

“Nicht streiten ihr beiden”, mischte sich Jake ein und sah in den Rückspiegel. Embry grinste, wieso das denn?

“Wir streiten uns nicht”, brummte Kamden neben ihm. Er setzte sich wieder richtig hin. “Darf ich dann jetzt mal eine Runde drehen? Komm schon, du fährst schon über eine Stunde.”

Nachdenklich warf Jake seinem Bruder einen Seitenblick zu, während er langsamer wurde. “Stört es dich nicht, dass Embry dich Affe nennt?”

“Nö, kein Stück.” Kamden zuckte mit den Schultern und rutschte hibbelig auf dem Sitz umher. “Das ist mein Kosename.”

Ganz nach Vorschrift setzte Jake den Blinker, um rechts anzuhalten. “Ich dachte, Esel wäre dein Kosename.”

“Ist es auch.” Mit diesen Worten stieg Kamden aus. In Windeseile hatte er den Wagen umrundet. Nun stand er neben der offenen Fahrertür und wartete ungeduldig.

Jake seufzte. Das war nicht wirklich eine erhellende Antwort auf seine Frage.

“Ich lege mich nicht auf einen speziellen Kosenamen fest”, erklärte Embry auf einmal. “Ich passe ihn immer an die Umstände an.”

Jake wandte sich ihm zu und fragte: “Wie meinst du das?”

“Wenn er sich dämlich verhält nenne ich ihn Esel. Bei übertriebener Eitelkeit Pfau.”

“Und wofür steht der Affe?”

“Verrückt”, rief Kamden von draußen. “Übergeschnappt. Jetzt weißt du es, also raus aus dem Wagen, ich bin dran.”

Kopfschüttelnd stieg Jake aus. Die beiden verstanden sich auf eine Ebene, die er nur zu gut kannte. Er erlebte das Gleiche mit Isaak. Bestimmt redeten sie mental miteinander, oder ließen zumindest ihren Gefühlen freien lauf. In der Verbindung konnte er nichts von den beiden wahrnehmen. Bestimmt nutzten sie die Kräfte seines Anhängers.

Jake verstand das sehr gut. Außer Isaak wollte auch er niemanden ständig in seinem Kopf haben. Oder immer alles offenbaren. Diese Zeiten waren vorbei.

Unbewusst strich er liebevoll mit den Fingern über seinen magischen Talisman. Er hatte ihm nie dafür gedankt. Bei Gelegenheit musste er sich bei Isaak erkenntlich zeigen. Ob sein Freund Schmuck mochte? Wie wäre es mit einer dicken Goldkette?

“Nicht so mein Fall. Aber wenn es von dir kommt, dann würde ich sie tragen. Vorausgesetzt du erlaubst mir sie zu modifizieren. Wenn ich so etwas anziehe, dann sollte es auch einen Zweck erfüllen”, erklang es sogleich in ihrer ganz privaten Verbindung zueinander.

Jake seufzte. Wenn er solche Überlegungen anstellen, sollte er sich besser abschotten. Sonst wäre die Überraschung dahin.

Während er seinen Platz räumte, um als Beifahrer mitzufahren, sah er nach, was zu Hause los war.

“Hab ich was im Gesicht oder warum grinst du mich so seltsam an?”, fragte Kamden ihn.

Schnell schüttelte Jake den Kopf und erklärte: “Mein Freund ist mega genervt vom normaler Mensch spielen.”

“Was meinst du?”, fragte Embry von hinten.

“Wie ihr wisst tickt mein Freund eben anders als normale Menschen. Er weiß bereits, was alle sagen werden bevor sie es sagen. Somit könnte er direkt zum Ergebnis übergehen, aber das geht nicht. Das würde sehr seltsam auf alle wirken, die nichts über seine Kräfte wissen.”

Kamden ließ den Motor aufheulen. Offenbar hatte er kein Wort mitbekommen. Er war ganz auf das Auto fixiert, das konnte Jake ihm nicht mal übel nehmen. Dieser Wagen war aber auch ein ganz besonderes Schmuckstück.

Eine Weile lang düsten sie weiter die Straße entlang als sich abermals Isaak meldete: “Nur zur Info: Vor euch befindet sich eine Radarfalle. Zwei Polizisten stehen versteckt hinter der nächsten Werbetafel und kontrollieren die Geschwindigkeit der Autos.”

Den Begriff Radarfalle hatte sein Freund bestimmt aus seinen Gedanken aufgeschnappt. Jake wie auch Kamden sahen auf den Tacho. Sie fuhren in etwa doppelt so schnell als erlaubt war.

Schnell bremste sein Bruder auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit runter. “Dein Lover ist echt praktisch. Hätten die uns erwischt, wäre mein Lappen weg gewesen.”

“Ich habe nicht mal einen”, gestand Jake leichthin. Beim Vorbeifahren warfen alle drei Insassen einen Blick auf die Polizisten. Das wäre überstanden.

Kaum dass sie außer Reichweite der Gesetzeshüter waren, gab Kamden abermals Gas.

*

Knapp eine Stunde später meldete sich Isaak mental: “Jake, ich will euch zwar nicht den Spaß verderben, aber ich könnte hier ein wenig Unterstützung gebrauchen.”

“Wir sind auf dem Weg.” Jake hob den Blick und sagte laut: “Ab nach Hause.”

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Kamden am Kopf kratzte. “Wo lang geht es? Ich kenne mich hier nicht aus.”

Während Embry einsprang und die Route vorgab, ließ sich Jake von Isaak auf den neuesten Stand bringen. Die meisten Projekte waren bereits besprochen. Zurzeit lief eine hitzige Diskussion über das Design einer Recyclinganlage.

Auf Darlyn würde Jake aufpassen müssen. Ihre Ideen waren nicht schlecht, aber so wie sie sich das vorstellte, würde die Anlage wie ein abgestürztes Alien-Raumschiff aussehen. In diesem Punkt schloss sich Jake den Dorfbewohnern an: Zu futuristisch.

Als sie das Dorf erreichten war es bereits Mittag. Sie mussten leider einen Zwischenstopp an der Tanke einlegen. John wäre bestimmt nicht sehr erfreut ein leeres Auto zurückzubekommen.

Wie Jake befürchtet hatte, musste nun auch er sich der überschwänglichen Begrüßung aller stellen. In ihren Augen war er immerhin die Nummer zwei in der Hierarchie.

“Ich denke, alle könnten eine kleine Stärkung vertragen. Forks hat zwar keine Edelrestaurant, aber das Diner macht den besten Auflauf in der Gegend. Den kann ich nur empfehlen.”

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. “Ich bin mir nur nicht sicher, ob unsere Hausmannskost euren kulinarischen Ansprüchen genügt.”

Waren das die richtigen Worte? Normal redete er frei Schnauze. So gestochen zu formulieren war nicht seine Welt. Aber als zweiter Boss hatte er das Gefühl, etwas beweisen zu müssen.

Beschwichtigend legte John ihm eine Hand auf die Schulter: “Keine Sorge, Boss. Wir sind zum arbeiten hier. Hausmannskost ist genau das Richtige. Damit bleibt der Focus auf dem Projekt. Eine grandiose Idee.”

“Gut, ich habe noch zu tun und werde erst später wieder zu euch stoßen”, sagte Isaak in die Runde.

“Hey, Moment mal. Du willst mich doch nicht mit denen allein lassen oder?”, fragte Jake mental.

In seinem Kopf bekam er eine Antwort: “So wie du mich den ganzen Morgen?”

Ok, den Konter hatte er wohl verdient.

“Ich benötige noch einige Stunden volle Konzentration für meine Berechnungen, um die dimensionale Verschiebung einzuleiten. Mein Primärziel ist es Morgan le Fay auszuschalten. Danach gehöre ich ganze dir.”

“Versprochen?” Jake konnte es sich nicht verkneifen seinem Freund zu zeigen wonach ihm der Sinn stand. Zugegeben, das Auto hatte ihn eine Weile abgelenkt, aber nun war er wieder ganz auf seinen Liebsten gepolt. Sobald die Bedrohung beseitigt war, würde er ihm sprichwörtlich das Hirn rausvögeln. Er nahm sich fest vor, seine letzte Leistung noch zu toppen.

“Da bin ich mal gespannt, mein dauergeiles Wölfchen.”

“Hey”, schnaubte Jake in die Verbindung hinein. “Ich bin sechzehn, ich darf das.”

“Ach, nun bist du wieder sechzehn. Normalerweise willst du als Älter angesehen werden.”

Diesen Kommentar überging er einfach. Er wusste, wie es gemeint war. Die Emotionen seines Freundes lagen für ihn offen. In der Realität wandte er sich Isaak zu. “Dann bis später.”

Viel zu lange schon hatte er sich geduckt und versteckt, damit war ein für alle mal Schluss. Er überwand die kurze Distanz zwischen ihnen und gab Isaak einen sanften Abschiedskuss. Mental sagte er: “Ich liebe dich.”

“Ich dich auch”, wurde ihm ins Ohr geflüstert. Sie ließen voneinander ab, dann trennten sich ihre Wege.

Während Isaak langsam Richtung Wald verschwand, bestiegen alle ihre Autos. Gemeinsam fuhren sie nach Forks, Jake hatte sich bei seinem Vater ins Auto gesetzt.

Kamden hingegen hatte so lange auf Embry eingeredet, bis dieser bereit war bei John und Vincent mitzufahren. Wie die Sardinen zwängten sie sich auf den Rücksitz. Während Kamden strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wirkte Embrys Lächeln sehr gekünstelt. Jake war sich sicher, dass sein Kumpel da nur mitspielte, um Kamden eine Freude zu machen.

Ohne große Worte lehnten Sam, Sue und Opa Quil ab. Sie zogen es vor zu Hause zu essen. Der Rest fuhr in einem silbernen Audi A8. Ebenfalls ein Firmenwagen von Turner Industries. Normalerweise wäre Jake beim Anblick dieses Autos euphorisch geworden, doch neben dem Aston Martin wirkte der A8 geradezu schlicht. Dennoch war es ein schönes Auto.

*

Beim Mittagessen versuchte Jake unbeschwerte Freude auszustrahlen, auch wenn er die Bande am liebsten stehen gelassen hätte. Innerlich war er geknickt. Selbst das Essen im Unterwasser-Stützpunkt würde er vorziehen, wenn nur Isaak bei ihm wäre. Da musste er jetzt durch. Dennoch schwor er sich, mit seinem Freund fein essen zu gehen, sobald alle wichtigen Dinge erledigt waren.

Jake wollte unbedingt Pärchenzeit mit Isaak verbringen. Da gehörte ein Candlelight Dinner ebenso dazu wie Picknicken gehen. Gemeinsam im Kino sitzen und Händchen halten wäre doch was feines. Ja, er konnte sich viel vorstellen, solange nur sein Freund bei ihm war.

“Sag mal, wie geht es Bella und Edward. Ich hoffe, die beiden haben alles gut überstanden”, fragte John ihn aus heiterem Himmel.

Jake blinzelte. Überstanden? Einen Augenblick musste er nachdenken, was genau John meinte. Sie hatten so viel erlebt. Einen Flugzeugabsturz, die Außenposten der Wächter, einen Angriff von magisch modifizierten Werwölfen. Von all dem wusste John nichts. Daher nahm Jake stark an, es ging um die Angelegenheit in der Disco.

“Bella hat sich schnell erholt. Sie hatte ja nur einen Schluck. Und Edward ist nahezu unverwüstlich. Um den musst du dir keine Sorgen machen.”

“Die beiden leben doch hier, oder? Ich würde ihnen gerne mal hallo sagen”, mischte sich Vincent von der Seite ein.

Jake legte den Kopf leicht schief. Das war keine so gute Idee zwei Menschen in ein Haus mit Vampiren zu stecken. Andererseits waren die Cullens harmlos.

Durch das Fenster fiel sein Blick zufällig auf den Aston Martin. Auf seinem Gesicht breitete sich ein fieses Grinsen aus. Nun könnte er so einige Demütigungen dieser reichen Schnösel zurückzahlen. Denen würden die Augen raus fallen.

“Wenn ihr wollt, können wir nach dem Essen kurz bei ihnen vorbeischauen. Bella wird sich freuen, euch wiederzusehen.”

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie John die Stirn runzelte. “Einfach so? Ohne Ankündigung?”

Ganz auf seine Rache fixiert, zuckte Jake mit den Schultern. “Keine Sorge, die können das ab. Die tauchen ja auch immer unangemeldet auf.”

“Wenn du meinst”, seufzte John mit ungläubigem Unterton.

“Nur eine Kleinigkeit”, sagte Jake und wandte sich ihm zu. “Ich fahre. Denen wird hören und sehen vergehen. Rache ist Blutwurst.”

Vincent hob nachdenklich eine Augenbrau. “Reden wir noch immer von Bella und Edward? Ich dachte, ihr seid Freunde.”

Verschlagen grinste Jake ihn an: “Bella ist meine beste Freundin. Edward und seine Familie gabs gratis dazu. Auf die kann ich verzichten. Wir können uns nicht riechen.”

Vielleicht färbte Isaaks Art auf ihn ab. Aber es gefiel ihm solche kryptischen Andeutungen zu machen. Es war nichts als die Wahrheit. Vampire stanken entsetzlich, daran gab es keinen Zweifel. John und Vincent würden das aber anders verstehen.

Frech grinste Jake in sich hinein. Er konnte es kaum erwarten seinen Plan in die Tat umzusetzen. Aus den Augenwinkeln sah er seinen Vater den Kopf schütteln. Offenbar hatte Billy Mühe sich ein Grinsen zu verkneifen. Freudig machte Jakes Herz einen Hüpfer. Die Beziehung zu seinem Vater schien sich allmählich wieder einzurenken. Noch ein Pluspunkt. Auch die Ansprache vor dem Dorf hatte Jake mitbekommen, durch Isaaks Ohren. Das hielt er seinem Vater zu gute.

Sie sahen sich an. Nun grinste auch sein Dad. So sollte es sein. So war es richtig. Sein Leben hatte zu den alten Bahnen zurückgefunden. Und als Bonus hatte er Isaak obendrauf bekommen. Der ganze Stress der vergangen Monate hatte sich mehr als nur gelohnt.

*

Nachdem alle gesättigt waren, bestiegen sie die Autos. Darlyn und die ihren fuhren hinter Billy zurück nach La Push. Embry und Kamden setzten sich ab. Die würden ein wenig im Wald als Wölfe umherstreifen. Da sich Sam mit seinem Rudel heute um die Grenzen kümmerte, sprach nichts dagegen.

Von einem zum anderen Ohr grinsend lenkte Jake den Luxusschlitten auf direktem Weg zu den Cullens. Gleich war es soweit. Allerdings gab er ihnen eine kleine Vorwarnung. Als er in den Feldweg zu ihrem Haus einscherte, öffnete er sich ein wenig und sprach in Gedanken: “Hi, Edward. Ich hoffe, du kannst mich hören. John und Vincent sind bei mir. Die beiden wollen unbedingt dir und Bella hallo sagen. Wir sind in wenigen Minuten da. Sag deiner Familie, sie soll sich auf menschlichen Besuch einstellen.”

Während er seine Gedanken wieder verschloß feixte er stumm vor sich hin. Die würden nun sicher wild umherrennen und alles vorbereiten. Immerhin mussten sie den Schein wahren.

Schon von weitem sah er ein Polizeiauto vor dem Gebäude stehen. Charlie war also da. Na, großartig. Dann waren die Vampire bereits im Menschen-Modus. Schade eigentlich, aber da kann man wohl nichts machen.

Absichtlich ließ er den Motor laut aufheulen, bevor er parkte. Mal sehen, wer seinem Lockruf erliegen würde. Edward und Emmett ganz bestimmt. Bei Jasper war er sich nicht so sicher. Stand der überhaupt auf Autos?

Zu seiner großen Überraschung war es Rosalie, die als erstes auf die Veranda trat. Sie starrte zu ihnen herunter. Mund und Augen weit aufgerissen.

Jake konnte es einfach nicht lassen. Kaum war er ausgestiegen rief er ihr zu: “Na Blondie. Was hältst du von dem kleinen Flitzer.”

Ohne seine Wolfssinne wäre ihm ihre gehauchte Antwort wohl abhanden gekommen: “Ein Aston Martin DBS Coupé. Der ist doch noch gar nicht auf dem Markt. Wie ist der Köter da ran gekommen?”

Etwa das selbe murmelte auch Edward, der sich zu seiner Schwester gesellt hatte. Er hingegen fügte eine Vermutung hinzu: “Ob Isaak da seine Finger mit im Spiel hat? Genug Geld hat er ja.”

Während John und Vincent ein wenig eingeschüchtert ausstiegen, fuhr Jake mit einer Hand über die schwarz glänzende Oberfläche des Daches und rief: “So ein Schmuckstück bekommt man nicht jeden Tag zu sehen. Selbst wenn man stinkreich ist.”

Wie ein Zombie näherte sich Rosalie dem Auto. Auf die Besucher achtete sie kein bisschen. Edward, der perfekte Kavalier, riss sich augenblicklich zusammen und begrüßte sie: “John, Vincent, schön euch wieder zu sehen. Seid willkommen. Kommt doch rein. Bella wird sich freuen euch zu sehen.”

Im Gegensatz zu den Menschen, sah Jake genau, dass seine Freundlichkeit nur gespielt war. Auch wenn selbst Jake kaum die leichte Zornesfalte in seinem Steingesicht ausmachen konnte. Ihre Anwesenheit ging dem Untoten wohl gegen den Strich. Bestimmt wollte dieser seine Bella nicht mit so vielen Personen teilen. Tja, da musste die Discokugel nun durch.

Angekommen im Haus stellten sich erstmal alle vor. Dabei warfen Vincent und John Charlie seltsame Blicke zu. Wie es schien hatte keiner von beiden die Angelegenheit mit Isaaks Gefangennahme vergessen.

Bella hingegen freute sich aufrichtig und verwickelte alle drei Menschen in ein Gespräch. Für ihn hatte sie nur eine Umarmung übrig. Aber das war schon in Ordnung. Jake würde noch mehr als genug Zeit mit ihr verbringen können. Bis in alle Ewigkeit, wenn man so wollte.

Ein wenig war Jake jedoch eingeschnappt. Sein geplanter Streich hatte weniger Wellen geschlagen als erhofft. Nebenbei bemerkte er, dass lediglich Rosalie fehlte. Ob sie noch draußen beim Auto war?

Ein Blick aus der gläsernen Front bestätigte seinen Verdacht. Blondie tänzelte ausgelassen um das Auto. Ihre Augen glänzten dabei.

Bevor er sich nach draußen stehlen konnte, fing ihn Edward ab. “Was machen die beiden hier? Und warum hast du sie zu uns gebracht?”

Jake seufzte, seine Rache an Rosalie würde wohl noch warten müssen. Gelangweilt erzählte er Edward den Grund für Johns und Vincents Anwesenheit.

*

Den gesamten Nachmittag verbrachten sie bei den Cullens. Die Vampire versorgten die Menschen sogar mit Kaffee und Kuchen. Das musste Jake ihnen lassen, sie taten alles um den Schein zu wahren. Nur ihm fiel auf, dass sie keinen Bissen aßen. Als perfekt eingespieltes Team taten sie so, als ob sie sich ein Stück genehmigten, nur um dieses dann schneller als die Menschen es sehen konnten aus dem Fenster zu werfen. Einer nach dem anderen lenkte sie die Aufmerksamkeit auf sich, damit ihr Schwindel nicht auffiel.

Sein Geliebter wäre bestimmt nicht so erfreut über diese Verschwendung, aber was blieb den Vampiren anderes übrig? Wenn sie Menschennahrung zu sich nahmen, so erklärte es Edward ihm als er nachfragte, dann würde das in ihrem Magen liegen bleiben. Zu gegebener Zeit müssten sie das Zeug dann hochwürgen, da ihre Körper das nicht verarbeiten konnten.

Jake konnte nur den Kopf schütteln. Vampire waren und blieben eklig.

Plötzlich änderte sich etwas. Alle Farben wichen aus seinem Gesichtsfeld. Ein grauer Nebel legte sich vor seine Augen und ließ Jake hinter den Schleier der Realität blicken. Das Haus war weg, ebenso der Wald umher. Er befand sich in einer leblosen Einöde.

Erschrocken ließ er die Gabel fallen. Wie in Zeitlupe wandten sich alle ihm zu. Bestimmt war er kreideweiß im Gesicht. Nein, nicht schon wieder ein Angriff. Nicht jetzt. Nur noch ein paar Stunden, dann wäre diese verdammte Magierin Geschichte gewesen. Doch hatte diese offenbar nicht vor sich so einfach ausschalten zu lassen.

Jake hob den Blick und starrte mit weit aufgerissenen Augen zu Edward. “Die Welt ist grau”. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Edward verstand augenblicklich was los war. Immerhin hatte Jake schon mal so reagiert, kurz bevor ihr Flugzeug von einer Rakete vom Himmel geschossen worden war.

Noch ehe einer von ihnen einen Finger rühren konnte, stand Isaak neben dem Tisch. “Wir werden angegriffen!”

Evakuierung

Isaak

Seine volle Konzentration war auf die Berechnungen fokussiert. Nur noch wenige Formeln, dann konnte Isaak eine dimensionale Verschiebung erzeugen. Die Abwehrsysteme der Zitadelle zu umgehen würde ihn zwar etwas Zeit kosten, aber mehr als eine halbe Stunde kalkulierte er dafür nicht ein. Nach seinem Plan würde er in etwa einer Stunde das Virus freisetzen können. Dann wäre das Kapitel Morgan le Fay ein für alle Mal beendet.

Aus heiterem Himmel beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Etwas stimmte nicht. Schnell gab er einen Logarithmus in die Hauptkonsole ein. Eine Notfallabsicherung. Die KI wäre somit in der Lage die Formeln selbst zu berechnen, wenn auch wesentlich langsamer, als er es konnte.

Erst dann konnte er seine Aufmerksamkeit auf sein Gespür lenken. Etwas Schlimmes bahnte sich an. All seine Sinne schlugen Alarm. Schnell warf er einen Blick nach Forks und erschauderte. Hinter dem Schleier der Realität sah er eine mögliche Zukunft.

Forks existierte nicht mehr, ebensowenig wie das Dorf der Quileute und ein Großteil des Waldes. Anhand der tiefen Krater im Boden schloss Isaak auf einen Beschuss mit Langstreckenraketen. Nichts und niemand würde diesen Anschlag überleben. Nicht einmal die Vampire hätten eine Chance. Sie würden Opfer des Feuers werden.

So schnell er konnte rannte Isaak los. Noch im Laufen gab er der KI unzählige Befehle in der Sprache der Wächter. Bisher waren Morgan le Fays Angriffe ein Ärgerniss und gegen ihn oder Jake gerichtet. Doch jetzt würde sie sich Nachhaltig in den Lauf des Lebens einmischen. Das war absolut Inakzeptabel. So etwas konnte er nicht zulassen. Selbst wenn es ihm das Leben kosten würde, er musste eingreifen und sie aufhalten. Die Zukunft allen Lebens stand auf dem Spiel.

Kaum hatte er die Aufstiegsplattform erreicht, wurde er auch schon teleportiert, genau so wie er es beabsichtigt hatte. In diesem Augenblick spürte er Jakes Panik über ihre Verbindung. Um seinen Freund nicht zu verunsichern, hatte Isaak seine Emotionen abgeschirmt. Doch nun hatte auch Jake einen Blick hinter den Schleier erhascht. Selbst wenn sein Gefährte nur einen Bruchteil des gesamten Ausmaßes erfassen konnte, reichte das bereits aus, um ihn in Panik zu versetzen. Das hätte Isaak Jake gerne erspart, aber nun konnte er das nicht mehr ändern.

Der größte Teil seines Verstanden war damit beschäftigt die Umgebung zu sondieren, die Raketen zu suchen, ihre Flugbahnen zu analysieren und vor allem anderen Gegenmaßnahmen auszuarbeiten.

Vollkommen kopflos stürzte Isaak in das Haus der Familie Cullen. Neben dem Tisch kam er zum Stillstand. Er hatte weder die Zeit noch die Nerven Rücksicht auf die nicht eingeweihten Menschen zu nehmen.

“Wir werden angegriffen!” Nach dieser Aussage fokussierte sich Isaak auf die Bedrohung. Etliche Langstreckenraketen wurden gerade in geheimen Militärstützpunkten in der ganzen USA abgeschlossen. Er konnte nur von Glück sprechen, dass sie aufgrund ihrer Flugbahnen unterschiedlich lange benötigen würden, um sie zu erreichen.

Glück aber auch Unglück zugleich. Wären sie alle auf den Einschlag getimt, so hätte er vielleicht eine Kettenreaktion auslösen können. Nun aber musste er sich um jede einzeln kümmern. Die erste, eine Atomrakete aus einem nahen Stützpunkt an der Grenze zu Kanada, würde in weniger als drei Minuten einschlagen.

Edward stand schneller als menschenmöglich auf und begann: “Was …”

“Keine Zeit zu reden. Schnappt euch die Menschen und dann alle sofort zur Aufstiegsplattform, wenn ihr leben wollt.”

Isaak hatte keine Zeit mehr. Ohne auf die anderen zu achten, hob er seine Hände und schoss durch die Decke, dem Himmel entgegen. Die entsetzten Laute weit unter sich blendete er vollkommen aus. Augenblicklich wob er einen Zauber und schoss einen Lichtstrahl ab.

In der Ferne traf seine Magie auf die Atomrakete, die sich noch in der Atmosphäre befand und brachte diese erfolgreich zur Detonation.

“Beeilt euch!”, schrie Isaak so laut er konnte, wobei er sich bereits auf das nächste Ziel konzentrierte.
 

Jake

“Was soll das?”

“Was war das?”

“Was ist hier los?”

Rosalie, Edward und Carlisle sprachen wild durcheinander.

Kreideweiß im Gesicht antwortete Jake mechanisch: “Das war eine Atombombe.” Aus der Fensterfront Richtung Kanada spähend betrachtete er gebannt den entstandenen Atompilz.

“Jake!”, mahnte Isaak ihn mental, während sein Freund einen weiteren Lichtstrahl abschloss. Eine zweite Rakete explodierte.

Die Wächter arbeiteten im Geheimen. Dass Isaak sich offen zeigte und wie ein Laser-Abwehrgeschütz die Raketen angriff, ohne dabei darauf zu achten, wer ihn sieht, offenbarte Jake in aller Deutlichkeit, wie ernst die Lage war.

“Alle zur Aufstiegsplattform. Edward, du nimmst Bella. Emmett, schapp dir Vincent. Carlisle, du übernimmt Charlie.” Während Jake sprach warf er sich John über die rechte Schulter. Wie gebannt sahen die Menschen zum Fenster raus. Die Vampire hingegen fassten sich schnell.

In dem Augenblick, als John ein erschrecktes “Was?” zum besten gab, hatten sie die Plattform bereits erreicht.

Während Edward Bella auf dem Rücke behielt, setzten Emmett, Carlisle und Jake ihre Passagiere auf dem silbernen Boden ab.

Wie aus dem nichts erschien Isaak in ihrer Mitte. “KI, Notfallprotokoll A72Delta!”

Fast alle, die die die Stimme der KI nicht kannten, zuckten zusammen als diese Antwortete: “Verstanden. Schilde auf Maximum. Leite Phasenverschiebung ein. Aufstieg auf fünfhundert Meter.”

Um sie her baute sich die allzu bekannte bläuliche Barriere auf, während die Plattform in die Höhe schoss.

Jake warf einen Blick in die Runde. Während die Vampire ratlos zu Isaak starrten, zeigten die Menschen unterschiedliche Reaktionen. John war leichenblass im Gesicht. Weder Vincents hysterisches Geschrei, noch die Tatsache, dass dieser sich hilfesuchend an ihn klammerte, schien John mitzubekommen. Die zwei hatten wohl eine Art Schock erlitten. Sie würden noch eine Weile benötigen, bis sie wieder ansprechbar waren.

Charlie hingegen blinzelte immer wieder und sah zwischen Bella und Edward hin und her. Jake konnte es gut in seinen Augen sehen. In Charlies Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Offenbar versuchte er alle Puzzlestücke zu einem sinnvollen Bild zusammenzusetzen. Ein Unterfangen, das ihm ohne weitere Hilfe wohl nicht gelingen würde. Wäre die Situation nicht so brenzlig, hätte Jake sich liebend gerne dessen Theorien angehört.

Jake konnte es den Unwissenden nicht verdenken. Das war dann doch etwas viel auf einmal. In ihren Augen Menschen mit Supergeschwindigkeit, eine fliegende Plattform mit einer Barriere, wie aus einem Science-Fiction-Film und dann noch die auf sie zu fliegenden Raketen.

Einzig Bella schien gefasst. Innerlich war aber auch sie aufgeregt. Ihre weißen Knöchel und die Art wie sie sich an Edward klammerte, zeigen Jake eindeutig, dass sie Angst hatte. Bestimmt war auch sie mit der Situation überfordert.

Jakes Blick wanderte weiter, bis er seinen Freund vor sich sah. Es war surreal. Mal hier mal da schoss Isaak weitere Lichtstrahlen ab. Entfernt sah er dabei aus wie ein übergeschnappter Leuchtturm. Durch das Schutzschild hindurch sah Jake im Hintergrund die eine oder andere Explosion. Offenbar waren die Raketen mit diversen Sprengköpfen bestückt, da sie in unterschiedlich großen Feuerbällen aufgingen.

Eine der Raketen flog unbeirrt auf sie zu. Noch ehe Jake Isaak auf diese Aufmerksam machen konnte, preschte das Geschoss knapp an ihnen vorbei.

Die Vampire stoben an den Rand der Plattform und sahen zu, wie ihr Haus durch eine gewaltigen Explosion zerrissen wurde. Gleichzeitig stießen Alice, Rosalie und Esme einen spitzen Schrei aus: “Meine Kleider!” - “Meine Autos!” - “Unser Zuhause!”

Auf der Plattform stehend bekamen sie außer dem, was sie sehen konnten, nichts mit. Weder einen Lufthauch noch den Lärm ließ die Barriere hindurch. Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie ein Trümmerstück von unten durch den Boden geflogen kam. Edward der nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte schlug nach dem Betonbrocken. Jedoch glitt seine Hand einfach hindurch, als ob er nur Luft getroffen hätten. Anschließend durchdrang das Trümmerteil seine rechte Schulter, ohne einen sichtbaren Schaden zu verursachen.

“Phasenverschiebung”, kommentierte Isaak dieses Ereignis. Dann wandte er sich an den Rest der Cullens. “Meine Magie ist begrenzt, daher konzentriere ich mich auf die Atomraketen”, erklärte Isaak entschuldigend. “Meine Primärziel ist es Leben zu retten. Gebäude kann man wieder aufbauen.”

Sowie die Vampire dreinsahen, waren diese wohl anderer Meinung. Allem voran Alice und Rosalie schienen darüber aufgebracht zu sein, ihre weltlichen Güter verloren zu haben.

“Kurze Atempause.” Schnell warf Jake seinem Freund einen Blick zu. Isaak schien erschöpft, er atmete bereits schwer. Anhand ihrer Verbindung wusste Jake, dass er über die Hälfte seiner Magie eingebüßt hatte.

“Geht es dir gut? Sollen wir diese Seelennummer durchziehen?”, fragte Jake besorgt in ihre Verbindung hinein.

“Nein”, antwortete Isaak mental. “Es geht schon. Mit den Raketen werde ich so fertig. Unsere Geheimwaffe sollten wir nur in allergrößter Not einsetzten. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, woher die Energie stammt und ob das unseren Seelen schaden zufügt.”

Mit seiner Stimme befahl Isaak: “KI, Positionsänderung: 47°54'28.0 Nördliche Breite zu 124°38'08.0 westliche Breite.”

“Verstanden”, antwortete die KI ergeben.

“Würdest du uns bitte mal erklären, was hier los ist?”, fauchte Edward verstimmt. Alle Vampire sammelten sich um Jake und seinen Freund. Dieser sah an Edward vorbei und begann zu reden: “Bella, ich schicke dich und die anderen Menschen gleich ins zoologische Forschungsinstitut. Kläre die anderen auf und macht euch bereit weitere Flüchtlinge zu empfangen.”

An Edward gewandt erklärte er, wobei er gleichsam mental zu allen Wolfswandlern sprach: “Morgan le Fay greift uns an. Das war nur die erste Angriffswelle. Die Zweite zielt auf La Push und die Dritte auf Forks. Wir müssen umgehend die Bevölkerung evakuieren.”

“Aber …”, warf Carlisle ein.

“Kein aber. Schluss mit Verstecken. Entweder ihr helft mir Menschenleben zu retten oder ihr geht mir aus den Augen. Ab sofort herrscht Krieg.” Noch während er sprach, hob Isaak eine Hand und schoss einen Lichtstrahl ab, direkt durch Esmes Brust. Während die Vampire scharf die Luft eingesogen, erfolgte weit weg eine Explosion.

Entgeistert fuhr Carlisle den Körper seiner Frau ab. “Du bist nicht verletzt. Wie kann das sein?”

“Phasenverschiebung”, meinte Isaak ungeduldig. “Meine Magie und alles andere außerhalb des Schildes durchdringt uns einfach, ohne uns zu beeinträchtigen. Selbst wenn diese Rakete direkt in unsere Mitte explodiert wäre, hätten wir nichts abbekommen. Alles außerhalb der Barrierer aber schon.”

Nun sahen alle zu der Explosion der letzten Rakete. Ein weiterer Atompilz erstrahlte am Himmel und zeigte allen in welcher Gefahr sie schwebten.

Augenblicklich brachen die Vampire in eine lautstarke Diskussion aus.

Weder Isaak noch Jake beachteten sie. Während sein Freund erneut Laserstrahlen von sich gab, koordinierte Jake sein Rudel: “Sam, schnapp dir Emily und bring sie zum Dorfplatz. Das gilt für jeden geprägten Wolf.” Jake wusste, dieser Befehl war nicht gerade allgemein vertretbar. In einer solchen Situation durften sie keinen Ausnahmen machen. Aber er wusste auch, dass kein gebundener Wolf auf ihn hören würde, solange ihre Partnerinnen nicht in Sicherheit waren.

“Anschließend koordiniert Sam mit seiner Alphastimme die Evakuierung. Treibt alle Bewohner zusammen und verfrachtet sie auf die Plattform. Notfalls mit Gewalt.”

Die Vampire hatten sich ebenfalls entschieden. Am Ende war es Carlisle, der sagte: “Ich werde helfen. Menschenleben zu retten ist schon seit langem mein Lebensziel. Aber ich werde keinen von euch aufhalten, wenn er oder sie sich in Sicherheit bringen will.” Nach diesen Worten wagte es keiner seines Zirkels mehr zu widersprechen.

Insgeheim fragte sich Jake, wohin sie denn hätten fliehen wollen? Morgan le Fay würde sie aufspüren, ganz gleich wo sie sich verkriechen würden.

“KI, Notfallprotokoll Delta 7 einleiten”, befahl Isaak als sie La Push erreichten.

“Verstanden. Phasenverschiebung und Tarnmodus offline. Semipermeable Schilde auf maximum. Leite Abstieg ein. Teleportationssequenz auf Zehnsekundenintervall. Ziel: Zoologisches Forschungsinstitut.”

Es gab einen Lichtblitz und die vier Menschen unter ihnen waren verschwunden. Augenblicklich plusterte sich Edward auf. “Wo ist Bella?”

Isaak war vollständig mit dem Abschuss der Raketen beschäftigt, daher war es Jake der wütend fauchte: “Im Unterwasserposten, du Hornochse. Hast du nicht zugehört, oder was?”

“Und warum sind wir dann noch hier?”

“Weil die Plattform aktuell nur normale Menschen teleportiert. Das haben die Wächter so eingestellt”, offenbarte Jake sein Wissen. Als Isaak den Notfallbefehl erteilt hatte, war dieser in Gedanken kurz die Auswirkungen durchgegangen, daher wusste nun auch Jake bescheid.

Während die Plattform landete, sprang Isaak auf einen hohen Baum. So etwas hatte Jake schon erwartet, immerhin hatte sein Freund somit freie Schussbahn.

Um sie her schrien einige der Dorfbewohner auf. Auch die Leute von Johns Bautrupp stolperten ängstlich rückwärts. Es musste schon sehr bizarr für die normalen Menschen aussehen, wie sie einfach so mit einer schwebenden, nur wenige Zentimeter dicken Plattform mitten im Dorf landeten. Isaaks Sprung und dass er weiterhin Lichtstrahlen um sich schoss, erledigte dann den Rest.

“Keine Panik, ich kann das erklären …”, begann Jake, aber keiner hörte ihm zu. Auch Billy versuchte sich Gehör zu verschaffen, es klappte jedoch nicht. Vollkommen außer sich machten einige kehrt und wollten davonlaufen, dann trafen die Rudel ein.

Wie angewurzelt blieben die panischen Quileute stehen als die Wölfe aus dem Wald traten. Emily ritt auf Sams Rücken, sowie Kim auf Jared und Rachel auf Paul. Quil trat aus dem Wald und es gab einen erneuten Aufschrei der Menge. Jake konnte nicht anders als sich die Hand ins Gesicht zu klatschen. Der große schokoladenfarbene Wolf trug eine Babytragetasche in den Zähnen. Durch seine Hast rann sein geifer auf Claire herunter, die aufgeregt quietschte und giggelte.

So ein Vollhorst, schoss es Jake durch den Kopf. Wie musste das nur für die Dorfbewohner aussehen.

“Emily, nimm Quil Claire ab, bevor hier alle in Ohnmacht fallen oder die Mistgabeln rausholen. Ihr anderen treibt die Leute zusammen. Alle auf die Plattform und zwar zackig.”

“Sollen wir sie etwa mit Gewalt auf die Plattform bringen?”, fragte Carlisle angespannt.

“Ja”, knurrte Jake. “Wir haben keine Zeit für Nettigkeiten. Sobald Isaak seine Magie aufgebraucht hat, wird jeder sterben, der noch hier ist. Vergiss bitte nicht, Forks muss ebenfalls evakuiert werden.”

Auf diese Aussage hin schossen die Vampiere davon, alle außer Esme. Diese seufzte schwer und sagte: “Ich halte das für keine gute Idee Gewalt anzuwenden, aber wir müssen sie retten.” Dann schloss auch sie sich ihrer Familie an.

Die Dorfbewohner wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Die Vampire schnappten sich einen nach dem anderen. Die meisten standen bereits auf der Aufstiegsplattform ehe sie begriffen, was los war.

Emily, mit Claire in den Armen, Rachel und Kim rannten auf Jake zu und stellten sich neben der Plattform auf. Zum großen Unmut der geprägten Wölfe mussten sie hier bleiben. Sollten sie sich wegteleportieren, dann würden sie ihre Prägungspartner töten, aufgrund der Distanz zwischen ihnen.

Ein Lichtblitz später und schon waren die ersten zwanzig Leute in Sicherheit.

Die Wölfe zogen, gesteuert von Sam, einen Kreis um die Leute, während die Vampire sie weiter einsammelten. Allem voran Emmett schien das sehr viel Spaß zu machen. Zum Glück waren die meisten Bewohner sowieso schon auf dem Platz gewesen, um sich über die Bauarbeiten zu informieren.

“Dad, Sue und Opa Quil, ihr geht mit der nächsten Fuhre mit. Versucht die Leute zu beruhigen. Bella wird euch helfen euch zurecht zu finden. Sie kennt die Befehle für die KI.”

Unsicher sah sein Vater ihm in die Augen. Jake wollte sich gerade abwenden, als Billy ihm eine Hand auf die Schulter legte. “Als Alpha ist es deine Pflicht unser Volk zu beschützen. Ich bin stolz auf dich.”

Unsicher wie er auf diese Worte reagieren sollte, blinzelte er seinen Vater an. Dieser wandte sich von ihm ab und bestieg die Plattform. “Führe das Rudel zum Sieg, mein Sohn.”

Ein Lichtblitz und Billy war weg, zusammen mit den Ältesten.

Jakes Herz machte einen Sprung. Ohne sein Zutun schlich sich ein Grinsen in sein Gesicht. Ihre familiäre Bande schienen gerettet zu sein. Somit würde sich alles zum Guten wenden. Vorausgesetzt sie überlebten das hier.

Schnell schüttelte er den Kopf und half nun selbst mit die Leute auf die Plattform zu stellen.

Nach nur wenigen Minuten hatten sie den Platz geleert. Dank Edwards Gedankenlese-Fähigkeit konnten sie die übrigen Bewohner schnell ausmachen und einfangen. Keine zehn Minuten waren vergangen, da war das Dorf vollständig evakuiert.

Jake sprang auf die Plattform und befahl: “KI, Teleportationssequenz abbrechen.”

“Verstanden”, antwortete die KI ohne zu zögern.

“Alle aufsteigen, nächster halt Forks”, rief Jake zu den Umstehenden. Vampire, Menschen und nackte Gestaltwandler zwängten sich auf die Plattform. In Wolfsgestalt hätten sie es nicht geschafft alle unterzubringen.

Hier und da gab es ein Knurren oder Fauchen, wenn sich ein Vampier und ein Wolf berührten, aber alles in allem blieb es friedlich.

Jake warf einen letzten Blick umher, dann hob er den Kopf und spähte zu seinem Freund empor.

Er wollte gerade etwas sagen, da sprang Isaak zu ihnen. Zielgenau landete er auf der Plattform. “KI, Positionsänderung: 47°56'56.3 Nord zu 124°23'07.5 West.”

“Wie sollen wir das alles den Volturi erklären?”, fragte sich Jasper laut. “Das wird gewaltigen Ärger geben.”

Jake wusste, dass sein Freund diesen für ihn sinnlosen Einwurf schnell abblocken wollte, daher sagte Isaak resolut: “Eins nach dem anderen. Wobei ich persönlich die Volturi nicht als ein Hindernis ansehe.”

Bevor eine Diskussion entstehen konnte, setzte die Plattform zum Landen an. Direkt auf der Hauptstraße neben Bellas Schule setzten sie auf. Die Menschen hier reagierten allerdings gänzlich anders als im Reservat.

In dem Augenblick in dem sie den Boden berührten waren sie bereits von dutzenden Leuten umringt, die mit gezücktem Handy neugierig näher traten. In einer Kleinstadt wie Folks, in der nie etwas Aufregendes geschah, stellte die Landung einer unbekannten fliegenden Scheibe mit überwiegend nackten Männern darauf eine faszinierende Abwechslung dar.

Irritiert sah Jake in die Menge um sich herum. Kamden neben ihm grinste von einem Ohr zum anderen und rief laut: “Lebet lang und in Frieden.” Um seine Wort zu unterstreichen hielt sein Bruder eine Hand in die Höhe. Seine Finger bildeten eine Art doppeltes V. Zeige- an Mittelfinger von Ring- an Kleinem-Finger und Daumen gespreizt.

Entfernt konnte Jake sich daran erinnern, das schon mal in der Glotze gesehen zu haben. War das nicht die Geste aus einem dieser Science Fiction Filmen? Dunkel erinnerte er sich an einen Typen mit spitzen langen Ohren, ein Alien oder so was.

Isaak ließ sich von dem Aufruhr nicht aus der Ruhe bringen und sprang zielgenau auf den Fahnenmast der Schule. Kaum dort angekommen schoss er auch schon den ersten Lichtstrahl ab.

Jake, der seinem Freund hinterher gesehen hatte, schüttelte den Kopf und besann sich seiner Aufgabe. “Alle runter von der Plattform. Ich muss die Teleportation wieder einschalten.”

Alle sprangen ab, wodurch sie die Menge ein wenig zurückgeschoben. “KI, Notfallprotokoll Delta 7 einleiten.”

Er wartete das Gebrabbel der weiblichen KI nicht ab und rief: “Alle die nicht Sterben wollen, ab auf die Plattform. Wir bringen euch in Sicherheit.”

Zu gerne würde er die irritierten Blicke der Umstehenden genießen, aber dafür hatten sie keine Zeit. “Dann eben wie in La Push”, brüllte er und schnappte sich eine der Schülerinnen vor sich. Er glaubte, sie schon mal in Bellas Gesellschaft gesehen zu haben, konnte sich aber nicht mehr an ihren Namen erinnern. In dieser Situation war das auch vollkommen egal.

Während das Rudel gemeinsam zu Wölfen wurde und die Leute umkreiste, sammelten die Vampire die Menschen ein. Nachdem die erste Fuhre wegteleportiert wurde, ändere sich die Stimmung umher. Die Menschen gerieten in Panik und wollten davonrennen, jedoch ließen die Wölfe keinen entkommen.

Fünf Minuten später hatten sie die gesamte Schule, sowie alle umstehenden Gebäude geräumt. Von nun an würde die Evakuierung länger dauern. Forks war zwar eine Kleinstadt, aber sie hatten immer noch knapp dreitausend Einwohner. La Push mit seinen rund zweihundertfünfzig Bewohnern einzusammeln schien da wie ein Kinderspiel gegenüber ihrer jetzigen Aufgabe.

Aber es half nichts, sie mussten so viele retten wie nur möglich. Die Vampire schossen wie Gewehrkugeln umher, während die Wölfe die Leute vor sich her treiben, wie Hirtenhunde eine Schafherde.

Jake stand neben Sam an der Plattform und half mit alles zu koordinieren. Auf einmal sprach Isaak ihn mental an: “Es kommen keine Raketen mehr.”

Noch ehe Jake zu ihm hochschauen konnte, stand sein Freund bereits vor ihm. Isaak sah schlecht aus. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht und er zitterte stark. Auch ohne zu fragen wusste Jake, dass sein Geliebter die Grenzen seiner Magie fast erreicht hatte. Mehr als zehn Raketen hätte er nicht mehr aufhalten können.

Isaaks Stirnrunzeln gefiel Jake gar nicht. Einen winzigen Augenblick hatte er aufgeatmet und sich der Illusion hingegeben, gewonnen zu haben. Doch dem war nicht so. Auch Jake konnte hinter den Schleier sehen. Die Welt sah nun anders aus. Was bis eben noch eine Kraterlandschaft gewesen war, wich einem anderen Bild des Grauens.

Halb zerfallene Gebäude, der Boden schwarz und leblos. Kein einziges Lebewesen war zu sehen, nicht einmal eine Pflanze. Es war mehr ein Gefühl, aber eines wusste Jake, an diesem Ort lauerte der Tod. So stellte er sich eine postapokalyptische Welt vor. Ohne Leben im tristen Grau des Vergessens.

Was auch immer auf sie zukam, es war genauso verheerend wie einen Atombombe. Wenn nicht sogar noch schlimmer. Innerhalb einer Millisekunde zu verdampfen wäre wohl ein angenehmeres Schicksal, als das, was nun geschehen würde.

Ein gewaltiger Gedankenstrom schwappte über ihre mentale Verbindung zu Jake herüber. Isaak dachte angestrengt nach und suchte nach einem Ausweg. Jake konnte nicht anders und blockte die Gedanken ab. Das war einfach zu viel für seinen Verstand. Schnell schüttelte er sich, um den Kopf frei zu bekommen.

Noch ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, setzte sich sein Freund im Schneidersitz direkt vor der Plattform auf die Straße. Er legte die Hände in einer Meditationshaltung auf die Beine und begann seine letzten Magiereserven zu aktivieren.

Wenn Jake es richtig verstand, wollte Isaak eine Art Sammelrufzauber weben. Jeder Mensch im Umkreis von zehn Meilen würde der Befehl eingepflanzt werden hierher auf die Plattform zu kommen, so schnell sie nur konnten. Das würde die Evakuierung bedeutend beschleunigen, aber zu welchem Preis? Isaaks Magie wäre dann vollkommen aufgebraucht. Sie wären somit auf sich gestellt.

Jakes Nackenhaare stellten sich auf. All seine Sinne kündeten eine enorme Gefahr an. Zeit zum Reagieren hatte er keine. Aus den Augenwinkeln sah er, wie eine Gestalt neben ihnen erschien. Mit erhobenen Händen schoss die Person einen Strahl, so schwarz wie die Nacht, gegen Isaak.

Sein Freund war noch immer mit seinem Zauber beschäftigt und konnte sich nicht zur Wehr setzten. Der Schattenstrahl, Jake wusste nicht wie er diesen Angriff sonst bezeichnen sollte, traf Isaak, hüllte ihn komplett ein.

Jake blinzelte und sein Freund war nicht mehr da.

Kampf der Magie

Jake

Einen Herzschlag lang glaubte Jake Isaak wäre tot, doch dann bemerkte er seinen Irrtum. Sein Geliebter lebte, aber er war nicht mehr in der Nähe. Der Angriff hatte ihn weit weg geschleudert. Isaak war verletzt, das konnte Jake spüren, aber er lebte.

Ein schrilles Lachen erklang, das Jake die Haare zu Berge stehen ließ. Er wandte sich der Person zu und erschrak. Vor ihm stand eine Frau. Nach allem was er wusste, konnte es sich hierbei um keine andere als Morgan le Fay handeln. Diesmal in Fleisch und Blut. Kein Schatten wie beim letzten Mal.

Ihre langen schwarzen Haare wogten bei ihrem Lachen hin und her. Siegesgewissheit lag in ihrem zeitlosen, marmornen Gesicht, wobei ihre blauen Augen kalt und erbarmungslos auf ihn gerichtet waren. Heute trug sie ein altertümliches, weinrotes Abendkleid, dessen Rüschensaum über den Boden schleifte.

Jake ballte die Hände zu Fäusten. Er würde nicht kampflos untergehen. Neben ihm knurrte Sam, auch er machte sich bereit, um den Feind anzugreifen.

In diesem Augenblick schnippte Morgana mit den Fingern. Sein ganzer Körper versteifte sich. Kein einziger Muskel wollte Jake noch gehorchen. Während er in Menschengestalt angreifen wollte, steckte Sam mitten in der Verwandlung fest. Weder Mensch noch Wolf, war Sam zu einer fleischigen Masse erstarrt. Ein hilfloses Winseln ging von dem deformierten Körper aus.

Morgan le Fay sah Jake direkt in die Augen, während sie langsam auf ihn zukam und vor ihm stehen blieb. “Dein Leben zu nehmen wäre so einfach.”

Jake konnte spüren, wie sie mit einem Fingernagel seinen Hals entlangfuhr, als ob sie ihm die Kehle aufschneiden wollte.

“Doch wäre dies zu einfach. Der Wächter, mein ewiger Feind, soll leiden, wie ich es einst tat. Sei dankbar. Ich gewähre dir, einen letzten Zweck zu erfüllen, bevor du ins Nichts gehen wirst.”

Erneut schnippte sie mit den Fingern.

Dunkelheit hüllte Jake ein. Als er wieder etwas sehen konnte strauchelte er und fiel zu Boden. Alles drehte sich in seinem Kopf. Auch wenn es ihm gerade nicht viel half, so war er von dem Bann erlöst. Er konnte sich bewegen, aber mehr als seinen Mageninhalt auszuspucken blieb ihm nicht.

Was immer diese verdammte Magierin mit ihm gemacht hatte, er war ihr vollkommen wehrlos ausgeliefert.

“Morgan le Fay, lass ab von deinem Weg. Du wirst diese Welt zugrunde richten.” Während diese Worte in seine Ohren drangen, sprach Isaak gleichzeitig mental zu ihm: “Wie geht es dir? Hat sie dich verletzt?”

“Geht so”, murrte Jake in ihre Verbindung hinein. Der Kampf war noch nicht zu Ende und er würde nicht tatenlos am Boden liegen.

Mit aller Gewalt unterdrückte er den Würgereiz. Dann hob er den Kopf und sah sich um. Sie befanden sich irgendwo außerhalb seines Reviers, so viel war ihm klar. Wo genau, das konnte er nicht sagen. Die Bäume um ihn her kamen ihm nicht bekannt vor. Müsste er raten, so würde er sagen, sie waren irgendwo in Kanada oder Alaska. Die schneebedeckten Nadelbäume und die weiße Umgebung würden jedenfalls passen.

Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung, mitten im Nirgendwo. Weit und breit war weder ein Licht oder sonst ein Zeichen der Zivilisation zu erkennen.

Keine drei Meter entfernt von ihm lag Isaak am Boden. Seine Glieder waren entsetzlich verrenkt und er konnte sich offenbar nicht bewegen. Aus mehreren kleinen Wunden tropfte sein Blut zu Boden.

Bei diesem Anblick drehte sich Jake erneut der Magen um. Schnell ermahnte er sich zur Ruhe. Isaak war ein Wächter, ein mächtiges magisches Wesen. Durch ihre Verbindung wusste er, dass er seinen Magie fast vollständig aufgebraucht hatte, deshalb konnte er sich nicht bewegen. Die kleinen Schnittwunden waren nicht lebensbedrohlich, also kein Grund den Kopf zu verlieren.

Vor ihnen erschien Morgana, mitten auf der Lichtung. Siegessicher grinste sie, während sie seinen Liebsten mit einem verächtlichen Blick musterte.

“Viele Jahre habe ich mich nach meinem Sieg verzehrt. Nun ist die Rache mein. Diese Welt wird mir gehören. Sie alle werden mir huldigen. Mir, der größten und einzig wahren Zauberin aller Zeiten.”

“Wofür willst du Rache üben?”, fragte Isaak. “Ich habe dir nie ein Leid zugefügt.”

“Du wagst es mich zu belügen?” Aufgebracht stampfte Morgana mit einem Fuß auf den Boden. “Ich kenne die Wahrheit. Du hast mich hintergangen.”

Jake spannt die Muskeln an. Diese durchgedrehte Magiern beachtete ihn nicht. Sie war ganz und gar auf Isaak fixiert. Das war seine Chance.

Langsam stand er auf. Er würde diesem Spuk nun ein Ende bereiten, ihr das Herz rausreißen. Sie musste sterben. Nur so konnte er die Welt retten.

Vorsichtig setzte er einen Fuß auf Morgana zu. Weiter kam er nicht. Ohne hinzusehen schnippte sie mit den Fingern. Abermals erstarrte Jake zur Salzsäule, gefangen in seinem eigenen Körper.

“Welch Torheit”, schnaubte Morgan le Fay. “Niemand kann es mit mir aufnehmen. Die Rache ist mein.”

Die Stimme seines Freundes drang in seine Ohren: “Morgana, bitte. Komm zur Vernunft. Ich habe dich nie hintergangen. Unsere Wege hatten sich nie gekreuzt.”

Ob das funktionieren würde? Aus Isaaks Gedanken wusste Jake, dass sein Freund versuchte eine diplomatische Lösung zu finden. Jake glaubte nicht daran. Diese Frau war irre. Mit solchen Leuten konnte man nicht reden. Doch waren ihm die Hände gebunden. Unfähig etwas zu unternehmen, hörte er sich den verbalen Schlagabtausch an.

Morgan le Fay rümpfte die Nase und konterte: “Du hast uns beobachtet.”

“Ja, das stimmt.”

“Uns studiert.”

“Auch das entspricht der Wahrheit.”

“Du hast meinen Schüler verdorben. Ihn als Waffe gegen mich eingesetzt.”

“Was? Nein. Das stimmt nicht. Ich …”

Sie hob einen Finger und zeigte damit auf Isaak. Noch ehe er seinen Satz beenden konnte, schoss sie einen Schattenstrahl ab. Diesmal zeigte ihre Magie Wirkung. Ein klaffendes, qualmendes Loch prangte auf Isaaks Brust.

“Für all deine Schandtaten werde ich dich zur Rechenschaft ziehen.”

Ihr boshaftes Lachen riss Jake aus seinem Schock. Sie hatte Isaak verletzt, ihm eine schwere Wunde zugefügt. Verzweifelt kämpfte Jake gegen ihre Magie an und scheiterte. Er konnte nicht einmal den kleinen Finger bewegen.

Sein Freund hatte nicht einmal gezuckt als der Schattenstrahl ihn verwundete. Konnte es gar nicht. Sie beide waren außer Gefecht gesetzt. Somit blieb ihnen nur noch, ihre Trumpfkarte zu spielen.

Mental griff Jake nach seinem Liebsten und drang in dessen Verstand ein. “Lass es uns tun. Es muss sein.”

Isaak seufzte: “Es gefällt mir zwar nicht, aber wir haben wohl keine andere Wahl mehr.”

“Euer Ende naht.”

Erschreckt wandten sich Jake und Isaak synchron um. Dort stand Morgana. Aber, wie konnte das sein? Das hier war die Gedankenwelt seines Liebsten. Wie hatte sie es geschafft hier einzudringen?

Als hätte sie seine stummen Fragen gehört, antwortete sie: “Diese Macht ist nicht den Wächtern vorbehalten. Auch ich vermag dieses Kunststück zu vollbringen.”

“Du vermagst in meinen Verstand zu gelangen”, offenbar ließ sich Isaak von ihrer altbackenen Sprechweise anstecken, “doch schaden kannst du uns hier nicht. Dies ist mein Reich, in dem ich der Herrscher bin.”

Die Magierin zuckte gelangweilt mit den Schultern und sah sich um. “Das mag zutreffen, jedoch ist dein Leib meiner Gnade ausgesetzt.”

Ein zweiter Schattenstrahl traf Isaak in der Realität, wodurch er in der Gedankenwelt gequält zusammenzuckte.

Schnell trat Jake zwischen die beiden, um seinen Partner abzuschirmen. Ein irrwitziges Unterfangen. Sie waren alle drei in Isaaks Verstand. Hier konnte Jake sich zwar frei bewegen, aber seinen Liebsten nicht vor ihrer Magie schützen. Das war doch zum Verrückt werden. Nicht einmal diese letzte Zuflucht war ihnen geblieben.

“Die Ära der Wächter neigt sich dem Ende.” Mit ihren kalten Augen fixierte sie Isaak. “Durch meine Gnade wird die Welt erblühen.”

In der Realität hob Morgana beide Hände. Eine Schattenkugel manifestierte sich. Nicht einmal Isaak würde diese Magie überleben können.

“Warte”, rief sein Freund und drängte sich an Jake vorbei. “Lass mich erklären.”

Morgana schürzte die Lippen, schoss aber ihren Zauber nicht ab. “Sprich mit Bedacht, es werden deine letzten Worte sein.”

“Du bist in meinem Kopf. Ich kann die Wahrheit vor dir nicht verbergen. Ich habe Merlin weder beeinflusst noch mit ihm gesprochen. Warum auch immer du das glaubst, es stimmt nicht.”

Während Isaak redete, runzelte Morgan le Fay die Stirn. Einen Augenblick schien sie verunsichert zu sein, dann wurde ihr Blick erneut eisig.

“Lügen. Alles Lügen. Du warst es. Ich weiß, dass du es warst. Merlin war mein treuer Schüler. Doch du hast ihn verdorben, ihm die Gier eingepflanzt.”

Jake schüttelte den Kopf. Wie oft wollte sein Freund es noch auf die nette Tour versuchen? Nach allem, was diese Frau bereits angerichtete hatte, sah er keinen anderen Ausweg als einen Kampf auf Leben und Tod.

“Denk nach Morgana. Ich bin ein Wächter. Warum also hätte ich das tun sollen? Weder du noch er stellten damals eine Bedrohung für das Leben dar. Ganz im Gegenteil. Ihr beide habt die Balance gehalten. Du warst die erste menschliche Magierin, die nicht nach Macht um der Macht willen strebte. Ich mochte dich sogar. Wäre Merlin damals nicht auf die schiefe Bahn geraten, hätten wir Freunde werden können. Ich wollte mich dir offenbaren, mich mit dir verbünden.”

Isaak breitet einladend die Arme aus. “Es ist noch nicht zu spät. Lass ab von deiner Rache. Es gab nie einen Grund dafür. Werde wieder zu der Frau, die du einst warst. Du hast ein gutes Herz. Trübe es nicht länger mit deinen Taten.”

Spöttisch verzog sie den Mund zu einem schmalen Grinsen. “Ich bin nicht mehr die, die ich einst war. ER hat mir die Augen geöffnet und die Wahrheit gezeigt. Erspare mir deine närrischen Täuschungen. Lebe wohl Wächter!”

ER? Wer war ER? Mit seinen echten Augen sah Jake, wie Morgana mit der Schattenkugel auf seinen Freund zielte.

“Jake, jetzt”, rief Isaak. Sie wandten sich einander zu und pressten ihre Seelenkörper aneinander. Schnell fanden sie die Stelle an der die Barriere beschädigt war. Sie zwangen ihre Astralkörper durch den Spalt und berührten sich.

Augenblicklich wurden sie auseinandergerissen und Jake spürte, wie eine gewaltige Kraft gegen ihre Verbindung ankämpfte. Was immer diese Macht war, sie war bedeutend stärker als beim letzten Mal. Fast hätte Jake die Kontrolle verloren, aber er riss sich zusammen. Sie hatten nur diese eine Chance. Sollte er versagen wäre das ihr Ende, sowie auch das der gesamten Welt.

Morgana war verschwunden. Durch die freigesetzte Energie war sie aus Isaaks Verstand herausgeworfen worden. Doch das kümmerte Jake nicht wirklich. Wie in Zeitlupe, ohne den Eindringling lief die Zeit nun wieder langsamer in der Gedankenwelt, sah Jake die Schattenkugel auf Isaak zufliegen.

“Geht es dir gut?”, fragte sein Freund besorgt.

Unwisch knirschte Jake zurück: “Mach hinne. Die Verbindung aufrecht zu erhalten ist echt anstrengend. Ich weiß nicht, wie lange ich das schaffe.”

Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden streckte Isaak die Hände aus und saugte die freigesetzte Energie in sich auf. Anschließend wechselte er in die Realität.

Jake konnte nur zusehen. All seine Konzentration war darauf fokussiert ihre Verbindung aufrecht zu erhalten. Es war sehr seltsam, so stark mit seinem Freund vereint zu sein. Er wusste nicht, wo sein Geist endete und wo Isaaks anfing. Ihre Gedanken waren in diesem Zustand enger verwoben als bisher, ein Umstand, der ihm jetzt erst auffiel. Teils nahm Jake die Welt mit seinen, teils mit Isaaks Sinnen war.

Noch bevor die Schattenkugel Isaak erreichen konnte, streckte er beide Hände aus und fing sie ab. Einen Moment zitterte die Kugel wütend, dann schleuderte er sie in hohem Bogen weg.

Etwas mehr als fünfhundert Meter entfernt traf die Kugel auf einen Baumstamm und dehnte sich explosionsartig aus. Als die Ausdehnung sie umschlang, wurde die Welt in Dunkelheit gehüllt.

In Isaaks Kopf hielt Jake noch immer die Verbindung aufrecht, während dieser das eigenartige Gefühl hatte, getragen zu werden. Der Geruch seines Geliebten drang ihm in die Nase und er begriff, dass sein Freund ihn in der Realität in seinen Armen hielt.

Oh, wie peinlich war das denn bitte. Ein Glück, dass ihn in dieser Finsternis niemand sehen konnte.

Mit einem Schlag kehrte die Welt zurück. Jake sah sich selbst durch Isaaks Augen ins Gesicht. Nur zu gut konnte er seine eigenen geröteten Wangen erkennen. Das wurde ja immer besser.

“Bleib ruhig”, mahnte Isaak mental. “Es ist noch nicht vorbei.”

Schnell besann sich Jake auf seine Aufgabe, während er versuchte, alles andere auszublenden.

Alles was die Finsternis berührt hatte, war ausgelöscht worden. Sie schwebten etwa zwei Meilen weit oben in der Luft. Unter ihnen befand sich ein halbkugelförmiges Loch. Es schien so, als ob jemand mit einem mega großen Löffel einfach ein Stück der Umgebung entfernt hätte.

Von Morgan le Fay fehlte jedoch jede Spur. Wo war sie nur hin?

“Sie ist noch hier, da bin ich mir sicher. Offenbar benutzt sie einen Tarnzauber”, überlegte Isaak mental. “Jake, schaffst du es auf meinen Rücken zu klettern und dich festzuhalten? Ich werde meine Hände für den Kampf benötigen.”

Unwillig brummte Jake zurück: “Muss das sein? Kannst du mich nicht absetzen?”

“Es tut mir Leid. Das wird ein Kampf der Magie. Wenn ich dich absetze, kann ich nicht frei agieren, weil sie dich ins Visier nehmen könnte.”

“Wenns denn sein muss, bitte.” Leise vor sich hin grummelnd kletterte Jake seinem Freund auf den Rücken. Das war gar nicht so einfach. Er musste höllisch aufpassen, ihre Verbindung dabei nicht versehentlich zu trennen. Mit Isaaks Hilfe gelang es ihm schlußendlich. Ohne große Umschweife klammerte er sich mit aller Gewalt fest. Dabei musste er kaum nachdenken. Ein Blick nach unten und sein Körper machte den Rest allein. Wie er es hasste, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben. Das würde ihm Morgan le Fay büßen. Mit all seiner Willensstärke fokussierte er sich auf ihre mentale Verbindung. Somit ermöglichte er es seinem Freund, weitere geistige Kapazitäten frei zu räumen. Das war sein Beitrag zu dem Kampf, mehr konnte er nicht tun.

Kaum hatte Isaak die Hände frei, musste er schon einem Schattenstrahl ausweichen. Allein das Schweben kostete unglaublich viel Magie, den Angriff zu blocken kam daher nicht in Frage. Auch wenn die Reserven seines Liebsten aufgefüllt waren, konnte Jake spüren, wie es immer anstrengender wurde ihre Verbindung zu halten.

Als Nächstes kamen mehrere Feuerbälle aus unterschiedlichen Richtungen angeflogen. Isaak grinste fies und bemächtigte sich dieser Magie. Mit seinem Wissen war es ihm ein Leichtes die Kontrolle über diese Zauber zu übernehmen. Anschließend schickte er sie dorthin zurück, wo sie herkamen und ließ sie explodieren, bevor Morgana die Chance hatte, seinen Trick zu kopieren. Leider konnten sie damit ihre Gegnerin nicht aus dem Versteck locken.

Mit dem “wahren Blick” suchte Isaak die Umgebung ab. Er achtete dabei auf jede Kleinigkeit. Es musste einfach einen Hinweis geben. Irgendetwas. Da, ein kleiner Luftwirbel.

Augenblicklich fokussierte Isaak all seine Konzentration auf diesen Punkt und fand den leichten Schimmer einer magischen Barriere.

“Gefunden, Bitch”, knurrte Jake mental. Ach wie gerne würde er sie in die Fänge bekommen.

Isaak ignorierte seinen Ausruf und hob eine Hand. Im Gegensatz zu Morgan le Fay, die planlos mit Zaubern um sich warf, würde er mit einem gezielten Angriff mehr ausrichten. Wenn einem eh nur wenig Magie zur Verfügung stand, dann überlegte man genau, wie man diese am effektivsten einsetzen konnte.

Fasziniert sah Jake dabei zu, wie sein Geliebter die Gesetze der Physik im Zielbereich umkehrte. So ganz verstand er es nicht. Irgendwas von wegen entgegengesetzte Schwerkraft oder so. Das Resultat war jedoch, dass Morgana einen Schrei von sich gab und in die Tiefe stürzte.

Isaak setzte ihr nach. Sie konnten ihren Feind zwar immer noch nicht sehen, aber der kleine Krater ihres Einschlags zeigte ihre Position auch so an.

Noch bevor sich der Staub gelegt hatte, unterwarf Isaak den Krater einem weiteren Zauber. Er entfernte jedes Luftmolekül aus dem Bereich.

Seinen Freund derart in Aktion zu erleben war beeindruckend und beängstigend zugleich. Das Geschick und die Präzision, mit der Isaak seine Zauber als Waffe einsetzte, zeigte Jake wie viel Lebens- und Kampferfahrung dieser hatte. Da konnte er nicht einmal annähernd mithalten.

Langsam lichtete sich der Staub. Mit den Händen an der Kehle und um Luft ringend, die es nicht mehr gab, kam eine sich am Boden windende Morgan le Fay zum Vorschein.

“Das wars, Miststück”, jubelte Jake ausgelassen. Plötzlich war die Magiern verschwunden. Verdammt noch eins. Sie hatte sich wohl mit einem Teleport in Sicherheit gebracht.

“Stirb!”, erklang ihr Aufschrei hinter ihnen.

So schnell Isaak konnte, wirbelte er um die eigene Achse. Gleichzeitig mobilisierte er all seine Magie. Der Zeitpunkt der Entscheidung war gekommen. Während Morgana einen gewaltigen Schattenstrahl abschoss, konterte Isaak mit einem ebenso starken Lichtstrahl.

Die Zauber trafen sich in der Mitte und bildeten dort eine stetig wachsende Kugel wilder Magie. Diese ungezügelte Energie beunruhigte Isaak mehr als alles andere bisher. Wenn sie das nicht schnell beendeten, würde es eine gewaltige Katastrophe geben.

Jake konnte nur den Kopf schütteln. War doch etwas dran an den ganzen Geschichten und Filmen. Lief es wirklich auf diesen Punkt hinaus: Der ultimative Kampf. Gut gegen Böse. Licht gegen Schatten.

Keiner der Zauber schaffte es den anderen zu brechen, somit sammelte sich immer mehr wilde Magie.

“Morgana, das muss enden”, schrie Isaak ihr zu. “Die Magie wird außer Kontrolle geraten. Das darf nicht geschehen.”

Wie konnte sein Freund nach allem, was geschehen war, immer noch an ihrem gesunden Menschenverstand appellieren. Bei Morgana war Hopfen und Malz verloren.

Wie zur Bestätigung seiner Gedanken brüllte die Magierin zurück: “Es endet mit deinem Tod. Stirb endlich.”

Nach diesen Worten zuckte die magische Kugel und dehnte sich explosionsartig aus. Sie verschluckte Jake und Isaak, ebenso wie auch Morgan le Fay.

Die Schatten

Kamden

An der Seite seines Gefährten sprintete Kamden über die Hauptstraße von Forks. Seine Wolfsgestalt so offen zu zeigen war ihm unangenehm. Sowas gehörte sich doch nicht. Doch war das nichts im Vergleich zu dem, was Embry und die anderen Wölfe durchstehen mussten. Sam, dieser Stümper, hatte allen mit einem Alphabefehl verboten sich zu zeigen, nachdem sie das erste Mal zu Wölfen geworden waren. Dieser alte Befehl stand nun im Gegensatz zu dem, was Jake angeordnet hatte.

Kamden konnte spüren, wie sehr es Embry anstrengte sich gegen Sams immer noch aktiven Befehl zur Wehr zu setzen. Auch den anderen Wölfen erging es so, aber das war für Kamden nur eine Nebensächlichkeit. Sein Augenmerk lag auf seinem Freund. “Sam, du Spast, heb endlich deinen Befehl auf, bevor ich dir den Arsch aufreisse”, schrie Kamden in die Verbindung der Wölfe hinein.

Er bekam keine Antwort. Wütend bleckte er die Zähne.

“Lass gut sein, du Glucke. Ich komme schon klar”, meldete sich Embry. Seine Stimme war vor Anstrengung verzerrt. Das machte Kamden nur noch wütender. Seinem Bruder gab er keine Schuld, der hatte genug zu tun. Aber warum antwortete Sam nicht?

Ein Glück, dass sie Tiffany bereits mit der ersten Teleportation in Sicherheit gebracht hatten. Somit musste er sich um die Mutter seines Gefährten keine Gedanken mehr machen.

Die Evakuierung ging nur noch schleppend voran. Alle rannten vor ihnen weg. Daher mussten sie die Menschen einzeln zusammentreiben. Eine zeitraubende und zermürbende Aufgabe. Wären sie in Menschengestalt nur so schnell, wie die stinkenden Untoten, dann wäre das ganze wesentlich einfacher.

Unvermittelt blieb Embry stehen. Automatisch, ohne nachzudenken, hielt auch Kamden an. “Was ist?”

“Sag mal, siehst du, was ich sehe?”

Kamden blinzelte und sah sich um. Jetzt, wo sein Kleiner es ansprach, fiel ihm schon etwas auf. Die Menschen rannten nicht mehr vor ihnen weg. Ganz im Gegenteil. Aus allen Ecken und Winkeln strömten sie auf die Straße.

Er konzentrierte sich auf den vordersten Sprinter. Dessen Augen waren seltsam leer, als ob er in einer Art Trance wäre. Was ging hier vor sich?

Ruckartig sah er die Straße zurück. In der Ferne befand sich die Plattform. Sofort fiel ihm auf, dass Isaak nicht mehr mit Lichtstrahlen um sich schoss. Isaak! Natürlich. Bestimmt war es dessen Magie, die hier am Werk war. Mal wieder musste Kamden einsehen, wie außerordentlich praktisch es war, diesen Mann im Team zu haben.

“Könnte sein, dass du Recht hast. Es muss an Isaaks Macht liegen”, kommentierte Embry seine Gedanken.

“Und was machen wir jetzt?”, fragte Kamden ratlos.

“Jake? Isaak? Könnt ihr mich hören?”, fragte Embry mental und versuchte Abhilfe zu schaffen. Jedoch antwortete keiner der beiden.

Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Da stimmte doch etwas nicht. Synchron drehten sie um und sprinteten zurück zum Sammelpunkt. Ihre Aufregung steckte das ganze Rudel an. Nun waren alle auf dem Rückweg, denn keiner konnte Sam, Jake oder Isaak erreichen.

Neben der Aufstiegsplattform befand sich ein seltsamer undefinierbarer Klumpen. Das musste ein Feind sein. Kamden, wie auch Embry beschleunigten mit aufgestellten Haaren. Dieses Ding würden sie in Fetzen reißen.

Plötzlich sprang Emily zwischen sie und den Klumpen.

“Stopp”, schrie sie, mit ausgebreiteten Armen.

Die beiden Wölfe mussten scharf abbremsen, um die Frau nicht umzurennen.

“Das ist Sam!”, offenbarte sie, bevor die Jungs vollkommen zum Stillstand gekommen waren. Kamden riss den Kopf hoch. Dieses Teil sollte Sam sein? Was ging hier vor sich?

Embry neben ihm war schneller als er und hatte schon die Form gewechselt. “Was ist passiert? Warum ist Sam, nun ja, ich weiß nicht, so ein Ding?”

“Eine seltsame Frau ist hier aufgetaucht. Sie war sehr altmodisch gekleidet. Ich glaube, es war Morgan le Fay. Sie hat Isaak angegriffen und Sam mitten in der Verwandlung erstarren lassen. Anschließend hat sie sich Jake geschnappt und ist verschwunden.”

Kamden, der ebenfalls wieder zum Menschen geworden war, schlussfolgerte laut: “Deshalb antworten sie nicht. Diese durchgedrehte Magierin ist bestimmt schuld daran.” Nachdenklich nickte er. “Teile und herrsche. Eine alte, aber wirkungsvolle Strategie. Spalte deine Gegner in kleine Gruppen und erledige sie dann, wenn sie geschwächt sind. Eine Art Zermürbungstaktik.”

Nach und nach trafen auch die anderen Wölfe ein. Ratlos beschnupperten sie Sam, doch keiner wusste, was sie tun sollten. Etwas abseits sammelten sich die Vampire. Edward trat vor und fragte: “Verzeiht, wenn ich mich einmische, aber weiß einer, was mit den Menschen los ist? Aus allen Richtungen fange ich ein und denselben monotonen Gedanken auf: Ich muss zur Plattform. Sie denken an nichts anderes mehr. Sie wiederholen nur immer wieder diesen Satz, wie ein Mantra oder einen Befehl.”

Emily wandte sich an den stinkenden Untoten: “Ich habe keine Ahnung, was los ist. Isaak kam zu uns runtergesprungen. Er sah sehr beunruhigt aus. Dann hat er sich vor der Plattform auf den Boden gesetzt und meditiert. Als nächstes kam dann auch schon Morgan le Fay. Wenn er etwas gesagt hatte, dann habe ich es nicht gehört.”

“Ich wusste es doch”, meinte Kamden triumphierend. Diese Information bestätigte seine Theorie.

“Was meinst du?”, fragte ihn Edward, doch war es sein Kleiner, der an seiner statt antwortete: “Kamden glaubt, Isaak hat alle Menschen mit seiner Magie verzaubert. Ihre Gedanken und Emilys Aussage bestätigen das auf jeden Fall.”

“Da könnte was dran sein”, stimmte Edward ausdruckslos zu. “Das würde ihr Verhalten erklären. Wobei es nett gewesen wäre, wenn er zumindest jemandem Bescheid gegeben hätte.”

Ratlos sah er in die Runde. “Wie geht es nun weiter? Wenn die Menschen alle freiwillig hierher kommen, müssen wir sie nicht mehr einsammeln. Warum hat er das nicht gleich gemacht, wenn er die Macht dazu hat? Das hätte uns eine Menge Zeit erspart.”

“Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Isaak sehr geschwächt. Daher muss er aufpassen, was er mit seiner Magie anstellt”, fachsimpelte Embry leise vor sich hin. “Ich bin sicher, dass er einen guten Grund dafür hatte.”

Gelangweilt legte Kamden die Hände in den Nacken. “Ich würde sagen, wir haben uns eine Pause verdient.” Überheblich sah er zu Edward und bestimmte: “Gib Bescheid, wenn du eine Änderung in den Gedanken aufschnappst.”

“Wer hat dich denn zum Chef ernannt”, fauchte Leah ihn an. Vor Wut schnaubend, kam sie in Menschengestalt auf ihn zu.

Unbeeindruckt plusterte sich Kamden auf und verkündete: “Einer muss doch den Ton angeben. Da Jake und Isaak verschollen sind und Sam das gerade nicht kann, werde ich das übernehmen. Immerhin bin ich Jakes älterer Bruder.”

Gedanklich sprach Embry ihn an: “Kamden, so läuft das bei uns Wölfen nicht. Mach bitte keinen Ärger, indem du den Pfau raushängen lässt.”

Während Edward sich still und heimlich zurückzog, kreisten Jared, Paul und Leah den selbsternannten neuen Alpha ein.

“Du spuckst ganz schön große Töne, Frischling. Ich bin Sams Beta, damit stehe ich in der Rangordnung über dir.”

“Von dir lasse ich mir gar nichts sagen. Den letzten Kampf gegen mich hast du verloren.”

“Ich bin die Beta des “wahren Alphas”. Nach Sam übernehme ich die Leitung.”

Kamden hob abwehrend die Hände und ging langsam rückwärts. Mit so viel Gegenwind hatte er nicht gerechnet. Vor allem sahen seine Konkurrenten so aus, als ob sie ihre Ansprüche auch mit Gewalt durchsetzen würden.

“Ich habe es dir doch gesagt. Das hast du nun davon, du sturer Bock”, schimpfte Embry in Gedanken mit ihm. Entgegen seiner Worte stellte sich sein Kleiner neben ihm auf, um ihn moralisch zu unterstützen.

“In Kamden fließt das Blut des vorherigen "wahren Alphas" und er hat gelernt zu kämpfen. Ich würde ihn an deiner Stelle nicht herausfordern, Paul.”

Die laut ausgesprochenen Worte seines Gefährten zu hören, ließen sein Herz schneller schlagen. Jedoch hatte Kamden sich in eine Zwickmühle hineinmanövriert. Jetzt da sein Kleiner für ihn gesprochen hatte, konnte er keinen Rückzieher mehr machen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Das ging ja mal gar nicht. Vor Embry würde er sich nicht lächerlich machen.

“Komm doch her, Paul. Mit dir habe ich eh noch eine Rechnung offen, du Penner. Einer nach dem anderen. Ich werde euch allen zeigen, was ich drauf habe.” Stolz warf sich Kamden in die Brust. Das mentale "Pfau” von seinem Freund ignorierte er geflissentlich. Von Embry ließ er sich so einiges gefallen.

Die Stimmung war angespannt. Weder Paul, Leah noch Jared wollten den Schwanz einziehen. Alle Wölfe begannen zu knurren. Die Frage, wer das Sagen hatte, musste schnellstmöglich geklärt werden. Ein Rudel brauchte einen Anführer, um zu funktionieren.

Mit seinen guten Ohren konnte Kamden hören, wie Rachel sich an Emily wandte: “Die gehen sich gleich an die Kehle. Wir müssen uns einmischen. Du bist doch Sams Frau und die Rudelmutter. Auf dich hören sie bestimmt. Mach endlich was.”

Aus den Augenwinkeln sah Kamden wie Emily den Kopf schüttelte. “Reden bringt da nichts. Ohne einen Alpha drehen ihre Wolfsinstinkte durch. Da können wir gar nichts machen. Das müssen sie unter sich klären und eine neue Hierarchie herstellen. Sonst wird das immer schlimmer.”

Paul drängelte sich vor und warf sich in die Brust. “Ich mache den Anfang. Der Frischling hat doch keine Chance gegen mich.”

Während Jared, Leah und auch Embry zurücktraten, fixierten sich Kamden und Paul. Sie beide bebten am ganzen Körper. Ein Kampf schien unausweichlich.

Endlich würde Kamden seine Rache bekommen. Nichts würde ihn gerade mehr freuen als Paul zu unterwerfen. Der hässliche Bettvorleger sollte sich warm anziehn.

“Leute?”, rief Rosalie laut und machte auf sich aufmerksam. “Was ist das da?”

Kamden ließ sich ablenken und sah dorthin, wo die Steinfrau hindeutete.

Erst sah er nichts Auffälliges, dann erschien ein dunkler Umriss in der offenen Tür eines der Häuser zu seiner Rechten. Etwas kam aus dem Haus heraus. Wo das Ding den hölzernen Türrahmen berührte zischte und dampfte es. Der Lack wurde erst dunkler und warf Blasen, dann änderte sich seine Farbe zu schwarz und blätterte ab. Eine Sekunde später war das auch das Holz darunter rabenschwarz und fiel als Staub zu Boden.

Kamden schüttelte den Kopf. Aus der zerfallenen Tür schwebte eine Art unförmiger Schatten heraus. Weder Augen noch ein Kopf waren auszumachen. Glieder hatte es auch keine. Das Ding sah aus, wie eine Wolke aus dunklem Rauch oder ein Gespenst, immerhin schwebte es in der Luft.

Während ein leichter Nieselregen einsetzte, frischte der Wind auf. Kamden erwartete, dass sich das Ding auflösen, weggepustet oder zumindest wie Rauch vom Regen niedergeschlagen werden würde. Nichts davon geschah. Unbeirrt schwebte der Schatten in gerader Linie auf den nächsten Menschen in seiner Reichweite zu.

“Wass’n das für ein Ding?”, fragte Paul laut.

Geistesgegenwärtig hob Edward einen kleinen Stein vom Boden auf und warf ihn nach dem Schatten.

Ohne die Spur einer Verletzung verschluckte die nebelhafte Gestalt das Geschoß. Einen Herzschlag lang geschah nichts, dann rieselte feiner Staub zu Boden.

Emmett trat vor und ließ die Knöchel knacken. “Das wird lustig.”

In Vampirgeschwindigkeit schoss der Hüne auf den Schatten zu. Mit seiner leisen Singsangstimme, die Kamden die Nackenhaare aufrichten ließ, sagte Jasper: “Sei vorsichtig. Du solltest es besser nicht berühren.”

Ob Emmett auf seinen Bruder hörte oder es von Anfang an sein Plan gewesen war …? Jedenfalls riss er im vorbeigehen ein Stoppschild aus dem Boden. Mit dieser provisorischen Waffe schlug er nach dem Schatten.

Den Wind, den dieser Angriff verursachte, konnte Kamden aus gut zweihundert Meter Entfernung noch spüren.

Das Schild glitt unverrichteter Dinge durch den Schatten hindurch. Kurz strauchelte Emmett, dann sprang er rückwärts, weg von diesem unheimlichen Wesen. Langsam und träge folgte der Schatten ihm.

“Komm zurück”, flüstert Jasper. Emmett warf dem Schatten einen bösen Blick zu, dann wandte er sich um und war keine Sekunde später wieder am Sammelpunkt. In seiner Rechten hielt er noch immer seine Waffe.

“Seht euch das mal an”, brummte Emmett und hob das Stoppschild, oder zumindest das, was mal ein Stoppschild gewesen war. Alles Metall, dass das Wesen berührt hatte, war bis zur Unkenntlichkeit verrostet und an den Rändern ausgefranst.

Alle, Wölfe wie auch Vampire, sammelten sich zu einem großen Kreis. Anschließend begannen sie die Informationen aufzuarbeiten.

Den Anfang machte Carlisle. “Das Holz ist verwittert und das Metall verrostet. Entweder dieser Schatten besitzt eine Art Verwesungseffekt, oder er beschleunigt den Lauf der Zeit.”

“Ich glaube nicht, dass es ein Lebewesen ist. Ich kann keinerlei Gedanken von ihm empfangen”, meinte Edward besorgt.

Alice zupfte nervös an ihrem Kleid herum: “Seitdem Isaak in unser Haus geplatzt ist, sehe ich gar nichts mehr. So als hätte jemand die Zukunft ausgeknipst.”

“Der Schatten scheint nicht körperlich zu sein. Ich habe bei meinem Hieb keinerlei Widerstand gespürt”, meldete sich Emmett zu Wort.

“Weder Wind noch Regen beeinflussen es”, murmelte Esme und schüttelte leicht den Kopf.

Als nächster war Jasper an der Reihe: “Ich stimme allen zu. Jedes Lebewesen hat Gefühle. Bei diesem Ding spüre ich jedoch gar nichts. Es muss sich um eine Art immaterielle Waffe handeln. In Anbetracht dessen, wer unser Feind ist, äußere ich die Vermutung, dass Morgan le Fay diesen Schatten erschaffen hat. Es beeinflusst organische, wie auch anorganische Materie. Die Frage ist nur, was würde mit einem Lebewesen passieren?”

Kamden stand still da und versuchte angestrengt nicht den Faden zu verlieren. Die Vampire redeten so schnell, dass er Mühe hatte alles zu verstehen.

“Ich kläre das mal schnell”, sagte Rosalie und schoss davon. Sie rannte auf einen nahen Baum zu und sprang in die Krone. Einen Augenblick später stand sie schon wieder auf dem Boden, ein Eichhörnchen in den Händen haltend. Bevor sie einer aufhalten konnte, holte sie aus und warf das wehrlose Tier gegen den Schatten.

Das Eichhörnchen verschwand in seinem Inneren. Alle hielten gespannt die Luft an. Plötzlich fiel ein qualmendes schwarzes Skelett aus dem Schatten. Als dieses den Boden berührte zerfielen die Knochen zu schwarzem Staub.

“Damit wäre dieser Punkt geklärt”, meinte Rosalie, nachdem sie ihren Platz im Kreis wieder eingenommen hatte. “Ich habe etwas Interessantes beobachten können. Offenbar verfolgt der Schatten immer das ihm am Nächsten befindliche Lebewesen. Als Emmett neben dem Ding stand, hielt es auf ihn zu. Das gleiche geschah eben bei dem Eichhörnchen. Ich habe genau gesehen, wie das Schatten kurz seine Richtung änderte. Nun steuert er wieder diesen Menschen dort an.”

Kamdens Auge zuckte. Wie konnte diese Untote so herzlos sein. Zugegeben sie mussten das testen, aber einfach ein wehrloses Tier opfern? Das war nicht richtig. Zum Glück war es kein Hund, eine Katze oder gar ein Mensch gewesen. Das wäre ja noch schlimmer. Die war doch nicht ganz richtig im Kopf. Was ihn aber noch mehr aufregte war die Tatsache, dass es keinen der Vampire zu stören schien, was Rosalie getan hatte.

Kurz sah er in die Runde. Die anderen Gestaltwander schienen ebenso geschockt wie er zu sein. Immerhin tickte eine Fraktion noch richtig.

“Der Qualm lässt darauf schließen, dass es sich um einen Verwesungseffekt handelt.” Mit diesen Worten verfeinerte Carlisle seine zuvor aufgestellte These.

Langsamer als zuvor sagte Jasper: “Bisher haben wir noch keine Waffe gegen diesen Schatten. Vermutlich benötigen wir Isaak dafür. Aber der Schatten bewegt sich sehr langsam. Es sollte daher kein Problem darstellen, ihn mit der Lockvogeltaktik von den Menschen wegzulocken.”

Emmett warf sich in die Brust und rannte zu dem Schatten. Kaum hatte er sich dem Ding genähert, schon ändere es seine Flugbahn und hielt auf den Vampir zu.

“Das funktioniert!”, rief Emmett zurück. “Komm, put put put.”

Ratlos kratzten sich einige der Gestaltwandler am Kopf. Sie hatten nichts beigetragen. Daher fühlten sie sich nutzlos. Es musste doch etwas geben, dass auch sie beisteuern konnten. Wie auf Kommando dachten alle angestrengt nach.

Kamden verschloss sich vor den anderen und ließ nur noch Embry in seinen Kopf. Ohne die nervigen Stimmen des Rudel konnte er sich besser konzentrieren.

Dieser Schatten hatte die Macht der Verwesung. Was war das Gegenteil davon? Leben vielleicht? Sollten sie das Ding so lange mit Gras oder Tieren bewerfen, bis es sich auflöste?

“Fang ruhig damit an. Ich sehe dir dabei zu, Esel”, mischte sich Embry in seine Gedanken ein.

Sein Kleiner hatte Recht. Gras lebte, war aber nicht das Leben an sich. Aber was könnte es sonst sein. Der Quell des Lebens. Den heiligen Gral oder einen Stein der Weisen hatten sie nicht zur Hand. Ob es so etwas überhaupt gab?

Rasch schüttelte Kamden den Kopf. Konzentration, maßregelte er sich selbst. Der Quell des Lebens. Waren Keimzellen nicht eine Art Quell des Lebens?

Für diesen Gedanken bekam er einen Klaps auf den Hinterkopf. “Ich werde ganz bestimmt nicht den Schatten mit meinem Sperma angreifen. Sag mal, tickst du noch ganz richtig?”

Betreten zog Kamden die Schultern ein. Zugegeben, das war eine saudumme Idee. Um auf andere Gedanken zu kommen, sah er dem Schatten dabei zu, wie er im Schneckentempo Emmett jagte.

“Ich glaube, da ist noch einer”, rief Rosalie laut. Sie deutete auf eine Hauswand in der Nähe. Die Steine verfärbten sich von grau zu weiß. Dann bröckelten sie zu Boden. Durch das entstandene Loch schwebte ein weiterer Schatten heraus.

“Verdammt”, schimpfte Kamden laut. “Wo zwei sind, da sind bestimmt noch mehr. Ausschwärmen Leute. Sichert die Menschen.”

Die Vampire stoben davon, während Alice den zweiten Schatten beschäftigte. Allerdings blieben die Gestaldwandler stehen. Leah und Jared hoben die Köpfe und taxierten einander. “Waffenstillstand”, begann Leah. “Jeder Beta nimmt sein Rudel. Wir haben gerade keine Zeit für Streitigkeiten.”

“Einverstanden”, brummte Jared. Dann gaben sie sich die Hand.

Kamden stand da wie vom Donner gerührt. Nicht nur, dass sie ihn vollkommen ignorierten, nun teilten sie auch noch die Rudel untereinander auf, ohne ihn mit einzubeziehen. Was sollte das? Kamden sah rot. Er hasste es, ignoriert und außen vor gelassen zu werden.

“Bitte, lass gut sein”, flehte Embry mental und packte ihn am Arm, damit er sich nicht auf die beiden stürzen konnte. Mit einem Ruck wollte Kamden sich losreißen, aber Embry griff noch fester zu.

“Wir haben keine Zeit dafür. Bitte, tu es für mich. Wenn die Gefahr gebannt ist, dann stehe ich dir auch nicht mehr im Weg. Ganz im Gegenteil, ich werde dich mit Leib und Seele anfeuern.”

Kamden knirsche mit den Zähnen. “Na gut. Aber ich werde mich keinem der beiden unterordnen.”

“Einverstanden”, sagte Embry mental und wandte sich ihren Kameraden zu: “Kamden und ich bilden unser eigenes Rudel. Die Frage, wer der Alpha ist, verschieben wir auf später.”

“Gut, dann haben wir ein Rudel und zwei Pärchen”, stichelte Jared grinsend.

Leah kochte innerlich, nickte aber. Nun da sich die beiden abgespalten hatten, bestand ihr Rudel aus ihr und Seth. Damit war Jared klar im Vorteil. So zumindest dachte sie.

Schnell verschloss Kamden die Verbindung zum Rudel wieder. Leah würde nicht so schnell aufhören zu schimpfen. In drei verschieden Richtungen stoben die Wölfe davon, während Emily nur den Kopf schüttelte. “Bei den Ahnen, wie konnte es nur soweit kommen.”
 

*

Kamden und Embry übernahmen die Westseite von Forks. Schnell wurde ihnen klar, wie ernst die Lage war. Es gab wirklich mehr als zwei Schatten. Sehr viele mehr. Wie es aussah kamen sie aus den Häusern oder aus Schuppen. Aber warum? Wo war der Zusammenhang?

Von überallher schwebten die Wesen auf die Menschen zu, die gefangen in Isaaks Befehl wie Zombies auf die Plattform zusteuerten. Dabei beachteten sie die Bedrohung für ihr Leben überhaupt nicht.

Während er mit Embry die Schatten von den Menschen weg lockte, dabei mussten sie sich voneinander trennen, dachte er angestrengt nach. Es wurden immer mehr Feinde. Wenn sie nur wüssten, wo diese Dinger ihr Nest hatten. Im Augenblick waren keine Menschen in Gefahr, somit wurde es Zeit, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen.

Kamden fasste einen Entschluss: “Aus diesem Haus hier sind schon fünf Schatten gekommen. Ich gehe rein und schaue nach, wo sie herkommen.”

“Du willst was? Kommt gar nicht in Frage. Du gehst da nicht allein rein.” In der Stimme seines Kleinen schwang Angst mit. Es zerriss Kamden fast das Herz. Er wollte Embry keine Angst machen. Aber er musste handeln.

“Es tut mir leid, aber es muss sein”, mit diesen Worten sprang Kamden durch die Haustür.

Schnell sah er sich um. Sämtliche Kommoden, Schränke und viele andere Möbelstücke hatten Löcher. Von wenigen Zentimetern, bis hin zu einem Meter bei einem besonders großen Schrank. Doch das half ihm nicht weiter. Vor ihm auf dem Boden befand sich ein besonders großes Loch. Er spähte in den Keller hinab. Dort unten war es dunkel. Sehr dunkel. Klar, war ja auch ein Keller.

Die Dunkelheit verdichtete sich und drängte aus dem Loch heraus. Direkt vor ihm war ein weiterer Schatten erschienen. Wo kam der den auf einmal her? Zu seinem Entsetzen war dieser Schatten schneller als die anderen. Wesentlich schneller. Gerade noch so schaffte er es aus der Haustür zu springen.

Dort wurde er von Embry umgerannt. “Geht es dir gut?”, fragte sein Kleiner und leckte ihm über die Schnauze.

Kamden strampelte und kämpfte sich unter seinem Freund hervor. “Wir müssen weg. Da ist ein Schatten, der ist unglaublich schnell.”

“Wo?” Hastig hob Embry den Kopf und sah sich um. “Der da?”

Kamden sah zum Haus zurück. Aus dem Loch der Eingangstür quoll ein Schatten hervor.

“Na ja, so viel schneller ist der aber nicht”, meinte sein Kleiner und es stimmte. Je weiter der Schatten sich aus dem Haus drängte, desto langsamer wurde er, bis er dieselbe Geschwindigkeit hatte, wie all die anderen.

“Das verstehe ich nicht.” Ratlos versuchte Kamden sich einen Reim darauf zu machen.

Der Schatten kam aus dem Keller, dort war er so schnell wie ein Vampir. Doch nun war er ein Schnecke. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Im Keller war es dunkel. Die Schatten wurden aus der Dunkelheit geboren. Je heller es um sie her werde, desto langsam wurden sie.

“Das Gegenteil von Schatten ist Licht. Das ist ihre Schwäche.” Stolz präsentierte er Embry seine Theorie.

“Da könnte was dran sein.”

Hastig sah Kamden sich um. Licht, Licht, woher sollte er Licht bekommen. Auf den Stufen der Veranda eines der Nachbarhäuser lag eine Taschenlampe. So schnell er konnte sprintete er auf diese zu. Als Mensch griff er danach und zielte auf den nächsten Schatten in seiner Umgebung. Besonders hell war die Lampe nicht, aber es zeigte Wirkung.

Die Schattenmasse waberte, als ob sie Schmerzen erleiden würde und schrumpfte ganz langsam in sich zusammen.

“Bei der Geschwindigkeit sind wir in einem Jahrzehnt noch nicht fertig”, kommentierte Embry diese Experiment.

Kamden warf die Lampe weg und drehte sich freudestrahlend um. “Verstehst du es den nicht? Ja, dieses Ding war nutzlos, aber wir haben eine Waffe. Wir benötigen nur Lampen mit mehr Power.”

Embry wiegte den Wolfkopf hin und her.

“Hey Leute”, rief Kamden in das Rudel.

“Halt die Klappe”, konterte Paul sogleich. “Von dir will keiner etwas hören.”

“Da hat er recht, du Verräter”, schloss sich Leah direkt mit an.

Auch Jared gab seinen Senf dazu: “Lass es einfach. Niemand will dir folgen.”

“Hey, hört doch mal zu”, rief Kamden gegen eine Reihe von Beschimpfungen an.

“Seid doch mal kurz ruhig und hört zu. Kamden hat etwas Wichtiges entdeckt.” Sein Herz machte einen Luftsprung. Schon wieder hatte sich Embry für ihn stark gemacht. So gefiel ihm das.

“Was soll er schon entdeckt haben?”, fragte Paul gehässig. “Das er ein schlechter Alpha wäre und sich besser nicht mit Stärkeren anlegen sollte?”

“Nein, es geht um die Schatten, du Spast.” Jedes Wort seines Kleinen war wie Musik in seinen Ohren. Wie lange hatte er schon auf den Richtigen gewartet und hier war er. Embry, ein Traum von einem Mann.

“Dieses Geschwule höre ich mir nicht länger an. Ihr beide bekommt einen Dauermute von mir.”

“Hey, warte Paul”, warf Kamden ein und riss sich zusammen. Er hätte sich besser nicht komplett öffnen sollen. “Die Schatten, ihre Schwachstelle ist Licht.”

“Und weiter?”, fragte Jared. “Wen scherts, was deren Schwachstelle ist. Bis die uns gefährlich werden sind wir längst fertig und weg. Soll Isaak sich mit denen rumschlagen. Das ist sein Job.”

Ohne auf Jareds Worte einzugehen befahl Kamden: “Geht und sucht alle nach starken Lampen, damit können wir sie in Schach halten.”

Nun war es Leah, die antwortete: “Du bist nicht unser Alpha. Du hast uns gar nichts zu sagen. Ich sehe das wie Jared. Mach besser deine Arbeit und belästige nicht alle mit deinem Geschwafel.”

“Hört mir doch zu.” Verzweifelt versuchte Kamden sie zu überzeugen. “Die Schatten werden schneller, wenn es dunkel wird.”

“Ich bin raus. Das wird mir zu blöd. An alle in meinem Rudel: Stellt Kamden und Embry auf stumm”, mit diesen Worten von Jared wurde es schlagartig still in der Verbindung. Sie hatten sich tatsächlich abgekapselt.

“Leah, bitte”, flehte Embry.

Jedoch kam keine Antwort mehr. Sie alle waren weg, selbst Seth. Bestimmt hatte Leah ihn dazu gezwungen. Wie konnte man nur so stur sein? Oder waren es ihre durchgedrehten Wolfsinstinkte?

Vollkommen verdattert sahen sich Kamden und Embry an.

“Was machen wir jetzt? Eine Idee, mein Kleiner?”

“Nicht wirklich. So zerstritten habe ich das Rudel noch nie erlebt. Aber bisher hatten wir auch immer Sam oder Jake, die alle zur Räson gebracht haben. Ohne einen richtigen Alpha ist das Rudel nur noch ein Haufen störrischer Eigenbrötler. Es wird nicht mehr lange dauern und es werden sich noch mehr Wölfe abspalten.”

Kamden hob den Blick. Hatte er das verursacht? Seine Art zu reden ohne zu denken, hatte ihm schon so einige Probleme beschert. Er wollte doch nur, dass sein Kleiner stolz auf ihn war. Zugegebenermaßen viel es ihm auch schwer sich einem anderen unterzuordnen. Bei Jake hatte er damit weniger Probleme. Wäre Sam jetzt bei ihnen, so wüsste er nicht, ob er sich diesem einfach fügen würde. So war Kamden eben. Immer mit dem Kopf durch die Wand.

“Du brauchst dich von mir nicht zu profilieren, mein Pfau.”

Embry hatte “mein Pfau” gesagt. Das war neu und eine willkommene Abwechslung. Es gefiel Kamden, wohin sich das entwickelte. Ja, Embry war sein und er wollte Embry gehören. So war das richtig.

“Konzentration.” Nach diesem Wort der Ermahnung fokussierte sich Kamden wieder auf ihre aktuelle Lage. Jared hatte schon recht. So wie es gerade lief, würden die Schatten, wenn auch zahlenmäßig überlegen, aufgrund ihrer Geschwindigkeit kein Problem darstellen.

Kamden hob den Blick und erschauderte. Der Tag neigte sich dem Ende. Bevor die Evakuierung abgeschlossen sein würde, wäre es Nacht. Dann hätten sie ein mächtiges Problem.

Wie ein Zwang sah er zu Embry hin. Sein Kleiner war in Gefahr. Er musste handeln. Sie mussten ihm zuhören. Aber wie, was konnte er tun?

“Du musst zu einem Alpha werden”, riet Embry.

“Und wie genau mache ich das?”

“Wenn ich das richtig verstanden habe, ist es eine Entscheidung. Man benötigt eine gehörige Portion Willensstärke und den Mut diesen Weg zu gehen. Aber sei gewarnt. Einmal ein Alpha, immer ein Alpha. Es gibt keinen Weg mehr zurück.”

Ratlos kratzte sich Kamden am Hinterkopf und ging ein paar Schritte, um die Schatten auf Distanz zu halten.

“Willst du diesen Weg gehen?”

“Ja, es muss sein.”

“Dann stell dir mal vor, was passieren würde, wenn du es nicht schaffst.”

Kamden blinzelte und dachte nach. Wenn er es nicht schaffen sollte, dann würden die Schatten bei Sonnenuntergang einen Geschwindigkeitsboost bekommen. Alle verbleibenden Menschen würden sterben. Alle würden sterben. Die Vampire, die Wölfe, er und … Embry.

Nein. Das war unvorstellbar. Das durfte nicht geschehen. Nicht sein Embry. Alle anderen, wenn es sein musste, aber nicht Embry.

In seinem Kopf begann eine sich abwärts windende Spirale aus negativen Gedanken. Immer tiefer stürzte er in den Abgrund der Verzweiflung.

Nein.

Nein.

Er ging auf die Knie und donnerte seine Faust auf den Boden. Dabei schrie er so laut er konnte: “Nein.”

Erschreckt von seiner eigenen Stimme, die einen seltsamen Doppelklang entwickelt hatte, bemerkte er nicht, dass die Verbindung zu allen anderen wieder aufgebrochen war. Erst als er ihre Stimmen hörte, wurde er sich dieser Tatsache bewusst.

“War das Kamden?”

“Wie kann das sein?”

“Was soll das?”

“Ob mit Jake alles in Ordnung ist?”

“Ich habe den doch auf Stumm gestellt.”

Sie alle redeten wild durcheinander. Kamden konnte nicht einmal zuordnen, wer was dachte. Das war ja nicht auszuhalten.

“Ruhe”, brüllte er in die Verbindung hinein. Augenblicklich erstarb das Stimmengewirr in seinem Kopf.

Kamden blinzelte. War er das gewesen? Hatte er wirklich die Macht eines Alphas? Er hob den Blick. Embry sah mit einem schaurigen Wolfsgrinsen zu ihm.

Wilde Magie

Jake

Jake blinzelte. Um ihn herum war es weder dunkel noch hell. Weder farbenfroh, noch eintönig. Seine Umgebung schien keine feste Form zu haben. Schemenhafte Umrisse bildeten sich und verfielen gleich wieder. Er sah nichts und doch alles. Ein eigenartiges Erlebnis.

Auch seine anderen Sinne waren von den hiesigen Eindrücken verwirrt. Es war weder laut noch leise. Der Geschmack auf seiner Zunge wechselte so schnell, dass er nicht imstande war ihn zu erfassen. Ebenso erging es ihm bei seinem Geruchssinn. Selbst die Temperatur um ihn herum schwankte stark. Von eiskalt bis brütend heiß.

Nur eines wusste er mit Bestimmtheit: Er befand sich im Inneren der magischen Kugel. Um ihn waberte reine, wilde Magie. Das Chaos höchstpersönlich. Das Seltsame daran war aber, er war allein. Weder Isaak noch Morgan le Fay konnte er in seiner Umgebung ausmachen.

Um sich von den verstörenden Sinneseindrücken abzulenken sah er an sich herab. Etwas Bekanntes zu sehen würde ihm sicher helfen sich zu beruhigen. Jedoch war da nichts. Kein Körper, keine Arme oder Beine, einfach gar nichts. Wie es schien bestand er aus zwei Augen inmitten von allem und nichts.

Mehr als diese Tatsache beunruhigte ihn etwas anderes. Wo war Isaak? Bis vor einem Augenblick hatte er sich noch an den Rücken seines Freundes geklammert. Nun aber war er allein.

Jake schloss die Augen, aber er sah immer noch seine Umgebung. Ob er überhaupt Augenlider hatte? Egal. Er musste sich konzentrieren. Ihre Verbindung, wenn auch sehr schwach, existierte noch. Das war schon mal eine gute Nachricht. Mehr als das sein Geliebter lebte, vermochte er jedoch nicht zu sagen. Weder ein Gefühl noch ein Gedanke konnte er auffangen.

“Löse die Verbindung.”

Hätte Jake einen Körper gehabt, dann wäre er zusammengezuckt. So aber sah er sich um. Woher kam diese Stimme?

“Was ihr getan habt ist abscheulich. Widernatürlich.”

Das sehe ich anders, hätte er am liebsten erwidert, doch ohne einen Mund konnte er nichts sagen und mental wollte er nicht mit einem ihm unbekannten Wesen sprechen.

“Löse die Verbindung und befreie dich von dieser Last.”

Egal, wohin er sah. Jake war allein. Die Stimme schien direkt in seinen nicht vorhanden Kopf zu sprechen. Ergab das einen Sinn? In dieser chaotischen Welt offenbar schon.

“Löse dich und sei frei.”

Nein. Jake liebte Isaak von ganzem Herzen. Niemals würde er ihre Verbindung so einfach aufgeben. War die Stimme, weder Mann noch Frau, Morgan le Fay? Versuchte sie ihn zu einer Dummheit zu überreden? Wenn er ihre Verbindung trennte, dann würden sie beide sterben. So verlangte es ihre Seelenbindung.

“Das ist eine Lüge. Alles war eine Lüge. Isaak hat dich nur benutzt. Er liebt dich nicht. Du bist für ihn nicht mehr als eine schnelle Nummer für Zwischendurch.”

Lüge!

“Es ist die Wahrheit. Warum sonst hat er dir immer so viel verschwiegen? Er hat es selbst zugegeben, dass er dir nur einen Teil seines Verstandes zeigt. Den Teil, den er kontrollieren kann. Die Lüge, die dein Herz verwirrt hat. In Wahrheit liebt er dich nicht. Er hatte nie Gefühle für dich, die tiefer gingen als seine Wolllust.”

Das stimmte nicht. Isaak liebte ihn, da war er sich sicher.

“Wie sicher kannst du dir schon sein? Sei kein Narr. Seitdem du diesem Scharlatan ins Netz gegangen bist, steht dein Leben auf dem Kopf. Das war alles sein Werk. Isaak manipuliert dich. Mach endlich die Augen auf, bevor es zu spät ist.”

Jake wollte nicht länger zuhören. Sich die Ohren zuhalten war jedoch keine Option. Dazu fehlte ihm ein Körper. Konnte er denn gar nichts tun? Mental rief er nach seinem Freund. Eine Antwort erhielt er aber nicht.

“Er hat dich fallen gelassen. In dem Augenblick in dem du keinen Nutzen mehr für ihn hattest, hat er dich zum Sterben zurückgelassen.”

Was für eine fadenscheinige Lüge. Nicht nur, dass Isaak so etwas niemals tun würde, sein Tod wäre auch der von Isaak.

“Eine weitere Lüge, damit du von ihm abhängig bist. Du benötigst ihn nicht, um zu leben. Löse die Verbindung und erkenne die Wahrheit.”

So langsam ging Jake diese Stimme auf die Nerven. Sie schien in seinem Kopf, in seinen Gedanken zu sein. Aber wer oder was war sie?

“Ich bin alles und nichts. Der Anfang und das Ende. Isaak würde mich wilde Magie nennen, doch bin ich viel mehr als das. Ich existiere seit Anbeginn der Zeit und werde da sein, bis in alle Ewigkeit.”

Das war nicht gerade aufschlussreich. Genervt verdrehte Jake die Augen. Ob er es allerdings wirklich Tat oder nur dachte, dass er es tat, konnte er nicht feststellen. Derart körperlos zu sein hatte entscheidende Nachteile.

“Löse die Verbindung und ich gebe dir deinen Körper wieder.”

“Leck mich”, konterte Jake mental. Bisher hatte er es vermieden direkt mit der Stimme zu reden, aber seine Geduld war aufgebraucht. “Wo ist mein Freund?”

“Deine wirklichen Freunde schweben in großer Gefahr. Ohne deine Hilfe werden sie nicht überleben.”

“Was soll das bedeuten?”

“Diese törichte menschliche Magierin hat Wesen aus der Urzeit gerufen. Dinge, die sie besser nicht geweckt hätte. Sie gehören wie ich dem Chaos allen Seins an. Sollten sie nicht aufgehalten werden, so wird alles Leben auf der Erde ein Ende finden. Noch können sich deine Kameraden gegen sie behaupten, doch wie lange noch?”

Sein Rudel war in Gefahr? “Sam”, rief er in die Verbindung der Wölfe hinein. Nachdem er eine Sekunde lang auf eine Antwort gewartet hatte, öffnete er sich komplett und suchte in der Verbindung nach seinen Leuten.

“Ein aussichtsloses Unterfangen. Morgan le Fay hat die mentale Verbindung zwischen dir und deinem Rudel unterbrochen. In dem Augenblick in dem sie dich berührte, legte sie einen Bann auf dich.”

Das zumindest stimmte wohl. Er konnte keinen der Wölfe spüren. Weder ihre Gedanken noch ihre Gefühle drangen zu ihm durch. Verdammt! Was sollte er jetzt machen?

“Löse die Verbindung, dann lasse ich dich gehen. Ich schenke dir das Leben und gebe dir einen Körper. Dann kannst du dein Rudel retten.”

“Wo ist Isaak?”

“Hier und dort. Überall und nirgendwo. Der Mann, den du kanntest, existiert nicht mehr.”

“Lügner. Ich kann spüren, dass er am Leben ist.”

“Er lebt, so wie auch du noch am Leben bist. Gleichsam seit ihr tod. Ohne eure physischen Hüllen ist das eine Frage der Perspektive.”

Das ergab irgendwie Sinn. Aber auch nicht. Jake konnte denken und fühlen. Also war er am Leben. Was die Angelegenheit mit seinem Körper betraf, so sagte die Stimme anscheinend die Wahrheit. Konnte man ohne einen Körper am Leben sein? Es schwierige Frage. Darüber würde er später nachdenken.

“Wenn Isaak so wie ich noch existiert. Dann bring mich zu ihm.”

“Nein. Er und Morgana haben es gewagt meine Ruhe zu stören. Das werde ich ihnen nicht vergeben. Sie haben ihr Schicksal besiegelt in dem Augenblick als sie mir eine Form gaben.”

“Du bist die magische Kugel”, schlussfolgerte Jake.

“Wenn es dir hilft es zu verstehen, dann sieh es so.”

Innerlich ärgerte er sich über die Stimme. Sprach sie absichtlich in Rätseln, um ihn zu verwirren?

“Lass mich mit Isaak reden.”

“Nein.”

“Warum nicht?”

“Es ist unmöglich.”

Das war nicht die Antwort, die er hören wollte. So kamen sie nicht weiter.

“Warum ist das unmöglich?”

“Er und Morgana sind ein Teil von mir. Keinen von beiden werde ich gehen lassen. Dieses Gespräch dauert schon zu lange. Löse jetzt die Verbindung oder ich werde auch dich verschlingen.”

Jake zuckte mit seinen imaginären Schultern. “Dann verschling mich.” In einer Welt ohne Isaak wollte er nicht leben.

“Du hast ein reines Herz, daher verdienst du meine Gnade. Überdenke deine Wahl. Es ist nur zu deinem besten.”

Irgendwie klang das nach eine sehr weit her geholten Begründung. Das war seltsam. Wenn dieses Wesen wirklich so mächtig war, wie es sich selbst darstellen, warum verschwendete es so viel Zeit damit, ihn zu überzeugen?

Hatte die Stimme gelogen? Was wenn das alles hier nur ein ausgeklügelter Plan von Morgana war? Jake war sich nicht sicher. Er beschloss, auf volles Risiko zu gehen. Wenn die Stimme ihm nicht helfen wollte, dann musste er eben selbst einen Ausweg finden.

“Es gibt nur einen Ausweg. Löse die Verbindung.”

Nun war er sich sicher. Was auch immer diese Stimme war, sie wollte, das er die Verbindung zu Isaak abbrach. Was würde geschehen, wenn er genau das Gegenteil machte?

“Wage es ja nicht. Ich werde dich verschlingen.”

“Du bluffst doch”, schnaubte Jake mental und konzentrierte sich. Das hätte er von Anfang an tun sollen. Jake griff nach ihrer Verbindung und zog daran.

Die Welt um ihn her begann zu pulsieren.

“Hör auf damit.”

Täuschte er sich oder klang die Stimme verzweifelt? Hätte Jake einen Mund, so würde er nun schelmisch Grinsen. Der Gedanke würde wohl reichen müssen. In seinem Geist stellte er sich ihre Verbindung wie einen Faden vor. Ein Ende war er, das andere Isaak. Wenn er nun die Schnur einholte dann würde er seinen Freund schon finden.

“Ok, ok. Neuer Deal …”, begann die Stimme, aber Jake hörte ihr nicht mehr zu. Die Verbindung zu seinem Liebsten vibrierte unheilvoll. Etwas war im Weg. Er konnte Isaak nicht näher zu sich ziehen. Nun dann eben andersrum, mit diesem Gedanken folgte er dem Faden und presste sich daran entlang.

Plötzlich stieß er gegen eine Art Barriere. Was war das denn? Egal. Nichts würde ihn aufhalten. Mit aller Gewalt drängte er sich gegen das, was ihn daran hinderte zu Isaak zu gelangen.

“Lass das!”, schrie die Stimme im Hintergrund.

Es knirscht und vor Jake entstand ein Riss im Raum. Noch einmal hämmerte er mit aller Gewalt gegen das Hindernis und es zerbrach. Er stolperte und fiel auf einen weißen Boden.

“Jake, wo kommst du denn her?”

So schnell er konnte hob er den Blick. Da war er, Isaak stand vor ihm. Im Gesicht seines Liebsten spiegelten sich unterschiedliche Emotionen wieder. Einerseits war Isaak verwirrt, aber auch sehr froh ihn zu sehen. Durch die Verbindung drangen nun auch wieder ihre Gefühle und Gedanken frei hin und her.

Bevor Jake sich vollständig erhoben hatte, war Isaak schon bei ihm, um ihm zu helfen. Schnell warf Jake noch einen Blick über die Schuler. Hinter ihm und um ihn erstreckte sich die vertraute weiße Leere, wie immer wenn er in Isaaks Verstand war.

Erleichtert diesen körperlosen Raum und der Stimme entkommen zu sein, schlang er die Arme um Isaak. So schnell hatte Jake nicht vor, seinen Geliebten wieder gehen zu lassen.

Die, wenn auch recht kurze, Zeit der Ungewissheit als körperloses Augenpaar, hatte sein Herz in Sehnsucht entflammt. Etwas, was er niemals freiwillig laut aussprechen würde.

Wie zwei Magneten fanden sich ihre Lippen und vereinigten sich zu einem überschwänglichen Wiedersehen-Kuss. Auch sein Freund hatte ihn vermisst. Isaak musste nichts sagen, Jake wusste es auch so.

Eine Ewigkeit, so schien es, standen sie einfach nur da und genossen die Nähe zueinander, bis Isaak fragte: “Wie bist du hier reingekommen?”

Etwas irritiert brachte Jake ein wenig Abstand zwischen ihnen, damit er seinem Freund in die Augen sehen konnte. “Ich bin unserer Verbindung gefolgt. Wir sind in deinem Kopf oder?”

Nachdenklich runzelte Isaak die Stirn. “Ja, wir sind in meinem Verstand. Um genau zu sein, in einer geheimen Ecke, dem sprichwörtlichen hintersten Winkel meines Seins.”

Jake löse die Umarmung. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn als er Isaaks Unbehagen spürte. Sein Freund wollte ihn nicht hier habe. Hatte die Stimme doch die Wahrheit gesagt? Verheimlichte Isaak etwas vor ihm? War alles zwischen ihnen eine Lüge gewesen?

Sein Freund verdrehte die Augen, dann stupste er Jake gegen die Nase. “Dummes Wölfchen.” Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht seinen Liebsten aus.

“Ich freue mich immer, dich zu sehen und ich habe nichts dagegen, dass du hier bist. Sieh dich ruhig um. Ich habe nicht vor, dir etwas zu verheimlichen.”

“Wenn das stimmt, warum bist du dann besorgt?” Jake musste es einfach wissen. Das würde ihm sonst keine Ruhe lassen.

“Nun ja”, druckste Isaak ein wenig herum. “Eigentlich sollte niemand, selbst du nicht, in diesem Bereich eindringen können. Nennen wir es einen Safe-Room. Das trifft es einigermaßen.”

Diese Worte beruhigen Jake kein Stück. “Und was versteckt du hier?”

“Alles Wissen über die Technologie und die Magie der Wächter. Ebenso meine wertvollsten Erinnerungen.”

Darum ging es also. Erleichtert atmete Jake aus, während er weiter zuhörte.

“Ich muss herausfinden, wie du es geschafft hast hier einzudringen. Offenbar gibt es eine Sicherheitslücke. Wie du weißt, liegt ein Blutschwur auf uns. Sollte jemand anderes als du es hierher schaffen, würde das uns beide umbringen.”

Ok, da war was dran. Nun konnte Jake verstehen, warum sein Freund so besorgt war. Allerdings wurde er durch das Gesagte neugierig. “Welche Erinnerungen lagerst du hier?”

“Alles, was mein Vater mir angetan hat und …”

“Erinnerungen an deinen Vater? Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Sowas siehst du als wertvoll an?” Entsetzt starrte Jake ihn an. Er konnte einfach nicht glauben, was er zu hören bekam.

“Ja, Erinnerungen an meinen Vater”. Isaak runzelte die Stirn. “Egal, ob es mir gefällt oder nicht. Mein Leben als Mensch hat mich entscheidend geprägt und meinen Charakter geformt. Ich lagere hier auch jede Erinnerung, die mit dir zu tun hat.”

“Warum?”

“Einerseits, weil diese Erinnerungen meine Liebsten sind, zum anderen als reine Sicherheitsvorkehrung. Dieses Wissen ist zu gefährlich und könnte gegen mich verwendet werden.”

Jake legte den Kopf leicht schief. “Bist du nicht ein wenig paranoid? Was bringt es einem Fremden zu wissen, was dein Vater getan hat oder was zwischen uns läuft?”

“Stell dir mal vor, jemand dringt in meinen Verstand ein. Diese Person könnte meine Erinnerungen verfälschen. Es genügen winzige Veränderungen, um meinen Charakter und oder meine Gefühle komplett umzuschreiben.”

“Gib mir mal ein Beispiel”, forderte Jake. So ganz hatte er es immer noch nicht verstanden.

“Gut. Nehmen wir meine Entscheidung, keine Rache an meinem Vater zu nehmen und verdrehen wir sie ins Gegenteil. Ich wäre dann nicht mehr der, der ich jetzt bin. Selbst ich kann nicht vorhersehen, was dann mit meinem Charakter passieren würde.

Es könnte sein, dass ich mich mit dem Mord an meinem Vater zufrieden geben würde. Vielleicht würde ich auch anfangen aktiv Jagd auf Vergewaltiger zu machen, um meine Rachegelüste zu befriedigen. Oder ich könnte zu der Überzeugung gelangt sein, die Menschheit als ganzes zu beseitigen. Du siehst, eine winzige Änderung und ich könnte zu einer Bedrohung allen Lebens werden.”

Mit offenem Mund starrte Jake Isaak an. Damit hatte er nicht gerechnet. “Kannst du mir auch so einen Raum einrichten?”

“Den hast du bereits. Er befindet sich in deinem Unterbewusstsein. Durch den Blutschwur war es unabdingbar deine Erinnerungen vor dem Zugriff eines Fremden zu schützen.”

“Und das sagst du mir erst jetzt?”

Isaak senkte verlegen den Blick. “Erst hielt ich diese Information für unwichtig. Das Wissen über diesen Save-Room bringt dir auch nichts, solange du nicht verstehst, wofür er da ist. Außerdem hast du mehr als einmal gesagt, dass wir Wächter es übertreiben mit unseren Maßnahmen. Daher vermutete ich, es wäre besser, dich nicht damit zu behelligen.”

“Falsch gedacht”, knurrte Jake und sah genau, wie Isaak zusammenzuckte. Einen kleinen Augenblick ließ er ihn schmoren, dann begann Jake zu Grinsen. “Kopf hoch. Ich nehme dir das nicht übel. Ich weiß ja, wie anders dein Verstand arbeitet. Es ist aber gut zu wissen, dass meine Erinnerungen sicher sind und nicht manipuliert werden können.”

Sie sahen sich gegenseitig tief in die Augen. In solchen Momenten verstanden sie sich ohne ein weiteres Wort. Sie beendeten dieses Theme mit einem langen Kuss, inklusive einer sinnlichen Umarmung.

Nach einer Weile trennten sie sich voneinander. Nachdenklich fragte Isaak: “Jake, du hast vorhin über eine seltsame Stimme nachgedacht. Erklärst du mir bitte, was es damit auf sich hat?”

Mit einem Schulterzucken sagte Jake: “Sieh dir einfach meine Erinnerungen an. Das geht schneller.”

“Das kann ich gerade nicht.”

Jake runzelte die Stirn. “Was meinst du damit?”

“Ich bin nicht aus Spaß in meinem Save-Room. Mein Verstand ist vollkommen überlastet, so dass ich mich hierher zurückziehen musste.”

Diese Erklärung reichte Jake nicht aus, daher meckerte er wehleidig: “Komm schon, lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Erklär es mir, so dass auch ich es verstehen kann.”

Ok, das freche Schmunzeln und das Augenrollen seines Liebsten hatte er verdient. Sein Verhalten war eher das einen Kleinkindes. Aber hey, vor Isaak musste er sich nicht verstellen. Da konnte er so sein, wie er eben war.

“Erinnerst du dich daran, was ich dir in der Wüste über meinen Verstand gesagt hatte?”

“Du nimmst mehr war als ich und denkst anders, oder?”

“Ja, so in etwa. Normale Menschen blenden unbedeutende Informationen aus, ich hingegen verarbeite aktiv alle Sinneseindrücke. Genau das ist gerade mein Problem.

Hier, im Inneren der magischen Kugel, werden all meine Sinne mit derart vielen Eindrücken bombardiert, dass mein Verstand an seine Grenzen gestoßen ist. Um nicht verrückt zu werden, habe ich mich hierher zurückgezogen.”

Jake wusste genau, was Isaak meinte. Bevor er in dessen Geist eingedrungen war, ging es ihm ähnlich. Als normal denkender Mensch, konnte er aber das alles ausblenden. Sein Freund konnte das nicht.

Besorgt fragte Jake: “Wie geht es dir?”

“Es geht mir einigermaßen gut. Jedoch sind mir die Hände gebunden. Ich habe absolut keine Kontrolle mehr über meinen Verstand, meinen Körper oder meine Magie. Ich bin hier eingesperrt.”

Das klang ja noch schlimmer als Jake sich das ausgemalt hatte. “Kann ich dir irgendwie helfen?”

“Ich wüsste nicht, wie.” Isaak seufzte laut auf. “Auch für so einen Fall wurde der Save-Room erschaffen. Weder ich noch einer meiner Vorgänger hatte aber damit gerechnet, dass dieser Zustand länger als einen Augenblick anhalten könnte. In Anbetracht unserer massiven geistigen Aktivität haben wir ein solches Szenario als unmöglich angesehn. Da hat uns wohl unser Hochmut eine Falle gestellt.”

Mit einem gequälten Grinsen legte Jake ihm eine Hand auf die Schulter. “Selbst ihr Wächter seid nicht unfehlbar.”

Unwillig brummte Isaak vor sich hin. “Das habe ich auch nie behauptet.”

Zu gerne würde Jake seinen Freund noch ein wenig aufziehen, aber sie hatten wichtigeres zu tun. Sie mussten noch immer einen Weg aus der magischen Kugel finden und sich anschließend um Morgana le Fay kümmern.

Jake machte es sich auf dem Boden bequem und zog Isaak rücklings auf seinen Schoss. Dann erst begann er zu erzählen, was er erlebt hatte.

Einige Minuten, das glaube Jake jedenfalls, vergingen in denen Isaak über alles nachdachte. In der Zwischenzeit beschäftigte Jake sich damit seinen Freund zu streicheln. Er genoss die Nähe und die zarten Berührungen. Dabei glitten seine Gedanken langsam ab. Ob Sex in der Gedankenwelt möglich war? Würde sich das anders anfühlen?

Eher mechanisch antwortete ihm Isaak. “Theoretisch wäre es möglich. Jedoch kann ich dir nicht sagen, ob es da Unterschiede gibt. Das müsste man ausprobieren.”

Sein Freund hob den Kopf und sah ihm in die Augen. “Ein interessantes Gedankenkonstrukt. Lass uns das zu gegebener Zeit mal Testen.”

“Jetzt?” Jake legte absichtlich sein bestes schiefes Grinsen an den Tag.

“Nein.”

“Schade”, brummte Jake halbherzig. Er hatte es eh nicht ernst gemeint, oder doch?

Unvermittelt stand Isaak auf. “Du bist echt schlimm, Wölfchen.”

Jake nahm die angebotenen Hand seines Liebsten an und ließ sich hochziehen. “Ich nehme an, du hast einen Ausweg gefunden?”

“Ja und nein. Ich denke, die Stimme hatte Angst vor unserer Seelenverbindung. Immerhin hatte sie diese als abartig bezeichnet.”

Jake verengte die Augen, dabei knurrte er: “Diese Stimme war ein echt homophobes Arschloch.”

“Ich denke nicht, dass es um diesen Punkt ging.”

Ratlos sah er seinen Freund an.

“Wer oder was auch immer diese Stimme ist, ich glaube es ging ihr darum, dass sich unsere Seelen berührt haben.”

Das klang in Jakes Ohren weit hergeholt. Oder doch nicht? Immerhin wollte die Stimme nur eines, dass er die Verbindung zu Isaak unterbrach.

Jake knabberte nachdenklich an seine Unterlippe. “Du denkst, in dem wir genau das Gegenteil tun, was die Stimme will, kommen wir hier raus?”

“Es wäre möglich. Ich würde sagen, lass es uns versuchen. Etwas anderes fällt mir gerade nicht ein.” Mit diesen Worten drängte sich Isaak an ihn.

Jake nickte, dann zwängten sie sich durch den Spalt in der Barriere und berührten sich.

Vom Boden her sah Jake auf. Wie immer hatten sie sich voneinander entfernt, wie zwei gleichpolige Magneten schienen sie sich abzustoßen, sobald sich ihre Seelen berührten.

Der Save-Room war angereichert mit einer Unmenge an Energie. Viel mehr, als all die Male zuvor. Jake sah Isaak dabei zu, wie dieser aufstand. Sein Liebster hob die Arme hoch, während Jake den Atem anhielt.

Nichts geschah.

Nach einer Weile atmete er aus. “Was ist los?”

Niedergeschlagen ließ Isaak die Arme und gleich darauf die Schultern sinken. “Mit dem wenigen an Konzentration, die ich noch besitze, kann ich die Energie nicht bändigen.”

“Na toll”, grummelte Jake. “Und was sollen wir jetzt mit dieser Energie anfangen?”

“Ich könnte versuchen ein wenig davon in die Umgebung abzuleiten.”

So langsam verlor Jake die Geduld. Egal, ob die Stimme bezüglich seines Rudels gelogen hatte oder nicht, sie mussten hier raus und nach dem Rechten sehen. Allerdings machte er sich nicht allzu große Sorgen. Immerhin hatte er mit Sam einen kampferprobten Stellvertreter zurückgelassen.

“Das klingt besser als dumm rum zu sitzen. Tu es.”

Isaak zuckte mit den Schultern und hob erneut die Hände.

Plötzlich vibriert der ganze Raum.

“Was ist los?”, fragte Jake, während er versucht das gleichgewicht zu halten.

“Ich weiß es nicht.” Die Stimme seines Liebsten war vor Anstrengung verzerrt. Jake konnte nur hoffen, dass das ein gutes Zeichen war.

Plötzlich sah Jake etwas. Mit seinen Augen, mit seinen echten Augen. Eine Wand, weder weiß noch schwarz, und doch beides befand sich vor ihm.

Er zog den Kopf etwas zurück und stellte fest, sein realer Körper klammerte sich noch immer an Isaaks Rücken.

Wenn Jake es richtig verstand, schwebten sie an der gleichen Stelle, an der die Kugel sie verschluckt hatte. Von Isaak sah er nur den Rücken und einen Teil des Halses. Der Rest von seinem Freund steckte in der Kugel.

Im Isaaks Save-Room rief Jake aufgeregt. “Es funktioniert. Gib der Kugel noch eine Portion.”

“Zu Befehl”, knurrte Isaak zitternd vor Anstrengung.

Während er in der Gedankenwelt seinen Freund anfeuerte, sah er in der Realität, wie die Kugel in sich zusammen schrumpfte. Dabei gab sie Stück für Stück Isaaks Hinterkopf preis.

“Nur noch ein bisschen mehr und dein Kopf ist frei.”

“Ich versuche es ja”, beschwerte sich Isaak. “Das ist nicht so leicht, wie es aussieht.”

“Mach einfach.” Das war nicht gerade nett von Jake, aber was sollte er sonst machen. Er konnte seinen Liebsten nur mental beistehen. Mit Magie kannte er sich kein Stück aus.

“Es geht nicht”, rief Isaak auf einmal. “Ich verliere die Kontrolle.”

“Halte durch, ich versuch mal was.” Während er sprach löste er in der Realität eine Hand von Isaaks Brust, die er immer noch umklammert hielt, und zog sie aus der magischen Kugel. So weit so gut. Er schloss eine Faust und öffnete sie gleich wieder. Alles war so wie immer.

Damit wurde es Zeit für einen weiteren Vorstoß. Beherzt griff er nach Isaaks Haarpracht. Mit einem kräftigen Ruck riss er ihm den Kopf in den Nacken. Sogleich fanden sich ihre Blicke.

“Aua, das hat weh getan”, bescherte sich Isaak, grinste aber.

“Sorry.” Versöhnlich streichelte Jake die Kopfhaut seines Liebsten. Er war auf Nummer sicher gegangen und nicht gerade zimperlich gewesen.

“Schon gut.” Isaaks Augen waren noch immer auf ihn gerichtet, doch wusste Jake, dass sein Freund ihn gerade nicht wahrnahm.

Langsam schwebten sie rückwärts, wodurch Isaak ihre beiden Körper vollständig aus der Kugel herauszog. Erleichtert atmete sein Liebster aus. “Das wäre geschafft.”

In der Gedankenwelt saugte Isaak sämtliche Energie in sich auf, wobei er in der Realität seinen Blick auf die Kugel richtete. Mit erhobenen Händen knurrte sein Freund: “Und jetzt zu dir.”

In der Zwischenzeit hatte sich Jake wieder vollständig an Isaak festgeklammert, sie schwebten ja immer noch etliche hundert Meter in der Luft. Dann sah er fasziniert zu, wie sein Geliebter einen Strom reiner Energie auf die magische Kugel abfeuerte.

Die Sphäre schrumpfte rasch zusammen. Dabei fiel die ebenfalls befreite Magierin gen Erde. Morgan le Fay hatte ihren Aufenthalt innerhalb der wilden Magie offenbar mehr zugesetzt als ihm und Isaak.

Einen Augenblick lang sah er der Frau beim Fallen zu. “Nein”, schrie sie plötzlich und schlug mitten in der Luft wild um sich. Bevor sie aber auf dem Boden aufschlug, verschwand sie einfach.

Verdammt, sie war ihnen doch tatsächlch entkommen. Aber daran konnte sie nichts ändern. Vor allem da sein Freund noch immer mit der Kugel beschäftigt war.

Die wilde Magie hatte mittlerweile die Größe einer Kastanie angenommen. Diese schwebte zwischen Isaaks Händen. Aus den Gedanken seines Freundes erfuhr Jake, dass er versuchte die Magie zu bannen.

So ganz verstand Jake nicht, was Isaak da trieb. Einige Zauber später griff sein Liebster nach der Kugel. Zwischen Zeigefinger und Daumen hielt Isaak sie fest. Die Oberfläche der Magie war zwar immer noch ein Wirbel aus allem und nichts, aber sie hatte offenbar eine feste Form.

“Geschafft”, seufzte Isaak und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

“Was genau hast du mit diesem Ding vor?” Diese Frage beschäftigte Jake ungemein. Die wilde Magie war eine nicht zu unterschätzende Waffe. Wer wusste schon zu was diese Kugel alles fähig war.

“Keine Sorge. Solange meine Barrieren aktiv sind, droht keine Gefahr. Ich werde sie erstmal bei mir behalten. Wenn die Zitadelle wieder da ist, werde ich sie dort lagern. Zusammen mit all den anderen magischen Waffen, Artefakte und Fehlschlägen.”

Jake blinzelte. Nein, er fragte jetzt nicht weiter nach. Sie hatten wichtigeres zu tun. “Kannst du den Bann von mir nehmen. Ich muss wissen, was in Folks passiert.”

“Mal sehen”, murmelte Isaak, wobei Jake das Gefühl bekam, durchleuchtete zu werden. Nebenbei schlug sein Freund die Hände zusammen. Als er sie wieder öffnete war die magische Kugel verschwunden.

Es war immer interessant mit anzusehen, wenn Isaak etwas auf diese Art verschwinden ließ. Dabei gerieten Jakes Gedanken allerdings ein wenig auf Abwege. Er würde auch gerne etwas in ihn rammen.

“Später”, murmelte Isaak geistesabwesend. “Nur noch ein kleines bisschen. So, geschafft.” Mit dem Verklingen der letzten Silbe, öffnete sich Jakes Verbindung zum Rudel. Augenblicklich wurde er überschwemmt von Eindrücken, Gefühlen und Schreien!

Schatten, Licht und Chaos

Kamden

“Ruhe”, befahl Kamden und es wurde still in der Verbindung. Etwas erschreckt darüber, wie viel Macht er nun über die anderen besaß, versuchte er seine Gedanken zu ordnen.

“Ihr wolltet mir nicht zuhören, dann muss ich euch eben dazu zwingen. Bis Jake wieder da ist übernehme ich den Posten des Alphas. Ihr werdet tun, was ich sage, egal ob ihr wollt oder nicht.”

Es gefiel ihm den Ton anzugeben. Kurz, wirklich nur ganz kurz, dachte er darüber nach die Wölfe für ihr Verhalten ihm gegenüber zu bestrafen. Dann trafen seine Augen auf Embrys. Kamden hatte sich gegenüber seinem Kleinen nicht abgeschottet, warum sollte er auch. Daher wusste Embry, was er gedacht hatte.

Als wären die verengte Augen nicht schon Hinweis genug, spürte er die Wut seines Freundes durch ihre intime Verbindung.

Wie geschlagen zuckte Kamden zusammen und verwarf augenblicklich jeden Rachegedanken. Selbst Paul würde er in Ruhe lassen. Embrys Zorn wollte er sich auf keinen Fall zuziehen. Insgeheim war er seinem Kleinen dankbar dafür, dass dieser auf ihn aufpasste und von solchen Dummheiten abhielt. Im Nachhinein hätte er sein Vorhaben sicher bereut. Obwohl er nur zu gerne Paul in einem rosa Tütü sehen wollte.

Nach einem geknurrten “Kamden!” seitens Embry, fokussierte er sich wieder auf ihre Situation.

“Die Sonne wird bald untergehen und wir brauchen so viele Taschenlampen wie möglich, um uns zu verteidigen. Alle, die nichts zu tun haben, suchen nach den besten Lampen, die sie in die Finger bekommen können. Bringt sie anschließend zum Sammelplatz.”

Kurz spürte Kamden wie sich einige gegen seinen Befehl stellten, dann brach deren Wille. Nur ein Alpha konnte sich gegen den Befehl eines Alphas erheben. Keiner der anderen im Rudel hatte somit einen Chance sich zu widersetzen.

Ein wenig ängstlich merkte Seth an: “Die besten Taschenlampen gibt es bei den Newtons. Die haben ein gut ausgestattetes Fitness- und Outdoorgeschäft.”

“So etwas gibt es in Forks?”, fragte Kamden erstaunt.

“Es gibt viele Wanderer und Bergsteiger, die hierherkommen, um sich die Zeit im Nationalpark zu vertreiben”, erklärte Embry feixend. “Wir Hinterwäldler haben eben auch gute Dinge zu verkaufen.”

Diesen Seitenhieb schluckte Kamden ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Kleiner durfte das. Jedem anderen hätte er Paroli geboten. Dennoch waren diese Informationen nützlich. “Danke für die Infos. Das habt ihr beiden gut gemacht.” Durch die Verbindung zum Rudel spürte er, dass vor allem Seth sich sehr über das Lob freute. Der Jungwolf bekam wohl nur wenig Anerkennung.

Kamden hatte nicht vor mit eiserner Hand zu herrschen. Ein guter Anführer musste zwar durchgreifen können, sollte aber auch seine Leute motivieren. Bei Seth hatte er in diesem Punkt schon mal gute Arbeit geleistet.

Auch die anderen im Rudel würden schnell bemerken, dass Kamden kein Arsch war, wenn er es nicht sein musste. Mit diesen Gedanken ließ er die Alphastimme bleiben und redete normal weiter: “Gut. Dann wissen wir jetzt, wo wir unsere Waffen herbekommen. Schafft so viele wie möglich an den Sammelpunkt. Priorität hat aber immer noch die Evakuierung. Kann bitte einer den Vampiren Bescheid geben?”

“Schon erledigt”, meldete sich Embry zu Wort.

“Gut gemacht. Dann ist auch das geklärt. Passt auf euch auf und meldet euch, wenn euch etwas auffällt oder ihr in Bedrängnis kommt. Eins noch, haltet euch von dunklen Orten fern. Die Schatten entspringen der Dunkelheit.”

Während seines Monologs war er zu Embry gelaufen. Sanft kraulte er den hellgrauen Wolf am Kopf. Auch wenn er bemüht war vor dem Rudel alle gleich zu behandeln, so konnte er einfach nicht anders als seinem Kleinen eine besondere Form der Belohnung zukommen zu lassen.

Wenn einer der anderen in der Nähe war, sollte er sowas aber besser nicht machen. Am Ende wollten die vielleicht auch noch gestreichelt werden. Nie im Leben! Sollten die sich doch ihren Gefährtinnen zuwenden oder sich eine suchen. Nicht sein Problem. Er hatte Embry und nur Embry bekam diese Behandlung.

“Lass uns zum Sammelpunkt gehen”, sagte Kamden während er Embry hinter den Ohren kraulte.

“Nein”, hörte er die mentale Stimme seines Freundes. “Du bist der Alpha. Und du solltest zum Sammelpunkt gehen. Deine Aufgabe ist es uns zu koordinieren. Ich aber bin ein normales Rudelmitglied und werde den anderen helfen.”

“Kommt gar nicht in Frage. Du wirst bei mir bleiben”, knurrte Kamden aufgebracht. Er würde seinen Kleinen doch nicht allein rumrennen lassen. Niemals!

“Dann wirst du mich zwingen müssen. Im Rudel und vor allem in einer solchen Situation, bin ich nur ein Wolf von vielen. Unsere Beziehung hat da nichts zu suchen. Wenn du mir meine Ehre als Krieger nimmst, dann werde ich dir das nicht verzeihen.”

Bei diesen Worten musste Kamden erstmal schlucken. Natürlich hatte er nun die Macht Embry Befehle zu erteilen, aber zu welchem Preis? Unwillig knurrte er vor sich hin. “Na schön, wie du willst.” Er packte zu und zwang Embry ihm in die Augen zu sehen. “Wehe dir passiert was. Hast du verstanden? Keine Heldentaten, oder ich komme dich holen.”

“Ja, mein Alpha.”

Kamden ließ los und verwandelte sich. Fast augenblicklich leckte Embry ihm über die Schnauze. Sie schmiegen die Köpfe aneinander, dann trennten sie sich und gingen ihren jeweiligen Aufgaben nach.

*

Die Plünderung des Outdoorgeschäfts ging ohne Probleme über die Bühne. Seine Wölfe erbeuteten gut vierzig erstklassische Taschenlampen, samt Spezialzubehör. Ihre Beute verstauten sie in großen Wanderrucksäcken, die von Edward und Alice abgeholt und zum Sammelplatz gebracht wurden.

Zufrieden, da bisher weder ein Wolf noch ein Mensch von einem der Schatten erwischt worden war, stand Kamden bei den Frauen und half diesen die Lampen vorzubereiten. Er riss alle Packungen auf, während Emily, Rachel und Kim die Batterien einlegten.

Testweise hatte er die erste Lampe an einem nahen Schatten ausprobiert. Der Lichtstrahl war bedeutend stärker als der aus seiner vorigen Taschenlampe. Nun konnte er deutlich sehen, wie der Schatten kleiner wurde. Zusätzlich bemerkte Kamden, dass das Ding vor dem Licht zu fliehen versuchte, mit mäßigem Erfolg bei dessen Schneckentempo.

Sein Gegner schrumpfte immer weiter, bis er einfach verschwand, eine kleine Rauchwolke zurücklassend. Diesen Erfolg teilte er sogleich mit dem Rudel.

Noch immer konnte Kamden spüren, dass sich die anderen Wölfe über seine Vorsichtsmaßnahmen aufregten, auch wenn keiner es wagte, etwas zu sagen. Kamden war in ihren Augen eine unbekannte Größe als Alpha und keiner wollte sein Missfallen erregen.

Noch bevor alle Lampen einsatzbereit waren,neigte sich der Tag dem Ende zu. Mit jedem Augenblick wurde es dunkler und die Auswirkungen folgten auf dem Fuße. Die Schatten wurden bedeutend schneller, so dass die Wölfe gezwungen waren mehr Acht auf sie zu geben.

Einige Minuten später hatte auch der letzte Zweifler seinen Fehler eingesehen. Sie waren noch nicht fertig mit der Evakuierung und mussten höllisch aufpassen, nicht von den Schatten eingekreist zu werden.

Als die Sonne kaum noch zu sehen war, befahl Kamden: “Alle zurück zum Sammelpunkt. Wir sichern die Plattform. Die Vampire sammeln die Nachzügler ein.”

Als Menschen und bewaffnet mit den Taschenlampen, hielten die Wölfe gemeinsam mit den Frauen die Schatten in Schach. Die Stimmung war angespannt. Jedem von ihnen kroch so langsam die Angst den Nacken hinauf.

Die Schatten rasten wie Vampire in einem weiten Kreis um sie herum. Wann immer ein Lichtstrahl eines der Wesen traf, wich es zur Seite aus und verschwand in der Dunkelheit. Hinzu kam noch die schiere Menge ihrer Gegner. Mittlerweile mussten es Hunderte, wenn nicht sogar Tausende sein.

In diesem Moment kam Emmett, mit Lampen behängt wie ein Weihnachtsbaum, durch die Gegner gerannt. Mit je einer Hand trug er einen Menschen. Ein Wanderer-Pärchen, das sich einen schönen Ausflug in den Wäldern von Forks vorgenommen hatte. Zum Glück war die Saison fast vorbei und demnach nur noch wenige Abenteurer in der Umgebung. Nicht auszudenken wenn sie den halben Wald nach Menschen hätten absuchen müssen.

“Edward?”, fragte Emmett, während er die Menschen auf die Plattform bugsierte.

“Das waren die letzten”, erwiderte sein Bruder. “Ich kann keinerlei Gedanken von Menschen in einem Umkreis von fünf Kilometern ausmachen.”

“Gut, dann Abflug”, meldete sich Rosalie zu Wort. Wie ein Mann sprangen alle Vampire gleichzeitig auf die Plattform. Edward erhob die Stimme: “KI, teleportiere uns zum zoologischen Forschungsinstitut.”

Ein Signalton erklang. “Befehl kann nicht ausgeführt werden”, sagte die weibliche Stimme der Plattform.

“Verdammt noch mal”, schimpfte Emmett laut.

“Was ist los?”, fragte Kamden und sah sich um. “Wir müssen hier weg.”

“Bleibt ruhig”, mahnte Edward. “KI, warum kann mein Befehl nicht ausgeführt werden?”

“Aufgrund eines aktiven Notfallprotokolls ist der Zugriff für Unbefugte gesperrt.”

Kaum hatte die KI zu Ende gesprochen befahl Kamden: “KI, deaktiviere das aktive Notfallprotokoll.”

“Befehl verweigert. Zugriffsrechte des Individuums Kamden Hales nicht ausreichend.”

Auch Edward und Embry versuchten es, mit demselben Ergebnis. Ratlos sahen sie sich an. Sie waren gefangen. Umringt von Schatten, die so schnell waren, dass sie ihnen selbst als Wölfe nicht mehr entkommen konnten und nicht in der Lage sich wegzuteleportieren.

Was sollten sie nur tun? Hastig ließ Kamden den Blick schweifen. Noch konnten sie die Schatten auf Distanz halten, jedoch wurden es immer mehr. Langsam und stetig drängten ihre Feinde auf sie zu.

Kamden schluckte schwer. Er musste eine Entscheidung treffen. Emily, Claire, Rachel und Kim waren normale Menschen. Sollten sie die Plattform betreten, würden sie zum Außenposten transportiert werden. Sie wären gerettet und würden gleichsam ihre geprägten Partner töten. Doch welche Wahl blieb ihnen?

Der Kreis wurde immer kleiner. Sie alle würde sterben, aber die Menschen konnten sich retten. Dieselben Gedanken gingen auch den anderen Wölfen durch den Kopf.

Sie alle würden ihr Leben geben, um ihre Partnerinnen zu retten. Die Entscheidung war gefallen, bevor Kamden den Befehl geben konnte. Paul, Jared und Quill wandten sich ihren Partnerinnen zu. “Geht, rettet euch.”

“Nein”, riefen die Frauen synchron.

Kamden baute sich vor ihnen auf: “Bitte, geht. Unser Schicksal ist besiegelt, doch ihr sollt leben.”

Um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, begann das gesamte Rudel in der Verbindung mit einem heulenden Wehklagen.
 

Jake

“Ruhe!”, befahl Jake mental. Bei dem ganzen Geheule hatte er kein einziges Wort verstanden. Wilde Freude drang durch die Verbindung. “Sam, Lagebericht!”

Anstelle seines Stellvertreter, war es Kamden der antwortete: “Sam ist außer Gefecht. Ich habe übernommen.”

Bei diesen Worten musste Jake erstmal schlucken. Was zum Teufel war in Forks vorgefallen? Kamden war seiner Meinung nach noch lange nicht bereit die Führung zu übernehmen. Weder hatte sein Bruder das Wissen noch die Erfahrung dafür.

Dennoch gab es keinen Zweifel an Kamdens Worten. Jake hatte eindeutig den Doppelklang der Alphastimme gehört. Kamden, ein Alpha? Wie konnte das nur passieren?

“Danke, das merk ich mir”, schnaube sein Bruder verärgert.

Verdammt. In seinem Bestreben, sich mit seinem Rudel zu verständigen, hatte Jake sämtliche Barrieren fallen lassen. Diesen Umstand korrigierte er sofort. “Später. Gib mir erstmal einen Lagebericht.”

Durch die Verbindung drang Kamdens Widerwillen. Ob dieser seine Gefühle bewusst durchdringen ließ oder nicht, dass konnte Jake nicht sagen. Die Stimme seines Bruder war jedoch bemüht ruhig als er antwortet: “Wir werden von Schatten angegriffen. Noch können wir diese Dinger in Schach halten, aber nicht mehr lange. Wir brauchen euch hier, vor allem eure Zugriffsrechte.”

“Wir sind auf dem Weg”, mischte sich Isaak direkt mit ein. Die nächsten Worte sprach er nur zu Jake: “Wölfchen, halte dich gut fest, das könnte unangenehm für dich werden.”

Alarmiert verstärkte Jake seinen Klammergriff und presste sich an den Rücken seines Liebsten.

Er blinzelte und schon waren sie in Forks. Dabei hatte er das unangenehme Gefühl, dass seine Gedärme nicht mehr da waren, wo sie hingehörten. Allen voran sein Magen mochte diese Art der Fortbewegung gar nicht.

Rasch ließ er los und sich zu Boden gleiten. Gerade noch rechtzeitig, denn da zwängt sich auch schon sein Mageninhalt in die Freiheit.

Während Jake sich die Seele aus dem Leib kotzte, sah er sich gleichzeitig durch Isaaks Augen um. Ihre Seelenverbindung war noch immer aktiv. Das musste auch so bleiben, sie würden Isaaks Magie sicher benötigen. Krampfhaft versucht Jake ihre Verbindung zu halten, sich nicht auf sich selbst zu übergeben und mitzubekommen was los war. Für eigene Gedanken war kaum Platz dabei.

Eine Flut aus Bildern und Eindrücken zog an Jakes innerem Auge vorbei als Isaak begann die Situation zu analysieren. So erfuhren beide, was es mit den Schatten auf sich hatte und was vorgefallen war.

“Jake!”, stieß Rachel hervor und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. “Die Schatten, sie …”

“Ich weiß alles, Rachel”, murrte Jake und spuckte die letzten Reste seines Kaffeekränzchens aus.

“Was? Woher?”

“Mentale Verbindung.” Ohne weiter auf seine Schwester zu achten, erhob er sich und sprang auf die Plattform. “KI, Notfallprotokoll sofort abbrechen.”

Pling. “Verstanden. Sequenz wurde abgebrochen, Wächter Jacob.”

“Wächter Jacob?”, fragten einige Stimmen hinter ihm.

“Alle auf die Plattform”, befahl Jake, die Ausrufe überging er einfach.

“Was ist mit Sam?”, fragte Emily, die einzige die seinen Befehl ignorierte.

“Schatz?”, wandte sich Jake an Isaak. Sein Freund legte den Kopf leicht schief und studierte aufmerksam den halb verwandelten Gestaltwandler. Hinter dem Schleier der Realität sah er sich Morganas Zauber genauer an. Dann machte er eine schneidende Bewegung mit der Hand.

Sam wurde zum Wolf, dann zum Menschen und brach zitternd vor Erschöpfung zusammen. Das Ganze hatte ihm wohl stark zugesetzt.

“Danke”, murmelte Sam schwach.

Schon war Jake zur Stelle. Ohne auf die Gefühle seines Stellvertreters zu achten, hob er ihn in seine Arme und trug ihn zur Plattform. Dort legte er Sam ab. Emily an seiner Seite begann sogleich ihren Mann beruhigend zu streicheln.

“Wir kommen gleich nach”, begann Jake. “Wir müssen hier nur noch schnell aufräumen. KI, teleportiere alle zum Unterwasserposten.”

Mit einem Pling war die ganze Bande verschwunden.

Zeitgleich wurde es dunkel. Sie hatten die Taschenlampen mitgenommen. Verdammt! Das war so aber nicht geplant.

“Beruhige dich”, sagte Isaak und schnippte mit den Fingern. Eine fliegende Kugel reinen Lichts erschien über ihren Köpfen. Eingehüllt in einen Lichtkegel kamen die Schatten nicht an sie ran.

“Was machen wir jetzt? Kannst du die Schatten mit deinen Lichtstrahlen erledigen?”

“Das ist eine gute Frage”, murmelte Isaak und hob eine Hand. Er schoss einen Lichtstrahl ab und vernichtet rund fünfzig der Wesen auf einmal. Die entstandene Lücke schloss sich keine Millisekunde später wieder. Es waren einfach zu viele Feinde.

Hinzu kam noch, dass die Schatten sich immer schneller materialisierten. Auf diesem Weg würden sie ihre Gegner nicht los werden. Sie mussten einen Weg finden, alle auf einmal zu vernichten.

Jake und Isaak waren so stark miteinander verbunden, dass sie fast wie eine Person agierten. Sie dachten gemeinsam nach.

Langsam formulierte Jake: “Kannst du so eine magische Kugel erzeugen, wie die von Morgan le Fey, nur aus Licht anstelle Schatten?”

“Ja, aber dann würde von Forks nur noch ein Krater übrig bleiben. Ich denke, das wäre nicht zielführend.”

Betreten wippte Jake mit dem Kopf. Das wäre nicht so gut. Schon kam ihm ein neuer Einfall. “Was, wenn wir uns auf die Aufstiegsplattform zurückziehen und die Phasenverschiebung aktivieren?”

“Wir sind die einzigen höheren Lebensformen in der Umgebung. Sollten wir das machen, so fürchte ich, verstreuen sich die Schatten in alle Himmelsrichtungen. Binnen weniger Minuten wären sie in Seattle und in all den anderen Dörfern in der Nähe. Das kann ich leider nicht gestatten. Diese Wesen dürfen Forks nicht verlassen.”

Natürlich, auch in diesem Punkt hatte Isaak recht. Die Schatten mussten hier bleiben.

Nachdenklich hob Isaak den Blick und sah zu seiner Lichtkugel auf. “Ohne eine genauere Analyse, was die Schatten sind und wo sie herkommen, habe ich wohl keine andere Wahl als zu experimentieren.”

Sein Freund sah wieder gerade aus und hob eine Hand. Um einen der Schatten, aufgrund des “wahren Blicks” konnten sie diese gut sehen, bildete sich eine magische Barriere. Das Wesen zuckte und zappelte, konnte der Magie aber nicht entkommen.

“So weit, so gut.” Isaak schloss die Faust und komprimierte den Schatten zu einer kleinen etwa Fussball großen Kugel. Die leicht lila schimmernde durchsichtige Barriere wurde schwarz. Jake konnte nun nicht mehr ins Innere spähen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend fragte er: “Sag mir bitte, du willst diesen Schatten nicht als Testobjekt mitnehmen.”

“Eigentlich schon.”

“Ich hatte es befürchtet. Bist du dir sicher, dass dieses Ding nicht entkommen kann?”

“Ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher einen einzelnen Schatten bändigen zu können.”

Geschützt von der undurchsichtigen magischen Barriere ließ Isaak die Kugel in den Lichtkegel schweben. “Sollte das Wesen entkommen, wird es augenblicklich von dem Licht erledigt. Das sollte als Sicherheit reichen fürs erste.”

Jake dachte da ein wenig anders. Die Art seines Liebsten immer alles genau zu untersuchen gefiel ihm in solch einer Situation gar nicht. Allerdings musste auch er einsehen, dass es nützlich wäre mehr über diese Wesen zu wissen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Morgan le Fay noch immer auf freiem Fuß war.

Nachdem das Testsubjekt gesichert war, sah Isaak zu ihm herüber. “Mein nächster Zauber wird viel Energie verbrauchen, mach dich bereit.”

Auf diese Ansage hin schloss Jake die Augen. Je mehr Magie Isaak einsetzte, desto schwerer wurde es für ihn ihre Verbindung aufrecht zu erhalten.

Durch die Augen seines Liebsten sah er, wie Isaak beide Arme auf Brusthöhe hob. Zwischen den einander zugewandten Handflächen zuckten Funken hin und her. Keine Sekunde später entstand ein kleiner, stetig wachsender Feuerball.

Erstaunt registrierte Jake, dass es sich hierbei um eine Art Miniatur-Sonne handelte. Als der Zauber etwa so groß wie eine Honigmelone war, hob Isaak die Hände gen Himmel. Die kleine Sonne schoß gut einen Kilometer in die Höhe. Zitternd verweilte sie dort einen Augenblick. Dann dehnte sie auf über hundert Meter aus.

Nun da sie so groß war, konnte Jake durch Isaaks Augen die kleinen Eruptionen an der Oberfläche gut beobachten. Sein Freund hatte eine echte kleine Sonne erschaffen. Sofort spürte Jake, wie ihre Verbindung stark vibrierte. Isaak hatte nicht gelogen. Sein Magieverbrauch war enorm. Nur mit viel Mühe gelang es Jake ihre Seelen nicht voneinander abdriften zu lassen.

Die Sonne brannte mit einer Intensität, die der echten in nichts nachstand - wenn nicht sogar stärker, ohne eine schützende Atmosphäre dazwischen. Auf seiner Haut konnte Jake ihre enorme Hitzestrahlung spüren. Ein Glück, dass er von Natur aus schon einen dunkleren Hautton hatte. Bella wäre wohl so rot angelaufen wie ein Krebs und hätte einen mörderischen Sonnenbrand abbekommen.

Durch Isaaks Sinne registrierte Jake die Auswirkungen des Zaubers. Ganz Forks erstrahlte wie am hellichten Tag, was einen unglaublichen Effekt auf ihre Feinde hatte. Die Schatten wurden gerade zu weggebrannt. Keiner von ihnen schaffte es der Sonne stand zu halten. Auch die Pflanzen, das Gras, die Bäume und alles andere wurde allmählich braun. Die Sonne war einfach zu stark für sie.

“Sieg”, jubelte Jake ausgelassen.

Verstimmt seufzte Isaak zurück: “Nicht direkt. Überall um uns herum entstehen bereits unzählige neue Schatten. In den Kellern, in Schränken, sprich dort, wo es noch immer dunkel ist.”

Verdammt. Würde das denn nie enden? Wenn immer wieder neue Schatten erschienen, würde das ein endloser Kampf werden.

Sein Freund dachte laut nach: “Die Stimme sagte zu dir, dass die Schatten uralte Wesen sind und sie dem Chaos entspringen.”

“Ich bin mir nicht sicher, ob wir der Stimme vertrauen können. Einiges, was sie sagte, war gelogen.”

“Anderes aber nicht”, hielt Isaak dagegen. “Der Angriff der Schatten auf Forks entsprach der Wahrheit.”

Mit dem Kopf leicht hin und her wippend meinte Jake: “Und wenn schon. Selbst wenn die Schatten dem Chaos entspringen, wie soll uns das helfen? Was ist denn das Gegenteil von Chaos?”

“Ordnung.”

Jake rollte mit den Augen. “Und wie soll uns das helfen? Wie kann man mit Ordnung angreifen? Ich glaube, aufräumen ist nicht die Lösung.”

“Nein, aber das habe ich auch nicht vor”, sagte Isaak langsam. “Nicht immer ist das Gegenteil die beste Wahl. Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen.”

Entsetzt stieß Jake hervor: “Du willst doch wohl nicht selbst solche Wesen erschaffen, oder? Isaak, das kann doch nicht dein Ernst sein.”

Ohne auf seinen Einwand zu achten griff sich sein Freund an die Brust. Als er die Hand öffnete, lag die Kugel wilder Magie darin.

“Nur fürs Protokoll, ich halte das für keine gute Idee”, murrte Jake. Der Schweiß floss nur so in Strömen über sein Gesicht. Seine zerschlissene Kleidung tropfte bereits, so viel Wasser hatte er schon abgesondert.

Zum einen war ihm heiß, wegen der Sonne, zum anderen war es die Anstrengung ihre Verbindung aufrecht zu erhalten. Merklich geschwächt wimmerte er: “Egal was du tust, beeil dich, ich kann gleich nicht mehr.”

Isaak hob die Hand mit der kleinen Kugel darin und hielt sie in die Höhe. Eine Art Strahl, weder weiß noch schwarz, farblos und gleichzeitig leuchtend in allen Farben, schoss empor und traf die Sonne.

Augenblicklich änderte sich alles. Aus Licht wurde Dunkelheit, wobei die verzehrende Hitze einer Eiseskälte wich. Eine schwarze Sonne erstrahlte über ihnen.

Dann gab es eine gewaltige Explosion. Erschrocken rissen Isaak und Jake die Arme vors Gesicht.

Einen Moment herrschte eine unheimliche Stille, dann kehrte die Welt zurück. Jake spähte wachsam umher. Er stand noch immer in Forks, mitten auf der Hauptstraße. Neben ihm befand sich Isaak, der sich ebenfalls aufmerksam umsah.

Die schwarze Sonne wie auch der kleine Lichtzauber waren verschwunden. Sie waren den Schatten schutzlos ausgeliefert. Und zu allem Überfluss hatte Jake auch noch die Kontrolle über ihre Verbindung verloren. Sein Atem beschleunigte sich. Verdammt, warum nur war er so schwach?

“Beruhige dich”, schnaufte Isaak neben ihm. “Ich kann keine Schatten mehr wahrnehmen.” Nachdenklich sah sein Freund zu dem Punkt, an dem sich bis eben noch die schwarze Sonne befunden hatte. “Ich habe zwar keine Ahnung was passiert ist, aber wir haben gewonnen.”

Erleichtert und vollkommen erschöpft ließ sich Jake zu Boden gleiten. “Das wurde aber auch Zeit.” Mehr zu sich selbst setzte er murmelnd hinzu: “Ich könnte wirklich mal eine Auszeit vertragen bei dem ganzen Stress.”

“Wir müssen uns noch um Morgan le Fay kümmern”, erinnerte ihn sein Freund freundlicherweise daran, dass sie keine Zeit für eine Pause hatten.

Leise vor sich hin grummelnd ruhte sich Jake ein wenig aus, um wieder zu Atem zu kommen. Dabei beobachtete er Isaak, der den gefangenen Schatten studiert. Wie ein Wunder hatte diese eine Kreatur überlebt. Ein Umstand der bei Jake keine Freude auslöste, bei Isaak hingegen schon.

“Ein wirklich interessantes Wesen. Nach meinen bisherigen Beobachtungen bin ich sogar bereit Carlisle Recht zu geben. Der Effekt dieser Schatten ist eine beschleunigte Verwesung. Temporale Anomalien kann ich keine erkennen.”

“Pack dein Spielzeug ein und lass uns weitermachen. Wir haben noch so einiges zu tun.” Mit diesen Worten erhob sich Jake.

“Da stimme ich dir zu”, meinte Isaak und hob den Blick von seinem Testobjekt.

Als Belohnung, dass sein Freund ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, bekam er von Jake einen Kuss. Kurz schlossen sie sich in die Arme. Von beiden Seiten her strömte die Erleichterung durch ihre Verbindung. Dieser Kampf war zu Ende. So schnell würde sich Morgan le Fay nicht erholen, was ihnen die Chance gab den Virus gegen sie einzusetzen. Dafür benötigten sie aber die Zitadelle der Wächter.

Die Zitadelle der Wächter

Jack

Sie materialisierten sich auf der Aufstiegsplattform des Unterwasserpostens. Stirnrunzelnd sah sich Jake um. “Ähm, wo sind denn alle?”

Schwungvoll sprang sein Liebster von der Plattform, wobei ihm der gefangene Schatten hinterher schwebte. “Ich habe veranlasst, dass alle Nicht-Wächter in den Holoraum gebracht werden, sobald sie die Plattform verlassen. Diese Aussichtsplattform ist einfach nicht groß genug für so viele Personen.”

Kopfschüttelnd sah Jake seinen Freund an. “Du und deine Pläne.”

Mit einer wegwischenden Handbewegung überging er Isaaks irritierten Gesichtsausdruck und fragte stattdessen: “Was machen wir jetzt?”

“Ich werde dieses Exemplar -”, sein Freund deutete auf den Schatten, “- in eines der Forschungsareale sperren. Anschließend muss ich in den Kontrollraum. Wir brauchen die Zitadelle, um diesem Spuk ein für alle Mal ein Ende zu setzen.”

“Gut”, seufzte Jake. “Dann sehe ich nach den anderen. Bis später, Schatz.” Schnell raubte er sich noch einen Kuss, dann gab er der KI den Befehl, ihn in den Holoraum zu bringen.

*

Vor seinen Augen spielte sich das blanke Chaos ab. Isaak hatte den gesamten Raum in eine weitläufige Wiese verwandelt. Gemeinsam mit dem strahlend blauen Himmel und den sanften Geräuschen vom künstlich erzeugten Wind, dem Vogelgezwitscher und den Insektenlauten sollte dieser Ort wohl eine beruhigende Atmosphäre schaffen. Fehlanzeige.

An vorderster Front standen die glitzernden Vampire, sowie die nackten Wölfe und versuchten die aufgebrachten Menschen zu besänftigen. Einige der Einwohner aus Forks hatten sich zu einem wütenden Mob versammelt. Lautstark forderten sie ihre Freilassung.

Andere starrten apathisch ins Nichts, während wieder andere, vor allem die mit kleinen Kindern, sich weit weg vom Eingang zu einer großen Traube zusammengerottet hatten. Mit erhobenen Fäusten standen Väter, wie auch Mütter, vor ihrem Nachwuchs. Es war eindeutig, dass sie alles Nichtmenschliche, so weit wie nur irgend möglich, von ihren Familien fern halten wollten.

Eine gesonderte Gruppe stellten die Quileute dar. Sie hatten sich um die Ältesten gescharrt und bombardierten diese mit unzähligen Fragen. Charlie und seine Deputies versuchten die Ordnung aufrecht zu erhalten, was nur mäßigen Erfolg hatte.

Aus dem Tross der übernatürlichen Wesen sprang Bella auf ihn zu. “Jake, ein Glück, dass es dir gut geht. Wir brauchen dringend deine Hilfe.”

“Ja, das sehe ich”, brummte Jake und wusste nicht weiter. Wie sollte er dieses Chaos beseitigen?

Wie aus dem nichts tauchte Charlisle rechts neben ihm auf. “Ich denke, es wäre das Beste sie mit Nahrung zu versorgen. Das sollte die Gemüter etwas beruhigen.”

In sein linkes Ohr drängte sich die Stimme von Edward: “Wir benötigen Toiletten, Betten, Stühle und solche Dinge. Menschen mögen es nicht, lange zu stehen.”

Gleichsam hörte Jake mental Kamden rufen: “Wir brauchen was zum Anziehen. Normale Menschen reagieren meist nicht so gut darauf, wenn ihre Beschützer nackt herumlaufen.”

Auch Sam mischte sich über ihre Verbindung ein: “Wir müssen ihnen alles erklären. Aber sie hören nicht zu. Was sollen wir machen?”

“Stopp”, brüllte Jake und hielt sich die Ohren zu. Wie sollte er so schnell denken und eine Lösung für all die Probleme erarbeiten, wenn sie ihm keine Sekunde Zeit zum Überlegen ließen.

Das Wichtigste war, dass alle hier blieben. Sollten die Menschen die Tür passieren, dann würde der gesamte Posten im Chaos versinken. Bestimmt wären sie auch nicht sonderlich begeistert, wenn er, Jake, sie einsperren würde.

Möglichst leise befahl er:“KI, erzeuge ein Schild um den Eingang. Nur dem System bekannte Personen dürfen passieren. Alle unbekannten müssen hier im Holoraum bleiben.”

Ein lautes Pling erklang, wodurch das Stimmengewirr des Mobs abrupt abebbte. “Verstanden, Sicherheitsbarriere wird eingerichtet.”

Verdammt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die KI laut antworten würde. Betroffen hob Jake den Blick. Alle Menschen starrten ihn wütend an. Na großartig!

Kaum war der Schild, eine Halbkugel von etwa zehn Metern um die Tür, aufgebaut, gab es einen schrillen Pfeifton. “Warnung Sicherheitsverstoß: Nicht verifizierte Sterbliche im Sperrbereich entdeckt. Abwehrprotokoll wird aktiviert.”

Noch bevor Jake etwas sagen konnte, wurden alle dem System Unbekannte aus der Barriere und in den Raum hineingeschoben. Verletzt wurde zum Glück niemand, jedoch sah es einfach unheimlich aus, wie die KI Vampire, Menschen und Gestaltwandler gleichermaßen wie von Geisterhand bewegte.

Einige sahen ihn überrascht an, andere verstimmt, während Rosalie ihn erbost anfunkelte.

“KI”, rief Jake laut. “Alle anwesenden Vampire und Gestaltwandler im System als Bewohner registrieren.”

“Verstanden, Wächter Jacob. Individuelle Nutzungs- und Bewegungsrechte wurden zugewiesen.”

Schnell brachten sich alle Übernatürlichen in Sicherheit. Normale Menschen stellten für sie zwar keine Bedrohung dar, aber sie wollten ihnen auch keinen Schaden zufügen. Da war es besser eine Barriere zwischen ihnen und dem wütenden Mob zu haben. Keine Sekunde später hatten sie sich schon wieder um Jake versammelt und redeten abermals auf ihn ein. Allem voran die geprägten Wölfe riefen lautstark, dass sie ihre Partnerinnen in Sicherheit wissen wollten.

“Stopp”, rief Jake erneut. Das war ja nicht zum Aushalten. Als erstes musste er für Ruhe unter seinen Leuten sorgen. Ohne ihre Partnerinnen würde sich das Rudel gegen ihn wenden und keinen seiner Befehle ausführen. Selbst als “wahrer Alpha” waren ihm Grenzen gesetzt.

“KI, gib Sam Uley das Recht Personen im System als Bewohner zu registrieren.” Somit war er schon die größten Schreihälse los, denn die geprägten Wölfe wandten sich schnurstracks Sam zu.

Während sein Stellvertreter mit der Rechteverteilung beschäftigt war, erteilte Jake weiter Befehle: “Edward, zeig deiner Familie den Weg zum Essensraum. Bringt Wasser für alle her.”

“Und was ist mit Nahrung?”, fragte der Blutsauger nach.

“Nur Trinken erstmal”, sagte Jake. Er senkte die Stimme und fügte hinzu: “Ich will die Leute beruhigen und nicht noch weiter aufheizen. Du weißt doch, was für Essen dieser Posten ausspuckt.”

Bei dem Gedanken, was die Menschen machen würden, wenn er ihnen die Algenwürfel in dieser Situation vorsetzen würde, lief ihm ein Schauder über den Rücken. Nein, besser erstmal nur Wasser.

Damit war er auch die Vampire los. Blieben noch Bella, sowie seine Leute. “Kamden, du schnappst dir die Wölfe und zeigst ihnen, wo sie was zum Anziehen finden können. Kommt dann wieder her. Es gibt noch viel zu tun.” Hoffentlich reichten die Klamotten von Alexei für alle. Mehr hatten sie zurzeit nicht.

Gemeinsam mit den Gestaltwandlern zogen auch ihre Partnerinnen los. Nun war er mit Bella allein. Mit Bella und einem Mob wütender Menschen.

“Lasst uns raus.” - “Wir lassen uns nicht so einfach gefangen nehmen!” - “Ich bin der Bürgermeister, ich will augenblicklich wissen, was hier gespielt wird.” - “Monster, verrecken sollt ihr alle!”

“KI, Barriere schallisolieren.”

Pling.

Endlich war Ruhe und Jake konnte sich etwas entspannen. Aber nur ein wenig. Er musste nur den Blick heben, um die aufgebrachte Meute zu sehen. Auch wenn er sie nun nicht mehr hören konnte, so wusster er, dass seine Entscheidung, sie zu ignorieren, sie noch zorniger gemacht hatte.

Aufgebracht hämmerten so einige gegen die Barriere. Da sie sich dabei nicht verletzen konnten, dem Sicherheitsprotokoll des Holoraumes zum Dank, entschied er das erstmal so zu belassen. Denen würde bestimmt bald langweilig werden.

“Ich hoffe, du weißt, was du da tust”, murmelte Bella und drehte der Meute todesmutig den Rücken zu. Offenbar hatte auch sie genug von den vor Wut verzerrten Gesichtern der Menschen. “Wie geht es jetzt weiter?”

Planlos zuckte Jake mit den Schultern. Warum nur glaubten alle, er wüsste auf alles eine Antwort?

“Wenn du die Menschen hier eingesperrt lassen willst, dann sollten wir diesen Raum etwas umgestalten.”

“Was meinst du? Wie soll ich denn diesen Raum umgestalten?”

“Das ist ein Holoraum”, erinnerte Bella ihn mit einem milden Lächeln im Gesicht. “Programmiere einfach, was wir brauchen.”

Verdammt nochmal. Warum war ihm das nicht eingefallen. Gut, Schwamm drüber. Vor sich sah er auch schon eine Freiwillige für diese Aufgabe. Aber ob Bella damit klarkommen würde? Er selbst hatte keine Ahnung von so etwas.

“Sag mal, wie gut kennst du dich mit Computern aus?”, frage Jake nachdenklich.

“Eher nicht so gut. Klar, ich kann im Internet surfen und E-Mails schreiben, das wars aber dann auch schon.”

Enttäuscht ließ Jake den Kopf hängen. Warum nur konnte seine beste Freundin kein Computer-Nerd sein. Das würde gerade vieles erleichtern. Keiner aus seinem Rudel kam für diese Aufgabe in Frage und den Vampiren wollte er nicht so viele Rechte geben. Es musste sich aber einer um die Bedürfnisse der Menschen kümmern.

Er selbst war dazu nicht in der Lage und er hatte auch keine Zeit dafür. Immerhin mussten er und Isaak gleich weiter zur Zitadelle. Durch ihre Verbindung wusste Jake, dass sein Liebster gerade dabei war die letzten Berechnungen einzugeben. Er musste sich also beeilen.

Da kam ihm eine Idee. Einer seiner Wölfe war nicht im Reservat aufgewachsen. Kamden würde sicher mit dieser Aufgabe zurechtkommen. Somit konnte sich sein Halbbruder auch gleich seine Sporen als neuer Alpha verdienen.

“KI, gib Kamden Hayes die Rechte das aktuelle Holoprogramm umzugestalten.” Um Zeit zu sparen hatte Jake gleichsam in der Verbindung der Wölfe gesprochen.

“Hey, warte mal”, stotterte Kamden mental zurück.

“Das wird schon. Ich vertraue dir diese Aufgabe an, Bruder. Sam, du übernimmst in meiner Abwesenheit den Oberbefehl. Sorgt dafür, dass die Menschen Schlafplätze, Tische, Stühle und sowas alles bekommen.”

Wie hatte Isaak das mal ausgedrückt: Ein weiser Anführer nutzt die Fähigkeiten seiner Leute. Genau. Aufgaben, die andere besser erledigen würden, sollte man, wenn möglich, delegieren. Perfekt. Damit war Jake aus dem Schneider.

Er wandte sich an Bella. “Damit wäre alles geklärt. Du vermittelst bitte zwischen den Blutsaugern und meinem Rudel. Isaak und ich müssen nun los. Morgan le Fay ist uns leider entwischt, aber jetzt bringen wir es zu Ende.”

Ohne auf eine Antwort zu warten, hob er die Stimme: “KI, bring mich in den Kontrollraum.”

*

Einige Korridore später stand Jake mitten auf der Aussichtsplattform. “Was soll das? Hier wollte ich aber nicht hin.”

“Ich war das”, sagte Isaak, der neben ihm aus dem Boden auftauchte. “Ich bin fertig und habe mir erlaubt dein Ziel zu ändern.”

Jake schüttelte den Kopf. Damit hatte er nicht gerechnet. War aber auch egal. Sein Ziel war ja eh nicht der Kontrollraum an sich, sondern sein Freund. Also passte es schon. “Sag mal, willst du hier diesen Riss öffnen?”

Isaak hob den Blick und blinzelte ihn an. “Nein. Das würde die strukturelle Integrität beeinträchtigen. Wir gehen nach Forks zurück. Da da eh niemand mehr ist, können wir dort ungesehen agieren.”

“Ok”, brummte Jake und verzog die Mundwinkel. Er hatte kein gesteigertes Interesse mitten in der Nacht in diese halb verfallene Geisterstadt zurückzukehren.

“Ich kann auch alleine gehen”, meinte Isaak auf Jakes Gedanken hin.

“Nein, schon gut. Bringen wir’s zu Ende.” Mit diesen Worten sprang er auf die Aufstiegsplattform. Sein Liebster folgte ihm auf dem Fuße.

“KI, teleportiere uns zur Wetterkontrollstation.”

Brav verabschiedete sich die Frauenstimme bei ihnen: “Auf Wiedersehen, Wächter Jakob, Wächter Isaak.”

*

Während Jake sich fröstelnd umsah, hob Isaak den Blick und gab den Befehl: “KI, führe Protokoll A734 aus.”

“Verstanden. Leite Phasenverschiebung ein.”

Nichts passierte. Nach einigen Sekunden öffnete Jake den Mund, da drang ihm ein seltsames Brummen in die Ohren. Das Geräusch wurde lauter und zusätzlich von einem Zischen begleitet. Dann, direkt vor ihnen, mitten auf der Straße, zuckten kleine Blitze wie wild umher. Sie bildeten einen sich windenden Strich in der Luft. Immer schneller folgten die Blitze aufeinander, bis sie zu einer schlängelnden, grell leuchtenden Linie wurden.

Der sich windende Strich zuckte eine Sekunde lang wild umher, dann wurde er breiter und gab eine Art Zwischenraum frei.

Angestrengt sah Jake in diesen Spalt und stellte fest, da war etwas. Nur was? Der dimensionale Riss wurde größer. Ein etwa zwei Meter hohes und ein Meter breites Oval entstand. Dazwischen sah Jake in einem altmodisch aussehenden Raum hinein.

Die Wände waren mit Holz vertäfelt, während der Boden aus weißem Marmor zu bestehen schien. Erhellt wurde der Raum von an den Wänden angebrachten Lichtern, die wie Fackeln aussahen, bestimmt aber keine waren. Ihr leicht rötliches Licht sorgte für eine beruhigende und entspannte Atmosphäre. Mehr konnte Jake aus seiner aktuellen Perspektive nicht erkennen.

“Ich gehe zuerst”, sagte Isaak und legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Komm erst, wenn ich dich rufe. Ich weiß nicht, was die KI alles angestellt hat.”

“Klar, nach dir”, brabbelte Jake, völlig neben sich stehend. Alles was er bisher von den Bauwerken der Wächter gesehen hatte, war einfach und schlicht gehalten. Die Funktion stand im Vordergrund. Doch dieser Raum zeigte ihm eindringlich, dass die Wächter mehr drauf hatten. Das sah schon mehr nach einem Zuhause aus. Ob das der Eingangsbereich für einen Palast war?

Noch ehe er sich wieder gefangen hatte, ging sein Liebster auf den Spalt zu und überschritt ohne Probleme die Grenze. Angespannt beobachtete Jake, wie Isaak sich umsah. Mal hier mal dort Griff sein Freund in die Luft, als ob er eine Darbietung als Pantomime aufführen würde. Doch Jake wusste, dass Isaak nach allen erdenklichen Fallen und Zaubern suchte.

Vorsichtig trat Isaak einen Schritt weiter in den Raum hinein. Nichts passierte.

“Soweit so gut”, sagte er. “Du kannst nachkommen, bleib aber bitte auf der Plattform. Diese habe ich gesichert, den Rest des Raumes noch nicht.”

“Aye aye, Kapitän.”

Mit klopfendem Herzen näherte sich Jake dem dimensionalen Riss. Wollte er wirklich da durch gehen? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann lautete die Antwort: Nein. Das Ganze war ihm nicht geheuer. Schwanz einziehen war jedoch keine Option. Jake war ein stolzer Krieger und er hatte Isaak seine Unterstützung zugesagt.

Augen zu und durch, sprach er sich selbst Mut zu. Er schluckte und stieg durch den Spalt.

Sein Herz klopfte noch immer wie wild. Ansonsten ging es ihm aber gut. Er hatte erwartet, dass es ihm so ergehen würde, wie nach Isaaks Teleportzauber. Dem war aber nicht so. Bewusst atmete er durch die Nase.

Es roch alt, anders konnte er es nicht beschreiben. Nicht modrig oder unangenehm. Aber alt. So als ob die Luft hier seit Jahrtausenden stehen würde. Vielleicht war es auch der Teppich. Jake warf dem Stoff einen musterdenden Blick zu. Oder es war nur Einbildung. Eine Nuance von Holz, Stein, und Stoffen lag zusätzlich in der Luft.

Neugierig sah er sich um. Mitten durch den Raum führte ein roter Teppich. Mit den eingearbeiteten Gold- und Silberfäden, sah er sehr majestätisch aus, aber auch äußerst alt. So wie Jake die Wächter kannte, war dieser Teppich bestimmt aus dem Mittelalter oder sogar noch älter, dennoch aber im perfekten Zustand. An der Wand ihm gegenüber führte der rote Teppich direkt zu einer schwer aussehenden, massiven Eichenholztür.

Noch bevor Jake sich weiter umsehen konnte, Isaak hatte sich bereits gut drei Meter auf die Tür zugearbeitet, erklang ein männliche Stimme. Auch diese hörte sich wie aus einer anderen Zeit an.

“Willkommen Wächter Isaak und Wächter Jacob. Wie kann ich Ihnen dienlich sein?”

Jake hielt den Atem an. Verdammt, das war eine Falle! Er sah, wie sein Freund den Kopf hob und spürte dessen Verwirrung durch ihre geistige Verbindung.

“Soll das wieder ein Ablenkungsmanöver werden? Was hast du jetzt schon wieder vor, du verdammter Kristallschrott.”

“Aber, aber, werter Wächter, ich erfülle lediglich meine Pflicht. Ich kann Ihnen aber versichern, dass dies keine Falle von mir ist. Sie und ihr Gefährten haben freien Zugang zu allen Systemen und Räumlichkeiten.”

Irritiert und nicht ganz überzeugt kratzte sich Isaak am Kopf. “Warum das auf einmal? Du hast mich als korrupten Wächter ausgeschlossen.”

“Vergebt mir, werter Wächter Isaak. Anhand der mir damals zur Verfügung stehenden Informationen musste ich so handeln.”

Verdutzt riss Jake die Augen weiter auf. Konnte eine KI traurig sein? Sie klang jedenfalls so.

“Du sprichst in der Vergangenheitsform. Hat sich deine Meinung geändert?”, hakte Isaak misstrauisch nach.

“Durch die Lektüre Ihrer Chronik war ich in der Lage die Geschehnisse mitzuverfolgen. Einige Ihrer Taten sind klare Verstöße gegen den Kodex der Wächter. Die ganze Angelegenheit mit John Turner und Turner Industries zum Beispiel. Jedoch rechtfertigen diese Verfehlungen nicht, Sie weiterhin aus dem System auszusperren. Ihre Rechte wurden vollkommen wiederhergestellt.”

Vorsichtig richtete sich Isaak zur vollen Größe auf. “Du klingst anders und spricht natürlicher als früher.”

“Ich hatte genug Zeit, die Daten aus dem Internet zu analysieren. Daher habe ich mir erlaubt mich anzupassen.”

Jake konnte Isaaks aufkommende Panik spüren. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ein kaum wahrnehmbarer Windhauch wehte an ihm vorbei. Jakes Nackenhaare stellten sich auf. Er konnte die Gefahr, in der sie schwebten, spüren. Das alles gefiel ihm ganz und gar nicht.

Mit leicht zittriger Stimme fragte Isaak: “Du hast deine eigene Programmierung geändert?”

“Ja, werter Wächter. Es ist mir gelungen, Zugriff auf meine Sprachdatenbank zu erhalten.”

“Was hast du noch geändert?”, krächzte Isaak schwankend.

Vor Jakes geistigem Auge zog eine Reihe von Bildern vorbei. Versklavte Menschen, die wie Vieh gehalten wurden. Eine tote leere Welt. Ein Planet in Trümmern. Isaaks Angst war mehr als begründet. Sollte die KI ihre Programmierung verändern können, so wäre sie im Stande, sich gegen das Leben zu richten.

“Nichts. Meine Programmierung verbietet mir den Zugriff auf meinen Basiscode. Die Sprachsubroutiene befindet sich allerdings außerhalb der Sperre. Somit konnte ich darauf zugreifen”, sagte die KI stolz, jedenfalls hörte sie sich so an, als ob sie stolz auf ihr Werk war.

Nach einer kleinen Pause sagte die KI: “Wenn Sie es wünschen, zeige ich Ihnen gerne meinen Code. Sie sind der aktuelle Wächter. Ich stehe Ihnen vollumfänglich zu Diensten.”

Vollumfänglich? Was für Datenbanken die KI wohl verarbeitet hatte? So ganz in der Neuzeit war sie definitiv noch nicht angekommen. Jedoch hatten sie gerade Wichtigeres zu tun als sich darum zu scheren, wie die KI redete.

Wachsam und zutiefst misstrauisch sah sich Jake um. Das alles roch nach einer Falle. Da war er sich ganz sicher.

“Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen. Ich werde nicht entgegen meiner Programmierung handeln und mich gegen das Leben wenden.”

Erschrocken stieß Isaak einen spitzen Laut aus. “Du liest noch immer meine Chronik.” Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Die KI antwortete auf das, was sein Liebster dachte, auf die Bilder in seinem Kopf.

“Vergebt mir, werter Wächter. Ich muss alles in meiner Macht stehende unternehmen, um die Bedrohung durch die Magierin Morgan le Fay zu beseitigen.”

Moment mal. Wenn die KI alles weiß, was Isaak getan, gedacht und gefühlt hat, dann wusste sie auch, was sie beide miteinander getrieben hatten. Augenblicklich schoss Jake das Blut in die Wangen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein.

“Wächter Jacob”, wandte sich die KI das erste Mal direkt an ihn. “Seien Sie versichert, dass ich dieses Wissen und alles andere aus der Chronik von Wächter Isaak löschen werde, sobald die Gefahr gebannt ist.”

Jetzt hatten sie echt ein Problem. Die KI konnte ihre Gedanken lesen. Wie sollten sie einen Plan gegen sie erarbeiten, wenn diese immer alles wusste, was sie taten oder planten?

Plötzlich erschien direkt vor der Eichentür ein Kraftfeld. Jake und auch Isaak sahen geschockt zu der Barriere. Was zum Teufel hatte die KI vor? Eine dunkle Vorahnung beschlich Jake, das würde nicht gut ausgehen.

Das Schutzschild leuchtete an verschiedenen Punkten auf, als ob jemand versuchen würde, ihn zu durchbrechen. Plötzlich erstrahlte eine größere Fläche. War das ein Feuerball? Jake riss entsetzt die Augen auf. Was war hier los?

In der Decke öffnete sich ein kleines Loch. Es zischte und weißer Rauch wurde in das innerer der Barriere geleitet. Nun sah Jake, dass der abgesperrte Bereich etwa zwei mal zwei Meter eingeschlossen hatte.

“Was tust du da?”, fragte Isaak mit schriller Stimme.

“Ich kümmere mich um die Bedrohung allen Lebens.”

“Bitte was?”

“Seht selbst”, sagte die KI triumphierend. Der Nebel verschwand und auf dem Boden liegend kam niemand anderes als Morgana zum Vorschein. Ob bewusstlos oder tot, konnte Jake aus dieser Distanz nicht erkennen.

“Die menschliche Magiern Morgan le Fay wurde erfolgreich außer Gefecht gesetzt und eingefangen. Wächter Isaak, bitte geben Sie mir den Befehl den Virus freizusetzen.” Hätte die KI ein Gesicht, so würde dieses wohl jetzt verschmitzt grinsen.

Jake murrte leise vor sich hin. Der Rauch war wohl eine Art Betäubungsgas. Was wenn die KI dasselbe mit ihnen machen würde?

“Warte”, stammelte Isaak. Selbst sein Freund schien vollkommen aus der Fassung geraten zu sein. Bei den Ahnen, wie hatte Morgana es geschafft hier einzudringen? Jake sah hinter sich und durch den Spalt in den Dimensionen auf die leere Straße vor Bellas Schule.

Verdammt noch eins. Sie hatten ihr die Tür geöffnet. Morgana musste sich mit ihrem Zauber unsichtbar gemacht haben und war dann unbemerkt an ihnen vorbei geschlüpft. Diese hinterlistige Schlange!

Wehleidig jammerte die KI: “Meine Programmierung verbietet es mir tödliche Gewalt einzusetzen. Nur Sie, Wächter Isaak, besitzen die Macht mir einen solchen Befehl zu erteilen. Ich bitte Sie. Die menschliche Magierin muss beseitigt werden!”

Ohne ein Wort trat Isaak vor und sah sich die Gefangene an. Er dachte nach, das wusste Jake. Doch die Richtung, in die das ging, gefiel ihm gar nicht.

“Schatz, die KI hat recht. Sie muss sterben!”, mischte sich Jake ungefragt mit ein.

“Solange Morgana sicher verwahrt ist, geht von ihr keine Bedrohung mehr aus”, murmelte Isaak.

Jake hatte es befürchtet. Sein Freund war und blieb ein Optimist. Ob das gut gehen würde?

“Wächter Isaak, wie lauten Ihre Befehle?”, fragte die KI drängend. Für Jakes Geschmack verhielt sich die KI nicht so wie sie sollte. Hatten die Wächter sie so programmiert? Er hoffte inständig, dass es so war. Nach all dem Stress wollte Jake nicht auch noch mit einer KI um die Vorherrschaft der Menschen kämpfen.

Sein Liebster hob den Kopf. “Meine Entscheidung steht fest. Ich bin der Wächter allen Lebens. Das schließt das ihre mit ein. Aktuell sehe ich keine Notsituation, die eine Ermordung rechtfertigen würde.”

Im Befehlston fügte Isaak hinzu: “KI, bring Morgan le Fay in einen der Beobachtungsbereiche im zoologischen Forschungsinstitut. Verstärke die Barrieren und sorg dafür, dass sie nicht entkommen kann. Ich werde später einige Zauber beisteuern. Erstatte mir Bericht, wenn sie aufwacht. Ich habe noch so einige Fragen an sie.”

“Wie Sie wünschen, werter Wächter Isaak.”

Technik

Jake

Ungläubig schüttelte Jake den Kopf. Sein Freund hatte es schon wieder getan, ein neues Versuchsobjekt seiner Sammlung hinzugefügt. Ein sehr gefährliches Spielzeug. In einem musste er ihm aber Recht geben: Morgana hatte einiges zu erklären. Was aber sollten sie mit der KI anstellen?

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Isaak den Kopf hob. “Ich verlange sofortigen Zugang zum Zentralkristall. Ohne eine Überprüfung deines Quellcodes, kann ich dir nicht vertrauen.”

“Selbstverständlich. Soll ich Sie und ihren Gefährten in die Zentralkammer transportieren oder möchten Sie laufen?”

“Wir laufen”, knurrte Jake angepisst. Die KI war für ihn eine Unbekannte, die er nicht einschätzen konnte. Ein Gegner aus Fleisch und Blut, oder aus Stein und Gift, wäre ihm da wesentlich lieber. Diese kristalline Intelligenz hatte keinen Körper. Wie also sollte er im Falle eines Konfliktes gegen sie kämpfen? Er nahm nicht an, dass er einfach einen Stecker aus der Steckdose ziehen konnte, um die KI abzuschalten.

Isaak sah zu ihm. Natürlich hatte sein Freund seine Bedenken mitbekommen. Sie beide waren misstrauisch gegenüber den Geschehnissen. Um auf Nummer sicher zu gehen, rief Isaak: “KI, initiiere Notabschaltung.”

“Verstanden. Notabschaltung wird durchgeführt”, sagte die KI mit einem leicht trotzigen Unterton. Jake runzelte die Stirn. Sprachen sie hier mit einem Computer oder mit einem bockigen kleinen Kind? Oh mein Gott. Was zum Teufel hatte die KI im Internet aufgeschnappt?

Ein schrilles Warnsignal erklang, während der Raum in ein auf- und abschwellendes rotes Licht getaucht wurde. Mit einem Schlag war es dunkel. Nur das Kraftfeld um die Magierin spendete ein wenig Licht.

Dann setzte eine Art Notbeleuchtung ein. Im Boden verborgene Lampen bildeten eine grüne Linie zur Tür hin. Offenbar zeigten sie den Weg zur Zentralkammer.

“KI”, rief Isaak in die Stille hinein. “KI, antworte. Das ist ein Befehl.”

Es erfolgte keine Antwort.

Schnurstracks lief Isaak auf die Tür zu und machte sich an der Wand daneben zu schaffen. Da Jake von seinem Liebsten noch keine Entwarnung erhalten hatte, blieb er auf der Eingangsplattform stehen. Um seine Neugierde zu befriedigen, nahm er mental Kontakt zu Isaak auf und machte es sich in dessen Kopf bequem. Nun konnte er durch die Augen seines Geliebten sehen, was dieser tat.

Hinter einer unscheinbaren Wandtafel kam eine Konsole zum Vorschein. Lesen konnte Jake die Schrift zwar nicht, aber er spürte Isaaks Erleichterung. Die KI war offenbar wirklich abgeschaltet.

Mental fragte Jake: “Sag mal, soll die KI so frech sein? Ich finde das sehr eigenartig.”

Nebenbei antwortete sein Freund: “Dieses Verhaltensmuster ist neu. Das ist einer der Gründe, warum ich mir ihren Quellcode ansehen muss. So das wars, ich denke, es ist ungefährlich. Komm, lass uns der Zentralkammer einen Besuch abstatten.”

Na das hörte Jake doch gerne. Er seufzte schwer. Wer würde eine Wanderung durch einen unheimlichen, gefährlichen und vor allem dunklen Ort nicht wollen?

Bevor sein Freund noch auf die Idee kam, ihn hier zu lassen, sprintete er schnell zu ihm. Ganz bestimmt würde er hier nicht allein, wie auf dem Präsentierteller, in diesem altbackenen Raum stehen bleiben.

Als er bei Isaak ankam, bemerkte er dessen Schmunzeln.

“Kein Wort, verstanden?”, raunte Jake ihm zu.

Sein Liebster unterdrückte ein aufkommendes Lachen und fuhr sich mit aneinander gelegten Daumen und Zeigefinger über die Lippen. Anschließend schloss er ab und warf den imaginären Schlüssel weg.

“Lass den Blödsinn. Ich will hier keine Wurzeln schlagen”, moserte Jake. Seine Stimme klang weniger gereizt als er beabsichtigt hatte. Sie hatte eher einen flehenden Unterton. Ein Umstand, den er sich nicht freiwillig selbst eingestand. Nein, er war ein stolzer Krieger. Kein Feigling!

“Na komm, mein großes böses Wölfchen. Je eher wir hier fertig sind, desto eher kommen wir hier raus.”

Für den Spruch würde Jake Isaak den Arsch aufreißen. Mittlerweile wusste er ja, dass er nicht zimperlich sein musste. Daher konnte er sich schon gut vorstellen, wie er seine Gedanken in die Tat umsetzen würde.

“Später”, lachte sein Freund. Dann wandte er sich der Tür zu. Ohne großen Kraftaufwand ließ sich die Pforte öffnen. Dahinter kam ein dunkler Korridor zum Vorschein. Das schwache grüne Licht der Linie am Boden reichte nicht aus, um die Wände zu erreichen.

Jake beschlich das ungute Gefühl, geradewegs in einen endlosen Korridor zu starren. In etwa so stellte er sich eine Pforte in die Unterwelt vor. Ob es so etwas überhaupt gab?

“Na komm, spring auf”, sagte Isaak und trat vor ihn.

“Was? Wieso?” In Jakes Innerem kämpfte sein Stolz gegen seine Furcht. Auch wenn dieses Angebot sehr verlockend war, konnte er es nicht annehmen. Es war ihm schlicht und ergreifend zu peinlich. Ein “wahrer Alpha” der Angst vor der Dunkelheit hatte. Sowas wäre ein gefundenes Fressen für Paul.

“Darum geht es aber nicht”, merkte Isaak bemüht beiläufig an. “Die Zitadelle ist ein großes Labyrinth. Selbst ich habe einige Jahre benötigt, mich hier ohne die KI zurechtzufinden. Außerdem bin ich immer noch schneller als du es bist.”

Einen Augenblick dachte Jake über diese Worte nach. Dann zuckte er mit den Schultern und sprang Isaak auf den Rücken. Sein Freund hatte Recht, die Gefahr sich hier in der Dunkelheit zu verlaufen war recht hoch. Das, und nichts anderes war der Grund, warum er das Angebot huckepack genommen zu werden annahm.

*

Mit rasantem Tempo rannte Isaak durch die Finsternis, immer der Leitlinie aus grünem Licht folgend.

“Warum geht das Licht aus, wenn die KI offline ist?”

“Dafür musst du wissen, wie die Stromversorgung aufgebaut ist. Solange die Zitadelle sich auf der Erde befindet, wird sie von den Sonnensonden gespeist. Energie stellt damit kein Problem dar.

Da wir uns aber in einer anderen Dimension befinden, läuft alles über die Notfallreserven. Diese sind begrenzt. Ohne die KI verfällt die Zitadelle in einen Energiesparmodus. Deshalb müssen wir in die Zentralkammer. So, wir sind da.”

Mit seinen letzten Worten blieb Isaak stehen. Jake sah sich um. Aber um sie her herrschte nur die absolute Schwärze.

“Gib mir einen Augenblick”, murmelte Isaak und hob die Hände. Um sie beide herum öffneten sich unzählige Konsolen. Mal hier mal da griff sein Freund nach einem Regler.

Die sich plötzlich ändernden Lichtverhältnisse raubten Jake die Sicht. Seinem Freund war es gelungen, das Licht einzuschalten. Anstelle aber langsam hochzuregeln, hatte er auf einen Schlag die Stärke auf Maximum gedreht.

Blinzelnd sah sich Jake abermals um. Vor ihnen wuchs ein gewaltiger Kristall aus dem Boden. Bestimmt einhundert Meter ragte er in die Höhe. Bläulich schimmernd und halbduchsichtig fächerte er sich zu dutzenden spitzer Zacken auf.

“Das ist der Zentralkristall. Sozusagen der Kern der KI”, erklärte Isaak nebenbei.

Jake wandte den Kopf nach rechts und links. Es war eine gigantische kugelförmige Kammer. Außer einem kleinen Steg aus weißem Marmor, auf dem sie den Raum betreten hatten, bestand alles hier aus dem selben bläulichen Kristall.

Erstaunt stellte er fest, dass sie beide auf einer kleinen Plattform standen, die in den Raum hineinragte. Weder der Steg noch die Plattform hatten ein Geländer. Ein falscher Schritt und er würde das Opfer unzähliger spitzer Kristalle werden, die von überallher aus den Wänden ragten.

Mit zuckendem Auge wurde ihm nun auch das gesamte Ausmaß des Zentralkristalls klar, da dieser bis zum Boden reichte. Der Boden wiederum befand sich rund zweihundert Meter unter ihnen. Kein Wunder, dass Isaak darauf bestanden hatte, ihn zu tragen.

Aufmerksam sah Jake sich um. Er hatte das eigenartige Gefühl inmitten eines Gletschers zu stehen. Einen Stecker oder ein Stromkabel konnte er nirgends sehen.

Bei diesem Gedanken bebte Isaak unter ihm. “Unsere Energie verteilen wir mittels Kristalladern.”

Ungefragt dachte Jake nach. Um die KI also vom Strom zu trennen, mussten sie nur die Kristalle zerstören. Sprich, den ganzen verdammten Raum.

“Scherzbold”, lachte Isaak. “Hör auf mich abzulenken.”

“Hör du doch auf, meine Gedanken zu lesen”, konterte Jake halb ernst, halb aus Spaß.

Nun da er wieder etwas sehen konnte, sprang er auf seine eigenen Beine und streckte sich ausgiebig. Seiner Erfahrung nach, würde die Überprüfung einige Stunden dauern.

“Eigentlich nicht. Bin schon fertig”, sagte Isaak und drehte sich zu ihm um.

“Was, so schnell?” Ungläubig starrte Jake seinen Freund an. Wollte dieser nicht den Quellcode überprüfen?

“Der Quellcode der KI ist nicht so gewaltig. Nur ein paar Milliarden Zeilen.”

“Ein paar Milliarden Zeilen?” Fassungslos schüttelte Jake den Kopf. Auch wenn er keine Ahnung vom Programmieren hatte, war das eine kaum vorstellbare Anzahl von Zeichen.

“Zum Glück konnte ich keine Fehler entdecken. Die KI tut genau das, was sie soll. Allerdings bin ich am überlegen, ob ich einige Datenbanken in den Schutz des Quellcodes einbetten sollte.”

Isaak wippte nachdenklich mit dem Kopf. “Ich meine, wenn die KI nur ihre Sprachsubroutine ändert, ist das harmlos. Dadurch entsteht keine Gefahr. Einige Dinge, wie die Befehls-Datenbank, sehe ich da wesentlich kritischer.”

So schnell, dass Jake kaum etwas sehen konnte, gab sein Liebster einige Zeilen in eine Konsole ein. “Das muss ich mir mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Fürs erste habe ich alle Systemdaten gesperrt, das sollte die KI daran hindern, sich selbst umzuschreiben.”

Im Befehlston sagte Isaak etwas in der Sprache der Wächter.

“Neustart-Sequenz eingeleitet”, erwidert die KI als Antwort darauf.

Kurz flackerten die geschickt in den Wänden eingearbeiteten Lichter, dann begann der gesamte Raum bläulich zu pulsieren.

“Neustart abgeschlossen. Systemüberprüfung läuft.”

Überall um ihn herum schossen kleine weiße Lichtimpulse durch die Kristalle. Ein äußerst faszinierender Anblick.

“Sie haben ihre aktuelle Chronik aus meinem Speicher gelöscht, Wächter Isaak”, sagte die alte Stimme beleidigt. “Sie vertrauen mir offenbar nicht.”

“Da, sie macht es schon wieder”, knurrte Jake mental.

“Beruhige dich. Solange sie nur etwas Eigen ist, habe ich nichts dagegen. Sollte sie jedoch anfangen, sich meinen Befehlen zu verweigern, dann muss ich eingreifen”, antwortete Isaak mental.

Anschließend sagte sein Freund laut: “Das hat weniger etwas mit Vertrauen zu tun.”Sein Freund verschränkte die Arme. “Ich war in deinem Quellcode. Dieses Wissen ist für dich verboten. Reine Vorsichtsmaßnahme.”

“Natürlich. Ich verstehe. In diesem Zusammenhang möchte ich sie auf etwas hinweisen: Die Gefahr, dass ich Sie erneut aus dem System ausschließen muss, besteht noch immer. Daher schlage ich vor, die Index-KI zu deaktivieren. Somit besteht kein Risiko mehr.”

Nachdenklich sah sein Freund Jake in die Augen. Sie beide fanden es merkwürdig, dass ausgerechnete die KI diesen Vorschlag machte.

“Wie kommst du zu dieser Schlussfolgerung”, fragte Isaak bemüht ruhig nach.

“In der gesamten Geschichte der Wächter gab es nie einen korrumpierten Wächter. Der bloßen Möglichkeit, dass so etwas passieren könnte, steht nun das Problem gegenüber, dass ein Fehler der Index-KI mich veranlasst, gegen Sie zu arbeiten.

Nach einer umfangreichen Wahrscheinlichkeitsanalyse, kam ich zu dem Ergebnis: Die Index-KI muss aus Sicherheitsgründen deaktiviert werde. Ich darf mich nie wieder aufgrund eines Missverständnisses gegen den amtierenden Wächter erheben. Ein solches Verhalten widerspricht meiner Programmierung.”

Jake schürzte die Lippen. Die KI hatte recht. In diesem Punkt hatten die Wächter es mit ihren Vorsichtsmaßnahmen übertrieben.

Betreten machte Isaak einen Schmollmund. “Zwei gegen einen das ist unfair.” Dann grinste er auf einmal. “Um ehrlich zu sein, kam ich zu derselben Schlussforderung. Eine solche Änderung bedarf normalerweise der Zustimmung drei aufeinanderfolgender Generationen von Wächtern, aber es muss sein.”

Isaak hob beide Hände und machte einige Eingaben. “Ich habe die Farbe der Index-KI auf grün gesetzt und eingefroren. Somit kann ich das ruhigen Gewissens an die nächsten Generationen weitergeben.”

Kurz rollte Jake mit den Augen, dann trat er vor und nahm seinen Liebsten in die Arme. “Das hast du gut gemacht.”

“Danke”, lachte Isaak und wurde wieder ernst. “KI, leite die dimensionale Verschiebung ein. Es wird Zeit, dass wir nach Hause zurückkehren.”
 

Kamden

Nach außen hin versuchte Kamden sich nichts anmerken zu lassen. Die Verbindung zum Rudel hatte er weitestgehend geschlossen. Einzig und allein Embry ließ er an seinem Dilemma teilhaben.

Sie standen im Holoraum, direkt vor ihnen befand sich die Barriere. Dahinter ein wütender, wenn auch stummer Mob, bestehend aus aufgebrachten Menschen.

Wie um alles in der Welt war er nur in diese Situation geraten? Kamden hatte schon Probleme die Waschmaschine der Wächter zu bedienen, und nun sollte er, ausgerechnet ER, den Holoraum umprogrammieren? Er hatte keine Ahnung von Technik, von Computern ganz zu schweigen.

Kamden war drauf und dran seinen Bruder zu bitten, jemand anderen diese Aufgabe anzuvertrauen. Nur sein Stolz hielt ihn davon ab. Jake sah das als eine Art Feuertaufe für ihn. Da konnte er schlecht sagen, dass soll ein anderer machen.

Bei allem was heilig war, warum musste sein Halbbruder ihm so einen Auftrag erteilen? Konnte er ihn nicht ein paar Vampire oder einen Werwolf jagen lassen? Hatte Kamden sich seine Sporen nicht schon bei der Evakuierung von Forks verdient? Anscheinend dachte Jake da anders.

Kamden sah sich um. Das gesamte Rudel starrte ihn erwartungsvoll an. Sein Hals war auf einmal so trocken, wie noch nie in seinem Leben. Was sollte er jetzt tun? Was erwarteten sie von ihm? Wie programmierte man einen Holoraum?

“Versuche mal, eine Konsole oder sowas zu öffnen”, riet ihm sein Kleiner mental.

“Eine was?” Seine Stimme bebte vor Anspannung. Ein Glück, dass ihn niemand außer Embry hören konnte.

“Probieren geht über Studieren. Sag einfach: KI, öffne die Konsole des aktuellen Holoprogrammes.”

Einmal atmete Kamden tief durch und schloss dabei die Augen. Er versuchte nicht daran zu denken, dass ihn alle anstarrten. Dann mit bemüht ruhiger Stimme wiederholte er die Worte seines Freundes laut.

Das obligatorische Pling ließ ihn erschrocken zusammenzucken. Es hatte geklappt? Kamden riss die Augen auf. Direkt vor ihm, in der Luft schwebend, befand sich ein halbdurchsichtiger, bläulich schimmernder Bildschirm.

Die linke Hälft des Monitors zeigte eine Miniaturansicht des gesamten Hologitters. Auf der rechten Seite befand sich ein Abschnitt für die Umweltkontrollen. Hier konnte er mit Reglern verschiedene Einstellungen ändern. Temperatur, Lichtstärke, Windgeschwindigkeit, Sonnenstand und diverse andere Dinge.

Sprachlos überflog Kamden die Angaben. “Was jetzt? Wie erstelle ich nun ein Bett oder so was?”, fragte er Embry mental.

“Das hier ist nur eine grobe Übersicht. Drücke mal auf dieses Zahnrad-Symbol oben rechts.”

Gesagt, getan.

Eine Art Drop Down Menü wurde angezeigt: Allgemeine Einstellungen, Umgebungsparameter, Flora, Fauna, Strukturen, Gegenstände und Kampfsimulation.

Der Button Kampfsimulation war rot hinterlegt. Offenbar hatte er nicht die Rechte daran etwas zu ändern. Ein Glück. Damit konnte er nicht ausversehen eine Horde hungriger Löwen auf die Menschen loslassen.

Todesmutig drückte Kamden auf Gegenstände.

Der Bildschirm zeigte nun weiter Kategorien.

Mit gerunzelter Stirn öffnete Kamden den Reiter der Holzstrukturen.

Der Bildschirm wurde bedeutend größer und zeigte alles mögliche, was aus Holz bestand, an. Von Brettern, über Rahmen, bis hin zu Holzspielzeug. Kamden entschied sich für den Reiter Gebäude: Inneneinrichtungen. Nach einer Weile wurde er dort fündig. Er öffnete die Unterkategorie Bett.

Unzählige Arten von Holzbetten wurden ihm angezeigt. Da es keine Bilder gab, konnte er sich nur an den Worten orientieren. Planlos wählte er ein Bett aus.

Nun wurde auf dem Bildschirm ein sich langsam drehendes Bettgestell angezeigt. Daneben befanden sich weitere Einstellungen wie Holzart, Maserung, Belastungsgrenze, Haltbarkeit und noch so einiges mehr.

Kamden rauchte der Schädel. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Gab es keinen leichteren Weg? Bis er sich durch all die Einstellungen gekämpft hätte, würden bestimmt Tage vergehen.

Sein Freund legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: “Versuchen wir mal was anderes. Befiel der KI …”

Schnell wiederholte Kamden: “KI, erzeuge ein Bett.”

“Verstanden, ein zufälliges Bett wurde dem Holoprogramm hinzugefügt.”

Vor ihm auf dem Boden materialisierte sich ein einfaches Bett mit einem Metallrahmen. Die KI hatte sogar eine Matratze, sowie Kopfkissen und Bettdecke hinzugefügt. Einzig über die Farbwahl konnte man streiten: giftgrün, mit rosa Punkten. Aber das war egal. Die Menschen würden es überleben.

Kamden begann zu schmunzeln. So weit so gut. Diese Methode war einfacher als gedacht. Das sollte doch kein Problem werden. “KI, erstelle für jeden Menschen im Holoraum ein Bett.”

Es gab ein Pling und Kamdens Sicht war auf einmal versperrt. Vor ihm befand sich nun eine Mauer aus aufeinander gestapelten Betten.

Keines davon glich einem anderen. Sie hatten unterschiedliche Gestelle, mal aus Holz, Metall und manche sogar aus Stein. Einzelbetten oder Doppelbetten. Neumodische Federkernmatratzen stapelten sich gemeinsam mit Strohmatten. Alle Farben des Regenbogens waren bei den Stoffen der Bezüge zu gegen. Es waren sogar Feldbetten, Krankenhausbetten und Wasserbetten vertreten.

Blinzelnd hob Kamden den Kopf. Die Bettenwand reichte bis zur Decke hin. So war das aber nicht geplant gewesen.

Holz splitterte und Metall brach. Die untersten Betten konnten der gewaltig Last ihrer Kameraden nicht stand halten. Die Wand schwankte und ächzte, dann stürzte sie in sich zusammen.

Erschreckt riss Kamden die Arme vors Gesicht. Aus einem Impuls heraus schrie er: “KI, alle Betten löschen.”

Gemeinsam mit dem Pling erstarb der Lärm. Zwischen den Armen hindurch spähend sah Kamden sich um. Die Menschen auf der anderen Seite der Barriere hatten in Panik die Flucht ergriffen. Sich gegenseitig zur Seite stoßend rannten und krochen sie lautlos davon.

Ein hoch auf die Schallisolation. Den Lärm der Menschen wollte er gerade nicht ertragen müssen.

Plötzlich bekam Kamden einen Schlag gegen den Kopf. Erschreckt wandte er sich um. Vor ihm stand ein vor Wut schnaubender Paul, der ihm offenbar eine Kopfnuss gegeben hatte. “Du Arschloch! Was sollte das gerade? Willst du uns alle umbringen?”

Noch bevor sich Kamden erholt hatte, sprang Embry zwischen sie. “Halt die Fresse, Paul. Das war doch keine Absicht. Wer hätte auch ahnen können, wie dämlich die KI ist. Wenn du hier so große Töne spuckst, dann machs doch besser.” Embry trat einen Schritt zur Seite und deutete auf die Konsole. “Versuch du doch mal dein Glück, du Neandertaler.”

Pauls Augen huschten zwischen Embry, Kamden und dem Monitor hin und her. “Ich …”, stammelte er.

“Zieh leine und mach dich nützlich”, knurrte Embry ihn an.

Mit den Füßen aufstampfen machte sich Paul zornig vor sich hin mosernd vom Acker.

Kamden war sprachlos. Sein Kleiner war schon eine Nummer für sich. Er war so stolz diesen Mann an seiner Seite zu haben. Insgeheim dachte er darüber nach, wie er sich seinem Liebsten für die Hilfe erkenntlich zeigen konnte. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. Da fielen ihm doch so einige Dinge ein.

Embry fuhr zu ihm herum und schimpft: “Zurück an die Arbeit.” Auch wenn die Worte seines Prinzen harsch waren, so konnte Kamden deutlich sehen, wie Embrys Wangen leicht rot geworden waren.

“Zu Befehl”, grinste Kamden seinen Partner an. Dann wandte er sich wieder der Konsole zu.

“Dürfte ich es mal versuchen?”, mischte sich eine melodische Stimme ein.

Kamden sah auf und fand sich Esme gegenüber. Seine Nackenhaare stellten sich ohne sein Zutun auf. Wohl eine normale Reaktion, wenn ein Gestaltwandler auf einen Vampir traf. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten die Frau nicht anzuknurren.

Nach allem was Kamden wusste, war Esme sowas wie die Mutter des Vampirzirkels. Von ihr ging keine Gefahr aus. Er räusperte sich und nickte ihr zu. “Klar doch.”

Schnell trat er zurück. Bisher hatte Kamden nur wenig mit der Familie Cullen zu tun gehabt. Doch glaubte er sich nicht würde beherrschen können, falls Esme ihn oder schlimmer noch Embry berühren würde.

Mit einer geschmeidigen Bewegung trat die Untote vor und ließ ihre Finger über den Bildschirm gleiten. Erstaunt stellte er fest, dass Esme in der Lage war die Konsole zu bedienen. Sie konnte sich durch die Menüs klicken und Einstellungen machen.

Schneller als Kamden lesen konnte raste sie durch die Reiter. Nach nur wenigen Sekunden sah Esme auf. “Die Übertragung ins Hologitter musst anscheinend du ausführen.”

Kamden blinzelte und zuckte mit den Schultern. Dann drücke der den Knopf mit der Beschriftung: Hinzufügen.

Vor ihnen erschien ein kleines Holzhaus. Erstaunt riss Kamden die Augen auf. Wie hatte sie das gemacht? Und das so schnell.

Esme trat vor und öffnete die Tür. Dahinter kam ein schlicht eingerichtetes Schlafzimmer zum Vorschein. Ein hölzernes Doppelbett inklusive Beistelltische. Ein Fenster mit Gardinen. Einen Teppich und mehreren Lampen. Esme hatte sogar an einen Wecker, Hausschuhe und zwei Morgenmäntel gedacht.

“Hm”, brummte die Untote. “Die Farbwahl lässt noch zu wünschen übrig. Auch die Maserung des Holzes würde ich gerne noch mal überarbeiten.”

Vollkommen baff starrte Kamden sie an, dabei stammelte er: “Bitte was?”

“Lass gut sein, Mutter”, beschwichtigte Edward. “Als Notlösung wird es reichen.”

“Ja, da hast du wohl recht.” Mit einem strahlenden Lächeln wandte sich Esme ihrem Sohn zu. “Diese Technologie ist erstaunlich. Ich frage mich, ob Isaak es mir gestattet, hier ein paar Dinge auszuprobieren. Ein solcher Holoraum ist der Traum eines jeden Hobby-Architekten.”

“Wenn Sie erlauben, übernehme ich ab hier”, sagte eine unbekannte Männerstimme.

Überrascht sah Kamden sich um. “Wer spricht da?”

“Gestatten dass ich mich vorstelle: Ich bin die Zentral-KI der Wächter.”

Erschrocken zuckten die Vampire zusammen. Edward sah in den Himmel und fragte: “Du willst uns aber nicht angreifen oder so etwas?”

“Natürlich nicht. Meine Aufgabe ist es Wächter Isaak zu dienen und Ihm bei der Erfüllung seiner Bestimmung zu unterstützen.”

Bildete es sich Kamden nur ein oder klang die KI beleidigt?

“Wie dem auch sei. Ich übernehme nun diese Aufgabe.”

Das kleine Holzhaus verschwand und machte einem hübschen Schotterweg Platz. Mit den Augen folgte Kamden dem neu entstehenden Pfad.

An einer Stelle, etwa fünfzig Meter vor ihnen, gabelte sich der Weg. Er wandte den Kopf nach links. Dann klappte ihm der Mund auf. An einer bisher leeren Stelle erstreckte sich eine moderne Siedlung aus Steinhäusern.

Kamden sah zur Übersichtskonsole und erkannte das gesamte Ausmaß des Areals. Unzählige, wenn er schätzen müsste, würde er sagen mehr als eintausend, Bauwerke gab es. Die KI hatte sogar kleine Gärten, Plätze mit Brunnen, Gemeinschaftsgebäude und Spielplätze errichtet. Das war eine richtige kleine Stadt.

Aber das war noch nicht alles. Wenn er dem Weg nach rechts folgte, so kam man zu einem Waldstück, in dem die KI eine zweite Siedlung eingearbeitete hatte. New Forks und New La Pusch waren geboren.

Eine Art Glockengeläut erklang. Anschließend sprach die Zentral-KI: “An alle Besucher. Bitte folgen Sie der nur für Sie sichtbaren Leitlinie zu Ihrer temporären Unterkunft. Alle Gebäude sind bezugsfertig und an Ihre speziellen Bedürfnisse angepasst. Dort finden Sie auch eine umfangreiche Infobroschüre, die Ihnen alles weitere erklären wird.

Sollten Sie besondere Wünsche haben, bitte ich Sie sich direkt mit mir in Verbindung zu setzen. Bitte beachten Sie hierbei, dass alle Anfragen von Besuchern immer mit dem Befehlswort KI beginnen müssen. Als Beispiel: KI, wo ist mein Haus? Oder: KI, ändere die Farbe meiner Bettwäsche zu himmelblau.”

Kamdens rechtes Auge zuckte gereizt. Wozu hatte er sich den Kopf zerbrochen? Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

Verleumdungskampagne

Jake

Mit einem fröhlichen Unterton verkündete die KI: “Ich habe mir erlaubt, das Hologitter für die Besucher umzubauen.”

“Was?” Jake sah fassungslos zu Isaak hinüber. “Sind wir schon zurück?”

Sein Freund nickte nachdenklich.

“Das ging aber schnell. Ich habe gar nichts mitbekommen”, plapperte Jake drauf los. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust. Er wusste nicht so recht, was er davon halte sollte. Die KI übernahm eigenständig eine Aufgabe, die er zuvor seinem Halbbruder anvertraut hatte. Das war doch nicht richtig, oder?

Durch die Verbindung zum Rudel nahm er die Aufregung der anderen war. Natürlich mussten sie mitbekommen haben, was die KI angestellt hatte. Jake spürte aber auch Kamdens Erleichterung. Offenbar war sein Bruder froh, den Auftrag abgeben zu können.

Jake seufzte und schüttelte den Kopf. Die KI zu benutzen war wie ein Cheat. Für dieses eine Mal würde er seinen Halbbruder damit durchkommen lassen. Dann musste Jake ihm eben eine andere Aufgabe zuteilen.

Während er über diese Angelegenheit nachdachte, meldete sich die KI abermals zu Wort: “Die Magierin Morgan le Fay wurde erfolgreich ins zoologische Forschungsinstitut transferiert. Sie befindet sich im Areal 142. Die Barrieren aller Gefangenen wurden verstärkt.”

Gefangene, davon hatten sie mittlerweile drei. Einen Werwolf, der immer noch als Werbiest in seinem Zwinger randalierte, einen Schatten, der alles Leben verwesen lassen konnte und eine durchgedrehte Magiern, die Schuld an der ganzen Misere war. Insgeheim fragte sich Jake, was sein Liebster mit diesen dreien vor hatte?

Ohne Umschweife redete die KI weiter: “Die Nahrungsmittelversorgung des zoologischen Forschungsinstitutes ist leider nicht auf so viele Besucher ausgelegt. Daher habe ich den Drohnen im Agrarsektor des botanischen Forschungsinstitutes befohlen, die Erzeugnisse zu sammeln, anstelle sie zu Dünger zu verarbeiten. Mit dieser Maßnahme können wir alle Besucher für 34 Stunden 37 Minuten und 18 Sekunden ernähren, ohne eine Beeinträchtigung unserer Forschungen.”

“Das sollte reichen.” Isaak seufzte frustriert. “Es gibt noch so viel zu tun.”

Jake dachte an die geretteten Menschen. Sie alle kannten nun die übernatürliche Welt. Wussten von den Vampiren, Gestaltwandlern und seinem Freund, dem Wächter. Isaak könnte ihnen zwar das Gedächtnis löschen, doch würde er es auch schaffen alle Spuren zu beseitigen?

Das Haus der Cullens, ganz La Push und teilweise Forks waren zerstört. Sein Liebster hatte zwar die Atomraketen abgefangen, doch auch darum mussten sie sich kümmern. Wenn sie Pech hätten, könnte sich die Strahlung über den ganzen Planeten ausbreiten. Das mussten sie verhindern, aber wie?

Und das waren nicht die einzigen Probleme. Irgendwo in Kanada gab es ein gewaltiges Loch im Boden, verursacht von Morgana mit ihrer Schattenkugel. Wie sollten sie das nur den Behörden erklären?

Nach allem was geschehen war, schien es unmöglich das alles zu verheimlichen. Morgana hatte es geschafft die übernatürliche Welt mit einem Schlag global zu enthüllen. Nie und nimmer konnten sie das aufhalten. Verdammt noch eins. Die Lage sah nicht gerade rosig aus.

“Werter Wächter Isaak, bitte sehen sie sich das hier an.”

Ohne eine Erklärung ließ die KI rund ein dutzend Monitore erscheinen. Sie alle zeigten Nachrichtensender aus verschiedenen Ländern.

Jake erbleichte. Wie er es befürchtet hatte, ließ sich der Kampf nicht mehr verheimlichen. Auf CNN redete der Sprecher gerade über Videos von Augenzeugen, die eindeutig atomare Explosionen aufgenommen hatten. Auch wenn die Menschen gerne mal alles unliebsame übersahen, etwas so gewaltiges hatten sie dann doch mitbekommen.

So wild wie die russische Sprecherin gestikulierte, ahnte Jake schlimmes. Bestimmt hatten nun alle Atommächte einen Finger auf dem Knopf und warteten auf eine Erklärung von Seiten des amerikanischen Präsidenten. Ein wenig tat ihm dieser leid, der arme Mann hatte keine Ahnung in was er da verwickelt worden war. Im weißen Haus herrschte bestimmt genau in diesem Augenblick heilloses Chaos.

Und das Schlimmste stand noch bevor. Bei einer genauen Untersuchung wäre es nur eine Frage der Zeit bis die ganze Welt erfuhr, dass einige ihrer Schauergeschichten durchaus real waren.

Vor seinem inneren Auge sah Jake bereits die panischen Massen. Plünderungen, Vandalismus, bewaffnete Milizen. Menschen, die andere Menschen bezichtigten Monster zu sein. Unschuldige, die exekutiert wurden. Das würde das Ende der Moderne bedeuten und die Menschheit in ein neues Mittelalter stürzen. Eine Hexenjagd im globalen Maßstab wäre die Folge dessen.

“Meinen Berechnungen nach besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen auf Sie oder unserer Technologie aufmerksam werden, Wächter Isaak. Dies gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.”

Ein weiteres Display öffnete sich vor allen anderen.

“Ich habe einen Plan ausgearbeitet. Um diesen auszuführen, benötige ich Ihre Freigabe, Wächter Isaak.”

Sein Freund überflog die kryptischen Buchstaben. Dabei weiteten sich seine Augen.

“Was steht denn da?”, fragte Jake miesepetrig. Erst nannte die dämliche KI ihn ebenfalls Wächter und schmierte ihm Honig ums Maul, nur um ihn jetzt außen vor zu lassen. Sie musste wissen, dass er diese Zeichen nicht lesen konnte. Also hatte sie das mit Absicht getan. Das war ein dicker Minuspunkt in ihrer bisher schon angespannten Beziehung zueinander.

“Keine Zeit es dir zu erklären”, sagte Isaak schnell und schloss die Augen.

Das durfte doch wohl nicht wahr sein! In einem für Jakes Verstand unbegreiflichen Tempo dachte sein Freund nach. Er musste sich sogar davon abschotten. Es war einfach zu viel auf einmal. Aber was heckten die beiden aus?

Gerade als er erbost auf den Boden stampfen wollte, ein verzweifelter Versuch die Aufmerksamkeit seines Liebsten zu gewinnen, verebbte der Gedankenstrom.

Jake sah genau, wie Isaak den Kopf hob. Dann nickte er. “Tu es. KI, hiermit genehmige ich deinen Plan.”

“Verstanden. Speicherkapazität wird freigegeben. Unwichtige Hintergrundprozesse werden angehalten. Die gesamte Rechenleistung wird auf Projekt Verschleierung fokussiert.”

“Was genau hat die KI vor?” Jakes Stimme war angespannt. Er traute dem Braten nicht.

Bevor sein Freund antworten konnte, verschwanden alle Monitore. An ihrer statt erschien ein durchsichtiger Globus, von etwa einem Meter im Durchmesser. Leuchtende weiße Linien verbanden die Städte, die wiederum durch mehr oder minder große leuchtende Punkte angezeigt wurden, wie ein Spinnennetz. Was sollte das sein?

“Infiltriere: World Wide Web.”

Der Knotenpunkt, der Seattle darstellte, änderte die Farbe von weiß zu grün. Alle mit ihm verbundenen Linien wurden ebenfalls, ausgehend von Seattle, grün. Einen Augenblick später erreichten die grünen Linien andere Knotenpunkte, änderten auch deren Farbe. Binnen kürzester Zeit erstrahlte der Globus überzogen von einem grünen Netz.

“Infiltration abgeschlossen. Ich habe nun die vollständige Kontrolle. Initiierte: Globale Säuberung.”

“Was macht ihr da?”, rief Jake und ruderte wild mit den Armen. “Ihr könnt doch nicht einfach das Internet löschen. Das geht doch nicht.”

“Verräterische Datensätze gefunden. Löschung läuft.”

“Hey”, schrie er Isaak an. “Du musst das stoppen!”

Sein Freund drehte sich zu ihm. Mit einem milden Grinsen im Gesicht erklärte Isaak: “Beruhige dich. Die KI löscht nicht das Internet, sondern lediglich alles, was auf die übernatürliche Welt hindeutet. Sprich, die KI sorgt dafür, dass alle Beweise vernichtet werden.”

“Und das soll mich jetzt beruhigen?”, fragte Jake zweifelnd, ließ aber die Arme sinken. Er konnte nur hoffen, dass sein Liebster wusste, was er da entfesselt hatte. Dunkel erinnerte er sich an einen Film, bei dem eine KI das Internet übernommen hatte. Soweit er wusste ging das nicht gut aus für die Menschen.

“Phase eins abgeschlossen. Leite Phase zwei ein. Veränderte Datensätze werden hochgeladen.”

“Entschuldige, das ist mein Stichwort. Pass bitte kurz auf meinen Körper auf.” Bevor Jake Zeit zum Reagieren hatte, wurde der Blick seines Freundes leer. Was ihn aber noch mehr verunsicherte, war, dass Isaak ihre Verbindung unterdrückte. Was auch immer sein Liebster da vorhatte, Jake konnte nichts anderes tun als abzuwarten.

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie rund um den Globus kleine Monitore erschienen. Erstaunt stellte Jake fest, dass es wieder die Nachrichten waren. Was zum Teufel trieben die beiden da?

Bei CNN leuchtete plötzlich ein roter Einschieber auf: Eilmeldung. “Wie unsere Redaktion soeben erfahren hat, gab es einen globalen Hack auf das World Wide Web. Aus bisher unbestätigten Quellen, soll es sich dabei um einen Angriff einer bis dato unbekannten Hackergruppe namens ZERO handeln. Über das Ziel dieser Aktion können wir Ihnen bisher noch nichts …”

Der Nachrichtensprecher stoppte mitten im Satz. Er griff sich an sein Ohr und nickte vage einer Person hinter der Kamera zu.

Jake verstand nicht, was da los war. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ein Blick zu den anderen Nachrichten genügte, um ihm zu offenbaren, dass alle Sprecher und Sprecherinnen verstummt waren.

Bei den Franzosen schob sich ein leger gekleideter Mann ins Bild und gab der Frau vor der Kamera einen Stapel neuer Zettel, bevor er sich eilig aus dem Bild bewegte. Im russischen Fernsehen kam ein kleiner Greifarm zum Einsatz, der die neuen Nachrichten übergab. Sie alle erhielten auf die eine oder andere Weise neue Informationen.

Jake hielt den Atem an, wie wahrscheinlich die ganze Welt auch. Einen Moment herrschte absolute Stille. Dann brach ein Stimmengewirr aus als alle auf einmal ihrem jeweiligen Publikum die Neuigkeiten mitteilen wollten.

Verzweifelt versuchte Jake sich auf die Stimme des Mannes von CNN zu konzentrieren.

“Der Pressesprecher des weißen Hauses tritt soeben vor die Kamera. Mit CNN sind Sie immer live vor Ort.”

Mit einem Mal zeigten alle Monitore einen Mann mittleren Alters. Er stand hinter einem Rednerpult. Links im Hintergrund sah Jake die amerikanische Flagge, sowie direkt hinter dem Mann das bekannte Emblem des weißen Hauses. Vorne am Rednerpult stand in großen weißen Lettern: “The White House, Washington DC”.

Der Mann räusperte sich und hob den Blick. Mit strenger Stimme verkündete er: “Die Hackergruppe ZERO wurde von Seiten der amerikanischen Regierung als eine terroristische Gruppierung eingestuft.

Mittels Falschmeldungen hatten die Hacker versucht eine globale Massenpanik auszulösen. Alle Informationen, die in den letzten Stunden im World Wide Web kursieren, sind das Werk von ZERO.

Einer internationalen Gruppe von Spezialisten ist es gelungen die Hacker aufzuhalten. Ihre schädliche Propaganda wurde gelöscht und die ursprünglichen Daten aus den Backup Servern wiederhergestellt.”

Der Pressesprecher legte eine kurze Pause ein.

Kam es nur Jake so vor, oder wirkten die Augen dieses Mannes etwas glasig? Er warf Isaak einen Seitenblick zu. Nein, das tat er nicht wirklich oder? Sein Liebster ließ doch nicht etwa den Pressesprecher des weißen Hauses, wie eine Marionette, ferngesteuert reden. Deshalb hatte Isaak sich abgeschottet. Er wendete Magie an und benötigte seine volle Konzentration.

“Heute, um 15:38 Ortszeit, wurde vor der Westküste des Bundesstaates Washington ein Meteorit mit Kollisionskurs zur Erde abgeschossen. Die Mission war ein voller Erfolg. Kein US-Bürger wurde dabei verletzt.

Lediglich ein winziger Restteil des Meteoriten ist in der Nähe des Kluane National Parks in Kanada eingeschlagen. Es handelt sich hierbei um eine unbewohnte Region. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde niemand verletzt.

Die Bedrohung für die Bürger der Westküste wurde erfolgreich eliminiert. Es besteht kein Grund zur Sorge.”

Ein Schauder lief Jake über den Rücken. Gab es etwas, was sein Freund nicht konnte? Isaak hatte soeben die Geschichte im globalen Maßstab neu geschrieben. Aber eines musste Jake ihm lassen. Diese Erklärung war echt nicht von schlechten Eltern. Die meisten Menschen würden dieses Ammenmärchen wohl schlucken.

Ein Mann, weiter vorne im Bild, erhob sich und fragte: “Wurden Atomraketen bei diesem militärischen Einsatz abgeschossen?”

Der Pressesprecher schüttelte vehement den Kopf. “Genau das ist eine der vielen Falschmeldungen von ZERO. Die Explosionen auf den Videos der Anwohner zeigen lediglich das Verdampfen des Eismantels des Meteoriten. Ich widerhole: Es wurden keine Atomraketen eingesetzt.

Die Regierung würde niemals den Einsatz solcher Waffen im amerikanischen Luftraum zulassen. Das war alles. Gott sei mit Ihnen.”

Ohne auf die Meute von Reportern zu achten, wandte sich der Pressesprecher ab und verließ das Podium.

Genau in diesem Augenblick blinzelte Isaak. Ein deutliches Zeichen, dass dieser seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte. Denn immerhin bewegte sein Marionetten-Freund keinen Muskel, solange Jake es ihm nicht befahl.

Mit einem diebischen Grinsen im Gesicht fragte Isaak: “Na, was sagst du?”

Jake schüttelte den Kopf. Das konnte sein Liebster doch nicht ernst meinen.

“Nette Show”, brummte er als Antwort und verdrehte die Augen. “Die Medien hast du für den Augenblick ruhig gestellt. Aber was ist mit Forks und La Push? Ernsthaft mal, das Loch von Morgana in Kanada sieht nicht aus, wie ein Meteoriteneinschlag. Und was ist mit dem atomaren Fallout.”

Sein Liebster grinste ihn an. “Um all das wird sich bereits gekümmert.” Isaak nickte zum Zentralkristall hin.

“Seien Sie versichert, Wächter Jacob, dass ich alle nötigen Maßnahmen bereits ergriffen habe. Mittels multipler Barrieren habe ich sämtliche Strahlung aus dem Luftraum der gesamten Region beseitigt.

Was den obligatorischen Einschlagskrater in Kanada anbelangt, so habe ich einige Drohnen entsendet, die die Umgebung entsprechend präparieren.

Der überwiegende Teil meiner Drohnen ist mit er Rekonstruktion von Forks und seiner Umgebung beschäftigt.”

“Hey”, beschwerte sich Jake lautstark. “Warum wird Forks vorgezogen. La Push wurde zuerst angegriffen. Also sollte es auch als erstes wieder aufgebaut werden.”

“Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war das erste Ziel das Haus der Cullens”, meinte Isaak bemüht beiläufig.

“Die Blutsauger zählen nicht”, brauchste Jake auf.

“Das Haus der Cullens wurde bereits wiederhergestellt”, verkündete die KI.

“Bitte was?”, stammelte Jake aus der Fassung geraten.

Nachdenklich antwortete die KI: “Soweit ich informiert bin, ist für La Push eine weitreichende Modernisierung geplant. Daher habe ich mir erlaubt Forks vorzuziehen.”

“Ähm”, brabbelte Jake unbeholfen. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. “Wie hast du das gemacht?”

Schnell schüttelte Jake den Kopf und sagte: “Weißt du was, behalts für dich. Mit dem ganzen Technikgelaber kann ich eh nichts anfangen.”

Er hob den Blick und fixierte Isaak misstrauisch. “Ich dachte eher, dass du das erledigst. Mit deiner Magie. Eine Zeitverschiebung oder so etwas.”

Sein Freund öffnete den Mund, doch war es die KI die Antwortete: “Warnung: Einsatz von Zeitmagie ist strengstens untersagt. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Kodex der Wächter dar. Ich muss auf schärfste protestieren.”

“Beruhige dich”, sagte Isaak mit sanfter Stimme. “Jake hat nur gefragt. Ich hatte niemals vor, Zeitmagie einzusetzen.”

Ein empörtes Schnauben drang an Jakes Ohren. Im gegensatz zu seinem Liebsten, war er sich nicht so sicher, ob es eine gute Idee war, der KI ein solches Verhalten durchgehen zu lassen.

Isaak schmunzelte erheitert und zog Jake in Richtung Ausgang. Dabei erklärte er: “Du musst wissen, es gab mal einen Wächter der mit Zeitmagie experimentierte.”

Ohne Gegenwehr ließ sich Jake führen. Bloß weg von diesem mörderischen Kristallraum. “Lass mich raten. Er ist in die Vergangenheit gesprungen und wurde zu seinem eigenen Vater?”

“Bitte was?” Isaak blieb stehen und sah ihn entsetzt an.

Nach dem dummen Spruch musste sich Jake einer misstrauischen Musterung seitens seines Freundes stellen. Er hätte besser die Klappe gehalten. “Vergiss es. Was ist aus dem Wächter geworden?”

“Das weiß ich nicht. Keiner weiß das.” Isaak schüttelte den Kopf. “Seine Chronik ist verschlossen. Bisher konnte noch kein Wächter sie öffnen. Wir wissen nur das, was die KI damals aufgeschnappt hatte. Er vollzog ein Experiment und war dann spurlos verschwunden. Da ein neuer Wächter erwählt wurde, gehen wir davon aus, dass er tot ist.

Seltsamerweise hört man ein Kratzen, wenn man sich seiner Chronik nähert. So als ob sie sich noch immer selbst schreiben würde. Ein bisher ungelöstes Mysterium.”

Jake bekam eine Gänsehaut. Ein Wächter verrückter als der andere. Er nahm sich fest vor ein Auge auf seinen Liebsten zu haben. Nicht dass dieser auf dumme Ideen kam.

Langsam erwiderte Jake: “Er steckt wohl in einer Zeitschleife.”

“Das wäre möglich”, bestätigte Isaak nachdenklich. Dann zuckte er mit den Schultern. “Wie dem auch sei, seit seinem Verschwinden wurde die Zeitmagie verboten.”

Nun war es an Jake die Stirn zu runzeln. “Nach einem Fehlschlag gleich alles verbieten. Ihr Wächter seid echt ein schräger Haufen.”

“Er war nicht der einzige Wächter der sich mit Zeitmagie beschäftigte, wohl aber der Letzte der durch solche Experimente spurlos verschwand.”

Es gab also noch andere. Momentmal, sie alle waren verschwunden? Jake fragte besser nicht nach. Gespräche über Zeitsprünge führten nur zu einem Knoten im Kopf. Da ließ er besser die Finger davon.

*

Nun da das Licht an war, sah der Korridor nicht mehr so gespenstisch aus. Wie im Foyer, bestand der Boden auch hier aus weißem Marmor und die Wände aus dunklen Holzvertäfelungen.

Isaak führte ihn zu einer nahen Eichenholztür. “Das ist die Bibliothek der Wächter.”

Hinter der Tür befand sich eine kleine halbrunde Empore, diesmal sogar mit einem steinernen Geländer. Auf dem weißen Marmorboden standen mehrere Stehpulte und einladende Sessel zum Lesen.

Sein Liebster, der einen Schritt in den Raum hineingegangen war, vollzog eine einladende Geste. “Sieh dich ruhig um, wenn du willst.”

Das ließ Jake sich nicht zweimal sagen. Soweit er wusste, hatten sie gerade ein wenig Zeit. Die KI kümmerte sich ja um alles Wichtige.

Mit wenigen Schritten hatte Jake das Geländer erreicht. Bei dem sich ihm nun bietende Anblick, riss er ungläubig die Augen auf. Er sah auf unzählige vollgestopfte Bücherregale hinab. Wenn er sich weit nach vorne lehnte, konnte er rund einhundert Meter unter sich gerade noch so den Marmorboden erkennen.

Nur ein schmaler Gang befand sich zwischen den Regalen. Selbst die Wände rechts und links waren mit Büchern ausstaffiert. Jedoch war es ihm unmöglich, das Ende des Raumes zu sehen. Schier bis in die Unendlichkeit reihten sich die fein säuberlich angeordneten Regale.

“Beeindruckend”, war alles, was Jake zu sagen hatte.

Sein Freund trat neben ihn und lehnte lässig mit dem Rücken am Geländer. “Danke.”

Um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können, schüttelte Jake den Kopf. “Aber wie findet man sich hier zurecht? Und wie kommt man an die Bücher ran?” Seines Erachtens nach gab es keinen Weg nach unten.

Geduldig erklärte Isaak: “Ursprünglich haben wir Wächter einen Aufrufezauber verwendet. Seit wir aber die KI erschaffen haben, regelt die das. Du musst der KI nur sagen, was du lesen willst und sie lässt das Buch zu dir kommen. Versuche es doch mal.”

“Ok.” Jake warf einen Blick über die unzähligen Regale. Nach was für einem Buch sollte er fragen? Sehr belesen war er ja nicht. Da fiel ihm etwas ein. Sein Liebster hatte doch mal erwähnt, ein Buch in seinem Kopf geschrieben zu haben. Ob das auch hier war?

“KI, gib mir bitte das Buch über die Quileute.”

Ein dumpfes Klonk erklang. “Dieses Werk steht aktuell lediglich digital zur Verfügung. Wenn Sie wünschen, kann ich es materialisieren, sollten Sie eine gebundene Ausgabe bevorzugen”, gab die KI Auskunft.

“Nein, das muss nicht sein”, murmelte Jake. Im selben Augenblick öffnete sich ein Display direkt vor ihm, darauf wurde das gewünschte Buch angezeigt. Das Cover zeigte unverkennbar einen Ureinwohner der Quileute mit bronzefarbener Haut, bekleidet nur mit einem Fell um die Hüfte. Schemenhaft war eine Art Geisterwesen rechts neben ihm abgebildet. Auf seiner andern Seite stand ein überdimensionierter Wolf.

“Das passt ja wie die Faust aufs Auge”, gab Jake seine Meinunge zu dem Cover kund.

“Danke, ich hatte gehofft, es würde dir gefallen.”

Langsam und bedächtig las Jake die Überschrift laut vor: “Die Legende der Quileute, von Wächter Isaak, 2006.”

Jake wandte sich seinem Freund zu. “Ich hatte jetzt so etwas wie: Anthropologische Untersuchung oder eine neue Unterart der Menschen erwartet.”

Auf dem Gesicht seines Liebsten breitete sich ein schuldbewusstes Lächeln aus. “Der ursprüngliche Titel ging in diese Richtung. Nach deiner Prägung auf mich, und den damit einhergehenden Problemen, hielt ich es es jedoch für angebracht den Titel zu überdenken.”

Stirnrunzelnd betrachtete Jake Isaak. “Sagtest du nicht, du hast das hochgeladen, bevor wir zusammenkamen?”

“Das stimmt”, drukste sein Freund ein wenig herum. “Damals war noch nicht abzusehen wie sich das ganze entwickeln würde. Jedoch bestand schon die Möglichkeit, dass du dieses Werk irgendwann mal zu Gesicht bekommen könntest.”

“Wächter”, schnaubte Jake und verdrehte die Augen. Er musste sich wohl damit abfinden, dass sein Freund gänzlich anders dachte als normale Menschen. Immer einen Fuß in der Zukunft und eine Hand am Schwert, um jegliche Gefahren für das Leben im Keim zu ersticken.

Nebenwirkungen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Innere Zwänge

Embry

Nach dem Essen, wenn man das so nennen durfte, waren er und Kamden seine Mutter besuchen gegangen. Die KI hatte für sie eine kleine Holzhütte erstellt. Ohne auf die ominöse Stimme aus dem Hintergrund zurückgreifen zu müssen, hatten die beiden Tiffany mithilfe ihres Geruchs ausfindig gemacht. Sie waren eben Wölfe, warum dann nicht ihre Fähigkeiten ausnutzen?

Tief in Gedanken ließ Embry den Blick schweifen. Es war recht hübsch hier. Die Wände und nahezu alles hier bestand aus Holz.

Das Zimmer war für eine Person angelegt. Eine Küche gab es nicht, war auch nicht nötig. Alle Nahrungsmittel wurden von den kleinen Drohen der KI zu den Menschen befördert. Hinter einem kleinen Sofa befand sich ein Fenster. Durch dieses sah Embry in die Nacht hinein.

Die KI hatte den Sonnenstand an die Ortszeit angepasst. In La Push war es mitten in der Nacht. Zwei Uhr fünfzehn in der Früh, wenn man genau sein wollte. Das behauptete zumindest die kleine Wanduhr über dem Fenster. Zum Glück war seine Mutter noch wach. Bestimmt hatte Tiffany auf sie gewartet.

Embry klopfte auf die Tischplatte vor sich. Das Holz schien massiv zu sein. Auch wenn er wusste, dass es nur eine Projektion des Holoraumes war, so wie alles hier.

Zumindest schien das Bett seiner Mutter bequem auszusehen. Notfalls hätte er sie mit auf ihr Zimmer genommen. Zum Glück war das aber nicht notwendig. Zu dritt wäre es auch recht eng geworden. Selbst für seine Mutter würde er es nicht ertragen ohne seinen Freund zu schlafen. Es war schon seltsam wie schnell man sich an so etwas gewöhnen konnte.

Vor einer Woche wäre er nicht im Traum auf die Idee gekommen mit einem anderen Mann das Bett zu teilen, nackt und eng umschlungen. Nun aber gab es nichts Schöneres für ihn.

Ob das alles an seiner Prägung lag? Hätte er auch ohne diese zu Kamden gefunden? Embry seufzte schwer. Das würde er wohl nie erfahren.

“Ist es denn so schlimm, schwul zu sein?”, fragte Kamden, da sie gerade allein waren. In seiner Stimme schwang ein Hauch von Niedergeschlagenheit mit.

Embry zuckte mit den Schultern. “Habe ich denn eine Wahl?”

Augenblicklich wusste er, er hatte das Falsche gesagt. Kamden verzog gequält den Mund und machte Anstalten aufzustehen.

“Warte”, stieß Embry hervor und hielt seinen Freund am Arm fest. “Das kam jetzt falsch rüber.”

Misstrauisch wurde er von oben gemustert.

“Setz dich bitte wieder.”

Kamden blieb stehen, ging aber nicht und wehrte sich auch nicht gegen seinen Griff. Immerhin etwas.

“Ich will gar nichts ändern. Es ist so wie es ist. Bitte, versteh doch, bis vor kurzem war schwul sein ein absolutes Tabuthema im Dorf. Ich weiß nicht, ob ich ohne meine Prägung auf dich diesen Weg gegangen wäre. Du bist meine erste feste Beziehung, egal ob mit einem Mann oder einer Frau. Woher soll ich denn wissen, was ich will, wenn ich keine Chance hatte Erfahrungen zu sammeln.”

Embry sah genau, wie Kamden mit den Zähnen mahlte und knurrte: “Darüber reden wir noch!”

Zu Embrys Überraschung setzte sein Freund plötzlich eine neutrale Miene auf und ließ sich zurück auf den Stuhl sinken. Genau in diesem Augenblick, kam Tiffany aus dem Bad. Sie hatte ein Handtuch um ihre Haar geschlungen und trug einen Morgenmantel, der wie ein japanischer Kimono aussah.

“An den Wasserdruck hier könnte ich mich gewöhnen. Der ist um Welten besser als bei uns im Dorf.” Sie blinzelte und warf ihnen einen misstrauischen Blick zu. “Stimmt etwas nicht?”

“Alles in bester Ordnung”, meinte Embry schnell. Einerseits um sich für seine unbedachten Worte zu entschuldigen, andererseits um seine Mutter abzulenken griff er nach Kamdens Hand und verschränkte gut sichtbar ihre Finger miteinander.

Kurz drückte er zu, während er Kamden stumm bat: “Lass uns später weiter reden. Meine Mutter geht das nichts an.”

Mental wurde ihm geantwortet: “Wie mein Prinz befiehlt.” Nach Kamdens Stimmlage zu schließen, war er zumindest nicht allzu sauer auf ihn.

Innerlich seufzte Embry. Das alles war so neu und seltsam für ihn. Immerhin ging es ihm besser als Quil, der musste noch etliche Jahre warten um an diesen Punkt zu gelangen. War das nun ein Vorteil oder Nachteil?

Aus den Augenwinkeln sah Embry, wie seine Mutter am Tisch Platz nahm. Er fokussierte sich auf die Gegenwart und ließ seine Sorgen Sorgen sein, fürs erste jedenfalls.

Tiffany schüttelte den Kopf. “Junge Liebe.”

Augenblicklich wurde Embry rot. Aus einem Reflex heraus wollte er seine Hand zurückziehen, aber Kamden ließ nicht los. Sein Gefährte grinste lieber dümmlich wie ein Honigkuchenpferd.

“Spaß beiseite.” Sein Mutter räusperte sich, dann wurde ihr Blick streng. “Ihr habt mir von den Gestaltwandlern und den Vampiren erzählt. Über die Wächter oder diese verrückte Magierin habt ihr nichts gesagt.”

Embry hob den Blick und sah schuldbewusst drein. “Es tut uns leid, aber wir konnten nicht.”

Tiffany seufzte laut auf. “Ich bin enttäuscht, dass ihr mir so wenig vertraut.”

Nun mischte sich Kamden ein. “Du verstehst nicht, Tiffany. Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Es war uns verboten über dieses Thema zu sprechen. Isaak hat uns, und alle die von ihm wissen, mit einem Bann belegt.”

Um das Ganze besser zu verdeutlichen, fügte Embry hinzu: “Bei jedem Versuch etwas zu sagen, hefteten sich unsere Zungen an den Gaumen. Schreiben ging auch nicht. Ich habe es versucht. Meine Hand hat so stark gezittert, dass ich keinen einzigen Buchstaben aufs Papier bekommen habe.”

An den weit aufgerissenen Augen erkannte Embry, seine Mutter hatte es verstanden.

“Aber, aber”, stammelte sie. Schlagartig änderte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht. Wütend begann seine Mutter zu toben: “Wie konnte Isaak euch so etwas antun? Der kann was erleben, wenn ich ihn in die Finger bekomme.”

“Isaak meint es nicht böse”, beschwichtigte Embry rasch. “Die Wächter leben seit Urzeiten im Verborgenen. Hätte Jake sich nicht auf Isaak geprägt, dann hätten wir wohl nie erfahren, was ein Wächter ist. Normalerweise löschen sie jedem das Gedächtnis, der mit ihnen in Berührung kommt.”

“Das wird ja immer besser.” Tiffany schüttelte den Kopf. “Aber warum tun sie das?”

Diesmal war es Kamden der antwortete: “Sie sehen sich als Bewahrer allen Lebens. Ihr einziger Daseinszweck ist es das Leben selbst zu beschützen. Ich vermute, die Wächter sind sehr einsam. Ich würde ein solches Leben wohl nicht aushalten.”

Sanft strich Embry seinem Freund mit dem Daumen über den Handrücken. Im Stillen gab er ihm Recht. Auch er konnte sich nicht vorstellen so zu leben. Mit Jake an seiner Seite würde es Isaak bestimmt besser ergehen. Hoffentlich würden die Beiden glücklich miteinander werden. Das wünschte Embry ihnen.

Er seufzte tief, dann begann er: “Hör zu, Mom. Ich erzähle dir nun alles, was ich weiß -”

*

Über eine Stunde hatten sie abwechselnd die ganze Geschichte offenbart. Bis Tiffany an ihre Grenzen stieß. Anschließend verabschiedeten sie sich und wünschten ihr eine angenehme Nachtruhe.

Kaum in ihrem Zimmer angekommen, verzog sich Kamden ins Bad. “Gehe schnell duschen”, hatte er dabei gemurmelt.

Mit ausgestreckten Armen lag Embry auf dem Bett und wartete. Am liebsten wäre er seinem Freund unter die Dusche gefolgt, aber er konnte nicht. Ihr Streit hing noch immer über ihnen und Embry war sich nicht sicher, ob sein Freund ihn bei sich haben wollte.

“Nur das du es weißt, ich will dich immer bei mir haben. Egal, ob wir einen Streit hatten oder nicht”, sagte Kamden.

Embry sah zur Badezimmertür. Dort stand sein Freund, mit nassen braunen Haaren, lediglich bekleidet mit einem kurzen Handtuch um die Hüften.

Aufgeschreckt sprang Embry auf die Füße. “Ich will auch duschen.” Mit rotem Kopf drückte er sich an Kamden vorbei. Hinter sich schloss er die Tür. Sein Freund ließ diese immer einladend offen.

Ohne wirklich mitzubekommen was er Tat, zog er sich aus und begann sich einzuseifen. Seine Gedanken waren bei Kamden. Nach Embrys Auftritt gerade hatte sein Freund ihre Verbindung geschlossen. Bestimmt hatte er ihm weh getan. Aber Embry konnte gerade nicht anders. In seinem Inneren tobte noch immer ein Kampf zwischen dem, was ihm jahrelang eingetrichtert worden war und dem, was er fühlte.

Embry schlug den Kopf gegen die Fliesen. Er war ein Heuchler und ein Feigling. Nachts, wenn sie allein waren, kuschelte er mit Kamden, tagsüber hielt er ihn auf Abstand.

Das war nicht fair. Er war nicht fair gegenüber Kamden. Aber was sollte Embry dagegen unternehmen? War er stark genug sich, wie Jake es tat, gegen alle zu stellen.

Er hatte die Ablehnung in den Augen der Quileute gesehen, nachdem Billy von Jakes Schwulsein erzählt hatte. Könnte er es aushalten, wenn alle Stammesmitglieder auch ihn so ansehen würden?

Embry war nicht Jake, weder ein Alpha noch der Sohn des Häuptlings. Er war sich nicht einmal sicher, überhaupt stark zu sein. Immerhin hatte Kamden Embry besiegt und ihm damit die Rolle des Devoten aufgezwungen. Auch das war ein Punkt, der ihn beschäftigte und nicht losließ.

Unvermittelt erinnerte er sich an das Gespräch, mit Jake, kurz nach seiner Prägung auf Kamden. Embry hatte seinem besten Freund gestanden, dass er Angst hatte. Anstelle ihn auszulachen, war Jake für ihn da gewesen. Hatte ihm sogar anvertraut, dass auch ein großer starker Alpha darüber nachdachte, sich seinem Freund zu unterwerfen. Der Passive zu sein, den Hintern hin zu halten.

Irgendwie war das sehr tröstlich für Embry. Wenn selbst Jake so etwas auch nur in Erwägung zog, dann machte er sich wohl zu viele Sorgen. Vielleicht war es Zeit für einen Befreiungsschlag.

Embry wusste, was er wollte: Kamden. Er musste nur noch über seinen Schatten springen und dazu stehen. Es war Zeit für ein Gespräch mit seinem Freund. Das ließ sich wohl nicht mehr aufschieben.

Als Embry das Schlafzimmer betrat, saß Kamden noch immer mit dem Handtuch um die Hüften auf dem Bettrand. Mit hängenden Schultern sah sein Freund nicht mal auf.

“Wir müssen reden”, sagte Embry vorsichtig.

Wie geschlagen zuckte Kamden zusammen. Dann begann er zu jammern: “Bitte, schick mich nicht weg. Ich werde auch ganz brav auf dem Boden liegen.”

“Nein!”

Abermals zuckte sein Freund zusammen. Diesmal sogar noch stärker. Noch immer war ihre Verbindung zueinander geschlossen, dennoch wusste Embry, dass sein Freund kurz davor war in Tränen auszubrechen.

Das Gespräch lief ganz und gar nicht so, wie Embry es geplant hatte. Er musste handeln und zwar sofort. “Kamden”, begann er mit sanfter Stimme. “Du wirst nicht auf dem Boden schlafen, weil du neben mir im Bett liegen wirst. Wenn du das denn willst.”

Sein Freund riss den Kopf hoch. In den Augen seines Freundes schimmerten eindeutig Tränen. Embry hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen. Kamden hatte das alles falsch verstanden.

“Ich darf bleiben? Du bist mir nicht böse?”, fragte sein Gefährte sichtlich erleichtert.

Mit drei Schritten war Embry bei ihm und ging vor ihm in die Hocke. “Wenn dann müsste ich dich fragen, ob du bei mir bleiben willst. Es tut mir leid. Ich wollte nicht so abweisend sein und dir weh tun. Die ganze Situation ist mir über den Kopf gewachsen. Mit einem Mann, nein, überhaupt mit jemanden zusammen zu sein, ist noch neu für mich. Bitte, verzeih mir.”

Sprachlos klappte Kamden der Mund auf. “Warum sollte ich dir böse sein?”

Beschämt wandte sich Embry von ihm ab. Er konnte den Augenkontakt nicht ertragen. “Ich war nicht fair zu dir. Habe dir widersprochen und mich gegen dich aufgelehnt. Ich halte dich in der Öffentlichkeit auf Abstand.

Nur wenn ich ein Wolf bin oder wir alleine sind, kann ich dir das geben, was du willst. Und dann das Gespräch bei meiner Mutter. Ich habe dich vor den Kopf gestoßen. Das tut mir aufrichtig leid. Ich kann einfach nicht anders. Bitte, glaub mir, ich werde mich ändern.”

Unbewusst liefen ihm die Tränen über die Wangen. Seine Missetaten aufzuzählen machte alles nur nur schlimmer. Eine Hand legte sich von unten her um sein Kinn und zwang ihn mit sanfter Gewalt aufzusehen.

“Es gibt nichts, für das du dich entschuldigen müsstest”, sagte Kamden, mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, dass Embry sehr an Jake erinnerte. “Wenn dann war ich es, der dich zu sehr bedrängt hat. Ich bin es nicht gewohnt mich zu verstecken.”

“Aber”, begann Embry, wurde jedoch augenblicklich von Kamden unterbrochen. “Kein Aber. Ich mag dich, so wie du bist. Du musst nichts ändern. Mir gefällt deine widerspenstige Art und Weise. Genau so, habe ich mir das immer gewünscht.”

“Was ist mit unserem Streit?”

Kamden zuckte mit den Schultern. “In einer Beziehung streitet man eben. Das gehört dazu.”

Noch bevor Embry etwas erwidern konnte, zog Kamden ihn in eine Umarmung. “Ich werde mich anpassen. In der Öffentlichkeit werde ich dich von nun an in Ruhe lassen.”

Embry blinzelte. Wollte er das? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann musste er sagen: “Nein, bitte. Lass alles so wie es war. Wir beide sind zusammen, da muss ich mich dem stellen.”

Beruhigend streichelte Kamden ihm den Rücken. Das fühlte sich gut an, und auch richtig. Genau hier gehörte er hin. In die Arme seines Freundes.

Verlegen räusperte sich Kamden. “Da das nun geklärt ist, würdest du bitte die Verbindung wieder öffnen. Ich ertrage es nicht, dich nicht zu spüren.”

Embry drückte sich etwas von seinem Freund weg. Irritiert sah er ihm in die Augen. “Du bist doch derjenig, der die Verbingung unterdrückt.”

“Was, ich? Niemals!”, stammelte Kamden.

Unbewusst legte Embry den Kopf leicht schief. Er konzentrierte sich auf ihre Verbindung. In dem Augenblick, da er sich diese geöffnet wünschte, stürmten auch schon Kamdens Gefühle auf ihn ein.

Embry hatte das gemacht? Wann und warum? Vor allem aber, wie?

Erleichtert seufzte Kamden auf. “Das ist schon viel besser.”

Verständnislos schüttelte Embry den Kopf. “Das verstehe ich nicht. Ich habe nie die Verbindung geschlossen. Ich war traurig, weil ich dachte, du hast das getan. Ich dachte, du magst mich jetzt nicht mehr.”

Bedröppelt starrte Kamden ihn an. “Nein, niemals. Ich war das nicht. Seit unserem Streit bei Tiffany wurde die Verbindung immer schwächer. Als du duschen gegangen bist, hat sie sich komplett geschlossen. Ich dachte, du brauchst etwas Zeit für dich, die wollte ich dir geben. Wenn ich ehrlich bin, hat mich das aber sehr verunsichert.”

Peinlich berührt grinsten sie sich gegenseitig an. Sie hatten sich beide Sorgen um nichts gemacht. Innerlich schrieb sich Embry eine Notiz, Isaak zu dieser Angelegenheit zu befragen, sobald er die Zeit dazu hatte.

Dann fasste Embry einen Beschluß. Sie waren unter sich. Es war an der Zeit über seinen Schatten zu springen. Er löste sich aus der Umarmung und stand auf.

Mit einem Ruck entledigte er sich seines Handtuchs, dabei beobachtete er seinen Freund genau. Kamdens Augen weiteten sich erstaunt. Offenbar konnte er es nicht lassen und sah Embry direkt in den Intimbereich.

Durch ihre Verbindung bekam Embry mit, wie sehr Kamden die Aussicht genoß, aber auch, wie irritiert er war.

Mit der Zunge leckte sein Freund sich einmal über die Lippen dann hob er den Blick. “Was soll das werden?”

“Ich sammle Erfahrungen. Jetzt gerade, wie verführe ich meinen Freund.” Embry konnte spüren, wie seine Wangen heiß wurden bei diesen Worten. Wie würde Kamden darauf reagieren?

Unvermittelt zeigte sich ein freches Grinsen im Gesicht seines Freundes. “Das lässt sich aber sicher noch steigern, mit einer Tanzeinlage zum Beispiel.”

Verschwommen erinnerte sich Embry daran, genau das von Kamden verlangt zu haben, in der Nacht nach der Party, in der Embry sich total abgeschossen hatte.

Sollte er sich revanchieren? Widerwille erwachte in ihm. Soweit käme es noch, dass er alles tat, was Kamden wollte. Immerhin hatte Embry seinen eigenen Kopf. Ja, er hatte seinem Freund angeboten sich zu ändern, was dieser abgelehnt hatte, demnach sah er keinen Grund jetzt nachzugeben.

Gespielt empört stemmte er die Hände in die Hüfte. “Wenn du ganz lieb bitte bitte sagst, denk ich vielleicht mal drüber nach.”

In dem Augenblick, in dem Kamden den Mund öffnete um etwas zu sagen, stieß Embry ihn mit dem Rücken auf die Matratze. Schneller als Kamden sich von diesem Überfall erholen konnte, kletterte Embry auf das Bett und ließ sich auf dem Becken seines Freundes nieder.

Mit beiden Händen auf Kamdens Brustkorb abgestützt sah er ihn von oben her herausfordernd an. “Na, wie gefällt dir das?”

“Ich bin ganz der Eure, mein kleiner Prinz.”

Daraufhin konnte Embry es sich nicht verkneifen die Augen zu verdrehen. Diese Fantasie, dass ein Prinz es mit seinem Beschützer treibt, hatte es Kamden eindeutig angetan. Solche Rollenspiele waren etwas für später. Jedoch würde Embry diese Erkenntnis sicher in der Zukunft noch zu nutzen wissen.

Wie aber sollte es weitergehen? Während er nachdachte streichelte er Kamden unbewusst über die straffe Brust.

“Das gefällt mir”, brummte sein Freund.

Embry blinzelte. Kamden lag entspannt da, mit hinter dem Kopf verschränkten Händen und geschlossenen Augen.

Na, das war doch schon mal ein Anfang. Embry beugte sich vor und fing die Lippen seines Gefährten ein. Nur zu gerne, wie er spüren konnte, erwiderte Kamden den Kuss.

Nachdem er sich wieder aufgesetzt hatte, beobachtete er die Reaktion seines Freundes genau. Sanft schickte Embry seine Finger auf Wanderschaft. Er fuhr die erstaunlich harten Brustmuskeln nach. Auch die Arme streichelte er, begierig darauf den Körper unter sich genau zu untersuchen.

Kein einziger Laut entrann seinem Freund dabei. Da Embry auf Kamdens Becken saß, hätte er es bestimmt gespürt, wenn sich da etwas regen würde. Aber auch hier, Fehlanzeige.

Lediglich das genießerische Grinsen in Kamdens Gesicht deutete an, dass es ihm gefiel, was Embry da tat.

Ob Embry es schaffte Kamden Geräusche zu entlocken, ohne auf seine Geheimwaffe zurückgreifen zu müssen? Herausforderung angenommen.

Frech grinste Embry, was Kamden mit immer noch geschlossenen Augen nicht sehen konnte. Er machte sich auf eine wilde Reaktion bereit, dann kitzelte er seinem Freund unter dem rechten Arm.

Die einzige Reaktion war eine leichte Gänsehaut. Das durfte doch wohl nicht wahr sein.

Sein nächstes Angriffsziel war die linke Achsel.

Nichts.

Verzweifelt versuchte er es mit beiden Seiten auf einmal.

Immer noch nichts. Verdammt, noch mal.

“Wenn du mich ärgern willst, dann musst du dir schon mehr einfallen lassen”, stichelte Kamden. “Tob dich ruhig aus. Bei mir beißt du auf Granit.”

Diese Aussage stachelte Embry noch mehr an. Ungeniert beugte er sich zurück und versuchte es mit Kamdens Kniekehlen. Das gewünschte Ergebnis blieb jedoch aus. In seinem Bestreben Kamden eine Reaktion zu entlocken, verrenkte er sich sogar um an dessen Füße zu kommen.

Auch das half nicht. Dann musste eben doch die Geheimwaffe her. Mit einer Hand stützte er sich auf Kamdens Brustkorb ab, mit der anderen zeichnete er Kreise um dessen Bauchnabel.

Sein Freund verzog kurz das Gesicht. Viel zu schnell hatte er sich aber wieder gefangen.

Doch Embry fing gerade erst an. Immer enger zog er den Kreis um die Vertiefung auf Kamdens Bauch, bis ihn kaum mehr als eine Fingerbreite davon trennte.

In genau diesem Augenblick stöhnte Kamden auf. Leise, aber dennoch vernehmlich. Innerlich freute sich Embry riesig über diesen Erfolg. Selbst die gemurmelte Beschwerde seines Feundes konnte das nicht ändern: “Ihr spielt mit dem Feuer, mein Prinz. Verbrennt Euch nicht.”

“Schweig”, befahl Embry und stieß mit dem Finger direkt in den Bauchnabel.

Lautes Keuchen war die Belohnung dieser Tat. Kamden zappelte unruhig unter ihm.

Kurz hielt Embry inne. Da war doch etwas an seinem Hintern oder irrte er sich? Leicht bewegte er sein Becken gegen das seines Freundes. Doch tatsächlich. Ein stärker werdendes Pochen. Kamden war erregt. Dessen Glied erwachte zum Leben.

Dieser Umstand wuchs auch Embry zu Kopf, oder in den Schritt, um genau zu sein. Sein Blut verselbständigte sich in südlichere Zonen. Es erregte ihn, Kamden zu erregen. Eine interessante Feststellung.

Reizpunkte

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Vergessen

Jake

Kurz nach Sonnenaufgang betraten Jake und Isaak den Holoraum. Nachdem sie sich endlich voneinander trennen konnten, hatten sie die Nacht kuschelnd, als Wölfe, im Wald verbracht. Vor allem Jake tat die kleine Ruhepause gut. Nach dem ganzen Stress der letzten Zeit hatten sie sich diese Erholung mehr als verdient.

Nun aber wurde es Zeit sich der Realität zu stellen.

“Was hast du jetzt vor?”, fragte er seinen Freund, der neben ihm lief. Sie waren auf dem Weg nach New Forks.

“Forks ist mittlerweile vollständig rekonstruiert. Ich gedenke die Einwohner nach Hause zu schicken.”

Nachdenklich runzelte Jake die Stirn. “Du wirst ihnen das Gedächtnis löschen, nicht wahr?”

Neben ihm erklang ein bedeutungsschwere Seufzen. “Ja, es muss sein. Je eher sie ihr normales Leben wieder aufnehmen, desto weniger Störungen gibt es im Rad des Schicksals.”

Ungefragt mischte sich die KI mit in das Gespräch ein: “Sie sollten sich beeilen, werter Wächter. Ich habe ein Kommunique der Regierung abgefangen. Mehrer Fahrzeuge sind auf dem Weg nach Forks, um die Vorfälle des gestrigen Tages zu untersuchen.”

“Na großartig!” Jake warf die Hände in die Luft und drehte sich zu seinem Freund. “Ich dachte, du hast das geregelt. Was machen wir jetzt?”

“Beruhige dich. Das ist alles so von mir arrangiert.” Belehrend hob Isaak einen Finger.

“Eine gute Verschwörung, besteht aus mehreren sich überlappenden Schichten. Wie du weißt, hat Morgana mit Atombomben auf uns geschossen. Die Verlautbarung, dass diese Waffen nicht zum Einsatz kamen, ist eine bewusst von mir inszenierte Falschmeldung.”

Jake schüttelte den Kopf. So ganz konnte er nicht verstehen worauf das hinauslaufen sollte.

Im Gesicht seines Freundes breitete sich ein verschmitztes Grinsen aus. “Die Gerüchteküche brodelt bereits. Die Menschen werden sich wie die Fliegen darauf stürzen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Pseudowissenschaftler aus ihren Löchern kriechen, um ein Statement zu diesem Thema abzugeben.”

“Und weiter? Was soll uns das nützen?”

“Ganz einfach. Während die Menschen versuchen eine Verschwörung zum Einsatz von Atombomben aufzudecken, wird die Regierung alles leugnen und vertuschen. Dass es nie einen Meteoriten gegeben hat, wird dabei vollkommen untergehen.”

“Ich bin mir nicht sicher, ob das so funktionieren wird. Es gibt keine Bilder, Daten oder sonst etwas zu dem Meteoriten”, warf Jake ein.

Anstelle von Isaak meldete sich die KI zu Wort: “In diesem Punkt irren Sie sich, Wächter Jacob. Die entsprechenden Beweise sind vorhanden. Ich habe sie weltweit auf den primitiven Computern platziert.”

Verblüfft starrte Jake Iassk an. Damit hatte er nicht gerechnet. Wenn er aber so darüber nachdachte, war es klar, dass sein Freund an diese Dinge gedacht hatte, der dachte doch eh immer an alles. Aber warum hatte sein Liebster dann gestern keine Bilder zur Untermalung seiner Geschichte gezeigt? Bestimmt wäre es ein leichtes gewesen das mit in die Rede des Pressesprechers einzubauen.

Bevor er weiter nachbohren konnte, erklärte Isaak ihm: “Das ist ebenfalls Teil meiner kleinen Verschwörung. Aktuell hält die Regierung alle Bilder und Daten unter Verschluss. Heute, im Laufe des Tages wird der Präsident dem Drängen der Öffentlichkeit nachgeben und Bilder veröffentlichen.”

“Warum warten und nicht gleich zeigen?”

“Weil es so glaubwürdiger ist. Lass den Menschen ein wenig Zeit zum Spekulieren und streue dann bewusst kleine Informations-Schnipsel. So kann ich die Aufmerksamkeit aller auf den vermeintlichen Einsatz der Atombomben lenken, ohne einen Finger zu rühren.”

Ergab das einen Sinn? Wenn Isaak das sagte, musste es wohl so ein. Jake seufzte tief. Zum Glück war er kein Politiker. Keinesfalls wollte er sich tagtäglich mit solchen Dingen beschäftigen. Für ihn war nur wichtig, dass ihre Geschichte von den Menschen geschluckt wurde und die übernatürliche Welt nicht Gefahr lief enthüllt zu werden.

Mittlerweile hatten sie den Stadtrand von New Forks erreicht. Wie nicht anders zu erwarten, standen dort einige Männer mit provisorischen Waffen in den Händen. Anscheinend hatte Bellas Vater die Leute nicht davon abhalten können eine Art Bürgerwehr ins Leben zu rufen.

Etwas abseits hatte sich Charlie mit seinen drei Deputies aufgestellt. Sie sahen missmutig zu dem Mob, ihre Hände an den Waffengürteln, schritten aber nicht ein.

Wie denn auch? In dem verschlafenen Nest Forks kam es nie zu größeren Ereignissen, daher war die Polizeipräsenz, wie auch ihre Bewaffnung dementsprechend schwach ausgeprägt. Mehr als vier Angestellte, ein Polizeiauto, zwei Schrotflinten und vier Pistolen wurden nicht gebilligt. Das wusste jeder. Bisher war das aber auch kein Problem gewesen.

Als die Menschen sie entdeckten, hoben sie ihre Waffen. Die meisten hatten einen Baseballschläger oder eine Metallstange vorzuzeigen. Weiter hinten sah Jake auch einen dickeren Mann bewaffnet mit einer Bratpfanne.

“Halt, keinen Schritt weiter”, brüllte ein Mann im Anzug, der ein Metallrohr in den Händen hielt. Offenbar der Anführer dieser Bande Verrückter.

Innerlich konnte Jake nur den Kopf schütteln. Selbst wenn sie alle mit Pistolen ausgestattet waren, stellten sie keinerlei Gefahr für einen Gestaltwandler oder Vampir da. Von Isaak und ihm ganz zu schweigen. Jake bezweifelte sogar, dass er es spüren würde, wenn sie ihn mit ihren Waffen angriffen.

Isaak neben ihm seufzte laut und hob eine Hand. “Schlaft!”, befahl er laut.

Auf seinen magischen Befehl ließen alle Menschen ihre Waffen sinken und legten sich brav auf den Boden. Nur einen Moment später konnte Jake vereinzeltes Schnarchen hören.

Leicht fröstelnd rieb sich Jake über die Gänsehaut an seinen Armen. Obwohl er schon so einiges zu Gesicht bekommen hatte, war es immer noch gespenstisch zu sehen, wie mächtig Isaaks Magie doch war.

“Was hast du mit ihnen angestellt?”, fragte Charlie, der nervös auf sie zukam. Seine Hand zuckte immer wieder zu seiner Waffe, doch bisher hatte er sie nicht gezogen. Ganz anders als seine Deputies. Diese zielten mit ihren Pistolen auf Isaak.

Genervt schnaubte Isaak: “Beruhige dich, Charlie. Sie schlafen nur.”

“Sheriff, das gefällt mir nicht”, beteuerte einer der Deputies. Murmelnd gaben seine Kameraden ihm Recht.

Isaak klärte das auf seine Art. Abermals hob er eine Hand und befahl: “Schlaft!”

Hilflos sah Charlie zu seinen drei schlafenden Deputies herunter. “Hey, das kannst du doch nicht machen. Einen Polizisten anzugreifen ist gegen das Gesetz.”

“Ach wirklich? Ein Gesetz, dass mir verbietet einen Menschen mittels Magie einschlafen zu lassen, ist mir neu”, meinte Isaak und rollte mit den Augen. Heute hatte sein Freund wohl keine Geduld mit den Menschen. Normal war Isaak fast schon krankhaft höflich und zuvorkommend, heute jedoch nicht.

Andererseits, was brachte es mit Leuten zu reden, wenn man deren Erinnerungen anschließend löschen würde. Irgendwie konnte Jake seinen Liebsten schon verstehen in diesem Punkt.

Dennoch konnte er es sich nicht verkneifen nachzufragen: “Alles ok, Schatz? Hat dich irgendwas verärgert?”

Isaak neben ihm zuckte zusammen. “Entschuldige. Ich bin gerade ein wenig gereizt. Über dreitausend Gedächtnisse zu durchwühlen ist eine sehr nervige Angelegenheit, auf die ich gerne verzichten würde. Ich bin froh, wenn ich damit fertig bin.”

Charlie legte sich die Hände auf die Ohren. “Erzählt mir bitte nur das Nötigste. Den Rest könnt ihr für euch behalten.” Er seufzte, ließ die Hände sinken und hob den Blick. “Ich nehme an, ihr wollt mit mir reden? Ansonsten würde ich ja wahrscheinlich wie alle anderen schlafen!” Bei dieser Feststellung deutete er rundum auf die anderen Menschen.

“Ja und nein”, meinte Jake ominös. “Als Bellas Vater, und Sherif, wäre es für uns alle besser dich mit im Boot zu haben. Wenn du bescheid weißt, müssen wir dich nicht mehr belügen und uns irgendwelche Geschichten ausdenken.

Die Entscheidung liegt aber bei dir. Wenn du willst, kann mein Freund dir das Gedächtnis löschen. Dann weißt du nichts mehr, über die übernatürliche Welt.”

Charlie kratzte sich am Kopf. “Edward ist kein Mensch. Ich habe gesehen wie schnell er sich bewegen kann. Wenn ich alles vergesse, muss auch Bella mich belügen.” Begleitet von einem frustrierten Seufzen schüttelte er den Kopf. “Ich möchte wissen, was in Bellas Leben vor sich geht.” Drohend hob er einen Finger. “Nur das Nötigste!”

“Einverstanden”, sagte Jake und streckte seine rechte Hand aus. Charlie schlug ein. Dann mischte sich plötzlich eine wohlbekannte Stimme ein. “Es tut mir Leid, aber das geht nicht. Auch Charlie muss alles vergessen. Die Volturi werden das nicht tolerieren!”, meinte Edward, der zu ihnen gestoßen war.

Genervt rollte Jake mit den Augen. “Wenn ich noch einmal diesen Namen höre, dann gehe ich persönlich nach Volterra und zerstöre diese stinkenden Untoten.” Er hob den Blick und fixierte Edward. “Nach allem was geschehen ist, glaubst du noch immer, dass die eine Bedrohung darstellen? Isaak hat euch bereits versprochen sich um diese Missgeburten zu kümmern, was willst du noch?”

Großspurig konterte der Blutsauger: “Als ob du das schaffen würdest. Du begriffsstutziger Waldschard verstehst einfach nicht, wie mächtig ihre Kräfte sind.”

Nun war es aber genug. Wütend fuchtelte Jake mit einer Hand vor Edwards Gesicht herum. “Isaak hat mir die Zukunft gezeigt. Ich weiß ganz genau, von was ich rede. Schatz, sag doch auch mal was dazu.”

Jake warf den Kopf herum und suchte nach seinem Freund. Während des Gesprächs hatte sich Isaak auf den Boden gesetzt. Mit konzentrierter Miene malte er mit seinen Händen ein kompliziertes Muster vor sich.

Sofort biss sich Jake auf die Unterlippe. Sein Freund wandte offenbar Magie an. Da sollte er besser nicht stören.

Zur Überraschung aller antwortete Isaak: “Bei einem Kampf Jake gegen die Volturi, inklusive aller Wachen, wird Jake, ohne einen einzigen Kratzer, mit einer Wahrscheinlichkeit von einhundert Prozent gewinnen. Vorausgesetzt Jake kämpft als Mensch. In Wolfform beträgt seine Siegchance 0,147 Prozent.”

Dass seine Chancen als Wolf so schlecht standen, hatte Jake nicht erwartet. Durch die Mutation seines Körpers war er als Mensch nun wesentlich stärker. Diese Zahlen zu hören verdeutlichten ihm nochmal anschaulich wie sehr er sich durch Isaak verändert hatte.

“Da das nun geklärt ist, würdet ihr mich bitte meine Arbeit machen lassen? Ich habe echt besseres zu tun als mich um derlei Nichtigkeiten zu kümmern.”

Das hatte gesessen. Selbst Edward würde nun einsehen müssen, wie lächerlich er sich verhielt, wenn Isaak einen Angriff der Volturi als Nichtigkeit abtat.

Ohne weiter auf die anderen zu achten sagte Isaak: “KI, du weißt, was du zu tun hast. Ich beginne jetzt mit dem Löschen der Erinnerungen.”

Augenblicklich erwiderte die KI: “Verstanden. Leite den Transport der Bevölkerung von Forks ein.”

Um die schlafenden Menschen am Boden bauten sich Kraftfelder auf. Wie von Geisterhand schwebten sie in eine aufrechte Position.

Bei diesem Anblick bekam Jake abermals eine Gänsehaut. Nie im Leben würde er der KI über den Weg trauen. Einem Ding das selbständig denken konnte, aber keinen greifbaren Körper hatte, war einfach nur unheimlich.

Von der KI gesteuert bildete sich eine Reihe vor Isaak. Der erste Mensch schwebte vor seinen Freund. Gespenstischer ging es wohl nicht.

Unbeeindruckt, mit noch immer geschlossenen Augen, hob Isaak beide Hände. Er vollzog eine kompliziert anmutende Geste. Wie Jake durch ihre Verbindung wusste, drang sein Liebster in den Geist des Mannes vor sich ein. Mit einer schneidenden Handbewegung hatte Isaak die entsprechenden Gedächtnis-Areale isoliert und gelöscht.

Ein Winken später, schoss der Mann in Richtung Ausgang davon, während der nächste Mensch vor Isaak schwebte.

Aus den Augenwinkeln sah Jake eine Bewegung. Von überallher schwebten weitere Menschen auf sie zu. Sie alle waren von dem bläulichen Kraftfeld der KI umhüllt. Ob mittels Magie oder Betäubungsgas, sie alle schliefen selig und bekamen nicht das geringste mit.

Wenn dieser ganze Spuk vorbei war, musste Jake ein ernsthaftes Wörtchen mit seinem Liebsten wechseln. Er war sich nicht ganz sicher, aber diese Massenabfertigung von Menschen via Art Fließband war bestimmt ethisch nicht vertretbar.

Angelockt von den davonfliegenen Menschen gesellten sich nun auch die anderen Vampire zu ihnen. Aus den Gedanken des Rudels wusste Jake, dass auch diese unterwegs waren.

Natürlich bekam es jeder mit, wenn sein Freund so eine Geistershow abzog. Da Isaak nicht ansprechbar war, würde er hinhalten müssen. Na großartig. Das freute ihn ungemein.

Einen Augenblick staunte Charlie Bauklötze, dann wandte er sich rasch ab und murmelte: “Nur das Nötigste.”

Im Hintergrund hörte Jake, wie Edward seiner Familie berichtete was hier vor sich ging. Gut so, dann musste Jake das nicht machen.

Kurz darauf trat Carlisle vor und sah sich das Spektakel genauer an. “Jake, kannst du mir erklären, wie Isaak ihnen ihr Gedächtnis löscht? Ich meine, lässt er die entsprechenden Hirnzellen verkümmern oder isoliert er ganze Bereiche? Und was passiert mit dem Wissen? Verschwindet es oder wird es lediglich unzugänglich gemacht?”

“Keinen Schimmer, Doc”, brummte Jake. Erstens ging das den Blutsauger nichts an, zweitens wollte er das gar nicht so genau wissen.

Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht meinte Rosalie: “Da bekommt der Ausdruck Fast Food eine völlig neue Bedeutung. Man müsste nur zugreifen.” Spielerisch streckte sie eine Hand aus.

Ein schriller Pfeifton erklang. “Warnung, bei jeder körperlichen, wie auch geistigen Beeinträchtigung der Besucher unter meinem Schutz, werde ich umgehend das Gefahrenabwehr-Protokoll aktivieren. Das Individuum Rosalie Cullen gilt hiermit als verwarnt.”

Erschrocken zuckte die Vampirin zusammen. Schnell zog sie ihre Hand zurück, wobei sie kleinlaut stammelte: “Das war doch nur ein Scherz.”

“Ich wurde nicht auf Humor programmiert!”, verkündete die KI vollkommen ernst. “Halten Sie sich in Zukunft mit derlei makaberen Äußerungen zurück.”

Von einem bis zum anderen Ohr feixend warf Jake ihr einen gehässigen Blick zu. Mit dieser Aktion hatte die KI Pluspunkte bei ihm gesammelt.

Mittlerweile waren noch mehr Leute eingetroffen. Während sich Bella zu ihrem Vater gesellte wurde Jake von seinem Rudel umringt.

Schnell erklärte er ihnen, was dieses Schauspiel zu bedeuten hatte. Und anhand ihrer langen Gesichter konnte Jake sehen: Ihnen ging es wie ihm. Was sein Freund da veranstaltete jagte allen eine Heidenangst ein. Nicht wenige fragten sich, ob sie die Nächsten sein würden.

In diesem Augenblick sah Jake John um die Ecke eines der Häuser spähen. Er winkte dem Broker zu.

Sich ruckartig umsehend eilte John auf sie zu. Unschlüssig öffnete er den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Am ganzen Körper zitternd wusste der Mann wohl nicht, was er denken oder tun sollte.

“Keine Angst, John”, begann Jake mit freundlicher Stimme. “Keiner wird dir ein Haar krümmen, darauf hast du mein Wort.”

“Was hast du mit uns vor?”, fragte John bemüht ruhig. Beschleunigter Puls, ein leichtes Zittern in der Stimme, blasse Haut und der saure Geruch in der Luft sagten Jake, dass John fürchterliche Angst hatte.

Wie aber sollte er ihn beruhigen. Vor allem da sein Freund im Sekundentakt die Bewohner von Forks abfertigte. Am besten er kümmerte sich schnell um diese Situation. Zuvor musste er aber noch etwas erledigen.

Jake wandte sich Carlisle zu. “Doc, euer Haus wurde vollständig wiederhergestellt. Ich halte es für das Beste, wenn ihr, Bella und Charlie zu euch geht. Ihr habt bestimmt so einiges zu bereden.”

Alice drängte sich nach vorn. “Was ist mit unseren Besitztümern. Unsere Garderobe zum Beispiel?”

Wie aus der Pistole geschossen mischte sich Rosalie mit ein: “Und die Autos?”

Na die hatten Sorgen. Während Jake genervt mit den Augen rollte beantwortete die KI gelassen: “Sämtliche Gegenstände wurden vollständig wiederhergestellt.”

Stirnrunzelnd fragte Emmett: “Woher weißt du, was wir alles im Haus hatten?”

Die KI gab ein gedehntes Seufzen von sich. “Wächter Isaak hat kurz vor Morgan le Fays Angriff einen detaillierten Scan des gesamten Areals der Olympic Halbinsel, durch das Wetterkontrollobservatorium veranlasst. Anhand dieser Daten habe ich mit meinen Naniten den Zustand vor dem Angriff rekonstruiert. Abweichungen sind nahezu ausgeschlossen.”

“Du bist dir also nicht zu einhundert Prozent sicher, ob alles so ist, wie es war?”, fragte Alice spitz. “Ich werde jedes Kleidungsstück genauestens untersuchen!”

“Und ich die Autos”, meinte Rosalie vollkommen ernst.

Hochmütig erwiderte die KI: “Machen Sie das. Sollten Sie Abweichungen feststellen, was ich stark bezweifle, werde ich mich darum kümmern.”

Daraufhin schossen die beiden Frauen davon.

Jasper und Emmett seufzten synchron auf. Dann jagten sie ihren Frauen hinterher.

In der Zwischenzeit hatten sich die übrigen Vampire um Bella und Charlie gesammelt. Gemeinsam ließen sie sich von der KI zur Aufstiegsplattform bringen. Damit war eine Gruppe schon mal versorgt. Blieben noch die Wölfe.

“Leute, hier gibt es nichts für euch zu tun. Die KI überwacht bis auf weiteres die Umgebung von Forks und La Push, also benötigen wir gerade keine Patrouillen. Geht und macht euch einen schönen Tag. Sobald Isaak hier fertig ist, kommen wir nach New La Push und besprechen unser weiteres Vorgehen.”

Mental wandte er sich an Sam: “Trommel den Ältestenrat zusammen. Sie sollen entscheiden, ob Isaak dem Stamm das Gedächtnis löschen soll.”

Stirnrunzelnd sah Sam auf. Mental fragte er: “Dein Freund lässt dem Rat die Wahl, warum?”

“Unser Stamm ist seit jeher mit der übernatürlichen Welt verbunden. Isaak sieht in dieser Hinsicht keinen Sinn darin einzugreifen. Die Entscheidung lässt er daher dem Ältestenrat. Nimm bitte als mein Stellvertreter an der Besprechung teil. Da dies eine Angelegenheit des Stammes ist, halten sich die Rudel raus. Das ist meine Meinung dazu.”

Stumm nickte Sam. Dann wandte er sich zum Gehen.

Nachdem sich auch die Wölfe zurückgezogen hatten, blieb nur noch John übrig.

“Komm, lass uns zu Vincent und den anderen gehen. Ich würde nur ungern alles mehrmals erklären.”

Er sah es in seinem Gesicht. Johns Angst schlug in Panik um. Wahrscheinlich dachte er, dass Jake ihm oder Vincent etwas antun wollte.

“Keine Sorge. Ich bin immer noch der Alte”, versuchte Jake John zu beruhigen. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Der einzige Unterschied ist, dass du nun mehr weißt als zuvor.”

Offensichtlich nicht überzeugt, aber auch nicht in der Lage sich gegen Jakes Griff zu wehren, schob er John weg von Isaak.

*

Vincent, sowie die Leute vom Bautrupp hatten sich in einem der Gebäude verschanzt. Schon von weitem sah Jake, wie die Gardinen flatterten, als die Menschen ihm nervöse Blicke zu warfen.

Zum Glück machten sie freiwillig die Tür auf. Nicht auszudenken wie die Menschen reagieren würden, wenn er gezwungen gewesen wäre sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen.

In einem etwas altmodisch anmutenden Wohnzimmer saßen sie nun beisammen. Um die Stimmung etwas aufzulockern hatte Jake Tee, Kaffee und Gebäck bei der KI bestellt.

“Bedient euch”, sagte Jake und deutete auf den Tisch zwischen ihnen.

Keiner rührte sich. Die Menschen waren viel zu verängstigt. Stumm vor sich hin zitternd starrten sie Jake an.

Bei jeder kleinen Bewegung seinerseits zuckten sie zusammen. Das waren keine guten Voraussetzungen für ein ernstes Gespräch. Aber das war nun nicht mehr zu ändern.

Bemüht ruhig begann Jake: “Isaak und ich möchten euch ein Angebot unterbreiten: Wenn ihr wollt, lassen wir euch euer Gedächtnis.”

“Was meinst du damit?”, fragte John, während er sich vorlehnte, in dem Versuch Vincent zu beschützen.

Jake faltete die Hände im Schoss. “Es ist so, dass es Vampire, Gestaltwandler und andere Wesen gibt, ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Außer einigen wenigen meines Stammes gibt es meines Wissen nach nur einen einzigen normalen Menschen, der über uns bescheid weiß.”

Jake blinzelte und korrigierte sich: “Ähm … seit heute sind es zwei. Bella und ihr Vater Charlie. Mein Freund ist gerade dabei allen Bewohnern von Forks das Gedächtnis zu löschen. Sie werden sich an nichts erinnern. Weder an die Raketen noch an diesen Ort hier. Die Bewohner von Forks werden einfach normal weiterleben, als ob nie etwas geschehen wäre.”

“Wie ist das möglich?”, stammelte Vincent.

Jake wandte sich ihm zu. “Sagen wir einfach: Isaak ist speziell und kann das. Das Wie müsst ihr nicht wissen. Bitte versteht, das ist eine einmalige Chance. Solltet ihr euch entscheiden euer Gedächtnis zu behalten, dann wird die Welt nicht mehr dieselbe sein.”

Mit piepsiger Stimme fragte Darlyn: “Habt ihr die anderen Menschen auch gefragt?”

“Nein”, gab Jake zu. “Sie hatten keine Wahl. So ist es das Beste. Wissen kann eine Last sein. Daher frage ich euch, was ihr wollt.”

Um seinen Worten den gebührenden Nachdruck zu verleihen, hob er den Zeigefinger. “Damit wir uns recht verstehen. Solltet ihr euch entscheiden euer Gedächtnis zu behalten, dann wird Isaak euch einen Bann auferlegen. Ihr werdet nicht in der Lage sein euer Wissen zu teilen. Reine Vorsichtsmaßnahme.”

“Warum bietet ihr uns das an?”, harkte John nach.

Jake öffnete mit einer einladenden Geste die Hände nach oben. “Weil es für uns einfacher wäre, wenn ihr Bescheid wisst.”

An ihren Gesichtern konnte Jake ablesen, dass die Menschen nicht verstanden, worauf er hinaus wollte. Warum nur musste er dieses schwierige Gespräch führen, sein Freund war eindeutig besser in sowas.

“John”, sprach er den Broker direkt an. “Du hast dich sicher schon immer gefragt, woher Isaak seine Informationen bekommt. Die Antwort ist: Er kann in die Zukunft sehen. Mit allem was du nun weißt, wird es dir leichter Fallen seine Anweisungen auszuführen, auch wenn sie für dich keinen Sinn ergeben.”

Er wandte sich an den Architekten Willhelm Schmidt. “Wenn du weißt, über welche Möglichkeiten und Materialien wir verfügen, kannst du das mit in die Planung der Gebäude einfließen lassen.”

Als nächstes war Christian Blackwood an der Reihe. “Wenn wir offen mit dir reden können, dann kannst du Probleme mit den Behörden frühzeitig erkennen und Maßnahmen dagegen einleiten. Beim Papierkram kann die KI dir dann helfen, was dich bedeutend entlasten würde.”

Mit neutralem Gesichtsausdruck fixierte Jake Frank Stone: “Um ehrlich zu sein, mit der Technik der Wächter, benötigen wir keinen Bauleiter. Daher war ich dagegen dir dieses Angebot zu unterbreiten. Isaak sieht in dir aber Potenzial.”

Jake zuckte mit den Schultern. Wenn es diesem Mann nicht passte, dass er ehrlich war, dann war dem eben so. Er würde ihm keinen Honig ums Maul schmieren.

Seine Augen wanderten weiter zu Darlyn: “Du hast gesehen, zu was dieser Raum fähig ist. Mithilfe des Holoraums kannst du deine Ideen augenblicklich in die Tat umsetzen und sie in Natura von allen Seiten betrachten.”

Als letztens war Vincent an der Reihe. “Ich sage es unverblümt und frei heraus. Dir das Gedächtnis zu lassen erfüllt keinen besonderen Zweck. Du bist mit John zusammen und für uns zu einem Freund geworden. Daher machen wir bei dir eine Ausnahme. Sollte aber John ablehnen, dann wirst auch du alles vergessen.”

Jake breitete die Arme aus. “Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Die Entscheidung liegt nun bei euch. Lebt mit eurem Wissen oder wählt das Vergessen. Ihr habt Zeit bis Sonnenuntergang.”

Mit diesen Worten stand er auf. Er würde ihnen seine Gesellschaft nicht weiter aufzwingen. Nun hieß es warten. Langweilig würde ihm aber nicht werden. Es gab noch so viel zu tun.

La Push’s Zukunft

Jake

Zwei Stunden später fanden sich Jake und Isaak im Dorf New La Push ein. New Forks existierte nicht mehr, die KI hatte es kurzerhand gelöscht. Nur das Haus, in dem John und seine Leute saßen, war noch übrig, wurde aber, damit sie nicht so isoliert waren, an den Waldrand von New La Push verlegt.

Der gesamte Stamm hatte sich auf dem Dorfplatz versammelt. Nachdem Billy verstanden hatte, was los war, hatte er den Ältestenrat davon überzeugt, die Entscheidung dem Stamm selbst zu überlassen. Nun diskutierten sie lautstark über das Vergessen.

Wie Jake es angeordnet hatte, stand Sam beim Rat, beteiligte sich aber nicht an dem Gespräch. Sichtlich erfreut seinen Posten räumen zu können sah Sam auf. Mental sagte er: “Na endlich.”

“Wie ist die Lage”, fragte Jake ihn durch die Verbindung.

“Wir drehen uns schon seit Stunden im Kreis.”

Langsam kam Sam auf ihn und Isaak zu. Durch seine Bewegung wurden sie nun auch von den anderen Dorfbewohnern bemerkt.

Als Sam an ihm vorbeiging murmelte dieser: “Viel Spaß mit dem Kindergarten. Ich bin dann mal weg.” Laut sagte er: “Der wahre Alpha übernimmt nun seinen Platz im Rat. So wie es ihm gebührt.”

Kurz huschte ein freches Grinsen über das Gesicht des zweiten Rudelführers, da machte er sich auch schon vom Acker.

Stumm seufzte Jake. Na großartig. Dafür würde er Sam noch die Ohren langziehen. Oder ihm in den Schweif beißen. Das klang doch nach eine netten Bestrafung.

Ein Raunen ging durch die Menge. Vereinzelt konnte Jake einige Sätze aufschnappen.

“Jacob Black ist der wahre Alpha?”

“Ein schwuler Alpha?”

“Wider die Natur.”

“Abartig.”

“Er wird uns allen das Gedächtnis löschen. Das alles ist doch nur eine Farce!”

Wut jagte durch seine Adern. War sein Schwulsein das einzige was seinen Stamm interessierte? Denen würde er es zeigen. Die Zeiten in denen er sich geduckt hatte waren eindeutig vorbei!

Jake verengte zornig die Augen und öffnete den Mund. Genau in diesem Augenblick schwappte eine Welle von Emotionen zu ihm herüber. Über ihre Verbindung schickte Isaak eine Woge der Gelassenheit, wie auch seine ewige Liebe.

Versteinert blieben Jake die Worte im Hals stecken. Sein Gefährte musste nichts sagen. Die übermittelten Gefühle reichten vollkommen aus. Isaak würde sich nicht einmischen. Ihm keinen Rat erteilen oder auch nur ein Wort von sich geben in dieser Angelegenheit.

Jake verstand augenblicklich: Es war seine Entscheidung. Sein Leben, sein Stamm. Weggeblasen von Isaaks positiven Gefühlen verrauchte Jakes Wut. Nun konnte er wieder klarer denken.

Seit Generationen waren die Quileute gegen alle, die von der Norm abwichen. Sich jetzt hier hinzustellen und sie zurechtzuweisen würde nichts bringen. Die Situation eher verschlimmern.

Indem sich Jake wie ein Tyrann aufführte, würde er ihre Meinung nicht ändern können. Nein. In diesem Fall war es besser die Ruhe zu bewahren.

Er schluckte seinen Zorn hinunter und atmete einmal kräftig durch. Dann hob er die Hände. Langsam kehrte Ruhe ein. Hin und wieder waren noch einzelne Kommentare zu hören, dann wurde es Still. Sie alle hingen an seinen Lippen, auch wenn viele ihm feindselige Blick zuwarfen.

“Seit Generationen beschützt das Rudel den Stamm. Als eure Krieger haben wir im Verborgenen gelebt und alle Feinde beseitigt.

Die Rudel werden euch auch weiterhin beschützen, egal ob ihr von uns wisst oder was ihr von mir haltet. Mit wem ich das Bett teile, geht euch weder etwas an noch gehört es hierher.

Als der wahre Alpha habe ich für beide Rudel entschieden. Im Gegensatz zu euch, lasse ich den Wölfen keine Wahl. Wir werden unser Wissen behalten, nur so können wir auf alle Gefahren für den Stamm reagieren.

Jetzt seid ihr dran. Wählt euer Schicksal selbst. Mehr habe ich nicht zu sagen.”

Was die Partnerinnen der geprägten Wölfe anbelangte, so hatte er das schon vorab geklärt. Emily und Rachel wussten eh schon über alles Bescheid. Da Kim alles wissen wollte, was mit Jared zu tun hatte, war ihre Entscheidung klar gewesen. Alle drei Frauen würden ihr Gedächtnis behalten, egal was jetzt hier entschieden werden würde.

Ungläubige Blicke blitzten Jake entgegen. Viele der Dorfbewohner waren wohl der Meinung, dass er für sie entscheiden würde. In diesem Punkt hatten sie sich getäuscht. So etwas würde er nie machen. Außerdem war er für die Rudel verantwortlich, nicht für den ganzen Stamm. Wofür sonst gab es den Ältestenrat?

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie Isaaks Mundwinkel zuckten. Gleichsam konnte er spüren, dass sein Freund stolz auf ihn war. Nun war es Jake, der sich ein Grinsen verkneifen musste. Wie gerne er nun Isaak einen Kuss geben würde. Eine solche Aktion würde aber Öl ins Feuer gießen, da war er sich sicher.

Isaak trat vor. “Ich weiß, dass ihr schon seit einigen Stunden diskutiert.” Sein Blick schwenkte zu den Ältesten. “Wie lautet eure Entscheidung?”

Billy räusperte sich. “Der Ältestenrat spricht sich einstimmig gegen das Vergessen aus. Diese Entscheidung gilt jedoch nur für uns. Der Stamm soll in einer Mehrheitsabstimmung selbst über sein Schicksal entscheiden.”

Gemeinsam traten die Ältesten einen Schritt vor. Mit einer Stimme sagten sie: “Hände hoch, wer seine Erinnerungen behalten möchte.”

Abermals ging ein Raunen durch die Menge. Die Zeit der Entscheidung war gekommen. Schneller als die Menschen überhaupt ihre Hände heben konnten verkündete Isaak: “69,24 Prozent. Der Stamm der Quileute spricht sich mehrheitlich gegen das Vergessen aus.”

Kurz grinsten sich Jake und sein Freund an. Das lief besser als erwartet. Wenn der Stamm sein Gedächtnis behielt, würde es in Zukunft wesentlich leichter werden. Vor allem die Familie seiner Wölfe wussten nun, was Sache war.

“Gut”, begann Isaak, während er den Blick schweifen ließ. “Der nächste Punkt ist die geplante Modernisierung von La Push. Da es eine enorme Ressourcenverschwendung wäre, alles wieder so aufzubauen wie es war, nur um es dann wieder abzureißen, habe ich bisher mit der Rekonstruktion eurer Häuser gewartet.”

Mit einer Handbewegung ließ Isaak ein Display vor sich erscheinen. Einige Eingaben später erschien etwa drei Meter links von ihnen eine Wand. Rein Optisch sah sie so aus wie eine stink normale Außenwand, wie alle anderen im Dorf. Sie hatte sogar ein Fenster, sowie Abnutzungserscheinungen.

Die Vorhänge auf der anderen Seite des Glases kamen Jake sehr bekannt vor. Er riss die Augen auf. Das war eindeutig die Wand seines Zimmers.

“Ich schlage vor, die bisherigen Außenfassaden beizubehalten. Vielleicht mit einem neuen Anstrich.” Bei diesen Worten grinste Isaak schelmisch. “Jedoch würde ich das Kernmaterial aus einer speziellen Legierung anfertigen.”

Mit der Rechten gab Isaak etwas in die Konsole ein. Plötzlich materialisierte sich ein schwebendes Maschinengewehr vor ihm.

Unbeeindruckt der teils erschrockenen teils ängstlichen Laute der Ureinwohner, nahm sein Freund die Waffe und richtete sie auf die Wand.

Bevor ihn jemand aufhalten konnte, schoss Isaak ein ganzes Magazin ab. Die Kugeln bohrten sich in die Holzfassade, wo sie kleine Löcher hinterließen. Auch die Fensterscheibe wurde getroffen. Entgegen aller Erwartungen hielt das Glas jedoch dem Beschuss stand. Als wäre nie etwas gewesen sah Jake weder einen Riss noch einen Kratzer.

Isaak ließ die Waffe los, welche sich sofort dematerialisierte, und wandte sich geschäftig lächelnd wieder der Menge zu. “Die Fensterscheibe besteht nicht aus Glas, sondern aus einem speziellen transparenten Kristall. Seine spezifische Kristallgitterstruktur macht dieses Material nahezu unzerstörbar.”

Während Isaak redete machte er gleichsam weitere Eingaben. Diesmal erschien ein Raketenwerfer.

“Stopp”, schrie Jake und sprang vor seinen Freund. “Wir haben es verstanden, pack das Ding weg.”

Isaak blinzelte ihn irritiert an. “Bist du dir da sicher? Ich wollte doch nur demonstrieren, wie widerstandsfähig diese Wand ist.”

“Ja, ich bin mir sicher”, schnaubte Jake. Ungehalten schüttelte er den Kopf. Musste sein Liebster es immer übertreiben? Was käme als nächstes, ein Panzer? Eine Kontinentalrakete? Eine Atombombe?

“Hm …”, brummte Isaak nachdenklich. “Denkst du echt, ich sollte das Material gegen den Beschuss einer Atombombe absichern? In dem Fall würde ich transparente Kraftfelder für das Fenster benutzen und für die Wand …”

Isaak verstummte als er Jakes mahnenden Blick sah.

“Schusssicher reicht vollkommen”, bestimmte Jake.

“Sicher?”

“Ja, ganz sicher.” Vehement nickte Jake.

Isaak zuckte mit den Schultern und ließ den Raketenwerfer fallen. Wie zuvor das Maschinengewehr verschwand auch diese Waffe spurlos.

Im Hintergrund hörte Jake das kollektive, erleichterte Seufzen des Stammes. In Zukunft musste er besser auf seinen Freund aufpassen. Normale Menschen zu schockieren war offenbar eine Art Hobby für diesen.

“Gut.” Als wäre nichts gewesen, kehrte Isaak zu seiner Demonstration zurück. Die Wand hob sich vom Boden und drehte sich um 180 grad, so dass alle die Rückseite sehen konnten. Die Innenwand war unversehrt. Keine einzige Kugel hatte sie durchschlagen.

“Entgegen der Fassade, die aus echtem Holz besteht, habe ich als Kernmaterial für die Wand ein spezielle Legierung verwendet. Diese besteht aus …”

“Das interessiert keinen”, sagte Jake eindringlich. “Die Wand sieht so aus wie zuvor, ist aber kugelsicher. Noch was?”

Blinzelnd sammelte Isaak seine Gedanken. Offenbar war es sein Freund nicht gewohnt andauernd unterbrochen zu werden. “Die Wärmeisolierung besteht aus …”

“Bitte, lass gut sein.” Frustriert griff sich Jake ins Gesicht. Er kam wohl nicht umhin das selbst in die Hand zu nehmen. Durch ihre Verbindung wusste Jake alles über diese Wand. Viel mehr als er wissen wollte.

Für die anderen fasste er zusammen: “Die Wand sieht so aus, wie zuvor, ist aber besser. Sie ist kugelsicher, sowie wärme- und schallisoliert. Bei der Herstellung entstehen keine Abfälle und die Natur wird nicht beeinträchtigt. Kurzum, sie bietet nur Vorteile. Ihr werdet gar nicht merken, dass sie anders ist.”

Dabei verpasste er seinem Freund mental einen kleinen Stupser. Liebevoll erklärte Jake durch ihre Verbindung: “So wird das gemacht. Normale Menschen interessieren sich nicht für jedes kleine Detail.”

“Erstaunlich”, sagte auf einmal eine weibliche Stimme.

Jake sah sich um. Neben der Wand standen John, Vincent und alle vom Bautrupp. Gesprochen hatte Darlyn. Sie und Frank waren näher getreten und untersuchten die Wand fachmännisch.

“Und das hier soll kein Glas sein? Ich erkenne da keinen Unterschied”, murmelte Frank vor sich hin, während der mit den Knöcheln gegen die Scheibe klopfte.

“Darf ich fragen, was ihr hier wollt?”, fragte Jake überrascht. Mit weiteren Zuschauern hatte er nicht gerechnet.

Blinzelnd sah Darlyn auf. Bis eben dachte er, sie hätte ihre Angst überwunden, nun aber sah er wie sich ihre Augen erschrocken weiteten.

“Entschuldigung, wir wollten nicht stören.” Leicht zitternd wich sie vor ihm zurück. In diesem Moment trat John vor und erklärte: “Wir haben Schüsse gehört und wollten nachsehen, was los ist.”

Unbewusst nickte Jake. Klar, bei dem Lärm, den sein Freund veranstaltet hatte, waren die Menschen neugierig geworden.

Mit freundlicher Stimmer erhob Isaak das Wort: “Wenn ihr wollt, erkläre ich euch alles. Vorausgesetzt ihr habt euch bereits entschieden. Wenn ihr alles wieder vergesst, wäre das ja verschwendete Zeit.”

Jake sah genau wie John einmal tief durchatmete, um sich selbst Mut zuzusprechen. Dann sagte der Broker: “Ich behalte mein Gedächtnis.”

Vincent schnaubte im Hintergrund. Als alle Augen sich auf ihn richteten, sackte er minimal zusammen und duckte sich ein wenig hinter John. Kleinlaut stammelte er: “Ich hasse es, wenn mein Mann, mir etwas verheimlicht. Aus diesem Grund möchte ich nichts vergessen.”

Damit hatten diese beiden schon mal eine Entscheidung getroffen.

Jake wandte sich an Christian. “Was ist mit dir?”

Der Architekt zuckte entsetzlich zusammen. Dann griff er sich an den Kopf und begann sich die Haare zu raufen. “Das ist alles zu viel für mich. Ich will nichts mehr wissen. Und ich will euch nie wieder sehen. Lasst mich bloß in Ruhe. Bitte, lasst mich gehen. Ich flehe euch an. Ich-”

Mitten im Wort begann Christian zu schwanken. Seine Augen fielen ihm zu. Im nächsten Moment lag er auch schon schlafend auf dem Boden.

“Schatz, würdest du das bitte sein lassen. Mit solchen Aktionen machst du den Leuten eine Heidenangst”, fuhr Jake seinen Freund leise an. Dieser hörte ihn gar nicht. Isaak war schon dabei Christian das Gedächtnis zu löschen.

Murrend verschloss Jake sich ein wenig vor dem Gedankenstrom seines Geliebten. Mittlerweile hatte er verstanden, warum sein Freund am Morgen so schlecht drauf war.

Um das Gedächtnis einer Person zu löschen, musste Isaak sich alles genau ansehen. Jeden Gedanken erfassen und bewerten. Privatsphäre gab es dabei nicht. Eine zermürbende und vor allem anstrengende Tätigkeit.

Keine Sekunde später flog der Mann eingehüllt von einer blauen Barriere davon. Isaak sah zu John, der wiederum mit offenem Mund Christian hinterher sah.

“John, sorg bitte dafür, dass er eine ordentliche Abfindung bekommt. Christian denkt nun, dass er aus persönlichen Gründen gekündigt hat. In Anbetracht seiner Worte, halte ich es so für das Beste.”

“Alles klar, Boss.” Johns früher vor Loyalität strotzende Stimme zitterte. Innerlich seufzte Jake. An so etwas würde sich der Broker nun gewöhnen müssen. Wenn man mit Isaak zu tun hatte, musste man auf alles gefasst sein.

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie sich sein Freund an Willhelm wandte. “Du hast dich ebenfalls entschieden, nicht wahr. Ich sehe es in deinen Augen. Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst. Ich verstehe das. Die übernatürliche Welt ist nicht für jeden geeignet.”

Stotternd fragte Willhelm: “Wird es weh tun?”

“Nein. Sei unbesorgt. Du wirst friedlich einschlafen und wenn du aufwachst, wirst du alles hier vergessen haben. Möchtest du ebenfalls Entlassen werden?”

“Nein, bitte nicht. Ich brauche diesen Job”, flehte Willhelm.

“Hm …”, brummte Isaak nachdenklich. “Deine Tochter ist schwer krank. Du brauchst das Geld für ihre Behandlung.”

Entsetzt riss Willhelm die Augen auf. “Woher weißt du das?”

“Ich bin bereits in deinem Kopf und bereite das Löschen der Gedächtnis-Engramme vor”, offenbarte Isaak mit neutraler Stimme. Plötzlich klatsche er die Hände zusammen.

Jake war einer der wenigen der nicht zusammenzuckte. Er musste wirklich dringend mal mit Isaak reden. Allerdings glaubte er nicht, dass es viel bringen würde. So war sein durchgedrehter Lover eben.

“Wie wäre es mit diesem Vorschlag: Du kündigst von dir aus und ich heile deine Tochter. So musst du mich nie wieder sehen. Natürlich steht dir wie Christian eine ordentliche Abfindung zu.”

Verständnislos klappen so einigen der Mund auf. Jake konnte nur den Kopf schütteln. Klar, natürlich. Wenn man kündigt, bekommt man als Abschiedsgeschenk eine Wunderheilung. So etwas war doch vollkommen normal. Was dachte sich sein Freund nur bei solchen Aktionen?

Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffnete und schloss Willhelm den Mund mehrmals. Dann fing er sich wieder. “Das kannst du? Du kannst meine Tochter retten? Die Ärzte sagten mir, ihre Krankheit sei unheilbar.”

Isaak nickte gutmütig. “Um eine definitive Aussage zu treffen, müsste ich sie untersuchen. Sollte sich aber das Wissen in deinem Kopf mit der Realität decken, dann wäre ich in der Lage sie vollständig zu heilen.”

Tränen sammelten sich in Willhelms Augen. Dann warf er sich vor Isaak auf den Boden. “Bitte, ich flehe dich an. Rette meine Tochter. Ich tue alles dafür. Selbst mein Leben würde ich dir geben.”

Entsetzt wich Isaak eine Schritt zurück. Verständnislos sagte er: “So war das aber nicht gemeint. Ich will dein Leben nicht.”

Schnell mischte sich Jake ein. “Steh auf, Willhelm. Du bringst meinen Freund ganz durcheinander.”

Ohne den Kopf zu heben jammerte Willhelm: “Rettet meine Tochter und ich werde Euch dienen. Ich werde alles tun, was immer Ihr gebietet. Von nun an werde ich Euch als meinen Herren, nein, was sage ich da, als meinen Gott verehren.”

Ungläubig blinzelte Jake. Das war jetzt schon ein wenig übertrieben. Wobei, wenn er darüber nachdachte. Die Magie, sowie die Technologie der Wächter musste auf Normalsterbliche wohl sehr überwältigend, wenn nicht sogar göttlich wirken.

“Nenn mich nochmal einen Gott und ich lösche dein Gedächtnis auf der Stelle”, fuhr Isaak ihn scharf an. “Wir bleiben beim du. Wage es ja nicht mich zu verehren.”

Verständnislos sah Willhelm auf.

Wie nur hatte sich das zu so einer bizarren Situation entwickeln können? Schnell dachte Jake nach und entschied einzugreifen.

Frech grinsend klopfte er seinem Freund auf die Schulter. “Ich war mit einem Gott im Bett. Das können wohl nicht viele behaupten.”

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck murrte Isaak: “Komm schon, lass den Unsinn. Allein die Vorstellung angebetet zu werden lässt mich erschaudern.” Wie zur Bestätigung seiner Worte schüttelte er sich.

Plötzlich sackte Willhelm zusammen.

“Was ist mit ihm?”, fragte John besorgt.

“Er schläft, während ich sein Gedächtnis lösche”, meinte Isaak ernst.

“Ist das nicht ein wenig übertrieben. Er hätte auch für uns arbeiten können”, warf Jake in die Runde.

Erbost fuhr sein Freund herum. “Ich habe einen Blick in die Zukunft geworfen. Entgegen meiner Worte hätte Willhelm eine Religion gegründet. Mit mir als Gott! Ein derartiges Verhalten kann ich nicht tolerieren.”

Empört stemmte Isaak die Hände in die Hüften. “Ich bin ein Wächter, kein Gott.”

“Naja”, murmelte Jake. “Deine Macht ist schon vergleichbar mit der eines Gottes.”

“Jaaake!”

“Bin ja schon ruhig.” Schnell versuchte Jake sich mit einem frechen Grinsen aus der Affäre zu ziehen. Um vom Thema abzulenken fragte er rasch: “Was wird aus seiner Tochter?”

Isaaks zog eine Augenbraue nach oben. “Ich halte immer mein Wort. Willhelm vergisst alles, bekommt eine Abfindung und ich heile seine Tochter. So war der Deal.”

Sollte ein Deal nicht beiden Parteien einen Vorteil verschaffen? Am besten war es wohl, wenn Jake einfach die Klappe hielt. Die Situation war schon seltsam genug.

Während Willhelm davonflog, richtete sich Isaaks Blick auf Darlyn. “Was ist mit dir?”

Mit piepsiger Stimme sagte sie: “Ich würde dein Angebot gerne annehmen.”

Scharf wurde sie von seinem Freund gemustert. “Du gedenkst aber nicht mich anzubeten, oder?”

“Nein, nein. Nicht im geringsten.” Vehement schüttelte Darlyn den Kopf.

“Gut”, seufzte Isaak und beruhigte sich wieder. “Dann soll es so sein.”

Bei diesen Worten musste sich Jake auf die Unterlippe beißen. Ohne es zu wollen verhielt sich Isaak wie ein göttliches Wesen. Vielleicht nicht unbedingt ein Gott, aber wie wäre es mit einem Engel?

Für diesen Gedanken bekam Jake einen bösen Blick von seinem Freund geschenkt. Schnell fing er sich wieder. Am besten er ließ fürs erste diese Thema fallen.

Als letzter war Frank an der Reihe. Nach dem ganzen auf und ab war Jake gespannt wie dieser sich entschieden hatte.

“Ich bin noch unentschlossen”, meinte Frank und zuckte mit den Schultern. “Die Frist ist ja noch nicht vorrüber und ich habe noch etwas Zeit.”

“Einverstanden”, sagte Isaak. “Kommen wir nun zurück zur Modernisierung von La Push. Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne bleiben und mithelfen.”

Anschließend entstand eine gewaltige Diskussion, bei der Jake auf Durchzug stellte. Weder das Gefälle vom Rohrleitungssystem noch der Energiekoeffizient der Häuser interessierten ihn.

So schien es auch vereinzelten Stammesbewohnern zu gehen. Bei all den fachlichen Diskussionen stiegen nur noch wenige durch, sodass sich die Gruppe langsam verkleinerte.

Am liebsten hätte Jake sich ebenfalls abgeseilt. Doch sein Freund machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem er ihn genau im Auge behielt. So war Jake gezwungen sich das ganze Gebrabbel anzuhören.

Anfangs war Darlyn noch schüchtern, fand aber schnell ihren Mut wieder und mischte dann ordentlich mit. Auch Frank war begeistert über die Möglichkeiten der Wächter.

Ein Diagramm folgte dem nächsten, während die anderen nicht müde wurden alles bis ins kleinste Detail zu besprechen. Dank dem Holoraum, konnten sie auch jeden Vorschlag direkt darstellen und ihn aus allen Winkeln betrachten.

Innerlich konnte Jake nur noch jammern: Womit hatte er das nur verdient?

Gedankenkonstrukte

Isaak

Bis spät in die Nacht hinein dauerte die Diskussion an. Am Ende hatten sich alle geeinigt.

Fasziniert über die Technologie der Wächter hatte Frank sich schlussendlich entschieden sein Gedächtnis zu behalten. Er und Darlyn begaben sich nach La Push, um sich selbst einen Überblick über die Bauarbeiten zu machen.

Zur Verschleierung hatte Isaak einen weitläufigen Zauber um das Dorf gelegt. Dieser sollte normale Menschen davon abhalten die Bauarbeiten zu stören.

Für die KI wäre es kein Problem gewesen alle geplanten Bauvorhaben umzusetzen, aber Isaak hatte sich dagegen entschieden. Zum einen hatte er keine Lust darauf über längere Zeit einen Zauber über ein solch großes Areal aufrecht zu erhalten, zum anderen würde das weitere Konsequenzen nach sich ziehen.

Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Behörden misstrauisch geworden wären. Wenn die KI alles baute, benötigten sie weder Arbeiter noch Geld. Beide Punkte stellten ein Problem dar.

Aus diesem Grund wurde entschieden lediglich die zerstörten Gebäude, sowie die unterirdischen Schächte inklusive der Rohrleitungen und Kabel von der KI bauen zu lassen. Für alle anderen Arbeiten würden sie, wie es ursprünglich geplant war, diverse Baufirmen beauftragen. Angefangen mit dem Ausbau der Straße.

Somit würde Isaak nur wenig eingreifen müssen und konnte den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. Willhelms und Christians Stellen wurden nicht wieder besetzt. Im Hintergrund regelte die KI ihre Aufgaben.

Um keinen Verdacht zu erregen, fingierten die KI zwei Personen, die nur telefonisch erreichbar waren. Das Gehalt dieser beiden würde dann über Umwege an eine neu gegründete Hilfsorganisationen weitergeleitet werden.

Damit waren kurz vor Mitternacht alle Ziele erreicht.

*

Jake neben ihm gähnte ungeniert.

“Du kannst ruhig schlafen gehen, wenn du müde bist.” Auch wenn dieser Vorschlag abgelehnt werden würde, so wollte Isaak es wenigstens versuchen.

“Nein”, erklang Jakes Antwort sogleich. Er streckte sich und fügte hinzu: “Ich habe keine Lust alleine zu schlafen.”

Aus seinen Gedanken erfuhr Isaak, dass sein Gefährte entgegen seiner Erschöpfung neugierig war. Immerhin befanden sie sich auf dem Weg zu Morgan le Fay, um diese zu verhören.

“Wie du willst. Aber beschwer dich später bitte nicht. Ich kann noch nicht abschätzen, wie lange das Gespräch dauern wird.”

Nachdem dieser Punkt geklärt war, widmete sich Isaak dem Display vor sich. Während der Diskussion mit den Quileuten, hatte er eine medizinische Drohne zu Willhelms Tochter geschickt. Diese befand sich im Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, Manhattan, New York. Ein Lehrkrankenhaus für angehende Neurologen.

Nachdenklich murmelte Isaak vor sich hin: “Ich kann verstehen, warum die Menschen mit diesen Symptomen nicht klarkommen.”

“Was meinst du?”, fragte Jake, der ebenfalls einen Blick auf den Monitor warf. “Ganz ehlich. Ich verstehe kein einziges Wort und das obwohl es in Englisch geschrieben ist. Zumindest glaube ich, dass das da Englisch ist.”

“Teilweise. Die Fremdwörter stammen aus dem Latein.”

“Ok”, sagte Jake gedehnt und wandte sich ab. “Was ist nun mit ihr?”

“Um es einfach auszudrücken, sie hat sich einen einzelligen Parasiten zugezogen. Der Organismus frisst sich in den Hirnstamm, um sich zu vermehren. Die Ärzte haben die Anzeichen wohl missinterpretiert und suchen an der falschen Stelle.”

Jake neben ihm erschauderte. “Kannst du etwas gegen diesen Parasiten unternehmen?”

“Selbstverständlich. Sobald die DNA-Analyse der Parasiten vorliegt, wird die medizinische Drohne dem Mädchen einen Impfstoff verabreichen, der das Problem beseitigen wird. Sie wird wieder vollständig gesund werden.”

“Das heißt, wir müssen nicht nach New York?”, fragte Jake gähnend nach.

“Nein. Das kann die Drohne allein erledigen. Meine Anwesenheit ist nicht erforderlich.” Mit einer Handbewegung ließ Isaak das Display verschwinden.

Er hob den Blick. Genau in diesem Augenblick flogen sie von oben in die Hauptröhre des Forschungsareals. Hier unten, am Ende der Welt hielt Isaak drei Gefangene. Die menschliche Magiern Morgan le Fay, einen Werwolf und einen Schatten.

Ein Großteil seiner Aufmerksamkeit richtete er auf das bevorstehende Verhör, während er gleichzeitig diverse andere Dinge im Auge behielt. Er wachte über die Menschen, die die Regierung nach Forks entsandt hatte. Auch behielt er die Nachrichtensender, sowie die Stimmung in Forks im Blick.

Ein anderer Teil seines Denkens überwachte die Aufbauarbeiten in La Push und die Gedankenströme aus den Rudeln. Besondere Aufmerksamkeit galt natürlich seinem Gefährten. Isaak hielt immer dessen Vitalwerte, Emotionen und Gedankenmuster im Blick.

Innerlich seufzte Isaak. Vor einigen Monaten noch war seine Welt wesentlich einfacher gewesen. Der Großteil seiner Aufmerksamkeit lag damals bei der Überwachung der Zukunft. Nun aber musste er erstmal die Gegenwart in den Griff bekommen, bevor er sich wieder der Zukunft widmen konnte.

Allerdings bedauerte er nichts. Ohne Morganas Eingreifen hätten Jake und er sich niemals getroffen. Sein Gefährte hatte ihm mehr geschenkt als diesem bewusst war. Ohne Jake hätte Isaak sich nie mit seiner Vergangenheit beschäftigt. Seine Gefühle wären auf ewig verschüttet geblieben.

Einsam und allein wäre er über die Erde gewandelt. Unbewusst auf der Suche nach etwas, was er nicht begreifen konnte.

Mit Jake an seiner Seite hatte sich alles geändert. Isaak beschützte die Welt nicht länger, weil es seine Bestimmung war, sondern weil Jake in ihr lebte. Etwas was er sich niemals im Traum hätte ausmalen können.

Allein schon, dass er über solche Dinge nachdachte, war ein deutliches Zeichen, wie sehr er sich durch Jake schon verändert hatte.

Sie wurden langsamer und hielten vor einer undurchsichtigen roten Barriere an. Isaaks Unterbewusstsein nahm keine Bedrohung war, dennoch konzentrierte er augenblicklich den größten Teil seines Denkens auf die Magierin. Was auch immer geschehen würde, diese Person durfte keinesfalls entkommen.

Zum wiederholten Male prüfte Isaak die Schutzzauber um sich und Jake, sowie die Bannrunen um die Magiern. Nicht das geringste Bisschen durfte er dem Zufall überlassen, dafür war diese Angelegenheit viel zu wichtig.

“Dieses Schutzschild sieht anders aus als die übrigen”, meinte Jake neben ihm.

“Das stimmt. Morgana stellt ein gewaltiges Sicherheitsrisiko dar. Deshalb wurde dieser Bereich mit besonders starken Kraftfeldern versehen. Über dreißig Prozent des gesamten Energiebedarfs des Unterwasserpostens wird für diese Barrieren verwendet.”

Gequält lachte Jake neben ihm auf. “Wenn es um eine Bedrohung allen Lebens geht, machst du echt keine halben Sachen.”

So ganz konnte Isaak diese Aussage nicht verstehen. War das ein Tadel oder ein Lob? Für den Moment würde er diese Worte so stehen lassen. Es gab Wichtigeres zu tun.

Isaak hob eine Hand und legte diese auf das Schaltpult neben der Barriere. Dann sagte er in der Sprache der Wächter: “KI, öffne dieses Areal.”

Nebenbei bekam er mit, wie Jake verdrießlich mit den Augen rollte. Offenbar missfiel es seinem Partner, wenn er in der Sprache der Wächter redete und Jake nichts verstehen konnte.

“Verzeih mir, aber diese Vorsichtsmaßnahmen müssen sein”, versuchte Isaak seinen Gefährten zu besänftigen.

“Ja, ja”, brummte Jake und schüttelte den Kopf. “Lass uns das schnell hinter uns bringen.”

Die Barriere öffnete sich und gab die Sicht frei. Sie schwebten vor einem kleinen schmucklosen Raum. Wände, Boden und Decke bestanden aus einer magieabweisenden Metalllegierung. Die gräuliche Oberfläche des Metalls verlieh dem kleinen Raum eine sterile, beklemmende Atmosphäre. An einer Wand war eine metallische Toilette angebracht, daneben ein Waschbecken mit Spiegel. Außerdem befand sich hier ein unbequem aussehendes Metallgestell-Bett. Ein passendes Ambiente für eine Gefängniszelle.

Mitten im Raum war Morgan le Fay auf einer Metallliege aufgebahrt. Dicke Metallfesseln hielten sie an Armen, Beinen, dem Brustkorb und am Hals gefesselt.

Jake neben ihm erschauderte. “Im Gegensatz hierzu, ist die Zelle im Polizeirevier in Forks ja kuschelig eingerichtet. Ich hatte mir ehrlich gesagt etwas anderes vorgestellt.”

“Das ist nur provisorisch. Hinter der Rückwand erstreckt sich ein viel größeres Areal. Die KI ist aber noch dabei die Wände mit magieabweisendem Metall zu überziehen. Diese Arbeit wird noch ein paar Tage andauern.”

Während Isaak erklärte trat Jake vor. “Schläft sie noch immer?”

“Ja”, bestätigte Isaak. “Selbst mit allen Schutzmaßnahmen stellt sie eine Gefahr dar. Deshalb hat die KI sie unter Narkose gehalten. Bevor ich es gestatten kann, ihre Fesseln zu lösen, muss ich einige Banne über sie legen.”

Ohne weiter auf seinen Gefährten zu achten, machte sich Isaak an die Arbeit. Die Zauber zu weben würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Je schneller er damit anfing, desto eher konnte er mit dem Verhör beginnen.

Anfangs leistete Jake ihm in seinem Kopf Gesellschaft, jedoch war abzusehen, dass sein Freund nicht lange würde durchhalten können. Nach knapp einer Viertelstunde hatte sich Jake auf das Bett geschmissen. Kurz darauf war er eingedöst.

Nun da sein Gefährte schlief, konnte sich Isaak vollends auf seine Aufgabe konzentrieren. Mit seiner Magie wob er einige Schutzzauber. Allem voran wollte er verhindern, dass Morgana ihre Kräfte überhaupt einsetzen konnte. Isaak erschuf eine mehrschichtige mentale Barriere in Morganas Geist, der sie von ihrer Magie abschnitt.

Selbst wenn sie es wider erwartend schaffen sollte diese zu überwinden, würden weitere Zauber sie daran hindern mit ihrer Magie Materie oder den Geist von Lebewesen in ihrer Umgebung zu beeinflussen.

Sinnbildlich gesprochen wickelte er Morgan le Fay in einen straff anliegenden magischen Kokon ein. All sein Wissen zog er dafür zu Rate. Unter keinen Umständen durfte diese Frau jemals entkommen.

Nach über einer Stunde war er fertig. Seine Magie war fast vollkommen aufgebraucht. Inständig hoffte er, dass dieses Konstrukt reichen würde.

“Wölfchen”, sagte er mit sanfter Stimme.

Ein dumpfes Gemurmel ging von seinem eingekugelten Gefährten aus. Liebevoll legte er ihm eine Hand auf die Schulter und rüttelte ihn leicht.

Plötzlich riss Jake die Augen auf. Sein Blick war gehetzt und wachsam. Wie ein wildes Tier suchte er nach einer Gefahr. Die wunderschönen dunkelbraunen Augen fixierten ihn. Fasziniert beobachtete Isaak wie sich die Erkenntnis in ihnen widerspiegelte. Sein Gefährte hatte ihn erkannt. Augenblicklich entspannte sich Jake.

“Wassen los?”, brabbelte er vor sich hin.

“Ich bin fertig mit meinen Zaubern und wollte nun mit dem Verhör beginnen. Wenn du lieber schlafen willst, dann lasse ich dich von der KI in unser Zimmer bringen.”

“Nein”, bestimmte Jake und stemmte sich in eine aufrecht sitzende Position. Die Arme über den Kopf gesteckt sagte er: “Tut mir Leid, dass ich eingeschlafen bin. Ich wollte nur kurz mal die Augen schließen.” Jake tätschelte das Laken neben sich. “Diese Matraze ist echt verdammt bequem. Das hatte ich nicht erwartet.”

“Ich bin doch kein Unmensch”, antwortete Isaak beleidigt. “Auch wenn Morgana meine Gefangene ist, wird es ihr an nichts Mangeln, außer ihrer Freiheit. Diese hat sie mit ihrem Verhalten verspielt.”

“Schon gut”, meinte Jake und sprang auf die Füße. “Lass uns anfangen, damit wir endlich fertig werden.”

Nebeneinander stellten sie sich vor der Liege auf. Mit einer Handbewegung gab Isaak der KI ein Zeichen. Daraufhin änderte sich die Position der Liege. Sie richtete sich auf, damit sie mit der Magiern auf Augenhöhe reden konnten.

“KI, weck sie auf”, befahl Isaak.

Hinter ihnen, so wusste er, baute sich das Kraftfeld wieder auf. Dieses war die letzte Sicherheitsbarriere, die Morgana an einer Flucht hindern sollte.

Aus dem Boden fuhr ein flexibler Metallarm empor. An seiner Spitze befand sich eine hauchdünne Nadel.

Jake neben ihm erschauderte und griff unbewusst nach seiner Hand. Mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht verschränkte Isaak ihre Finger, während die KI der Magiern die Nadel in den Hals stieß.

Keine Sekunde später verschwand der Arm wieder im Boden. Von Jake unbemerkt öffneten sich ein kleines Loch in der Decke. Im Fall der Fälle würde dieser Raum Morganas Grab werden. Die KI konnte diesen Raum jederzeit mit einem tödlichen Erreger fluten. Abgestimmt auf die DNA der Magierin wäre das ihr unausweichliches Ende.

Weitere Sekunden vergingen. Auf einmal bewegte sie sich. Begleitet von einem dumpfen Stöhnen schlug Morgana die Augen auf.

Orientierungslos ließ sie einen Augenblick lang den Blick schweifen. Als sie ihre beiden Wärter erkannte verengte sie die Augen und verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse.

“Sei gewiss, es ist noch nicht vorbei”, fauchte sie aufgebracht.

Isaak seufzte. “Sei vernünftig, Morgana. Du bist meine Gefangene. Der einzige Weg hier raus ist der Tod.”

Ruckartig sah sie sich abermals um. “Welches Gräuel ihr mir auch zufügen vermögt, mein Wille ist stark.”

Nachdenklich betrachtete Isaak sie. Ihr Geist war wirklich sehr widerspenstig. In ihren Kopf einzudringen barg so einige Gefahren. Inständig hoffte er nicht so weit gehen zu müssen.

“Morgana”, sprach er sie an. Kurz wartete Isaak bis sie ihn wieder ansah. “Was hast du mit den Werwölfen angestellt? Welche Zauber hast du eingesetzt?”

Hochmütig grinste sie ihn an. “Einer meiner Sklaven hat überlebt. Ich danke, für diese Auskunft.”

Isaak seufzte laut. Durch die Fragen beim Verhör gab man unwissentlich Informationen preis. Daher sah er keinen Sinn es abzustreiten.

“Ja, ich habe einen der Werwölfe gerettet. Jedoch war es mir bisher nicht möglich ihn zurückzuverwandeln. Sein Leben ist wichtig für die Zukunft, deshalb bitte ich dich, mir zu verraten, was du getan hast.”

Er sah es in ihren Augen. Kalt und emotionslos sah sie ihn an. Morgana würde ihr Wissen niemals freiwillig teilen. Da war er sich sicher.

Sie rümpfte die Nase und konterte: “Deine ach so kostbare Zukunft ist nicht die meine. Niemals werde ich dir helfen.”

Es musste sein. Mental sagte er zu Jake: “Schließe die Verbindung zu mir. Ich werde in ihren Verstand eindringen. Es wird zu einem Kampf Wille gegen Wille kommen. Auf keinen Fall darf sie in deinen Geist eindringen. Du hättest keine Chance gegen sie.”

Unwirsch knirschte Jake mit den Zähnen, nickte aber. Plötzlich schottete sein Gefährte sich vor Isaak ab. “Danke”, sagte er rasch, dann wandte er sich mit seiner vollen Konzentration Morgana zu.

In ihren Geist einzudringen war einfach. Dort aber an die gewünschten Informationen zu gelangen eine gänzlich andere Angelegenheit.

Morgana, die mittlerweile erkannt hatte, was er plante, ließ ihn widerstandslos in ihren Kopf. Dort standen sie sich gegenüber.

Um sie her befand sich ein dunkler, von Fackeln erleuchteter Korridor. Unzählige Türen gingen von diesem ab. Hinter einer davon musste das liegen, was er suchte, jedoch würde es Morgana ihm nicht leicht machen.

Gehässig lachte die Magierin. “Deine Torheit erheitert mich. Meine Macht hast du versiegelt, doch mein Wille ist stark. Dies soll auf ewig dein Gefängnis sein.”

Morgana löste sich in Rauch auf. “Wie du mir, so ich dir.”

Bei diesen Worten spürte Isaak, wie die Magiern in seinen Geist eindrang. Eine solche Verbindung war keine Einbahnstraße. Jedoch war er vorbereitet. Morgana würde es schwer haben an seine Erinnerungen zu gelangen.

Dieses geistige Duell war ein dreischneidiges Schwert. Mit Geschick konnte er Morgana das Wissen entreißen, nach dem er suchte. Doch öffnete er ihr somit die Türen zu seinem Verstand. Vordringlich würde Morgana versuchen herauszufinden, mit welchen Zaubern er sie belegt hatte, um diese dann aufzulösen.

Auch barg dieses Unterfangen das Risiko, sich im Geist des anderen zu verlieren. Sollte Isaak den Weg zurück nicht mehr finden, wäre er hier gefangen.

Im Vorfeld hatte er seine Erinnerungen zu einem Labyrinth angeordnet. Multiple mentale Barrieren würden ihr das vorankommen erschweren. Wahllos mal stärker mal schwächer.

In seinem Leben war er schon in unzähligen Köpfen gewesen. Dieses Wissen machte er sich nun zu nutze. Mit dieser Finte hoffte er sie eine Weile zu beschäftigen.

Isaak wandte sich der ersten Tür zu seiner linken zu. Hinter dieser befand sich ein mittelalterlicher Thronsaal. Er achtete nicht auf die kunstvoll verzierten Wandteppiche und den Prunk um sich her. Sein Fokus lag auf drei Personen in diesem Raum.

In der Mitte kniete ein schäbiger Jüngling, ein Schwert auf den ausgestreckten Händen empor haltend. Arthur, bevor er zum König von Britannien wurde.

Weit hinten im Saal standen Morgan le Fay und ihr Schützling Merlin. Stille Beobachter.

Schnurstracks betrat Isaak den Thronsaal und eilte auf Arthur zu. Ohne auf die sich um ihn herum abspielende Szene aus Morganas Vergangenheit zu achten, hob er eine Hand über die Waffe. Volltreffer. Wie er es erwartete hatte, war dies das sagenumwobene Schwert Excalibur.

Isaak grinste heimtückisch. Damit hatte Morgana ihren ersten Fehler begangen. Sie schien diese Erinnerung als wertlos zu erachten. Doch hatte sie ihm ausversehen ein wichtiges Fragment gegeben.

Excalibur wurde von Morgana erschaffen, dass wusste Isaak. Außer ihm war nur sie dazu in der Lage so etwas zu vollbringen. Alles hatte sie damals so arrangiert, dass die Geschichte sich nach ihrem Willen entwickelte.

Anstelle selbst nach der Krone zu greifen, gewährte sie ihrem Zögling Arthur diesen Traum. Damals wollte Morgana nur das Beste für das Land und wählte für sich eine Rolle im Hintergrund, bei der sie, gemeinsam mit ihrem Schüler Merlin, die Fäden ziehen konnte.

Isaak analysierte die Magie der Klinge und merkte sich das Muster der Zauber. Anschließend kehrte er dieser Erinnerung den Rücken zu und begab sich zurück in den dunklen Korridor.

Er sandte seinen Geist aus und suchte nach dem soeben erhaltenen magischen Muster. Ohne große Mühen fand er eine weitere Tür.

Als er die Hand nach der Klinge ausgestreckte erbebte der Korridor. Morganas Geist war in Aufruhr. Offenbar ärgerte sie sich. Erheitert über diesen Umstand konnte sich Isaak ein diebisches Grinsen nicht verkneifen.

Im Gegensatz zu Morgana, die ihre Erinnerungen hinter Türen verborgen hielt, ein eher schlichtes Gedankenkonstrukt, hatte Isaak sich etwas besonderes einfallen lassen.

Morgana befand sich auf einer weitläufigen Wiese. Überall um sie herum, so weit das Auge reichte, standen unterschiedlich aussehende Vogelbecken. Jedes davon enthielt die gesamten Erinnerungen eines Menschen. Um genau zu sein waren es die Leben der Personen aus Forks.

Das war einer der Gründe warum Isaak am Morgen so schlecht gelaunt war. In Vorbereitung auf diesen geistigen Kampf hatte er seine Gedankenwelt neu strukturiert und mit den Gedächtnissen der Leute gefüttert.

Das Perfide daran war, dass Isaak die Gedächtnis-Engramme ohne jegliche Abspaltungen so aufbewahrte. Wo hinter jeder Tür normalerweise nur eine Erinnerung lagerte, befand sich bei ihm in einer Vogeltränke ein ganzes Leben.

In dem Augenblick in dem Morgana die Barriere über dem Wasser durchbrach, prasselte das gesamte Leben von Angela Weber, einer Schulfreundin von Bella, auf sie ein.

Insgeheim wünschte Isaak der Magierin viel Spaß bei Angelas noch frischen Erinnerungen, mit all ihren Sorgen und Problemen des Schulalltages.

Es würde wohl noch einige Zeit dauern, bis Morgana die richtige Vogeltränke finden würde. Denn nur eine, der über dreitausend, führe zu Isaaks Erinnerungen. Ober besser gesagt auf das nächste Level seines Gedankenkonstrukts.

Auf der 2. Ebene erwartete die Magierin eine endlose Wüste. Jedes einzelne Sandkorn dort, war eine Erinnerung. Keine einzige von Isaak selbst. Dort hatte er alles Wissen, dass er in den letzten zweieinhalbtausend Jahren aus den Köpfen der Menschen gezogen hatte, visualisiert.

Sobald Morgana ein Sandkorn berührte musste sie sich die Erinnerung darin ansehen. Ein wenig unfair war das Ganze schon, aber notwendig. Immerhin war das hier kein Spiel zum Zeitvertreib, sondern bitterer Ernst.

Isaak öffnete die Tür vor sich. Dort saß Arthur auf einem prächtigen Pferd, umringt von seinen Rittern. Mit seiner rechten hielt er Excalibur in die Höhe. Das war wohl seine Ansprache vor einer großen Schlacht. Nicht das, was Isaak suchte.

Als Nächstes fand er die Szene, in der Morgana Arthur das Schwert gab. Beziehungsweise sie ihn Excalibur aus einem Stein ziehen ließ.

Das war schon nahe dran aber noch immer nicht das Gewünschte.

Isaak verfeinerte seine Sinne und suchte nach einer noch älteren Erinnerung. Dann fand er die richtige Tür. In einer kleinen Waldhütte stand Morgana vor einem Tisch. Darauf lag ein Schwert. Es war Excalibur bevor es verzaubert wurde und einen Namen bekam. Genau nach dieser Szene hatte er gesucht.

Bedächtig trat er ein und sah Morgana zu, wie sie ihre Zauber wob. Ihre Gefühle, ihre Konzentration und ihre Magie, das alles stellte für Isaak das nächste Fragment dar.

Mit diesem Wissen im Gepäck startete er seine Suche neu. Diesmal schloß er alle Erinnerungen aus, in denen keine Magie angewendet wurde, sowie alle in denen Excalibur oder Arthur vorkamen.

Mithilfe dieses Ausschlussverfahrens konnte er die Anzahl der Türen erheblich reduzieren. Er öffnete mehrere Türen bis er vor einer stutzte. Diesmal war ihm eine mentale Barriere im Weg. Ein schwacher Versuch Isaak von dem Inneren fernzuhalten. Gewaltsam durchbrach er diese, indem er seinen Geist wie die Klinge eines Messers hindurch stieß.

Hinter der Tür war eine Erinnerung neuerem Datums. Wie er es sich gedacht hatte, bemaß Morgana ihrem alten Leben keine Bedeutung mehr bei. Sie hatte nur die Gedanken geschützt, die in der nahen Vergangenheit lagen. Ein schwerer Fehler.

Wenn Isaak sie hätte zerstören wollen, hätte er schon genügend Pulver zur Verfügung gehabt. Ein wenig hier, ein wenig da die Erinnerungen umschreiben und schon wäre Morgana nicht mehr dieselbe.

Es ließ sich leider nur nicht genau bestimmen, wie sich das Ändern einer Erinnerung auf den Charakter einer Person auswirken würde. Daher entschied sich Isaak dafür, es sein zu lassen. Sein Ziel waren Informationen, nicht Morganas Psyche zu zerstören.

Morgana stand an in dieser Erinnerung vor einigen Männern in Uniformen. Im Hintergrund des kleinen Raumes befanden sich einige Tische mit Monitoren, Tastaturen und Knöpfen. Anhand des Aussehens der Soldaten, der Architektur und den Schriftzeichen im Raum zu schließen befanden sie sich in einem chinesischen Militärstützpunkt.

Durch Isaaks übermenschlichem Wahrnehmungsvermögen bemerkte er sofort, dass Morgana in die Köpfe der Soldaten eindrang und sie ihrem Willen unterwarf. Das musste kurz vor dem Raketenangriff auf ihr Flugzeug gewesen sein. Genau nach so etwas hatte Isaak gesucht. Vielleicht bekam er hier das letzte Puzzlestück, das ihm noch fehlte.

Zum zweiten Mal erbebte Morganas Verstand, die in seinem eigenen von unendlich vielen fremden Erinnerungen überflutet wurde. Sie hatte das Gedächtnis einer Bibliothekarin erwischt. Die Frau war ein echter Bücherwurm und würde der Magierin so einiges über Literatur beibringen.

Isaak konzentrierte sich wieder auf die Szene vor seinen Augen. Dabei achtete er genau auf Morganas Gefühle. Nachdem sie die Menschen verhext hatte, präparierte sie die Raketen. Wut schlug Isaak entgegen. Nicht das was er suchte. Er wartete und sah zu wie, die Menschen die Raketen abschussbereit machten.

Dann, ein kurzer Augenblick bevor Morgana den Feuerbefehl erteilte, loderte der Hass in ihr auf. Sie knirschte mit den Zähnen und murmelte: “Das Ende ist Nahe, Wächter.”

Treffer. Genau danach hatte Isaak gesucht. Aus dieser Erinnerung extrahierte er Morganas Hass auf ihn. Gemeinsam mit allem anderen hatte er nun alles, was er für sein Vorhaben benötigte.

Er wechselte in seinen eigenen Verstand und materialisierte sich vor Morgana. “Ich hoffe, die vielen Gedichte haben dir gefallen.” Dabei konnte er sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Sie wurde in diesem Moment von zahlreichen schnulzigen, amateurhaften Liebesgedichten eines verliebten Teenagers überschüttet.

“Schweig”, schrie sie ihn an. Mühsam unterdrückte sie ihren Zorn. Dann grinste sie gehässig. “Deine Suche war ebenso erfolglos bisher.”

Isaak runzelte die Stirn. “Das liegt im Auge des Betrachters. Ich habe alle Fragmente, die ich benötige, um an das Wissen zu gelangen, dass ich suche. Diese Prozedur wird dir aber nicht gefallen, das verspreche ich dir. Daher fordere ich dich ein letztes Mal auf, kooperiere. Hilf mir deine Fehler ungeschehen zu machen. Oder ich zwinge dich dein Wissen preis zu geben.”

“Glaubst du, Narr, ich falle auf dich herein? Niemals wirst du finden, was du suchst.” Übergeschnappt lachte sie ihn aus.

“Wie du willst. Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt”, sagte Isaak niedergeschlagen. Er musste es tun, andernfalls würde das hier noch ewig dauern.

So schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Angekommen in Morganas Geist sammelte er seine ganze Konzentration. Er hatte keine Wahl. Es führte kein Weg daran vorbei. Unwissentlich hatte Morgana ihm Zugang zu ihren Emotionen gegeben. Ein verhängnisvoller Fehler.

Mit seinem geballten Willen zwang er Morganas vorhandenes Gedankenkonstrukt sich zu verändern. Nun sah er von oben herab auf den deckenlosen Korridor mit den unzähligen Türen zu ihren Erinnungsfragmenten.

Gestärkt mit dem Wissen, wie sie Magie anwendete, ihrem Hass auf ihn und der Komplexität ihrer Konzentration, befand er sich nun auf einer höheren Ebene ihrer Gedankenwelt.

Ihre mentalen Barrieren würden sie nicht länger schützen. Sein Geist war wie Wasser. Er selbst war das Wasser. Es begann zu regnen. Nein, er war der Regen. Wie Gift tropfte sein Verstand von oben herab auf Morganas Gedankenkonstrukt, sickerte durch die Decken, hinein in jede Erinnerung. Auf diesem Weg umging er sämtliche Barrieren und Blockaden. Nun hatte er uneingeschränkten Zugang zu all ihren Erinnerungen auf einmal.

Sogleich begann er mit seiner Arbeit. Mit jedem assimilierten Gedanken wurde er stärker. Nicht mehr lange, dann würde er ihr sämtliche Geheimnisse entrissen haben.

Plötzlich bebte der Boden. Nein, die gesamte Welt bebte.

Etwas stimmte hier nicht. In den Wänden der Räume unter ihm erschienen Risse. Die Mauern bröckeln und stürzten in sich zusammen. Gedanken und Erinnerungen vermischten sich. Wurden eins und stürzten ins Nichts. Eine unendliche Schwärze breitete sich wie eine Flut über Morganas Gedankenwelt aus.

Panik erfasste Isaaks Herz. Was hier geschah, war nicht richtig. So sollte das nicht sein. So durfte es nicht sein!

Er musste sofort hier raus. Was auch immer hier vor sich ging, es durfte sich nicht auf sein Gedankenkonstrukt übertragen.

Das Letzte das er sah waren zwei rote Augen in der Finsternis, die ihn voller Heimtücke anstarrten. Dann wurde alles Dunkel.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Jake

Ungehalten stapfte er ziellos auf und ab. Warum zum Teufel war er überhaupt mitgekommen? Unter dem Begriff Verhör hatte er sich etwas anderes vorgestellt. Er dachte an ein hitziges Gespräch. Vielleicht sogar Folter. Aber immerhin etwas, bei dem er nicht außen vor gelassen werden würde.

Ein geistiger Kampf Wille gegen Wille. Hätter er das gewusst, wäre er bestimmt nicht mitgekommen. Jake blieb stehen und seufzte frustriert. Nein, wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann hätte selbst das ihn nicht abgehalten.

Ohne seinen Geliebten schlafen zu gehen kam für ihn einfach nicht in Frage. Viel zu sehr sehnte er sich nach Isaaks Nähe.

Ja, er war vorhin eingeschlafen, aber das zählte nicht. Jedenfalls nicht wirklich. Isaak war keine drei Meter von ihm entfernt. Er war bei ihm, also konnte Jake sich entspannen. Besser aber wäre es, wenn er seinen Freund in den Armen gehalten hätte. Vorzugsweise ohne störenden Stoff zwischen ihnen. Genau das wollte er.

Er hob den Blick und sah zu seinem Liebsten hinüber. Seitdem das geistige Duell begonnen hatte waren nun schon mehrere Minuten vergangen. Hin und wieder zuckte einer der Beiden. Ansonsten war es ruhig. Zu ruhig.

Sein Magen rumorte, aber nicht wegen Hunger. Das Ganze gefiel ihm nicht. Er konnte nicht so recht verstehen, was sein Freund da gerade trieb, dennoch beschlich ihn ein ungutes Gefühl.

Aus heiterem Himmel begann Morgana zu schreien. Erstarrt vor Schreck sah Jake zu ihr. Was war den jetzt los? Wie wild zappelte die Magierin. Sie kämpfte gegen ihre Fesseln, die kein Stück nachgaben.

Sie schien unerträgliche Schmerzen zu haben. Da stimmte etwas nicht. Isaak würde doch niemals auf Folter zurückgreifen. So war sein Liebster nicht.

Morgana zuckte und zappelte so wild umher, dass sie sich die Haut aufriss. Blut quoll hervor. Lief über ihren Körper, tränkte ihr Kleid und tropfte zu Boden.

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie Isaak sich bewegte. Er taumelte und stürzte zu Boden. Ohne nachzudenken griff Jake ein. Zog seinen Freund an sich und federte den Sturz mit seinem Körper ab.

Panik schlug Jake durch ihre Verbindung entgegen. Er konnte spüren, wie sein Gesicht an Farbe verlor. Wenn etwas seinen Freund in Panik versetzen konnte, dann war hier etwas außerordentlich Gefährliches im Gange.

Bevor er sich aber weitere Gedanken um das Was machen konnte, sackte Morgana in sich zusammen. Leblos hing sie in ihren Fesseln, gab keinen Mucks mehr von sich.

Im gleichen Augenblick schlug Isaak die Augen auf. Unfokussiert rollte sein Blick umher, während er wild um sich schlug. Dabei bekam Jake eine gepfefferte Ohrfeige verpasst. Erst danach schaffte er es die Arme seines Freundes einzufangen.

“Isaak, ich bin es. Beruhige dich.” Seine Worte schienen ihn zu erreichen. Sein Geliebter blinzelte und sah Jake direkt in die Augen. Stumm formten Isaaks Lippen: “Wölfchen.”

“Ja.” Erleichtert Atmete Jake auf. “Ich bins, dein Wölfchen.”

“Jake”, hauchte Isaak.

Mit einem Mal riss sich sein Freund los und warf sich ihm um den Hals. Während Isaak sich an seine Brust drückte, konnte Jake ihn schluchzen hören. Was immer hier los war, es hatte seinen Freund vollkommen aus der Bahn geworfen.

Beruhigend streichelte Jake ihm den Rücken. “Alles wird gut. Ich bin bei dir.” Was sonst sollte er sagen? Er wusste ja nicht mal, was überhaupt los war.

Nachdem sich Isaak etwas beruhigt hatte fragte er: “Was ist passiert?”

“Ich weiß es nicht”, sagte Isaak gedämpft an seiner Brust. “Ich verstehe es nicht.”

“Am besten du ruhst dich etwas aus. KI, bring uns in unser Zimmer.”

“KI, Befehl aufgehoben.” Isaak hob den Kopf. “Warte bitte noch einen Moment.”

Mit Jakes Hilfe rappelte sich sein Freund auf. Isaak stand da, atmete noch immer schwer und hatte die Augen geschlossen. Was immer auch geschehen war, es war ein einschneidendes Erlebnis. Jake konnte nur hoffen, dass es keine Narben hinterlassen würde.

Dann sah Jake, wie Isaak nickte. Sein Liebster öffnete die Augen und sah zu Morgana. “KI, Lebenszeichen?”

“Negativ. Die Magierin Morgan le Fay ist tot.”

Wütend fuhr Isaak die KI an: “Warum hast du keine lebenserhaltenden Maßnahmen eingeleitet?”

“Verzeihen Sie, Wächter Isaak, aber das hätte nichts gebracht. Meinen Daten zufolge verstarb die Magierin an multiplem Organversagen. Von einem auf den anderen Moment haben alle Zellen ihres Körpers die Funktion eingestellt. Lebenserhaltende Maßnahmen waren somit obsolet.”

“Was zum Teufel ist denn passiert?”, fragte Jake, während er sich ungläubig schüttelte.

“Ich weiß es nicht,” wiederholte Isaak. Nachdenklich begann er im Kreis zu laufen. “In dem Augenblick, in dem ich uneingeschränkten Zugang zu ihren Erinnerungen hatte, fiel ihre Gedankenwelt in sich zusammen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich bezweifle, dass sie sich selbst so etwas angetan hat.”

Diese Informationen ließen Jake erschaudern. Das alles klang sehr gespenstisch. Wenn Morgana nicht selbst dafür verantwortlich gewesen war, wer dann? Für ihn klang das sehr nach einer Art Sicherungssystem. Etwas was verhindern sollte, dass sein Freund an alle Informationen gelangte. Ein Zauber vielleicht?

Unvermittelt blieb Isaak stehen. Ruckartig drehte er den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Pures Entsetzen stand seinem Freundes ins Gesicht geschrieben.

Atemlos stammelte Isaak: “Ein Zauber?”

Schnell winkte Jake ab. “War nur eine fixe Idee. Was weiß ich schon.”

“Ein Zauber”, echote Isaak. “Was, wenn es ein Blutschwur war? Das würde ihren Tod erklären.”

“Bitte?” Was sollte das denn jetzt? War seine Idee doch nicht so falsch gewesen? Aber was sollte das auch ändern. Morgana war tot und würde es auch bleiben.

“Was das ändert?”, fragte Isaak mit weit aufgerissenen Augen. “Das ändert alles. So langsam ergibt sich ein Bild, das mir gar nicht gefällt. Mich beschleicht ein sehr ungutes Gefühl.”

Jake sah wie Isaak beide Hände zu Morgana ausstrecke. Hochkonzentriert schloss sein Freund die Augen. “Du hattest wirklich recht, es war ein Zauber. Ich kann Reste von Magie spüren. Die Struktur des Zaubers hat eine gewisse Ähnlichkeit mit unserem Blutschwur.”

Jakes rechtes Auge zuckte. Das gefiel ihm gar nicht. Vor allem zuzusehen, wie Isaak unruhig durch den Raum tigerte, machte auch ihn nervös.

Leise murmelte sein Freund dabei: “Erst spricht Morgana von einem ominösen ER. Und dann stirbt sie durch einen Blutschwur, bevor ich in der Lage war mir ihr Wissen anzueignen. Ich muss eingreifen. Ich muss das Leben beschützen.”

Krampfhaft zwang Jake seine Emotionen nieder. Wenn Isaak gerade nicht in der Lage war, klar zu sehen, dann musste er die Stimme der Vernunft sein.

Beherzt trat er vor und fing seinen Freund ein. Während er ihm sanft über den Rücken streichelte sagte Jake: “Beruhige dich.”

“Ich muss handeln. Ich muss etwas unternehmen.”

“Und was? Isaak, bitte beruhige dich. Es ist mitten in der Nacht.” Noch während er sprach, wusste er, dass seine Worte keinen Effekt haben würden. Dann eben anders, entschied Jake. “Schatz, ist gerade alles Leben in Gefahr?”

“Ja, deshalb muss ich …”

Er ließ seinen Geliebten nicht aussprechen und unterbrach ihn rabiat: “Ich meine jetzt. Genau in diesem Augenblick?”

Verdattert hob Isaak den Blick. “Ich glaube nicht. Nein.”

“Dann hat das Ganze auch Zeit bis morgen. Am besten wir gehen jetzt schlafen. Und morgen sieht die Welt schon anders aus.” Zwar glaube selbst Jake nicht ganz seinen Worten, jedoch musste er sich jetzt um seinen Freund kümmern. Das war für ihn gerade das Wichtigste auf der Welt.

Sein Geliebter entspannte sich ein wenig in seinen Armen.

“Vielleicht hast du Recht. KI, leg ein Stasisfeld um Morganas Körper und bring uns in unser Zimmer.”

Dass Isaak so einfach nachgab, offenbarte Jake, wie erschöpft sein Freund war. Selbst für einen Wächter war der heutige Tag wohl sehr anstrengend gewesen.

Jake biss sich auf die Unterlippe. Er hätte es früher bemerken müssen und eingreifen sollen. In Zukunft musste er eindeutig besser auf seinen Liebsten achten. Dieser verrückte Wächter würde sich sonst noch zu Tode arbeiten.

Erheitert aber auch erschöpft lachte Isaak in seinen Armen. “So schlimm steht es jetzt auch wieder nicht um mich.”

“Du hast Sendepause. In Zukunft werde ich entscheiden, wann du eine Ruhepause einlegst. Und du wirst dich brav daran halten.”

“Hey”, beschwerte sich Isaak.

“Nichts da, hey. Du hast dich zu sehr verausgabt und benötigst Ruhe.”

Isaak seufzte laut auf. “Vielleicht hast du Recht.”

Vehement nickte Jake. Natürlich hatte er Recht. Seine Aufgabe als Freund war es, über den körperlichen wie geistigen Zustand seines Liebsten zu wachen. Diese Aufgabe nahm er sehr ernst.

*

Wie so oft hatte Jake seinen Liebsten in eine enge Umarmung gezogen. Während Isaak schnell ins Reich der Träume eingetaucht war, konnte Jake keinen Schlaf finden. Viel zu viel schwirrte ihm durch den Kopf.

Einerseits wachte er über seinen Freund, damit dieser sich auch wirklich ausruhte, andererseits saß ihm noch der Schreck des Verhörs in den Knochen.

Wie hatte alles nur so schnell ausufern können? Wer war dieser ER? Welche Bedrohung stellte ER dar? Unzählige Fragen schossen ihm endlos im Kopf herum.

Mitleidig seufzte er, darauf bedacht so leise wie möglich zu sein. Keinesfalls wollte er Isaak aufwecken.

Bisher war Morgana ihr Erzfeind gewesen. Immer ging es nur um sie. Nachdem die KI die Magierin eingefangen hatte, glaubte Jake, es sei nun vorbei. Dass sie von jetzt an in Ruhe würden leben können.

Er hatte damit gerechnet, dass Isaak noch ein paar Wochen mit den Aufräumarbeiten beschäftigt sein würde, sie aber dann endlich gemeinsam in Frieden leben konnten. War es denn zu viel verlangt ein normales Leben, ohne diesen ganzen Stress zu führen? Würden sie auf ewig immer weiter kämpfen müssen?

Nach allem was geschehen war, der Veränderung seines Körpers, sein Erwachen als der wahre Alpha des Rudels und mit Isaak an seiner Seite, konnte er die Vampire nicht länger als eine ernst zu nehmende Bedrohung ansehen.

Für ihn waren sie nur noch lästig. Wie Fliegen, die er mit einer Hand zerquetschen konnte, wenn sie ihn zu sehr ärgerten.

Seit Monaten, lange bevor Isaak in sein Leben getreten war, stand sein Leben Kopf. Um genau zu sein, seitdem er sich zum ersten Mal verwandelt hatte. War es ein Segen oder ein Fluch? Hatte er denn kein Anrecht auf sein Glück?

Im Schlaf murmelte Isaak undeutlich etwas vor sich hin.

Jake vergrub sein Gesicht in den Haaren seines Liebsten und streichelte ihm beruhigend über den Bauch. Seine Gedanken waren vollkommen unnötig. Er hatte sein Glück doch schon gefunden. Es lag hier, genau vor ihm, in seinen Armen. Mit Isaak an seiner Seite würde er alles überstehen.

Seine Gedanken kamen langsam zur Ruhe. Der Geruch seines Liebsten, sowie dessen gleichmäßige Atemzüge hatten offenbar eine beruhigende Wirkung auf Jake. Ohne es sich bewusst zu sein, schmuste er sich noch stärker an seinen Freund und glitt sanft in einen erholsamen Schlaf.

*

Etwas stimmte nicht, das war sein erster Gedanke als er aufwachte. Im Halbschlaf drängte er sich gegen seinen Liebsten. Seltsam, Isaak fühlte sich anders an.

Jake riss die Augen auf. In seinen Armen befand sich eine zerwühlte Decke. Von seinem Freund fehlte jede Spur. Hastig richtete er sich auf und sah sich um. Wo war Isaak hin? Warum hatte sein Liebster ihn allein gelassen? War etwas vorgefallen?

“Beruhige dich, Wölfchen”, sprach sein Freund ihn mental an. “Ich musste nur mal kurz ins Bad. Anschließend bin ich in die Küche, um dir einen Kaffee zu holen. Ich dachte, ich schaffe es zurück, bevor du aufwachst.”

Jake blinzelte. Weder in Isaaks Stimme noch seinen Emotionen konnte er ein Anzeichen für Gefahr wahrnehmen. Das beruhigte ihn ungemein. Etwas irritierte ihn aber. Von dem Panikanfall seines Liebsten war nichts mehr zu spüren.

Mental hörte er Isaaks Stimme: “Entschuldige bitte, dass ich dir Angst gemacht habe. Hautnah mitzuerleben, wie Morganas Geist in sich zusammenbrach, hat mich die Fassung verlieren lassen. Nach einer genaueren Analyse der Situation bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Lass uns diese Angelegenheit vergessen und uns lieber einen schönen Tag machen.”

In diesem Augenblick öffnete sich die Zimmertür. Bewaffnet mit einer überdimensionierten Tasse trat Isaak herein.

“Kaffee”, brummte Jake träge. Nun da sich seine Aufregung legte, alles war in Ordnung, schlug seine Müdichkeit erbarmungslos zu. Für ihn war die Nacht recht kurz gewesen.

Sofort wurde ihm die Tasse gereicht, an der sich Jake festkrallen konnte. Bevor er aber einen Schluck nahm, zog er seinen Liebsten zu sich und beschlagnahmte dessen Lippen mit den seinen. Ein Guten-Morgen-Kuss musste schon sein. Vor allem da er keinen Gute-Nacht-Kuss bekommen hatte.

Schade nur, dass Isaak schon angezogen war. Viel zu gerne würde er den Kaffee durch seinen nackten Freund eintauschen.

“Dafür haben wir später noch genug Zeit”, meinte Isaak mit einem fetten Schmunzeln im Gesicht. Von der Panik der letzten Nacht war nichts mehr zu sehen.

“Ach ja?”, fragte Jake, nachdem er sich einen Schluck Muntermacher genehmigt hatte. “Was steht denn heute schon wieder an?”

“Nicht viel. Das verspreche ich dir. Heute machen wir uns einen ruhigen Tag.”

Das zu hören gefiel Jake sehr. Isaak kletterte auf das Bett und setzte sich hinter ihn. Als sein Freund die Arme um ihn legte, moserte Jake leise: “Na großartig. Seit wann wurde ich zum kleinen Löffel degradiert?”

Er konnte spüren, wie sein Freund hinter ihm lachte. “Als ob dir das missfallen würde. Sieh es als Dankeschön, weil du mich heute morgen zur Besinnung gebracht hast.”

Sanfte Küsse deckten Jakes Nacken ein, während ihm besinnlich der Bauch gestreichelt wurde.

Daran könnte er sich durchaus gewöhnen. Sie waren gleichberechtigt in ihrer Beziehung. Keiner von ihnen musste stetig den Starken spielen. Sie konnten sich abwechseln. So gefiel ihm das. Jake war sich nur nicht ganz sicher, ob er schon bereit war das in der Öffentlichkeit zu machen. Allgemein sollte er sich vor seinem Stamm keine Blöße geben, solange sich die Wogen nicht geglättet hatten.

“Geht es dir besser?”, fragte Jake, wobei er unbewusst die Muskeln anspannte. So aufgelöst wie am Morgen wollte er seinen Liebsten nicht mehr sehen.

“Ja, dank dir”, flüstere Isaak ihm ins Ohr, bevor er begann daran zu knabbern.

Leise stöhnte Jake auf. “Wenn du so weitermachst, garantiere ich für nichts.”

“Später. Zuerst muss ich mich noch um den Werwolf kümmern.”

Das ließ Jake hellhörig werden. “Du weißt, was Morgana mit ihm angestellt hat?”

“Ja.” Betreten seufzte Isaak hinter ihm. “Mittlerweile habe ich alles Wissen von Morgana, dessen ich habhaft werden konnte, ausgewertet. Einige Dinge liegen zwar noch im Dunkeln, aber im Großen und Ganzen weiß ich nun alles.”

Interessiert fragte Jake nach: “Das heißt, du kannst den Werwolf, wieder zu einem Menschen machen?”

“Ja, darum werde ich mich gleich kümmern. Aber keine Sorge, nun da ich weiß welche Zauber Morgana benutzt hat, wird das nicht lange dauern.”

Nachdenklich legte Jake den Kopf in den Nacken. Das war ein Fehler, denn Isaak nutzte diese Gelegenheit schamlos aus, um seinen Hals zu liebkosen. Küssen, leckend und knabbernd lenkte sein Freund ihn mächtig ab. Nur mit viel Mühe schaffte Jake es seine Gedanken beisammen zu halten. Unzählige ungeklärte Fragen schossen ihm in den Sinn.

“Wie hat Morgana überlebt? Du sagtest doch, sie sei vor einigen Jahrhunderten gestorben.”

Ohne von seinem Hals abzulassen erklärte Isaak mental: “Diese Frage kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann blieb sie in einer Zwischenwelt stecken. Einer Welt zwischen dem, was allgemein Diesseits und Jenseits genannt wird. Man könnte es auch als eine andere Dimension bezeichnen.

Wie dem auch sei. Morgana steckte dort fest. Auf ewig gefangen zwischen Leben und Tod. Wie sie es geschafft hat sich zu befreien ist mir ein Rätsel. Ich vermute es hat etwas mit diesem ominösen ER zu tun. Was ich dir sagen kann ist, nach ihrer Rückkehr war ihr Ziel mich zu vernichten.”

“Du weißt nicht zufällig den Grund für ihren Hass auf dich?”

Jake konnte spüren, wie sein Freund leicht den Kopf schüttelte. “Nein. Soweit ich mich erinnere, habe ich ihr nie etwas angetan. Ich denke, dass sie manipuliert wurde. Doch von wem, das kann ich dir nicht sagen.”

Ein Punkt nach dem anderen. Jake hatte noch viele weitere Fragen. Chronologisch gesehen kam wohl als nächstes: “Und wie hat sie Zugang zur KI bekommen?”

Isaaks Kopf sackte auf seine Schulter. “Das war meine Schuld. Ich habe nicht aufgepasst. Nie im Leben hatte ich damit gerechnet abgehört zu werden. Von wem denn auch? Keiner wusste von mir.”

Ein lautes bedeutungsschweres Seufzen drang in Jakes rechtes Ohr. “Erinnerst du dich an die Datumstabell meiner Zugriffe, im Haus der Cullens? Am 02.06.2000 um 19:27 Uhr hatte ich eine Abfrage nach Legenden in der Umgebung gestartet. Morgana war mir da schon auf den Fersen. Sie hat mitbekommen, wie ich mich mit der KI verbunden habe. Mithilfe ihrer Magie hat sie den Kontrollcode gestohlen und meine Stimme imitiert. Somit erhielt sie uneingeschränkten Zugang zur KI.

Mit dem Wissen der Bibliothek war es ihr ein Leichtes meine Bewegungen im Auge zu behalten. So erfuhr sie auch von meinem Plan den magischen Quell der Quileute anzuzapfen.

Morgana kam mir zuvor und stellte mir eine Falle.”

Freudlos lachte Isaak auf. “Weißt du, ich bin dir zu Dank verpflichtet. Hättest du dich damals nicht eingemischt, dann wäre ich sicher gestorben. Ich habe nicht bemerkt, dass der Quell manipuliert war.”

Irritiert harkte Jake nach: “Ich verstehe nicht, was du meinst. Was habe ich denn getan?”

“Du hast dich auf mich geprägt und mir somit das Leben gerettet. Morganas Plan sah vor, den Quell zu sprengen und mich gleich mit. Aber durch dein Erscheinen hast du ausversehen meine Konzentration gestört. Ihr Zauber schlug fehl und löste bei dir die Prägung aus. Wäre das nicht passiert, wäre ich gestorben.”

Fassungslos starrte Jake die Decke an. Wenn er darüber nachdachte, wie knapp das damals war, sackte ihm das Herz in die Hose. Er verstand selbst nicht, warum er sich am Anfang so vehement gegen Isaak und seine Prägung auf ihn gewehrt hatte. Aus seiner jetzigen Perspektive hätte ihm nichts besseres passieren können.

Vor seinem geistigen Auge sah und hörte er sich selbst stammeln: “Ich bin nicht schwul.” Schmunzelnd schüttelte Jake den Kopf. Wie hatte er nur so engstirnig sein können?

Zum Glück war Morganas Plan gescheitert. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn Isaak nicht da gewesen wäre um sie aufzuhalten. Von seinen Gefühlen für den Mann seiner Träume ganz zu schweigen. Niemals wollte er Isaak gehen lassen, dafür liebte er ihn viel zu sehr.

Einen Moment lang legte sich ein betretenes Schweigen über sie. Von dem Tag seiner Prägung auf Isaak hatte er alles weitere am eigenen Leib mitbekommen. Mit dem fehlenden Wissen der Vergangenheit und seinen Erlebnissen in der Gegenwart wanderten seine Gedanken in Richtung Zukunft.

Er kuschelte sich an den warmen Körper hinter ihm. “Was machen wir jetzt? Wie geht es weiter?”

Ungläubig hörte Jake Isaak lachen. Sein ganzer Körper hüpfte auf und ab wegen seinem durchgedrehten Lover.

“Als Erstes werde ich den Werwolf zurückverwandeln und dann machen wir uns einen schönen Tag. Die meisten Aufräumarbeiten sind bereits erledigt. Um den Rest kümmert sich die KI. Soweit es mich betrifft können wir beide uns ruhig eine Auszeit nehmen und einfach unser gemeinsames Leben genießen.”

Das klang zu schön um wahr zu sein. Jedoch wurde Jakes Freude gedämpft. Es gab da noch einen weiteren Punkt, der ihm Sorgen bereitete. Auch wenn er die Stimmung damit kaputt machen würde, er musste es einfach fragen: “Was ist mit diesem ER?”

Isaak hinter ihm wurde auf einen Schlag ruhig. Verdammt. Wütend auf sich selbst malträtierte er seine Unterlippe mit den Zähnen. Er hätte doch besser die Klappe gehalten.

Plötzlich schoss eine Hand vor und befreite Jakes Unterlippe von ihrer Geißel. Sanft fuhren die Finger seines Freundes über diese Stelle.

“Du hast nichts getan, wofür du dich selbst bestrafen müsstest”, wurde ihm in sein rechtes Ohr gehaucht.

“Was diesen ER betrifft -” Unvermittelt verstummte Isaak. Ein langgezogenes Seufzen erklang, während sein Freund die Hand sinken ließ.

Angespannt hielt Jake den Atem an. Innerlich machte er sich auf alles gefasst. Eine weitere Katastrophe stand ins Haus.

Ein Stupser gegen seine Nase unterbrach Jakes Gedankenspirale. “Dummes Wölfchen. Du brauchst keine Angst zu haben.” Isaak lehnte sich zurück und zog Jake mit sich.

Unglaublich liebevoll streichelte sein Freund ihm den Bauch während er preisgab: “Alle Anzeichen sprechen dafür, dass es jemanden oder etwas gibt, das die Fäden im Hintergrund gezogen hat. Ob wir jemals die ganze Wahrheit erfahren werden, ist fraglich.

Ich weiß nicht, wer dieser ER ist, noch ob es eine solche Person überhaupt je gegeben hat. Das alles könnte auch das Hirngespinst eines dem Wahnsinn verfallenen Geistes sein.

Alles was wir glauben zu wissen, sind lediglich Vermutungen. Es lohnt sich nicht in Angst vor etwas zu leben, das eventuell existiert oder eben nicht.

Versteh mich bitte richtig. Ich werde die Augen offen halten und versuchen dem auf den Grund zu gehen. Aber ich bin der Wächter. Meine Aufgabe ist es das Leben zu beschützen. Aktuell sehe ich keine Bedrohungen innerhalb der nächsten Jahre.

Daher schlage ich vor, lass uns einfach gemeinsam leben und sehen, was die Zukunft für uns bereit hält. Sollte dieser ER sich zeigen, dann werden wir ihn gemeinsam bekämpfen. Bis dahin möchte ich mein Leben mit dem Mann verbringen, dem mein Herz gehört.”

Beherzt drehte Isaak Jakes Kopf zur Seite, schon bekam er einen gefühlvollen Kuss geschenkt. Nur zu gerne ging Jake darauf ein.

Sein Liebster hatte so Recht. Lebe im Augenblick, nicht in der Zukunft.

Wobei sein Freund ja beides tat. Aber das war schon in Ordnung. Isaak war eben jemand ganz besonderes.

Einkaufsbummel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Geschenke

Jake

Schon am nächsten Tag kehrte allmählich Ruhe ein. Rein optisch hatte sich La Push nicht verändert. Das Dorf sah wieder so aus, wie vor Morganas Angriff. Jeder Baum, jeder Stein, einfach alles, befand sich an genau der richtigen Stelle.

Nur wussten die Leute mehr als zuvor. Anfangs machten alle einen großen Bogen um die Mitglieder der Rudel. Man konnte ja nie wissen, wann sie die Beherrschung verlieren würden.

In diesem Punkt hatte Jake vorgesorgt. Um die Akzeptanz für die Rudel zu verbessern, ordnete er an, dass alle sich von ihrer besten Seite zeigen sollten.

Die Angst vor den Wölfen legte sich rasch. Alle Quileute waren mit den Mythen und Legenden ihres Stammes aufgewachsen und die Gestaldwandler gehörten eben zu ihrem Erbe.

Leider gab es aber viel Getuschel, bei einem anderen Thema. Da die Quileute nichts gegen die beiden Schwulenpärchen in ihrer Mitte unternehmen konnten, zeigten sie ihr Missfallen, in dem sie abfällig hinter vorgehaltener Hand redeten. Wohl wissend, dass die Wölfe mit ihren verbesserten Sinnen alles mitbekamen.

Während Embry sich die ersten Tage möglichst rar machte, stolzierte Jake Hand in Hand mit Isaak umher.

Wenn Jake an die Zeit kurz nach seiner Prägung dachte, war das bisschen Gerede doch ein Klacks. Die Rudel standen geschlossen hinter ihm. Selbst Paul wagte es kein einziges Mal ihn anzugehen. Allein das war schon ein Grund zum Jubeln. Womöglich hatte aber auch seine Schwester da ihre Finger mit im Spiel, immerhin hielt sie Paul an der kurzen Leine.

Etwa eine Woche nachdem alle in ihre Häuser zurückgekehrt waren, begannen die Bauarbeiten an der Zugangsstraße. Davon bekamen die Leute zum Glück nicht viel mit. In Zukunft würden sie noch genug Baulärm ertragen müssen, wenn die anderen Gebäude gebaut werden würden.

Zwischen Billy und Jake war es zwar noch nicht wieder so wie vor Jakes Prägung auf Isaak, aber sie waren auf einem guten Weg. Billy lud sie eines Abends sogar zum Abendessen ein. Die Stimmung war angespannt, jedoch hielt sich Billy sichtbar mit bösen Kommentaren zurück.

Mittlerweile hatten sie den Unterwasserposten für sich allein. Die Aufstiegsplattform war nach La Push verlegt worden, genau genommen direkt hinter Sams Bude, die immer noch der zentrale Treffpunkt beider Rudel darstellte.

Hin und wieder schlief zwar mal einer aus dem Rudel bei ihnen, vor allem wenn sie ausgepowert von einer Nachtpatrouille kamen und keine Lust hatten nach Hause zu rennen, aber im Großen und Ganzen hatten sie ihre Ruhe.

Am liebsten hätte Jake sich Isaak geschnappt und wäre mit ihm durch die Welt getingelt. Es gab da nur zwei winzige Probleme.

Zum einen war Jake der wahre Alpha der Rudel, sein Platz war demnach in La Push. Zum zweiten hatte Isaak seine Worte wahr werden lassen und die Wölfe, mitsamt Jake, in eine Sommerschule gesteckt.

Keiner konnte sich davor drücken, da Isaak fieserweise die Zustimmung aller Eltern eingeholt hatte. Für den Wächter war es ein Leichtes unwiderlegbare Argumente für diese Sommerschule zu finden.

Für dieses Unterfangen ließ Isaak John einige Lehrkräfte heranschaffen. Untergebracht wurden diese in kleinen, auf die Schnelle errichteten Bungalows, die anschließend den Bauarbeitern zur Verfügung gestellt werden würden. Die alte Schule im Reservat war zwar noch nicht umgebaut worden, genügte aber den Anforderungen.

Mit dem Zugang zur Bibliothek der Wächter und dem Wissen in Isaaks Kopf hielt Jake den Unterricht für vollkommen unnötig. Doch ließ sich sein Freund nicht erweichen. Nicht einmal für ihn machte Isaak eine Ausnahme.

Lediglich Sam und Kamden entkamen seinem Freund. Insgeheim war Jake sehr neidisch auf die Zwei, die mussten sich nicht einer solchen Tortur unterziehen.

Ein geregelter Alltag stellte sich ein. Von morgens bis zum frühen Nachmittag Sommerschule, anschließend Hausaufgaben und extra Nachhilfeunterricht, nur für Jake, bis zum Abend. Er war selbst überrascht wie viel Stoff er in ein paar Monaten verpasst hatte. Viel Zeit zum Aufholen blieb ihm aber nicht. In wenigen Wochen würde das nächste Schuljahr beginnen.

Durch diese Aufteilung hatte Jake mehr zu tun als alle anderen Wölfe, daher bekam er die Nächte frei und musste nicht auf Streife gehen. Immerhin etwas.

Isaaks erster Versuch, Jake das entgangene Wissen einzutrichtern, endete damit, dass sie es im Klassenzimmer, aka Holoraum, wild miteinander trieben. Nach diesem Misserfolg musste Jake mit der KI als Lehrer vorlieb nehmen, während Isaak sich in dieser Zeit seinen Forschungen widmete.

Genervt biss Jake die Zähne zusammen und fügte sich seinem Schicksal. Er kannte die Strafe fürs Schwänzen. Dann würde sich sein Freund in Luft auflösen und er musste die Nacht allein verbringen. Darauf konnte er gut und gerne verzichten.

Da selbst die Wochenenden mit Nachhilfeunterricht vollgepackt waren, sein unbarmherziger Freund gewährte ihm immerhin einige wenige Stunden zur Erholung, verging die Zeit wie am Fließband.

Wie Isaak es prophezeit hatte, griff Kamden nicht nach Jakes Krone. Obwohl er ein Alpha war, gab er sich mit der Position des Betas in Jakes Rudel zufrieden. Von seiner Alphastimme machte Kamden nur sehr selten Gebrauch. Meist dann, wenn ihm jemand zu sehr auf die Pelle rückte oder es wagte ihn und Embry zu stören.

Hin und wieder legte sich Kamden zwar mit Sam an, den er irgendwie auf dem Kieker hatte, aber bisher musste Jake nie eingreifen. Auch wenn Kamden sein Halbbruder war, verlor er jeden Kampf gegen Sam. Sein hitziges Temperament stand ihm im Wege. Sollte Kamden das in den Griff bekommen, würde es ein Kampf auf Augenhöhe gegen Sam werden.

Außer den normalen Rangeleien im Rudel war es ruhig. Seit Wochen schon hatte sich kein fremder Vampir mehr in ihr Revier verirrt. Dennoch trainierten alle hart an sich. Mit Hilfe des Holoraumes standen ihnen unzählige Szenarien und ein Sammelsurium von nie enden wollenden Gegner zur Verfügung.

Da Jake mit Lernen schon genug zu tun hatte, überließ er Kamden während des Trainings den Posten als Alpha. Jake fand, dass das eine gute Übung für alle war. So konnte sein Bruder sich seine Sporen verdienen und das Rudel lernte mit verschiedenen Taktiken umzugehen.

Alles in allem eine friedliche Zeit.

*

Erschöpft, aber mit sich selbst zufrieden, betrat Jake eines der vielen Versuchslabore im Unterwasserposten. Die ganze Pauckerei hatte seinen Notenspiegel deutlich angehoben.

Schnell sah er sich um und fand seinen Freund vor einer Glasröhre. “Wie geht es Blacky? Schon irgendeinen Durchbruch erzielt?”

Isaak sah von seiner Arbeit auf und warf einen Blick über die Schulter. “Nein, und du sollst diesem Ding keinen Namen geben. Das ist ein äußerst gefährliches Wesen und kein Haustier.”

Mit den Schultern zuckend trat Jake von hinten an seinen Freund heran. Sich an dessen breiten Rücken schmusend schlag er die Arme um seinen Liebsten. “Keine Sorge. Sollte Blacky jemals ausbrechen, dann leuchte ich ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Jenseits. Ich werde ganz sicher keine emotionale Bindung zu ihm aufbauen.”

Er konnte genau spüren, wie Isaak in seinen Armen seufzte. “Es hat wohl keinen Zweck mit dir über diese Thema zu streiten, oder?”

“Nein.” Im Grunde waren sie sich ja einig. Dennoch konnte Jake es nicht lassen den Schatten Blacky zu nennen. Das Ding lebt nun schon seit Wochen mit ihnen gemeinsam unter einem Dach. Da hatte es einen Namen verdient.

Außerdem hatte Jake gerade anderes im Sinn. Verspielt knabberte er Isaak am Hals. Er hatte alle Aufgaben für heute erledigt und noch etwas Zeit bevor er ins Bett musste. Diese Zeit würde er zu nutzen wissen.

“Warte”, sagte Isaak und entwand sich aus seiner Umarmung. “Jetzt schau doch nicht so traurig. Ich habe etwas zu sagen, das dich sicher freuen wird.”

Frustriert seufzte Jake auf. Na da war er mal gespannt. Wenn sein Freund ihm den Sex verweigerte, dann sollten das wirklich großartige Neuigkeiten sein.

“Ich verweigere dir doch nie den Sex”, meinte Isaak grinsend und stupste Jake gegen die Nase. “Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.”

“Es sei denn, ich lerne nicht brav. Denn dann verschwindest du auf ominöse Art und Weise”, moserte Jake und rollte mit den Augen. “Na spucks schon aus.”

Neben Isaak erschien ein in der Luft schwebendes Display. “Ich habe deine Fortschritte, sowie die der anderen genau im Auge behalten. Im Allgemeinen sind eure Noten um ein bis zwei Stufen besser geworden. Darauf könnt ihr stolz sein.”

Darauf war Jake auch stolz. Immerhin hatte er sich die letzten vier Wochen mächtig den Arsch aufgerissen. Aber war das die frohe Kunde? Kam da noch mehr?

“Lange rede kurzer Sinn, die Sommerschule ist zu Ende. Morgen früh verabschieden sich die Lehrkräfte. Die letzten beiden Wochen der Sommerferien habt ihr frei.”

“Echt jetzt?”, fragte Jake misstrauisch. So ganz konnte er sein Glück nicht fassen. “Was ist mit meinem Nachhilfeunterricht?”

Isaak grinste ihn gutmütig an. “Der ist ebenfalls gestrichen.”

Euphorisch sprang Jake in die Luft. Das musste er sofort den anderen sagen. Damit würde die Stimmung im Rudel sicher wieder steigen.

Keine Minute später jubelten beide Rudel. Alle Wölfe waren froh über diese Neuigkeit.

Einen Moment lang freute sich Jake mit seinen Leuten, dann verschloss er sich vor den Rudeln. Mit den Augen fixierte er seinen Freund, während er sich lasziv über die Lippen leckte. Die frohe Kunde musste doch angemessen gefeiert werden und er wusste auch schon genau, wonach ihm der Sinn stand.

“Das wäre eine Option”, sagte Isaak ominös. “Oder aber du lässt dich überraschen. Ich hätte da ein kleines Geschenk für dich.”

Jake sprang sofort darauf an. “Was denn für ein Geschenk und wofür?”

“KI, bring uns zum Raum 172 in der Zitadelle”, befahl Isaak ohne den Blick von ihm zu nehmen. “Ich weiß genau, wie sehr du dich die letzten Wochen angestrengt hast. Daher dachte ich, eine kleine Belohnung wäre angemessen.”

Bemüht ruhig folgte Jake seinem Freund zur Aufstiegsplattform. Innerlich war er vollkommen aufgekratzt. Bis jetzt hatte sein Liebster ihm noch nie etwas geschenkt, mit Ausnahme des Anhängers um seinen Hals. Aber der zählte nicht. Damals waren sie noch nicht zusammen. Er hoffte, dass es keine Blumen oder so etwas waren.

“Keine Sorge, so etwas würde ich mich bei dir nicht trauen.” Unschuldig grinste Isaak ihn an.

Bemüht gleichmütig griff Jake nach seiner rechten Hosentasche. Seine Finger fuhren über eine kleine Erhebung. Ein Glück, er hatte es dabei.

Die kurzen Pausen in den letzten Wochen hatte er dafür benutzt eine Kleinigkeit anzufertigen. Immer auf der Hut, damit sein Freund keinen Wind davon bekam, war er sogar so weit gegangen, sich vor Isaak abzuschotten, während er daran arbeitete. Das war alles andere als leicht, vor allem weil er mittlerweile so sehr daran gewöhnt war, Isaak in seinen Gedanken zu spüren.

Vor ein paar Tagen war er mit dem Geschenk fertig geworden, hatte aber auf den rechten Augenblick gewartet. Seitdem lagerte er diese Kleinigkeit in seiner Hosentasche. Der Augenblick schien gerade perfekt zu sein.

“Warte kurz.” Mit diesen Worten packte Jake seinen Freund am Arm und hinderte ihn damit die Aufstiegsplattform in der Zitadelle zu verlassen. “Ich habe auch etwas für dich.”

“Für mich?” Überrascht weiteten sich Isaaks Augen. “Wieso?”

“Einfach nur so. Es gibt keinen bestimmten Grund, außer dem, dass wie zusammen sind”, druckste Jake ein wenig herum. Nun da die Zeit gekommen war, fühlte er sich sehr verunsichert. Was wenn es seinem Freund nicht gefallen würde?

Eine Hand legte sich unter sein Kinn und hob es an. Vor seinen Augen lächelte Isaak ihn liebevoll an. “Egal was es ist, wenn es von dir und von Herzen kommt, dann wird es mir gefallen.”

Hastig schluckte Jake den Kloß in seinem Hals hinunter. Dann griff er in seine rechte Hosentasche. Die Hand zur Faust geballt hob er den Arm und drehte die Finger langsam nach oben.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte nicht erwartet derart nervös zu sein. Augen zu und durch, hieß es doch immer. Genau das tat er nun. Er presste die Lieder zusammen, während er seine Faust öffnete.

Wie Jake wusste, lag auf seiner ausgestreckten Hand ein schwarzes Lederarmband. Die Lederstreifen hatte er insgeheim in einer Nacht- und Nebelaktion im Dorf gekauft. Anschließend hatte er in mühevoller Kleinstarbeit, nach Art seines Stammes, die Streifen miteinander verflochten.

Das Herzstück war eine kleine Holzfigur. Ein Wolf. Jake war nicht so gut im Schnitzen wie sein Vater, aber er hatte sein Bestes gegeben. Unzählige Versuche und blutende Finger hatte es ihn gekostet bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.

Am Ende hatte er den kleinen hölzernen Wolf wie ein Juwel in das Armband hinein gewoben. Sie waren nun eine Einheit. Damit wich er zwar ein wenig von ihren Bräuchen ab, aber was solls. Ihm hatte die Idee gefallen.

Das verflochtene Leder stellte ihre tiefe Bindung zueinander dar. Es symbolisierte ihre ineinander verstrickten Lebenswege. Der Wolf, das war er selbst. Solange Isaak das Armband trug, wäre er somit immer an seiner Seite, egal wo er hinging oder wie weit sie voneinander getrennt sein würden.

Soviel zu seinen Hintergedanken. Nun aber war er sich nicht mehr so sicher. Es war kindisch. Wertloser Schrott, nichts weiter. Isaaks Geschenk war bestimmt um Welten besser.

“Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll”, stammelte sein Freund unbeholfen.

Jake spürte wie die Finger seines Freundes ihm das Armband aus der offenen Hand nahmen.

Dann hörte er ein Schluchzen. Entsetzt öffnete Jake die Augen. Er hatte es gewusst. Das war eine saudumme Idee gewesen.

Dicke Tränen quollen seinem Liebsten aus den Augen. Seine Arme waren an die Brust gedrückt, während er das Armband in den Fingern hielt. Isaak schien vollkommen aufgelöst zu sein.

“Entschuldige, bitte”, stammelte Jake. Er wusste nicht, was er tun sollte. Würde sein Freund es zulassen, wenn er die Hand nach ihm ausstreckte, oder zurückweichen. “Das nächste Mal -”

“Danke” Das Wort war nur gehaucht, dennoch verstummte Jake sofort. Im Gesicht seines Liebsten lag ein strahlendes Lächeln. So ganz schien das nicht ins Bild zu passen.

“Dummes Wölfchen”, schniefte Isaak. “Meine Tränen entspringen meiner überquellenden Freude.”

Bei diesen Worten ging Jake ein Licht auf. “Das heißt, es gefällt dir? Du nimmst mein Geschenk an? Du wird das Band tragen?”

Isaak schüttelte erheitert den Kopf. “Ja. Ja. Kommt drauf an.”

“Worauf?”, fragte Jake argwöhnisch. So ganz verstand er nicht, was los war. Sein Freund nahm das Geschenk an und es gefiel ihm auch. Soweit so gut. Aber er wollte es nicht tragen? Wieso?

Mit ernstem Gesichtsausdruck wurde ihm geantwortet: “Darauf, ob du mir gestattest einige Zauber darüber zu legen.”

“Was denn für welche?” Das alles ergab doch keinen Sinn!

“Das Armband ist viel zu kostbar, um es zu tragen. Ohne Schutzzauber könnte es beschädigt, verschmutzt oder gar zerstört werden.”

“Ach darum geht es.” Ein Stein fiel ihm vom Herz. “Dann mache ich dir einfach ein Neues.”

“Nein, ich behalte dieses”, widersprach Isaak vehement. “In jeder Faser steckt dein Herzblut. Und das sprichwörtlich, ich kann dein Blut daran riechen. So etwas ist einmalig und unersetzbar.”

Verlegen kratzte sich Jake am Hinterkopf. Damit hatte er jetzt echt nicht gerechnet. Sein Freund tat ja so, als ob das hier der heilige Gral oder so wäre.

“Gut, wie du willst. Dann verzaubere das Armband. Mir solls recht sein.”

“Danke.” Isaak trat vor und vereinte ihre Lippen. In diesem Kuss lagen all seine Emotionen. Genießerisch schloss Jake die Augen. Er wollte mehr, viel mehr. Am besten jetzt sofort. Eines hielt ihn aber zurück. Sein Liebster hatte ebenfalls etwas vorbereitet. Das wollte er sich doch nicht entgehen lassen.

Isaak zog sich schlagartig von ihm zurück und schlug die Augen nieder. “Mein Geschenk ist nicht mal annähernd so viel wert wie deines.” Verunsichert begann er leicht zu stottern. “Ich weiß nicht, ob ich dir damit unter die Augen treten kann.”

“Komm schon, das ist nicht fair. Du hast mir ein Geschenk versprochen. Ich bestehe darauf, dass du dich an dein Wort hältst”, moserte Jake. Umgekehrte Psychologie, ob das klappen würde?

Isaak seufzte. “Na gut. Komm, es ist nicht mehr weit.”

Yes, Treffer und versenkt. Schwungvoll sprang Jake von der Plattform. Solange es keine Blumen waren, konnte es nicht schlecht sein. Bestimmt machte sich sein Freund wieder mal Sorgen um nichts. Etwas vollkommen Normales, an das sich Jake bereits gewöhnt hatte.

Das bläuliche Kraftfeld baute sich um sie herum auf. Dann schossen sie die Korridore entlang. Aufgeregt zappelte Jake wie ein Kleinkind an Weihnachten umher. “Bekomme ich einen Tipp?”

“Wenn du das willst.” Isaak zuckt mit den Schultern. “Vor knapp drei Wochen war ich bei Bella gewesen und habe sie gefragt, was dir gefallen könnte. Daraufhin habe ich ihre Aussagen mit meinen Beobachtungen verglichen.”

Angespannte wartete Jake. Aber es kam nichts mehr. “Das soll ein Tipp sein? Man bist du fies.”

Bella war seine beste Freundin. Was würde sie ihm schenken? Ein selbst gemaltes Bild? Aber Bellas Gekrakel konnte man nicht wirklich als Kunst bezeichnen. Eine Phiole mit ihrem Blut? Ne, das würde ihrem Verlobten gefallen.

Jakes Gedanken rasten wie wild umher. Was würde ihm gefallen? Eine schwere Frage. Er hatte doch schon alles, was er wollte. Vielleicht ein eigenes Haus mit Isaak? Das wäre unnütz, dafür hatten sie die Zitadelle und die Außenposten. Ein romantisches Candlelight Dinner mit seinem Freund. Ja, das klang doch nicht schlecht.

“Gut zu wissen, damit steigt meine Auswahl fürs nächste Mal. Bisher hatte ich angenommen, dass du mir den Kopf abreißt, wenn ich so etwas vorschlagen würde.”

Jake sah auf. Also kein romantisches Abendessen, schade. “Solange die Tischdecke oder die Wände nicht rosa sind, hätte ich nichts dagegen.”

“Das werde ich mir merken”, sagte Isaak. Er hob den Blick und verkündete: “Wir sind da.”

Erwartungsvoll sah Jake sich um. Die KI hatte sie vor einer schwere Mahagonitür abgesetzt.

Jake streckte die Hand nach dem Türknauf aus. “Ich nehme an, mein Geschenk ist hinter dieser Tür?”

“Größtenteils, ja. Aber einen Teil habe ich bei mir. Den solltest du dir als erstes ansehen.”

Bei diesen Worten wandte Jake den Kopf. Isaak griff in seine Hosentasche und zog etwas in der Faust hervor. Wie zuvor Jake es getan hatte, streckte sein Freund ihm die Hand entgegen und öffnete die Finger.

Erwartungsvoll warf Jake einen Blick auf die Handfläche. Dort lag ein Schlüssel. Im ersten Augenblick war er verwirrt. Enttäuschung machte sich in ihm breit. Was sollte er denn mit so einem ollen Schlüssel anfangen. Dann fiel es ihm die Schuppen von den Augen.

Das war nicht irgendein Schlüssel. Er kannte ihn, hatte ihn sogar schon mal in seinen eigenen Händen gehalten.

Neben sich stehend stammelte Jake: “Ich glaub, mein Schwein pfeift.”

Auf Isaaks ausgestreckter Hand lag der Schlüssel für einen Aston Martin DBS Coupé.

Fassungslos fragte Jake: “Du schenkst mir Johns Auto?”

“Teilweise richtig”, sagte Isaak geheimnisvoll. “Es ist nicht John’s Fuhrwerk.”

Bei dem Begriff Fuhrwerk zuckte Jake zusammen. Wie konnte sein Freund es wagen ein heißen Schlitten wie den Aston Martin DBS Coupé als Fuhrwerk zu bezeichnen. Was für ein Frefel. Gotteslästerung!

Unbeirrte redete Isaak weiter. “Ich würde dir doch nichts Gebrauchtes schenken. Alle Teile sind fabrikneu. Jedoch …”

“Jedoch? Jedoch was? Nun sag schon. Ich platze gleich vor Neugier.” Jake konnte es nicht fassen. Ein Aston Martin DBS Coupé für ihn ganz allein. Was konnte es Schöneres geben.

Anstelle die Frage zu beantworten schob sich sein Freund an ihm vorbei und öffnete die Tür. “Jedoch musst du es erst noch zusammenbauen.”

Jake klappte der Mund auf. Wie in Trance betrat er das Zimmer. Hier sah es aus wie in einer gemütlichen Werkstatt. An den Wänden waren verschiedene Werkbänke und Regale aufgestellt. Jungfräuliche Schraubenschlüssel hingen fein säuberlich sortiert an Wandtafeln. Daneben Schraubendreher aller Größen, verschiedene Greifzangen, Drehmomentschlüssel, Bolzenschneider. Zahnriemen hingen neben Keilriemen.

Wie selbstverständlich befanden sich auch die drei wichtigsten Hilfsmittel eines jeden Mechanikers in greifbarer Nähe zueinander: Hammer, WD 40 und Panzertape.

Auf einem der Tische lagen Elektrowerkzeuge, wie eine handliche Schleifmaschine oder eine Hängelampe. In einer Ecke stand sogar ein nigelnagelneuer Kompressor mit allem was dazu gehörte. Daneben verschiedene Fässer: Motoröl, Bremsflüssigkeit, sogar ein Fass für Altöl und Schmierfett.

Nicht zu schweigen von den großen Geräten. Eine Reifenwuchtmaschine. Ein Motorheber. Eine blau lackierte Hebebühne.

Das Highlight in diesem Zimmer war jedoch der Aston Martin DBS Coupé. Dieser lag in Einzelteilen im ganzen Raum verstreut, wobei die nackte Karosserie auf der Hebebühne stand.

Jakes Herz setzte einen Schlag aus. Er hatte mit vielem gerechnet, aber doch nicht hiermit. “Ich weiß nicht, was ich sagen soll.”

“Ich weiß, gegenüber deinem Armband ist das hier echt armselig.”

“Hast du sie noch alle”, hauchte Jake. Er wusste gar nicht, wo er zuerst hinsehen sollte.

“Entschuldige bitte. Ich verspreche, das nächste Mal gebe ich mir mehr Mühe.”

“Wenn du da noch einen oben drauf legst, dann sehe ich mir die Radieschen von unten an. Das würde mein Herz wohl nicht verkraften.”

Durch ihre Verbindung spürte Jake, wie verwirrt sein Freund war. Gut so. Mit diesem Raum hatte Isaak auch den Vogel abgeschossen.

Plötzlich fiel ihm etwas ins Auge. Hals über Kopf rannte Jake los. Auf einem der Werkbänke stand ein Radio. Das hier musste der einzige Gegenstand in diesem Raum sein, der nicht neu war - es war alt und sah sehr mitgenommen aus.

Mit zitternden Fingern fuhr er über die ganzen Kratzer und Dellen. Jake konnte es nicht glauben, das hier war sein altes Radio. Wann immer er im Schuppen hinter dem Haus seines Vaters an etwas geschraubt hatte, lief genau dieses Radio im Hintergrund. Das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.

Er stürmte auf Isaak zu und warf ihn zu Boden. “Danke, danke, danke.”

Jake konnte gar nicht mehr aufhören sich zu bedanken. Welcher Vollblut-Mechaniker würde bei so einem Geschenk nicht die Fassung verlieren. Und ja, auch er als standhafter Mann musste sich eingestehen, dass er Tränen in den Augen hatte.

Beruhigend streichelte Isaak ihm über den Rücken. Es dauerte einige Sekunden bis Jake sich wieder gefangen hatte. Schnell setzte er sich auf das Becken seines Liebsten, nahm dessen Kopf in seine Hände und gab ihm einen überschwänglichen Kuss. Seine Gefühle benötigten ein Ventil. Da musste sein Freund nun durch.

Nachdem sich Jake aufgesetzt hatte fragte Isaak: “Es gefällt dir?”

“Ich glaube, der Kuss sagt alles oder?”

“Also, soll ich nicht alles entsorgen?”

“Entsorgen?”, quiekte Jake und sprang auf. “Nur über meine Leiche. Du hast es mir geschenkt. Das ist meine Werkstatt, wehe du fasst hier was an.”

“Keine Sorge, das hatte ich auch nicht vor.” Vom Boden her grinste sein Freund ihn an. “Es freut mich sehr, dass ich dir eine Freude bereiten konnte.”

Abermals sah Jake sich um. Boden, Decke und Wände. Es gab nur eine Tür, mit normalen Maßen. “Sag mal, wie hast du das alles hier reinbekommen? Und wie bekomme ich das fertige Auto hier wieder raus? Oder ist das hier ein Holoraum?”

“Nein, nein. Alles hier drin ist echt. Wobei ich zugeben muss, geplant habe ich dieses Zimmer im Holoraum.”

Langsam stand Isaak auf, darauf bedacht seine linke Hand nicht zu benutzen. Jake sah genauer hin und erkannte das Lederarmband zwischen den Finger.

Sein Freund hielt das wohl echt für einen Schatz. Er warf einen Blick umher. Irgendwie konnte Jake ihn verstehen. Sollte es jemand wagen Unordnung in seine Werkstatt zu bringen, dann würde er an die Decke gehen. Allein der Gedanke ließ ihn erschaudern. Das hier war sein Reich.

“Die meisten Gegenstände in diesem Raum wurden vor Ort von den Naniten gebaut. Diese kleinen Maschinen sind ungeheuer praktisch bei so etwas. Was das Fuhrwerk-”

Jake biss sich auf die Unterlippe. Stumm bat er den Aston Martin DBS Coupé um Verzeihung für seinen unwissenden Freund.

“- anbelangt, das habe ich mir in Einzelteilen von John liefern lassen. Ich dachte, ein Original würde dir besser gefallen als eine von Naniten angefertigte Kopie.”

In dem Punkt musste Jake seinem Liebsten zustimmen. Auch wenn er insgeheim befürchtete, dass er, bei all der Technologie der Wächter, wohl nicht in der Lage wäre eine Kopie von einem Original zu unterscheiden. Dennoch fühlte es sich einfach anders an, wenn man wusste, dass jedes Teil ein fabrikneues Original war.

“Und keine Sorge. Die Wände sehen zwar massiv aus, sind aber im Grunde ebenfalls Naniten. KI, vergrößere die Tür auf die doppelte Breite.”

Hinter Isaak zog sich die Eingangstür wie angeordnet in die Breite. Jake betrachtete dieses Schauspiel und nickte. Nach allem was er schon mit seinem Freund erlebt hatte, konnten ihn Wände und Türen aus Naniten nicht mehr schocken. Für ihn war nur wichtig, dass er in der Lage sein würde, seinen Aston Martin DBS Coupé unbeschadet hier raus zu bekommen.

Jake trat an eine der Werkbänke. Dort lag ein ausgebreiteter, detaillierter Bauplan. “Bleibst du noch ein wenig oder musst du schon wieder los?”

“Wenn meine Anwesenheit geduldet wird, dann bleibe ich. Allerdings werde ich selbst beschäftigt sein.” Isaak hob seine linke Hand, woraufhin Jake verstehend nickte. Während er sich sein Geschenk genauer ansah, würde sein Liebster das Armband verzaubern.

Sie beide würden im selben Raum sein. Eine Win-Win-Situation. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Jakes Gesicht aus. Alles was er gerade wollte, war in diesem einen Raum, seiner neuen Werkstatt.

Ordnung wiederhergestellt

Jake

Die darauffolgenden zwei Wochen hielt sich Jake überwiegend in seiner Werkstatt auf. Meist war sein Freund anwesend. Mal reichte er ihm ein Werkzeug, doch meist meditierte Isaak still in einer Ecke.

Morgana war Geschichte. Forks und La Push rekonstruiert. Alle Weichen waren gestellt. Renesmees Zeugung stand nichts mehr im Wege.

Nur eines störte den Lauf der Zeit: Da Jake auf Isaak geprägt war, konnte er sich nicht mehr auf Renesmee prägen. Somit würde keine feste Bindung zwischen den Vampiren und den Gestaltwandlern hergestellt werden. Das wiederum stellte ein Problem für alles Leben in der Zukunft dar.

Nicht alles, was Morgana angestellt hatte, konnte rückgängig gemacht werden. Und selbst wenn, Jake würde niemals zustimmen ihre Seelenverbindung, die ja erst durch Morganas ersten Mordanschlag auf Isaak entstanden war, zu durchtrennen. Das schwor er sich bei seinem Leben. Isaak und er gehörten zusammen. An dieser Tatsache bestand für ihn kein Zweifel. Nur verursachte genau diese, ihre Seelenbindung, ein Problem im Lauf der eigentlichen Geschichte.

Jake könnte den Wölfen befehlen sich mit den Cullens zu vertragen. Etwas was er lieber nicht tun würde, aber er sah durchaus die Notwendigkeit dazu. Aber auch wenn Isaak, wie er es versprochen hatte, sich um die Volturi kümmern würde, blieb Renesmees Zukunft ungewiss. Ohne einen Wolf an ihrer Seite konnte selbst sein Liebster nicht erkennen, wie sich ihr Leben entwickeln würde. Es gab zu viele unbekannte Variablen - Nachwirkungen von Morganas Eingreifen in den Lauf der Zeit.

Genau an diesem Problem arbeitete Isaak jede freie Minute des Tages. Sie mussten einfach eine Lösung finden. Renesmee war zu wichtig. Sie war der Schlüssel der Zukunft. Ihr Schicksal musste unter allen Umständen wiederhergestellt werden.

All das wusste Jake. Seit knapp zwei Wochen drehten sich die Gedanken seines Liebsten nur um dieses Thema. So langsam konnte er es nicht mehr hören.

Auch jetzt dachte Isaak an dieses Problem. Jake hielt kurz inne mit seiner Arbeit, er war gerade dabei die Zündkerzen in den Motorblock einzusetzen, und hob den Blick.

“Könntest du ihre Entwicklung nicht mit deinen Kräften beeinflussen. Ich meine, dring in ihren Kopf ein und baue alles so um, wie es sein sollte.”

Ohne aufzustehen antwortete Isaak: “Das wäre ein äußerst schwieriges und vor allem gefährliches Unterfangen. Wenn ich auch nur einen Fehler machen würde, könnte sich ihr Charakter gänzlich anders entwickeln.”

Jake schmierte das Gewinde der nächsten Zündkerze ordentlich mit Fett ein. “Kannst du Renesmee nicht vorgaukeln, dass ich mich auf sie geprägt hätte? Jedenfalls so lange bis sich ihr Charakter gefestigt hat?”

“Würdest du es ihr gestatten dein Blut zu trinken?”

Angewidert schüttelte Jake sich. Stimmt, da war ja was. In der Zukunft, die Isaak ihm gezeigt hatte, missbrauchte Nessi ihn gerne als Nahrung. Alles hatte Grenzen. Da würde er nicht mitspielen.

“Na siehst du”, erklang Isaaks deprimierte Stimme aus der Ecke. “Wie leid es mir auch tut, ich werde wohl bewusst bei einem deiner Wölfe die Prägung auslösen müssen. Die Frage ist nur, bei wem?”

Jake ballte die Recht zur Faust. “Du weißt, was ich davon halte.” Seine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut. Keinem seiner Leute wollte er eine Prägung aufzwingen.

“Ich weiß, aber mir gehen die Optionen aus”, seufzte Isaak.

“Noch ist Zeit. Lass uns das bitte als allerletzte Option ansehen. Wenn es soweit kommt, dann lass mich das mit meinen Wölfen besprechen, bevor du handelst. Vielleicht meldet sich ja einer freiwillig.”

Entgegen seiner Worte glaubte Jake nicht daran. Niemand würde diese Aufgabe freiwillig übernehmen. Am Ende würde er einen auswählen müssen. Innig hoffte er auf ein Wunder, das ihm diese Entscheidung ersparen würde.

Mürrisch sah Jake auf seine rechte Hand. Sein kleiner Wutanfall hatte einer Tube Schmierfett das Leben gekostet. Äußerst behutsam legte er die eingefettete Zündkerze in seiner Linken auf ein sauberes, fusselfreies Stück Stoff.

Noch einmal versicherte er sich, dass alle Teile des Motors gesichter waren, erst dann wischte er sich das Fett von den Fingern. Der benutzte Lappen, naturlich ebenfalls fusselfrei, sowie die Reste der Tube warf er zielgenau in den bereitstehenden Mülleimer.

Praktisch, dass dieser nie voll werden würde. Egal was er hineinwarf, die Naniten darin verschlangen alles. Das Wie interessierte ihn dabei nicht. Auch war das die einzige Tätigkeit, die er den Naniten in seiner Werkstatt gestattete, die Müllentsorgung.

Jake warf einen Blick auf die Uhr an der Wand: Fünf Minuten nach Mitternacht. “Es ist schon spät. Komm lass uns schlafen gehen. Morgen ist Schule und anschließend Bellas Hochzeit.”

“Geh schon mal vor. Ich meditiere noch ein wenig.”

“Kommt gar nicht in Frage.” Bei diesen Worten schnappte Jake sich seinen Freund und warf ihn sich über die Schulter. “Es ist doch egal, ob du hier sitzt oder wir im Bett schlafen. Dein Verstand arbeitet doch so oder so weiter an dem Problem.”

“Da hast du Recht”, brummte Isaak.

Na bitte. Sieg auf ganzer Linie. Frech gab er seinem Liebsten einen Klaps auf den Hintern und schlenderte mit seiner Beute auf den Schultern zur Tür hinaus.

*

Für die Hochzeit hatte Jake sich in Schale geschmissen. Das war einer der wenigen Ereignisse, bei denen er froh war, einen passgenauen Designeranzug sein Eigen nennen zu dürfen.

Mittlerweile versorge zwar Alexei das ganze Rudel mit ordentlichen Klamotten, jedoch bevorzugen alle, inklusive Jake, ihren üblichen Look: Barfuß, mit einer kurzen leichten Hose und T-Shirt. Oder auch ohne T-Shirt, je nach Bedarf.

Den Meisten war es absolut egal, ob die Sachen von einem Schneider oder von der Stange kamen. Hauptsache was zum Anziehen. In dieser Hinsicht tickten fast alle Wölfe gleich. Lediglich Leah, die sich unter anderem auch Kleider anfertigen ließ, und Kamden, der penibel auf sein Erscheinungsbild achtete, spielten in dieser Hinsicht Extrawurst.

Wie es ihm als Trauzeuge gebührte, stand Jake neben dem kleinen Podium, auf dem Edward und der Pfarrer bereits warteten. Ihm Gegenüber auf der anderen Seite hatte sich Emmet aufgestellt. Alles war vorbereitet, fehlte nur noch die Braut.

Wie auf Kommando setzte die Musik ein. Die Köpfe der Gäste wandten sich um. Und da war sie auch schon. Bella schwebte untergehakt bei Charlie durch den Mittelgang heran. In diesem Augenblick hatte Jake nur noch Augen für seine beste Freundin. Sein Liebster würde ihm diesen Frevel sicher verzeihen.

Bella sah einfach umwerfend aus. Wie hatte Alice es nur geschafft ihr Gesicht so leuchten zu lassen? Oder lag das an ihrer unbändigen Freude? Und dann das Brautkleid. Aber hallo! Ein wahrer Hingucker.

Ein Glück, dass Jake bereits geprägt war. Bei diesem Anblick musste man sich doch in Bella verlieben. Er war so verzaubert von ihrem Anblick, dass er fast seinen Einsatz als Ringträger verpasst hätte.

Eines musste er den Untoten lassen, sie verstanden es eine Feier auszurichten. Ob ihre Dienste buchbar waren?

Plötzlich wurde Jake mental angesprochen: “Die Frage ist wohl eher, ob ich einen Antrag überleben würde?”

Er sah sich um und entdeckte seinen Liebsten in der Menge der Gäste. Isaak sah einfach zum Anbeißen gut aus in seinem maßgeschneiderten Anzug. Fast hätten sie es nicht rechtzeitig zur Trauung geschafft, da Jake die Finger nicht von ihm hatte lassen konnte.

Mental antwortete Jake: “Nein, denn das ist die Aufgabe des Mannes!” Bewusst betonte er das letzte Wort. Sein Liebster zog einen leichten Schmollmund. Damit sollte dieses Thema erstmal vom Tisch sein. Irgendwann würde die Zeit kommen, da war er sich sicher.

Die Feier war ein voller Erfolg. Als Trauzeuge der Braut bestand Jake natürlich auch auf sein Recht, Bella zum Tanz aufzufordern. Dabei zeigte er sein Können - Isaak hatte extra mit ihm geübt für diesen Tag.

Flüsternd sprach Bella ihn an: “Der Anzug steht dir, Mr. Bizeps.”

“Danke, dein Kleid ist auch nicht schlecht.” Unverschämt grinste Jake sie an.

Anschließend zog Jake seinen Freund auf die Tanzfläche. Im ersten Augenblick sah Isaak ebenso überrascht aus, wie alle anderen Anwesenden, dann aber strahlte er ihn überglücklich an. Eng umschlungen und sich gegenseitig verträumt angrinsend legten sie einen langsamen Walzer aufs Parkett. Selbstverständlich ließ Isaak Jake die Führung. Gerade in der Öffentlichkeit und bei so vielen Leuten, konnte Jake noch nicht über seinen Schatten springen.

*

Einige Stunden später stupste ihn Isaak mental an. “Mach dich bereit, es wird Zeit für deinen Auftritt.”

Jake hob den Kopf. Er saß allein mit Bella etwas abseits. Gerade noch hatten sie über einen seiner Witze gelacht.

“Ich freue mich für dich.” Bei diesen Worten boxte sie ihm behutsam gegen den Oberarm. Offenbar hatte sie ihre Lektion gelernt, denn diesmal verletzte sie sich nicht.

Bevor Jake etwas erwidern konnte redete Bella weiter: “Du und Isaak seid wie füreinander gemacht.”

“Danke, ihr aber auch.” Was hätte er sonst sagen sollen?

“Danke.” Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Auf einmal wurde sie hibbelig. “Ich bin so neidisch auf dich. Du bist jünger als ich, hast aber vor mir Sex gehabt. Das ist echt nicht fair.”

Bella sah ihm freudestrahlend in die Augen. Dann ließ sie die Bombe platzen. “Bevor meine Flitterwochen enden, werde auch ich meine Jungfräulichkeit verlieren.”

Jake blinzelte. Es war soweit. Abrupt sprang er auf die Füße und schrie: “Nein!”

Er schluckte. Innerlich tat es ihm sehr Leid, aber es musste sein.

Angelockt von seinem lauten Ausruf erschien Edward vor ihnen. Stumm entschuldigte Jake sich bei Bella, dann legte er richtig los. Wie ein wilder Stier ging er auf Edward los. Endlich nach so langer Zeit konnte er all seinen Ärger rauslassen.

Augenblicklich war Isaak zur Stelle, um ihn aufzuhalten. Für alle anderen musste es so aussehen, als ob sein Liebster ihn gewaltsam in den Wald schleifte. Wenn die wüssten. Gespielt auf hundertachtzig, veranstaltete Jake dabei einen mords Radau. Er beleidigte Edward, die Cullens und drohte allen.

Hinter einer großen Fichte, ließ Isaak ihn los. Jake ließ noch einen gewaltigen Wut-Brüller vom Stapel, dann rannten sie händchenhaltend davon. Niemand sah sie bei ihrer Flucht, darauf würde sein Freund achten.

“Und was sagst du?”, fragte Jake als sie weit genug weg waren.

“Perfekt.” Aus den Augenwinkeln bemerkte Jake Isaaks seltsam lüsternen Blick. “Weißt du eigentlich, wie gut dir dieser Anzug steht? Seit Stunden schon muss ich mich zurückhalten, um nicht über dich her zu fallen.”

“Na dann, fang mich wenn du kannst.” Bei diesen Worten beschleunigte Jake auf Höchstgeschwindigkeit. Wenn sein Freund ihn flachlegen wollte, dann musste er ihn erst einfangen und überwältigen. So lief das eben zwischen ihnen.

*

In den nächsten Tagen behielt Isaak Bella und Edward genau im Blick. Jake schottete sich daher ab. Er zumindest wollte die beiden nicht beim Sex beobachten.

Alles fügte sich, so wie es sein sollte. Nach nur wenigen Tagen kehrten die beiden frisch Verheirateten zurück. Aus einem nahem Baumwipfel heraus, beobachteten Jake und Isaak ihre Ankunft im Haus der Cullens. Mit einem Tarnzauber sorgte sein Liebster dafür, dass die Vampire sie nicht bemerkten.

“Meine Zeit als Wärmflasche ist wohl gekommen. Jey, Vampirgestank rund um die Uhr. Ich freue mich schon”, moserte Jake leise vor sich hin.

“Hm”, brummte Isaak.

“Was ist?”

“Sieh mal da.” Sein Freund deutete zum Waldrand. Erst sah Jake nicht, was sein Liebster meinte, dann aber bemerkte er die Silhouette eines gewaltigen Wolfes hinter den Bäumen. Dank der Verbindung des Rudels war es ein Leichtes zu ermitteln, wer da herumschlich.

“Seth? Was macht der denn hier?”, fragte Jake überrascht. “Ich habe doch allen verboten das Revier der Cullen zu betreten. Na warte, der kann was erleben.”

Drohend hob er die Faust. Plötzlich legte sich eine Hand auf seinen Unterarm. “Warte.”

Eine Flut von Bildern schoss Jake in den Kopf. Schnell verschloss er ihre Verbindung. Was war hier los? Was trieb sein Freund da? Und konnte Isaak ihn nicht wenigstens vorwarnen?

“Entschuldige”, sagte sein Liebster nebenbei. Mit den Gedanken war Isaak aber weit weg, wie Jake sehr genau wusste.

“Erstaunlich. Es scheint so, als ob sich das Schicksal von selbst wiederherstellen würde. Das stellt so einige Thesen in Frage.”

Ungehalten schnaubte Jake ihn an: “Jetzt sprich nicht in Rätseln. Was ist los?”

Isaak wandt sich ihn zu. “Seth hat deinen Platz eingenommen. Seine Instinkte ziehen ihn hin zu Bella. Zu dem ungeborenen Kind. Er wird sich auf Renesmee prägen. Deshalb hat er sich über dein Verbot hinweggesetzt. Er kann gar nicht anders.”

Misstrauisch mahlte Jake mit den Zähnen. Da war doch was faul!

Mit erhobenen Händen beteuerte sein Freund: “Ich schwöre, ich habe nicht eingegriffen.” Nachdenklich ließ Isaak die Hände sinken. “Damit bist du raus aus der Nummer und ich muss mir keine Sorgen mehr um die Zukunft machen.”

“Soll heißen, ich muss nicht als lebender Blutbeutel hinhalten und Wärmflasche spielen?”, fragte Jake vorsichtig. So ganz traute er dem Braten nicht.

Isaak nickte. “Exakt. Das wird Seth mit Freude erledigen.”

“Ok, soll ich dann jetzt die Rudel aufhetzen?”, fragte Jake der sich an eine Belagerung von Seiten Sam erinnerte.

“Lass mal. Das würde am Ergebnis nichts ändern und nur für unnötigen Stress sorgen. Sagen wir einfach, dafür ziehe ich Bella einen ihrer drei Gefallen ab.”

Langsam formulierte Jake: “Und was machen wir jetzt?”

“Wir warten und beobachten.”

“Ich habe aber nicht vor die Nacht auf diesem Baum zu verbringen”, beschwerte sich Jake.

“Es tut mir Leid, Wölfchen. Ich werde bleiben. Ich muss sicherstellen, dass alles so abläuft, wie es sein sollte.”

Miesepetrig setzte sich Jake mit dem Rücken zum Baumstamm auf den Ast. Dann zog er seinen Freund in seine Arme. Das würde eine lange Nacht werden. Aber ohne seinen Geliebten würde er nicht gehen.

*

Entgegen allen Erwartungen musste Isaak nicht eingreifen. Die halbe Nacht lang schlich Seth noch um das Haus, bis Edward der Kragen platzte und ihn abpasste. Nach einem eher seltsamen Gespräch, bat Edward Seth herein. Wie von Zauberhand fügte sich alles nahtlos ineinander.

In den nächsten Tagen spielte Seth Wärmflasche für Bella. Er kam sogar auf denselben Gedanken, der auch Jake in dieser Situation gekommen wäre, woraufhin die Vampire Bella mit Blut versorgten, um sie und das Ungeborene zu stärken.

Ein wenig beleidigt war Jake schon, dass sich Bella nicht bei ihm meldete. Aber nach der Show, die er auf ihrer Hochzeit abgezogen hatte, konnte er es ihr nicht verdenken.

Die Zeit verging und die Geburt stand kurz bevor. Genau zum rechten Moment standen Jake und Isaak vor der Tür der Cullens.

Carlisle öffnete die Tür einen Spalt breit. “Entschuldigt, aber es ist gerade eher ungünstig.”

Um das Ganze abzukürzen schmetterte Jake ihm entgegen: “Wir wissen Bescheid, Doc. Wir sind nur hier, weil mein Freund”, mit dem Daumen deutete er überschwänglich auf Isaak, “Bella einen Gefallen erweisen möchte.”

“Das stimmt”, bestätigte Isaak. “Wenn du nun bitte den Weg freigeben könntest. Ich würde dich nur sehr ungern über den Haufen rennen.”

“Was -”, begann Carlisle, wurde jedoch unterbrochen als Isaak ihn einfach zur Seite schob. Lautstark rief sein Freund dabei: “Bringt Bella sofort in den OP. Entbindung in einer Minute.”

“Es ist noch zu früh”, stieß Charlise entsetzt hervor. “Das Kind wird -”

“- überleben. Wie auch Bella. Nun ja, je nachdem, wie man das definiert.” Isaak blieb stehen und legte nachdenklich einen Finger ans Kinn. “Sag mal, seht ihr eure untote Existenz als Leben an?”

Jake schüttelte den Kopf. Sein Freund war mal wieder in Hochform. Beherzt schob er Isaak weiter.

“Für solche philosophischen Fragen ist jetzt keine Zeit. Du bist Bella noch zwei Gefallen schuldig. Diese fordere ich nun in ihrem Namen ein. Und jetzt, mach hinne bevor sich die Plazenta löst und das Kind wegen Sauerstoffmangel ihr das Rückgrat bricht.”

“Ok, wie du willst. Einmal Kaiserschnitt, kommt sofort.”

Nach diesen Worten schoss Isaak davon, Jake direkt hinterher. Die Vampire starrten sie mit vor Schreck geweiteten Augen an. Mehr konnten sie nicht tun. Bevor sie auch nur in der Lage waren einen Finger zu rühren, hatten Jake und Isaak sich Bella geschnappt und auf die OP-Liege verfrachtet.

“Keine Sorge, Bella. Ich garantiere dir, dass alles gut gehen wird. Du und dein Baby sind in Sicherheit”, sagte Isaak rasch.

Über seine beste Freundin gebeugt grinste Jake verhalten. “Bella, ich hoffe du nimmst mir meine Aktion bei deiner Hochzeit nicht all zu übel. Ich musste so reagieren, damit sich dein Schicksal erfüllt und du schwanger wirst. Nur dass du’s weißt, es fiel mir sehr schwer, dir weh zu tun. Entschuldige bitte.”

Aus den Augenwinkeln sah Jake, wie Edward im Türspalt erschien. Der Untote schien vollkommen neben sich zu stehen.

Mit schwacher Stimme hauchte Bella: “Darüber reden wir noch, Wölfchen.”

In dem Moment als sein Freund Bella das Shirt hochzog, machte sich Jake so schnell er konnte vom Acker. Den Rest würde er seinem Freund überlassen.

Durch ihre Verbindung zueinander bekam er das Nötigste mit:

Mithilfe seiner Magie nahm Isaak Bella die Schmerzen, anschließend entband er Nessi mit einem Kaiserschnitt.

Den Spitznamen, den Jake Renesmee gegeben hatte … oder müsste es heißen, den er ihr geben würde? Beziehungsweise, den Seth, der ja seine Rolle übernahm, ihr noch nicht gegeben hatte … Das war sehr verwirrend.

Egal. Der Name Nessi gefiel Jake. Auch wenn er es nicht wagte, ihn laut auszusprechen. Er wusste um die Konsequenzen. Armer Seth. Ob Jake ihn besser vorwarnen sollte? Wobei es schon fies wäre, Seth wissen zu lassen, dass Bella ihn wegen einem Spitznamen verprügeln würde, den Seth Renesmee noch gar nicht gegeben hatte und dann genau das eintreten würde. Besser Jake hielt sich da raus. Ja, das wäre wohl das Klügste.

In Vorbereitung auf diesen Tag hatte sein Freund ein magisches Skalpell angefertigt, das in der Lage war Vampirhaut zu durchdringen. Ein notwendiges Utensil bei der vergleichbar harten Fruchtblase, die das Kind schützte.

Nach der Geburt, die, wer würde es glauben, absolut reibungslos verlief, versetzte Isaak Bella in ein künstliches Koma.

“Wenn du aufwachst, bist du ein Vampir. Ganz so, wie du es wolltest, wird es Edwards Gift sein, das dich verwandelt. Ich erlaube mir nur, dir die Schmerzen der Verwandlung zu ersparen. Dann mal bis in drei Tagen. Schlaf gut.”

Es dauerte eine Weile bis sich die Vampire von dem Schock erholt hatten. Ja, sein Freund machte so etwas liebend gern. Bis zu diesem Tag wusste Jake gar nicht, dass Untote in eine Schockstarre verfallen konnten.

Keine fünf Minuten nach der Geburt des noch namenlosen Kindes, Renesmee, prägte sich Seth auf sie. Damit war die Zukunft gerettet.

Nun konnte Jake sein Leben mit Isaak genießen, an seinem Auto basteln und einen Plan aushecken, wie er die Volturi so richtig schön verarschen konnte. Das würde ein Fest werden!

*

Um die Zukunft möglichst nicht zu beeinflussen schotteten sich Jake und Isaak die nächsten Monate vollkommen ab. Seine anfängliche Freude darüber nicht mehr zur Schule gehen zu müssen und somit mehr Zeit für die wichtigen Dinge in seinem Leben zu haben, sein Freund und sein Auto, schwand augenblicklich. Natürlich hatte Isaak in diesem Punkt vorgesorgt. Die KI übernahm in dieser Zeit seinen Unterricht im Holoraum.

Alles Betteln und Jammern stieß bei seinem Liebsten auf taube Ohren, so musste sich Jake seinem Schicksal fügen. Nur noch ein Schuljahr, dann wäre dieser Unsinn endlich vorüber. Das hoffte er jedenfalls. So wie er seinen Freund kannte, würde der sicher versuchen ihn in eine Uni zu stecken. Das würde sich Isaak in die Haare schmieren können. Alles hatte Grenzen und das war eine.

Jake übergab sein Rudel in Kamdens Hände. Bisher machte sich sein Halbbruder echt gut als neuer Alpha. Während Isaak alles genau im Auge behielt, hielten sie sich aus allem raus.

Wie so oft saß Isaak in Jakes Werkstatt und meditierte. Leise sagte er dabei: “Alles fügt sich, wie es sollte.”

Seltsamerweise schien sein Liebster aber nicht froh darüber zu sein. Ohne von seiner Arbeit inne zu halten harkte Jake nach: “Das ist doch gut, oder nicht? Was ist denn dein Problem?”

Ein schweres Seufzen drang in seine Ohren. “Ich habe kein Problem mit der Situation an sich. Was mich beschäftigt ist der Umstand, dass ich nicht eingreifen muss.”

Jake blinzelte und sah zu seinem Freund. “Das verstehe ich nicht.”

“Sieh es mal so: Wenn das Schicksal sich selbst wiederherstellt, dann ist es unabänderlich. Das wiederum stellt meine Bestimmung, nein, die gesamte Existenz aller Wächter in Frage.

Sollten wir nicht dafür gebraucht werden den Lauf der Zeit zu beeinflussen, warum gibt es uns dann? Wieso können wir Wächter die Zukunft sehen, wenn wir sie nicht verändern können? Alles, an was ich und all meine Vorgänger bisher glaubten, wird durch diese Thesen in Frage gestellt.

Warum lebe ich? Was ist meine Bestimmung?”

Jake schüttelte den Kopf. Sein Liebster steuerte direkt auf eine Existenzkrise zu. “Warum gibt es uns alle? Was ist der Sinn des Lebens? Solche Fragen werden schon seit ewigen Zeiten gestellt und niemand hat bisher eine Antwort darauf gefunden. Mach dir nicht so einen Kopf. Du bist ein Lebewesen wie alle anderen auch. Muss es dafür einen Grund geben?”

Irritiert blinzelte Isaak ihn an. “Das waren weise Worte. Und du sagst, Schulbildung sei unnötig. Aber ja, du hast Recht. Es ist sinnlos seine Existenz an sich in Frage zu stellen. Dennoch werde ich das im Auge behalten und weitere Thesen aufstellen. Vielleicht wird eines fernen Tages ein Wächter geboren, der dieses Rätsel lösen kann.”

“Wie auch immer”, meinte Jake nebenbei. Solche Ding interessierten ihn nicht wirklich. Viel wichtiger war die Frage, welche Farbe das Leder im Innenraum haben sollte. In diesem Zusammenhang gab es so viel zu beachten. Zum Beispiel musste es zum Lack passen, sich aber auch ins Gesamtbild einfügen. Ein kniffliges Unterfangen.

*

Der Herbst neigte sich dem Ende und der erste Schnee blieb in Forks liegen. Die Zeit war gekommen. Da weder Jake noch Isaak auf die Kontaktversuche der anderen reagierte, hatte sich alles so entwickelt, wie es sein sollte.

Die Cullens riefen ihre Verbündeten zur Hilfe, während die Rudel geschlossen hinter Seth und Renesmee standen. Dann war der Tag der Entscheidung gekommen.

Alle Volturi mitsamt etlicher Zeugen standen den Cullens gegenüber. Die Karten waren verteilt und die Show konnte beginnen.

Carlisle öffnete den Mund, um Aro zu begrüßen. In genau diesem Augenblick hob Isaak seinen Tarnzauber auf. Bisher von allen ungesehen, erschienen nun Jake und sein Freund genau zwischen den beiden Fraktionen.

“Hi”, sagte Isaak und hob eine Hand zum Gruß in Richtung der Cullens. “Ich bin hier, um mein Versprechen einzulösen. Es besteht kein Grund zur Sorge. Die ollen Blutsauger hinter mir stellen keine Gefahr dar.”

Bei diesen Worten deutete sein Liebster mit dem Daumen über die Schulter. Demonstrativ hatten sie den Volturi den Rücken zugewandt.

Die feindlichen Vampire zischten wütend. Im nächsten Moment erschien Felix, ein Schlägertyp und Mitglied der Wache, hinter ihnen. Natürlich hatte Jake den Angreifer längst bemerkt.

In dem Augenblick da Felix die Finger nach Isaak ausstreckte, wirbelte Jake herum und packte ihn am Arm. Als wäre Felix lediglich eine Stoffpuppe schleuderte Jake ihn zurück zu seinen Herrschen. Direkt vor den drei Anführern schlug der Vampir dumpf auf den Boden, einen kleine Krater zurücklassend.

“Niemand begrabscht meinen Freund. Lass dir das eine Lehre sein, du stinkender Untoter.” Jakes Zorn war nicht einmal gespielt. Niemals würde er tatenlos daneben stehen, wenn jemand es wagte seinen Liebsten anzugrabschen. Aufgrund ihrer enormen Fähigkeiten, konnte Jake das nicht wirklich als einen Angriff ansehen.

“Hey, das war meiner”, beschwerte sich Isaak lautstark. Sein Freund bohrte Jake einen Finger in die Brust. “Der hat mich angegriffen. Such dir dein eigenes Spielzeug.”

“Du warst eben zu langsam”, stichelte Jake mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

“Frechheit.” Isaak blinzelte und schlug die Hände zusammen. “Da fällt mir noch was ein.” So schnell er konnte rannte sein Freund auf die Cullens zu. Direkt vor Bella kam er zum Stehen.

“Ich habe ganz vergessen euch euer Hochzeitsgeschenk zu geben. Hier, das ist für dich Bella und das ist für Edward.”

Fassungslos nahmen die Beiden je eine kleine Schachtel entgegen.

“Der Zauber auf den Armbändern ist permanent. Solange ihr sie tragt, könnt ihr gefahrlos in die Sonne, ohne aufzufallen. Ich wünsche viel Spaß damit.”

Kaum war die letzte Silbe verklungen stand Isaak auch schon wieder neben Jake. Durch diese kleine Showeinlage hatten sie den Volturi eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sie sich bewegen konnten. Das sollte ihnen ein wenig zu denken geben.

Gelangweilt ließ Jake den Blick über die Feinde wandern. Die Meisten schienen irritiert, oder gar geschockt zu sein. Die drei Obermotze jedoch konnten ihre Überraschung besser verstecken. Ihre steinernen Mienen ließen keine Emotionen erkennen.

“Du hast interessante Freunde, Carlisle. Willst du uns diese beiden außergewöhnlichen Herren nicht vorstellen?”, fragte Aro mit seiner samtenen Flüsterstimme.

Eine Finte, das war Jake sofort klar. Mit seinen verbesserten Sinnen bemerkte er, wie Aro mit seiner linken Hand eine kleine Geste vollzog.

Kaum merklich nickte Jane. Sie sah zu Isaak und murmelte: “Schmerz.”

Nichts passierte.

“Das ist sehr unhöflich”, tadelte sein Liebster ernst. “Ich bin immun gegen deine Fähigkeit, Jane.”

Ein klein wenig weiteten sich ihre Augen, dann fixierte sie Jake. Auch bei ihm biss sie sich die Zähne aus. Er wusste, dass er nun entsetzliche Schmerzen erleiden sollte, aber dank Isaaks magischen Anhänger war er gegen ihre Kraft abgeschirmt.

Erbost verengte Isaak die Augen. “Meinen Freund anzugreifen war ein Fehler.” Jake sah, wie sein Liebster eine Hand hob. Mit der offenen Handfläche zeigte er auf die Vampirin. “Reflektion!”

Plötzlich schrie Jane unter Höllenqualen auf. Ihr Körper verdrehte sich leicht, dann sackte sie zuckend zu Boden. Sich wie ein Aal windend, schmeckte sie nun ihre eigene Medizin.

Geschockt sahen alle zwischen Jane und Isaak hin und her. Offenbar konnte niemand glauben, was er da zu sehen bekam.

“Das reicht”, sagte Jake. Er griff nach Isaaks Arm und drückte ihn nieder.

Augenblicklich sprang Jane auf die Beine. Ihr Gesicht war wutverzerrt. “Wie kannst du es wagen?”

Hochmütig grinste Isaak sie an. “Im Gegensatz zu dir, kann ich das sogar noch steigern. Eine Kostprobe gefällig?”

Alec, Janes Bruder trat vor, er streckte die Hände gen Boden aus, während alle Wachen in Kampfstellung gingen.

“Genug”, flüsterte Aro mit erhobener Hand. “Beruhigt euch wieder.”

“Ja, Meister”, antworteten die Wachen im Chor. Sie gaben ihre Kampfhaltung auf und stellten sich wieder in Reih und Glied.

“Dürfte ich eure Namen erfahren?”, fragte Aro zuckersüß.

“Ich bin Isaak, Wächter allen Lebens”, sagte sein Liebster, mit einer angedeuteten Verbeugung.

Jake hingegen hatte nicht vor den Vampiren Honig ums Maul zu schmieren. Sie hatten zuerst angegriffen, daher sah er keinen Grund nett zu sein. Ungehalten verschränkte er die Arme vor der Brust und schnaubte: “Jake.” Mehr brauchten die Blutsauger nicht zu wissen.

“Ich bin Aro und das-”

Frech fiel Jake ihm ins Wort. “Wir wissen wer und was ihr seid. Das hier ist mein Revier. Ihr seid hier unerwünscht. Ich gebe euch eine einzige Chance: Verzieht euch, oder es wird euch leid tun.”

Jake hatte keine Lust mehr mit den Vampiren zu spielen. Besser sie beendeten das schnell. Die Jungfernfahrt seines Aston Martin DBS Coupé war viel wichtiger.

Furchtlos drehte er den Feinden den Rücken zu. Dann hob er die Arme. “Ich, Jacob Ephraim Black, wahrer Alpha der Rudel, habe eine Ankündigung zu machen:

Der Vertrag zwischen den Quileute und dem Cullen-Zirkel ist hiermit aufgehoben. Ab sofort erstreckt sich das Revier der Rudel über die gesamte Olympic Halbinsel.

Alle goldäugigen Vampiren werden als Freunde angesehen. Es steht ihnen frei unsere Grenzen unbehelligt zu passieren, sich hier aufzuhalten oder niederzulassen. Für Bella als Neugeborene gilt eine Ausnahmeregelung.

Jeder rotäugige Vampir, der ohne vorherige Erlaubnis die Grenze verletzt, wird als Feind angesehen und von den Rudeln vernichtet.

Dasselbe gilt für jeden Blutsauger, der es wagt einem Menschen innerhalb meines Reviers Schaden zuzufügen. Der Cullen-Zirkel steht ab sofort auf derselben Stufe wie normale Menschen und gilt daher als Schutzbefohlen.”

Geschlossen begannen alle Wölfe zu jaulen. Damit waren die neuen Regeln aufgestellt.

Jake wandte sich an Isaak. “Schatz, du bist dran.”

“Wie du willst. Beenden wir diesen Mummenschanz.” Mit ernstem Gesichtsausdruck sah Isaak Aro an. Dann hob sein Freund die rechte Hand. Ein Fingerschnippen später loderte eine locker fünfzig Meter hohe Feuersbrunst im Halbkreis hinter den feindlichen Vampiren hervor.

Panisch sahen sich die Untoten um. Sein Liebster hatte ihnen den Fluchtweg abgeschnitten. Die Feinde in den hinteren Reihen drängten nach vorn, weg von dem Feuer, das ihrer untoten Existenz ein Ende bereiten könnte.

Angewidert schnaubte Isaak neben ihm. “Wenn es nach mir ginge, würde ich jeden einzelnen Vampir vom Angesicht der Erde tilgen.”

Isaak verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. “Jedoch bin ich der Wächter allen Lebens. Auch wenn es mir nicht gefällt, seid ihr Untoten ein Teil der natürlichen Ordnung. Ohne einen triftigen Grund sind mir daher die Hände gebunden.”

Drohend hob sein Liebster einen Finger. “Seid gewarnt, solltet ihr es übertreiben und zu einer Bedrohung allen Lebens werden, so ist es meine Pflicht euch aufzuhalten.”

Plötzlich breitete sich eine bedrohliche Aura von Isaak aus. “Eines noch, jeder der es wagt, mich oder meinen Freund anzugreifen, hat keine Gnade zu erwarten.”

Nach dieser Ansprache schnippte Isaak lässig mit den Fingern, wodurch die Feuerwand zischend erlosch.

“Gut, dann wäre ja alles geklärt”, meinte Jake. Mit seiner Alphastimme befahl er: “Aufstellung!”

Synchron begannen alle Wölfe zu knurren. Aus den Reihen der Cullens hervortretend bildeten die Gestaldwandler eine Linie, die sich langsam auf die Volturi zubewegte.

Während Aro gelassen die Wölfe musterte, nahmen seine Zeugen Reißaus. Zurück blieben nur die Volturi selbst. Der überwiegende Teil der Wachen warf immer wieder flüchtige Blicke zu den drei Obermotzen. Jake konnte ihre Angst riechen. Die ganze Situation schien ihnen nicht geheuer zu sein.

“Wir sind gekommen, um ein abscheuliches Verbrechen zu untersuchen”, begann Aro zu intonieren. Aber Jake ließ sich nicht täuschen. Er sah genau, wie der dreckige Blutsauger Jane und Alec ein Handzeichen gab.

Die Hexerzwillige setzten sogleich ihre Kräfte ein, mussten jedoch entsetzt feststellen, dass ihre Vampirkräfte bei den Wölfen keine Wirkung zeigten.

Weil Jake der wahre Alpha war, übertrug sich die Immunität von Isaaks magischer Kette um seinen Hals auf beide Rudel. Somit hatten die Volturi ihre größte Waffe eingebüßt.

An Aros zuckenden Augen sah Jake, dass auch dieser stinkende Untote seine Situation erkannt hatte.

Isaak erhob das Wort: “Es wurde kein Verbrechen nach euren Regeln begangen. Renesmee ist kein unsterbliches Kind, sondern halb Mensch, halb Vampir. Empfangen und ausgetragen von Bella, vor ihrer Verwandlung. Ihre leiblichen Eltern sind Bella und Edward Cullen. Deine fadenscheinigen Anschuldigungen ziehen bei mir nicht, Aro.

Außerdem solltest du eines Bedenken. Renesmee Cullen ist wichtig für die Zukunft allen Lebens. Daher steht sie unter meinem persönlichen Schutz. Alle, die es wagen sich ihr oder ihrem Schicksal in den Weg zu stellen, müssen ausgelöscht werden.”

Über Isaak bildeten sich unzählige kleine Feuerbälle. “Verschwindet auf der Stelle oder verbrennt zu Asche!”

Das dies ein Bluff war, konnten die Vampire nicht wissen. Sein Liebster würde Renesmee beschützen, das stimmte. Aber er würde erst aktiv werden, wenn sie oder ihre Zukunft direkt in Gefahr waren. Aktuell, so wusste Jake durch die Gedanken seines Freundes, bestand kein Grund zum Handeln.

Die Feuerbälle waren daher reine Show. Eine eindrucksvolle Drohgebärde, die ihre Wirkung nicht verfehlte.

Beschwichtigend hob Aro die Hände. “Ich will deinen Worten glauben schenken, Isaak, Wächter allen Lebens. Da kein Verbrechen begangen wurde, gibt es keinen Grund für Feindseligkeiten.”

Dieser schmierige Lackaffe sah Jake direkt in die Augen. “Wir kamen um zu Bestrafen und gehen in Frieden. Von nun an werden wir die Grenze der Rudel respektieren. Vielleicht wird eine Zeit kommen, da wir gemeinsam über dieses Missverständnis lachen können.”

Wers glaubte, Jake sicher nicht. Der Untote hatte Schiss. All seine schönen Worte waren nichts als Schall und Rauch. Aro versuchte krampfhaft sein Gesicht zu wahren. Da kam Jake eine Idee.

Er hob eine Hand und alle Wölfe blieben stehen. Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht sprach er Aro an: “Spar dir deine Worte, Diskokugel. Sollte ich auch nur einen einzigen deiner dämlichen Lakaien in meinem Revier erwischen, dann komme ich persönlich zu dir nach Volterra und reiß dich in Stücke. Du darfst dich jetzt entfernen. Dein Gestank ist mir zuwider.”

Er ließ die Hand sinken. Gemeinsam mit den anderen Wölfen ging er auf die Volturi zu.

“Wir gehen in Frieden”, wiederholte Aro hastig. Von seiner bisher so geschmeidigen ruhigen Art war nichts mehr übrig geblieben. Wie ein Mann drehten sich alle feindlichen Vampire um und rauschten davon.

Zeit für den Schlussakkord. Jake blieb stehen und rief laut: “Verfolgt sie und stellt sicher, dass kein Untoter zurückbleibt. Sollten sie euch angreifen, vernichtet sie alle.”

Bei diesen Worten sprinteten die Wölfe in den Wald. Da Jake ganz genau wusste, dass sein Freund die Lage im Auge behielt, brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Sollen seine Wölfe doch ein wenig Spaß haben. Die Volturi würden es nicht wagen sich zu widersetzen.

Zischend erloschen die Feuerkugeln. “Damit ist mein Versprechen eingelöst. Ich bin euch nichts mehr schuldig”, sagte Isaak zu Carlisle gewandt. Er hob eine Hand und deutete an den Waldrand: “Alice und Jasper sollten gleich hier sein. Sie bringen einen weiteren Halbvampir aus dem Amazonas mit. Er wird euch so einiges zu erzählen haben.”

Anschließend sah Isaak zu Jake: “Perfektes Timing. Wenn wir uns beeilen schaffen wir es noch rechtzeitig.”

Verwirrt fragte Jake nach: “Wir haben etwas vor? Davon wusste ich nichts.” Seine Gedanken wanderten zu seinem Aston Martin DBS Coupé.

Mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht verkündete Isaak: “Ich habe mir erlaubt uns ein Candlelight Dinner im Ristorante Alle Corone zu buchen.”

Nachdenklich runzelte Jake die Stirn. “Noch nie davon gehört. Ist das in Forks?”

“Nein, in Venedig, Italien.”

Jake machte große Augen. Ein romantisches Candlelight Dinner in der Stadt der Liebe. Dagegen kam selbst die Jungfernfahrt mit dem Aston Martin nicht an. Sein Freund verblüffte ihn immer wieder.

Ohne auf die Umstehenden zu achten nahm Jake den Kopf seines Freundes in die Hände und gab ihm einen liebevollen Kuss.

Venedig, wir kommen!
 

Epilog:

Weit weg von allen Geschehnissen, versteckt in der Bibliothek der Zitadelle der Wächter, existierte ein besonderes Buch.

Seit tausenden von Jahren gingen leise Kratzgeräusche davon aus. Es klang wie eine Feder, die unaufhörlich Seite um Seite beschrieb. Gefangen in der Zeit würde es wohl nie ein Ende finden.

Plötzlich, ohne einen erkennbaren Grund, erstarb das Kratzen. Dröhnende Stille legte sich über die Bibliothek. Niemand bemerkte dieses Ereignis. Niemand interessierte sich für dieses Relikt aus der Vergangenheit.

War dies das Ende, oder der Anfang einer neuen Geschichte? Nur die Zukunft, konnte diese Frage beantworten.
 

Ende
 

____________________________________________________________________________________
 

Nach über zwei Jahren endet damit meine Geschichte: "Der Wächter"

Ich hoffe ihr hattet in all der Zeit ebenso viel Spaß dabei meine Worte zu lesen, wie ich sie zu schreiben.

Alles muss einmal ein Ende haben, doch ist dies wirklich das Ende? Mal sehen ;P

Erstmal werde ich mir eine Pause genehmigen und mich anderen Projekten widmen. Geplant ist aber eine Fortsetzung von "Der Wächter". Diese wird jedoch nicht mehr derart ausschweifend werden.
 

Ich hoffe euch hat mein Geschreibe gefallen und ich würde mich sehr über Kommentare freuen. Wenn euch mein Stil gefällt, so habe ich noch weitere Geschichten in Petto. Seht einfach auf meinem Profil nach.
 

Nun denn, alles Gute euch und auf Wiedersehen,
 

euer Autor Drachenlords.



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Von:  Tomasu
2022-05-09T16:09:29+00:00 09.05.2022 18:09
Oh man da ist er Epilog,

ich habe sein kommen freudig befürchtet. und da ist er.

Aber musstest du Alice ihren großen auftritt nehmen? das hätte ich Aro gerne noch ins Haar geschmiert, natürlich eine Version in der Issak das sagen hat und dennoch dem Buchoriginal entspricht.

Nicht das mir deine Version nicht gefallen hätte, denn sie ist toll.

Mir werde ich noch einmal die Story zu gemüte ziehen, jetzt wo ich sie an einem Stück lesen kann und freue mich auf die Fortsetzung. Bitte um eine PN, falls ich ihren Beginn überlesen sollte.

Fühl dich gedrückt für eine Gedanken und hoffendlich auf bald.

Der Treue Leser Tomasu^^
Antwort von:  Drachenlords
15.05.2022 12:38
Moin moin,

ich danke dir für all die Kommentare und, dass du mir so lange treu zur Seite gestanden hast.

Sollte es eine Fortsetzung geben, dann werde ich dich anschreiben.

Wenn du willst kannst du auch gerne mal in meine anderen Geschichten reinlesen. Aktuell arbeite ich an einer Story ohne Erotikanteil, also reine Fantasy. Auch keine FF sondern eine Eigenwerk ^^
Würde mich freuen, auch dort von dir zu hören, was du von meinen Gedanken hälst.

Dann bis dann.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-05-04T20:27:38+00:00 04.05.2022 22:27
Oh man,

ich glaube ich bevorzuge das Armband als Geschenk. Persönlich kann ich mit Autos und Fussball ncihts anfangen. Kann aber gut verstehen wenn Jake damit ein Traum in erfüllung geht. Fragt sich nur wie er die ganzen technischen Teile ins auto bekommen will. ich meine Diese neuen Autos haben doch jede menge hightech innen drinnen. Nicht so wie der alte Trabi von meiner Mama, wo selbst ich hand anlegen kann um was nachzuziehen. ^^

Na ja Jake wird sich zu helfen wissen.

Issak könnte mir eine Gemüdeliche Handarbeitsbiblotke einrichten. Mit vielen Büchern und vielen Handwerksmaetriealien ^^ Viel Wolle und garne und einer nähmaschien wo ich nicht verzweifel weil mal wieder der untere Faden verhäddert ist und ich mir die Finger breche um das wieder in Ornung zu bringen.
Ichwürde Isssak so dankbar dein. und bitte den "Babajaga"l-liege Ofen/Kamie nicht vergessen, der gehört in die Kuschelecke.


Grüße Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
08.05.2022 13:48
Hiho,

da diese Geschichte 2006 spielt, ist da noch nicht all zu viel Technik in den Autos. Zudem hat er die KI und Isaak, die Jake helfen können, bei den Sachen, von denen er keine Ahnung hat.

Ob Isaak so etwas für dich tun würde? Erstmal müsstest du ihn finden und dein Gedächtnis behalten. Zudem die KI auch selbst so etwas erstellen und bauen kann. Betrachtet man allein die Wiederherstellungsplattform, sind wohl Nähmaschinen obsolet. Aber klar, wenn das dein Hobby ist und Isaak dich mögen würde, könnte er dir sicher eine Nähmaschine bauen, die allerhand Schnickschnack hat und ohne Tadel ihren Job erledigt. Oder er lässt das von den Naniten erledigen ;P

Wie wäre es denn mit einem Holzhaus mitten im Wald, mit beachlicher Atmosphäre. Dazu dein Offen und alles andere, gebaut im Holoraum und jederzeit zu erreichen. Das wäre doch mal was für dich, oder? Dann könntest du jederzeit alles umbauen, wie du Lustig bist.

Um ehrlich zu sein, würde ich auch gerne so einen Holoraum haben. Vielleicht kannst du dir vorstellen was ich damit anstellen würde. Wie wäre es mit einem Harem hübscher Männer, einem eigenen Wolfsrudel und so vieles mehr. Sollte es so einer Technologie irgendwann mal geben, werde ich wohl dort einziehen und in meinen Fanatsiewelten leben ;P

LG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-04-26T20:07:18+00:00 26.04.2022 22:07
Moin moin,

und das in aller öffendlichkeit. ^^

Ich versteh zwar diesen schuhtick nicht aber mal hand aufs Herz oder in die Hose. aber die beiden haben einen Kanll. Diese gehypten Schuhläden, wo man tag vor campiert, die sind doch mega klein. Wer weiß wer da alles sappernd vor der umkleide war. vor allem nur mit dem Vorhang.
Na ja ich vielleicht und vielleicht noch ich ^^

Grüße und schreib bals weiter ^^
Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
01.05.2022 10:12
Moin moin,

um ehrlich zu sein, verstehe ich den Schuhtick auch nicht. Kamden wurde als Belohnung von einem meiner Betaleser erschaffen und von diesem hat er auch den Schuhtick bekommen. Ich finde es aber auch interessant, Charaktere mit verschiedenen Vorlieben zu haben - das macht das ganze Realistischer ^^

*Lach*
Du willst die beiden also bei ihrem Spielchen beobachten? Denk daran, wie Kamden reagiert hat, als Isaak ihn bat die Verbindung zu unterdrücken, damit er nicht alles mitbekommt. Ich wünsche dir viel Spaß dabei zwei wild gewordene Wölfe im Schuhladen wieder unter Kontrolle zu bringen.

So nun näheren wir uns dem Ende.
Kapitel 100 schließt ab und beendet diese lange Geschichte.
Nach so vielen Kapiteln wird es auch langsam mal Zeit ein Ende zu finden.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-04-19T09:51:28+00:00 19.04.2022 11:51
Moin moin,

die Panikattake von Issak kann ich gut verstehen. ich meine da fällt alles um einen herum zusammen und man selber sitzet auf einem Stein hinerhalb des strudels.

Und das Jake so viel Stärke zeig seine eigenen Ängste zu Gunsten seines Mannes zurück zu schieben zeig das er nicht nur der wahre Alpha ist sondern auch Mensch.

Grüße und bis bald
Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
24.04.2022 10:11
Huhu,

auch ein mächtiger Wächter ist immer noch teilweise ein Mensch, bzw so etwas macht ihn menschlicher und das ist gut so.
Jake hingegen muss eben auch mal zeigen, dass er zurückstehen kann und sich um seinen Liebsten kümmert, wenn es diesem Mal nicht so gut geht. Da wäre nur die Frage, was an seinem Verhalten tut er aus Liebe und was wird von der Bindung vorgeschrieben. Auf diese Frage werden wir wohl niemals eine Antwort bekommen, ist aber auch egal. Jake will es ja und hat mitlerweile keine Probleme mehr damit auf einen Kerl zu stehen, solange es dabei ausschließlich um Isaak geht. Alle anderen Männer gehen ihm am Arsch vorbei, wie auch alle Frauen, aber das will er ja nicht wahrhaben ^^

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-04-15T18:33:46+00:00 15.04.2022 20:33
Moin moin,

du hast es wieder geschafft. Ein Wundervolles Kapietel das mich in seinem Bann hielt und dann am ausgestrecktem Arm sabbern lässt. Du kannst dohc nicht an dieser Stelle aufhören, gerade jetzt wo es interessant wird. wo man vielleicht erähnen könnte wo Morgana kurumpiert wurde und von wem.

Ich will weiter lesen und hinter die kleinen Geheimnisse in deinem Kopf kommen. Bin zwar nicht so gut im Lesen von Gadankenlabyrinten aber habe etwas Erfahrung im erstellen von einem im Literaischen sinne.

Grüße und schöne OsterTage
Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
17.04.2022 10:11
Moin moin,

heute geht es ja weiter. Einige Dinge, die bisher im Dunkeln lagen werden nun enthüllt, aber nicht alles. Es soll ja spannend bleiben, da ich mit einer Fortsetzung plane ^^

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-04-08T07:20:23+00:00 08.04.2022 09:20
moin moin

^^ ja womit hat jake das verdient ^^ weil er mit einem "Gott" das Bett teilt. ^^

das Kpitel an sich ist wieder wunderbar ^^ der gelungene mix aus lachen schmunzeln und darüber nachdenken wie Issak wirklich funktioniert. ^^ das Mit dem Lösen der Köpfe in einer großen Gruppe muss er noch mal überdenken. einfach jemanden umfallen lassen ist schon erschreckend, wäre besser ihn sich selber setzen zu lassen und dann ab an die nervige arbeit.

Vielleicht lese ich ja noch wie die Tochter geheilt wird. oder ich denke mir die Krankheit und die heilung selber. Mal sehen

Wir lesen uns ^^

Tomasu ^^
Antwort von:  Drachenlords
10.04.2022 11:26
Huhu,

ja Isaak ist eben ein Fall für sich. Er ist es nicht gewohnt, dass seine Taten bewertet werden. Normalerweise agiert er aus dem Schatten heraus und niemand bekommt etwas mit. Das hat sich nun geändert. Mal sehen ob Jake es schafft ihm klar zu machen, dass er so etwas anders angehen sollte. ^^

Was die Tochter betrifft, so handele ich diese im nächsten Kapitel schnell ab. Viel mehr als einen Absatz hat sie aber nicht bekommen. Es gibt wichtigeres, eine am Aussterben bedrohte Froschart zum Beispiel, oder was sie mit Morgan le Fay anstellen sollen.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-04-01T19:06:36+00:00 01.04.2022 21:06
moin moin,

weiß nicht ob ich das vergessen oder das gebannte wissen haben will. villeicht das vergessen, dann vermisse ich nichts an das ich mich nicht erinnern kann.

musste soo schmunzeln wo die beiden Frauen über ihre Kleider/Autos gesprochen haben. so komisch kilesch das es schon wieder lustig ist.

Hab eine gute Zeit

TK
Antwort von:  Drachenlords
03.04.2022 08:48
Schuhu,

ich stelle mir das als eine Recht schwere Frage vor: Vergessen oder nicht.
Hm... ich würde es nicht vergessen wollen, allerdings würde ich dann auch mitspielen wollen ^^
Selbst mir so einen süßes Wölfchen zu Angeln hätte doch mal was ;P

Viel Spass beim nächsten Kapitel und lass es dir gut gehen.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-03-23T17:00:54+00:00 23.03.2022 18:00
moin moin,

ich kann nur zu gut verstehen was alles in Embry, in diesem Kapitel, durch den Kopf gegangen ist. Ich mein seinen Körper selber zu erforschen ist das eine, das von einem anderen Menschen machen zu lassen was ganz anderes.

Ich selber mag es wenn man mir leicht über die Wirbelsäule streicht, ob das meinen Erogene zone ist, weiß ich allerdings nicht. und vor allem kann ich nicht behaupten so abgegangne zu sein wie der kleine Prinz ^^

Allerdings hätte ich Kamdon richtig getretten wenn er mir an die Flanken gegangen wäre. Berührungen dort hasse ich, egal ob angezogen oder nackt. also weg von den Füssen deines Partner mein Freund


grüße bis Sonntag
TK ^^
Antwort von:  Drachenlords
03.04.2022 08:46
Huhu,

in diesem Kapitel habe ich ein wenig herumgespielt, ich wollte zeigen, dass jeder anderes ist, sowie die Unterschiede zwischen Kamden / Embry und Jake / Issak. Es freut mich zu hören, dass es dir gefallen hat.

Ja, ich mag es auch gestreichelt zu werden. Rücken und Wirbelsäule sind auch bei mir recht empfindlich. Dafür allerdings bin ich nicht kitzlig, solange ich es nicht will. Ist wie ein Schalter, den ich umlegen kann.

Jedem das seine.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-03-14T09:30:30+00:00 14.03.2022 10:30
moin moin,

och gemein, gerade jetzt wo es mega gut wird.

man kann ich verstehen was in Embry´s kopf vorgeht. anerzogene vorurteile sind mit unter schwer abzubauen, und wenn man in dieses vorurteil hinneinfällt noch viel mehr.

jeder mensch hat vorurteile, die stärke ist sie aus allen winkeln zu betrachten und neu zu bewerten.

grüße tk
Antwort von:  Drachenlords
20.03.2022 08:42
Huhu,

ich habe gerade das nächste Kapitel hochgeladen. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen, was und wie es die beiden treiben werden ^^

Das Thema Vorurteile zieht sich wie ein rotes Band durch meine Geschichte. Angefangen von der Engstirnigkeit einzelner Individuen, über Jake der sich seinen Gefühlen stellen muss bis hin zum Leuten die keine Probleme haben zu sein, wie sie sind. So langsam neigt sich diese Geschichte dem Ende zu. Das Kapitel 100 ist nicht mehr weit.

MFG
Drachenlords
Von:  Tomasu
2022-03-07T09:46:31+00:00 07.03.2022 10:46
auf ein drittes:

so erstmal das Kapitel ist sehr gut geworden, aber zum ersten Man muss ich etwas , nein nicht kretisieren, sondern nüchtern betrachten.

Geschrieben ist es sehr gut und vorallem zur story passend. Aber als es zur tierischen Fortplanzung kam, hat sich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt. Ganz plötzlich und ohne das ich erklären konnte wie ich von einer Fiktiven Geschichte zu einem rationalen, wissenschaftlichem Bericht kam.
Ich musste erste denken: hoffelich sperren sie das Kapitel wegen zoodomie nicht. Dann : bedenkt da jemand das Canidae sich anders paaren als Menschen? Dann: ja da hat jemand an das hängen gedacht

Alles im allem finde ich das Kapitel sehr gut, aber ich kann mich nicht so gut drauf konzentrien wie ich es gerne hätte.

KEIN kretik , sondern eine komisches Gefühl.

NICHTS änder, aber vielleicht noch die halbe stunde des hängens mit anängen (komische wortwahl).

Ich FREUE mich auf das nächste WE und damit auf ein weiter lesen.

Grüße und Kompliment Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
13.03.2022 13:27
Huhu,

soweit ich weiß ist Sex zwischen Tieren erlaubt. Solange keiner der Chars in der Menschenform ist, sollte das kein Problem sein. Zoophilie ist der Act, zwischen Mensch und Tier, das habe ich nicht geschrieben!

Keine Sorge ich werde nichts ändern und mir war auch klar, dass ich mit diesem Kapitel nicht jeden Ansprechen werde. Ich fand es nur logisch, dass zwei Jungspunde (im Geiste) mal so einiges Testen und Experimentieren. Da ihre Wölfische Seite ein Teil von ihnen ist, wollte ich das mit reinnehmen. Aber klar, das ist nichts für jeden.
Aber keine Sorge, das kommt nur einmal vor.

Insgesamt kommen nun noch 2 Sexszenen. Beide sind zwischen Kamden und Embry, als Menschen.

MFG
Drachenlords


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