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My Heavenly Soulmate

von

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Ich konnte meinen Ohren nicht glauben. Ich besaß die Gabe des Lebens. Hätte ich es nicht am eigenen Körper erfahren, würde ich diese Aussage nicht glauben. Überfordert fasste ich mir an den Kopf, während ich spürte, wie der Blick meiner Mutter an mir haftete. Mein Vater hingegen bewegte sich auf seinem Platz neben mir hin und her, die Arme noch immer vor der Brust verschränkt. Er war auch der erste, der nach einer sehr langen Schweigepause wieder redete.

„Die Gabe des Lebens also“, fing er an. „Beinhaltet, vermute ich jetzt mal so aus dem Blauen heraus, das Beleben von anderen“

„Beleben der Toten, ja. Es ist jedoch nicht klar, wie umfangreich die Gabe des Lebens ist, da sie noch nicht erforscht werden konnte“, erklärte mein Chef und seufzte auf. „Es ist so, dass weder die Gabe des Todes noch des Lebens normalerweise in Effekt treten. Der Schock oder der Wille ist im Endeffekt nie stark genug, um die Fähigkeit auszulösen. Und meistens sind die Wesen, die eine Tendenz dazu haben, nicht stark genug, um sie auszuführen.“

„Ich bin nicht stark“, meinte ich nur und fuhr mir mit einem bitteren Lachen durch die Haare. „Das war ich noch nie. Mir wird bei Blut schlecht. Ich komme mir nicht einmal wie ein richtiger Vampir vor“

„Das bist du aber. Und ein sehr mächtiger noch dazu. Die Kraft aufzuwenden, einen Toten zurück in die Welt der Lebenden zu holen, erfordert sehr viel Energie. Es kann sogar passieren, dass man das eigene Leben gegen das der Person eintauscht, die man retten will. Es war ein Wunder, das du lediglich für ein paar Tage ausgeschalten warst. Ein wahres Wunder“ Ich spürte regelrecht, wie meine Mutter neben mir erfror. Ich hätte mein Leben verlieren können. Durch das Trauma, welches sie während ihrer Schulzeit erlitten hat, war meine Mutter sehr schlecht auf dieses Thema anzusprechen. Sie war eine sehr strikte Frau, so viel war klar. Und ihre Erziehung war ebenso ernst und hart, wovor mich mein Vater zu beschützen versuchte. Doch war sie ebenso liebevoll und beschützerisch. Sie sah es nicht gern, wenn sich ihre Kinder verletzten oder in Gefahr begaben. Sie aus dem Nest zu lassen fiel ihr schwerer als unserem Vater. Bei Luc war der Schock besonders groß, da er noch verschwunden war. Deswegen wollte ich auch den Kontakt so gut es ging aufrecht erhalten. Diese Nachricht nun musste ein starker Schock für sie sein.

„Ihr Leben verlieren“, murmelte sie nun auch. Ich sah sie an und sie schüttelte den Kopf. „Das ist ein schlechter Witz, oder? Ein verdammt schlechter noch dazu“

„Wynne …“, wollte mein Vater sie beruhigen, doch schnellte sie mit ihrem Kopf herum und giftete ihn mit ihrem Blick an.

„Versuch es erst gar nicht, Caleb! Es geht hier um unsere Tochter, verdammt. Die, die du unbedingt wie deinen verschissenen Augapfel behüten musstest!“

„Miss Lecrune, bitte“, erhob diesmal Mister Domenicus die Stimme und hob zur Verteidigung seine Hände. „Ich weiß nicht, wie man es sonst bezeichnen soll, also sage ich es frei heraus: Dass eure Tochter bei mir gelandet ist, ist ein glücklicher Zufall. Ich werde darauf achtgeben, dass sie diese Gabe nicht anwendet. Oder anwenden muss“ Bei den letzten Worten biss er die Zähne zusammen. Ich erinnerte mich an die Gestalt, die Addie getötet hatte, konnte es aber zu keiner mir bekannten Rasse zuordnen. Und es machte Domenicus zu schaffen, zu wissen, dass sie existierte, also musste es sich um ein wirklich großes Problem handeln.
 

Meine Eltern dazu zu überreden, ruhig zu bleiben, war ein Akt, den ich uns so gar nicht zugetraut hatte. Domenicus erklärte, dass ich sicher sei, dass sie sich keine Sorgen machen müssten. Ich bejahte diese Aussagen, erklärte zudem, dass immer genügend Leute zur Stelle seien und ich meistens auch nicht allein nach Hause ging und eigentlich immer jemanden um mich hatte. Mehr oder minder zufrieden hatten sie es dann bei dem Thema belassen. Natürlich noch mit der bitteren Note, mich aus dieser Stadt abzuziehen, sollte mir irgendetwas zustoßen.

Nachdem wir sie nun verabschiedet hatten, fuhr sich mein Chef frustriert durch die Haare. Obwohl es noch nicht spät war, sah er nicht nur fertig aus, sondern auch wirklich müde. Vielleicht hatte er vergangene Nacht auch nicht richtig geschlafen, wer weiß.

„Und ich dachte, deine Mutter wäre nicht so stur, wenn es um deine Unabhängigkeit geht“, meinte er und trat zurück ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm, eine Hand mit der anderen umfasst, den Blick nach vorn gerichtet.

„Sie hat panische Angst davor, dass ihren Kindern etwas zustößt“, erklärte ich ihm, woraufhin ich ihn auch nicken sah.

„Vom Schicksal der neuesten Lecrune-Generation habe ich gehört. Glück im Unglück. Hätte die Verwandlung nicht gegriffen, wäre deine Generation nie entstanden“ Mit zusammengezogenen Brauen blickte ich meinen Chef an. Woher …? „Seraphim-Wissen. Wir müssen wissen, was in dieser Welt geschieht. Vor allem in den wichtigsten Familien.“, erklärte er auf meine unausgesprochene Frage hin. Das war wirklich gruselig. Ob Seraphim auch Gedanken lesen konnten? Nun, den Kopf konnte ich mir darüber nicht zerbrechen. Mein Chef machte sich noch einen Kaffee, während ich nach meinen Dingen schaute.

„Wenn du möchtest“, kam es halblaut aus der Küche, als Domenicus versuchte, mit mir ein Gespräch zu führen, „Kannst du noch etwas bleiben. Meine Schwester kommt dann vorbei und würde sich auch gerne nach dir erkundigen“ Seine Schwester? Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und dachte nach. Mein Boss hatte eine Schwester? Davon hatte ich auch noch nicht gehört. Und wie es schien, kannte sie mich. Sie musste mich innerhalb der drei Tage kennen gelernt haben, in denen ich nicht ansprechbar war. Das ist ja auch mal schön peinlich. Jetzt hatte ich die Wahl, einmal mit ihr zu reden, doch spielte da meine Nervosität nicht ganz mit.

„Ich würde lieber nach Hause gehen“, meinte ich nur. „Außerdem machen sich meine Mitbewohner bestimmt schon Sorgen“ Das entsprach bestimmt irgendwo der Wahrheit. Drei Tage war ich nicht zu Hause gewesen. Domenicus hatte sie sicherlich benachrichtigt, aber ich würde sie doch ganz gerne wiedersehen, damit sie sich sicher sein konnten, dass ich wieder auf den Beinen war. Meine Entscheidung wurde ohne weitere Worte akzeptiert, sodass ich nach wenigen Minuten schon auf dem Heimweg war.
 

Ohne weitere Zwischenfälle kam ich an diesem Tag daheim an. Eine Nachricht befand sich auf meinem Handy, von meinem Chef, der mir befahl, noch ein paar Tage im Haus zu bleiben und mich auszuruhen. Eigentlich fühlte ich mich schon wieder ganz gut, aber wenn er darauf bestand, konnte ich nur schlecht widersprechen.

Freudig begrüßte mich Alex und erkundigte sich sofort nach mir. Dass sie schon da war, wunderte mich doch etwas. Dennoch erwiderte ich die Umarmung überglücklich und war froh, sie zu sehen. Rene musste gerade auf der Arbeit sein, denn Neujahr lag noch ein paar Tage in der Zukunft. Dementsprechend musste ich mir darüber noch nicht den Kopf zerbrechen, auch wenn Alex schon voll in den Vorbereitungen steckte. Sie hielt sich dennoch zurück, von ihren Plänen zu sprechen, während sie sich nach mir und meiner Gesundheit erkundigte. Ich konnte ihr versichern, dass es mir den Umständen entsprechend gut ging, auch wenn das Gespräch mit meinen Eltern mich etwas mitgenommen hatte.

Mit Rene folgte dasselbe nach einigen Stunden nochmal. Nur kleiner Szenenwechsel: Wir saßen am Abend mit unserer Lieblingsserie vor dem Fernseher und sprachen, alle ihr Lieblingsgetränk in der Hand. Ich fühlte mich glatt viel wohler als bei Domenicus, was nicht zuletzt an der Tatsache lag, dass seine einschüchternde Präsenz nicht vorhanden war. Und ich hatte mit den flauschigsten Pulli angezogen, den ich hatte. Dazu eine gemütliche Jogginghose, in der ich es mir die nächsten Tage schön machen würde. Das Sofa würde ich wohl vorerst nicht verlassen.
 

Die Tage verflogen, bald musste ich noch ein paar Mal wieder auf Arbeit, bevor Neujahr vor der Tür stand und Alex beinahe vollkommen durchdrehte. Als ich ihr noch erzählte, dass Zack zu uns käme, hätte sie beinahe ihren gesamten Plan über Bord geworfen und an einem Neuen gearbeitet. Mit Ach und Krach hatte ich sie daran gehindert und wir hatten gemeinsam die Einkäufe erledigt, um pünktlich zu 0 Uhr anstoßen zu können. Dazu gehörte natürlich Alkohol, unter anderem auch Sekt, ein bisschen Knabberzeug wie Salz- und Käsestangen und Filme, die wir schauen konnten, bis es soweit war. Einer von Alex‘ Lieblingsfilmen ist gerade auf DvD erschienen, weswegen wir diesen natürlich gleich in unseren Einkaufskorb verfrachteten. Wenn wir schon mal eine Hartkopie erwerben konnten, taten wir das auch. Immerhin hatten wir keine schlechte Sammlung, nur die ganzen Dinge noch online zu haben, hatte auch seine Vorteile.

Rene, der fast eifersüchtig war, dass ich ein ‚Date‘ für den Abend hatte, besorgte sich ebenso eine Begleitung. Alexandra hatte sich dagegen entschieden, da ihre letzte Verabredung ziemlich verunglückt war. Da saßen wir am nächsten Tag da, sie beschwerte sich und heulte sich aus, während ich daneben saß und Eis aß. Normalerweise bot man zwar der Freundin das Eis an, aber für sie schmeckte es leider ja nach nichts, weswegen sie es schon von Haus aus abgelehnt hatte, sich einfach nur auf der Couch platzierte und mit ihrer Beschwerde begann. Und das artete in einer wahren Schimpftirade aus.

Rene hingegen nahm alles ziemlich locker. Der Mann, der uns am 31. Gesellschaft leisten würde, hatte er an einem Abend kennen gelernt, an welchem er mit Alois und ein paar anderen Kollegen einen trinken war, um ein gelungenes Projekt zu feiern. Da es über mehrere Monate ging und für einen schwierigen Kunden angefertigt wurde, gab es allemal einen Grund zu feiern. Ich hatte mir nur wenige Tage zuvor die Akte angesehen, an was der Mann alles etwas auszusetzen hatte und wie viel er sich über die erbrachte Arbeit beschwerte, ohne Verbesserungsvorschläge zu äußern. Eine wahrlich nervige Person, aber leider wusste ich, warum das Projekt nicht einfach abgebrochen wurde – Es brachte eine Unmenge an Geld ein. Und Domenicus schaffte es sogar, ihn zum Schweigen zu bringen. Sonst wäre vermutlich auch Alois an die Decke gegangen.
 

Mit Zack und Lavender hatte ich in den letzten Tagen nur wenig zu tun gehabt. Erst am 31. traf ich den nun blonden Vampir unten an, da wir uns verabredet hatten. Immerhin wusste er ja nicht, wie er zu uns gelangte, weswegen er mich auf dem Heimweg begleitete. Wir unterhielten uns ein wenig, er beschwerte sich über die dämlichen Gedanken einiger unserer weniger intelligenten Mitarbeiter, welche wohl bald auch ihren Platz wohl verlieren würden, da selbst Lavender die Nase voll hatte. Ich dachte eigentlich, dass ihre Methode der Einstellung idiotensicher war, aber Zack meinte nur, dass sich Leute eben änderten. Und diesen Faktor könnte keiner von ihnen bestimmten. Denn in die Zukunft zu schauen war eine verbotene Gabe, die man nicht anwenden soll.

Unser Thema ging auch zurück auf Addie. Diese schien, nach den ganzen Geschehnissen, ebenfalls erst einmal daheim geblieben zu sein. Oder bei Lavender, wie ich mitbekommen hatte. An sich erinnerte sie sich an nichts, was nach ihrem Verlassen des Gebäudes geschehen war. Und sie war so teilnahmslos wie immer, also hatte sich daran nichts geändert. Ihre Aufpasserin hatte sich bei mir bedankt, ihr das Leben gerettet zu haben. Lavender sei angeblich fast das Herz stehen geblieben, als sie von dem Zwischenfall erfahren hatte. Noch immer fragte ich mich, was es mit Addie eigentlich auf sich hatte, doch sprach ich meine Kollegin nicht darauf an. Irgendwie kam es mir so vor, als würde es mich nichts angehen. Auch wenn es mich wirklich brennend interessierte.
 

Zack pfiff anerkennend, als er das Apartment-Gebäude erblickte. Allein die Eingangstür erstaunte die meisten schon, denn diese war eine filigran verzierte, gläserne Doppeltür, die in den großen Vorsaal mit Briefkästen, Empfang und Fahrstuhl führte. Einige hatten hier auch Büro-Flats gemietet, weswegen es durchaus vorkam, dass tagsüber jemand am Empfang stand und die Leute in die richtige Etage zum richtigen Zimmer führte. Niemand wollte von Leuten gestört werden, die er überhaupt nicht kannte.

Zusammen gingen wir nun durch die Empfangshalle und zum Fahrstuhl. Dieser war erst seit kurzem wieder in Betrieb, nachdem er aufgrund technischer Schwierigkeiten mehrere Monate ausgefallen war. In Anbetracht dessen, was in diesen Monaten alles geschehen war, wahrlich unpraktisch, sonst hätte ich an dem einen Abend auch meinen Chef abwimmeln können.

Apropos Chef .. in den Tagen, an denen ich wieder zur Arbeit kam, bevor wir den 31. hatten, sah ich ihn so gut wie nie aus seinem Büro kommen. Und wenn doch, dann legte er meist nur ein paar Dokumente auf meinen Schreibtisch, gab einen kurzen Kommentar ab und verschwand dann wieder hinter der schweren Tür. Ich hatte die Tage mehr als nur einmal geseufzt, aber immerhin hatte ich noch die anderen, die mir Gesellschaft leisteten.

In unserem Stockwerk angekommen holte ich die Schlüssel heraus und öffnete die Tür zu unserem Apartment. Alex hatte bereits alles dekoriert: Von den Wänden hingen Fähnchen und Ornamente, ein paar noch geschlossene Luftschlangen hatte sie auf den Kaffeetisch gelegt, zusammen mit den Snack-Schüsseln und ein paar Becher mit Getränken.

„Coole Sache“, meinte Zack nur und räumte seine Sachen dort hin, wo ich ihm zeigte. Die Schuhe stellte er am Eingang ab und begrüßte dann erst einmal Alexandra, welche uns erst gar nicht mitbekommen hatte, da sie gerade dabei war, DvDs für den Abend rauszusuchen. Ein paar hatte sie schon auf einen Stapel neben dem Tisch gelegt, ganz oben natürlich die, die wir uns vor wenigen Tagen bestellt hatten, um sie unserer Sammlung hinzufügen zu können.

„Ich hoffe, die Auswahl gefällt dann auch allen. Wenn nicht, tja, dann müsst ihr das halt ertragen“ Alex lachte auf und sortierte die Filme wieder ein, auf die sie selber nicht wirklich Lust hatte. Die meisten hatten wir wegen ihr. Sie stand auf alles, was Action beinhaltete und ebenso ein wenig auf Horror. Rene war eher der Typ für Thriller mit einem Touch Übernatürlichen, während ich am ehesten Romanzen bevorzugte, durch mein weiches Gemüt. Aber bei einer Sache waren wir uns einig: Trickfilme konnte keiner überbieten und auch wenn sie eigentlich für Kinder sein sollten, konnte man in ihnen vor allem in der heutigen Zeit eine unglaubliche Tiefe erkennen.

„Ihr habt die Sammlung von A Game of Clubs? Krass. Die neuesten Folgen sind doch gerade erst auf DvD erschienen, oder?“ Damit machte es sich Zack auf der Couch gemütlich, während ich kurz in meinem Zimmer verschwand, um alles abzulegen. Als ich zurückkam, unterhielten wir uns ein wenig über die Serie, die anscheinend sogar viele aus dem Büro kannten und sich auch fast täglich ansahen. Dass wir nun mehr als ein Jahr auf die Veröffentlichung der letzten Staffel warten müssten, störte also noch mehr Leute, was auch zu erwarten war. Immerhin hatte A Game of Clubs eine unglaublich große Fangemeinde.

Gerade als wir so in unser Gespräch verwickelt waren – Inzwischen hatte sich auch meine beste Freundin zu uns gesellt und mich auch mal begrüßt –, öffnete sich unsere Haustür wieder und Rene samt Begleitung traten ein. Und als ich sah, wen genau er mitgebracht hatte, stand nicht nur mir der Mund weit offen. Der blonde Vampir neben mir staunte ebenso nicht schlecht, als wir Nyc Lacoy erkannten, welcher uns mit einem Lächeln zuwunk.

„Bin da, Babes!“, rief der Elf aus und musterte uns nur kurz daraufhin mit einer gehobenen Braue. „Was ist denn mit euch los?“

„Mister Lacoy ist deine Verabredung?“, hakte ich sofort nach und erhob mich, um den Geschäftspartner der Firma angemessen zu begrüßen. Doch der hochgewachsene Mann lachte nur auf und schüttelte mir die Hand.

„Nennt mich ruhig Nyc, immerhin sind wir unter uns. Und ich muss mich jetzt wirklich nicht älter fühlen, als ich es ohnehin schon bin“ Genau genommen war der älteste unter uns wohl Zack, aber das sah man ihm einfach nicht an. Tatsächlich sah der Schwarzhaarige um einiges erwachsener aus. Zurückgekämmte Haare, ein Drei-Tage-Bart und aufmerksame, blaue Augen. So genau konnte ich ihn vorher nicht betrachten, als wir uns das erste Mal auf dem Geschäftstreffen begegnet waren. Aber er war mit von Anfang an ein Recht sympathischer Mann gewesen, was sich an diesem Abend nicht als eine falsche Wahrnehmung heraus stellen sollte.

Nyc war ein Mensch, welcher sich mit den Begebenheiten der Welt auseinander gesetzt hatte und die anderen Rassen durchaus kannte. Es war natürlich nicht selten für Menschen – immerhin teilten sie sich auch Schulen, in denen darüber aufgeklärt wurde -, aber es dann doch mal von einem zu hören war eigenartig. Die meisten Menschen wussten gerade Mal, dass es Vampire gab, schenkten aber ihren langohrigen Gesellen keine große Aufmerksamkeit. Ganz zu schweigen davon, dass die anderen Rassen unter uns so gut wie nicht auffielen.

Rene musste tatsächlich einen Narren an ihm gefressen haben, so sehr wie er den Abend über an dem Älteren hing. Er strahlte unglaublich, lachte viel mehr, während ich neben Zack nur nervös war und ihn gelegentlich scheu anlächelte. Er nahm es mir zum Glück nicht übel, sah die ganze Sache etwas lockerer und lehnte sich nach einer Weile auf der Couch zurück, die Arme über die Lehne. Ich konnte Alex sehen, wie sie mir fragende Blicke zuwarf und letztlich mit den Brauen wackelte. Vielleicht war es besser, sich auf den Vampir einzulassen, auch wenn er Draculas Blutlinie entsprang. Immerhin waren wir keine nahen Verwandten …
 

Wir verbrachten den Abend mit einem eher bekannteren und oft gesehenen Film im Hintergrund, während wir uns dazu entschieden, ein paar Spiele aus dem Schrank zu kramen und uns mit diesen zu beschäftigen, damit wir uns nicht die ganze Zeit über anschwiegen. Zum einen beschäftigten wir uns mit Brettspielen, dann aber auch wieder mit Karten, wobei ich diese Art von Aktivität nie verstanden hatte. So saß ich die Zeit über, als sie Skat spielten, nur neben Zack und schaute über seine Schulter. Trotz der Tatsache, dass Alex die einzige ohne Begleiter war, störte sie sich nicht sonderlich daran und nahm den Abend locker hin. Sie scherzte mit uns und wir konzentrieren uns auch nicht zu sehr auf unsere Partner. Ha, Partner. Der Gedanke klang aber auch wirklich seltsam.

Als es nur noch wenige Minuten waren, die wir hatten, bevor wir anstießen, stand ich auf und holte die Getränke aus dem Kühlschrank und stellte die Gläser ebenso auf den kleinen Tisch im Wohnzimmer. Das Öffnen der Flasche überließen wir Nyc, das Eingießen übernahm Rene, welcher alle Gläser ungefähr gleich befüllte. Bei ihnen hoffte ich nur, dass das ganze kein böses Ende nehmen würde, sonst könnte es vermutlich noch dem Geschäft der Firma schaden. Aber so wie es aussah, verstanden sie sich prächtig und ich sah einen Ausdruck in Rene, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Auch Alex hatte mich einmal kurz zur Seite gezogen und mit mir darüber gesprochen. Es schien, als hätte sich der Elf tatsächlich verliebt. Zumindest gingen wir von seinen Blicken so aus, wussten natürlich nicht, ob er jede seiner Verabredungen so anblickte.

Was mich anging, ich war mir nicht sicher, wie ich mich irgendwem gegenüber fühlte. Mich verwirrte vieles, auch Zacks Annäherungsversuche, die mir besonders an diesem Tag nicht entgangen waren. Immer wieder, so unauffällig wie nur irgend möglich, legte er einen Arm auf die Lehne der Couch direkt hinter mir und deutete so an, diesen um mich zu legen, ohne es wirklich zu tun. Ich war doch etwas froh, als wir uns für den Countdown bis Mitternacht kurz aufteilten und uns um die Couch herum stellten, um besser anstoßen zu können. Natürlich blieb ich dabei nicht lang allein, unterhielt mich aber noch etwas mit Alex, welche sich einfach wieder hingesetzt und nach hinten gelehnt hatte, um nicht ganz so allein zu sein. An meiner Seite natürlich der blonde Vampir, welcher das Sektglas schwenkte, während wir warteten. Das Programm war bereits umgeschaltet und es dauerte nur noch wenige Minuten, bis das neue Jahr begann. Und das sollte mit einer kleinen Überraschung anfangen.

In alter Tradition zählten wir die letzten Sekunden gemeinsam mit dem digitalen Countdown herunter. Jubel, Freude und aufgeregtes Anstoßen erfolgte, Wünsche für ein Gutes Neues Jahr. Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas und verzog wie jedes Jahr das Gesicht, doch diesmal konnte ich mich nicht lang auf den Geschmack konzentrieren.

„Hey, Kätzchen“, wurde ich von der Seite angesprochen und drehte mich zu Zack, welcher mir leicht auf die Schulter getippt hatte, um meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Kaum hatte ich mich mit einem ‚Hm?‘ umgedreht, war mir dessen Gesicht unglaublich nah und ich spürte seine Lippen auf meinen. Perplex konnte ich mich zunächst nicht regen, ließ beinahe mein Glas fallen und riss die Augen auf. Das … nein. Das sollte nicht sein! Nicht nur, dass es wirklich unangenehm wurde und ich mich am liebsten zurück gezogen hätte – was ich nicht tat, da ich ihn nicht verletzen wollte – sondern mein gesamter Körper begann, sich gegen diese Nähe zu wehren! Was war das nur?! Warum war ich ihm so extrem abgeneigt in diesem Moment?! Sicher, es war eine Überraschung, aber … so reagierte man doch nicht normalerweise darauf, oder? Langsam löste Zack den Kuss, sah mich mit ruhigen Augen an, bevor er ein trauriges Lächeln auflegte.

„Ich habe wohl schon verloren, wie?“, meinte er leise zu mir und blickte dann auf sein Sektglas. „Ich hätte mich besser beeilen sollen … Mist“

„Z-Zu … zu spät? Was? N-Nein, ich .. ich meine …“, stotterte ich und legte die Finger an meine Lippen, versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Ich hatte eine unglaubliche Gänsehaut und mein Magen begann, zu rebellieren. Das war nicht mein erster Kuss gewesen, aber zuvor hatte ich nie derartig darauf reagiert. Vielleicht, weil er aus derselben Blutlinie stammt? „Es tut mir leid, ich wollte nicht .. Ich … Ich weiß nicht, warum …“ Der Vampir winkte nur ab und lächelte, doch berührte es seine Augen nicht. Er sah sehr traurig aus, mitgenommen durch die Abfuhr, die durch meine Reaktion entstanden war. Ich hatte ihn nicht einmal verbal abserviert. Das hatte mein Körper für mich übernommen und es tat mir wirklich unglaublich leid. Betroffen zog ich die Brauen zusammen und ging ihm erst einmal aus dem Weg …
 

„Zack hat dich geküsst?“, fragte mich Alex am nächsten Tag, als wir unsere Wohnung aufräumten und ich mich endlich dazu entschloss, mein Herz zu erleichtern. Ich seufzte und nickte auf ihre Nachfrage hin.

„So irgendwie aus dem Nichts. Ich hatte es nicht erwartet und ganz plötzlich waren einfach seine Lippen auf meinen. Noch nie zuvor hat mich etwas derartig abgeschreckt und … aus irgendeinem Grund angewidert“, erklärte ich ihr und stellte Gläser, Besteck, Schüssel und Teller in die Spülmaschine. Meine Verabredung hatte sich kurz nach Mitternacht dazu entschieden, zu gehen. Nyc hingegen war die Nacht bei uns geblieben und bis jetzt noch mit Rene in dessen Zimmer, vermutlich schliefen sie noch. Zumindest konnten wir keine Geräusche vernehmen. Und für gewöhnlich war unser Gehör doch recht sensibel.

„Also hat er es sich echt getraut. Und dich hat es angewidert? Mies, Allie. Echt mies“

„Ich wollte das nicht mal so! Das .. das war einfach eine echt unangenehme Situation und mein Körper hat sich dem Kontakt derartig widersträubt, dass ich nicht wusste, wie mir geschah. Mir wurde richtig schlecht … Dabei kann ich ihn doch ganz gut leiden! Zack ist ein super Kerl!“

„Also war es dein Unterbewusstsein, dass ihn so stark abgelehnt hat?“

„Ich glaube, ja …“ Ein erneutes Seufzen entwich meinen Lippen und ich sortierte die Deko wieder in die Kisten, sodass wir sie eventuell für nächstes Jahr aufheben konnten. Über das Schicksal des Schmuckes würde halt unsere Party-Koordinatorin entscheiden.

„Davon hab ich auch noch nie gehört. Ihr seid doch Freunde, meintest du. Und du hast auch nichts dagegen, ihn zu umarmen?“, hakte Alex weiter nach, nahm mir die Kiste ab, um sie auf einem der Schränke zu verstauen.

„Gar nicht! Gegen die Umarmungen hatte ich nie etwas.“

„Aber gegen den Kuss. Echt seltsam“ Nun zuckte sie mit den Schultern, verstaute noch den Rest der Deko, bevor wir es uns auf der Couch gemütlich machten und zur Ablenkung ein paar Videos schauten, bis Rene schließlich aus seinem Zimmer geschlichen kam. Alexandra war die erste, die sich mit einem breiten Grinsen umdrehte und den Kopf auf die Lehne legte, während sie mit ihm sprach.

„Noch ne gute Nacht gehabt?“, schnurrte sie ihn an. Auch ich drehte mich um und musterte unseren besten Freund, welcher verschlafen mit halb geöffneten Augen und verwuschelten Haaren im Wohnzimmer stand. Er kratzte sich an der Wange, bevor sich ein breites Grinsen auf seine Lippen schlich.

„Ich habe ziemlich gut geschlafen, ja.“, antwortete er und begab sich in die Küche, um sich seinen morgendlichen Kaffee zu machen. „Und nein, wir haben’s nicht getan, bevor du fragst, Schätzchen. Tatsächlich würde ich es doch anders bevorzugen“ Das waren ganz andere Worte aus seinem Mund, halleluja! Verwundert blickten wir uns gegenseitig an, bevor wir kicherten und uns etwas über ihn lustig machten. Zumindest so lang, bis Nyc aus seinem Zimmer kam, vollständig angezogen und frisch gemacht. Lediglich seine Haare hingen ihm nun zum Teil ins Gesicht, da er sie sich nicht nach hinten gekämmt hatte. Mit einem Lächeln wünschte er uns einen Guten Morgen, bevor er sich zu Rene gesellte, sein Kinn anhob und ihm doch tatsächlich einen Kuss gab! Alex und ich quietschten auf, sollten das vermutlich nicht beobachten, konnten unsere Augen aber auch nicht von den zweien lösen. Den Firmenchef schien das nicht zu stören, denn sein Blick hing nach wie vor an dem Elf, welcher ihn verträumt anlächelte.

„Danke, dass ich hier übernachten durfte. Ich muss aber leider los …“, raunte er dem anderen zu und entfernte sich langsam. Man hörte heraus, dass er gerade erst wach geworden war, denn seine Stimme war ein paar Oktaven tiefer als ich es bereits gewohnt war. Rene nickte ihm zu, geleitete ihn dann auch so zur Tür, wie er gerade angezogen war: Lediglich mit einem Shirt und seinen Boxershorts bekleidet. Wieso konnte ich mir nur allzu gut vorstellen, dass das seinem Partner gefiel, hm? Wir warteten, bis die Tür geschlossen war, bevor wir aufschrien und Rene zu uns auf die Couch zogen, damit er uns seine Geschichte erzählte.
 

Neujahr wurde nur von einem Feiertag begleitet und so mussten wir am 2. Januar wieder auf Arbeit zurück. Wir wünschten unseren Kollegen noch ein neues Jahr und unterhielten uns in der Lobby mit Addie und Lavender. Anscheinend hatte auch die Violett-Haarige über die Tage noch ein Date erhaschen können und ein aufregendes Neujahr erlebt, während Adeline noch immer Probleme damit hatte, sich im Leben zurecht zu finden. Manchmal fragte ich mich tatsächlich, ob sie eigentlich einen Partner hatte. Schlecht sah sie ja nicht aus, nur ihre Art konnte etwas anstrengend sein. Aber gab es nicht Leute, die einen Fetisch dafür hatten?

Als wir uns zu viert – oder zu dritt – so unterhielten, kam uns ein weiterer Kollege entgegen: Zack, welcher erst am Vortag noch bei uns war, aber nur mit einer kurzen Verabschiedung gegangen war. Er begrüßte Rene und Lavender mit einer Umarmung, bevor er mich hinter den beiden entdeckte. Und mit einem Mal schwand sein Lächeln. Er zögerte, das sah ich ihm an, doch dann ging er einfach an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusprechen. Mir rutschte mein Herz in die Hose. Ich hatte ihn wirklich verletzt. Hatte ich mit der Reaktion nun unsere Freundschaft zerstört?

„Was war denn das?“, fragte Lavender sofort nach und musterte mit eindringlich. Ich hingegen ließ Schultern und Kopf hängen. Vermutlich hasste er mich nun. Ganz klasse.

„Etwas was ich vermutlich verdient habe …“, meinte ich nur, ohne mich weiter zu erklären und begab mich schließlich an meinen Arbeitsplatz, um mich abzulenken. Immerhin sprach Domenicus ausnahmsweise wieder mit mir, was mich etwas erleichterte. Aber das Stechen in meiner Brust wollte nicht verschwinden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Narudia
2020-02-20T11:34:23+00:00 20.02.2020 12:34
heyho,

schön endlich ein neues Kapitel und dann gleich ein so verwirrendes. Also so richtig Abneigung zu empfinden übel vor allem da sie ja schon freunde sind. er tut mir schon leid aber es war ja nichts bewusstes und sie war ja selbst sehr überrascht von dem ganzen. ich bin gespannt auf die Ursache und was er meinte mit zu spät als ob er mehr wüsste. freue mich schon sehr aufs nächste kapitel.

gruß
Narudia
Von:  Manulu420
2020-02-18T22:27:47+00:00 18.02.2020 23:27
Ein neues Kapitel endlich!*_*
Ich liebe den ersten Band und bin echt gespannt, wie diese Geschichte weiter geht, bitte lass sie nicht einschlafen...
Antwort von:  Thane
18.02.2020 23:28
Ich geb mein bestes xD


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