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My Heavenly Soulmate

von

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Die Straßen waren nur noch spärlich belichtet, um Strom zu sparen. In einer großen Stadt kam es zwar selten vor, dass die Laternen abgedreht wurden, aber dennoch passierte es. Oder es lag an einem Kurzschluss, aber das würde ich wohl nie herausfinden. Interessieren tat es mich auch nicht wirklich. Ich konzentrierte mich lieber auf den Weg vor mir, setzte einen Fuß vor den anderen und dachte noch einmal über den Abend nach. Während Alex es tatsächlich geschafft hatte, sich jemanden zu schnappen und sogar Rene so schien, als würde er an jemanden Interesse finden, bestand mein einziger Erfolg darin, mich vor meinem Chef lächerlich zu machen. Oh, und ich habe mich halbwegs mit Zack zu Neujahr verabredet. Halbwegs. Immerhin würde das Treffen in unserem Apartment und vermutlich unter der Anwesenheit von meinen beiden Freunden stattfinden, aber das störte mich wohl weniger als ihn. Außerdem habe ich ihn mit meinem Vorschlag nicht vollständig abgelehnt.

Zum vierten Mal versicherte ich mich bereits, alles in meiner Tasche zu haben. Währenddessen spitzte ich die Ohren, denn obwohl es selten vorkam, dass in dieser Ecke der Stadt etwas geschah, so war es um diese Uhrzeit nicht unmöglich. Normalerweise würde ich auch zu dieser Zeit das Haus nicht mehr verlassen, aber nach einer Feier in der Firma zu übernachten war eine andere Angelegenheit, als nach einigen Überstunden Arbeit.

Ich kam an der wohl gefährlichsten Passage vorbei. Eine kleine, eher unauffällige Gasse neben einem Pub, das ich bislang nicht betreten habe. Das Neon-Schild leuchtete auf, weswegen ich eine Weile lang meinen Schatten musterte, wie er über die Steine huschte, erst unter meinen Füßen war und dann immer größer wurde. Und je größer er wurde, desto lauter drang ein Geräusch in meine Ohren. Es kam aus dieser ominösen Gasse, die ich bislang immer gemieden hatte. Ich wusste nicht, was über mich kam. Vorsichtig näherte ich mich dem Geräusch, es klang, als würde man eine Klinge ins Fleisch rammen und wieder rausziehen. Immer und immer wieder. Mir stellten sich bereits die Nackenhaare auf, als ich um die Ecke blickte und eine schwarze Gestalt über einer am Boden liegenden Person stehen sah. Es atmete schwer, ein knöcherner Flügel schliff auf dem Boden. Das Gegenstück dazu türmte schwarz nach oben und blickte jegliche Sicht auf das Wesen. Ein Engel war es nicht, denn sie würden es nicht wagen, unrein zu werden. Es atmete schwer und hielt eine Waffe in der Hand. An der Bewegung des Armes konnte ich erkennen, dass es immer wieder zustach. Ein animalisches Knurren entwich dem Unbekannten und ich hielt bereits die Luft an, um nicht aufzufallen. Nicht einmal Mondlicht konnte die Gestalt erhellen. Sie drehte langsam den Kopf, doch ich konnte nicht viel erkennen. Außerdem hatte ich ganz andere Sorgen. Ob es mich bemerkt hat? Ich zog mich etwas zurück, jedoch nicht, ohne den Blick abzuwenden. Langsam stellte es sich neben die Person. Eine Frau lag am Boden, mehrere große Stichwunden waren über ihren Körper verteilt und der Geruch von Blut stieg mir in die Nase. Ich musste mich zusammen reißen, nicht einfach umzufallen. Dieser Instinkt rückte in den Hintergrund, als ich erkannte, wer dort ermordet wurde. Adeline! Mir wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. Diese Kreatur, was auch immer sie war, musste hinter der Drohung stecken. Und nicht nur das! Es hatte sie in die Tat umgesetzt! Mir wurde mit einem Mal schlecht. Nicht von dem Geruch, sondern mehr von der Tatsache, was gerade geschehen war. Addie war tot. Und das dafür verantwortliche Wesen stand noch immer da und sah sich um. Langsam bewegte es sich in die entgegen gesetzte Richtung, weg von mir, ohne zu achten, wo es hintrat. Kaum war es aus meinem Sichtfeld verschwunden, eilte ich zu Addie’s Körper herüber und berührte sie an den Schultern. Sie war noch nicht kalt, aber dennoch leblos. Unter ihr hatte sich eine riesige Blutlache gebildet, welche anfing, meinen Kopf zum Drehen zu bringen. Nein. Ich durfte mich davon jetzt nicht unterkriegen lassen. Vorsichtig legte ich eine Hand über die größere Wunde auf ihrem Bauch. Das Biest musste mehrmals zugeschlagen haben. Ich verkrampfte meine Hand, unterdrückte die Tränen, die sich in meinen Augen bildeten. Gleichzeitig durchströmte mich eine eigenartige Energie. Ich spürte, wie sie von meinen Händen aus durch meinen Körper wanderte und meine Nervenstränge kitzelte. Instinktiv legte ich meine Hände auf ihre Wunden, als würde jemand anderes beginnen, mich zu steuern. Mich überkam eine Macht. Ohne zu wissen, was ich tat, hockte ich bei der Leiche, beide Hände auf sie gepresst und ließ die Energie mich leiten. Sie wanderte von meinem Rücken zurück in meine Hände. Diesmal konnte ich einen weißlichen Schimmer in meinen Adern erkennen. Pulsierend fuhr er immer wieder in meine Hände, bis diese anfingen zu Glühen und dieses Leuchten an Addies leblosen Körper weitergaben. Nach und nach schlossen sich die Wunden, angefangen bei der kleinsten. Mir zog es mehr und mehr Kraft, doch das kümmerte mich in dem Moment nicht. Während ich begann, nach vorn zu kippen, spürte ich, dass sich unter mir die vorher tote Frau wieder zum Leben erwachte. Ihre Wunden waren verschwunden, aber weder sie noch ich außer Gefahr. Ich hörte die schlürfenden Schritte der Kreatur, doch erkennen konnte ich nichts mehr. Meine Sicht verschwamm, ohne dass ich das Bewusstsein verlor. Ich hörte noch klar, fühlte noch alles. Auch den Luftzug der angehobenen Waffe über mir. Vor mir erkannte ich zwei knochig dünne Beine, welche die Gestalt halten mussten. Ich machte mich auf mein Ende gefasst, als mit einem mal ein gleißendes Licht das Monster zum Schreien und Taumeln brachte. Es wich zurück, ließ die Waffe fallen, welche sich in Staub auflöste. Vor mir platzierte sich nun eine neue Gestalt. Bekleidet in einem weißen Umhang mit goldener Musterung türmte ein Engel mit 6 Flügeln über Addie und mir, schlug das Biest in die Flucht. Gefallen tat dem Fremden das zwar nicht, aber es musste wohl genügen. Ich lag inzwischen über Adeline, hatte sie schützend unter mich genommen, in der Hoffnung, die Klinge hätte dann nur mich erwischt. Das hatte sich nun auch erledigt. Das Licht nahm ab, ich hörte eine Stimme, welche immer näher kam. Zwei Hände umfassten meine Arme und lösten mich langsam vom Körper meiner Kollegin. Sie atmete wieder, ich hatte es gespürt. Sie lebte. Ich wusste nicht wie, aber sie tat es.
 

„Lecrune?“, drang eine mir sehr vertraute Stimme an meine Ohren. Domenicus? Ah, das machte Sinn. Als Wächter dieser Welt musste er eine Störung mitbekommen haben. Ich wollte Antworten, doch fehlte mir dazu einfach die Kraft. Ich hatte meine Augen nur noch halb geöffnet, merkte, wie ich langsam an etwas Seidenes gelehnt wurde. Die Kleidung, die er auf einmal trug, musste sich unglaublich anfühlen. „Scheiße.“ Ein Seraphim der fluchte, eine wirklich lustige Vorstellung. Kurz zuckten meine Mundwinkel nach oben, bevor eine eigenartige Flüssigkeit meine Lippen benetzte. Ich kannte Geschmack und Geruch und sofort setzten meine Instinkte wieder ein. Ich öffnete den Mund, nahm mit der Zunge alles auf, was ich nehmen konnte. Aber meinem Körper reichte es nicht. Ich griff nach seiner Hand, umfasste mit einer meiner Hände sein Handgelenk, mit der anderen seine Finger, und biss einfach zu. Er zischte und fluchte erneut, machte aber keine Anstalten, mir sie wieder zu entreißen. Und ich, ich trank einfach, ohne darüber nachzudenken. Das erste Mal seit 18 Jahren nahm ich wie ein normaler Vampir Blut zu mir. Und das Gefühl war wirklich unglaublich. Mein gesamter Körper erhitzte sich, es kribbelte an jedem Nervenende. Atmen fiel mir schwerer, blieb mir fast weg. Umso mehr umklammerte ich sein Handgelenk, bis er versuchte, meine Zähne aus seiner Haut zu lösen. Ich gab nach, sank zurück gegen ihn. Der Seraphim legte einen Arm um mich, um mich zu stützen. Aber nichts konnte mich mehr oben halten. Obwohl ich wieder genügend Energie haben sollte, wollte mein Körper nicht mehr. Er schaltete ab.
 

Ich befand mich auf etwas weichem, fast flauschig. Etwas anderes drückte mich runter, stellte aber keine große Herausforderung zum Wegschieben dar. Als ich mich drehte, regte es sich ebenfalls und bewegte sich mit mir. Weich und warm. Eine Decke? Ein Griff bestätigte meine Annahme. Also befand ich mich wohlmöglich in einem Bett. Ächzend drehte ich mich auf die Seite und rollte mich ein. Schlaf holte mich nicht wieder, dafür verspürte ich ein unangenehmes Stechen in meiner Magengegend. Hatte ich nicht erst Blut zu mir genommen? Armut zeigte sich bei mir nach den ersten Wochen durch ein Stechen. Es war eigenartig, aber so war es nun mal. Ich versuchte es zu ignorieren, legte eine Hand auf meinen Magen, dennoch driftete ich nicht ins Land der Träume ab. Also entschloss ich mich dazu, die Augen zu öffnen. Begrüßt wurde ich von einer dunkelbraunen Farbe. Die Textur sah rau aus, stellte sich aber als doch recht weich heraus, als ich mit meiner Hand darüber fuhr. Unbekannt war es mir dennoch. Als ich mich aufrichtete, merkte ich, dass lediglich ein kleines Licht für Helligkeit im Raum sorgte. Wo war ich überhaupt? Und wie spät war es? Mein Apartment war es nicht, so viel erkannte ich heraus. Ich musste mich in einer Art Wohnzimmer befinden. Das Möbelstück, auf dem ich nun saß, war eine wohl ausgeklappte oder sehr geräumige Couch, überzogen mit einem Laken. Unter meinem Kopf hatte sich ein Kissen befunden, über mir eine Decke, beide in einem Dunkelblauen Ton und ohne nennenswerte Musterung. An sich war die Decke weich, nicht sonderlich dick, trotz dessen, dass der Raum alles andere als warm war. Genügend Wärme spendierte sie dennoch, was wohl eher daran lag, da mir als Vampir Kälte nichts ausmachte. Bei wem auch immer ich war, derjenige musste wissen, was ich war. Oder aber er oder sie hatte keine andere Decke mehr übrig.

Langsam schwang ich die Beine über die Kante und bemerkte, dass ich nicht mehr in der Kleidung war, mit der ich die Feier verlassen hatte. Meine Beine waren gar nicht mehr bedeckt, jedoch bis zu meinen Waden reichte ein langes T-Shirt. Eindeutig keines für Frauen. Also befand ich mich bei einem Mann. Bei wem? Als ich versuchte, mich zu erinnern, verschwamm alles vor mir. Ich hatte kaum noch eine Erinnerung an den vergangenen Abend und die Nacht darauf. Ein Klirren holte mich aus meinen Gedanken. Ich spitzte meine Lauscher. Das Geräusch war links von mir, weswegen ich den Kopf drehte und die Quelle des kleinen Lichtes entdeckte. Es entstammt aus einem anderen Raum, angrenzend an dieses Wohnzimmer und drang durch einen kleinen Spalt zwischen Türrahmen und dazugehöriger Tür. Nur kurze Zeit später begann ein mir nur zu bekanntes Rattern. So klang nämlich unsere kleine Wundermaschine, die Kaffee und Kakao zubereiten konnte, wenn sie arbeitete. Ich kannte doch jemanden, der die Gleiche hatte. Aber … konnte das wirklich sein? Der Gedanke beschämte mich geradewegs, noch dazu musste er mich umgezogen haben. Ich konnte mich nicht daran entsinnen, die Kleidung gewechselt zu haben. Oh Gott.

Das Stechen in meinem Magen wurde stärker. Vor Schmerz aufstöhnend beugte ich mich nach vorn, versuchte eine Art Kugel mit meinem Körper zu bilden, um etwas Wärme in die Gegend zu leiten. Es ertönten Schritte von nebenan und der kleine lichtspendende Spalt vergrößerte sich, wurde aber durch einen Schatten blockiert. Trotz dessen konnte ich ihn erkennen. Aeneas Domenicus mit seinen langen offenen Haaren, Pullover und weiten Hosen. Er sah selber noch nicht allzu munter aus, geschweige denn begeistert. Obwohl, tat er das jemals?

„Eh … Morgen“

„Morgen. Wird aber auch mal Zeit, dass du aufwachst“ Er streckte sich, hielt sich beim Gähnen eine Hand vor den Mund. Schliefen Seraphim wirklich, um Energie zurück zu gewinnen? Gutmöglich, wenn ich so darüber nachdachte. Es war ja auch nicht selten, dass er Nickerchen in seinem Büro hielt, bei denen ich ihn definitiv nicht mehr stören werde.

„Es wird mal Zeit? Wie spät ist es denn?“

„Solltest du nicht eher fragen, welcher Tag?“ Tag?

„Wollen Sie mir etwa sagen …“

„Du warst drei Tage nicht ansprechbar, Lecrune“ Drei Tage?! Während Domenicus nach dem ertönen des Pieptones der Maschine wieder in der vermutlichen Küche verschwand, musste ich mir erstmal über seine Worte klar werden. Drei Tage war ich ausgeknocked, das hatte ich nicht erwartet. Das hieß, dass ich bereits drei Tage auf diesem Sofa gelegen haben musste. Ich fasste mir in die Haare und tatsächlich. So eklig haben sie sich ewig nicht angefühlt, nicht seitdem ich meine wissenschaftlichen Arbeiten erarbeiten musste. Da gab es eine Zeit, in der habe ich mein Zimmer nicht verlassen und mich dementsprechend nur wenig um mich gekümmert. Kurz gesagt: Ich fühlte mich widerlich und viel an hatte ich auch nicht unbedingt.

„Was ist überhaupt passiert?“, fragte ich den Seraphim, nachdem er wieder in das Wohnzimmer kam. Neben der Tür zur Küche befand sich ein Lichtschalter, welchen er betätigte, um nun auch diesen Ort zu erhellen. Mit einer Tasse in der Hand setzte er sich auf den Sessel, welcher sich auf der linken Seite vor der Couch befand, vor einem kleinen Tisch, auf welchem nichts weiter als eine leere Schüssel stand. Wieso war sie überhaupt da? Das sollte mich eigentlich gar nicht interessieren, aber solche kleinen unnötigen Details fielen mir meist sehr schnell auf.

„Du erinnerst dich nicht?“ Mit gehobener Braue musterte er mich und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Ich hingegen schüttelte nur den Kopf.

„Nein. Ich glaube, ich wollte nach Hause. Da verschwimmt aber auch alles“

„Du warst auch auf dem Weg. Aber ich erklär das später. Ich denke mal, du hast andere Probleme“

„So ziemlich“, gab ich eher kleinlaut zu, hatte bereits beide Hände auf meinem Magen. Der Seraphim erhob sich, nur, um neben mir Platz zu finden und mir seinen Arm hinzuhalten. Verwirrt musterte ich diesen erst, dann den Mann, dem er gehörte.

„Es ist nicht so, als würdest du mich das erste Mal beißen“ Erneut trank er aus der Tasse in seiner anderen Hand, stellte diese dann ab. Ich hatte ihn gebissen? So etwas habe ich vergessen! Wie nur? Sein Blut unterschied sich auf mehreren Ebenen von menschlichem Blut, da kann ich doch schlecht vergessen haben, es zu trinken. Etwas in mir wollte aber, dass ich es von ihm nahm. Es regte sich in mir, verlangte danach, und ich, schwach wie ich war, gab diesem Verlangen nach. Vorsichtig streifte ich seinen Ärmel etwas nach hinten und biss zu. Er zuckte kurz, entspannte dann aber seinen Arm, während ich immer wieder kleine Schlucke von ihm nahm. Langsam überkam mich ein bekanntes Gefühl. Mir wurde warm, beinahe heiß. Meine Nervenenden kribbelten, während ich versuchte, mich zusammen zu reißen. Mein Kopf wurde langsam leer, dieses Trinken war wirklich eigenartig. Das Stechen nahm ab und als es verschwunden war, zog ich meine Zähne zurück. Mit der Zunge fuhr ich mir über die Lippen, eher instinktiv, bevor mir auffiel, dass die Augen meines Chefs auf mir lagen. Hoffentlich hatte er das nicht falsch gesehen. Ich versuchte nur, keinen Tropfen zu verschwenden. Er hatte eine Hand vor dem Mund, sein Gesicht war leicht gerötet.

„Euer Gift wirkt wirklich eigenartig. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich auch betrifft …“ Ah ja … Vampire verwendeten ja ein spezielles Gift, um ihren Opfern ein gutes Gefühl zu bescheren. Als ich endlich verstand, was er meinte, rückte ich ein Stück von ihm weg.

„Uhm! Tut mir leid“, brachte ich heraus und friemelte am Saum des T-Shirts herum. Das musste wohl auch ihm gehören. „Wie … uhm … komm ich überhaupt zu den Sachen?“

„Ich konnte dich ja wohl schlecht drei Tage in deiner anderen Kleidung schlafen lassen, oder?“, kam die Frage zurück.  Domenicus atmete tief durch, fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht, bevor seine Aufmerksamkeit wieder dem Kaffee galt. „Lavender hat dich umgezogen, also ganz ruhig.“ Okay, das beruhigte mich tatsächlich etwas. Ich seufzte erleichtert, ließ den Rand in Ruhe, um ihn nicht auszuleiern.

„Dürfte ich vielleicht das Bad benutzen ..?“, fragte ich vorsichtig nach. Er nickte.

„Deine Sachen sind auch dort“, fügte er nur hinzu. Als ich aufstand, folgte er mir noch, wohl um mir noch etwas zurecht zu legen, damit ich nicht selber danach suchen musste. Also stellte er die Tasse wieder ab und kam mit ins Bad. Es war schon geräumig, wenn man es betrat, befand sich auf der rechten Seite eine kleine Thekenreihe mit Waschbecken und darüber angebracht ein Spiegel. Unweit davon die Toilette. Angebracht an der Wand auf der linken Seite befand sich eine großflächige Dusche, die geradezu zum Ausrutschen einlud. Klasse. An die Scheibe der Dusche angelehnt befand sich ein Schrank, aus welchem Domenicus zwei Handtücher heraus holte und über eine Halterung in der Nähe der Dusche hing, sodass man leicht hin greifen konnte. Noch etwas weiter vorn, fast neben uns, befand sich eine Waschmaschine und darauf meine zusammengelegten Sachen von der Feier … von vor drei Tagen. Ich konnte es immer noch nicht glauben.

„Danke“ Ich verbeugte mich leicht aus Respekt vor ihm.

„Lass dir Zeit“, meinte er noch. „Wenn du fertig bist, reden wir“ Das würde ich brauchen. Klarheit über das, was passiert war. Denn bislang, egal wie viel ich darüber nachdachte, nichts wollte zu mir zurückkommen, keine einzige Erinnerung. Ich nickte ihm als Antwort nur zu und er verließ das Bad. Ich konnte mir Zeit lassen. Das würde ich auch. Ich musste mir natürlich anschauen, was ich benutzen konnte, ohne dass ich Tage lang nach ihm riechen würde. Überraschender Weise verfügte er über Damenshampoo und –haarwäsche, was das Ganze etwas einfacher machte. Ich wollte gar nicht hinterfragen, warum. Es ging mich auch nichts an. Ich entschied mich lediglich dazu, es zu meinen Gunsten zu nutzen, legte die Sachen ab und drehte das warme Wasser auf.
 

Zurück in meinen alten, frisch gewaschenen Sachen, fühlte ich mich doch gleich viel besser. Meine Haare trocknete ich so gut es ging, hing mir ein kleineres Handtuch um die Schultern, damit mein Rücken nicht zu nass wurde. So ging ich zurück ins Wohnzimmer, welches etwas den Gang entlang auf der anderen Seite lag. Domenicus war dort nicht mehr anzufinden, weswegen ich mir herausnahm, mich etwas umzusehen. Eigentlich suchte ich einfach nur nach einer Uhr. Die Sonne war inzwischen aufgegangen, also schaltete ich gleich auch die unnötigen Lichter aus. 9:23Uhr. Okay, das war annehmbar. Was wohl meine Freunde gerade dachten. Drei Tage war ich ja förmlich verschwunden! Um eine Krankmeldung musste ich mir zum Glück keine Gedanken machen – Verdammt, ich war gerade bei demjenigen, bei dem ich mich hätte abmelden müssen. Apropos, müsste er nicht längst auf der Arbeit sein? Kaum dachte ich an ihn, kam er den Gang entlang. Zuerst hörte ich seine Schritte, dann seine Stimme. Er redete mit jemanden, war also vermutlich am Telefon. Da es mich nichts anging, beachtete ich das Gespräch nicht und stand eigenartig in der Mitte des Wohnzimmers, bevor ich mich dazu entschloss, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Kaum hatte ich das getan, klingelte es an der Tür. Was für ein Timing.

„Kannst du bitte gehen?“, fragte mich Domenicus, noch immer mit dem Handy am Ohr, als er das Zimmer betrat. Verwirrt hob ich eine Braue. „Ja, du. Bitte. Ich kann grad nicht. Was? Nein, ich rede nicht mit dir. Du kannst heute immer noch vorbei kommen, ja“ Er wechselte zwischen mir als Gesprächspartner zu demjenigen am anderen Ende der Verbindung binnen weniger Sekunden. Da er das Gespräch allerdings wirklich nicht abbrechen konnte, stand ich auf und ging an die Tür. Immerhin hatte er mir vorhin die Erlaubnis erteilt.

„Mister Domenicus kann gerade nicht an die Tür-„, entgegnete ich denjenigen davor und stockte mitten im Satz, als ich meinen Kopf hob. „Mum? Dad?“

„Allendra Nara Lecrune!“ Oh je, meine Mutter war sauer. Oder irgendetwas war passiert. Sonst nutzte sie nie meinen vollen Namen. Hilfesuchend blickte ich meinen Vater an, welcher mir nur aufmunternd entgegen lächeln konnte. Keine große Hilfe!

„Heeey Mum. Wie geht’s dir denn so?“

„Mir würde es besser gehen, wenn ich nicht von irgendjemandem den Anruf bekommen hätte, dass er meine Tochter ohnmächtig aus einer Gasse auflesen musste!“ Da war immerhin schon mal ein Teil der Geschichte.

„Ich hab leider keine Ahnung, was passiert ist. Wie lange seid ihr überhaupt schon hier?“

„Drei Tage“, antwortete mein Vater und lehnte sich an den Türrahmen. Meine Mutter warf ihm einen giftigen Blick zu, als er anfing, seine lässige Haltung einzunehmen.

„Wir sind hier, weil wir ein dringendes Gespräch führen müssen, Caleb! Benimm dich entsprechend!“

„Du weißt genau, dass ich eben das nicht tun werde“

„Leider“

Ach ja, meine Eltern. Sie stritten sich gern, aber es war meist nichts gefährliches. Wie konnte es auch anders sein? Immerhin waren die beiden Seelenpartner.

„Also“, fing ich gerade an und spürte mit einem Mal eine einschüchternde Präsenz hinter mir.

„Miss Lecrune. Mister Lecrune. Wenn ihr bitte eintreten möchtet“ Domenicus schob mich vorsichtig mit einer Hand weg vom Durchgang, um meine Eltern hinein zu bitten. Meine Mutter nickte ihm zu, ohne dabei eine Regung in ihrem Gesicht zu zeigen.

„Vielen Dank, Mister Domenicus. Ich würde es zudem bevorzugen, wenn wir nicht allzu lange um den heißen Brei herum reden würden. Wir warten bereits auf Antworten“

„Natürlich. Ich wollte nur warten, bis Eure Tochter wach ist. Immerhin betrifft es sie“ Mein Chef begleitete meine Eltern ins Wohnzimmer, gefolgt von mir, wobei ich sehr verwirrt hinterher trottete. Es ging um mich. Natürlich musste es das, wenn meine Eltern hier waren. Wie viel wussten sie über ihn? Es hieß ja, dass es ein paar Eingeweihte gab.
 

Wir nahmen also wieder im Wohnzimmer Platz. Ich zwischen meinem Riesen von Vater und meiner eher schmaleren Mutter, wobei ich noch um einiges kleiner war. Mein Chef nahm seinen Platz auf dem Sofa ein, legte ein Bein auf das andere und verschränkte die Finger ineinander, während er seine Ellenbogen auf den Armlehnen abstützte. Man könnte ihn glatt für einen Superbösewicht halten. Oder einfach nur für einen angsteinflößenden Chef.

„Wollen wir uns jetzt nur eigenartig gegenseitig anstarren oder wird das auch ein Gespräch?“ Mein Vater wurde langsam ungeduldig, hatte sich bereits zurück gelehnt. Er war zwar bereits einige Jahre alt, verhielt sich aber meist immer noch wie ein junger Erwachsener. Ganz zu schweigen davon, dass er kein Jahr älter aussah wie einer. Älter als 27 würde man ihn niemals schätzen und als ich noch auf die Akademie gegangen bin, gab es einige Tuscheleien unter den Mädchen. Nur die wenigsten wussten, dass er verheiratet war. Man könnte meinen, wenn man jemanden in der eigenen Klasse mit dem Nachnamen ‚Lecrune‘ hatte, der auch noch verdächtig wie der Direktor aussah, dass man da auf Ideen kommt. Aber nein. Ich wurde auf einmal zur kleinen Schwester. Zur Hölle! Meine Mutter störte das nicht einmal ungemein. Sie wusste, wie sie meinen Vater um den Finger wickeln und von den anderen weghalten konnte. Und nur das war von ihrem Interesse.

„In Ordnung“, fing Domenicus nun an und atmete tief durch. „Ich habe euch bereits während unseres ersten Gespräches in einiges eingeweiht. Ein kleines Geheimnis, das nicht weiter gegeben wird“

„Natürlich“, meinte meine Mutter. „Ihr seid ein Seraphim. Und aus irgendeinem Grund interessiert an unserer Tochter. Wir würden nur gern wissen, warum, bevor mir die Hand ausrutscht“

Der blonde Mann hob eine Braue, sah zwischen meiner Mutter und mir her, verglich uns wohl, bevor er den Kopf schüttelte. „Jedenfalls … es ist so, dass mit euch beiden“ Damit deutete er meine Eltern an. „und eurer Verbindung eine neue Blutlinie entstanden ist. Dracula und Adamantia vereint. Man könnte meinen, es entstünde ein starker Nachwuchs“

„Und genau dem ist nicht der Fall“, gab ich genervt hinzu und verdrehte die Augen. Das hatte ich nur zu oft gehört. Deine Mutter ist so mutig, wieso du nicht? Deine Eltern haben den Widerstand aufgehalten! Warum kippst du bei Blut um? Du bist ein Vampir! Ich war es so satt.

„Ich würde doch eher das Gegenteil behaupten“ Wie bitte? Mein Chef beugte sich nach vorn, behielt mich genau im Auge und ich erwiderte perplex seinen Blick. „Neue Blutlinien ziehen in erster Linie junge und frische Seelen an. Seelen, die entweder nur sehr wenige Leben bislang hatten oder sogar gar keine. Bei dir, Lecrune, ist es tatsächlich so, dass es dein erstes Leben ist.“

„Und das hat genau was zu bedeuten?“, wollte mein Vater nun wissen und setzte sich wieder aufrecht neben mir hin. Ich hingegen bin auf meinem Platz eingefroren, die Augen geweitet. Mein erstes Leben?

„Das hat zu bedeuten, dass es unklar war, welche Art von Gabe sich entwickeln kann. Wie der Zufall es leider so wollte … gab man dieser Seele eine … gefährliche Gabe mit“

„Gefährlich inwiefern? Dass sie umkippt?“, hakte meine Mutter nach. Vielen Dank, Mum. Echt, vielen Dank.

„Ein … unangenehmer Nebeneffekt“ Mein Boss schüttelte den Kopf. „Nein. Gefährlich im Sinne von, es wäre nicht möglich, diese als ‚verboten‘ einzustufen, aber um ehrlich zu sein, um etwas anderes handelt es sich nicht. Es gibt zwei Gaben, welche man in diese Kategorie einordnen kann. Einmal gibt es da die Gabe des Todes. Ein Wesen zu erlösen oder gar vollends zu töten, wenn man mächtig genug ist. Dem entgegen gesetzt gibt es aber …“

„Die Gabe des Lebens“, murmelte ich und Bilder zeigten sich vor meinem inneren Auge. Das Monster. Addie. Blut, sehr viel Blut. Sie war tot. Meine Hände leuchteten. Addie fing wieder an zu leben.

„Genau. Und die, Lecrune, besitzt du“

 

„Eine ungewöhnliche und gefährliche Gabe“

„Sie werden sich etwas ausdenken müssen“

„Es wird interessant“

„Wie spinnt sich der Faden?“

„Es hat sich ein zweiter mit hinein verwoben“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Narudia
2019-11-18T06:06:22+00:00 18.11.2019 07:06
Hey,

yeay endlich geht es weiter. Und dann so ein Hammer Kapitel. Zuerst dachte ich ja durch die leuchtende Kraft das es was mit domenicus zu tun hat und das sie dessen Blut in sich hatte als sie Addie geheilt oder zu den lebenden zurück geholt hat. nun wissen wir das es ihre eigene gabe ist und dazu natürlich eine gefährliche einfach irgendwen ins leben zurück zu holen wer weis ob die betroffene seele das unbeschadet übersteht. geil fand ich auch wie er sie hat das 2. mal trinken lassen das auch er von dem gift nicht verschont bleibt. hoffentlich werden die 2 keine Junkies nach einander den engelsblut ist sicherlich auch nicht ohne auf dauer.

lg narudia
Von:  Manulu420
2019-11-17T11:28:11+00:00 17.11.2019 12:28
Ein neues Kapitel *_* und ich liebe es!
Ich bin echt gespannt, wie es weiter geht.


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