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Worum es geht...Und warum Weihnachten ein Trugschluss ist.

Eine Rhodes-Weihnachtsgeschichte
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Bonus-Türchen


 

24.12.2071
 


 

I'm dreaming of a white Christmas

With every Christmas card I write

May your days be merry and bright

And may all your Christmases be white

...
 

...Erklang es leise aus dem kleinem Radio auf der Küchenzeile auf der Beth gerade ebenfalls einen Plätzchen-Teig knetete. Die Anfang Vierzigjährige, die leise den Text des uralten Weihnachtsklassikers mit summte, schielte dabei fast sehnsüchtig aus dem Fenster heraus. Doch bis auf die dicke, schwere und weiße Wolkendecke, waren noch keine Anzeichen von Schnee zu erkennen. Aber bis die Dunkelheit herein brachte, waren es auch noch ein paar Stunden. Die dezente, silber- leuchtende Lichterkette mit den vielen, kleinen Sternen verlor im Tageslicht ihren Glanz. Und dennoch spürte die Haushälterin der Familie Rhodes eine besinnliche Stille in sich..
 

“Por dios!“
 

Erklang es auf einmal laut aus einer anderen Ecke des großen Hauses. Gefolgt von mehreren, so glaubte Beth zumindest zu meinen, weiteren spanischen Flüchen:

„Estos niños son el diablo! Deberías ponerte en un internado! No puedo soportarlo un segundo más aquí!” -

“Was ist denn los?”, erkundigte sich die Dunkelhaarige Frau nun bei Fernanda direkt, die aufgebracht auf die Haustür hinzu zu eilen schien.

Das chilenische Kindermädchen schien sie kaum zu beachten. Erst als Beth ein lautes aber deutliches “Fernanda!” hinterher warf, blieb diese für einen Moment stehen:

“Sagen sie Mrs. Und Mr. Rhodes, dass ich kündige!”, ließ sie undeutlich in ihrem spanischen Akzent verläuten.

Bethany schien ein wenig verwirrt: “Haben die Jungs was angestellt? Was ist denn passiert? Das lässt sich sicherlich aufklä-”, versuchte sie die Wogen in ihrer gewohnt ruhigen und diplomatischen Art zu glätten, doch alles was von Fernanda noch kam, war ein gepresstes: “me importa tres cojones!”, bevor sie die Türe zuschlug und verschwand.

Zwar hatte Beth kein einziges Wort verstanden, dennoch schloss sie für einen kurzen Moment die Augen bevor sie ihren Kopf langsam in die Richtung der einladenden Marmor-Treppe drehte. Sie schien verwundert als sie wider erwarten nicht Jonathan sondern David hinter den massiven Geländer stehen sah: “Kannst du mir das erklären?”
 

Der hellblonde Fünfjährige mit seiner engelsgleichen, unschuldigen Erscheinung, der mental schon so viel weiter als andere Gleichaltrige war, zuckte ahnungslos mit den Schultern. In den rehbraunen Augen erkannte Beth allerdings sofort, dass er dabei ganz genau wusste worum es ging.

Das weiße Hemd, welches er ordentlich in seiner schwarzen Anzugshose stecken hatte, verriet dabei übriges.

“Hat dein Bruder damit etwas zutun?” - Wieder ein knappes Schulterzucken.
 

“Charles Jonathan Rhodes!”
 

Keine Reaktion. Aus der Küche erklang das laute Piepen der Eieruhr, die ankündigte die nächste Fuhr Plätzchen aus dem Ofen zu holen. Jetzt wo Fernanda weg war und die anderen Dienstmädchen in den wohlverdienten Weihnachtsurlaub entlassen wurde, war Bethany die einzig übrig gebliebene Erwachsene im Hause Rhodes. Die Hausherren selbst, sollten erst am Abend von ihrer Reise nach London und hoffentlich pünktlich zum Weihnachtsessen zurück kehren.

Und bis dahin war noch so viel zutun.
 

Bethany liebte die Arbeit in diesem Haus. Aber vor allen Dingen liebte sie die beiden Jungs, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Beide waren etwas ganz besonderes und manchmal war sich Beth nicht sicher, wer eigentlich der Sensiblere der Beiden war. Der jüngere David, mit seinem tadellosen Benehmen und einem jetzt schon überdurchschnittlichen Geschick für Zahlen, welches der Haushälterin schlicht weg regelmäßig die Sprache verschlug. Oder der drei Jahre ältere John, der entweder fürchterlich still oder fürchterlich wütend wirkte. Auf der anderen Seite besaß dieser allerdings eine Auffassungsgabe wie kein anderes Kind in seinem Alter. Aber wie eben andere Kinder in seinem Alter....wollte er am liebsten jede Sekunde seines Lebens die Welt mit eigenen Augen und außerhalb dieses Hauses erkunden.
 

“In der Küche piepst es.” Stellte David mit seiner klaren Stimme, trocken fest und riss Bethany somit aus den Gedanken. John hatte immer noch nicht auf ihren Ruf reagiert und so sah sie hektisch zwischen Küche und Treppenhaus hin und her.

David wollte sich gerade wieder abwenden um in sein Zimmer zurück zu kehren, da entschied sich Bethsy, dass noch genug Zeit bleiben würde um auf die Plätzchen im Ofen verzichten zu können. Stattdessen eilte sie dem Jungen hinterher: “Ich hätte vielleicht gerne noch eine Erklärung, die ich deinen Eltern verticken kann, junger Mann” -

David blieb stehen. Als er sich zu ihr wandte und damit begann sie abschätzig von oben bis unten zu mustern, sah er genauso aus wie sein Vater.

Kurz darauf öffnete er allerdings schon den Mund: “Fernanda kostet uns 62 Dollar, 50 die Stunde. Vater hat ihr einen Weihnachtsaufschlag gegeben, das hat er Mutter erzählt. Sie wird dafür bezahlt, dass sie uns beschäftigt, ordentlich ankleidet und uns nebenbei vielleicht sogar noch ein bischen spanisch beibringen soll...So wie es eigentlich Carlota und Sofía davor schon hätten tun sollen.”

Für einen Moment blieb Bethany stumm. Es verwirrte sie immer wieder, wenn der unschuldig, drein schauende Blondschopf mit so einer erwachsenen Ernsthaftigkeit zu reden began: “Ja und...?”

David hatte sich schon wieder in Bewegung gesetzt, aber statt seinem Zimmer, steuerte er auf das von John zu. Das Piepen der Uhr in der Küche verstummte und als der Fünfjährige die Pforte des Zimmers seines älteren Bruders aufdrückte, wollte sich Bethany am liebsten die Hände vors Gesicht schlagen. Nun konnte sie sich auch endlich die grüne Farbe am Hemdkragen des Blonden erklären....
 

An den einst so ordentlich, strahlend weißen Wänden prangerten nun mehrfach die Worte “puta” und “pendejo”. Bethany musste kein spanisch können um zu wissen, dass dies nicht unbedingt 'Mama' und 'Papa' heißen sollte. Auch wenn die eher unschön, gemalten Strichmenschen auf den Wänden zu aller erst darauf deuteten. Bevor sie etwas sagen konnte, war es erneut Davids Stimme, die den Raum erfüllte: “Ich habe sie gefeuert. Vater hätte es auch so gemacht”

Schwang da ein wenig Stolz in seinen Worten mit drin?

John hingegen schien sich nicht von der Anwesenheit seines kleinen Bruders und der Haushälterin zu stören. Vollkommen fixiert auf eines der Menschchen, verlieh er Charles Angelius Rhodes gerade noch den letzten Schliff....

Die Empörung darüber schien David nun ins Gesicht geschrieben und Beth wusste, dass sie irgendetwas tun musste: “Jonathan!”

Der 8 Jährige mit dem struppigen, dunkelblonden Haar, welches sich soviel weniger bändigen ließen, als wie das seines Bruders, drehte sich mit einem genervten Schnaufen zu ihr herum. Das einst weiße Hemd, dass er locker über der Hose trug, hatte wesentlich mehr Farbspritzer abbekommen, als das von David: “Was?!” -

“Was?! Ist das dein ernst? Ist das alles was du zu sagen hast? Was zur Hölle machst du da?!”, erwiderte die 40 Jährige immer noch eine Spur schockiert.

“Du hast doch gesagt wir sollen Mum und Dad ein Bild zu Weihnachten malen und dass sie sich sicherlich darüber freuen würden, wenn sie heute Abend zurück kommen.” Die Stimme des älteren Rhodes-Sprössling schien sarkastisch.

Zeitgleich schüttelte auch David den Kopf: “Es heißt Vater und Mutter und das hat sie nur gesagt, damit du beschäftigt bist...” -

“Ich hab das gesagt, weil ich es ernst meinte!”, war es wieder Beths eigene Stimme, die ihm ins Wort fiel.

Sie schien immer noch ein wenig überfordert mit dem Anblick in dem einst so ordentlich aufgeräumten Zimmer. Wie konnte sie das bloß vor Julia Rhodes rechtfertigen?

Sie konnte indessen genau beobachten wie Johns Blick zu David hinüber rutschte:
 

“Ich hab dein hässliches Bild schon auf dem Schreibtisch gesehen, Schleimscheißer” -

“Ich bin kein Schleimscheißer!” -

“Bist du wohl!” -

“Bin ich nicht! Du bist ein Scheiß – scheiß...”
 

David schien mit den Worten ein wenig überfordert, war das Schimpfwort-Repertoire des Fünfjährigen nicht halb so gut ausgeprägt wie sein eigentlicher Wortschatz. John unterbrach ihn: “Schleimscheißer!”

“Okay das reicht!” - unterbrach Bethany sie beide, bevor David noch die Tränen in die Augen schießen konnten.

Für einen Moment war sie mit der ganzen Situation überfordert. Ohne Fernanda an ihrer Seite musste sie sich nun nicht nur um die Ordnung und das Essen, sondern auch um das Wohlergehen der beiden Kinder kümmern. Und diese schienen wie so oft in letzter Zeit nur noch aneinander zu ecken. Dies war so erst vor einigen Monaten losgegangen und Bethany ahnte, dass es vor allen Dingen an den unterschiedlichen Persönlichkeiten lag. Vor etwa zwei-drei Jahren schien Jonathan zumindest noch hell auf begeistert davon zu sein, endlich den kleinen Bruder bekommen zu haben, den er sich immer gewünscht hatte. Doch es hatte sich etwas verändert....

Als Beth sicher war, dass sie die Aufmerksamkeit der beiden Jungs auf sich hatte, deutete sie mit einem Kopfnicken auf die beschmierten Wände: “Wir werden diese Sauerei jetzt beseitigen und danach hilft ihr mir in der Küche mit dem Essen...”

David fiel ihr zuerst ins Wort: “Ich muss gar nichts machen! Du wirst dafür bezahlt!”

John hingegen stellte sich mit weit ausgebreiteten Armen schützend vor sein 'Kunstwerk':

“Das bleibt genau so wie es ist!”
 

Zwei Stunden später.
 

“Bitte behalte das einfach nur für dich, Diego...”, murmelte Bethany dem aus Südamerika stammenden Gärtner zu, als sie ihm einen verschlossenen Umschlag in die Hand drückte und verabschiedete.

John wusste genau, dass es sich dabei um ihr eigenes Weihnachtsgeld handelte, womit sie den eigentlich momentan beurlaubten Südamerikaner bezahlte.

Als sie die Türe hinter ihm schloss, schien der Achtjährige immer noch ziemlich wütend. Auch wenn Diego anscheinend nicht nur ein Händchen für Bonsai-Bäume, sondern auch für das Entfernen von Farbe hatte.

Er saß auf seinem üblichen Platz an dem, für eine vierköpfige Familie, viel zu großen Ebenholz-Esstisch und warf David dabei einen vernichtenden Blick zu, als dieser statt an seinem Bild weiter zu malen ganz genau die aktuelle Uhrzeit notierte: 15:27
 

Als Bethany zurückkehrte versteckte der Blonde den kleinen Notizzettel: “Wie viel hast du ihm gegeben, Bethsy?”, fragte er dennoch fast beiläufig, als er einen kleinen Taschenrechner dabei aus seinem Federmäppchen kramte.

“Es ist Weihnachten. Diego hat uns natürlich freiwillig aus der Klemme geholfen”, flötete sie unbeschwert zurück.

Während John sie so anschaute, als ob er sie fragen wollte, ob sie ihn tatsächlich gerade für dumm verkaufte, schien David ausnahmsweise über die Nachricht sogar erfreut. Der Ältere der beiden Rhodes-Jungs erkannte wie David den Zettel erneut heraus kramte und kurz danach sauber die Zahl auf dem Stück Papier durchstrich. Auch der Taschenrechner wurde wieder beiseite geräumt. Die Haushälterin war indessen wieder an die Arbeitsfläche zurückgekehrt und kümmerte sich um das Zerkleinern des Gemüses.
 

Ein Teller mit frisch gebackenen Weihnachtsplätzchen stand auf der Mitte des Tisches und während Bethany damit begann die Kartoffeln in der Spüle zu schälen, behielt sie die Jungs ganz genau im Auge. Auch Johns Abneigung gegenüber seinen Eltern hatte sich in den vergangenen Monaten immer weiter gesteigert. Bethany ahnte, dass es daran lag, dass er sie kaum noch vors Gesicht bekam. Charles und Julia Rhodes hatten aller Hand zu tun. Vor allen Dingen Ersterer arbeitete verdammt hart dafür ihren Lebensstandart aufrecht zu erhalten. Auch wenn John ihr einmal anvertraut hatte, dass er kein Problem damit hätte, in einem kleineren Haus irgendwo am Stadtrand zu leben, schien zumindest David vollstes Verständnis für seinen Vater zu haben.

Dieser buhlte, wann immer dieser gerade im Haus war, nur um seine Aufmerksamkeit....aber Charles Angelius Rhodes war in den wenigen Stunden daheim viel zu sehr damit beschäftigt seine Enttäuschung über Jonathan zu bekunden. Was wiederum David schmerzte, der selbst dadurch nur wenig Worte mit seinem Vater austauschen konnte. Es war ein Teufelskreis. Und keiner der beiden Jungs ging dabei als Gewinner hervor.
 

„Ich wette Vater bringt mir etwas aus England mit und dir nicht!“ Die eigentlich sehr liebliche Stimme des Hellblonden hatte einen provozierenden Unterton angenommen, während Beth nur einen kurzen Augenblick in Gedanken geschwellt war.
 

„Wer sagt, dass ich irgendwas von dem Vollpfosten brauche, Vollpfosten? Ist ja eh nur Schrott.“ -
 

„Das sagst du nur, weil du letzten Monat so eifersüchtig warst, als ich die Briefmarke mit der Taube bekommen habe und nicht du“ -
 

„Oh ja ich weine mich jede Nacht in den Schlaf, weil ich kein beschissenes Stück Papier mit einem doofen Vogel in ein Sammelalbum stecken kann....“ -
 

„Das ist kein beschissenes Stück Papier! Vater sagt sie sei irgendwann mal mehrere tausend Dollar wert und dafür hole ich mir dann irgendwann mein eigenes Haus, in dem du nicht wohnen darfst....und ein Auto! Und dann bist du richtig eifersüchtig!“ -
 

„David Paul und Charles Jonathan Rhodes!“ -
 

Beide Jungs zuckten bei der nur sehr selten, erhobenen Stimme der Haushälterin zusammen.

Immerhin schwiegen sie, obwohl sie genau erkennen konnte, wie sich beide weiterhin an funkelten. Mit einem lauten Seufzen ließ sie schließlich wieder von den Küchenutensilien ab und ging stattdessen auf die ausladende Tafel zu. Für einen Moment musterte sie die Buntstifte, die auf dem Tisch verteilt waren. David hatte immerhin schon angefangen etwas zu malen, während vor John immer noch ein vollkommen leeres, weißes Blatt Papier lag: „Wolltet ihr euren Eltern nicht ein Bild zu Weihnachten malen?“, richtete sie ihre Frage vor allen Dingen dabei an John.

Dieser schien alles andere als beeindruckt: „Wofür? Es landet ja ohnehin nur im Papierkorb. Außerdem hatte ich ihnen schon ein Bild gemalt. Und das hätten sie nicht so schnell wegwerfen können.“

Ein vorwurfsvoller Unterton schwang in seiner Stimme mit und für einen Augenblick hatte Bethsy das Verlangen ihn genauso entrüstet anzusehen wie der kleine David es gerade tat.

Es hatte keinen Sinn den Beiden die Geschichte vom Weihnachtsmann auf zu tischen.

Sie wusste, dass sowohl John als auch David viel zu intelligent für dieses Märchen waren. Letzterer war aller höchstens der Meinung, dass sein Vater ihn für seine Leistungen bezahlte. Und da war es egal wie er sich davor verhielt. Zumindest solange es Charles Senior nicht mitbekam.

„Eure Eltern werden in zwei Stunden ankommen. Bis dahin muss ich noch das Essen fertig bekommen, wir müssen den Baum schmücken und ihr müsst euch umziehen“ Sie deutete auf die immer noch mit Farbe beschmierten, weißen Hemden.

David öffnete den Mund um etwas zu sagen – da fiel Beth ihm erneut ins Wort: „Ich werde nicht dafür bezahlt, dass ich Fernandas Job mache und da du sie gefeuert hast junger Mann, ist das heute deine Aufgabe!“

Darauf wusste der Blonde nichts mehr zu sagen....
 

Jetzt war es an der Reihe John zu besänftigen: „Ich habe mitbekommen wie dein Vater sich für die kommenden zwei Wochen Urlaub genommen hat. Er wird also eine ganze Weile hier sein. Ebenso wie deine Mutter. Zwei-Wochen. Die ganze Familie beisammen. Wisst ihr eigentlich worum es bei Weihnachten geht?“ -

„Vater bezahlt den Weihnachtsmann damit er uns Geschenke bringt.“, antwortete David trocken. Jap. Da war es.

„Nein – Falsch! Es geht um die Familie. Nicht um Geschenke, um Plätzchen oder gutes Essen. Nur um die Familie. Und eure Eltern haben extra den letzten Flug aus London gebucht nur um mit euch heute Heiligabend zu verbringen. Es wäre einfacher, wenn alles bis dahin vorbereitet ist, oder nicht? Je mehr wir jetzt schaffen, desto mehr Zeit bleibt euch nachher mit ihnen!“ -

Sie wusste das sie mit diesen Worten alle Beide erreichen konnte. Immerhin schienen sie darüber nachzudenken. Und diesen Augenblick nutze die Haushälterin nun voll aus: „Und wisst ihr worum es noch geht? Um Frieden zu schließen. Weihnachten sollte das Fest der Liebe, der Familie und des Friedens sein. Das gilt auch für euch....“

Die beiden blonden Jungs, die sich immer noch gegenüber saßen, hatten den Blick nach unten gerichtet. Keiner sagte etwas – bis es John offensichtlich auf einen letzten Versuch ankommen lassen wollte:

„Ich hol die Weihnachtskugeln aus dem Keller....“

Es war eine Art Friedensangebot des Älteren. Ein durchaus seltenes, was schließlich auch David dazu brachte langsam aufzusehen: „Ich decke schon mal den Tisch.“
 

Das hatte er noch nie gesagt. Und es war vermutlich sogar das aller letzte Mal, dass er dies jemals sagen sollte....
 

Weitere zwei Stunden später....
 

Die antike Kuckucksuhr im Gang läutete als der Zeiger endlich auf 18 Uhr schlug. Die Villa Rhodes leuchtete im Anbruch der Dunkelheit nun in silber- glitzernden Farben. Im Inneren des Hauses wurde Musik gespielt und der Duft der frisch aus dem Ofen geholten Weihnachtsgans erfüllte jeden Raum. In frisch gewaschenen, sauberen weißen Hemden standen John und David relativ eng beieinander und in aufrechter Haltung, vor der massiven, zweiflügligen Haustüre. In heimlich, freudiger Erwartung, dass nun jeden Moment Charles und Julia Rhodes eintreten würden. Bethany beobachtete sie mit einem Lächeln nicht weit von ihnen entfernt, als sie ein letztes Mal mit dem Staubwedel über das hübsche Familien-Ölportrait ging. Den Rhodes lag Pünktlichkeit im Blut, so machte sie sich weniger Sorgen darum, dass sich die Kinder wohl möglich noch die Füße wund stehen würden.

Höchstens noch eine...oder zwei Minuten...Doch dann - klingelte das Telefon.

Als Bethany den Hörer abnahm und dabei hinter den beiden Jungs hervor kam, spiegelten sich die zwei enttäuschten Augenpaare schon im Fensterglas. Weiterhin standen sie aufrecht, als sie gleichzeitig durch die sauber geputzten Scheiben schon die ersten Schneeflocken hinab rieseln sah.

John lief als erster Richtung Treppe. David wartete noch solange bis er das gequälte 'oh, das ist aber schade...' von der Haushälterin vernahm. Dann lief auch er los.

Nachdem Bethany das Gespräch beendet hatte, blieb sie noch einen Moment vor dem Fenster stehen und sah nach draußen...
 

...May your days be merry and bright

And may all your Christmases be white...
 

Dann stellte sie die Lichter und Musik wieder ab.


Nachwort zu diesem Kapitel:
*Nicht jede Weihnachtsgeschichte hat ein Happy-End.... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2017-12-27T09:56:50+00:00 27.12.2017 10:56
Bethany! 💖
Ich bin von der Zukunft ja leider schon etwas 'gespoilert', aber mich hat es ernsthaft gefreut, von ihr zu lesen. Und ich verstehe, was die Rhodes Sprösslinge (wobei es in P.P. ja mehr bei John thematisiert / deutlich geworden ist) an ihr finden. Sie war echt eine gute Seele.
Mir hat auch dieser Geschwister-Disput gefallen, ebenso wie generell die Vorstellung von David und John als Kinder.

Bei John würde mich mal interessieren, wer ihm seine Wortwahl und Ausdrucksweise vorgelebt hat bzw. woher er die hat... Was das angeht, war er für einen Achtjährigen schon 'krass' unterwegs... vielleicht sein Vater? Dass das Verhältnis nicht das Beste war, geht aus der Geschichte deutlich hervor und es ist so traurig... Weil neben dem 'coolen Sprüche klopfen' und Gezanke der Geschwister deutlich der kindliche Wünsch nach einer heilen Familie und der Präsenz der Eltern hervor geht, die ihre Prioritäten leider falsch setzen... :'(
Das Wandbild ist nicht zuletzt ja auch irgendwie ein Schrei nach Aufmerksamkeit, genauso wenn rebelliert wird und dergleichen. Irgendwas drückt ein Kind mit so etwas immer aus... Mein Herz blutet wirklich wenn ich das lese, vor allem, weil sie trotz vorangegangener Enttäuschungen dann doch helfen und in kindlicher Vorfreude auf Mama und Papa warten, nur um wieder bitter enttäuscht zu werden :'(

Sehr schön geschrieben. Und sehr realistisch. Solche Geschichten gibt es leider auch immer wieder...


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