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Frozen Feelings

von

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Von Qual und Wa(h)l


 

I

ch denke, ich setzte meinen Springer auf E3“, erklärte Hans, aber Elsa war mit ihren Gedanken nicht bei der Sache. In ihrem Kopf schwirrte immer noch seine Geschichte über den Stall herum. Zunächst war es ihr kaum aufgefallen, doch dann hatte sie bemerkt, dass fast alle Erwähnungen von Hans' Brüdern negativ belegt zu sein schienen.

Sie ignorierten ihn, schoben unangenehme Aufgaben auf ihn ab und schienen sich kein Stück für das zu interessieren, was Hans wirklich beschäftigte. Das ärgerte sie. Familie war so kostbar und seiner schien das irgendwie vollkommen egal zu sein.

 

„Königin Elsa?“

 

Der Gedanke daran, dass sie ihn zu ihnen zurückgeschickt hatte, machte es nicht besser. Ja, er hatte eine Bestrafung verdient gehabt. Aber so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Eine Strafe war eine Strafe, sie verdiente einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.

 

„Elsa?“

 

Etwas Warmes streifte ihre Hand und ließ sie prompt aus ihren Gedanken schrecken. Hans zog eiligst seine Finger zurück. „Verzeiht. Ihr wart nur so abgelenkt“, erklärte er. „Ihr wisst, Ihr müsst nicht mit mir spielen. Wenn ich Euch langweile -“

 

„Nein, Nein. Ich spiele wirklich sehr gern mit dir“, fiel Elsa ihm ins Wort und erntete dafür ein dünnes Lächeln. Vorsichtig griff sie, an den Spielfiguren vorbei, nach seiner Hand. „Es ist in Ordnung, wirklich“, beteuerte sie noch einmal. Seine Haut fühlte sich warm unter ihren Fingern an. Nicht so warm, wie Annas, aber immer noch warm genug, um sie daran zu erinnern, was sie hier eigentlich tat.

 

Was tat sie hier eigentlich?

 

Elsa blickte Hans an, doch der schien genauso überfragt zu sein wie sie. Kurz überlegte sie einfach wieder loszulassen, sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren, doch irgendwie … Ein Finger strich unsicher über ihren Handrücken und hinterließ ein leichtes Kribbeln auf ihrer Haut.

Wer war eigentlich dran gewesen? Sie wusste es nicht mehr. Sie wusste nur –

 

Die Tür flog auf und beendete krachend was auch immer das gerade gewesen war.

 

„Elsa, es ist eine Katastrophe! Im Hafen da- Was macht er hier?“ Verständnislos starrte Anna Hans an und der starrte peinlich berührt zurück.

 

„Er zeigt mir, wie man Schach spielt“, antwortete Elsa, obwohl sie sich da nicht so sicher war. Das was gerade passiert war, gehörte bestimmt nicht zur üblichen Schachroutine. Trotzdem beeilte sich Hans zustimmend zu nicken.

„Ich kann es dir auch zeigen, wenn du magst. Dann könnt ihr zusammen spielen“, schlug er vor, doch Anna hörte ihm gar nicht zu.

 

„Was ist aus deinem Plan geworden?“, fragte sie, „Wieso ist er überhaupt noch hier?“

 

Elsa blickte von Hans zu Anna und wieder zurück. „Er hat die Sonnenblume beschafft“, erklärte sie lahm.

 

Anna verschränkte die Arme vor der Brust. „Und warum weiß ich davon nichts?“

 

„Weil“, begann Elsa und kam sich auf einmal ziemlich dämlich vor, „ich einfach noch keine Zeit hatte, es dir zu erzählen.“

 

„Du spielst hier Schach mit ihm“, entgegnete Anna trocken und Elsa wusste, eigentlich hatte sie recht. Hätte sie es ihrer Schwester erzählen wollen, sie hätte es problemlos tun können. Sie hätte ihr auch einfach die Blume schicken können und doch hatte sie es nicht getan. Sie hatte die Sache für sich behalten und gedacht, es würde sich schon irgendwie klären.

Und nun -

 

„Es tut mir leid, Anna“, murmelte sie betroffen.

 

Anna atmete tief durch. „Schon gut“, entgegnete sie, „Aber so geht das nicht. Es ist nicht mehr viel Zeit bis zu den ersten Polarlichtern und du weißt, was du mir versprochen hast.“

 

Elsa schluckte. Natürlich hatte sie das nicht vergessen. Bis zu den Polarlichtern hatte sie ihn endgültig loswerden wollen. Aber -

 

„Du musst ihm eine neue Aufgabe geben“, forderte ihre Schwester.

 

Elsa schüttelte den Kopf. „Mir fällt gerade keine ein“, behauptete sie. Gut, wahrscheinlich wäre ihr eine eingefallen, hätte sie ein Weilchen darüber nachgedacht, aber sie wollte ihm keine neue Aufgabe geben. Sie wollte ihn nicht mehr loswerden.

Sie wollte -

 

„Mir aber“, unterbrach Anna sie energisch. „Der Grund, warum ich eigentlich gekommen bin. Im Hafen wurde ein Wal angespült. Das arme Tier kommt da nicht mehr weg. Er kann ihn zurück ins Meer schieben.“

 

Elsa machte große Augen. „Einen Wal?“, wiederholte sie langsam, „Anna, das ist vollkommen unmög-“

 

„Ich mach's.“

 

„Was?“, entfuhr es Elsa und auch Anna sah reichlich überrascht aus.

 

„G-Gut“, entgegnete sie dann, bemüht souverän, „Aber wenn du es nicht schaffst, wirst du mit dem nächsten Schiff verschwinden.“

 

Hans nickte. „Gut“, echote er.

 

Elsa schüttelte den Kopf. „Das kannst du doch nicht machen. Das ist ein Wal! Hans, weißt du, wie groß so ein Wal werden kann?“

 

Er nickte ein weiteres Mal. „Ich weiß, aber Jemand muss das Tier zurück ins Wasser schieben. Wenn nicht, wird es sterben. Und außerdem -“

 

„Außerdem?“

 

„Es haben schon genug Menschen Kummer wegen mir und ich will nicht, dass es Euch am Ende auch so geht.“

 

Elsa seufzte. „Können wir dann nicht wenigstens mit etwas Schaffbarem beginnen?“, fragte sie, obwohl sie glaubte, die Antwort darauf bereits zu kennen. Anna hatte die Aufgabe vermutlich nicht einmal ganz ernst gemeint. Wahrscheinlich hatte sie nur gewollt, dass sie versuchten, dem armen Tier zu helfen. Und nun? Nun meinte Hans etwas beweisen zu müssen und riskierte dabei, dass ihre Freundschaft ein Ende fand, noch bevor sie richtig begonnen hatte.

 

Das gefiel ihr nicht.

Das gefiel ihr ganz und gar nicht

 

Aber sie konnte ihn auch nicht bitten, es nicht zu tun.

 

Mit flauem Magen schob sie ihren Stuhl zurück. „Na schön“, gab sie nach, „Wenn es das ist, was du willst, dann werden wir es so machen, aber du wirst nicht alleine gehen. Dieses Mal werde ich dich begleiten.“

 

❄❄❄❄

 

Der Wal ragte wie ein großes, dunkelgraues Gebilde am Kai auf und hatte bereits eine Menge Schaulustiger angezogen. Händler und Seeleute starrten das Tier an und schienen zu überlegen, was damit zu tun war. Elsa schluckte. Sicher würden die Menschen eine Lösung von ihr erwarten.

 

Als sie den Wal noch nicht gesehen hatte, hatte sie halb gehofft, dass ein oder zwei ihrer Schneemänner in der Lage sein würden, ihn zurückzuschieben, doch jetzt bezweifelte sie das. Sie konnte das Tier höchstens einfrieren und das würde seinem Überleben sicher nicht zuträglich sein.

 

Neben ihr hielt Hans für einen Augenblick die Luft an. Vermutlich hatte er sich das Tier auch ein bisschen kleiner vorgestellt. Elsa schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick. Fast war sie versucht, ihn zu fragen, ob er seine Behauptung von vorhin zurücknehmen wollte, doch er ballte die Hände zu Fäusten und trat noch etwas näher an den Wal heran. Einen Moment lang glaubte Elsa, er wolle das Tier näher betrachten, doch dann drehte er sich herum und holte tief Luft.

 

„Männer! Wir haben ein Problem“, verkündete er in einer Lautstärke, die ihm die Aufmerksamkeit aller Anwesenden einbrachte, „Ein Wal liegt auf unseren Ankerplätzen.“

Ein paar der Anwesenden begannen zu tuscheln, doch Hans ignorierte es gekonnt.

„Solange er hier liegt, können keine Schiffe ankern und wenn er hier stirbt, werden auch die Plätze mit mehr Abstand beeinträchtigt sein. Toter Wal stinkt!

Kein Mensch kauft Gewürze, wenn der Geruch nach Tod in der Luft liegt! Kein Mensch kann auf seinem Schiff in Ruhe schlafen! Und Stoffe mit Wal-Aroma bringen keinen guten Preis!

Aber es gibt einen Weg das zu verhindern! Einen Weg, der auch dem Wal gefallen wird! Wir schieben ihn zurück ins Meer!“

 

Das Getuschel wurde lauter. „Das Tier ist dafür viel zu groß!“, rief Jemand aus der Menge. „Das schaffen wir nie!“, stimmte ein Anderer zu und insgeheim gab Elsa ihnen recht. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie es schaffen würden, einen Wal zurück zu schieben. Klar, die Matrosen waren stark, aber -

 

„Er hat recht! Wir müssen es versuchen!“, kam es von der anderen Seite, wo sich ein junger Mann durch die herumstehenden Leute drängte. Er hatte pechschwarzes Haar, das einen starken Kontrast zu seinem weißen Hemd bildete.

 

„Wartet! Wartet!“, erklang es hinter ihm, doch er ging gar nicht weiter darauf ein.

 

„Meine Crew und ich werden Euch auf alle Fälle helfen“, verkündete er, während sich sein Begleiter, ein dürrer, älterer Mann, zu ihm durch die Menge schob.

 

„Oh Eric!“, entfuhr es ihm, doch der schenkte ihm nur ein breites Lächeln.

 

„Jetzt schimpf nicht wieder, Grim. Du weißt doch genau, wie böse meine Frau wäre, würde ich nicht wenigstens versuchen, ihrem Freund zu helfen.“

 

Grim seufzte. „Es ist doch überhaupt nicht klar, ob sie wirklich mit diesem Wal bekannt ist“, murrte er, aber offensichtlich war die Sache bereits entschieden.

 

Eric reichte Hans die Hand. „Ich habe 38 Männer. Und ich bin mir sicher, ich kann noch ein paar Andere überzeugen“, erklärte er.

 

Hans nickte angetan. „Wir wären Euch wirklich sehr verbunden.“

 

„Sven und ich helfen auch“, rief Kristoff aus der anderen Ecke und stapfte mitsamt seinem Rentierkumpel auf ihre kleine Gruppe zu. Grim starrte das Geweih groß an, sagte aber nichts, während Elsa sich um ein Lächeln bemühte.

 

„Danke, Kristoff. Danke, Sven“, verkündete sie erleichtert. Hans nickte den Neuankömmlingen zu. „Danke“, schloss er sich ihren Worten an, doch Kristoff winkte ab. „Wir können das Tier doch nicht sterben lassen“, erklärte er bescheiden.

 

„Das können wir wirklich nicht“, kam es aus der Menge und Tahvo stapfte an ihnen vorbei. Er schenkte Elsa keinen Blick, aber dafür grinste er Kristoff an, wie Jemand, der sich wirklich freute, einen guten Freund zu sehen. Elsa warf einen Blick zu Hans und der schaute überrascht zurück.

 

„Danke, Tahvo“, presste er irgendwie heraus.

 

Dieser schnaubte abwertend. „Ihr habt da Schokolade“, stellte er nüchtern fest, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz auf Kristoff richtete. Offensichtlich war er ihnen immer noch böse. Nicht böse genug, um nicht helfen zu wollen, aber doch so böse, dass er es nicht lassen konnte, wenigstens ein bisschen zu provozieren.

 

„He!“, erklang es in der Menge. „Au!“, fauchte es, dann krabbelte Anna aus der Masse heraus. Einen Moment lang hockte sie vor den gaffenden Leuten, dann sprang sie eiligst auf und richtete sich ihren Rock. „Ich will dem Wal auch helfen“, erklärte sie, während sie auf die Gruppe zu marschierte. Elsa schenkte ihr ein Lächeln und bot ihr ihre Hand an. Sie mochten sich bezüglich Hans nicht einig sein, aber wenn es darum ging, etwas Gutes zu tun, dann waren sie wieder ein Herz und eine Seele.

 

Schwestern eben, die alles für einander taten und bereit waren, einander alles zu verzeihen. Selbst wenn es eigentlich gar nichts zu verzeihen gab.
 



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