Zum Inhalt der Seite

Weil Liebe niemals einfach ist

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Missverständnis

„Hab ich schon mal erwähnt, dass ich die Bibliothek hasse?“

„Dann verpiss dich doch und geh mir nicht auf den Sack“, schnauzte Scorp seinen besten Freund an. Seit Silvester hatte er verdammt schlechte Laune, was sicher nicht nur daran lag, dass er eine Rakete auf den Kopf gekriegt hatte. Dass er mit Beauty gevögelt hatte lag ihm zentnerschwer im Magen. Sollte er es Lily verraten? Er konnte es ihr doch nicht verheimlichen. Und sie waren schließlich noch nicht zusammen. Sie hatten sich noch nicht mal geküsst. Aber es war ihre Cousine, auch wenn sie nichts miteinander zu tun hatten. Es würde sie sicher verletzten. Und er wollte sie nicht verlieren. Vielleicht konnte er es ja so hinstellen, als ob Beauty ihn vergewaltigt hätte, was ja sogar in gewisser Weise gestimmt hatte.

„Weißt du was? Leck mich doch und motz jemanden anderen an.“

Quinn funkelte ihn wütend an, stopfte sein Bücher unsanft in die Tasche und stampfte wie ein wütendes Nashorn an Lily vorbei, die gerade an ihren Tisch kam.

Toll, das hatte ihm grade noch gefehlt. Scorpius hatte immer noch keinen Schimmer, was er ihr sagen solle. Beziehungsweise was nicht.

„Hi.“ Mit dem Lächeln eines Engels ließ sie sich neben ihm nieder und in seinem Kopf kreiste nur der Gedanke daran, was für ein beschissenes Arschloch er doch war.

„Hi.“

„Alles okay bei dir? Du wirkst so neben der Spur? Zoff mit Vishous?“

In ihrer Stimme lag warme Besorgnis und das Bedürfnis sich im See zu ertränken wurde immer stärker in Scorp. Er war ein Arschloch, ein Arschloch, ein beschissenes Arschloch.

„Ähmm…ja, hör zu, ich sollte wohl besser sehen, dass ich das wieder grade biege mit ihm.“

Im Aufstehen blieb er mit der Tasche am Stuhl hängen und wäre fast hingefallen, weil er es so eilig hatte weg zu kommen. Oder zu fliehen, das traf es wohl eher.

Verwirrt blinzelte ihm Lily hinterher. Was war denn bloß los mit ihm?

„Ohh, hat er keinen Bock mehr auf dich?“

Der Blick der Rothaarigen schnellte herum. Auch das noch. Dominique. Das schwarze Schaf in ihrer Familie. Und die Schulmatratze. Obwohl es unmöglich war die Blondine zu respektieren oder als gleichwertig an zu erkennen, weil sie so eine Schlampe war, rutschte doch das Selbstwertgefühl jedes Mädchens mindestens genauso tief hinunter wie Doms Ausschnitt, wenn sie den Raum betrat.

Lily war da keine Ausnahme, als sie ihr einmal mehr bewusst wurde, dass eine von Scorps engsten Freundinnen endlos lange Beine hatte, Augen in der Farbe von Karibikmeer – oder Maledivenmeer, passte grad besser –,die Figur einer Barbie und das Gesicht einer Schönheitskönigin. Ob er sie wohl auch schon mal im Bett gehabt hatte?

„Ich weiß nicht was du meinst, zwischen uns läuft nichts.“

„Oh bitte, tu doch nicht so. Gerade dass du nicht zu sabbern anfängst, wenn du ihm hinterher starrst und ihm wie ein Hund nachrennst. Als ob er jemals etwas mit dir anfangen würde. Ich meine, sieh dich doch mal an und dann ihn. Du bist nicht mal durchschnittlich hübsch und er ist das Heißeste was unsere Schule zu bieten hat“, höhnte sie, der Blick ihrer strahlendblauen Augen kalt wie Eiszapfen.

Uhh, Kinnhaken Nummer eins.

„Bist du etwa eifersüchtig, Dominique?“

„Auf dich?! Das ist ja fast schon komisch. Abgesehen davon, hatte ich ihn schon auf alle erdenkliche Arten.“

Kinnhaken Nummer zwei.

„Das einzige was noch gefehlt hatte, war Sex on the Beach, aber das haben wir zum Glück zu Silvester aufgeholt.“

Autsch, der hatte gesessen. …acht, neun, zehn – KO. Der Rundensieg geht an Dominique Weasley.

Mit dem Gefühl sich übergeben zu müssen stürmte sie aus der Bibliothek, das Gelächter ihrer Cousine dröhnend laut wie eine Kirchturmglocke in ihren Ohren. Vielleicht war das auch ein Missverständnis, so wie Albus Duell. Vielleicht hatte sie ja den Cocktail gemeint. Vielleicht…

In einem leeren Korridor im zweiten Stock holte sie Scorp ein, der auf dem Weg in die Kerker war. Seine dunkle Gestalt wurde nur vom schwachen Licht der Kerzen an den Wänden beleuchtet, da die Sonne in dieser Jahreszeit schon vorzeitig unterging und das Licht aus Hogwarts mitnahm.

„Scorpius, warte.“

Schwerfällig drehte er sich um und ihr Unterbewusstsein kapierte, was ihr Herz nicht wahr haben wollte. Es war wahr.

„Stimmt es? Was Dominique sagt, über…über Silvester.“

Sein Blick war hohl und traurig und am liebsten hätte Lily zu heulen angefangen.

„Es tut mir so leid…“

„Fass mich nicht an“, sie schlug seine Hand weg, als er sie ihr auf die Wange legen wollte und er ließ den Kopf und die Schultern hängen. Das Blut in ihren Ohren rauschte und sie fühlte sich, als wäre sie in einem bösen Paralleluniversum gelandet.

„Du kannst…du kannst flach legen, wen immer du willst, es…es ist mir scheißegal. Schließlich läuft zwischen uns nichts.“

Sich selbst einredend, dass es tatsächlich so war, stürmte sie an ihm vorbei hinunter zum See, ohne darauf zu achten, dass sie nur einen Pulli und Jeans trug – die Schuluniformen mussten seit knapp drei Jahren nur noch während des Unterrichts und zu Feiern in der Großen Halle getragen werden, nicht mehr den ganzen Tag – und draußen noch der Schnee lag. Sollte sie doch erfrieren.

Er rief ihr nicht mal nach, weil er wusste, dass er es besser nicht verdient hatte.
 

„Ich dachte Scorp hatte nichts mit Beauty zu Silvester.“

Quinn sah im Gemeinschaftsraum von seinen Büchern auf, während sich Jacob neben ihm auf die Couch fallen ließ.

„Hatte er auch nicht. Ach, ist er deshalb so mies gelaunt? Weil er dachte, er hätte seine Kleine beschissen?“

„Jap. Und vermutlich ist’s jetzt nicht mehr ‚seine Kleine’, weil Beauty ihr gerade gesagt hat, dass da was gewesen ist.“

„Was redet sie für Müll. Ich hab die beiden doch gesehen, weil Scorp nicht weit von mir und Nathalie schlapp gemacht hat und da ist garantiert nichts gelaufen. Vielleicht ein Kuss oder so, so genau weiß ich das auch nicht, ich war schließlich beschäftigt, aber mehr sicher nicht, weil Scorp eingepennt ist, als sie zur Sache kommen wollte.“

„Tja, Beauty hat es Potter grad ziemlich anders verklickert. Ich bin ein Regal weiter gesessen und sie hat es ihr ziemlich rein gedrückt, was sie mit Scorp schon so alles getrieben hat.“

„Diese blöde Schlampe. Wo ist sie?“

„Bibliothek.“

Mit einem Knall, der von den Kerkerwänden wiederhallte schlug der Schwarzhaarige sein Zaubertrankbuch zu und stapfte wieder hoch in die Bücherei. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Wie kam diese bescheuerte Blondine dazu, solchen Scheiß zu reden?!

„Sag mal, hast du sie noch alle?“

Der Kerl, denn Beauty gerade angegraben hatte, erstarrte als er Quinn sah und verschwand dann um die nächste Ecke. Eine sehr vernünftige Reaktion, wenn man den Dunkelhaarigen ansah, ganz in schwarz gekleidet, um den Hals eine schwere Gliederkette, wie man sie sonst nur Dobermännern umlegte und die Augen Funken sprühend wie eine Kreissäge, die an einen Nagel im Holz stieß.

„Du hast mir gerade die Tour vermasselt“, quengelte sie mit einem Schmollmund, als sie sich von der Stelle abwandte, an der ihr neuestes Opfer eben verschwunden war.

Ohne auf ihre Proteste zu achten packte er sie grob am Arm und schubste sie auf einen freien Stuhl.

„Aua, du tust mir weh.“

„Sei froh, dass ich nicht ernsthaft anfange dir weh zu tun, Schlampe. Du weißt genauso gut wie ich, dass du zu Silvester nichts mit Scorp hattest. Warum zu Hölle redest du solchen Müll daher?“

„Sei froh, dass ich sie an seiner Stelle abserviert hab. Du hast selbst gesagt, dass sie eine Gefahr für unsere Sache ist, weil sie ne verkorkste Einstellung hat und je früher wir sie los werden, desto besser.“

Für das trotzig hervor gestreckte Kinn und den besserwisserischen Zickenton hätte er ihr am liebsten eine geknallt.

„Ja, das war auch bevor Scorp ernsthaft auf die Kleine stand.“

„Oh bitte, du kennst Scorpius. Als ob er sich noch für sie interessieren würde, wenn es sie mal im Bett gehabt hatte.“

Bei ihr war es doch dasselbe gewesen. Sie war so verliebt in ihn gewesen, weil er der erste gewesen war, der sie freundlich behandelt hatte. In ihrer Familie war sie immer mehr zur Außenseiterin geworden, weil sie anders als der ganze beschissene Rest in ihrer Familie nicht in Gryffindor sondern in Slytherin gelandet war und in ihrem Haus war sie anfangs auch nie richtig akzeptiert worden, weil sie eine Weasley war. Doch nachdem sich Scorp ihrer angenommen hatte, war alles völlig anders geworden und alle hatten geglaubt, dass sie ewig zusammen bleiben würden. Tatsächlich waren sie genau 35 Stunden ein Paar gewesen. Kurz nach ihrem vierzehnten Geburtstag hatte ihr Scorp den Himmel auf Erden versprochen, sie hatte ihm geglaubt, sich entjungfern lassen und war letztendlich allein da gestanden.

Ihre romantischen Illusionen von Liebe hatte sie damals über Bord geworfen. Das einzige was noch übrige geblieben war, war ihre Verliebtheit in Scorpius. Domi hatte die Mädchen in Scharen kommen und gehen sehen, stolz darauf, die einzige zu sein, mit der er öfters als einmal geschlafen hatte. Seine Liebe konnte sie nicht erzwingen, aber sie konnte dafür sorgen, weiterhin sein einziges dauerhaftes Betthäschen zu sein.

„Scheiße, dann lass ihn doch, wenn du meinst, dass es sowieso nicht dauerhaft ist.“

„Nein, ich teile nicht.“

Seine Ohrfeige saß und Dominique starrte ihn mit tellergroßen Augen an, als ihr Kopf zur Seite flog. Im Normalfall schlug er keine Frauen, aber jetzt war ihm die Hand ausgerutscht. Und es tat ihm nicht mal leid.

„Sei bloß froh, dass es nur die Handfläche war. Ich hätte nämlich große Lust dir grad sämtliche Zähne auszuschlagen. Dein beschissener Egoismus hat ihm vermutlich grad das Herz gebrochen.“

Eh er seine Drohung tatsächlich noch wahr machte, wirbelte er herum und trampelte aus der Bibliothek, nicht ohne dabei ein paar Schüler anzurempeln. Sollten sie sich doch aus seinem Weg verpissen, er hatte keinen Bock ihnen auszuweichen.

Verdammt, wo sollte er Lily jetzt suchen? Er konnte doch nicht zulassen, dass es einfach so aus war. Quinn hatte gemerkt, wie viel Lily Scorpius bedeutet, wie glücklich er war, wenn er sich mit ihr traf. So sehr er sie anfangs auch gehasst hatte, mit der Liebe seines besten Freundes war auch seine Zuneigung zu ihr gewachsen. Scorp war der erste gewesen, der Quinn anständig behandelt hatte, obwohl er ein rücksichtsloses Arschloch ohne Moral war. Und er war immer für ihn da gewesen, bei all dem Scheiß der ein seiner Vergangenheit passiert war. Jetzt war es endlich mal an der Zeit, es dem jungen Malfoy zurück zu geben.

In der Großen Halle sah er einen langen roten Schopf und ging auf ihn zu. Das war zu einfach gewesen und im Nachhinein dachte er sich, dass er es eigentlich hätte wissen müssen, dass es ihm nicht vergönnt war, sie nach zwei Minuten Suche im warmen Speisesaal zu finden.

Schon im Näherkommen wurde ihm klar, dass es nicht Lily war. Warum mussten auch alle mit Weasleygenen rote Haare haben? Die einzige die keine hatte, waren James, Albus und Dominique.

„Wo ist Lily?“

Albus sah zu ihm auf und seine Augen weiteten sich, Roxanne zeigte dieselbe Reaktion, als sie sich um drehte.

„Verdammt, was wollt ihr eigentlich alle von meiner Schwester?! Lasst sie in Ruhe!“

„Sie ist am See. Ich hab sie vorher raus stürmen sehen.“

„Roxy!“

„Danke“, ohne dem Zank der beiden noch weiter Beachtung zu schenken machte sich Quinn wieder auf den Weg nach draußen. Super, dass es draußen nur mittlerweile stockdunkel war, die Temperatur knapp an der Grenze zum Minusbereich lag und er nur ein T-Shirt trug. Das würde Scorp was kosten, soviel stand fest.

„Scheiße ist dir nicht kalt?“

Schon der kurze Weg vom Schloss bis zu der großen Eiche am See hatte ausgereicht, um seine Zehen in den Ed Hardy-Sneakers taub werden und an seinen Armen die Gänsehaut auffahren zu lassen.

„Nein. Lass mich in Ruhe.“

„Wow, anscheinend sind alle in deiner Familie so unfreundlich.“

„Wow, anscheinend sind alle Slytherins am Trainieren, um den Weltmeistertitel in blöd quatschen zu gewinnen.“

Sein Lachen verwandelte sich in kleine graue Wölkchen als es seinen Mund verließ und hüllte ihn ein. Jetzt verstand er, warum Scorp so auf sie abfuhr. Sie war klasse.

„Kleine, hör zu. Beauty erzählt Scheiße. Scorp lebt seit den letzten vier Monaten zölibatär wegen dir.“

„Ja und warum sollte sie sowas erfinden?“ schnaubte Lily.

„Weil sie auf ihn steht und Angst hat ihre Stellung als sein Lieblingsbetthäschen zu verlieren.“

Ihr Kopf schnellte herum und sie sah ihn mit Glupschern wie ein Autobus an. Ihr Cousine Dominique, Viertelveel, der Traum aller Männer, sollte auf jemanden wie sie eifersüchtig sein?

„Ja sicher, in welcher Welt lebst du? Sieh sie dir an, es ist absurd, dass sie neidisch auf jemanden wie mich sein sollte.“

„Glaub mir an den wirklich wichtigen Stellen sieht sie gleich aus wie alle anderen“ grinste Quinn.

„Üahhhh, das wollte ich jetzt lieber nicht so genau wissen.“ Auch Lily konnte nicht anders als zu grinsen und leise zu lachen. „Du bist so ekelig, weißt du das?“

„Jap, sagt mir Scorp auch immer wieder.“

Beide wurden bei der Erwähnung seines Namens wieder ernst.

„Red mit ihm drüber. Er war stockbesoffen und ich hab keine Ahnung wie viel er noch weiß.“

„Aber…was ist dann passiert?“

„Beauty hat ihn verschleppt, er ist eingeknickt und sie wollte ihn besteigen. Vermutlich hat er sich gewehrt, keine Ahnung, ich war selbst beschäftigt. Jedenfalls hab ich sie fluchen gehört, weil er eingepennt ist.“

„Er ist eingepennt?“

„Jap.“

Einen Moment schwieg sie, dann prustete sie laut und erleichtert los. Er hatte nichts mit ihr gehabt. Er hatte sie nicht betrogen. Er hatte nicht mit Dominique geschlafen. Weil er eingepennt war.

Neben ihr erhob sich Quinn wieder, ein riesiger schwarzer Schatten, der sich die Hände rieb, um das Blut wieder zurück in die Finger zu kriegen.

„Gut, ich verpiss mich jetzt wieder, bevor sich mein Schwanz noch weiter zurück zieht und ich demnächst als Mädchen rum laufen muss.“

Grinsend zog er von dannen und sie starrte ihm einen Moment lang nach, bevor sie mit ihren eiskalten Händen einen Schneeball formte und ihn der dunklen Gestalt auf die Rübe knallte.

„Hey!“

„Warte.“ Erste als sie sich wieder bewegte wurde ihr klar, wie erstarrt ihre Gliedmaßen eigentlich waren. Sie musste völlig unterkühlt sein.

„Weißt du wo Scorp ist?“ keuchte sie, als sie ihn eingeholt hatte. Ihre Lunge brannte, sie zitterte und ihre Lippen waren blau angelaufen.

Anstatt ihr eine Antwort zu geben zog er seinen Zauberstab und steckte ihn hinten ein Stück in sein Shirt. Ähmm jaaa, sie dachte sich jetzt einfach mal ihren Teil, aber bevor sie nachfragen konnte traten sie in den Lichtschein, der aus den unzähligen Fenster der Großen Halle drang und er fluchte ungehalten.

„Fuck, wie siehst du denn aus?“

Vorhin in der Dunkelheit hatte er nicht mehr als ihre Silhouette erkennen können, doch jetzt sah er auch die deutlichen Zeichen, die die Kälte an ihr hinterlassen hatte.

Ohne lange zu zögern nahm er ihre Hand und zog sie durch die Eingangshalle hoch in den zweiten Stock. Er murmelte ein Passwort und eine geheime Tür schwang auf.

„Wohin verschleppst du mich, zur Hölle?“

Ohne ihr eine Antwort zu geben schob er sie ein einen Raum, aus dessen Wänden hunderte Wasserhähne ragten. In der Mitte war eine swimmingpoolgroße Badewanne eingelassen und an die Decke war das Bild einer Unterwasserlandschaft gemalt, die sich bewegte. Fische flitzten umher und eine Qualle trieb gemächlich an der Lampe vorbei, die über der Wanne hing.

„Zieh dich aus.“

Was?!

Quinn rollte die Augen, während er am erstbesten Wasserhahn dreht, aus dem nach Kokos duftendes Schaumbad quoll. Mit der Hand überprüfte er die Temperatur. Das Wasser durfte nicht zu heiß sein, wegen ihren Erfrierungen.

„Verdammt, du bist völlig unterkühlt und wenn du der Schulkrankenschwester erklären willst, warum du dich draußen rum treibst, obwohl wir bei Dunkelheit nicht mehr aus dem Schloss dürfen, dann bitte, da ist die Tür.“

Er deutete mit der Hand zu Tür, doch sie rührte sich keinen Zentimeter.

„Eben. Dann musst du wohl oder übel in diese Wanne. Und da du keine zweiten Klamotten hast, musst du wohl zusehen, dass die nicht nass werden, damit du damit später noch in euren Gemeinschaftsraum kommst.“

Einen Moment lang rührte sie sich nicht und Quinn war versucht, sie einfach mit Kleidung ins Wasser zu werfen. Warum hatten Frauen eigentlich alle so einen an der Waffel?

„Dreh dich um.“

Er tat wie geheißen und es raschelte leise hinter ihm.

„Ähmm…“

„Was?“

„Ich krieg meinen Hosenknopf nicht auf, meine Finger sind zu starr.“

Als er sich umdrehte, versuchte sie verlegen ihren dunkelblauen BH zu verbergen.

Gerade als er sich an ihrer Hose zu schaffen machte, schwang die Tür auf.

„Du hast mich…was zur Hölle treibt ihr hier?!“

Scorpius‘ Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er die Szene musterte, die sich ihm bot. Sein bester Freund zog gerade das Mädchen, in das er verknallt war aus, um mit ihr in seinem Lieblingschaumbad – gut, das wusste Quinn nicht – zu baden. Und da er ihn über ihr Mal gerufen hatte, wollte er anscheinend, dass er an der feuchtfröhlichen Orgie teilnahm.

Eigentlich wäre Scorps Blick ja zum Brüllen komisch gewesen, aber Quinn kämpfte mit seiner Sorge um die Kleine. Sie zitterte noch immer wie Espenlaub und ihre Lippen hatten die ungesunde Farbe von Blaubeeren angenommen. Gott, irgendwas war hier ziemlich falsch. Er machte sich Sorgen um irgendeine Gryffindor, mit der er eigentlich gar nichts am Hut hatte.

„Steh nicht blöd rum, hilf mir lieber. Sie sollte schnellstens wieder warm werden und ich krieg den blöden Knopf nicht auf.“

Ohne noch weiter zu fragen schob er Quinn zur Seite, beendete den Kampf mit dem widerspenstigen Knopf und zog ihr die Hose runter.

„Hey!“

Scorpius blickte von unten zu ihr auf, während er ihr die Socken auszog und sie blinzelte. Seine Augen waren leer und traurig. Der Blick eines Mannes, der etwas, das ihm sehr viel bedeutete, verloren hatte.

Sie war bis auf die Unterwäsche ausgezogen und Quinn deutete mit dem Finger auf das Wasser.

„Los rein da.“

„Jaaa, behandelt mich ruhig wie ein kleines Kind, das man rum kommandieren kann.“

Trotzdem leistete sie dem Befehl Folge.

„Scheiße, ist das heiß.“

„Das ist nicht mal lauwarm“ stellte Scorp fest, als er einen Finger ins Nass tauchte.

Schritt für Schritt tauchte Lily weiter in die ebene weiße Schaumfläche vor ihr ein und sie spürte langsam, wie wieder etwas Gefühl in ihre Füße zurück kehrte.

„Gut, ich lass euch jetzt alleine.“

Scorpius wandte seinen Blick von Lily ab – nein, er hatte nicht gespannt, er war bloß besorgt, weil man am glitschigen Boden leicht ausrutschen konnte und er nicht zulassen konnte, dass sie sich verletzte – und musterte den Dunkelhaarigen.

„Deine Lippen sind violett.“

„Nicht so schlimm. Passt besser zu meinem Stil.“ grinste er, während er an Scorp vorbei schlenderte.

„Danke.“

„Kein Thema, Kleine.“

Eine Welle weißer Schaum schwabbte über die beiden Jungs hinweg.

„Das Männer eigentlich immer meinen, einem bescheuerte Spitznamen geben zu müssen. Ich bin nicht klein – ihr zwei seit nur riesig.“

Unter einer weißen Schaumhaube hervor blinzelten sich Scorp und Quinn an, dann grinsten sie.

„Danke, Q.“

„Schon in Ordnung. Aber das kostete dich was.“

„War ja klar.“ Scorpius rollte matt grinsend die Augen, in die das Leben noch immer nicht zurück gekehrt war.

„Tja, das Leben ist teuer, mein Freund.“

Quinn schlug dem Blonden auf die Schulter, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

„Scorpius…?“ Lilys Flüstern war kaum zu hören und er zögerte einen Moment, bevor er sich umdrehte.

„Komm her.“

Einem Roboter gleich, dessen Fernbedienung sie in der Hand hatte, kam er zu ihr und ließ sich neben dem Becken auf den nassen Boden sinken.

„Erzähl mir was passiert ist.“

Ihr sanfter Tonfall ließ Hoffnung in ihm aufkeimen.

„Ich weiß nicht mehr so genau. Ich hatte zu viel intus und der halbe Abend ist ziemlich verschwommen. Wir haben ein Wettrennen gemacht und … ich hab gewonnen. Dann hat Beauty gesagt ich krieg ne Belohnung und hat mich den Strand entlang gezogen. Hier wird’s dann immer undurchsichtiger. Da haben zwei im Sand gevögelt, dann ist Beauty auf mir drauf gesessen – ich wollt das nicht, ehrlich – und dann…Filmriss.“

„Vishous hat gesagt, du hattest nichts mit ihr.“

Sein Blick schoss nach oben wie eine Rakete und er hörte auf in der kleinen Lacke vor sich Muster zu ziehen.

„Woher…ach, schon klar. Die beiden im Sand.“

„Jap. Er hat gesagt, dass er sie flucht gehört hat, weil du eingeschlafen bist.“

„Ich bin eingepennt? Gott, wie peinlich. Tja, aber im Moment kann ich wohl froh darüber sein. Du sollst trotzdem wissen, dass es mir leid tut.“

„Mir auch. Also das was ich im Korridor gesagt hab. Es war gelogen…“ Die letzten Worten kamen nur noch als Flüstern über ihre Lippen und sie blickte dabei gebannt auf den Schaum vor ihr.

„Lily…“

Sie hob den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Langsam kamen seine Lippen näher. Endlich war es soweit; er hatte sich so danach gesehnt. Eine prickelnde 5oo Volt Spannung baute sich zwischen ihnen auf und Scorp meinte, dass die Hitze, die von ihm aufstieg eigentlich das Wasser hätte zum Sieden bringen müssen.

Nur noch Zentimeter trennten sie von einander und der Slytherin legte die Hand auf den Beckenrand, um besseren Halt zu haben – und rutschte ab. Kopfüber kullerte er samt Klamotten ins Wasser.

Hustend und prustend tauchte er wieder auf und hörte schallendes Gelächter. Lily musste sich am Beckenrand festhalten, um vor lauter Lachen nicht unter zu gehen. Es hatte einfach zu komisch ausgesehen, wie Scorp vornüber in die Wanne kippte und dann wieder aufgetaucht war, wie ein begossener Pudel.

„Na warte, wenn ich dich in die Finger kriege.“

„Ahhh…“

Lachend tobten die beiden durch die Fluten, um sich gegenseitig unter zu tauchen oder sich Hüte und Bärte aus Schaum zu basteln, beide froh darüber, dass sie die Sache mit einem positiven Ergebnis geklärt hatten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück