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Weil Liebe niemals einfach ist

von

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Märchen

Ein sicheres Zeichen dafür, das Weihnachten ist? Ein übergroßer Berg Geschenke am Fußende des Bettes. Lily grinste, als sie die Augen aufschlug und fast geblendet war, von der Fülle an knallbunt eingepackten Päckchen, die zu ihren Füßen lagen.

Zerzaust wie ein Uhu nach einem Waldbrand kroch sie im Eiltempo unter ihrer Decke hervor und krallte sich das erst Packet. Geschenke, jippie!

In durchsichtigem Einwickelpapier mit hunderttausend Schleifchen und Bändern gewickelt, war das alljährliche Fresspacket von ihren Großeltern das erste aufgemachte Bündel. Hmmm, selbstgebackene Kekse, Minitörtchen und ein handgestrickter Pulli. Ihre Oma war zwar schon uralt, aber noch immer die beste Köchin und Bäckerin weit und breit. Das einzig Negative an Weihnachten war, dass Lily nach den Ferien immer ungefähr 5 Kilo mehr hatte – was Großteils Grandma Weasleys Schuld war.

Einen Keks im Mund und die Krümel übers ganze Bett verteilend, stürzte sie sich auf ein giftgrünes Säckchen von ihrem Onkel George und ihrer Familie: eine Sonderration Scherzartikel aus seinem Laden. Nasch und Schwänz Leckereien, Juxzauberstäbe und vielerlei mehr. Perfekt, dann sparte sie sich den Einkaufsbummel nach Weihnachten. In letzter Zeit war vor allem das Nasenblutnougat ganz schön knapp geworden und sie konnte schließlich nicht ungerüstet wieder nach Hogwarts fahren.

Es folgte ein etwas weniger schrilles Packet in sanften blau und es war nicht schwer zu erraten, von wem es kam und wer das Papier ausgesucht hatte. Onkel Bill und seine Familie. Im Inneren fand sie ein Sammelsurium an exotisch aussehendem Schmuck. Eine Kette aus leuchtenden Korallen, eine Libellenspange aus glitzernden Steinchen fürs Haar, ein Armband mit Tieranhänger aus Elfenbein und Ohrringe, die wie ein Blumenregen aussahen, waren unter anderem dabei. Das Armband sowie eine Kette aus bunten Steinen und Platten legte sie sofort an – es stand ihr prächtig. So wenig sie Fleur auch leiden konnte, eins musste man ihr lassen: sie hatte einen fantastischen Geschmack was Mode und Styling betraf.

Als nächstes kam ein quietschpinkes, längliches Packet dran, ohne Zweifel von ihrer Cousine und besten Freundin Roxanne. Vorsichtig schüttelte die Rothaarige das Geschenk, bei Roxy konnte man ja nie genau wissen, was sie einem verpackte. Es hörte sich an, wie Holz, das gegen Metall schlug. An der Unterseite war das Packet etwas weicher, als oben und es hatte die Form und Größe eines dicken Schulheftes. Langsam ritzte sie das Papier auf der Unterseite auf. Hoffentlich sprang nicht heraus … . Millimeter für Millimeter riss sie das Papier weiter auf, den Kopf abgewandt. Als nichts passierte, holte sie tief Luft und packte das Geschenk gänzlich aus. Wieder geschah nichts und Lily blinzelte. War das etwa das erste Geschenk von Roxy, das nicht irgendeine böse Überraschung beinhaltete? Wow, den Tag sollte sie sich wohl rot im Kalender markieren, dachte sie, als sie den Zeichenblock und die Stiftebox musterte, die ihre Cousine ihr geschenkt hatte. Malen war neben Quidditch und dem Schreiben eine von Lilys größten Leidenschaften. Sie konnte tagelang nur am See sitzen und die Bewegung der Wellen in Worte und Bilder fassen.

Sie legte die Malutensilien weg und nahm ein rot-goldenes Päckchen zur Hand. Wieder war schon an der Verpackung zu erkennen, von wem es war: Albus Severus. Das Packet war groß und schwer, wie eine Bücherbox, was es letztendlich auch war. Ihre Freude erhielt einen gewaltigen Dämpfer, als sie mit dem Finger über die Buchrücken fuhr. Es waren allesamt Werke über die Dunklen Künste und ihre Abwehr. Bevor sie nach Hogwarts gekommen war, hatte sie den Wunsch gehegt, ein Auror zu werden, doch bereits in der dritten Klasse wurde ihr klar, dass sie dieses Berufsfeld wohl besser der männlichen Seite ihrer Familie überlassen sollte. Sie würde in die Fußstapfen ihrer Mutter als Quidditchspielerin treten und nebenbei vielleicht versuchen, ihren Traum wahr zu machen: sie wollte ein Märchenbuch veröffentlichen. Seit sie schreiben konnte, verarbeitete sie ihr alltägliches Leben, ihre Gefühle und Emotionen in fantastischen Geschichten, die von dunklen Wäldern und weißen Schlössern, finsteren Vampiren und heilenden Hexen und natürlich von strahlenden Prinzen handelten. Dieses Art ihr Innenleben auszudrücken frönte sie noch immer, auch wenn ihre Geschichten mittlerweile ernster und moralischer geworden waren und in letzter Zeit ihre Prinzen immer mehr Ähnlichkeit mit einem gewissen Slytherins eine Jahrgangsstufe über ihr hatten, worauf sie Roxy letztens hingewiesen hatte.

Sanft strich sie über die Bücher. Irgendwie war es traurig, dass Roxy sogar Dinge wie ihre Lieblingspapiermarke kannte und ihr eigener Bruder nicht mal wusste, dass sie schon seit Jahren ein anders berufliches Ziel verfolgte, zumal sie zu ihm eigentlich immer den besten Draht gehabt hatte. Seit diesem Duell am Jahresanfang hatte sie sich noch weiter voneinander entfernt, weil er Scorpius so überhaupt nicht ausstehen konnte. Lily seufzte. Sowohl wegen Albus als auch wegen Scorp. Irgendwie schaffte sie es immer wieder, in Gedanken zu ihm zurück zu kommen. Egal wo sie anfing, es endete immer wieder bei ihm. Wie es ihm wohl momentan auf den Malediven ging? Bevor sie jetzt anfing, sich Scorp in Badeshorts und mit nassen Haaren vorzustellen, widmete sie sich wieder ihren Geschenken.

In einer kleinen hölzernen Hundehütte hatte ihr Charlie ein lebendiges Minimodell eines Drachen geschickt, der munter in ihrem Zimmer herum flog und alles genau unter die Lupe nahm. Lächelnd verfolgte sie den kleinen Kerl, wie er vorsichtig in den Käfig ihrer Maskeneule Nyx hinein schnüffelte.

Feinsäuberlich in oranges Papier gewickelt hatte sie mehrere Schachteln Euelenleckerein von ihrem Onkel Ron und seiner Familie geschenkt bekommen.

Von Percy und seiner Familie hatte sie einen hübsch verzierten Taschenkalender bekommen, in den sie heute Abend gleich die wichtigsten Daten für das kommende Jahr eintragen würde, nämlich wann Ferien waren.

In einem roten Packet fand sie ein Besenpflegeset von ihren Eltern, sowie eine Fandecke von den Holyhead Harpies, ihrer Lieblingsmannschaft, weil ihre Mum dort gespielt hatte.

Schließlich waren noch zwei Geschenke übrig. Eines von James Sirius, in violettem Papier und ein schwarz schimmerndes. In verschlungen Lettern prang ihr ihr Name entgegen und ihr Blut geriet in Wallung, als sie die Handschrift erkannte, so schön und elegant wie ihr Schreiber: Scorpius. Verdammt, sie hatte ihm bloß eine Karte geschrieben. Aber unleugenbar war sie entzückt darüber, dass er ihr ein Packet geschickt hatte.

Am liebsten hätte sie das dunkle Papier sofort abgerissen, doch stattdessen öffnete sie das lilane Packet zu erst. Ihr ältester Bruder machte gerade ein Auslandssemester an einer Aurorenschule am Kontinent und hatte ihr eine wunderschöne, in Holz eingebundene Märchensammlung von den Gebrüdern Grimm geschenkt. Schon seit sie klein gewesen waren, hatten Jamie und sie sich am Abend Märchen erzählt, ein Brauch den sie auch heute noch hin und wieder fortführten.

So schön das Buch aber auch war, sie konnte ihm im Moment einfach keine Beachtung schenken. Scorps Geschenk lenkte sie einfach zu sehr ab. Was er ihr wohl geschenkt hatte?

Stürmisch zerfetzte sie die Verpackung und heraus fielen ein Brief, zwei beschriftete Blöcke und ein Buch. Die Blöcke kannte sie: es waren ihre. Im einen waren ihre Geschichten aufgeschrieben, im anderen ihre Illustrationen aufgezeichnet und sie hatte geglaubt beide vor den Ferien verloren zu haben. Anscheinend war es aber eher einem langen Finger als ihrer Chaotik zu verdanken, dass sie das ganze Schloss nach ihnen abgesucht hatte, ohne fündig zu werden. Dieser Schuft, das würde er ihr noch büßen!

Als sie das Buch zur Hand nahm, stockte ihr der Atem wie Wasser am Nordpol. Der Wälzer war in schwarzes Leder eingebunden und auf den Umschlag war eines ihrer Bilder eingeprägt. Als sie durch die antik aussehenden Seiten blätterte wurde ihr klar, dass sie ihre Märchen und Illustrationen gedruckt und gebunden in Händen hielt. Auch wenn sie ihre Arbeiten immer als unzureichend und unwürdig eingestuft hatte, erfüllte sie doch ein tiefer Stolz, als sie auf den eleganten Umschlag, die silbernen Lesebändchen und die bunten Bilder hinab blickte. Sie konnte sich kaum satt sehen an dem Buch und blätterte es immer und immer wieder durch. Und blieb immer und immer wieder an derselben Stelle hängen: dem Bild eines Prinzen, der gegen eine Drachen kämpfte und dem deutlich anzusehen war, von wem sie inspiriert worden war, als sie ihn gezeichnet hatte. Was Scorp wohl gedacht hatte, als er die Zeichnung gesehen hatte?

Der Brief, der dem Paket noch beigelegen war, kam ihr wieder in den Sinn und mit zittrigen Fingern angelte sie ihn sich von der Bettdeckte. Scorp war hunderte Meilen weg von ihr auf den Malediven, aber er schaffte es trotzdem ihr den Atem zu rauben und ihr Herz zum Rasen zu bringen. Dieser Mensch war einfach der Wahnsinn.
 

Fröhliche Weihnachten, Prinzessin und schon im Voraus eine guten Rutsch ins neue Jahr.

Ich hoffe, mein Geschenk gefällt dir. Als ich dich neulich am See sitzen und malen gesehen hab und du mich so verhemmt abgewiesen hast, war mir klar, dass da mehr dahinter stecken musste, also hab ich Roxanne – die übrigens ziemlich cool ist, richt ihr bitte schöne Grüße von mir aus, wenn du sie siehst – ausgefragt und die hat mir von deiner Leidenschaft erzählt. Und deinem Traum. Als du mal nicht hingesehen hast hat sie mir deine Blöcke geklaut und ich muss sagen, dass ich beeindruckt davon war.
 

Ohh, diese Mistbiene. Hatte ihr auch noch scheinheilig suchen geholfen, obwohl sie diejenige gewesen war, die ihr die Blöcke unter dem Hintern weg geklaut hatte. Wenn sie Roxy in die Finger bekam!
 

Ich weiß, was du jetzt denkst, aber du liegst falsch. Ich find sie tatsächlich gut. Dein Schreibstil ist schön flüssig zu lesen, auch wenn ich hier und da ein paar Rechtschreibfehler entdeckt hab und du schaffst es immer wieder interessante Wenden einzubauen, so dass man nicht am Anfang schon weiß, wie es ausgeht. Was die Bilder betrifft: du hast Talent, auch wenn dein Vermögen dreidimensional zu denken nicht grad sehr ausgeprägt ist. Oft weiß man nicht, welcher Gegenstand jetzt weiter vorne ist und welcher eher im Hintergrund. Dafür sind deine Figuren schön detailliert und ausgefeilt – vor allem der Prinz in deiner letzten Geschichte gefällt mir.
 

Lily konnte ihn fast vor sich sehen, wie er deshalb grinste. Oh Gott, wie peinlich, war das denn bitte?

Sie seufzte und las den Brief bis dahin noch einmal. Ihr Herz hüpfte wie ein Gummiball, weil er ihre Arbeit mochte und sich beeindruckt zeigte. Schon viel zu oft hatte sie darüber nachgedacht, wie er sie wohl finden würde. Tja, jetzt hatte sie eine Antwort.
 

Freut mich, dass ich dich inspiriere. Darf ich mich jetzt deine Muse nennen?

Roxanne hat mir ebenfalls erzählt, dass du selbst von dir wenig überzeugt bist. Wie ich hörte hat dein Onkel Bill noch ein Kind bekommen. Glückwunsch – auch wenn ich ja nicht der Meinung bin, dass es ein Segen ist, einen Schreihals in die Familie gesetzt zu bekommen, aber ich will ja nicht unhöflich sein, nicht wahr ? – zu deinem Neffen Louis. Du kannst ihm ja mal ein paar von deinen Märchen vorlesen, als ersten Test so zu sagen. Wenn er zu schreien anfängt, solltest du deine Karriere als Märchenbuchautorin wohl besser an den Nagel hängen. Wenn er es nicht tut, schreibst du weiter und versuchst mal deine Geschichten an einer Verlag zu verkaufen. Wär das kein guter Deal?
 

Ich soll dir von Quinn schöne Grüße ausrichten. Eigentlich wollt er ja selbst unterschreiben, aber er ist grad mit einer Blondine in eine Umkleide verschwunden und ich fürchte, er kommt nicht so schnell wieder. Und warten werd ich sicher nicht auf ihn, nicht dass mein Geschenk noch zu spät ankommt, weil er seine Hose nicht anbehalten kann.
 

Würd mich freuen, wenn wir uns in den Ferien mal sehen würden.
 

Aber hallo, da war er nicht der einzige. Schon seit sie aus Hogwarts abgereist waren und sie sich von ihm verabschiedete hatte, vermisste sie ihn.
 

Ich bin ab 3o. wieder daheim, vielleicht können wir dann ja mal was machen.
 

Nochmal sonnige Grüße von den Malediven,
 

Scorp
 

Immer noch so breit grinsend, als ob sie einen Glückstrank geschluckt hätte, ging Lily später an diesem Tag runter zum Abendessen. Ihre gesamte Familie war hier – alle Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen. Weihnachten wurde bei den Potter-Weasleys immer bei einem anderen Gastgeber gefeiert. Letztes Jahr waren sie alle bei George und Angelina gewesen, das Jahr davor bei Charlie in Rumänien. Wer folgendes Weihnachten dran war, würde am Ende des heutigen Abends ausgelost werden.

Der Duft von gebratenem Truthahn empfing sie bereits auf den letzten Stufen vor dem Erdgeschoss. Als Vegetarierin war ihr allein der Geruch von gebratenem Fleisch ein Graus und sie verzog kurz das Gesicht. Tiere, die ebenso wie Menschen in Recht auf Leben hatten, zu töten und zu essen, war in ihren Augen nichts als ein barbarischer Akt der primitiven Kannibalität. Es war längst schon wissenschaftlich bewiesen, dass ein Erwachsener auch ohne Fleisch gut überleben konnte, also stellte sich ihr die Frage, warum es die Menschheit noch immer tat. Was gab ihnen das Recht, einfach einem anderen Geschöpfen ihr Grundrecht auf Leben zu stehlen? Und das noch auf so grausame Weise. Kälber wurden kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und mit Antibiotika vollgepumpt, Hühner lebten auf engsten Raum schon mehr aufeinander als nebeneinander und Schweine wurden gemästet und in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingegrenzt, um möglichst schnell möglichst viel Fleisch zu bekommen. Es war ein perverses Verbrechen an ihrer Umwelt, dass unter dem Deckmantel des Genusses gefrönt wurde.

Das laute Stimmengewirr aus dem Wohnzimmer lenkte sie von ihren Gedanken über Barbarei ab. Als sie eintrat, fand sie sich in einem Gewirr aus roten Haaren wieder. Was jetzt keine große Überraschung war. Außer diversen Angeheirateten hatten lediglich Dominique, Albus und James keine roten Haare. Tja, die roten Gene der Weasleys wurden wohl ausschließlich dominant vererbt.

„Lilyyyyyy!“

Wenn sie vorher gemeint hat nur noch rot zu sehen, war sie jetzt buchstäblich blind davon. Gerade war noch das Wohnzimmer in ihrem Blickfeld gestanden und plötzlich, bam und sie sah nur noch rot, während ihr die Lunge aus der Brust gequetscht wurde.

„Fröhliche Weihnachten“, trällerte Roxanne an ihrem Ohr. Stürmisch und ungehalten wie immer war sie ihrer Cousine entgegen gestürmt, kaum dass Lil den Raum betreten hatte. Sie war zwar immer so, aber heute hatte es zusätzlich noch einen speziellen Grund:

„Wie hat dir Scorps Geschenk gefallen.“

„Du Penner! Ich hab das halbe Schloss völlig verzweifelt nach meinen Blöcken abgesucht.“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet. Du musst mir das Buch unbedingt zeigen. Und was hat dir Scorp geschrieben? Ich bin sooo neugierig!“

„Aaach, wäre mir jetzt fast gar nicht aufgefallen“, grummelt Lily sarkastisch, als Roxy sie endlich wieder los ließ und sie sich die schmerzenden Rippen massierte.

„Also, also, also?“, sprudelte sie, auf und ab hopsend wie Jojo.

Doch eh Lily ihr antworten konnte, wurde sie auch von ihrer restlichen Familie in Beschlag genommen. Alle quasselten durch einander, lachten und hin und wieder quietschten Louis und Lucy, die Nesthäkchen, auf.

Wie jedes Jahr war es ein behagliches Fest im Kreis der Familie. Einzig Domi stand wie immer abseits und spielte gelangweilt mit ihrer blonden Mähne. Lily hatte letztes Jahr einen Versuch gestartet, mit ihr zu reden, aber sie hatte ziemlich unfreundlich abgeblockt. Früher hatte sie ihr immer leid getan, weil sie ein wenig ausgegrenzt wurde. Nicht schlimm, so dass man sagen könnte, ihre Familie hätte sie verstoßen, wegen ihres Hauses, aber unbewusst war sie nie wie der Rest ihres Clans behandelt worden. Sie war einfach anders, als der Rest. Doch spätestens seit letztem Weihnachten war der Rothaarigen klar, dass sich ihre Cousine auch von sich aus abschottete, sich in der Schule sogar für ihre Familie schämte und ihr Mitleid keineswegs verdiente.

Just in diesem Moment fing Louis zu brüllen an, weil er in einem unachtsamen Moment zu nah zu einer Christbaumkerze gekommen war und ließ sich partout nicht mehr beruhigen. Egal was Fleur tat, der kleine Kerl hörte einfach nicht auf zu weinen.

„Vielleicht hilft’s wenn wir ihm eine Geschichte vorlesen“, murmelte James und Lily musste an Scorps Deal denken.

„Wir können es ja versuchen“, gab Fleur leicht überfordert zurück. Sie wog den Jungen in den Armen und hielt ihm seine Rassel vor, jedoch ohne auch nur ansatzweise einen Erfolg damit verzeichnen zu können.

„Ich hab ein paar Märchenbücher oben – ich hol schnell eines.“

Mit diesen Worten verschwand Lily und rannte die Treppe hoch in ihre Zimmer. Das schwarze Buch lag neben ihrem Bett, gleich neben den Märchen der Grimm-Brüder. Sollte sie wirklich einen Versuch wagen? Aber wenn Louis weiter heulte, wäre ihr kleines bisschen Selbstvertrauen sicher im Arsch…

Wieder im Wohnzimmer reichte sie James das Märchenbuch und er schlug eine beliebige Geschichte auf. Erst war er über Louise Gebrüll kaum zu hören, doch langsam beruhigte sich der kleine Kerl langsam. Beruhigend strich die Stimme des Schwarzhaarigen durch den Raum – auch der Rest der Familie hörte jetzt zu. Jamie war schon immer ein rhetorisches Ausnahmetalent gewesen, seine Betonung und das Klangmuster seiner Stimme ließen die Worte lebendig werden. Drachen flogen durch das Wohnzimmer, düstere Bäume schossen aus dem Boden und eine einsame Prinzessin wartete auf ihre Rettung. Die in Form eines schönen blonden Prinzens bereits auf dem Weg war.

Doch James‘ Stimme allein war nicht der Auslöser für die allgemeine Verzückung. Es war die Geschichte selbst. Die erlesene Wortwahl, die genaue Darstellung und der packende Storyverlauf.

Als der Prinz letztendlich seine Prinzessin in den Armen hielt, schlief Louise tief und fest, während die restlichen Familienangehörigen noch immer wie verhext waren. Erst als James das schwarze Märchenbuch zuschlug, erwachten sie aus ihrem scheinbaren Märchenschlaf.



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