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Der Drache und die Nacht

OneShots
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieser OS hat mir den letzten Nerv geraubt. Ich kann einfach nicht mit tratschenden Charakteren und obendrauf sind Anna und Acnologia beide nicht gerade die kooperativen Typen. Hängt vielleicht das damit zusammen, dass beide im Manga noch nicht allzu viel Screentime hatten. Ich hoffe, mir sind sie trotzdem gelungen. ^^"

Enjoy. Komplett anzeigen

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[April | Kirschblüte] Gently comes my night

Etwas stimmte nicht in Bellflower Village.
 

Die Luft schien zu summen vor wispernden Stimmen, leise geflüsterten Vermutungen und gehässigen Bemerkungen. Die Gerüchteküche brodelte und jeder hatte etwas beizutragen zu den Geschehnissen, die den verschlafenen kleinen Ort vor fünf Tagen derartig aufgewühlt hatten. Das Ereignis war längst zu öffentlichem Besitz geworden.
 

Er hat ihn kaltblütig erstochen.

Er wollte sein Geld.

Der Kerl ist wahnsinnig!

Er ist geflohen, brauchst du mehr Beweise für seine Schuld?

Es ging um eine Frau.

Er hat es sich selbst zuzuschreiben.

Geschieht ihm ganz recht, wenn du mich fragst.

Es war nur eine Frage der Zeit, ehe er jemanden zu weit getrieben hat.

Soll er in der Hölle schmoren!
 

Niemand wusste genaueres, aber alle hatten etwas zu sagen, und am Ende war die Wahrheit nicht mehr von der Lüge zu unterscheiden. Am Morgen nach den Ereignissen war der Täter noch unbewaffnet in den Raum getreten, in dem man ihn später über seinem Opfer gefunden hatte bei dem Versuch, nach dem Puls zu tasten. Nun hieß es, er wäre mit gezogenem Schwert und einer Steinschlosspistole in der Hand in das Gebäude gestürzt, hätte wild um sich geschossen und die Tat unter wildem Gelächter begannen.
 

Anna hatte noch nie viel auf Gerüchte gegeben und sie hatte keine Zeit für solcherlei Kindereien. Sie musste sich um eine Apotheke kümmern, die ihr einzige Einkommensquelle war, um ihren großen Kräutergarten, der einen guten Teil der Rohstoffe für ihre Arzneien lieferte, und fünf Kinder, die sich vertrauensvoll auf sie verließen. Die wenige Zeit, die ihr für sich selbst dazwischen noch blieb, war ihr zu wertvoll, um sie mit Klatsch und Tratsch zu vergeuden.
 

Auch jetzt war die Situation nicht anders und sie konnte nur kopfschüttelnd zusehen, wie die sensationsgierige Meute sich auf das Ereignis stürzte. Keiner von ihnen wusste Bescheid, aber jeder maßte sich an, Richter und Jury gleichzeitig zu sein. Aber keiner von ihnen würde ein Henker sein.
 

Zwei Dinge wusste Anna: Erstens, Ivan Dreyar war tot. Zweitens, der Einzige, der wusste, was wirklich geschehen war, war sein potentieller Mörder und seit genau fünf Tagen nicht aufzufinden. Und selbst wenn, wer würde ihm jetzt noch glauben?
 

Das Dorf hatte sein Urteil längst gefällt.
 

Doch Anna berührte dies alles nicht. Sie hatte mit beiden Männern nichts zu tun, nicht mit dem brutalen Großhändler, in dessen Händen alle Fäden von Bellflower Village zusammenliefen, und nicht mit dem groben Soldaten, der vor ein paar Jahren einfach aufgetaucht war und sich in dem idyllischen Örtchen niedergelassen hatte, um fortan der Gerüchteküche immer neuen Stoff zu liefern.
 

Es ging sie nichts an und es würde nichts in ihrem Leben ändern. Ihre Apotheke hatte nicht zu den Geschäften gehört, die sich in Ivan Dreyars Besitz befunden hatten. Dazu war sie eine ehrbare Frau, von der sich das Gesindel wie einem ehemaligen Soldaten fernhielt, denn jeder wusste um ihren Ruf, den sie sich ehrlich und anständig verdient hatte. Solche Männer standen unter ihr und sie der Vorfall berührte sie nicht.
 

Nur … stimmte das nicht ganz.
 

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„…habe gehört, dass jemand ihn unten am Fluss gesehen hat.“, drang Sherrys Stimme zu Anna herüber und sie blickte auf. Einen Moment später trat die junge Frau schon um die Ecke des Hauses gegenüber in Begleitung von Mirajane und Ooba Babasaama, den dreijährigen Sohn an der Hand. „Er ist also noch in der Gegend.“ Ihr langes, pinkes Haar hing in einem dicken Zopf über ihre Schulter bis zu ihrem sich wölbenden Bauch hinunter.
 

Wie die beiden anderen Frauen war sie eine von Annas Nachbarinnen und eigentlich eine vernünftige junge Frau. Mirajane dagegen, deren langes weißes Haar im Licht der Frühlingssonne schimmerte, war trotz aller Sanftheit und Freundlichkeit eines der größten Klatschmäuler im Ort.
 

Und Ooba hatte wie viele alte Frauen zu jeder Kleinigkeit ihre Meinung zu verkünden. „Papperlapapp! Der ist längst auf und davon! Aber was soll man von so einem Tunichtgut auch erwarten?“ Ihre alternde Stimme klang verächtlich und wegwerfend. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass der nur Ärger bringen wird! Und schaut euch jetzt an, was passiert ist!“
 

Annas Hand schloss sich automatisch fester um ihre Schaufel und sie zog ärgerlich die Brauen zusammen. Diese alte Hexe wusste nicht, wovon – von wem – sie sprach!
 

„Jaja, Ooba.“, murmelte Sherry und selbst in ihrer Tonlage war das Stirnrunzeln deutlich herauszuhören.
 

„Also ich weiß nicht“, erklang Mirajanes sanfte Stimme „er wirkte immer etwas grob, aber doch nicht wie ein Mörder.“
 

„Ivan Dreyar weint jedenfalls kein Schwein nach.“, raunzte Sherry grob. Wie so viele andere Leute auch, hatte ihr Mann unter den harschen Bedingungen der dreyarschen Firmen zu leiden. Kein Wunder, dass sie kein Mitleid für den Mann übrig hatte, der über alles bestimmt hatte.
 

„Meine Güte.“, meinte Mirajane gelassen. „Wenn du oft solche Ausdrücke benutzt, hilft es auch nicht mehr, dem Kind die Ohren zuzuhalten.“
 

„Es ist einfach nicht rechtens.“, begehrte Ooba wieder auf. „Niemand kann einfach in unseren schönen Ort antanzen und dann tun, wonach ihm der Sinn steht.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und die Geringschätzung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Schon gar nicht so ein dahergelaufener Nichtsnutz!“
 

„Sie werden ihn schon erwischen.“, bemerkte Sherry gleichgültig. „Ich sage nur, dass Dreyar es verdient hat, mehr nicht.“
 

Ooba stieß ein verächtliches Schnauben aus und Mirajane erklärte: „Hoffentlich kommt es nicht zu noch mehr Toten. Dieser Mann ist bewaffnet und gefährlich.“ Sie legte dabei eine Hand an die Wange.
 

Anna rollte mit den Augen. Gefährlich war noch gar kein Ausdruck. Allerdings fiel er auch niemanden ohne Grund an…
 

Sie klopfte die Erde um die eben eingepflanzten Kräuter fest und erhob sich mit einem leisen Ächzen aus ihrer kauernden Stellung. Ihre Beine waren verkrampft vom langen Sitzen und ihr Rücken schmerzte. Immer öfter wurde ihr klar, dass sie nicht mehr die Jüngste war und langsam in die Jahre kam. Alte Narben trugen das Ihrige zu ihrem körperlichen Zustand bei.
 

„Anna!“, rief Sherry aus. „Ich habe dich da gar nicht gesehen.“ Die junge Frau kam herüber, ihr Kind inzwischen auf dem Arm, das der Nachbarin erfreut zuwinkte.
 

Anna erwiderte die Geste mit einem kleinen Lächeln und warf einen kurzen Blick zu Mirajane und Ooba hinüber, die leise miteinander tuschelten. „Ich sehe, ihr habt ein wichtiges Thema zu besprechen.“, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen und Sherry verzog schuldbewusst das Gesicht.
 

Mirajane dagegen lächelte nur sonnig. „Was ist schon ein bisschen Tratsch unter Freunden?“, wollte sie wissen. „Wie geht es deinen Pflanzen?“
 

„Gut.“, antwortete Anna etwas zu scharf, selbst ein wenig erstaunt darüber, wie persönlich sie das Gerede nahm. War er ihr doch schon so wichtig geworden? Sie dachte, sie hätte solche Regungen längst hinter sich gelassen…
 

Um sich selbst von diesen verwirrenden und überraschenden Gedanken abzulenken, ließ sie den Blick über ihren gepflegten Garten schweifen. Die kleinen Beete mit den wuchernden Kräutern, die schmalen Trittsteine dazwischen, der hintere Teil, auf dem sie ihr Gemüse zog, der hohe Holzzaun, der ihn vom Rest des Hofes abtrennte und vor den Hühnern schützte. Dahinter erhob sich das Haus, das letzte in der Straße, wie alle anderen ein Schmuckstück aus Fachwerk und frisch geweißelten Wänden, dahinter ein paar Ställe und Schuppen.
 

Der Kirschbaum vor dem Haus war schon von Weitem zu sehen. Er stand in voller Blüte, eine grandiose, blassrosa Pracht, die die Blicke auf sich zog. Sein knorriger, dunkler Stamm war so dick, dass ein Mann ihn nicht umfassen konnte, und seine Äste reckten sich ihn die Höhe, als wollten sie den Himmel erreichen. Tausende und abertausende von kleinen, rosa Blüten drängten sich eng aneinander und erzeugten ein Bild von zarter Schönheit, das Herzen bewegte.
 

Selbst ein einzelner Baum wie jener stach heraus, aber er war nur ein Schatten jenes Anblicks, der die Alleen und Parks in Annas Heimat zierte. Hier im Hinterland von Magnolia hatten, wie der Name der Stadt versprach, Magnolien den Vorrang.
 

Zwei der Ziegen grasten auf dem Rasenstück, über dem er sich erhob und das bedeckt war von gefallenen Blütenblättern. Wie kamen die schon wieder hierher? Auch der Hof war unter einer rosa Decke verschwunden und als der Wind zunahm, wurde sie aufgewirbelt und wie Schneegestöber durch die Luft getrieben. Heute Nacht würde es stürmen.
 

„Aber ich habe noch einiges zu tun.“, schob sie jeder Einladung zum Tratsch den Riegel vor. „Der Frühling ist immer sehr geschäftig und ich habe keine Zeit für Vermutungen über dumme Streits.“
 

„Es ist immerhin jemand gestorben.“, bemerkte Mirajane sanft und Anna warf ihr einen Blick zu. „Das möchte man nicht meinen, so wie du darüber sprichst. Entschuldigt mich.“ Sie wandte sich ab, sammelte ihre Werkzeuge ein und ging davon.
 

„Ich habe es von Anfang an gesagt, dass er nur Ärger bringen wird!“, empörte sich Ooba hinter ihr erneut. „Das hat man davon, wenn man Fremde in sein Dorf kommen lässt.“
 

Anna versteifte sich und warf einen kurzen Blick über ihre Schulter, aber die Alte blickte sie nicht einmal an. Wahrscheinlich hatte sie wie alle anderen hier vergessen, dass Anna ebenfalls eine Fremde war, zu unentbehrlich hatte sie sich bereits gemacht.
 

Vor beinahe eineinhalb Jahren war sie nach dem Krieg an einem klischeehaft stürmischen Herbstabend nach Bellflower Village gekommen und war in dieses Haus eingezogen, gezeichnet von den Kämpfen und mit fünf Kriegswaisen in ihrer Obhut. Es zeigte nur einmal mehr, wie schnell Dinge vergessen wurden – und an welche man sich erinnerte.
 

Denn anders als sie hatte er sich nie darum gekümmert, ob er akzeptiert wurde.
 

Anna runzelte die Stirn und setzte ihren Weg fort. Sie deponierte ihr Werkzeug auf der Bank neben der Tür und scheuchte die beiden Ziegen auf ihre Weide hinter dem Haus zurück, wo sich die anderen drei zum Glück noch aufhielten, und verschloss das Gatter wieder.
 

Um sie herum tanzten zarte, rosa Blütenblätter im Wind und sie blickte hinüber zu dem großen Baum mit seinen ausladenden Ästen. Lange würde es nicht mehr dauern, bis er alle Blüten wieder verloren hatte. Das erste zarte Grün tauchte schon zwischen dem Rosa auf.
 

Wie schnell manche Dinge zu Ende waren…
 

Es erwischte sie doch jedes Jahr kalt, obwohl sie es erwarten sollte. Aber die Kirschblüte war nicht das einzige, von dessen Ende sie gewusst hatte, und trotzdem war sie nun erstaunt darüber, wie schnell es ging. Wie plötzlich es kam. Und auch wenn sie es erwartet hatte, es schmerzte sie.
 

„Anna! Anna!“
 

Sie blickte sich um, als die aufgeregten Stimmen an ihr Ohr drangen, unwillkürlich ein erfreutes Lächeln auf den Lippen. Diese ihre Kinder schafften es immer nur durch ihre bloße Existenz, ihr Herz leichter werden zu lassen und ihre Laune zu heben. Mit einem Mal wog die Traurigkeit des Abschieds nicht mehr so schwer.
 

Sie kamen über die Wiese auf sie zu gerannt, fünf kleine Gestalten in zu großen Kleidern, die jedoch gepflegt und sauber waren – oder zumindest sollten sie es sein, aber wie das bei Kindern nun mal so war, hielt dieser Zustand meistens nicht lange an. Auch jetzt zogen sich wieder Dreckstriemen über den Stoff.
 

Natsu war der erste, der sie erreichte. „Schau mal, Anna!“, brüllte er und hielt ihr mit beiden Händen ein kleines, graublaues Kätzchen unter die Nase. Seine pinken Haare standen in alle Richtungen ab und er grinste über das ganze fröhliche Gesicht. Er wirkte, als würde er gleich vor Stolz explodieren, den nur ein Elfjähriger aufbringen konnte.
 

Überrascht blinzelte sie das Tier an, das aus großen, gelben Augen zurückschaute und leise maunzte.
 

„Wir haben sie gefunden!“, erklärte Gajeel und verzog den Mund zu dem Raubtierlächeln, das ihm eigen war. Er war der älteste unter ihren Kindern, bereits zwölf, und wirkte mit seiner schwarzen Mähne und den Piercings so wild, dass Sherrys kleiner Sohn Angst vor ihm hatte. Auch er hielt eine Katze im Arm, so kohlschwarz, dass die bernsteinfarbenen Augen hell aus dem Gesicht hervorstachen.
 

Die anderen drei Kinder, deren Beine noch zu kurz waren, um mit den größeren Jungen mitzuhalten, kamen nun mit etwas Verspätung ebenfalls bei ihr an. Auch sie trugen kleine Fellbündel in den Armen.
 

„Dürfen wir sie behalten?“, wollte Sting sofort wissen und seine kobaltblauen Augen starrten flehend zu ihr auf. Seine blonden Haare waren ebenfalls ein wilder Mopp ähnlich wie Natsus, eine schräge Narbe spaltete seine rechte Augenbraue und in den Armen hielt er ein rotgetigertes Kätzchen.
 

Er bildete den Gegensatz zu dem schwarzhaarigen Jungen neben ihm, Rogue, der seine Narbe quer über dem Nasenrücken trug, und dessen rote Augen ein Spiegelbild Gajeels waren. Er trug sorgfältig ein kleines Schildplattkätzchen, das sich verwirrt umsah.
 

Die letztes im Bunde war Wendy, ein kleines Mädchen mit langen, dunkelblauen Zöpfen und einem niedlichen Gesicht mit zwei riesigen, braunen Augen, die jetzt ebenfalls einen bittenden Ausdruck trugen. In den Armen hielt sie sicher eine weiße Katze, die hoheitsvoll über ihre Finger hinwegsah. Rogue und Sting waren beide sieben, während Wendy erst fünf Jahre alt war.
 

„Wir passen auch auf sie auf!“, erklärte Natsu lautstark und drückte seine Katze an sich, als wollte er sie ersticken. Das bläulich graue Tier zirpte allerdings nur glücklich und rieb das Köpfchen an Natsus Gesicht.
 

„Pass ein wenig auf, Natsu.“, mahnte Anna ihn trotzdem. „So junge Tiere ertragen deine Grobheiten nicht.“ Erschrocken lockerte er den Griff.
 

„Dürfen wir?“, wollte Sting wissen und hüpfte aufgeregt auf und nieder und auch Rogue wirkte hoffnungsvoll und fügte „Bitte?“ hinzu.
 

Anna seufzte. Sie rieb sich die Stirn; sie konnte jetzt kaum mehr Nein sagen, die Kinder hatten offensichtlich ihre Herzen bereits verloren. Allerdings… „Wo habt ihr sie her? Ihr wisst, dass ihr nicht einfach…“
 

„Sie saßen in einer Kiste im Wald!“, ereiferte sich Gajeel, ehe sie aussprechen konnte, und strich seinem Kätzchen über den Kopf, das daraufhin genüsslich die Augen schloss. Die Tiere hatten offensichtlich schon Vertrauen gefasst, sie jetzt noch zu trennen wäre grausam. Aber wer wusste, wo sie die Tiere gefunden hatten? Wo war die Mutter der Kleinen? Sie konnten höchstens sechs Wochen alt sein.
 

„Jemand hat sie ausgesetzt!“, empörte sich Natsu.
 

„Aber wir haben sie gerettet!“, bestätigte Sting und Rogue fügte hinzu: „Ohne uns sind sie ganz allein.“
 

Anna seufzte. Gegen eine solche Verschwörung kam sie nicht an. „Also gut…“, gab sie nach. Jetzt gab es keinen Grund mehr, abzulehnen, obwohl fünf Katzen ein ganz schöner Zuwachs für ihren Haushalt waren. „Aber ihr müsst euch um sie kümmern.“
 

Die Kinder brachen je nach Temperament in mehr oder weniger laute Jubelschreie aus. Natsu hob sein Kätzchen hoch und verkündete: „Ich nenne dich Happy!“
 

„Das ist fein, Natsu.“, stimmte Anna zu und sie fühlte sich mit einem Mal erschöpft. Nach allem, was geschehen war, brauchte sie jetzt vielleicht doch ein paar Minuten Ruhe und keine aufgeregten Plappertaschen, deren Stimmen durcheinanderwirbelten, so dass man kein Wort mehr verstand.
 

„Warum bist du traurig, Anna?“ Wendys unschuldige Stimme schnitt durch das allgemeine Gerede, obwohl sie niemals sehr laut sprach.
 

„Traurig?“, wiederholte Anna langsam. Dabei hatte sie gedacht, dass sie ihre Gefühle unter Kontrolle hatte. Dass sie nicht so schlimm waren, nicht so tief gingen… Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es irgendwann zu Ende gehen würde, hatte gewusst, wie zerbrechlich diese Liebe war.
 

„Ist es, weil Onkel Acno nicht mehr zu Besuch kommt?“, wollte Natsu vorlaut wissen und manchmal war selbst Anna erstaunt darüber, wie viel er trotz aller Gedankenlosigkeit mitbekam und verstand. Aber da war noch etwas anderes an seiner Aussage.
 

Gajeel boxte ihm grob mit dem Ellbogen in die Seite. „Du sollst ihn doch nicht so nennen, hat Onkel Acno gesagt!“
 

Anna runzelte die Stirn. Zwei Fragen drängten sich in den Vordergrund: erstens, woher wussten sie von ihrer Verbindung zu dem rauen Soldaten, und zweitens, warum verdammt noch mal nannten sie ihn Onkel?!
 

„Nicht einmal Anna darf es wissen!“, belehrte Sting inzwischen den Pinkhaarigen besserwisserisch und Rogue nickte bekräftigend.
 

Natsu ließ die Schultern hängen. „Das wollte ich doch nicht! Das ist mir so rausgerutscht!“
 

„Jetzt ist es eh schon zu spät!“, raunzte Gajeel und ließ zu, dass die schwarze Katze auf seine Schulter kletterte.
 

„Warum nennt ihr ihn Onkel?“, schaltete Anna sich schließlich ein und die fünf starrten sie schuldbewusst an.
 

„Weil er lustig ist“, gab Natsu nach einem Moment des Herumdrucksens zu. „und mit uns fischen geht.“
 

„Er hat mir gezeigt, wie man ein Kaninchen ausnimmt.“, bot Gajeel an.
 

„Und er erzählt Geschichten!“, fügte Sting hinzu.
 

„Gruselige.“, ergänzte Rogue. „Und manchmal lustige.“
 

Wendy erklärte schließlich: „Er hat uns gezeigt, wo die Kätzchen sind.“
 

Wortlos schaute Anna auf die Kinder hinunter, die jetzt die Köpfe einzogen und schuldbewusst dreinblickten. Es schien ihnen langsam zu dämmern, dass sie diverse Regeln übertreten hatten. Ihre, indem sie mit jemandem gesprochen hatten, der eigentlich unter die Kategorie Fremder fiel, und die ihres ‚Onkels‘, der ihnen offensichtlich wohlweislich erklärt hatte, diese ungewöhnliche Freundschaft sei ein Geheimnis, selbst vor ihr. Vielleicht vor allem vor ihr.
 

Sie holte tief Luft, aber sie war nicht einmal wütend. Es vertiefte nur die Traurigkeit, die sich immer schwerer über sie legte. Für die Kinder war er offensichtlich wichtig geworden und sie ahnten noch nicht, dass es nicht so weitergehen würde, außer vielleicht Gajeel. Natsu hatte eine Art, manche Dinge einfach nicht wahrzunehmen und die Anderen waren noch zu jung.
 

Aber nicht nur für ihre Kinder würde sich einiges ändern, auch für sie…
 

Statt sie zu ermahnen, nicht die Regeln zu übertreten, legte Anna die Arme um die Schultern von Natsu und Gajeel, die ihr am nächsten standen, warf den anderen drei ein Lächeln zu. „Lasst uns reingehen und sehen, ob wir nicht etwas zu Essen für die Kätzchen finden. Sie sehen hungrig aus.“
 

~~*~~❀~~*~~
 

Der Wind heulte laut um die Gebäude und jagte Wolkenfetzen über den Himmel, so dass der beinahe volle Mond nur unregelmäßig zu sehen war. Ganze Wolken von Blütenblättern wurden über den Hof getrieben und außerhalb des Lichtkreises wirkten sie beinahe wie Silhouetten. Seltsame Kreaturen, die ihre Gestalt fließend veränderten…
 

Die Gaslaterne über der Hintertür verbreitete einen hellen Schein, der auch noch über die Bank fiel, auf der Anna ihren Abend genoss. Sie hatte ihre Hände um ihren Teebecher geschlungen, aus dem es noch dampfte. Doch auch der Dunst wurde sofort vom Wind zerfasert, der an ihren Kleidern zog und ihre langen Haare durch die Luft wirbelte.
 

Die Kinder schliefen friedlich, ein jeder mit einer kleinen, gepolsterten Kiste neben dem Bett, in der ein kleines Kätzchen lag, selbst Gajeel. Nachmittag und Abend waren aufregend für sie gewesen, die jungen Tiere, die mit der Zeit immer mutiger geworden waren, hatten sie beschäftigt gehalten.
 

Anna hatte sich für einige Minuten zurückgezogen, ehe sie selbst ebenfalls zu Bett gehen wollte, um zur Ruhe zu kommen und die schweren Gedanken abzuschütteln, die sie schon ein paar Tage begleiteten. Sie hatte stets gewusst, dass es nicht für immer war. Aber das machte es für sie jetzt nicht leichter, die Ereignisse zu akzeptieren.
 

Bedächtig hob sie ihren Becher und nippte an dem Tee, den Blick gen Himmel gerichtet, wo der Mond hinter einigen Wolken hervorschaute. Wäre es eine klare Nacht, könnte sie all die Sternbilder sehen, die sie seit ihrer Kindheit begleiteten. Von ihrer Mutter hatte sie alles über sie gelernt und an ihre eigene Tochter hatte sie die alten Geschichten und Weisheiten ebenso weitergegeben.
 

Jetzt war ihre Mutter tot und ihre Tochter unerreichbar und wieder einmal wurde ihr bewusst, dass nichts blieb. Dass alles verging.
 

So war der Lauf der Welt.
 

Sie hatte ihn nicht erwartet, aber als sich seine muskulöse Silhouette aus dem Dunkel schälte, war sie nicht erstaunt. Er war ein großer Mann mit breiten Schultern, eine beeindruckende Gestalt, die sich mit raubtierhafter Anmut bewegte. Eine wahre Mähne von beinahe weißem Haar hing ihm wild zu den Hüften hinab und der Wind spielte mit den langen Strähnen. Seine dunklen Augen schienen bodenlose Gruben in seinem markanten Gesicht zu sein, das scharf von Schatten gezeichnet wurde.
 

Er war kein sanfter Mann, er war nicht einmal ein besonders freundlicher Mann und man konnte es ihm ansehen. Die Art, wie er sich bewegte, sich hielt, selbst der scheinbar neutrale Gesichtsausdruck. All das sprach von Kraft und Stärke und Willen, aber nichts von Milde und Nachsicht.
 

Und doch…
 

Sie stellte ihren Becher auf der Bank ab und erhob sich. „Acnologia.“
 

Er ging noch zwei Schritte und Kies knirschte unter seinen schweren Stiefeln, ehe er stehenblieb. Für einige Momente verharrte er einfach nur und starrte sie stumm an, als würde er versuchen, sie sich einzuprägen. Sein Gesicht war schon immer schwer zu lesen gewesen.
 

„Wie geht es den Kindern?“, wollte er dann übergangslos wissen und seine raue Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Seine Zähne blitzten hell auf, als er grinste. „Und den Katzen?“
 

Sie hob kurz die Schultern und ließ ihn nicht aus den Augen, als er langsam näherkam. „Gut, aber nicht dank dir.“
 

Er zuckte mit den Schultern und hielt inne, als er so nahe vor ihr stand, dass sie sich beinahe berührten und sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. Sie konnte seine Wärme auch durch ihre Kleidung spüren und die Linien seiner Tätowierungen hoben sich dunkel von seinem Gesicht hab. Das war so ein seltsames Gefühl, das sie schon lange vergessen glaubte.
 

„Um eines klarzustellen: Ich bin nicht sehr erfreut zu erfahren, dass du dich hinter meinem Rücken mit meinen Kindern herumtreibst.“
 

Er lachte leise, aber ihr Vorwurf schien ihm egal zu sein. „Das sind gute Kinder. Stark.“
 

Sie schnaufte. „Natürlich sind sie das. Sie haben den gleichen Krieg überlebt wie du und ich.“ Und sie musste ihn kaum daran erinnern, was das für eine Hölle gewesen war. Diese Leute in diesem ihren Dorf mit ihren ewigen Tratschereien und ihren kleinlichen Feindseligkeiten und ihren missgünstigen Anfeindungen konnten sich das nicht einmal im Ansatz vorstellen.
 

Er sagte nicht darauf, sondern blickte ihr nur forschend in die Augen, als würde er etwas suchen. Ob er es in ihr fand?
 

„Was ist passiert?“, wollte sie schließlich wissen. „Hast du Ivan Dreyar getötet?“
 

Mit den Schultern zuckend lachte er, verächtlich diesmal. „Wen interessiert es? Jeder hier glaubt zu wissen, was geschehen ist, und außer dir hat jeder hier sein Urteil über mich längst gefällt. Es spielt keine Rolle mehr, was tatsächlich passiert ist.“
 

Sie blickte weg, zur Seite und auf den Boden, als wären die vom Wind verwirbelten Kirschblüten interessanter als sein Gesicht. Er hatte Recht. Sie hörte, wie er ausspukte und etwas über kleingeistige, inzüchtige Dorftrottel vor sich hinmurmelte.
 

Die Bemerkung, obwohl nur halb verstanden, brachte ein kleines Halblächeln auf ihre Lippen, und sie blickte wieder zu ihm auf. „Was hast du jetzt vor?“
 

Die Antwort darauf wusste sie eigentlich längst. Warum quälte sie sich selbst, indem sie nach ihr verlangte?
 

Er zuckte mit den Schultern. „Weg. Frag nicht, wohin. Ich hätte schon längst verschwinden sollen.“ Mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare und diesmal war es er, der ihren Blick nicht erwidern konnte.
 

Für einen Moment lag sein sonst so verschlossener Gesichtsausdruck offen vor ihr, aber das was sie sah, konnte sie nicht deuten. Schmerz? Sehnsucht? Enttäuschung? Auf jeden Fall waren da Unzufriedenheit und Missmut, denn ihm gefiel der Verlauf der Dinge nicht.
 

Sie brachte es kaum über sich, die Frage zu stellen, aber sie musste es wissen. „Und was willst du dann noch hier?“
 

Sie noch immer nicht ansehend zuckte er mit den Schultern. Vielleicht war er sich darüber selbst nicht ganz klar. Vielleicht wusste er einfach nicht, wie er seine Gefühle und Wünsche in Worte packen sollte.
 

Für einige Augenblicke blieb es so still, dass der aufkeimende Sturm in ihren Ohren dröhnte. Dann versuchte sie es noch einmal und ihre Stimme war nur ein Wispern, das im Wind hätte untergehen müssen. „Acnologia?“
 

Trotzdem hörte er sie und er blickte sie noch einmal an und in seinen Augen offenbarte er Gefühle, deren Tiefe und Stärke sie erschreckte.
 

„Ich musste noch einmal herkommen.“, antwortete er dann und seine Stimme klang rauer noch als vorher, als würde er zu viel damit übermitteln wollen.
 

Für einen weiteren Moment starrten sie sich stumm an, dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Dies war nicht der Kuss, den sie von ihm gewohnt war. Er trug nicht das harte Verlangen oder die fordernde Gier, die sie von ihm kannte.
 

Er war auch nicht sanft, nein, denn er war endgültig und grausam in seiner Sicherheit, der letzte zu sein.
 

Ihre Finger krallten sich in den Stoff seines Hemdes und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um sich ihm entgegen zu drängen, als ihre eigene Hoffnungslosigkeit Überhand nahm. Seine Hände fuhren in ihr Haar, so dass ihr Pferdeschwand sich löste, und sie schmeckte ihre eigenen Tränen auf seinen Lippen.
 

Sie hatte immer gewusst, dass es irgendwann vorbeigehen würde, dass nichts für die Ewigkeit war. Aber warum tat es dann jedes Mal erneut so weh?
 

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Am nächsten Tag, als sie erwachte, war er längst unerreichbar für sie und der Sturm hatte alle Kirschblüten vom Baum gerissen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Also, ich hoffe, es hat gefallen! (Und dass es nicht zu verwirrend war?)
Wer Hinweise für mich hat, was die Charaktere angeht, gerne her damit. Ich bin immer noch nicht ganz sicher, inwieweit ich sie getroffen habe.
Die genutzte Bedeutung der (Japanischen) Kirschblüte, da sie im OS nicht direkt erwähnt wurde, ist Vergänglichkeit.

Das ist das erste Mal, dass ich aus den Exceed in einer AU-Fic Katzen und keine Menschen gemacht habe. XD Wird nicht oft vorkommen, aber hier hat es so toll gepasst. (Frosch ist eine Glückskatze, weil es einfach keine grünen Katzen gibt. XP Den Rest hab ich entsprechend ihrer Farben angepasst. (Fragt mich nicht, warum ich mir die Mühe gemacht habe, die Fellfarben der Katzen an die Realität anzupassen, wenn die Menschen Regenbogenhaare haben. >__>))

Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yosephia
2017-04-15T23:08:38+00:00 16.04.2017 01:08
Ich maaaaaaaaag diese Geschichte! Diese melancholische Stimmung hat sich wunderbar durch den gesamten OS gezogen und hat sich in so vielen kleinen Dingen immer wieder gezeigt, ohne dass es oft wortwörtlich zum Tragen kam, sondern eher durch Symbole, natürlich insbesondere durch das sich wiederholende Motiv des Kirschblütenbaums. Echt super atmosphärisch!

Das mit dem Tratschen hast du wirklich gut hinbekommen - auch wenn ich gut nachvollziehen kann, warum es dir schwer gefallen ist, ich hätte mit so etwas auch meine Schwierigkeiten - und ich fand es auch sehr passend, Mira, Ooba und Sherry als Klatschtanten auftreten zu lassen. Du hast die Drei wirklich gut getroffen, ganz besonders Ooba fand ich extrem überzeugend!

Die Kids und ihre Katzen fand ich sooooooo süß! >//////////<
Ich hatte das richtig gut vor Augen und es hat charakterlich alles so wunderbar mit den Kindern und den Katzen gepasst. Frosch zu einer Schildpatt zu machen, fand ich auch sehr passend :D
Die Sache mit "Onkel Acno" fand ich sehr putzig. Ich kann mir echt gut vorstellen, dass Acno einen Soft Spot für die Fünf hatte und dass sie ihren Spaß mit seinen Eigenheiten hatten, die eigentlich so gar nicht zu den anderen Leuten im Dorf gehören XD

Annas Gedankengänge und die stückweisen Einblicke in ihre Vergangenheit fand ich absolut passend. Man hat ihr wirklich gut angemerkt, dass sie schon vieles durchgemacht hat, und ihre innere Stärke, aber auch diesen Hauch von Verletzlichkeit/Traurigkeit/Einsamkeit/Abschiedsschmerz hast du wirklich gut rüber gebracht, ohne dass Anna gleich zu einem heulenden Weibchen wurde. Es war auch absolut logisch, dass weder Anna noch Acno auch nur darüber gesprochen haben, ob Anna ihn begleiten will. Immerhin hat Anna die Verantwortung für fünf Waisen übernommen und sie will ihnen ein beständiges Leben bieten können.

Die Begegnung zwischen Anna und Acno fand ich rundum toll! Das hatte sowas Bittersüßes, ein kleines bisschen Schmunzeln, weil Acno so angetan von den Kindern ist, diese zarten und doch wieder starken Gefühle zwischen den Beiden. Das war einfach rundum stimmig!

Allgemein hast du Acno sowohl direkt als auch indirekt sehr gut getroffen. Die Erzählungen der Kinder von ihm, Annas Gedanken zu ihm, der Tratsch über ihn und sein persönlicher Auftritt... Das hat seinen schwierigen/eigenwilligen Charakter wirklich perfekt wieder gespiegelt!

Insgesamt hatte ich unglaublich viel Spaß beim Lesen des OS und bin super flott durchgekommen.
Mir sind nur dieses Mal etwas mehr Tippfehler als sonst aufgefallen^^'

Ich bin schon so gespannt, welche Blume/welches Pair als nächstes kommt!
LG
Yosephia


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