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Der Drache und die Nacht

OneShots
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zusammenhängende Storys hatte ich hier eigentlich nicht vor, nur die vage Absicht, für jede der Storys ein anderes Pair zu verwenden, aber wie es so schön läuft, ist es jetzt doch so. Diese Story spielt im gleichen 'verse wie The Damsel's Secret (darum sind die Titel auch so ähnlich), allerdings fast ein Jahr später. XD"

Favour = hier: Gunst
Ich benutze hier 'Herr Gray' anstatt 'Gray-sama', weil ich das für das Setting einfach passender finde. Normalerweise mag ich ersteres nicht so gern, aber hier wirkt es authentischer. ^^"

Enjoy. ^^~ Komplett anzeigen

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[April | Kornblume] The Maiden's Favour

Es war bereits dunkel, als Juvia das Haus verließ, obwohl sie sich eigentlich mit Meredy zurückziehen sollte. Der Himmel war sternenklar und es roch nach Schnee. Ob es bald noch einmal schneien würde? Dabei hatten sie gedacht, den Winter endlich überstanden zu haben…
 

Ein kalter Wind schlug ihr ins Gesicht und sie zog mit einer Hand ihren Umhang enger um sich, während sie über den Burghof eilte. Es war ruhig um sie herum, da die meisten Leute sich in ihre Gemächer und Häuser zurückgezogen hatten. Nur aus der Ferne drangen die Stimmen der Wachen zu ihr herüber, doch die Worte waren verwischt und undeutlich.
 

Mit raschen Schritten steuerte sie auf den Stall zu, über dessen Eingang noch eine Laterne brannte. Als sie vorsichtig das Tor aufschob, klangen ihr die vertrauten Geräusche entgegen, das Stampfen von Hufen, das Mahlen der Zähne, hin und wieder in Schnauben oder sogar ein Wiehern. Anscheinend waren sie gerade gefüttert worden.
 

Nur wenige der Pferde reagierten auf sie, als sie sich durch den Spalt schob und das Tor mit Mühe wieder schloss. Nur mit einer Hand zu agieren war mühsamer, als sie gedacht hatte, aber sie weigerte sich, den Gegenstand wegzulegen, den sie so fest umklammert hielt, dass die Kanten ihr in die Finger schnitten.
 

Als sie sich umsah, ihr kleines, in weiches Stoff gewickeltes Bündel an sich gepresst, bemerkte sie, dass sie die einzige im Stall zu sein schien. Die Stallburschen und ihr Meister mussten sich ebenfalls zur Nachtruhe zurückgezogen haben. Sie hoffte, dass sie nicht falsch geraten hatte und die von ihr gesuchte Person tatsächlich hier war.
 

In jede Box spähend ging sie voran, doch sie fand nur Pferde. „Herr Gray?“, rief sie zaghaft in den großen Raum hinein. „Bist du hier?“ Ihre Schuhe machten leise Geräusche auf dem steinernen Boden, obwohl sie sich um Stille bemühte, um keines der Tiere unnötig aufzuschrecken. „Herr Gray?“ Sie streckte den Kopf um die Ecke und spähte die abzweigende Stallgasse hinunter, doch auch dort fiel ihr niemand auf. Enttäuscht verzog sie das Gesicht und wandte sich wieder ab.
 

„Juvia…“ Bei dem Klang seiner Stimme schlich sich unwillkürlich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie drehte sich rasch zu ihm um.
 

Er stand unweit halb in einer offenen Box und starrte sie mit undurchdringlichem Blick an. In dem dimmen Licht des Stalls wirkten seine Augen unergründlich. Sein dunkles Haar fiel ihm unordentlich in das attraktive Gesicht, das einen verschlossenen Ausdruck trug, und unter seiner einfachen Kleidung zeichnete sich ein athletischer Körper ab. Wie jedes Mal wenn sie ihn sah, machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer und Hitze schoss in ihre Wangen. Ein schweres, schwarzes Pferd, das selbst neben ihm groß wirkte, blickte ihm einen Moment über die Schulter, ehe es sich desinteressiert wieder seiner Futterkiste zuwandte.
 

„Was tust du denn hier?“, wollte Gray nach einem Moment wissen. „Solltest du nicht bei Meredy sein?“
 

Juvia schluckte, plötzlich war ihr Mund trocken. Sie hatte sich ihre Sätze alle schon vorher zurechtgelegt, hatte sie sogar geübt, damit sie auch keinen Fehler machte und ihre Worte und vor allem ihre Gefühle so bei ihm ankamen, wie sie sie meinte. Aber jetzt war die vorbereitete Rede wie weggewischt. „Me-Meredy hat Juvia entschuldigt.“, stammelte sie schließlich. „Sie wollte mit Herrn Gray sprechen. Sie… Juvia…“
 

Gray seufzte und fuhr sich durch die Haare, ehe er ganz aus der Box trat und die Tür sorgfältig hinter sich verschloss. Der Rappe schnaubte leise und machte eine kurze Bewegung in seine Richtung, ehe er sich entschied, dass das Essen doch wichtiger war als sein Reiter. „Juvia, du…“ Gray seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Dann blickte er sie entschlossen an. „Bitte, mach es nicht noch schwerer, als es sowieso schon ist, und geh einfach wieder.“
 

Juvia ließ unglücklich den Kopf hängen. Was hatte sie erwartet? Sie wussten beide, wie es um sie stand, aber Gray hielt sie Mal um Mal auf Abstand. „Ju-Juvia wollte dich nur noch einmal alleine treffen, bevor ihr aufbrecht.“, erklärte sie betrübt. „Bitte schick sie nicht so schnell weg.“
 

Es würde schon schwer genug werden, ihn nicht jeden Tag sehen zu können. Er würde ihr fehlen; bereits jetzt fühlte sie sich, als würde ihr das Herz herausgerissen werden. Aber gleichzeitig war sie auch stolz auf ihn. Endlich war er so weit, an den Königshof reiten und sich der Ritterprüfung stellen zu können! Gemeinsam mit Lyon würde er in drei Tagen aufbrechen für die lange Reise nach Crocus. Juvia hatte keinen Zweifel daran, dass er die Prüfung mit Bravour bestehen und zum Ritter geschlagen werden würde. Doch das, was danach folgen würde, bereitete ihr Sorgen…
 

Der Gegenstand in ihren Händen erinnerte sie wieder daran, warum sie ihn eigentlich aufgesucht hatte, und sie streckte die Hände aus, um ihm das Bündel anzubieten. „Juvia hat ein Geschenk für dich.“ Sie hatte dafür gespart und darüber gegrübelt und schließlich den gutmütigen Schmied mit süßen Kuchen bestochen, dass er es ihr fertigte. Was, wenn es ihm nicht gefiel? Flehend blickte sie zu ihm auf.
 

Grays dunkle Augen ruhten einen Moment auf der in dunkelblaues Tuch gewickelten Gabe, ehe sein Blick wieder zu ihrem Gesicht huschte. Sie konnte den Schmerz darin erkennen und die Sehnsucht, aber er machte keine Anstalten, nach dem Bündel zu greifen. „Du solltest aufhören, all deine Hoffnungen in mich zu setzen.“, erklärte er dann und sie meinte, Verzweiflung in seinem Unterton zu hören. „Ich bin nicht der Richtige für dich.“
 

Enttäuscht ließ Juvia ihre Arme wieder sinken. „Aber Herr Gray wird bald ein Ritter“, versicherte sie ihm eifrig. „Und dann wird Lady Ur nichts mehr gegen unsere Verbindung einzuwenden haben.“
 

Für einen Moment blieb es still, dann-
 

„Du verstehst es einfach nicht!“, fuhr er auf und raufte sich die Haare. Er wirkte so verzweifelt, dass sie ihn in die Arme nehmen und trösten wollte, aber sie wusste, dass er sie nur davon gestoßen hätte. Seine Stimme wurde lauter, als er weitersprach: „Ein Ritter? Na und? Das hat überhaupt nichts zu bedeuten! Es ist nur ein leerer Titel, der kaum etwas zu bedeuten hat. Er bringt mir kein Geld und kein Land und ich habe immer noch nur ein Pferd, eine Rüstung und ein Schwert auf meinen Namen! Wie kann ich dir damit das bieten, das du verdienst?! Und außerdem… Wer weiß, was sonst noch geschieht? Du weißt, wo wir wirklich hingehen!“
 

Irgendwo im Stall wieherte ein Pferd aufgebracht und der Rappe streckte seinen Kopf über die Boxentür und scharrte unruhig mit den Hufen. Seine Ohren zuckten nervös und er schnaubte.
 

Juvia runzelte halsstarrig die Stirn. „Lyon lässt sich auch nicht davon aufhalten.“ Entgegen dem, was alle Beteiligten und Eingeweihten dachten, wusste Juvia sehr wohl um die heimliche Liebschaft zwischen ihrer Herrin und Grays Waffenbruder Bescheid. Und diese Liebe war viel unmöglicher und unerreichbarerer als ihre eigene.
 

Warum konnte Gray nicht einsehen, dass sie beide geschaffen füreinander waren? Dass es ihr egal war, was mit ihr geschah und ihr Leben nur mit ihm vollständig war? Sie konnte doch sehen, dass er sie ebenfalls liebte… Seine Worte mochten etwas anderes behaupten, aber seine Gesten und seine Blicke sagten genug.
 

Doch ihr Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust und drehte den Kopf weg. „Lyon ist ein romantischer Idiot und Meredy ist auch nicht besser.“
 

„Sie werden einen Weg finden und es schaffen.“, beteuerte Juvia ihm. „Sie sind beide starke Menschen, die Dinge nach ihrem Willen formen werden. Warum will Herr Gray nicht daran glauben, dass wir das auch können?“
 

Er wandte sich mit einer heftigen Bewegung ab und griff nach seinem Pferd, um es zu beruhigen. Aber der Rappe riss ihm nur nervös seinen Kopf aus den Händen und tänzelte auf der Stelle. „Du solltest einfach gehen und Boras Werben nachgeben.“, erklärte Gray dann und holte tief Luft, um sich selbst wieder zu beruhigen. So aufgewühlt konnte er kein Pferd beruhigen, nicht einmal eines, mit dem er so vertraut war wie sein eigener Rappe.
 

Juvia verzog unwillig das Gesicht, als sie an den jungen Grafen dachte, der ihr seit dem letzten Herbst den Hof machte. Sie wusste, dass von ihr erwartet wurde, dass sie ihm nachgab – Bora war eine großartige Partie für eine Hofjungfer wie sie, die kein eigenes Erbe vorzuweisen hatte.
 

Aber sie hatte gesehen, wie grausam und nachlässig er die Dienstmädchen behandelte, wie er sein Pferd schlug, obwohl er den Fehler gemacht hatte, und Steine nach Hunden, Katzen und Bauernkindern warf. Nein, mit einem solchen Menschen wollte sie nichts zu tun haben.
 

Und selbst wenn er der freundlichste, edelste Mann auf der Welt gewesen wäre, würde das auch nichts ändern, denn er war nicht Gray.
 

„Juvia mag Bora nicht.“, antwortete sie ihm wahrheitsgemäß. „Und es ist ihr egal, was du besitzt.“ Und wenn er nur ein einfacher Jäger wäre, wie sein Vater es vor ihm gewesen war, sie hätte jeden reichen Prinzen mit Freuden davongeschickt, wenn es nur bedeutete, ihm nahe sein zu können. Warum konnte er das nicht begreifen?
 

Juvias eigener Vater war ein landloser Ritter gewesen, der diesen Titel auf dem Schlachtfeld und fast durch Zufall erlangt hatte. Er war niemals reich gewesen, hatte kaum mehr besessen als sein Pferd und seine Ausrüstung, aber er war stets ein loyaler, geachteter Krieger in den Reihen Lady Urs gewesen. Selbst der verstorbene Lord Milkovich hatte große Stücke auf ihn gehalten. Was war so falsch daran?
 

„Es ist noch nicht einmal klar, ob ich je zurückkehren werde!“, fuhr Gray auf. „Die Reise nach Crocus schön und gut, aber hast du vergessen, wohin sie uns danach schicken werden? Direkt nach Westen zur Front.“
 

Juvias Blick flackerte einen Moment und ihr Herz krampfte sich zusammen. Allein bei dem Gedanken daran, Gray in solcher Gefahr zu wissen, wurde ihr übel. Darum dachte sie so wenig wie möglich daran, aber jetzt kam sie nicht mehr umhin, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.
 

Der Krieg gegen Alvarez hatte letztes Jahr begonnen und wütete noch immer mit einer erbitterten Heftigkeit. Über den Winter waren die Kämpfe zum Erliegen gekommen, aber jetzt wurden sie wiederaufgenommen und jeder waffentragende junge Mann wurde an der Front gebraucht.
 

Hier im Hinterland eines entlegenen Lehens hatten sie wenig davon mitgekriegt, nur Nachrichten aus dem Westen und Menschen, die vor Tod und Zerstörung flohen und ihren Weg hierher gefunden hatten. Und natürlich hatte Lady Ur ihren Teil zur Armee beitragen und Krieger schicken müssen.
 

Gray und Lyon würden die nächste Heerschar anführen, nachdem sie ihren Ritterschlag empfangen hatten. Dieser war nur noch eine Formalität, denn sie waren mit der Aufgabe und den Männern bereits vertraut, da sie als einzige männliche Familienmitglieder des Hauses Milkovich seit Jahren die Banditen in der Gegend in Schach hielten. Im Herbst letzten Jahres hatten sie einen kleinen Feldzug gegen die Verbrecher geführt, damit die kleine Garnison, die Zuhause zurückblieb nicht allzu viel Ärger mit ihnen hatte.
 

„Herr Gray wird nicht fallen.“, antwortete sie ihm endlich mit fester Stimme. Denn etwas anderes war für sie schlichtweg undenkbar.
 

„Das kannst du nicht wissen.“, flüsterte er und seine Stimme klang gepresst. „Ich kann dich nicht zurücklassen mit einem leeren Versprechen.“
 

„Herr Gray…“ Sie hob die Hand, um sie ihm auf die Schulter legen, doch sie zögerte. Er war angespannt wie ein Bogen kurz vor dem Schuss und die Muskeln in seinen Schultern verkrampft.
 

Dann wandte er sich heftig von der Box ab. „Und selbst wenn, das ändert gar nichts. Du hast etwas Besseres verdient als einen landlosen Ritter, der dir absolut nichts geben kann! Wie soll ich mich anständig um dich kümmern? Um unsere Ki-“ Er brach abrupt ab und drehte sich von ihr weg, aber sie konnte sehen, dass er errötet war.
 

Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, seinen Satz in Gedanken zu Ende zu bringen, und unwillkürlich spürte sie Hitze in ihre Wangen steigen. Gray dachte an Kinder? An Kinder mit ihr? Plötzlich jagte ihr Puls wie unter einem Fieberanfall und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Gray hatte sich eine Zukunft mit ihr vorgestellt!
 

Und er hatte beschlossen, dass er nicht gut genug dafür war, dass ihm etwas fehlte und die Frau, die er liebte, bei jemand anderem besser aufgehoben war, weil er befürchtete, ihr nicht gerecht werden zu können.
 

„Aber Juvia ist genug, was sie jetzt hat.“, erklärte sie ihm mit fester Stimme. „Juvia braucht nicht viel und wenn sie nur deine Frau werden darf, Herr Gray, so würdest du sie zur glücklichsten Frau der Welt machen!“ Ihre Finger krallten sich wieder fest um den harten Gegenstand, den sie in den Händen hielt, und sie versuchte es noch einmal. Erneut streckte sie ihm das Geschenk entgegen. „Bitte, Herr Gray. Bitte, Juvia hat es extra für dich fertigen lassen. Niemand anderes kann etwas damit anfangen.“
 

Er drehte sich wieder ihr zu, sein nachdenklicher Blick auf die kleine Gabe gerichtet. Sie konnte immer noch den Rest der Röte in seinem Gesicht sehen und sie wollte dort seine Wangen küssen. Stattdessen streckte sie ihm das Bündel nachdrücklicher hin.
 

„Wenn ich das nehme, gehst du dann wieder?“, wollte er nach einem Moment wissen und sein Blick wanderte nach oben, um ihren gefangen zu nehmen.
 

Sie biss sich auf die Lippen und nickte nach kurzem Zögern. Sie konnte später noch einmal versichern, wie ernst sie es meinte, sie hatte noch ein paar Tage Zeit dafür. Zu sehr bedrängen wollte sie ihn nicht und wenn er ihr Geschenk trug, dann dachte er vielleicht an sie. Vielleicht dachte er an ihre Worte und ihre Hoffnung und vielleicht erkannte er, dass sie nicht mehr brauchte als ihn, keine Reichtümer, keinen eigenen Sitz, kein Land. Nur ihn.
 

Er wusste, dass er nachgab, als er jetzt zu griff, denn seine Hand zitterte leicht, ehe er sie einen Moment zur Faust ballte. Dann nahm er ihr das Geschenk ab. „Vielen Dank.“, sagte er und seine Stimme war unbeholfen steif. „Ich…“ Er hielt ihrem Blick nicht mehr stand und sah auf seine Hände hinunter, die das Bündel hielten.
 

Weitere Worte fand er nicht, aber das leichte, glückliche Lächeln, dass seine Mundwinkel allen Widerständen zum Trotz nach oben zogen, sagte ihr genug. Kleine Gesten hatten bei ihm schon immer mehr bedeutet als große Reden. Für einen Moment standen sie schweigend beisammen und Juvia fühlte sich für diesen winzigen Zeitpunkt geliebt und glücklich.
 

Dann riss sie sich zusammen. „Juvia muss jetzt wieder gehen.“, erklärte sie ihm und fragte sich, ob sie ihm die Hand reichen sollte, damit er sie küssen konnte, oder ob sie einfach gehen sollte. Aber ersteres war ihr zu förmlich und letzteres zu taktlos.
 

Dann warf sie einen verstohlenen Blick über die Schulter, doch außer den desinteressierten Pferden war sonst noch immer niemand anwesend. Ihren gesamten Mut zusammenraffend, trat sie einen Schritt auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen hauchzarten Kuss auf die Wange.
 

Dann drehte sie sich um und rannte beinahe davon, so dass ihre Röcke um ihre Füße tanzten. Doch ehe sie durch die Stalltür schlüpfte, warf sie noch einen kurzen Blick zurück. Er stand auf der Abzweigung der Stallgasse und blickte ihr nach. Seine Hand lag an der Stelle, an der sie ihn geküsst hatte, und sie konnte nicht verhindern, dass ein strahlendes Lächeln sich auf ihrem Gesicht ausbreitete.
 

„Bitte denk an Juvia, Herr Gray.“
 

~~*~~❀~~*~~
 

Juvia stand auf dem Absatz der großen Freitreppe, die zum offen stehenden Portal des Palais hochführte, und wartete geduldig. Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben. Diener rannten wie aufgescheuchte Hühner herum, um die Wagen zu beladen. Soldaten trafen die letzten Vorbereitungen, prüften ihre Rüstungen, Waffen und Bündel. Stallburschen zäumten die Pferde auf, ungewöhnlich viele für so eine kleine Garnison, und ihr Schnauben, Wiehern und Trampeln trug noch mehr zu dem Lärm bei, der in der Luft hing.
 

Es sah unglaublich chaotisch aus, doch Juvia wusste, dass hinter all dem ein ausgeklügeltes System steckte, denn fast niemand lief sich vor den Füßen herum und es kam nie zu Zusammenstößen. Sie selbst hätte bei diesem geordneten Durcheinander nur gestört, darum stand sie hier am Rand und ging niemandem im Weg herum, während sie auf Gray wartete. Er hatte zwar auch einiges genug zu tun, aber er würde ein paar Minuten für sie übrighaben.
 

Heute war ihre letzte Gelegenheit, nachdem er ihr die letzten Tage vorsätzlich aus dem Weg gegangen war, und auch die beste. Sie wusste, dass Lyon mit ihm gesprochen hatte und der nahe Aufbruch würde das seinige tun. Schon mehrmals hatte sie ihn über den Hof eilen sehen, aber er hatte so beschäftigt gewirkt, dass sie ihn nicht hatte stören wollen. Doch jetzt neigten sich die Arbeiten dem Ende entgegen und jetzt blickte sie sich aufmerksamer um.
 

„Juvia.“ Lyons angenehme, tiefe Stimme ließ sie aufschrecken und sich umdrehen. Der junge Krieger war eben aus dem hohen Tor getreten, das in den großen Eingangssaal führte. Er trug bereits seine Reiseaufmachung, komfortable Kleidung aus Leder und Wolle, dazu einen langen Umhang aus Filz und weichem Fell. Doch unter der Tunika mit dem Wappen der Milkovich blitzte das Kettenhemd hervor und er war gegürtet mit Schwert und Dolch.
 

„Wie ich sehe, willst du uns verabschieden.“ Lyon lächelte, doch sie wussten beide ganz genau, dass sie nicht wegen ihm hier war. Trotzdem war er der erste, der auf sie zu trat, um Lebewohl zu sagen.
 

Gray stand neben ihm und sah aus, als hätte er seine Zunge verschluckt. Er war ähnlich gekleidet wie Lyon, doch er trug zusätzlich seinen Bogen in der Hand. Sein eigener, dunkelblauer Umhang wurde an der Schulter gehalten von einer großen, runden Fibel mit feiner Nielloarbeit, die das helle Silber besonders gut hervorhob. Sie bestand aus zwei verschlungenen Wölfen, die auf die für ihre Heimat kennzeichnende Art gearbeitet waren und einen Kranz bildeten. Doch in der Mitte befand sich eine Blüte mit zahlreichen, gezackten Blättern, die leicht bläulich wirkte. Bei dem Anblick machte Juvias Herz einen Satz und sie fühlte ihre Wangen heiß werden.
 

„Juvia wird euch vermissen.“, antwortete sie auf Lyons Frage und ließ sich von ihm die Hand küssen, ehe sie alle sittsame Wohlerzogenheit ignorierte und ihn umarmte. Überrascht, aber erfreut erwiderte er die Geste.
 

„Juvia hofft, dass Meredy dir bereits anständig Lebewohl sagen konnte.“, flüsterte sie in sein Ohr, zu leise, als dass jemand anderes ihre Worte verstehen konnte. Trotzdem zuckte er leicht zusammen und schob sie nach einem weiteren Moment wieder von sich. Gray sah aus, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen.
 

„Ich habe bereits Abschied genommen.“, antwortete Lyon dann, ihre Hände in seinen. „Pass gut auf dich und deine Herrin auf, Juvia.“
 

Sie lächelte ihm nur zu und senkte den Blick – es waren weder sie noch Meredy, die in den Krieg ritten. Lyon nahm Gray Bogen und Köcher ab mit dem Versprechen, sie aufzuräumen, und ließ sie dann allein. Für einen Moment standen sie sich stumm und unbeholfen gegenüber und niemand wusste, wie er das Schweigen durchbrechen sollte.
 

Schließlich gab Juvia sich einen Ruck. „Darf Juvia sich auch richtig von dir verabschieden?“, wollte sie dann von Gray wissen und ihr Blick huschte für einen Augenblick wieder zu der Brosche.
 

Er schwieg und einen Moment befürchtete sie, dass er abwehren und einfach gehen würde. Doch dann nickte er abgehakt und ließ zu, dass sie seine Hand nahm. Sie führte ihn über den Hof, an Häusern vorbei und durch einen schmalen Torbogen auf einen kleinen Hinterhof. Hier waren sie ungestört und sie ließ ihn zögerlich wieder los, um sich zu ihm umzudrehen.
 

„Juvia glaubt immer noch fest daran, dass Herr Gray zurückkehren wird.“, erklärte sie ihm. „Aber sie wünscht dir trotzdem viel Glück.“
 

Gray seufzte und fuhr sich durch die Haare. „Juvia, du kannst das nicht einfach bestimmen.“, erklärte er ihr. „Es kann alles Mögliche passieren und es ist ein Krieg und… Verdammt! Willst du einfach nicht verstehen?“ Seine Stimme klang jetzt verzweifelt und sie begriff sehr wohl. Er war es, der nicht verstand.
 

„Nein, Herr Gray. Es geht nicht darum, was möglich ist. Aber Juvia kann sich nicht einmal ein Leben ohne dir vorstellen und freiheraus, sie will es auch gar nicht. Ohne Herr Gray…“ Sie verstummte und schaute weg, aber auch er sagte nichts mehr.
 

Als sie nach ein paar Sekunden einen Blick zu ihm warf, kaute er auf seiner Unterlippe und schien nach Worten zu suchen. Ihre Augen huschten wieder zu der Umhangbrosche. Dass er sie trug, hatte etwas zu bedeuten.
 

Sie streckte die Hand danach aus und berührte leicht das kühle Metall, strich den Stoff darum glatt. Diese Brosche war ihr Abschiedsgeschenk an ihn und sie hoffte, dass sie ihm gute Dienste leisten und ihn an sie denken ließ. „Hat sie Herr Gray gefallen?“
 

Unwillkürlich senkte er den Blick auf ihre Finger und bildete sie sich das ein oder errötete er unter ihrer Berührung leicht? „Ansonsten würde ich sie nicht tragen.“, antwortete er schroff und unwillkürlich zogen sich ihre Mundwinkel leicht nach oben, während ihre Fingerspitzen über das Abbild der Blüte glitten.
 

„Das ist eine Kornblume.“, erklärte sie ihm. „Sie sind blau, wie Juvias Augen, und sie bedeutet ich gebe die Hoffnung nicht auf.“
 

Er packte sie an den Handgelenken und drückte ihre Arme nach unten, aber er ließ sie nicht sofort wieder los. Seine Berührung schien auf ihrer Haut zu brennen und am liebsten würde sie einen Schritt nach vorne tun, die Arme um seinen Körper schlingen und sich an ihn schmiegen. „Es wäre besser für dich, wenn du es tun würdest.“, bemerkte er.
 

Sie verzog unwillig das Gesicht. „Wenn Herr Gray das will, muss er es Juvia direkt sagen.“
 

Für einen Moment starrte er sie an, dann öffnete er den Mund um etwas zu sagen, doch kein Ton drang über seine Lippen. Er ließ sie abrupt wieder los, als hätte er sich verbrannt. Anscheinend brachte er diese Worte doch nicht so leicht heraus.
 

Sie konnte ein zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken. „Juvia wird niemals die Hoffnung aufgeben.“, erklärte sie ihm und stemmte die Hände in die Hüften. „Juvia liebt dich.“
 

„Also gut.“, sagte er plötzlich und seine Stimme klang entschlossen. Überrascht starrte sie ihn an. Die plötzliche Veränderung in seinem Verhalten verwirrte sie. Was war ihm nun in den Sinn gekommen?
 

„Ich schlage dir einen Pakt vor.“, fuhr er ohne Umschweife fort. „Wenn ich nicht zurückkomme, wenn du die Nachricht von meinem Tod erhältst – nein, lass mich ausreden!“ Streng blickte er auf sie hinunter und sie klappte den Mund tonlos wieder zu. „Versprich mir, dass du mich dann vergessen und einen anderen auswählen wirst.“
 

Sie runzelte verärgert die Stirn. Ihr gefiel gar nicht, in welche Richtung das ging! „Und wenn Herr Gray zurückkommt?“
 

Zart, beinahe vorsichtig nahm er ihre Hände in seine, fest und sicher. Sein Blick schwankte nicht mehr und hielt ihren fest. Sie hätte sich keinen Schritt bewegen können, durch seine Augen effektiver an den Boden gebunden, als jede Fessel es vermocht hätte. „Dann verspreche ich, dass ich dich heiraten werde.“
 

Ihre Augen weiteten sich, fassungslos und erstaunt zugleich. Was hatte er gesagt?! Er wollte sie hei-hei… heiraten? Das war alles, was sie sich wünschte, aber es jetzt von ihm zu hören, nachdem er sich so lange gewehrt hatte, überforderte sie. Ihr wurde ganz schwach in den Knien, aber sein Händedruck half ihr, aufrecht stehen zu bleiben.
 

„J-ja.“, brachte sie heraus und dann noch einmal, deutlicher: „Ja!“ Ihr war plötzlich heiß und am liebsten wäre sie durch den Hof getanzt und am liebsten hätte sie ihn umarmt. Aber sie konnte nur dastehen und zu ihm hochstarren und dann bewegte ihr Mund sich von allein. „Juvia wird auf dich warten!“
 

„Ich weiß.“, war seine einfache Antwort und dann beugte er sich vor und küsste sie auf den Mundwinkel, zart wie Schmetterlingsflügel.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Gray hat mir hier einige Schwierigkeiten bereitet. >__> Aber er ist in romantischen Situationen verdamm schwer zu schreiben. *grummel* (Ich hoffe, es kam nicht so rüber, als hätte Juvia ihn zu irgendetwas gezwungen oder so, das ist nämlich ganz und gar nicht der Fall. Er braucht eben immer einen kleinen Schubser. XD"

Mal sehen, heute kriege ich vielleicht noch eine der kleinen Storys hin. <>___<>

Bis dann ^^~
Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yosephia
2017-04-09T15:15:21+00:00 09.04.2017 17:15
Oje, in diesem 'verse machst du es den Pairs aber auch wirklich nicht leicht, oder? :(
Aber diese Probleme sind absolut passend für das Setting und haben wahnsinnig viel Reiz! Und sie passen einfach extrem gut zu den beiden Pairs! Ich finde auch nicht, dass die Dopplung tatsächlich gravierend ist, eher macht es das Ganze noch reizvoller! Zumal du die Verschiedenheit der Probleme der beiden Pairs auch sehr gut heraus gearbeitet hast!

Dass Gray sich so quer stellt, klingt ganz nach ihm. Er ist nun einmal ein Dickkopf und denkt zu viel nach >_>
(Nicht dass Juvia nicht nachdenken würde, das wirkte keineswegs so, sie hat sich ja zum Beispiel auch wirklich viele Gedanken um das Geschenk gemacht! Aber Gray beißt sich eindeutig zu viel an rationalen Gedanken fest und das bei einem Thema, das wenig mit Rationalität zu tun hat^^')

Den Gesprächsverlauf in der ersten Szene fand ich sehr passend. Er hat wirklich gut deutlich gemacht, wie sehr Gray und Juvia es eigentlich Beide wollen und was letztendlich zwischen ihnen steht. Auch dass sich die Spannung nicht einfach in Luft aufgelöst hat und Juvia nur einen Teilsieg erringen konnte, fand ich sehr passend. Gray ist zu dickköpfig, als dass Juvia ihn sofort mundtot kriegen könnte!

Der kleine Lyvia-Moment in der zweiten Szene war wirklich schön! Überhaupt finde ich es absolut glaubwürdig, dass Juvia über Lyons und Meredys Bescheid weiß und an die Beiden glaubt und sie in gewisser Hinsicht sogar unterstützt!

Wie es dann mit Gray und Juvia weiter ging, hat auch wieder gut zu den Beiden gepasst. Ein bisschen grausam ist Grays Bedingung für den Fall seines Todes ja schon, aber andererseits will er wohl zum einen nicht, dass Juvia den Rest ihres Lebens um ihn trauert, und zum anderen ist er wohl fest entschlossen, nicht aufzugeben. Wieder einmal absolut passend für Gray! Und wenn man bedenkt, was er dafür verspricht, ist diese Bedingung wohl nur fair.
Ich habe mich zum Ende hin jedenfalls sehr für Juvia gefreut :D

Allgemein fand ich das Setting wieder sehr gut getroffen. Die Atmosphäre im Stall und auch die Atmosphäre bei den letzten Vorbereitungen für den Feldzug kamen richtig gut rüber. Ich hatte das alles so super gut vor Augen, es war wirklich toll! Die kleinen Hintergrundinformationen haben dem Ganzen dann gleich noch mehr Farbe verliehen, sodass trotz der Kürze der beiden OS schon ein sehr lebendiges 'verse entstanden ist. Echt toll!

Die Umhangbrosche fand ich besonders schön. Die hat sowohl zu Gray als auch zu Juvia hundertpro gepasst, hat den Prompt gut - und originell - eingebettet und war einfach an und war sehr anschaulich beschrieben. Ich habe sie richtig gut vor Augen. Echt ein tolles Geschenk!

Du merkst also, ich hatte wieder sehr viel Spaß beim Lesen :D
Jetzt bin ich total gespannt auf den nächsten OS für die Reihe *~*
LG
Yosephia


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