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Beyond the Soul

The Truth Within
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal habe ich mich von einer meiner Lieblingsserien inspirieren lassen. Da Aram ja ein zukünftiger Mediziner ist, dachte ich, etwas mehr Tiefe in seinem Fachgebiet wäre ganz interessant und da fiel mir sofort ein Zitat aus eben dieser Serie ein, weswegen ich mir den Fall einer Folge zum Vorbild genommen habe.
Wer sie errät bekommt nen Keks x3
Hoffe es gefällt euch~ ^^ Komplett anzeigen

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Prolog

Schreie.

Schreie sind das einzige, was ich in diesen Momenten wahrnehmen kann, bevor ich meine Augen wieder öffne. Vor mir breitet sich eine Staubwolke aus, die meine Sicht komplett versperrt. Nein, komplett ist nicht richtig. Meine Hand vor Augen erkenne ich noch. Die Hand, welche von einer seltsamen blauen Flamme umhüllt wird. Die Hand, welche für die Explosion, die vor nicht einmal einer Minute entstand, verantwortlich ist.

Mein gesamter Körper zittert. Panisch blicke ich umher, versuche zu verstehen, was gerade passiert ist. Aber nichts davon ergibt überhaupt einen Sinn. Noch immer knie ich am Boden, stütze mich mit der einen Hand ab und halte die andere vor mich. Langsam erlischt die Flamme, doch der Schock lähmt weiterhin meinen Körper. Ich spüre, wie Blut mein Gesicht hinunter läuft und auf den Boden tropft. Es ist mir egal. Der Rauch brennt bei jedem Atemzug stärker in meiner Lunge, doch auch das ist mir egal. Ich fühle mich nicht dazu in der Lage, den befreienden Husten, nach dem mein Körper verlangt, auszuüben. Nichts davon war wichtig. Das einzige, was von Bedeutung ist, ist...

„James!“

Eine Stimme dringt durch die Wolke und lässt mich nach vorne blicken. Durch den lichtenden Nebel konnte ich Personen erkennen. Sie knien sich zu etwas auf den Boden. Nein, zu jemanden. Jemand lag einige Meter entfernt vor mir auf dem Boden.

„James! Verdammt!“

Bruchstücke davon, was vor wenigen Minuten passiert war, schießen in meinen Kopf. Schüren die Furcht.

„Wo ist dieser Dreckskerl?“

Mir ist sofort klar wen er damit meint und panisch reiße ich meine Augen auf. Ich muss hier weg.

Aber mein Körper will sich noch immer nicht bewegen. Die Silhouetten der Personen werden immer klarer und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch meine erkennen. Wenn ich nicht sofort hier weg komme dann... Oder ist dies vielleicht genau das, was ich will? Mich stellen?

Schlagartig spüre ich Blicke auf mir und mein Kopf schnellt nach oben, wo ich in das aufgebrachte Gesicht eines Mannes schaue. Ohne auch nur einen Augenblick mit denken zu verschwenden, springe ich auf und laufe. So schnell ich kann, ohne Ziel, ohne mich umzudrehen. Ich laufe einfach.

Gabe

Aram saß gerade allein im Forschungslabor der Universität. Seine leuchtend grünen Augen waren an die Linsen des Mikroskops vor ihm gelegt, durch die er konzentriert blickte, während sein kurzes, naturrotes Haar ein Stück nach vorne fiel, wodurch es wuscheliger wirkte als sonst. Als die Tür des Labors aufschwang und näherkommende Schritte zu vernehmen waren, hob Aram den Kopf und sah überrascht in ein ihm bekanntes Gesicht.

„Tony, was machst du hier?“

Anthony Cambell, kurz Tony, war ein guter Freund Arams, den er hier auf dem Campus kennengelernt hatte. Er war einige Zentimeter kleiner als Aram, machte dies jedoch durch seine athletische Statur wett. Das fast schwarze Haar hatte er sorgfältig nach hinten gekämmt, doch sein leicht schlampig wirkender Kleidungsstil, ließ auf sein modisches Desinteresse schließen, was gerade neben Aram, der sich stets adrett kleidete, zur Geltung kam. Anders als dieser, studierte Tony jedoch Musik und war auch in den meisten anderen Aspekten ziemlich genau das Gegenteil von Aram selbst. Doch im jetzigen Moment wirkte er ungewohnt verunsichert und angespannt schritt er auf seinen Freund zu, von dem er verwirrt gemustert wurde.

„Ich hab‘ nach dir gesucht und dachte mir schon, dass ich dich hier finde. Ich… ich könnte deine Hilfe gebrauchen.“

Unbehagen machte sich nun auch in Aram breit, aber um seinen Freund nicht noch weiter zu beunruhigen, setzte er eine freundliche Miene auf und bot ihm den Platz neben sich an.

Mit einem dankenden Nicken nahm er das Angebot an und beide saßen erst einmal einige Zeit still da, bis Tony ein Seufzen entglitt.

„Was ist los, Tony?“

Arams Stimme klang sanft und beruhigend, doch konnte auch das nicht zu seinem Gegenüber durchdringen. Dieser starrte nur auf seine Hände, die er ein paar Mal wandte, zu Fäusten ballte und wieder lockerte. Mit, nach oben zeigenden, offenen Handinnenflächen verharrte er kurz, bevor er eine bläuliche Flamme über ihnen erscheinen ließ. Geschockt riss Aram die Augen auf und wich mit dem Oberkörper zurück, sodass er beinahe vom Hocker fiel, konnte das Gleichgewicht aber gerade noch halten.

„Das…“

Mehr brachte er gar nicht heraus und der verzweifelte Blick seines Freundes traf den seinen, bevor er seine Hände wieder schloss und damit die Flamme löschte.

„Weißt du was das ist?“

Aram schüttelte nur langsam den Kopf, während er in Gedanken sämtliche Möglichkeiten durchging, die zu einer derartigen Fähigkeit führen konnten.

„Kannst du mir helfen, Aram?“

Den Tränen nahe, musterte er sein rothaariges Gegenüber, das sich langsam wieder von dem Schock erholte und tief durchatmete.

„Ich werde schauen, was ich tun kann.“

Erleichterung trat in Tonys Gesicht, doch wurde er von Arams ernster Miene und seinem zwar interessiert klingenden, dennoch strengen Ton von übereilter Vorfreude zurückgehalten.

„Erwarte aber nicht zu viel, so etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Kannst du das schon immer?“

Er durchwühlte die Schubladen seines Arbeitsplatzes und breitete einige Dinge daraus auf dem Tisch aus. Samt Hocker drehte er sich nun zu Tony und krempelte dessen Hemdärmel bis über den Ellenbogen hoch.

„Ich weiß nicht. Mir ist das neulich zum ersten Mal passiert, aber um ehrlich zu sein, habe ich es auch nie versucht.“

„Verstehe ich. Wer rechnet denn auch schon damit, so etwas zu können?!“

Konzentriert führte Aram eine Nadel in die Vene seines Gegenübers und sammelte das ausdringende Blut in mehreren Phiolen.

„Genau. Meinst du ich… ich bin ein Monster.“

Deprimiert senkte er den Kopf und starrte schmerzverzerrt den Boden an.

Aram richtete seinen Blick kurz zu ihm, zog sanft die Nadel wieder zurück und drückte einen Tupfer gegen die Stichwunde.

„Bist du nicht. Diese Fähigkeit macht dich zu etwas besonderem, aber du bist immer noch du. Und das ist bei weitem kein Monster.“

Mit einem kurzen Ziepen, zupfte er ein paar Haare aus und deutete ihm, den Mund zu öffnen, woraufhin er mit einem Stäbchen etwas Speichel aufnahm und es in einem dünnen Reagenzglas verstaute. Zum Schluss griff er noch nach einem kleinen Kratzer und schabte vorsichtig eine Probe seiner Haut von seinem Unterarm.

Seufzend musterte er seinen Freund und blieb dabei an dessen Augen haften. Skeptisch lehnte er sich nach vorn und näherte sich ihnen.

„Ähm…?“

Tony schien etwas verwirrt über die Nähe des sonst so distanzierten Freundes zu sein und wich immer weiter nach hinten, wodurch Aram gezwungen war ihm noch näher zu kommen, bis er entnervt seufzte. Er drehte sich zur Schublade und holte eine Augenleuchte heraus, mit der er sich wieder zu Tony wandte.

„Und jetzt bleib einfach so.“

Der Ton seiner Stimme war harsch und etwas grob richtete er Tonys Kopf zurecht. Diesmal war Tony gefasster und blieb genau in der Pose, in die er geschoben wurde, während Aram fasziniert die Augen des Mannes begutachtete. Sie waren dunkelblau, nicht gerade auffallend, doch bei näherer Betrachtung, schien es, als würde im Inneren der Iriden ein Strudel helleren Blaus fließen. Beeindruckt hielt er unbewusst den Atem an, bis er sich selbst dabei ertappte und sich etwas verlegen wieder auf seinen Hocker zurückfallen ließ. Nachdenklich legte er die Leuchte in die Schublade zurück.

„Diese Flamme… Meinst du, du kannst ein Reagenzglas damit füllen?“

Leicht verdutzt sah Tony ihn an, bevor er antwortete und das Glas entgegen nahm, welches ihm zu gestreckt wurde.

„Ein Versuch ist es ja mal wert, nicht wahr?“

Arams darauffolgendes Nicken wirkte fast schon mechanisch, so tief wie er bereits in seine Gedanken versunken war, doch wurde er aus ihnen gerissen, als Tony ihm das nun mit einer blauen, wirbelnden Energie befüllte Glas, entgegenhielt.

„Perfekt.“

Er stellte es neben sich auf die Arbeitsplatte und musterte den Inhalt interessiert, bevor er sich wieder an Tony wandte.

„Ich befürchte aber, dass ich fürs erste nichts weiter für dich tun kann. Ich werde die Proben analysieren und gebe dir Bescheid, sollte ich etwas herausfinden.“

Man konnte die leichte Enttäuschung in Tonys Gesicht ablesen, doch das Wissen, dass Aram alles ihm Mögliche versuchen würde, ihm zu helfen, ließ ein Lächeln über seine Lippen erscheinen.

„Danke, Aram.“

Er richtete sich wieder auf und verließ, mit einer winkenden Handbewegung, auf schnellen Schritten das Labor. Aram blieb allerdings auf seinem Platz und blickte seinem Freund hinterher. Sein Blick wanderte erneut zu den Proben, die ausgebreitet vor ihm lagen und drehte eine der Phiolen nachdenklich zwischen den Fingern.

„Diese Kraft… Das ist auf keinen Fall Feuer, dafür ist es nicht heiß genug. Mal davon abgesehen, dass es strahlend blau ist. Es befindet sich scheinbar auch in seinen Augen und es überlebt in einem verschlossenen Behälter. Was also ist das?“

Von der Neugier gepackt, richtete er sich ruckartig auf und machte sich sofort daran, die Proben zu analysieren.

Aura

Einige Tage vergingen, doch noch immer tappte Aram im Dunkeln. Es gab nicht die kleinste körperliche Veränderung oder Abweichung von der Norm, nur diese Energie, die noch immer fröhlich in ihrem Reagenzglas vor sich hin wirbelte. Es war schier unmöglich, Informationen darüber zu finden, denn in keinem der unzähligen Bücher der Universitätsbibliothek, stand auch nur mit einem Wort ein ähnlicher Fall beschrieben. Frustriert ließ er sich auf sein Bett im Wohnheim nieder und starrte an die Decke.

„Ich geb‘s auf.“

Doch noch während er dies dachte, schüttelte er sich den Satz auch schon wieder aus dem Kopf. Sein Ehrgeiz würde es ihm sowieso niemals erlauben aufzugeben, daher überlegte er lieber, was er als nächstes versuchen könnte. Mittlerweile waren ihm jedoch sämtliche Tests ausgegangen und auch die Proben neigten sich langsam dem Ende. Nur von der Energie selbst fehlte noch kein kleines bisschen, da sie zwar zu spüren war, greifen konnte man sie jedoch nicht und alle Untersuchungen, die man mit der Kraft in einem Glas durchführen konnte, waren bisher ergebnislos.

„Ich muss es wohl mal auf einem anderen Weg versuchen.“

Mit diesen Gedanken hievte er sich etwas schwerfällig auf und zog den Mantel, der am Garderobenständer hing, über. Er packte seinen Schlüssel und war auch schon zur Tür hinaus, die er sorgfältig hinter sich verschloss, bevor er die Treppe hinunter eilte. Draußen angekommen fröstelte er erst einmal und klappte den Kragen des Mantels nach oben, um sich, zumindest dieses kleine Stück weiter, vor dem peitschenden Wind zu schützen. Die Hände in den Taschen, die Schultern wärmend hochgezogen, stapfte er durch die Straßen, auf der Suche nach Anhaltspunkten. Zwar waren Bibliotheken noch immer sein Hauptziel, doch interessierte er sich diesmal nicht für medizinische Fachlektüre, sondern für überlieferte Sagen, alte Geschichten, Übernatürliches und Mythisches. Auch wenn Aram alles andere als ein Gläubiger war, so konnte er dennoch nicht abstreiten, dass wenn es schon einmal einen Menschen mit diesen Fähigkeiten gegeben haben sollte, wäre dieser als etwas Okkultes verehrt oder geächtet worden. Nichtsdestotrotz wäre dies bestimmt aufgezeichnet worden und diese Aufzeichnungen galt es nun zu finden, ansonsten müsste sich der junge Mann mit einer Niederlage abfinden und seinem Freund gestehen, dass er nicht den blassesten Schimmer hatte, was mit ihm los war.
 

Langsam neigte sich die Sonne gen Westen und tauchte die Stadt in ein oranges Licht. Durchgefroren von Wind und Kälte, hauchte Aram sich in die Hände und stapfte mit gesenktem Kopf die Gassen entlang. Schon zum achten Mal seit heute Morgen, lief er an dem gleichen Café vorbei, welches nun doch seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit einem tiefen Seufzen, gefolgt vom Knurren seines Magens, trat er ein und wurde sofort von der wohligen Wärme umarmt.

„Guten Abend.“

Die Begrüßung galt der jüngeren Frau hinter dem Tresen, die Aram herzlich willkommen hieß und in den Raum deutete.

„Nehmt doch Platz, junger Herr.“

Zwar gab es aufgrund der geringen Größe des Cafés nur wenige Tische, doch waren außer Aram nur noch zwei Männer mittleren Alters hier, die sich angeregt unterhielten und den neuen Gast scheinbar nicht einmal bemerkt hatten. Der junge Mann trat auf einen freien Tisch zu und warf seinen Mantel über die Stuhllehne, bevor er sich darauf niederließ. Die Frau kam lächelnd auf ihn zu und nahm seine Bestellung auf.

„Einen schwarzen Kaffee und ein Stück von diesem Kuchen, der auf dem Tresen steht, bitte.“

„Gerne doch.“

So verschwand sie für kurze Zeit hinter dem Tresen, bis sie wieder zu ihrem Gast schritt, in der einen Hand die Tasse, in der anderen einen Teller mit dem Kuchenstück.

„Guten Appetit wünsche ich.“

Sie stellte beides vor Aram, machte erneut kehrt und stellte sich wieder hinter den Ladentisch. Ihr mit den Augen folgend, nippte Aram an seinem Kaffee, stellte diesen jedoch schnell wieder zurück, nachdem die heiße Flüssigkeit seine Zunge verbrannte. Also widmete er sich erst einmal dem Kuchen, während das Getränk abkühlen konnte. Als er gemächlich, Gabel für Gabel in seinen Mund führte, konnte er das Gespräch der beiden Männer ein wenig mitverfolgen.

„Meinst du?“

„Ja, ich bin mir ganz sicher.“

„Das wäre dann aber schon der neunte, allein auf der Universität.“

„Wenn du mir nicht glaubst, überzeug‘ dich doch selbst. Auch wenn sie hier nicht so auffällig sind mit ihren Haar und Augenfarben, der Schein ist da. Und ich versichere dir, der Kerl ist ein Auranutzer.“

Beim letzten Wort schlug Aram die Augen weit auf.

„Aura… nutzer? Könnte es das…?“

Er warf den beiden Männern einen flüchtigen Blick zu, wandte sich dann aber schnell wieder seinem Snack zu, um nicht zu auffällig zu wirken. Die beiden unterhielten sich weiterhin, doch konnte Aram sich nicht mehr auf sie konzentrieren, sondern verlief sich schon wieder in seinen eigenen Gedanken. Mit erhöhtem Tempo aß er seinen Kuchen fertig und kippte sich den, noch immer etwas zu heißen, Kaffee in nur wenigen Schlucken hinunter. Kaum hatte er das getan, stand er auch schon auf und zog sich seinen Mantel über, während er zum Tresen schritt.

„Wollt Ihr etwa schon wieder aufbrechen?“

„Ja, tut mir leid. Ich hatte vergessen, dass ich für die morgige Vorlesung noch etwas vorbereiten muss.“

„Ah, ein Student. Dann wünsche ich Euch noch gutes Gelingen.“

Die Frau reichte ihm die Rechnung und nach kurzem Kramen, legte Aram ihr das Geld in die Hand.

„Vielen Dank. Der Rest ist für Euch.“

Damit machte er auch schon auf dem Absatz kehrt und trat aus der Tür hinaus.

„Hoffentlich war das nicht zu auffällig.“

Schnellen Schrittes lief er zurück auf den Campus. Als er ihn schließlich erreichte, war die Sonne schon vollständig untergegangen und das Mondlicht tauchte den Gebäudekomplex in ein fahles Licht.

„Verdammt, die Labore werden bestimmt schon geschlossen sein…“

Dennoch lief er zu deren Haupttor um ganz sicher sein zu können, doch dieses war, zu seinem Erstaunen, nur angelehnt und ließ sich ohne Probleme öffnen.

„Eigenartig… Aber ich will mich mal nicht beschweren.“

Er schloss das Tor hinter sich und eilte direkt zu seinem Arbeitsplatz. Dort angekommen schaltete er zu aller erst das Licht an, bevor er den Mantel auf einen Hocker warf und sich an seinen Platz setzte. Hastig fischte er die Proben aus der dritten Schublade des Tischs und zog sein Mikroskop zu sich, erst danach begann er darüber nachzudenken, was er nun machen wolle.

„Die Männer meinten doch so etwas, dass ihre Haar und Augenfarben nicht so deutlich sind, aber vorhanden… Tony hatte doch so einen Wirbel in den Augen, den ich sonst noch nie gesehen habe. Vielleicht ist es bei den Haaren ähnlich.“

Und schon öffnete er den Plastikbeutel mit den Haaren darin, schnitt von einem ein kleines Stück ab und legte es unter das Mikroskop. Als er hindurchblickte stockte ihm der Atem.

„Das kann nicht sein…“

Das komplette Haar, aber besonders im Querschnitt sichtbar, wurde von einer blauen Farbe durchzogen.

„Dasselbe blau wie in Tonys Augen und dieser Flamme… Nein, seiner Aura.“

Fasziniert und verwundert starrte er das Haar an und versuchte zu begreifen, dass sein Freund scheinbar kein normaler Mensch war, sondern etwas, das Auranutzer genannt wurde. Doch was hieß das für ihn? Für andere? Welche Fähigkeiten steckten in ihm? Und wer waren diese Männer, die anscheinend nach Menschen wie Tony suchten? Diese und viele weitere Fragen schwirrten in Arams Kopf umher und überschlugen sich hektisch, ohne auch nur zu einer Antwort zu finden.

Suche

Aram verbrachte die gesamte Nacht im Labor, darauf hoffend, vielleicht irgendetwas zu finden, doch vergeblich. Die Aura schien auf nichts zu reagieren, was man in einem Forschungslabor zur Verfügung hatte. Die Tasse neben ihm hatte sich auch schon einige Male gefüllt, doch nun war selbst die Kanne vollständig geleert, sodass Aram ein tiefes Seufzen ausstieg und sich ausgiebig streckend aufrichtete. Er verstaute wieder alles in seiner Schublade und trottete gähnend aus dem Forschungsgebäude. Draußen angekommen, kamen ihm viele Studenten entgegen. Einige von ihnen warfen ihm fragende Blicke zu, da er von dort kam, wo man eigentlich gerade erst hingehen sollte. Aram ignorierte sie jedoch alle gekonnt und schritt über den Campus, hin zu seinem Wohnheim, um zumindest ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

„Aram! Hey, Aram!“

Eine bekannte Stimme drang von einiger Entfernung an sein Ohr und etwas widerwillig drehte er sich zu dieser um.

„Wow, siehst du fertig aus.“

„Dir auch einen guten Morgen, Tony.“

Ein verlegenes Lächeln breitete sich in Tonys Gesicht aus.

„Entschuldige. Guten Morgen. Hast du… schon etwas herausgefunden… du weißt schon…“

Ihm schien das Thema sichtlich unangenehm zu sein und senkte die Stimme beinahe zu einem Flüstern, damit ja niemand mithören konnte. Aram aber wollte gerade so wenig reden wie nur möglich und wimmelte seinen Freund nur ab.

„Ja, jedoch zu wenig um wirklich etwas sagen zu können. Wir können später darüber reden.“

Er war schon dabei sich umzudrehen, als er Tonys Hand an seinem Arm spürte, die ihn aufhielt.

„Weißt du wenigstens was es ist?“

Seufzend drehte er sich das Stück wieder zu ihm um und blickte auskundschaftend umher, bevor er ihm mit ebenso gesenkter Stimme antwortete.

„Man nennt es scheinbar Aura. Es ist wohl eine Art innere Kraft, die weder auf biologischen, noch chemischen Grundlagen basiert. Sie scheint sich jedoch in Augen und Haaren festzusetzen, daher wohl auch der hellblaue Schimmer in deinen Haaren, wenn die Sonne scheint.“

Er machte eine Pause, um Tony die Zeit zu geben, alles zu begreifen.

„Ich wollte mich noch weiter informieren, bisher ist das leider alles was ich sagen kann.“

Tony, der noch immer perplex auf den Boden starrte, nickte langsam.

„Danke schon mal. Ich weiß deine Mühe zu schätzen. Und jetzt geh bitte schlafen, du siehst echt grauenhaft aus.“

Mit einem eher gequälten Lachen verabschiedete sich Tony und lief zum Unigebäude, in dem er wohl schon wieder zu spät zu einer Vorlesung kam. Aram schaute ihm nur nach und überrollte seine Augen, bevor auch er sich wieder in Bewegung setzte und weiter zu seinem Wohnheim schlenderte. Dort angekommen, ließ er sich nur noch ins Bett fallen und schlief augenblicklich ein.
 

Ein paar Stunden später wachte er ziemlich zermürbt auf. Ein Blick auf die Uhr genügte, um ihn wieder zurück ins Kissen fallen zu lassen, von wo aus er noch einige Minuten die Decke anstarrte, bevor er sich komplett aufrichtete. Gähnend und streckend packte er einige Klamotten, mit denen er hinaus, in das Gemeinschaftsbad trottete und sich dort duschte und fertig machte. Zurück in seinem Zimmer, warf er die alte Kleidung in einen Wäschekorb und hob den Mantel auf, den er scheinbar am Morgen einfach auf den Boden geworfen hatte. Er schüttelte ihn dreimal aus, bevor er ihn sich überstreifte und das Zimmer abermals verließ.

Sein Weg führte ihn erneut in die Stadt, wo er suchend umherlief und überall stehen blieb, wo er das Wort „Aura“ las. Irgendwann war er so tief in die Seitenstraßen Oxfords vorgedrungen, dass er keinen Plan mehr hatte, wo er war. Nach kurzem Innehalten, wollte er eigentlich umdrehen und den Weg zurück finden, doch eine schmale, verwinkelte Gasse weckte sein Interesse. Als zöge sie ihn zu sich, schritt Aram auf sie zu und warf einen Blick hindurch. Gerade etwas breiter als er selbst war der Weg, der scheinbar auf einen kleinen, abgelegenen Platz führte. Neugierig, wie er nun mal war, quetschte er sich hindurch. Auf dem Platz befand sich mittig ein kleiner Springbrunnen, dessen ruhiges Plätschern und das vergnügte Zwitschern der darauf sitzenden Vögel, den sonstigen Straßenlärm dämpften. Eine friedliche Atmosphäre lag in der Luft und es kam Aram so vor, als hätte er Oxford verlassen und wäre auf einem Schauplatz für Sagen geraten. So wanderte er leicht staunend umher, bis er plötzlich vor einem kleinen, okkult-aussehenden Laden stand, der scheinbar eine besondere Anziehung auf den jungen Mann ausübte. Etwas zögernd trat er schließlich ein, nachdem er, durch das unscheinbare Auslagenfenster, auch einige Bücher erkennen konnte. Darin warf er einen Blick umher und staunte nicht schlecht, bei dem Anblick der ihm geboten wurde. Statuen, Vasen, Schmuck, und anderen Gegenstände aus jeder vorstellbaren Epoche der Geschichte, waren hier zu finden.

„Kann ich Euch behilflich sein?“

Die Stimme drang hinter einem Tresen hervor und gehörte einem älteren Herrn, der Aram freundlich anlächelte.

„Ich hoffe doch. Wisst Ihr, ich bin auf der Suche nach einem Buch über Aura.“

Leicht verdutzt über den Wunsch schaute der alte Mann Aram kurz an, bevor er grübelnd durch den Laden schritt.

„Aura… Das müsste hier sein. Ja genau, hier.“

Er reichte Aram ein Buch mit dem Titel „Aura belliatus“.

„Leider ist es nur auf Latein, aber als Mediziner sollte das für Euch kein Problem sein.“

Ruckartig wanderte Arams Blick vom Buch zum Ladenbesitzer, den er perplex anstarrte, während dieser nur noch immer freundlich lächelte. Zwar hätte er liebend gerne gefragt, ließ es dann aber doch bleiben und schritt hinter dem älteren Mann zum Tresen zurück.

„Vielen Dank, das wird mir bestimmt weiterhelfen.“

„Aura birgt große Gefahr, für die, die mit ihr in Kontakt stehen. Passt also auf Euch auf, Junge.“

Erneut erntete der Mann einen verwirrten Blick.

„Wie…?“

Er brauchte einen Moment um die Frage wieder aus seinem Kopf zu schütteln und in seiner Manteltasche nach seiner Geldbörse zu greifen.

„Wieviel macht das?“

„Für das Buch braucht Ihr nichts zu bezahlen. Seit etlichen Jahren seid ihr der erste, der sich dafür interessiert, also soll es Euch gehören.“

Überrascht von der netten Geste des Verkäufers legte er seinen Kopf schief und sah ihn mit großen Augen an, bevor er sich verbeugend bedankte.

„Vielen Dank, ich weiß diese Geste sehr zu schätzen. Ich wünsche Euch einen schönen Abend, auf Wiedersehen.“

„Auf Wiedersehen. Ich hoffe, Ihr findet, was Ihr sucht.“

Mit einem abschließenden Nicken machte Aram kehrt und verließ den Laden, sowie den kleinen Platz davor und schlenderte schließlich wieder durch die Straßen. Nach einiger Zeit hatte er sogar einen Anhaltspunkt gefunden und kam, zum Einbruch der Dämmerung, beim Campus an, wo er sich sofort in seinem Zimmer verbarrikadierte.

Farbe

An den folgenden Tagen sah man Aram kein einziges Mal außerhalb des Zimmers. „Aura belliatus“ lag aufgeschlossen vor ihm auf dem Tisch, darüber befand sich ein dickes Lateinwörterbuch, was er immer wieder zu sich zog, um ein unbekanntes Wort nachzuschlagen. Ebenfalls vor Aram lag ein Notizbuch, in das er schon mehrere Stellen in Englisch übersetzt hatte, sowie einige skizzierte, bildliche Darstellungen, die dem Verständnis helfen sollten. Hauptgrund dahinter war Tony, da auch er, ohne lateinische Sprachkenntnisse, die für ihn wichtigsten Stellen verstehen soll, ohne dass Aram ihm alles erklären musste. Als er auf der letzten Seite angelangt war und seine Notizen vervollständigt hatte, schlug er das Buch mit einem lauten Knall zu. Er kippte sich den letzten Schluck seines, bestimmt nicht ersten, Kaffees hinunter, nahm das Buch und das Notizbuch unter den Arm und eilte damit hinaus. Doch schon nach wenigen Schritten wurde er aufgehalten, hielt es jedoch nicht für nötig stehenzubleiben, woraufhin ihm ein gleichaltriger Mann genervt folgte.

„Hey, Aram, wo zum Teufel hast du die letzten Tage gesteckt?“

„Ich war beschäftigt.“

„Beschäftigt? Du hast noch nie ohne Begründung gefehlt. Du bist der beste von uns und plötzlich bist du zu „beschäftigt“ um zu den Vorlesungen zu gehen?“

„Hast du was dagegen?“

„Natürlich. Du könntest von der Uni fliegen. Willst du etwa dein Studium riskieren nur wegen irgendeiner Beschäftigung?“

„Ich werde darüber nachdenken, sobald es soweit ist. Bis dahin wäre ich dir aber sehr verbunden, wenn du dich aus meinen Angelegenheiten raushalten würdest.“

Arams scharfer Ton ließ den anderen zurückweichen, während er selbst seine Schritte beschleunigte. Der Mann schüttelte ungläubig den Kopf und machte, nachdem er ihm ein paar Sekunden lang starr nachgeschaut hatte, kehrt, um wütend in die entgegengesetzte Richtung zu stapfen.

Als Aram den Hof endlich erreicht hatte, entglitt ihm ein genervtes Seufzen, bevor er weiter auf das Gebäude der Musikfakultät zuschritt und sich auf einer Bank davor niederließ. Laut Stundenplan sollte Tony in etwa 20 Minuten seine letzte Vorlesung für heute beendet haben, danach wollte er ihn abfangen und ihm das Notizbuch überreichen. Um die Zeit etwas sinnvoller zu vertrieben, blätterte er die beiden Bücher noch einmal durch und überflog die interessantesten Themen. Bei „Aura belliatus“ handelte es sich mehr um eine Sammlung altertümlicher Geschichten als eine konkrete Fachlektüre, doch schien gerade das, das zu sein, was Aram nicht losließ. Fast schon zwanghaft versuchte er in jeder Geschichte zwischen den Zeilen zu lesen und Verbindungen zwischen ihnen herzustellen, eine fachliche Komponente daraus zu schaffen, welche er eventuell sogar beweisen könnte. Die Aura faszinierte den jungen Mann wie kaum etwas zuvor.

Dass die 20 Minuten mittlerweile schon vergangen waren, bemerkte Aram erst, als die ersten Studenten an ihm vorbeischritten. Er schloss das Buch, blickte hoch und hielt Ausschau nach Tony, der nur wenige Augenblicke danach, aus dem Gebäude trat. Mit einem Winken machte er auf sich aufmerksam und schon kam Tony auf ihn zu getrottet. Anfangs wirkte er nervös, lockerte seine Miene jedoch beim Anblick seines lächelnden Freundes.

„Hey, hast dich ja lange nicht blicken lassen. Dafür siehst du aber eindeutig besser aus als das letzte Mal.“

„Danke, gebe mein Bestes.“

Mit einem Plumps, ließ sich Tony neben Aram auf die Bank fallen und musterte neugierig die Bücher auf dessen Schoß.

„Ist der dicke Wälzer für mich?“

„Keine Sorge, so viel würd ich dir doch niemals antun.“

„Hey! Was soll das heißen?“

Empörung machte sich in Tonys Gesicht breit, während er seinem belustigt grinsenden Freund einen strafenden Blick zuwarf.

Aram schlug daraufhin die erste Seite des Buches auf und hielt sie Tony vor die Nase.

„Du kannst gerne das ganze hier lesen, falls dir Latein nichts ausmacht. Ich dachte nur, englisch wäre dir lieber, darum hab ich dir die wichtigsten Stellen mit Erklärungen und Skizzen übersetzt.“

„Latein?“

Geschockt überflog Tony die ersten Wörter und stieß das Buch wieder zu Aram zurück.

„Du bist echt verrückt, hast du etwa die ganzen letzten Tage damit verbracht, dieses Buch zu lesen?“

„Und es für dich zu übersetzen, vergiss das nicht.“

Tonys Hand klatschte gegen seine eigene Stirn und wanderte zu seiner Schläfe, die er nun langsam massierte.

„Das hättest du nicht tun müssen.“

„Verstehst du etwa Latein?“

„Das ist ni--“

„Ich weiß, das war ein Scherz. Ich hab’s gern gemacht, also nimm es einfach, vielleicht hilft es dir ja.“

Er hielt Tony das Notizbuch entgegen, der es seufzend annahm und aufschlug. Auf der ersten Seite befand sich eine Tabelle, deren erste Spalte in jeweils einer Farbe pro Zeile bemalt wurde. Dahinter standen diverse Bezeichnungen und Beschreibungen der jeweiligen Farbe in den weiteren Spalten.

„Es gibt so viele Farben davon?“

Ungläubig betrachtete Tony die Seite.

„Es gibt noch mehr, das sind nur die Grundfarben. Jede Aura scheint individuell zu sein und die Farbe entscheidet sich nach dem Charakter. Du hast eine Aura Caerula.“

Er deutete auf die blaue Spalte.

„Wärst du zum Beispiel energiegeladener, würde sich gelb in deine sonst blaue Aura mischen und du hättest eine etwas grünlichere.“

„Du kannst daraus meinen Charakter ablesen?“

„Zumindest grob, ja. Du könntest es aber bestimmt besser.“

Er lächelte seinem etwas überforderten Freund zu und deutete auf die Stelle, welche beschreibt, dass ein Auranutzer die Auren sämtlicher Lebewesen um sich herum spüren, sehen und sichtbar machen konnte.

„Willst du’s mal bei mir versuchen?“

„Was? Wie soll ich das denn machen?“

„Konzentrieren vielleicht? Keine Ahnung, ich bin nicht der Auranutzer von uns beiden.“

Tony schluckte, konnte der Versuchung jedoch nicht wiederstehen. Er wandte seinen Blick einmal umher, bevor er mit den Augen auf Aram haften blieb und sich auf ihn konzentrierte. So verharrten die beiden mehrere Minuten, bis sich ein sanfter Schein um Aram bildete.

„Deine ist… weiß?“

Beide betrachteten den weißen Schein beeindruckt, wie er seinen Besitzer schützend umgab. Bei näherer Betrachtung konnte man jedoch eine weitere Farbe erkennen, die vom Inneren hinaus strahlte.

„Und violett.“

„Eine weiß-violette Aura? Ich wusste nicht, dass sie zweifarbig sein können.“

„Scheinbar doch.“

„Aber… Wenn jedes Lebewesen eine Aura besitzt, wieso hat dann nicht jeder diese Fähigkeiten?“

Mit Tonys Themenwechsel, verschwand auch die Aura um Aram und nachdenklich kratzte sich dieser am Kinn. Er hatte sich diese Frage auch schon selbst gestellt, doch noch keine Antwort darauf gefunden.

„Die Fähigkeit wird angeblich vererbt, es muss also einen Unterschied zwischen der normalen Aura und den Auren der Auranutzer geben. Darüber konnte ich jedoch nichts im Buch finden. Ich habe zwar eine Theorie, aber die müsste erst einmal bewiesen werden, bevor ich mit Behauptungen um mich werfe.“

„Als hätte ich etwas anderes von dir erwartet.“

Tonys sanftes Lachen ließ auch Aram schmunzeln und zum ersten Mal seit Tagen schienen beide nicht mehr ganz so angespannt.

„Den Rest les ich mir heute Abend durch, dann können wir morgen darüber sprechen. Jetzt brauch‘ ich nämlich unbedingt erstmal was zu essen, wie sieht’s bei dir aus?“

„Was zu essen wäre wirklich ‘ne gute Idee.“
 

Nachdem sich die beiden in der Universitätskantine niedergelassen und ihre Mahlzeiten beendet hatten, trennten sich ihre Wege erneut, verabredeten sich aber für den nächsten Tag. Tony war direkt auf sein Zimmer gegangen, während Aram noch etwas über den Campus schlenderte. Sein Blick fiel dabei auf das Forschungslabor, wandte ihm jedoch mit einem Achselzucken den Rücken zu und trottete ebenfalls auf das Wohnheim zu. Er genoss eine heiße Dusche, bevor er sich, mit einem Medizinbuch in der Hand, auf sein Bett fallen ließ. Langsam musste für ihn die alltägliche Routine wieder einkehren, denn, so ungern er es auch tat, er musste seinem Kollegen von vorhin Recht geben, er würde das Studium verlieren, wenn er nicht endlich wieder zu den Vorlesungen erschien.

Ab sofort sollte dem Thema Aura nur noch nebensächlich nachgegangen werden.

„Tony hat da bestimmt auch Verständnis dafür.“

Schock

Aufgrund des Schlafmangels der letzten Tage, fielen Aram schon recht bald die Augen zu und er erwachte erst wieder früh am Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen erhellten den sonst noch dunklen Himmel und gähnend setzte sich der junge Mann auf. Blinzelnd wanderte sein Blick durchs Zimmer, erreichte den Schreibtisch, auf dem noch immer das Glas mit der Aura stand, das er für die Recherche an „Aura belliatus“ vor einigen Tagen aus dem Labor geholt hatte, und schweifte darüber hinweg.

„Hm? WAS?“

Mit aufgerissenen Augen schnellte sein Kopf zurück zum Glas. Doch anstatt die blauleuchtenden Substanz darin wirbeln zu sehen, sah er nichts. Es war leer.

Blitzschnell hechtete er zum Tisch und nahm das Gefäß ungläubig in die Hände. Suchend schaute er sich nach jeder Kleinigkeit um, die erklären könnte, wieso die Aura verschwunden war, konnte jedoch nicht fündig werden. Die einzige mögliche Erklärung war die, die auf den letzten Seiten des Aura-Buches beschrieben worden war. Als ihm dies bewusst wurde, hielt er für einen Moment geschockt inne. Klirrend zerbrach das Glas auf dem Boden, während Aram bereits zur Tür hinaus gestürmt war.

So schnell er konnte, rannte er den Flur entlang und versuchte dabei, die anderen Studenten nicht allzu sehr anzurempeln, was ihm mal mehr, mal weniger gut gelang. Die darauf folgenden Rufe und Bemerkungen verstummten jedoch in seinen Ohren. Eilig lief er die Treppe hinunter und verließ das Gebäude über das Haupttor, um durch den Hof entlang zum anderen Gebäudekomplex und somit auch zu Tonys Wohnheim zu gelangen. Dieses war jedoch weiträumig von Absperrbändern umgeben, vor denen Aram abrupt zu Stehen kam.

„Nein, das kann nicht sein…“

Zögernd schritt er an der Absperrung entlang bis er zum Eingang gelangte, vor dem sich auch schon einige Studenten versammelt hatten.

„Bitte tu mir das nicht an…“

Die Ungewissheit nicht mehr ertragend, quetschte er sich durch die tuschelnde Menge, bis er erneut vor einer Absperrung angelangt war. Zitternd und mit rasendem Herzen sah er nun von dort aus zu, wie ein, komplett in einem weißen Tuch gehüllter, Körper in einen Wagen gehievt wurde.

„Tony?“

Unbewusst wollte Aram schon über die Absperrung springen, wurde jedoch sofort von einem Polizisten aufgehalten.

„Nichts da. Das hängt nicht ohne Grund hier. Und jetzt macht, dass ihr wieder zurück in eure Klassen kommt.“

Beim letzten Satz hob er die Stimme und richtete das Gesagte zur gesamten Gruppe, die sich daraufhin langsam auflöste. Nur Aram stand noch immer wie versteinert da und starrte dem Wagen hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war.

„Das gleiche gilt auch für dich. Hier gibt es nichts mehr zu sehen, Junge.“

Doch noch immer drang keines der Worte zu Aram hindurch und den Blick noch immer in die Richtung gerichtet, in die der Wagen verschwunden war, formten sich seine Lippen zu einer zaghaften Frage.

„Wer war das?“

„Eure Dozenten werden euch da--“

„Wer war das?“

Mit einer Mischung aus Angst, Trauer und Ungewissheit blickte er nun endlich zum Polizisten um vielleicht doch noch eine Antwort aus ihm herauszubekommen.

„Dazu dürfen wi--“

„Anthony Cambell.“

„Was?“

„Das war Anthony Cambell, nicht wahr?“

Der Polizist stockte kurz und sein Blick wurde beim Anblick des jungen Mannes vor ihm wehmütig, bevor er schließlich nachgab und einmal nickte. Sämtliche letzte Hoffnung, seinen Freund doch noch einmal zu sehen, verschwand aus Arams Gesicht.

„Er beging scheinbar Selbstmord.“

Perplex richtete Aram seinen gesenkten Kopf wieder auf.

„Das… Nein, das hätte Tony nie gemacht.“

„Bisher deutet alles darauf hin. Und jetzt Abmarsch.“

Damit wandte er sich ab und schritt zu einem seiner Kollegen um sich wieder mit ihm auszutauschen und damit zu beginnen, den Schauplatz zu inspizieren. Aram stand danach noch ein paar Minuten regungslos da und versuchte, das alles zu begreifen.

„Das ergibt doch keinen Sinn…“

Zu sich selbst murmelnd machte er schließlich kehrt und schlurfte langsam wieder zurück, auf eine noch viel größere Menschenmenge zu, die sich in der Aula des Hauptgebäudes angesammelt hatte. Die Nachricht schien sich wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben und Stimmengewirr hallte in den Mauern wieder. Kurz darauf trat der Direktor der Universität auf das Podest am anderen Ende des Raumes und richtete seine Stimme zu den Studenten.

„Wie ihr alle wohl schon mitbekommen habt, ist heute etwas Unerfreuliches passiert. Der Student Anthony Cambell weilt nicht mehr unter uns. Laut den Beamten vor Ort, hat es sich um einen Selbstmord gehandelt. Wir haben unverzüglich seine Familie kontaktiert und unser teuerstes Beileid ausgesprochen. Wer seiner Beerdigung innewohnen will, ist dazu herzlichst eingeladen, diejenigen sollen sich bitte bei mir in meinem Büro melden. Nehmen wir dieses Geschehen jedoch als Anlass…“

Aram stieß ein genervtes Stöhnen aus, wandte dem Redner seinen Rücken zu und trat aus der Aula hinaus in den Hof. Diese Art von Moralpredigt, die nun folgen würde, konnte er momentan überhaupt nicht gebrauchen. Zornig stapfte er umher, seine Gefühle sortierend, wobei ihm einfach viel zu viel im Kopf schwirrte.

„Das ergibt doch alles keinen Sinn! Tony hätte so etwas doch nie getan. Er hätte zumindest mal mit mir darüber geredet, er wusste, dass er auf mich bauen kann. Immerhin kam er wegen der Aura auch zu mir. Die Aura… war das der Grund? War das alles zu viel für ihn? Verständlich wäre es, nannte er sich doch selbst ein Monster… Aber es wirkte doch so, als hätte sich seine Einstellung zum Positiven gewandelt. Gerade gestern. Und er hat mir sein Wort gegeben, mich heute zu treffen. Solche Verabredungen hatte er noch nie verpasst. Ein Unfall war es aber scheinbar auch nicht, wenn man von Selbstmord ausgeht. War es dann also… Mord?“

Wie ein Gedankenblitz schoss eine Idee in seinen Kopf.

„Diese Männer im Café… Woher wussten sie von Auranutzern und warum suchen sie nach ihnen? Kann es sein, dass sie …“

Er hob seinen Kopf zum Himmel, bis er sein Gesicht schmerzverzerrt verzog und mit der geballten Faust, begleitet von einem unterdrückten Schrei, gegen den Baumstamm neben ihm schlug. Tränen rannen seinen Wangen hinab und Blut, das von der, durch die trockenen Rinde aufgescheuerten, Hand tropfte zu Boden. Einige Zeit verharrte er so, bis er mit einem leisen Schluchzen auf die Knie fiel und sich mit den Händen vorn über aufstützte. Erst als die Sonne schon recht hoch am Himmel stand und das Wimmern schon seit geraumer Zeit verstummt war, richtete er sich wieder auf und klopfte sich die Erde von den Klamotten und den Handflächen. Er warf der aufgeriebenen Hand einen flüchtigen Blick zu, ehe er sich schlendernd und mit gesenktem Kopf auf den Weg zurück ins Wohnheim machte. Dort angekommen wusch er sich erst einmal den Dreck aus der Wunde und verband die Hand anschließend mit einer Bandage aus seinem Erste-Hilfe Koffer.
 

Am nächsten Tag führte ihn sein erster Weg vor eine Tür des Hauptgebäudes, an die er nach kurzer Bedenkzeit klopfte. Erst herrschte eine angespannte Stille, bevor Aram kurz darauf auch schon hereingebeten wurde.

„Ah, Mr. Sheppard. Euch sieht man in letzter Zeit ziemlich selten.“

Der etwas kleiner gewachsene, dickbäuchige Mann, linste über seine Brille zu Aram hinauf.

Er saß auf einem großen Sessel hinter dem mächtigen, aus Mahagoni bestehenden Schreibtisch, auf dem unzählige Papiere und Akten unordentlich aufeinander gestapelt waren. Sein Blick wirkte strafend und fragwürdig, wie er starr auf Aram haftete und ihn zu durchbohren schien.

Dieser ignorierte jedoch die Bemerkung, sowie das Starren seines Gegenübers und setzte sich auf einen der Stühle, die vor dem Tisch bereit standen. Ohne auch nur einen weiteren Moment zu zögern und dem Direktor somit die Chance nehmend, ihn in eine Bredouille zu bringen, trat er mit seiner Bitte hervor.

„Mr. Bostwick, ich würde gerne auf die Beerdigung von Anthony.“

„Bei Eurer derzeitigen Arbeitshaltung könnte man meinen, Ihr wärt gern überall, nur nicht in den Vorlesungen.“

Bostwicks strafender Blick verfinsterte sich noch ein wenig, doch Aram schien es weiterhin nicht an sich heran zu lassen. Scheinbar war es nicht das erste Mal, dass er in einen Clinche mit dem Mann vor sich geriet. Zwar war Aram ein hervorragender Student, aber sein kühles, herablassend wirkendes Verhalten stieß viele vor den Kopf, allen voran natürlich dem Direktor, dem er, für sein Empfinden, zu wenig Respekt zollte. Um jedoch einer längeren Diskussion aus dem Weg zu gehen, hielt Aram es fürs Beste, nicht auf die Anmerkungen einzugehen, denn auch wenn man es ihm nicht ansehen konnte, nahm ihm das Passierte unheimlich mit und in dieser Verfassung wollte er sich nicht auf eine Reiberei einlassen.

„Anthony war mein bester Freund und ich will mich von ihm verabschieden. Mit dem Studium oder meiner Arbeitshaltung hat das nichts zu tun.“

„Das verstehe ich, Aram. Aber Ihr habt in den letzten Wochen keine einzige Vorlesung besucht. Euch dann auch noch für einen Tag freizustellen, wäre absurd. Ihr seid ein kluger Mann und Eure hervorragenden Noten sind der einzige Grund, wieso ich bisher noch nicht eingeschritten bin. Ich sehe aber auch die Wichtigkeit dieser Bitte und dass Ihr auch ohne Erlaubnis Euren Weg dorthin finden werdet, nicht wahr? Daher seid Ihr noch bis zur Beerdigung freigestellt, danach will ich Euch jedoch wieder mit Eurem gewohnten Eifer sehen, sonst erwarten selbst Euch Konsequenzen.“

Noch durchdringender als eben zuvor, richtete Bostwick seinen Blick auf den jungen Mann, während er ihm seine Hand entgegen streckte, in der sich eine Einladung zur Beerdigung befand. Dem Blick hielt er zwar Stand, senkte den Kopf jedoch um die Einladung zu betrachten und sie nickend entgegenzunehmen.

„Vielen Dank. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“

„Das hoffe ich. Euch auf dieser Universität verlieren zu müssen, ist nicht in meinem Interesse.“

Ohne dem etwas entgegenzusetzen, richtete sich Aram wieder auf und verbeugte sich vor dem Direktor. Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt durch die Tür, erst danach blieb er erleichtert stehen und lehnte sich gegen die Mauer, wo er erst einmal die schlichte Einladung begutachtete. Nur die Adressdaten, sowie das Datum und die Uhrzeit standen darauf.

„Am Freitag um 10 Uhr. Auf dem Wolvercote Cemetery? Ich dachte Tony kommt aus Northampton, wieso wird er dann hier bestattet?“

Seufzend steckte die kleine Karte in die Brusttasche seines Mantels und setzte sich wieder in Bewegung, um zurück in sein Zimmer zu marschieren.

„Zumindest erspart mir das eine längere Reise...“

Verabschiedung

Der schrille Ton des Weckers ließ Aram am frühen Morgen hochschrecken. Die letzten Tage waren ruhig vergangen und es war fast so als wäre nie etwas passiert. Aram hatte, um etwas Ablenkung zu finden, trotz der Freistellung seine Vorlesungen besucht, konnte sich jedoch kaum auf den Stoff konzentrieren. Nicht, weil ihm der Inhalt nach der längeren Abwesenheit zu kompliziert war, sondern weil seine Gedanken immer noch nur um Tony kreisten. Selbst die Polizei hatte die Ermittlung aufgrund des offensichtlichen Tatherganges eingestellt. Für Aram war es allerdings alles andere als offensichtlich, hier ging es nicht mit rechten Dingen zu, doch die Umstände seines Todes waren nebensächlich, änderten sie immerhin nichts an der Tatsache, dass Tony nun fort war und in ein paar Stunden seine Beerdigung stattfinden würde. Also quälte Aram sich, im noch komplett finsteren Raum, aus dem Bett und nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, schritt er aus dem Zimmer, um zum Badezimmer zu gelangen. Der Flur war völlig menschenleer und auch im Bad konnte er die Ruhe genießen. Nach einer entspannenden Dusche, verließ er das Bad wieder und zog sich in seinem Zimmer fertig an. Der schwarze Anzug schmeichelte ihm und selbst das Jackett gab ihm ein edles Aussehen, ohne zu übertrieben zu wirken. Nichtsdestotrotz musste er seinen schweren Mantel aus dem Schrank ziehen, da das Wetter alles andere als schön aussah und er schon beim Blick aus dem Fenster fröstelte. Eine dicke Wolkendecke verbarg die langsam aufgehende Sonne, wodurch es noch sehr viel dunkler schien, als es sein sollte und große Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheibe.

Er bereute seine Entscheidung kein bisschen, als er einen Fuß vor den anderen setzte und im Regenschauer langsam das Universitätsgelände hinter sich ließ. Auf seinem Weg ging er an einigen Kutschen vorbei, entschied sich jedoch dazu, zu Fuß hinauf nach Wolvercote zu spazieren. So hatte er mehr Zeit um über alles nachzudenken und eine größere Chance klare Gedanken fassen zu können. Während er also Richtung Norden spazierte, begann die Sonne langsam aufzugehen, stieg immer weiter hinauf, bis sie schon recht hoch stand, als Aram endlich vor der Kapelle ankam. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er ehrfürchtig eintrat und sich seinen Weg nach vorne bahnte. Einige kurze Blicke trafen ihn, wandten sich jedoch schnell wieder nach vorne. Der Sarg war vor dem Altar aufgestellt worden, ein Foto, sowie einige Blumensträuße lagen darauf. Zögernd trat Aram auf ihn zu, den Blick dabei gesenkt. Als er vor ihm zum Stehen kam und durch den geöffneten Sargdeckel auf das Gesicht Tonys blickte, durchfuhr ein Schauer der Traurigkeit durch seinen Körper.

„Wie sehr hatte ich gewünscht, dass das alles unwirklich ist… Ruhe in Frieden, mein Freund. Auf dass wir uns eines Tages wiedersehen.“

Demütig schritt er wieder zurück und nahm auf der Bank, hinter den anderen Hinterbliebenen, Platz. Pünktlich um zehn Uhr betrat ein Priester die kleine Kirche und eröffnete die Messe.

„Der Herr sei mit euch.“

„Und mit deinem Geiste.“

Hallte es aus den Reihen zurück.

Selbst Aram, der kirchlichen Veranstaltungen stets aus dem Weg ging, ließ es dieses Mal gern über sich ergehen und gedenkte Tony. Die Gepflogenheiten der Kirche waren ihm jedoch bestens bekannt. Er wusste zwar nicht, wie streng die Regelungen in dieser Kapelle waren, doch wollte er einfach kein Aufsehen erregen, immerhin war es ein zu wichtiger Tag und das nicht nur für ihn. Also lauschte er den Lesungen der Bibel, antwortete den Kyrie und stimmte bei den Gesängen mit ein, bis sie nach etwa einer Stunde das Ende der Messe erreicht hatten.

„Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“

Ein hölzernes Raunen hallte durch den Raum, als sich alle erhoben und mit dem Kreuzzeichen antworteten.

„Amen.“

Mit diesen Worten traten vier Männer zum Altar nach vorne, um den Sarg zu schließen und ihn daraufhin anzuheben. Behutsam trugen sie ihn hinaus, gefolgt von den weiteren Angehörigen und Aram, über den Friedhof, bis sie zu einem ausgehobenen Grab gelangten. Dort angekommen, wurde der Sarg in die Tiefe niedergelassen und der Priester erhob noch einmal das Wort.

„Vater im Himmel, dein Sohn, unser Herr Jesus Christus nahm für uns alle den Tod auf sich, damit wir im Tode nicht untergehen. Er ist für alle gestorben, damit wir bei dir in Ewigkeit leben. Mit diesem Vertrauen gehen wir durch unsere Tage in guten und in schlimmen Zeiten.

Dazu segne und beschütze uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“

„Amen.“

„Als Boten und Zeugen für Christus sind wir hinein gesandt in diese Welt. So lasset uns gehen in Frieden.“

„Dank sei Gott, dem Herrn.“

Mit diesen Worten beendete er den Gottesdienst und ließ den Anwesenden Zeit, sich noch im familiären Kreise zu verabschieden. Aram stand dabei etwas abseits und entschied nach einer Weile, die restlichen Angehörigen alleine zu lassen. Seufzend drehte er sich auf der Stelle und machte ein paar Schritte, bis ihn eine ältere Stimme zurückrief.

„Ihr, wartet doch bitte.“

Verwundert schaute er hinter sich und erblickte eine reife Dame, wie sie auf ihn zusteuerte und stapfte ihr ein paar Schritte entgegen.

„Ihr seid Mr. Sheppard, nicht wahr?“

„Das bin ich, ja.“

Er musterte die kleine Frau vor sich genauer, konnte sie jedoch nicht einordnet, diese schien ihn jedoch zu kennen und sah mit einem freundlichen Lächeln zu ihm hinauf.

„Ich war Anthonys Tante, er hat hier bei mir gelebt, bevor er auf die Universität ging. Wenn er die letzten Jahre zu Besuch war, hat er oft von Euch erzählt. Ihr wart ihm ein guter Freund und es hätte ihn sicher erfreut zu wissen, dass Ihr ihm an diesem Tag beigestanden habt. Bitte nehmt doch meine Einladung an und esst mit uns.“

Etwas perplex über die plötzliche Einladung, starrte er die erwartungsvoll blickende Frau an, bis er seinen Kopf zu einem Nicken zwang.

„Natürlich, es wäre mir eine große Freude.“
 

Erst spät abends, als die Sonne schon lange untergegangen war, erreichte Aram den Campus. Angetrunken, durch den Wein, der ihm immer wieder aufs Neue nachgeschenkt wurde, torkelte er etwas benommen über das Gelände, bis er zum Wohnheim gelangte. Vor seiner Tür durchsuchte er seine Manteltaschen nach seinem Schlüssel, während die andere Hand schon zum Türgriff wanderte. Erschrocken wich er zurück, als sich die Tür daraufhin von alleine öffnete und ein aufgesperrtes Schloss zum Vorschein kam.

„Was…?“

Vorsichtig bewegte er seine Hand durch den Türspalt hoch zu seiner Lampe, um sie einzuschalten, woraufhin das Zimmer durch die orangene Flamme erleuchtet wurde. Doch als er sich nach vorne beugte und hineinspähte, war es leer. Ein erleichterter Seufzer entrang seiner Kehle und noch immer etwas benebelt trat er ein.

„Ich habe wohl einfach vergessen das Schloss zu verriegeln.“

Als er dies, zu sich sagte, trat er gemächlich an den Tisch und ließ seinen verspannten Nacken kreisen. Doch sowie sein Blick auf die Tischplatte traf, wurde er kreidebleich. Blankes Entsetzen zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als er auf das Notizbuch hinab starrte, welches er für verloren gehalten hatte. Nach Tonys Tod wurde dessen Zimmer komplett ausgeräumt, aber das Notizbuch hatte keiner gefunden. Trotz Arams erpichter Suche danach, blieb es verschollen, doch nun lag es, makellos und ohne den kleinsten Riss, auf seinem Tisch. Eine Gänsehaut breitete sich über seinem Körper aus, als er sich eingestehen musste, dass er auf keinen Fall vergessen hatte, die Tür zuzusperren, was bedeutete, dass irgendjemand in sein Zimmer eingedrungen war, um ihm sein Notizbuch zurückzubringen. Normalerweise hätte er sich ja über dieses Geschenk gefreut, immerhin wollte er nicht, dass Unwissende an diese Daten gelangen, doch unter diesen Umständen war er eher mäßig begeistert. Seufzend ließ er sich aufs Bett fallen und saß nun, mit auf den Knien aufgestützten Ellenbogen, das Gesicht in den Händen vergraben, da. Mit leichtem Druck ließ er seine Fingerspitzen massierend über die Stirn, bis hin zu seinen Schläfen wandern. Durch den Schock, schmerzte sein Kopf nun sehr viel mehr, als noch vor wenigen Minuten, als er nur wegen dem langen Tag und dem Wein noch erträglich gepocht hatte. Mit einem langgezogenen Raunzen ließ er sich zur Seite fallen, wo er sich erst einmal bequemer zurechtlegte, bevor er die Augen schloss und zu schlafen versuchte.

Wahl

Als Aram erwachte, spürte er noch immer den Schmerz in seinem Kopf, der aber deutlich schwächer war, als noch am Vorabend. Langsam richtete er sich auf, gähnte und streckte sich ausgiebig, ehe sein Blick zur Seite wanderte, um sich einer Sache zu vergewissern. Und ja, da lag es wirklich. Er fuhr sich noch einmal durchs Haar, erhob sich und nahm auf dem Stuhl vorm Tisch Platz, von wo aus er das Notizbuch prüfend musterte. Nach einer ganzen Weile reinen Anstarrens des Umschlags, wanderte seine Hand mehr unbewusst auf ihn zu und begann, mit den Fingern über die Seitenkante zu streichen und sie abzublättern. Den Kopf auf die andere Hand gestützt, konnte er dabei immer wieder einen Blick auf die Seiten erhaschen.

„Hm?“

Plötzlich stoppte er in der Bewegung. Etwas darin hatte sein Interesse geweckt und perplex schlug er die erste Seite auf.

„Hä?“

Noch verwirrter blätterte er sich durch die Seiten, beäugte sie und das, was sich nun darauf befand, genauer. Mit einem roten Stift waren diverse Wörter oder Sätze unterstrichen, umkreist, durchgestrichen oder abgehakt. An ein paar Stellen wurden auch Vermerke dazugeschrieben. Und das auf jeder beschriebenen Seite. Selbst die Grafiken waren angestrichen und verbessert worden. Irgendjemand hatte Arams Notizen zur Aura korrigiert. Zuerst dachte er an einen Scherz, dass einer der Studenten das Notizbuch gefunden und willkürlich angestrichen hat, bevor er es in hierhin gelegt hatte, jedoch war dies aus mehreren Gründen unlogisch. Einerseits hatte Aram seinen Namen kein einziges Mal in dieses Buch geschrieben, was bedeuten würde, dass derjenige wissen musste, das es Aram gehörte, andererseits war die Korrektur viel zu sinnvoll, um als willkürliche Handlung durchzugehen. Sämtliche Anmerkungen waren so schlüssig, dass sich der Rothaarige fragte, wieso er selbst nicht darauf gekommen war. Doch auch die komplexeren Bemerkungen waren so fachlich erklärt, dass sie von jemandem stammen mussten, der sich gut mit der Materie auskannte. Nahezu beeindruckt über den Wissenstand des Unbekannten, verschlang Aram das Geschriebene und erreichte ziemlich schnell die letzte Seite. Fast wollte er das Buch wieder zuschlagen, als ihm durch das Licht der Sonnenstrahlen, noch weiterer Text auf der Rückseite des Blattes auffiel. Neugierig las er sich die Niederschrift durch:

Sehr geehrter Mr. Sheppard,
 

es ist mir eine Freude zumindest auf diesem Wege mit Euch in Kontakt zu treten. Ich bin Mitglied eines Kults, der sich Mors Aurum nennt und sich unter anderem der Erforschung von Aura widmet. Dabei fanden wir dieses Notizbuch, welches allen Anschein nach Euch gehören dürfte. Es ist wahrlich bemerkenswert, wie Ihr aufgrund des einseitigen Wissens eines einzigen Buches, auf solch detaillierte, wahrheitsgemäße Ergebnisse kommt. Ich muss zugeben, ich bin von Eurem Interesse und Eurem Können zutiefst angetan und würde Euch nur allzu gern in unseren Reihen willkommen heißen.

Da diese Entscheidung gut durchdacht werden muss und Ihr bestimmt einige Fragen an uns habt, lade ich Euch zu einem Gespräch am kommenden Montag um 10 Uhr ein. Die Adresse findet Ihr auf der beigelegten Visitenkarte, welche sich zwischen den nächsten Seiten befindet. In Eurem eigenen Interesse rate ich Euch, diesen Termin wahrzunehmen, anderenfalls könnte es zu Komplikationen kommen.

Ich freue mich schon sehr auf ein persönliches Treffen mit Euch und verbleibe
 

mit besten Grüßen,

Aaron Arvid
 

PS: Wir haben uns erlaubt das Exemplar des Buches „Aura belliatus“, welches sich in Eurem Besitz befand, an uns zu nehmen. Ich bitte diesbezüglich um Euer Verständnis.

So wie er las, verengten sich seine Augen immer mehr und sein Herz begann in einem nervösen Rhythmus zu schlagen. Als er den letzten Satz beendet hatte, schoss sein Blick zu seiner linken. Bis gerade eben hatte er nicht einmal mitbekommen, dass der dicke Schmöker, mit dem edlen Einband gar nicht mehr dort stand. Hastig blickte er sich im Zimmer um, konnte ihn jedoch wirklich nicht finden und musste sich erneut und nun auch zu 100 % sicher, eingestehen, dass jemand mit Absicht bei ihm eingebrochen war. Er lehnte sich nach hinten und warf seinen Kopf in den Nacken.

„Mors Aurum…“

Murmelnd starrte er die Decke mit einem wehklagenden Gesichtsausdruck an.

„Wörtlich übersetzt Tod dem Gold, aber vermutlich wurde das Wort Aura wegen des ähnlichen Klangs einfach ersetzt um den Blick von ihren wahren Absichten abzuwenden.“

Ein gequältes Lachen drang über seine Lippen.

„Unter anderem der Forschung, pah.“

Seufzend schloss er die Augen und begann damit, das Gelesene und die Ereignisse Revue passieren zu lassen.

„Irgendwie werde ich seit dieser Geschichte vom Pech verfolgt… Und es will einfach nicht aufhören.“

Knarzend schaukelte er mit dem Stuhl vor und zurück, während sein Blick langsam nach unten wanderte und außerhalb des Fensters den vorbeiziehenden Wolken nachschaute.

„Also heißt es entweder einem ominösen Kult beitreten oder die Komplikationen ertragen? Na das sind doch mal gute Aussichten.“

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube richtete er sich ruckartig auf. Er konnte einfach nicht hier bleiben, sonst würden ihn seine eigenen Gedanken noch wahnsinnig machen. Also zog er seinen Mantel aus dem Schrank, warf ihn sich über und verließ das Zimmer. Sonst so überfüllt, schien der Flur am Wochenende beinahe wie ausgestorben, da die meisten Studenten an diesen zwei Tagen der Woche wieder nach Hause fuhren, Aram bevorzugte es allerdings, die Ruhe auf dem Campus zu genießen, anstatt die lange Fahrt nach London auf sich zu nehmen. Doch dieses Mal führte ihn sein Weg genau dorthin. Denn ein Unwohlsein breitete sich in seinem Körper aus, fast so, als gäbe es nur noch diese eine Möglichkeit, seine Eltern zu sehen. Optimismus war nun einmal keine Stärke von ihm und die Drohung des Kultes verunsicherte ihn noch zusätzlich. Daher führte ihn sein Weg zum Oxforder Bahnhof, wo er in einen Zug nach London stieg und schließlich vor dem Tor seines Zuhauses aus der Kutsche trat. Mit einer leichten Verbeugung und einem großzügigen Trinkgeld bedankte er sich beim Kutscher und trat durch das große Eingangstor und durch den Vorgarten, bis er vor der Tür stehen blieb.

„Aram, Schatz, wieso bist du denn hier?“

Die sanfte Stimme der zierlichen und sichtlich überraschten Mittevierziger drang durch den Türspalt.

„Braucht ein Sohn denn stets einen Grund seine Eltern zu besuchen?“

Schief grinsend blickte er zu seiner Mutter hinab, deren überraschte Miene zu einem herzlichen Lächeln wurde und Aram einladend die Tür öffnete.

„Die meisten Söhne nicht, bei dir wäre ich mir da aber nicht so sicher.“

Der lockige Rotschopf grinste neckisch zu ihm hoch und brachte ihn damit zum Schmunzeln.

Aber ich freue mich, dass du hier bist. Dein Vater ist oben in seinem Büro, er freut sich bestimmt auch, dich zu sehen. Geh ruhig zu ihm, ich bereite solange den Tee vor.“

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, verschwand sie auch schon in der Küche und ließ ihren Sohn alleine zurück, welcher sich schon gar nichts mehr dabei dachte, sich den Mantel abstreifte und danach den Treppen nach oben folgte. Bevor er in das Büro trat, ging er daran vorbei ins Bad, um sich nach der langen Zugfahrt etwas frisch zu machen, da seine Mutter spätestens zum Tee auf frisch gewaschene Hände bestehen würde. Sie nahm es sehr genau mit der Sauberkeit, was sich auch im Haus widerspiegelte. Kein Dreck, kein Staub. Nicht mal die kleinste Schliere war auf dem Spiegel zu erkennen, als sich Aram darin musterte und seine leicht zerzausten Haare wieder nach hinten kämmte. Als er fertig war, trat er wieder hinaus und klopfte gegen die verschlossene Bürotür.

„Ja?“

Eine tiefe, erhabene Stimme erklang aus dem Zimmer und vorsichtig öffnete Aram die Tür und schob seinen Kopf hindurch.

„Hättest du Zeit für eine Tasse Tee?“

Wie schon seine Mutter, erhob nun auch sein Vater überrascht den Kopf und sah zu seinem Sohn.

„Aram, ich wusste nicht, dass du heute kommen wolltest.“

„Ich habe es recht spontan entschieden, tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gesagt habe.“

„Schon in Ordnung, das ist zumindest eine schöne Überraschung und ein Grund, nicht mein gesamtes Wochenende über Dokumenten zu kauern.“

Ein kurzes, tiefes Lachen hallte durch den Raum, bevor er die Brille absetzte und sich von seinem Sessel erhob. Aram hielt ihm die Tür nun weiter auf und machte seinem Vater Platz, sodass er an ihm vorbeigehen konnte. Dieser schlug dem jüngeren sanft auf den Rücken und schob ihn mit sanftem Druck neben sich her.

„Ist schon eine Weile her seit deinem letzten Besuch. Was macht das Studium?“

„Also, was das angeht …“

Diagnose

Weil seine Mutter darauf bestand, blieb Aram über Nacht bei ihnen und reiste erst am Nachmittag des folgenden Tages zurück nach Oxford. Seinen Eltern hatte er nichts von diesem ominösen Brief erzählt, nur, dass es momentan aufgrund des Selbstmords seines Freundes mit dem Studium nicht so gut lief wie sonst. Sein Vater hatte ihn daraufhin mit beschwichtigenden Floskeln genervt, während seine Mutter ihr Beileid ausgesprochen und ihm gut zugeredet hatte. Doch nun, da er immer näher auf die Universität zutrat, wurde ihm wieder bewusst, welche Entscheidung vor ihm lag, ob er nun morgen in der Vorlesung sitzen oder auf dem Weg zum Termin bei diesem Kult sein würde.
 

Gedankenverloren drehte Aram die Visitenkarte, die er dem Notizbuch entnommen hatte, zwischen den Fingern umher. Mittlerweile war es draußen stockfinster geworden und nur die Öllampe auf dem Schreibtisch des Studenten tauchte das Zimmer in ein schummriges Licht, während die Uhr mit ihrem leisen Ticken die Stille immer wieder aufs Neue durchbrach. Viel zu aufgewühlt von seinen eigenen Gedanken, war Schlaf das letzte, an das der junge Mann gerade denken konnte. Es mussten erst noch zwei weitere Stunden vergehen, bis ihm die Augen zufielen und er sie erst wieder öffnete, als die hellen Sonnenstrahlen direkt durch das Fenster auf sein, auf dem Tisch liegendes, Gesicht schienen. Hektisch blinzelnd richtete er sich hoch und rieb sich dabei den Schlaf aus den Augen. Danach fiel sein Blick auf die Uhr, deren Zeiger auf acht Uhr dreißig standen.

„Halb neun?!“

Ungläubig riss er die Augen auf, bevor er aufsprang und sich hastig fertig machte. Die Visitenkarte, die er bis eben noch in der Hand hatte, landete nun in der Tasche seiner Jacke, die er sich schnell umwarf, bevor er aus der Tür stürmte. Eilig hetzte er über den Hof und schlüpfte gerade noch rechtzeitig durch den Türspalt und nahm in einer der hinteren Reihen im Vorlesungssaal Platz. Ein paar der Studenten drehten sich zu ihm um, warfen ihm flüchtige Blicke zu, ließen jedoch schnell von ihm ab oder tuschelten noch kurz untereinander, verstummten jedoch sofort, als pünktlich um neun Uhr der Dozent den Hörsaal betrat und mit der Vorlesung begann.

„Wie bereits letzte Woche, werdet Ihr aufgrund von Symptomen eine Diagnose stellen und sämtliche dafür notwendige Tests und Vorarbeiten verbal durchgehen um auch die richtige herauszufinden.“

Damit drehte er sich zur Tafel und schrieb einige Fakten über die fiktionale Patientin gut leserlich darauf.

„Also, die Patientin ist 19 Jahre alt und wurde mit inneren Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert und leidet zudem noch an einer hämolytischen Anämie. Sie wird in ein paar Tagen tot sein, wenn Ihr nicht herausfindet, warum ihre Blutkörperchen zerfallen.“

Sofort hallte Getuschel von überall her und vereinzelte Rufe, die nicht immer dem Professor galten, schallten durch den Raum.

„Vermutlich eine Erbkrankheit, das würde jedoch zu ihrem Tod führen.“

„Nein, eine Erbkrankheit scheidet aus, es gibt kein Problem der roten Blutkörperchen.“

„Wie sieht es generell mit der Anamnese aus?“

„Gute Frage, jedoch ergibt auch die Anamnese keinen Befund.“

„Und was sagt der Befund der Blutuntersuchung noch?“

„Dass sie noch unter erhöhtem indirekten Bilirubin und niedrigem Serum-Haptoglobin leidet.“

„Also ist es Meningitis.“

„Nein.“

„Ist es umweltbedingt?“

„Nein, das Haus wurde stets rein gehalten. Nebenbei würde es im Krankenhaus besser werden, wenn es umweltbedingt wäre, was es aber nicht tut.“

„Vielleicht eine Infektion?“

„Auch nicht, kein Fieber und erhöhte Leukozyten und der Galium-Scan war.“

„Das wiederum könnte auf Lupus hindeuten. Wie sieht es mit der ANA Untersuchung aus?“

„Negativ.“

„Und Krebs?“

„Wurde mehrfach geprüft, kein Krebs. Die Patientin hat nun auch ein Netzhautgerinnsel.“

„Das könnte man doch mit Coumadin lösen.“

„Ein Blutverdünner bei ihrem Zustand? Dann wäre ihr Auge gerettet, aber alles andere nicht. Die Frage ist eher, wie innere Blutungen ein Gerinnsel hervorrufen können.“

„Vielleicht doch Krebs? Oder es ist doch Lupus, da hierbei eine erhöhte Thrombozytenzahl das Gerinnsel hervorrufen kann. “

...

Gedankenversunken beobachtete Aram den Dozenten, wie er sämtliche Befunde und Ideen ebenfalls auf der Tafel notierte und versuchte den doch nervenden Lärm, der bei solchen Differenzialdiagnosen stets entstand, zu verdrängen. Seine Hand wanderte zu seiner Jackentasche um die Taschenuhr hervorzuziehen, um zu erfahren, wie lange er dieses Getuschel noch aushalten musste, doch anstatt des kalten Metalls der Uhr, berührten seine Fingerspitzen etwas wärmeres und dünnes. Leicht perplex zog er die Visitenkarte hervor.

„Ist mir gar nicht aufgefallen…“

Vor sich hin murmelnd, betrachtete er sie einen Augenblick, ehe er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ und dann tatsächlich einen Blick auf seine Uhr erhaschte. Zwanzig Minuten vor zehn.

„.. pard.“

„Mister Sheppard!“

Erschrocken zuckte er zusammen, als er die wütende Stimme seines Dozenten vernahm. Schlagartig war der ganze Lärm verklungen und alle Augen waren auf Aram gerichtet, der etwas nervös zum Professor hinunter schaute.

„Mister Sheppard, wenn Ihr so unkonzentriert seid und lieber der Uhr beim Ticken zuseht, könnt Ihr mir bestimmt verraten, welche Behandlung Eure Patientin geheilt hat, oder habt Ihr sie etwa aufgegeben, denn anderweitig kann ich mir nicht erklären, wie Ihr Zeit zum Träumen haben könnt.“

Von hier und da konnte man leises Kichern vernehmen, bevor der Professor fortfuhr.

„Die Mehrheit der Klasse würde sie auf Lupus behandeln, was meint Ihr?“

Noch einmal ließ er den Blick durch den Raum wandern, an den Gesichtern vorbei, die ihn erwartungsvoll, fragend oder voller Genugtuung ansahen.

„Es ist nicht Lupus. Es ist nie Lupus. Sie leidet an einer akuten Naphthalin-Vergiftung. Vermutlich hat sie beruflich mit Mottenkugeln, wie zum Beispiel in einer Schneiderei oder einer Reinigung zu tun. Da Naphthalin ein fettlösliches Gas ist, atmet sie es ein und es wandert in die Fettzellen. Draußen hat ihr Körper Proteine und Kohlenhydrate verbrannt, aber bei dem Krankenhausessen würde es mich nicht wundern, wenn sie einige Kilogramm abgenommen hat, wobei das Fett verbrannte und das Gift in ihren Organismus strömte. Den ungläubigen Gesichtern nach zu urteilen, wäre ich der einzige Arzt, bei dem unsere Patientin überlebt hätte.“

Selbst der Dozent brauchte einen Moment um das Gesagte zu verarbeiten.

„Das stimmt dann wohl. Sehr gut.“

Er drehte sich zur Tafel um und begann damit, die Angaben zu löschen, als das Knarzen eines Stuhls seine Aufmerksamkeit wieder zu den Studenten lenkte.

„Mister Sheppard, nur weil Ihr diesen einen Fall gelöst habt, heißt das nicht, dass Ihr gehen könnt. Diese Vorlesung dauert noch eine ganze Weile also setzt Euch wieder.“

Einen kurzen Moment lang, verharrte Aram in seiner Bewegung und verfluchte innerlich den Stuhl, der ihn verraten hatte. Doch dann drehte er sich auf dem Absatz um und wandte sich zu seinem Professor.

„Es tut mir leid, aber ich habe um zehn Uhr einen Termin und wenn ich mich beeile, komme ich vielleicht sogar noch pünktlich.“

Ein zufriedenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und ohne ein weiteres Wort trat er durch die Tür. Den verärgerten Ruf, der ihm vom Dozenten entgegenschallte, ignorierte er dabei vollkommen.

Ankunft

Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, rannte Aram auch schon los. Quer über den Hof, vorbei an einigen Studenten, bis er das Tor passierte. Schon jetzt halb aus der Puste, musste er seine Geschwindigkeit sowieso aufgrund der Passanten drosseln und in seinem Kopf ging er die möglichen Routen durch, um schnellstmöglich zu seinem Ziel zu gelangen.

„So komm ich doch nie rechtzeitig an.“

Seine einzige Idee war ein längerer, jedoch weitaus ruhigerer Weg, also erhöhte er sein Tempo, in der Hoffnung auf dieser Route weniger Menschen anzutreffen, denen er ausweichen musste. Zu seinem Glück war dies auch der Fall. So musste er zwar durch zwielichtige und stinkende Gassen, doch am Ende stand er um neun Uhr neunundfünfzig vor seinem Ziel und betrachtete beeindruckt das dreistöckige, riesige Gebäude, dessen Dach moderner als die übrigen der Straße wirkte. Schnaufend lief er die Stufen hinauf und schritt durch die Tür ins Foyer.

Dort angekommen, stemmte er erst einmal die Hände auf die Knie und atmete einige Male tief durch um wieder zu Atem zu kommen. Doch gerade als er sich aufrichten wollte, merkte er, wie jemand von der Seite auf ihn zu trat.

„Kann man dir behilflich sein?“

Die raue Stimme und die fehlende Höflichkeitsform ließen Aram kurz zögern, bevor er sich langsam erhob und zu dem breit gebauten Mann vor sich blickte, der ihn mit einem finsteren Blick musterte.

„Ich, ähm …“

„Unbefugten ist der Eintritt nicht erlaubt, also zieh Leine.“

Sichtlich konfus sah Aram zu dem Mann hinauf.

„Zieh … Leine..? Dem Kontext nach zu urteilen heißt das wohl, ich solle gehen.“

„Willst du dich über mich lustig machen?“

„Mitnichten.“

„Dann raus hier!“

„Aber ich …“

„Matthew!“

Plötzlich schallte eine dritte Stimme durch das Foyer und schnelle Schritte näherten sich den beiden.

„Lord Arvid.“

„LORD Arvid?“

Perplex über den hohen Titel richtete Aram seinen Blick auf den näher kommenden Mann und verengte seine Augenbrauen nur noch mehr, als er diesen erblickte. War das wirklich DER Aaron Arvid, der die Korrektur seiner Notizen durchgeführt und den Brief geschrieben hatte? Als er sich selbst dabei ertappte, wie seine Kinnlade langsam begann hinunterzufallen, riss er sich wieder zusammen, doch sein Blick blieb auf dem Mann vor sich ruhen.

„Es ist in Ordnung, der junge Herr hat eine Verabredung mit mir.“

Sowie er dies gesagt hatte, sah er kurz zu Aram hinüber und zwinkerte ihm grinsend zu, was Aram erneut aus der eben erst wiedergefundenen Fassung brachte. Matthew allerdings schien komplett unbeeindruckt von dieser Geste. Nach einem kurzen „Sehr wohl“ und einer untergebenen Verbeugung machte er auch schon auf dem Absatz kehrt und schritt zurück zum Eingang, wo er nun wieder starr postierte.

Nun wandte sich der Mann Aram komplett zu und setzte ein sanftes Lächeln auf.

„Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten. Matthew nimmt es mit der Etikette nicht ganz so eng, mit seinem Job jedoch dafür nur umso mehr.“

Er stieß ein sanftes Kichern aus, welches jedoch schnell wieder verstummte.

Auf jeden Fall freut es mich, dass Ihr es einrichten konntet.“

„Ganz meinerseits.“

Aram, der sich nun zum ersten Mal seit dem Auftauchen seines Gegenübers zu Wort meldete, machte eine leichte Verbeugung bevor er fortfuhr.

„Aaron Arvid, nehme ich an. Verzeiht, ich habe mir Euch nur um einiges älter vorgestellt.“

„Das dachte ich mir bereits. Bitte entschuldigt, aber Euer Gesicht war einfach zu amüsant, das wollte ich mir nicht vorenthalten. Ich hoffe, ich habe Euch nicht beschämt.“

„Keineswegs. Ich habe da jedoch noch die ein oder andere Frage an Euch.“

„Sonst wärt Ihr vermutlich auch nicht hierhergekommen. Ich bin gerne bereit, Eure Fragen zu beantworten, nur lasst uns dieses Gespräch in meinem Büro fortführen.“

Damit drehte er sich auch schon um und winkte Aram zu sich. Dieser folgte ihm daraufhin zügig, wobei sich Misstrauen in seinem Gesicht widerspiegelte. Nicht nur wegen dem Mann vor sich, der noch deutlich mehr von einem Jungen hatte, als von einem Mann, sondern wegen dem ganzen Ort. Er schien sehr viel moderner als alle anderen Häuser, die er kannte und auch die Leute, an denen sie vorbeikamen waren ungewöhnlich gekleidet. Er seufzte schwer, als er gerade noch rechtzeitig vor dem stehengebliebenen Aaron stoppte. Als er vor sich blickte, um zu erfahren, weswegen sie nun standen, erblickte er eine merkwürdig aussehende Tür und nur wenige Augenblicke später ertönte ein leises Rattern dahinter. Als dieses auch so plötzlich verstummte, wie es begonnen hatte, öffnete sich die Türe fast geräuschlos von selbst und präsentierte einen kleinen Raum dahinter.

„Ist das… ein Fahrstuhl?“

„Jap.“

Aaron, der sich bereits in Bewegung gesetzt hatte, forderte Aram mit einer kurzen Handbewegung auf, ihm weiter zu folgen. Skeptisch beäugte dieser den Aufzug, während er sich langsam neben Aaron stellte, das Gesicht zur Tür gewandt. Kurz darauf schloss sich die Tür und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Noch immer skeptisch musterte der junge Mann den Innenraum des Aufzuges, hielt jedoch abrupt inne, als er den Blick Aarons auf sich spürte, welcher ihn belustigt beobachtete. In den Augenwinkeln sah er kurz zu ihm hinunter, ehe er seinen Blick gen Boden richtete und ihn dort verweilen ließ, bis der Lift leicht ruckelnd stoppte und sich die Türen öffneten.

Erleichtert trat Aram hinaus und folgte dem überholenden Aaron den Gang entlang, bis sie vor einer großen Tür ankamen, in dessen massives Holz reichliche Ornamente geschnitzt waren.

„Bitte tretet ein.“

Mit diesen Worten öffnete er die schwere Tür und hielt sie für seinen Gast auf, welcher staunend in das geräumige Büro trat, das sich ihm dahinter offenbarte.

„Ihr könnt gerne auf der Sitzgarnitur Platz nehmen, das ist dann nicht so formell wie am Schreibtisch. Kann ich Euch einen Tee anbieten?“

Mittlerweile doch etwas nervös, setzte sich der Angesprochene auf einen der ledernen Sessel, die in der nahe gelegenen Ecke zusammen mit einem niederen Tisch standen.

„Bitte. Ein einfacher Schwarztee wäre perfekt.“

„Gern.“

Damit verschwand er auch schon durch die Tür, die sich neben der Sitzecke befand, ins Nebenzimmer und begann damit, den Tee vorzubereiten. In der Zwischenzeit konnte sich Aram im Büro genauer umsehen. Dunkles Mahagoniholz wurde für die Möbel benutzt, was im Zusammenspiel mit dem dunklen Leder der Polstermöbel für eine edle Atmosphäre sorgte. Der kleine Tisch vor ihm war komplett aus Glas, nur eine feine Tischdecke lag darauf, in deren Mitte ein Teller mit süß riechenden Häppchen bereit stand. In den vielen Regalen, die die Wände bedeckten, waren unzählige Bücher sorgfältig aufgereiht, manche in Sprachen, die selbst für Aram unmöglich waren zu entziffern, wo er es jedoch konnte, war das Wort Aura meist im Titel enthalten. Ansonsten war das Zimmer sehr ordentlich, selbst auf dem Schreibtisch lagen kaum Blätter, nur ein kleiner Stapel neben einer Gerätschaft, welche Aram noch nie in seinem Leben gesehen hatte, doch noch bevor er diese genauer mustern konnte, trat Aaron wieder in den Raum. In jeder Hand eine Tasse, stellte er eine vor Aram ab, die andere vor sich selbst und ließ sich in den weichen Sessel gegenüber von Aram fallen.

„Ich denke, Ihr wisst, wieso ich Euch hergebeten habe, deswegen will ich auch ohne viele Umschweife beginnen.“

Ein sanftes Lächeln begleitete den erhabenen Ton des jungen Mannes.

Entschluss

Den freundlichen Blick seines Gegenübers mit einem zaghaften Lächeln erwidernd, nippte Aram kurz an seinem Tee, nur um ihn als noch zu heiß einzustufen und ihn wieder abzusetzen.

„Ihr habt meine vollste Aufmerksamkeit, also fahrt nur fort.“

Mit einem Nicken gab er sein Okay und lehnte sich zurück.

„Wie Ihr bereits wisst, ist mein Name Aaron Arvid. Ich habe vorhin Euer entsetztes Gesicht gesehen als Matthew mich angesprochen hat. Dazu muss ich sagen, er übertreibt gerne, was meinen Titel anbelangt, ich bin nicht wirklich ein Lord. Lediglich der Sohn des Anführers unseres Kultes, den ich auch in meinem Brief an Euch erwähnt habe.“

„Mors Aurum, ich erinnere mich.“

„Exakt. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Aura zu verstehen und zu erforschen. Das Buch, welches Ihr bei Euch hattet, war eines der ersten Schriftstücke überhaupt und geht daher nicht sehr detailliert in die Tiefe der Materie ein, beschreibt jedoch ziemlich passabel die allgemeinen Grundkenntnisse und gerade für einen Mann nicht vom Fach dürfte es kein Leichtes sein, diesen Text zu verstehen. So beeindruckter bin ich, dass Ihr es scheinbar ohne Probleme geschafft und sogar eigene Ideen eingebracht habt. Wir könnten jemanden mit Eurem Engagement, jemanden, der von der Wichtigkeit dieses Unterfangens weiß und unsere Forschungen vorantreibt, gut gebrauchen.“

„Die Wichtigkeit dieses Unterfangens? Wenn Ihr mich fragt, klingt das nach mehr als nur der Erforschung eines Aspektes des Daseins, von dem niemand weiß.“

„Da habt Ihr nicht ganz Unrecht, tatsächlich deckt die Forschung nur einen Teil unseres Tuns ab. Die anderen Bereiche betreffen eher den zwischenmenschlichen Aspekt, Beaufsichtigung und Schutz.“

Ein beinahe spöttisches Lachen drang über Arams Lippen.

„Beaufsichtigung ist wirklich eine schöne Umschreibung dafür, unschuldigen Menschen aufgrund einer Fähigkeit nachzustellen und ihnen das Leben zu nehmen.“

Kurz über den Hohn in Arams Stimme erstaunt, weiteten sich die Augen seines Gegenübers, gefolgt von einem fast schon beschämten Lächeln.

„Ich merke schon, Euch kann man nichts vormachen. Dann will ich ab jetzt ehrlich zu Euch sein. Ja, der Kult verfolgt Auranutzer und beseitigt diese, falls es sich als notwendig erweist.“

Der Spott war nun aus Arams Gesicht gewichen und Zorn erfüllte seine Stimme.

„Und in welcher Hinsicht erwies es sich als notwendig Anthony Cambell zu beseitigen?“

„Was ihn betrifft, hat er schlicht zu viel Aufsehen erregt.“

„Was meint Ihr damit?“

„Er hat Euch scheinbar nicht erzählt, wie er von seiner Fähigkeit erfahren hat, nicht wahr?“

Unsicherheit schlich sich in die Miene des Angesprochenen und fragend sah er zu Aaron, der nach einer kurzen Pause fortfuhr.

„Einige Tage bevor er auf Euch zutrat, hielt er sich noch spät nachts in einem Pub auf. Euer Freund schien nicht von der diskretesten Sorte zu sein und verwickelte sich in eine Prügelei mit drei Männern. Da er allein war, unterlag er relativ schnell, die drei ließen aber nicht von ihm ab. Kurz bevor er zu Boden ging, aktivierte sich die Aurafähigkeit zu seinem eigenen Schutz, verletzte jedoch dabei einen der Kerle schwer und verängstigte nicht nur die anderen beiden, sondern auch umstehende Zivilisten. Er flüchtete, wurde aber von unseren Männern einige Straßen weiter abgefangen und hergebracht, während ein paar andere das Chaos beseitigten, das er hinterlassen hatte. Ich sprach mit ihm und forderte ihn auf, die Benutzung in Zukunft zu unterlassen, da wir sonst weitere Schritte einleiten müssten. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht damit gerechnet, dass er meine Warnung ignoriert und dann auch noch einen so fähigen Mann um Hilfe bittet. Dennoch, er hat allein in wenigen Tagen mehrfach gegen meine Aufforderung verstoßen und stellte somit eine Gefahr für die Bevölkerung dar, daher mussten wir eingreifen.“

„Laut dieser Logik müssten dann alle Menschen umgebracht werden, da jeder irgendwann eine potenzielle Gefahr darstellt.“

„Das mag so vielleicht richtig sein, doch ist der Grad der Gefahr ein ausschlaggebender Punkt. Stellt Euch doch folgendes Szenario vor: Ein Mann, vielleicht sogar bewaffnet, dringt in einen Hörsaal ein. Wie viele Personen wird er wohl umbringen, bis er von einem der Studenten, Lehrkräfte oder der Polizei überwältigt wird? Was, wenn dieser Mann aber ein Auranutzer ist? Er könnte mit nur einer Handbewegung die Auren aller Anwesenden erstarren lassen, sie mit einer zweiten auf einen Schlag umbringen. Weder die Polizei, noch irgendwer sonst hätte auch nur die geringste Chance, ihn an seinen Taten zu hindern. Und selbst in einer Situation wie der von Mr. Cambell, in der die Aura durch Furcht als Schutzmechanismus dient, kann es unzählige Menschenleben kosten und eine Massenpanik auslösen.“

„Das meint Ihr doch nicht ernst, oder? Einen Unschuldigen grundlos opfern, nur um im gegebenen Falle vielleicht Menschen beschützt zu haben? Das ist die beste Lösung, die euch eingefallen ist? Auranutzer kennt man bestimmt nicht erst seit einigen Tagen, wieso hat man nie versucht, sie einzugliedern, den normalen Menschen zu erklären, dass diese Gabe existiert und den Nutzern gezeigt, wie sie ihre Aura unter Kontrolle halten und für gute Zwecke benutzen?“

„Nicht jeder ist wie Ihr, Mr. Sheppard. Ihr habt eine sehr moderne Ansicht, doch ist der Großteil der Welt noch nicht bereit dazu, zu erfahren, dass es Mächte gibt, fern von ihrer Vorstellungskraft. Misstrauen und Angst würde diese Welt beherrschen und ja, in diesem Fall opfere ich lieber einen Unschuldigen als die gesamte Welt in Gefahr zu bringen.“

Ein argwöhnisches Schnauben trat aus Aram, welches Aaron augenblicklich verstummen ließ. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit brach er das angespannte Schweigen.

„Falls Ihr erlaubt, ich würde Euch gerne etwas zeigen.“

Mit diesen Worten erhob er sich aus seinem Sessel, stellte sich wartend neben diesen und wurde dabei vom misstrauischen Blick Arams verfolgt. Diesem wich Unsicherheit, als der junge Mann nur mit den Fingern schnipsen musste, um ein menschenhohes Portal neben sich zu erschaffen. Einige Sekunden starrte Aram in das helle Licht, bevor er sich schwer schluckend an den Mann daneben wandte.

„Ach, und davor muss man niemanden beschützen?“

Diese Frage entlockte Aarons freundlicher Miene ein sanftes Seufzen.

„Rein theoretisch gesehen in dieser Welt vielleicht, jedoch gibt es genug Maßnahmen und Personen, die eine kontrollierte Benutzung von Magie festlegen und deren Missbrauch bestrafen. Darf ich nun bitten?“

Seine erhobene Hand deutete auf das Portal und forderte Aram damit auf, hindurchzuschreiten. Dieser richtete sich zwar auf, blieb jedoch neben Aaron vor dem Portal stehen.

„Verzeiht meine Skepsis aber ich trete für gewöhnlich nicht in die leuchtenden Portale derer, die meine Freunde auf dem Gewissen haben.“

Ein kurzes Lachen entglitt Aarons Kehle und folgte sogleich der unterschwelligen Aufforderung des anderen und trat näher auf das Portal zu.

„Man kann es Euch wohl kaum verübeln. Folgt mir.“

Damit schritt er nun auf das Portal zu und verschwand im gleißenden Licht. Aram, der das ganze ungläubig mit ansah, stieß ein lautes Seufzen aus.

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, nicht wahr? Na dann, wird schon klappen.“
 

Als er die Augen langsam wieder öffnete, erblickte er zuerst den lächelnden Aaron vor sich, gefolgt von dem Raum in dem sie sich nun befanden, der ebenso geschmackvoll eingerichtet war, wie das Büro auf der anderen Seite des Portals. Doch noch bevor er sich wirklich umsehen konnte, zog die Aussicht, die sich vor ihm erstreckte, seine komplette Aufmerksamkeit auf sich. Mit staunender Miene trat er durch die geöffnete Balkontür und ließ seinen Blick über den Horizont schweifen. Eine Stadt, größer noch als London befand sich rings um ihn und riesige Häuser ragten in die Höhe, doch war dieser Anblick nichts im Vergleich dessen, was sich hinter all den Gebäuden befand. Eine gigantische Kristallwand umschloss die Stadt. Bestimmt einige Meter dick und höher als jedes der Gebäude erstreckte sie sich weit in den Himmel. Fast wie eine riesige Welle schien sie, mit ihrer türkisen Farbe und dem Funkeln, das dort entstand wo die Sonnenstrahlen die Oberfläche berührten. Aaron, der sich mittlerweile neben Aram gestellt hatte, gab ihm noch einige Momente, bevor er wieder das Wort ergriff.

„Dieser Kristall ist das Werk eines einzigen Auranutzers. Seine gesamte Aura, kristallisiert an Ort und Stelle und das vor Hunderten von Jahren. Das ist die Macht, vor der wir die Menschen beschützen müssen.“

Überrascht über den wehmütigen Klang Aarons Stimme, wandte sich Aram ihm zu, als dieser kehrt machte und wieder in den Raum schlenderte. Dem Kristall noch einen flüchtigen Blick zuwerfend, folgte ihm Aram gemächlich und horchte seinen Worten.

„Eines Tages werde ich diesen Kult anführen. Dann liegt es an mir, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten und zu verhindern, dass sich ein solches Szenario wiederholt. Und dabei hätte ich Euch gerne an meiner Seite.“

„Wieso mich?“

„Ihr seid intelligent, wissensdurstig und habt eine gewisse Leidenschaft für Aura entwickelt, die gerade in der Forschungsabteilung unabdingbar ist. Aber was mir am wichtigsten ist, ist die Tatsache, dass Ihr kein Kultist seid. Eure Ansichten sind ungetrübt und menschlich, Ihr wurdet nicht zur Beseitigung einer Rasse erzogen und habt noch Ideale fern von Vernichtung. Ich will das Fundament des Kultes neu auflegen, das Blutbad beenden. Es muss bessere und vertretbarere Wege geben, ihnen Einhalt zu gebieten, ohne dass Unschuldige beider Seiten geopfert werden. Nur um so etwas zu erreichen braucht es mehr als nur die Idee eines Jugendlichen. Man braucht den Beweis, dass es machbar ist, auch nach Jahrhunderten einen neuen Weg einzuschlagen und genau dafür benötige ich Euch. Wie also lautet Eure Antwort?“

Stille brach aus. Aram, der bis zum Schluss stumm gelauscht hatte, versuchte das Gehörte zu verarbeiten und sich sein eigenes Urteil zu bilden. Den Blick ließ er dabei über all das schweifen, was ihm bei seiner Entscheidung unterstützen könnte und blieb schlussendlich auf Aarons erwartungsvollen Blick ruhen.

„Ich mache es.“

Freudig erhellte sich der Gesichtsausdruck des jüngeren, der auch schon etwas erwidern wollte, jedoch von Arams erhobenen Finger noch beim Luftholen gestoppt wurde.

„Die Konditionen bestimme aber ich. Wie Ihr schon sagtet, ich bin keiner von euch und meine Ansichten werden vermutlich viele vor den Kopf stoßen, da will ich zumindest ausreichend abgesichert sein.“

„Natürlich.“

Ein breites Lächeln strahlte Aram entgegen, als sie sich erneut gegenüber saßen und die Details rund um Arams Beitritt besprachen.

Abschied

Einige Stunden waren mittlerweile vergangen und noch immer etwas durch den Wind schlenderte Aram zurück zur Universität. In seiner Manteltasche befand sich die Kopie des vorläufigen Vertrags sowie etwas, das Aaron als ‚Handy‘ bezeichnet hatte. Ganz schlau war er zwar nicht aus seiner Erklärung geworden, doch schien dieses Gerät eine Mischung aus Telefon, Schreibmaschine und Telegramm zu sein. 'Meldet Euch bei mir, wenn Ihr wisst, wann ich Euch abholen soll, die Nummer ist unter Aaron eingespeichert', waren seine Worte, als er es ihm in die Hand gedrückt hatte. Nun musste er nur noch herausfinden, wie diese Gerätschaft funktionierte.

„MISTER SHEPPARD!“

Kaum hatte er das Eingangstor durchquert, trat der aufgebrachte Schrei des Direktors an sein Ohr, welcher ihn erschrocken zusammenzucken ließ und das Gesicht fluchend verziehen. Sämtliche Augen waren nun auf ihn gerichtet, als der Direktor fortfuhr und wutentbrannt davon stampfte.

„In mein Büro, sofort!“

Seufzend beschleunigte Aram sein Schritttempo und folgte dem wütenden Mann mit einigen Metern Abstand zu ihm. Kaum hatten sie das Büro betreten und die Tür geschlossen richtete sich der ältere auch schon wieder Aram zu.

„Könnt Ihr mir verraten, was das heute sollte?“

Mit komplett rot angelaufenem Gesicht schrie der Mann Aram entgegen und funkelte böse zu diesem hinauf.

„Wie ich bereits Mr. Parker sagte, hatte ich einen Termin.“

Ein Schlag mit der geballten Faust gegen die Tischplatte ließ Aram erneut zusammenzucken.

„Mr. Parker hat Euch jedoch nicht entbunden, er hat Euch sogar aufgefordert Euch zu setzen, doch Ihr seid dennoch aufgebrochen.“

„Es handelte sich um einen wirklich wichtigen Termin.“

„Wichtiger als Eure Karriere? Die habt Ihr beim Verlassen des Hörsaals nämlich zurückgelassen!“

Schnell stapfte er hinter seinen Schreibtisch und zog ein Dokument hervor, auf dem er sofort hastig zu schreiben begann, während Aram ihn nur stumm beobachtete.

„Wir hatten eine Abmachung, Mr. Sheppard. Nach der Beerdigung Eures Freundes besucht Ihr wieder jede Vorlesung, ansonsten gäbe es Konsequenzen für Euch und diese treten nun in Kraft.“

Mit dem edlen Füller setzte er die königsblaue Unterschrift unter das Dokument.

„Hiermit verweise Ich Euch der Universität von Oxford. Das Zimmer ist bis morgen zwölf Uhr zu räumen. “

Durchdringend sah er zu Aram auf, als er ihm den Durchschlag reichte und blickte nur in einen ruhigen Gesichtsausdruck.

„Selbst jetzt keine Gemütsregung obwohl Ihr Eure Zukunft verloren habt?“

Gelassen griff der jüngere nach dem Dokument und las es sich flüchtig durch.

„So würde ich es nicht nennen, ich habe lediglich meine Zukunft geändert.“

Bostwicks fragenden Blick bemerkend, hob sich einer seiner Mundwinkel.

„Wie ich bereits sagte, es war ein wichtiger Termin.“

Damit war für Aram das Gespräch beendet und er machte auf dem Absatz kehrt. Vor der Tür drehte er sich dennoch noch einmal zum Direktor um.

„Ich bedanke mich trotz allem dafür, dass ich die Chance hatte, mein Studium hier zu beginnen und hoffe, Euch nicht zu viele Nerven gekostet zu haben.“

Mit diesen Worten drehte er sich erneut um, trat aus der Türe und ließ einen perplex wirkenden Direktor zurück. Da sich das Szenario vom Morgen und auch das von vorhin wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, fielen unzählige Blicke auf ihn und er war der Mittelpunkt so einiger Gespräche und kurz bevor er sein Zimmer erreichte, wurde er von einem Kollegen aus seinen Diagnostikvorlesungen abgefangen. Freundschaftlich warf dieser den Arm über Arams Schulter und neigte sich breit grinsend zu ihm hinauf.

„Hey Aram, du hättest Parkers Gesicht sehen müssen, als du gegangen bist.“

„Hätte ich das?“

„Oh ja, es war einfach göttlich. So wütend habe ich den noch nie gesehen. Hätte nicht gedacht, dass unser 1A-Streber so ein Draufgänger sein kann.“

„Tja, du weißt so manches nicht.“

Er setzte sich wieder in Bewegung und stieß den Arm, der noch immer auf Arams Schulter ruhte, mit seiner Hand hinunter.

„Tz. Was auch immer. Hey, was ist das denn?“

Zu schnell, als dass sich Aram noch rechtzeitig dagegen wehren konnte, zog der junge Mann ihm den Zettel aus der Hand.

„Ein Verweis?“

Ungläubig beäugte er das Dokument vor sich, bis Aram es wieder an sich nahm.

„Ja, ein Verweis. Ab morgen seid ihr euren 1A-Streber endgültig los.“

„Ha! Der große Aram Sheppard wird von einer Elite-Uni verwiesen. Na, geht’s zurück nach Hause? Ich hoffe deine Eltern sind genauso leichtfertig wie du, mit so einer Schmach dürfte ich nicht wieder bei ihnen auftauchen.“

„Keine Sorge, ich habe etwas anderes geplant. Wenn du mich nun entschuldigst, ich habe zu tun.“

Mit diesen Worten öffnete er die Zimmertür und trat so schnell ein, dass der andere nicht mehr die Chance hatte, etwas zu erwidern.

„Wie ich ihn hasse…“

Seufzend ließ er sich aufs Bett fallen.

„Aber er hat Recht. Meine Eltern werden den Verweis zugeschickt bekommen und das wird ihnen nicht gefallen, Vater zumindest nicht. Eine Schande für die Familie.

Beim letzten Satz machte er seinen Vater ziemlich gekonnt nach, seufzte schwer und richtete sich dann auf um sich an den Schreibtisch zu setzen. Mit seinem Füller in der Hand schnappte er sich einen Briefbogen. Es dauerte etwa vier Stunden und 17 Versuche, bis er den Brief so formuliert hatte, wie er es in dieser Situation für richtig hielt. Er steckte ihn in ein Kuvert und legte ihn gut sichtbar auf den Schreibtisch, damit er ihn am nächsten Tag nicht vergessen konnte und machte sich daraufhin ans Packen. Zwei Jahre hatte er nun hier in diesem Zimmer verbracht, doch viele Erinnerungen hatten sich in der Zeit nicht angesammelt. Wehmütig ließ er seinen Blick durch das Zimmer wandern, vorbei an seinen Büchern, diversen Habseligkeiten und den vielen Ordnern mit seinen Arbeiten und Notizen. Gemächlich schritt er auf seinen Schrank zu, streckte sich so hoch er konnte und zog den Koffer, den er gerade noch so erhaschen konnte, von dessen Oberseite hinunter. Nur ein Blick in diesen genügte, um zu sehen, dass selbst die wenigen Eigentume Arams kaum alle Platz darin finden würden, also breitete er erst einmal alles auf dem Bett aus um es anschließen der Wichtigkeit nach in den Koffer zu packen. Als er fertig war, lagen auf dem Bett nur noch diverse Fachbücher, verschlissene Krimis, alte Kleidung und alle Ordner außer einen, in den er sämtliche Dokumente und Notizen eingeheftet hatte, die ihm auch weiterhin als nützlich erschienen. Am Boden im Schneidersitz sitzend heftete Aram gerade noch die Seiten seiner Auranotizen ein, als ihm der Vertrag in seinem Mantel einfiel. Sich lang machend streckte er sich zu diesem hinüber, der über die Stuhllehne gelegt war und zog ihn zu sich. Sowie er von der Lehne rutschte, fiel er mit einem dumpfen Geräusch zu Boden.

„Hm?“

Fragend tastete er den Mantel ab und blieb bei seiner rechten Manteltasche schlagartig stehen.

„Oh.“

Er zog den sich darin befindenden Vertrag heraus, gefolgt von einem schwarzen, dünnen Gerät.

„Verflucht, das habe ich komplett vergessen.“

Unsicher wanderte sein Blick zum Fenster hinaus, hinter dem sich bereits der Nachthimmel erstreckte. Bei diesem Anblick strich er sich seufzend die vereinzelten hinunterfallenden Haare zurück, welche jedoch sofort wieder nach vorne fielen und ihm ein sehr viel jüngeres und ungezwungeneres Aussehen gaben.

„Ob er noch erreichbar ist?“

Fragend drückte Aram den einzigen Knopf auf der Oberseite und erschrak als ihn das Gerät daraufhin hell anleuchtete. Nach wenigen Sekunden wurde es jedoch wieder schwarz. Interessiert musterte der junge Mann das Handy und drückte erneut auf den Knopf um es sich genauer anzusehen. Dabei fielen ihm die Worte ‚Wischen zum Entsperren‘ ins Auge und der leicht an Wasser erinnernde Effekt der Oberfläche.

„Wischen?“

Nachdenklich legte er den Kopf schief und berührte das kalte Glas mit dem Finger, woraufhin ein weiterer Effekt entstand. Überrascht zog er ihn wieder zurück, was ein erneutes schwarzes Bild zur Folge hatte.

„Nein, bleib doch an. Dummes Teil.“

Ein Druck auf den Knopf, dieses Mal auch wirklich ein, wenn auch sehr zaghaftes, Wischen und die Anzeige veränderte sich zu der, wie sie auch bei Aaron aussah, als dieser ihm das Gröbste erklärt hatte.

„Wenn ich den Telefonhörer berühre, sollte ich dann also Anrufe tätigen können.“

Noch immer zaghaft drückte er darauf und laut der neuen Anzeige wurden ihm nun Kontakte angezeigt. Aaron befand sich zu Arams Glück gleich darunter und erleichtert wischte er von links nach rechts über den Namen, so, wie Aaron es ihm gezeigt hatte. Als das ferne Wählgeräusch ertönte, legte er das Handy an sein Ohr und wartete geduldig.

„Aram? So spät habe ich nicht mehr mit einem Anruf gerechnet. Bitte sagt mir, dass Ihr nicht seit Stunden versucht mich anzurufen.“

„Äh, hallo. Nein, aber vermutlich länger als es dauern sollte. Ihr müsst mir unbedingt erklären wie dieses Gerät funktioniert, sonst werfe ich es in den Müll.“

Ein Kichern drang aus der Leitung.

„Kann ich gerne machen, aber bitte werft es nicht in den Müll. Da Ihr anruft vermute ich, dass Ihr einen Abreisetag geplant habt?“

„Morgen um zwölf.“

„Morgen? Ich dachte, Ihr wolltet länger bleiben?“

„Diese Auswahl stand nicht mehr zur Debatte, als ich den Verweis in die Hand gedrückt bekommen habe.“

„Den Verweis? Sie haben Euch wirklich verwiesen?“

„Haben sie. Aber die Umstände sind jetzt nicht bedeutend, ich werde morgen zu Euch kommen.“

„Verstanden, ich werde einen Wagen schicken.“

„Ich brauche keinen Wagen für einen Koffer.“

„Vertraut mir, Ihr werdet ihn gebrauchen können. Dann bis morgen.“

„Bis morgen.“

Eine kurze Pause trat ein bevor Aaron mit einem schelmischen Unterton eine Frage stellte.

„Wisst Ihr wie Ihr auflegen müsst?“

Etwas verlegen blickte Aram umher und ein erneutes Schweigen breitete sich aus.

„Nein.“

Lautes Lachen ertönte aus dem Lautsprecher und dauerte einige Momente an, bis sich Aaron wieder gefangen hatte.

„Ist in Ordnung, ich lege auf, dann müsst Ihr nichts weiter tun. Bis morgen, Aram.“

Mit diesen Worten legte er auch schon auf und ein Ton signalisierte dass der Anruf beendet wurde. Seufzend legte Aram das Handy zur Seite, heftete nun wirklich den Vertrag ein und schloss den Ordner sowie den Koffer und ließ sich selbst aufs Bett fallen, nachdem er das Chaos darauf auf den Schreibtisch verlegt hatte. Er schloss die Augen, als ihm ein Gedanke in den Kopf schoss und sich sein Mund zu einem gezwungenen Grinsen formte.

„Das hat Aaron wirklich gut eingefädelt. Sage ich ja, klappt alles wie am Schnürchen. Wenn ich nein gesagt hätte, würde ich jetzt mit einem Uni-Verweis und gepacktem Koffer hier liegen und mir wünschen ich hätte ja gesagt, damit meine Zukunft nicht komplett verloren wäre und ich meinen Eltern nicht vor die Augen treten müsste.“

Ein belächelndes Auflachen erklang.

„Er ist wirklich ausgefuchster als er aussieht.“
 

Am nächsten Morgen öffnete Aram ziemlich schlaftrunken die Augen und zwinkerte erst einmal eine Weile, bis er sich an die Sonne gewöhnt hatte, die fröhlich ins Zimmer schien. In der vergangenen Nacht war er noch mehrere Stunden wach gelegen, weil er noch viel zu nervös war um ein Auge zuzumachen. Raunend drehte er sich zur Seite und bemerkte den leeren Platz, wo eigentlich sein Wecker stand, doch der ruhte bereits im Koffer. Er senkte den Blick und sah das Handy, das noch immer am Boden lag und streckte sich zu ihm. Laut der Anzeige darauf war es viertel vor neun und so blieben Aram noch knapp 3 Stunden um sich auf die Abreise vorzubereiten. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und nachdem er noch eine Weile dagelegen war, rappelte er sich auf und schritt ins Badezimmer. Nach etwa einer halben Stunde betrat er wieder sein Zimmer und trocknete sich seine Haare fertig ab, bevor er sie mit etwas Gel legerer als sonst nach hinten stylte. Seine Kleidung hatte er gestern schon vor dem Packen herausgelegt, die er nun gemächlich anlegte. Den Rest der Zeit verbrachte er damit, in die Leere zu starren und darauf zu warten, dass die Zeit verging. Als es schließlich zwölf wurde, warf er sich seinen Mantel über, steckte das Handy sowie den Brief für seine Eltern ein und umschloss den Griff des Koffers. Mit einem Ruck hob er ihn an und verließ nun zum letzten Mal dieses Zimmer.

Am Flur und auch in der Aula befanden sich eine Vielzahl Studenten, die hier gerade ihre Mittagspause verbrachten. Einige warfen fragende Blicke auf Aram und dessen Koffer, während er recht zügig an ihnen vorbei zur Eingangstür begab. Lange musste er nicht warten, denn fast im selben Moment konnte man das Geräusch eines brummenden Motors vernehmen. Ungläubig drehten sich alle Köpfe, Arams natürlich nicht ausgeschlossen, zu der Limousine um, die ohne weiteres durch die Einfahrt kam und vor dem Eingang des Wohnheimes zum Stehen kam. Als das Geräusch des Motors verklang, öffnete sich die Fahrertür und ein im Anzug gekleideter Mann erhob sich und öffnete die rechts liegende Hintertür, aus der Aaron trat und Aram ein breites Grinsen schenkte. Dieser schenkte ihm wiederum nur ein stummes Seufzen, ehe ihm der Koffer von dem älteren Mann abgenommen wurde.

„Vielen Dank.“

Er verstaute ihn im Kofferraum und trat daraufhin wieder zu seiner Fahrertür, vor der er scheinbar auf die nächste Anweisung wartete.

„Und? Bereit, Mr. Sheppard?“

Aaron, der sich am Autodach angelehnt hatte und darüber hinweg zu Aram schaute, genoss die neugierigen Blicke, die auf ihn gerichtet waren sichtlich, ganz im Gegenteil zu Aram, der beim Klang seines Namens leicht errötete. Um es sich nicht anmerken zu lassen, setzte er ebenfalls ein Grinsen auf und nahm eine aufrechtere Haltung ein.

„Natürlich, Lord Arvid.“

Kaum war das Wort Lord gefallen, ging ein Jauchzen durch die Menge, die sich inzwischen gesammelt hatte in der sich auch der Direktor befand, der von allen wohl am geschocktesten aussah. Wie aufs Stichwort trat der Chauffeur an die zu Aram gerichtete Hintertür und hielt sie für ihn auf, während er ins Auto stieg. Auch Aaron nahm wieder Platz und beäugte Aram interessiert, bis sich dieser ihm zuwandte und seinen Blick erwiderte.

„Wohin fahren wir jetzt, dass wir unbedingt ein Auto brauchen?“

„Nach London.“

London

Mittlerweile hatte sich auch der dritte Mann gesetzt und nach kurzem Justieren der Spiegel, heulte auch schon der Motor auf und die Limousine setzte sich in Bewegung.

Als Aram den Namen seiner Heimatstadt vernahm, weiteten sich seine Augen und er starrte Aaron fragend an.

„Wieso denn nach London?“

„Weil dort unser britischer Hauptsitz liegt und ich in der Stadt einige Dinge erledigen muss. Und ich dachte Ihr kommt lieber mit mir, als alleine mit fremden Kultisten im Labor zu sitzen.“

Nach kurzem Überlegen nickte Aram mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen.

„Da habt Ihr Recht. Allerdings… wenn das hier nur eine Zweigstelle war, würde ein Hauptsitz in solchen Dimensionen mitten in London nicht auffallen?“

„Nicht, wenn man weiß, wo man ihn bauen muss.“

Verwirrt sah Aram zu seinem breit grinsenden Nachbarn hinüber und überlegte, welchen Ort er denn meinen könnte.

„Ich denke nicht, dass Ihr darauf kommen werdet, Ihr seht es dann schon selbst.“

Mit einem Nicken stimmte Aram zu, wandte sich dann aber auch schon dem Fenster zu und beobachtete die vorbeilaufende Landschaft.

Eine ganze Weile saßen sie still nebeneinander. Aram, der sich erst mit der neuen Situation zurechtfinden musste und Aaron, der verstehen konnte, was in seinem neuen Kollegen vorgehen musste und ihm daher etwas Ruhe gönnte.

„Mr. Arvid?“

Der ebenfalls in Gedanken versunkene junge Mann sah leicht überrascht von seinem Handy auf und verzog den Mund in eine widerwillige Miene.

„Nennt mich bitte einfach beim Vornamen und belassen wir es beim Du. Ich bin wirklich kein Freund dieser Formalitäten.“

Ein wenig belustigt über die doch recht ungewöhnliche Bitte schmunzelte Aram den jüngeren an.

„Dann seid Ihr in der falschen Zeit gelandet. Aber gut. Aaron, woher kommst du?“

Sich noch an das ungewohnte duzen gewöhnen müssend, blickte er in das fragende Gesicht Aarons.

„Was genau meinst du?“

„Woher du kommst. Zuerst dachte ich einfach, du bist kein Brite, aber das Gebäude war viel zu modern, ihr hattet einen Fahrstuhl, der auf keinen Fall so funktioniert wie alle anderen die ich jemals gesehen habe und diese ‚Handys‘ gehören wohl auch nicht diesem Zeitalter an. Mal von deinem … Portal ganz zu schweigen.“

Interessiert lauschte Aaron der Erklärung des Rothaarigen und kam nicht Drumherum, ihn noch ein wenig zu testen.

„Was vermutest du denn?“

„Meine erste Vermutung wäre die Zukunft, aber eigentlich bezweifle ich, dass es Zeitmaschinen gibt.

„Kein schlechter Anfang aber was, wenn ich nicht durch die Zeit sondern den Raum wandere?“

„Das würde keinen Sinn ergeben, auf der Welt herrscht überall dasselbe Zeitalter. Es sei denn…“

Arams Augen weiteten unter Schock, als er die letzten Worte hauchend aussprach.

„diese Welt ist nicht die einzige.“

Das immer breiter werdende Grinsen Aarons wurde zu einem fast schon begeisterten Lachen.

„Ha, du bist wirklich gut. Und ausgesprochen locker wenn man bedenkt, dass …“

„… ich gerade neben einem Außerirdischen sitze.“

Ein unsicherer Gesichtsausdruck starrte nun Aaron an, dessen Satz jeher von ihm, wenn auch nicht so wie geplant, beendet wurde.

„So kann man es natürlich auch nennen, wobei ich dem Bild eines Außerirdischen wohl nicht ganz gerecht werde, oder?“

„Also, wenn du so fragst, …“

„Wage es nicht!“

Ein strafender Blick traf Aram, der daraufhin in kurzes Gelächter ausbrach, aber schnell wieder seine gewohnte Höflichkeit an den Tag legte.

„Verzeih, es war einfach zu verlockend.“

Seufzend entspannte nun auch Aaron seine Miene und setzte ein schiefes Grinsen auf.

„War es wohl. Um zu deiner ursprünglichen Frage zurückzukommen, ich komme aus Eden, der Welt mit der riesigen Kristallmauer, die ich dir bereits gezeigt habe. Mehr musst du vorerst aber gar nicht wissen.“

Aram warf seinem Gesprächspartner einen fragenden und unzufriedenen Blick zu, musste sich aber den entschlossenen Augen, die ihm entgegenfunkelten, geschlagen geben und wandte sich wieder dem Fenster zu. Am Horizont vor ihnen waren schon die ersten Gebäude der Großstadt zu erkennen und das mulmige Gefühl in Arams Magengegend breitete sich unaufhörlich aus.

„Aufgeregt, hm?“

Die klopfende Berührung von Aarons Hand auf seiner Schulter, ließ ihn leicht zusammenzucken, ehe er seinen Kopf mit einem Seufzen nach hinten auf die Lehne fallen ließ.

„Die ersten Tage sind immer die schlimmsten, danach gewöhnst du dich schon daran.“
 

Nachdem einige Zeit vergangen war, in der erneut Stille im Fahrzeug geherrscht hatte, erreichten sie den Stadtrand Londons und durchquerten die Straßen immer weiter ins Innere der Stadt hinein. Je weiter sie vorankamen, desto neugieriger lugte der immer noch zurückgelehnte Rotschopf am Fahrer vor sich vorbei, um einen guten Blick auf die Straße zu erhaschen. Noch kannte er die Umgebung wie seine Westentasche und ihm wollte kein Gebäude einfallen, welches als Hauptsitz benutzt werden konnte. In Gedanken zählte er alle größeren Gebäude auf, stoppte jedoch abrupt, als hätte ihn etwas ganz plötzlich abgelenkt. Da er sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, wo er stehengeblieben war, richtete er seinen Blick wieder nach draußen und wurde beim Anblick der ihm geboten wurde stutzig. Perplex sah er sich um, doch egal wie sehr er die Häuser musterte, er erkannte diesen Stadtteil einfach nicht.

Vor einem größeren Wohnhaus kam der Wagen schließlich zum Stehen. Der Fahrer stieg gleich darauf auch schon aus und öffnete Arams Tür, noch bevor dieser selbst seine Hand zum Hebel bewegen konnte.

„Vielen Dank.“

Aaron war unterdessen ebenfalls ausgestiegen und wandte sich nun an den Chauffeur.

„Nigel, bringt bitte den Koffer von Mr. Sheppard schon einmal nach oben.“

„Natürlich.“

Damit verbeugte er sich vor dem noch immer perplex wirkenden Briten und machte sich auf, der Bitte Folge zu leisten und stapfte mit dem Koffer im Arm in das Haus.

„Aaron, wo sind wir?“

Aram, der mittlerweile den Versuch aufgegeben hatte herauszufinden wo er sich nun befand, blickte fragend in das Gesicht neben sich.

„Inmitten von London. Komm mit, ich zeig’s dir.“

Damit lief auch er, gefolgt von Aram in das Foyer des Hauses und nach hinten zu den Fahrstühlen, denen zweiterer einen misstrauischen Blick zuwarf, der Aaron nicht verborgen blieb.

„Willst du lieber gehen?“

Er deutete auf das Treppenhaus neben den Aufzügen.

„Wir müssen aber ins 12. Stockwerk.“

Aram, der schon auf die Treppen zugesteuert war, hielt für eine Sekunde inne, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und auf Aaron zu trottete.

„Ich denke, da fahre ich dann doch lieber.“

„Dachte ich mir.“

Ein Schmunzeln trat auf Aarons Lippen, doch sogleich ertönte ein kurzes Klingeln und die Türen vor den beiden öffneten sich. Sie traten ein, die Türen schlossen sich wieder und schnell waren sie im obersten Stock angelangt. Als sich die Türe öffnete, befanden sie sich nicht wie gewohnt in einem Flur, sondern beinahe direkt in der Wohnung, nur ein kurzer Weg und eine schwere Tür trennten den Fahrstuhl und das Appartement. Aaron trat zuerst aus dem Aufzug und hielt Aram die Tür zu seiner neuen Wohnung auf. Zuerst noch etwas skeptisch, schritt er langsam ein, doch weiteten sich seine Augen beim Anblick des Inneren vor Staunen. Ein riesiger offener Raum empfing ihn, durch die großen Fenster war das Appartement hell erleuchtet vom Tageslicht und bei dieser Aussicht über ganz London würde so mancher neidisch werden.

„Und, wie gefällt es dir?“

„Es ist traumhaft.“

Stolz über seine Entscheidung, Aram diese Wohnung zu überlassen, trat er an diesen heran.

„Ich dachte mir schon, dass sie dir gefallen wird. Und? Wenn du hinaus siehst, erkennst du wo wir sind?“

Neugierig näherte sich der junge Mann dem Fenster vor sich und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen, während er vor sich her murmelte.

„Da vorne ist der Trafalgar Square… und dort der Leicester Square… Rein von der Entfernung sollten wir bei der Oper sein, die gerade gebaut wird.“

Ein Seufzen ausstoßend richtete er sich an den Mann neben sich.

„Das ergibt keinen Sinn, ich kenne die Gegend, aber so ein riesiges Haus wäre mir doch aufgefallen, genauso wie jedem anderen da draußen.“

„Nicht wenn es nicht gesehen werden will. Was, wenn sich Straßen vor den Blicken unwissender verbergen. Passanten, die die Straße queren, ohne zu wissen dass sie da ist. Du warst ziemlich in Gedanken als wir hier eingebogen sind.“

Stutzig über die Worte des jüngeren, erinnerte er sich an vorhin.

„Ja, ich bin alle möglichen Gebäude durchgegangen, die als Hauptsitz dienen könnten.“

„Und?“

„Ich bin nicht fertig geworden, weil ich unterbrochen wurde.“

„Von was?“

Nach dieser Frage wurde Arams Blick noch perplexer. Nicht nur deswegen, weil diese Frage an sich schon etwas skurril war, sondern weil er selbst nach längerem Grübeln die Antwort nicht kannte.

„Von .. ich weiß es nicht. Da war nichts, ich wusste einfach nicht mehr, wo ich war.“

„Und genau daran erkennt man diese Orte. Ein Teil von London, so unscheinbar, dass du nicht auch nur einen Gedanken daran verschwendest, ihn einfach ausblendest. Dann kannst du dir sicher sein, dass du auf einer Trap Street stehst.“

„Trap Street? So, wie die Plagiatsfallen in Landkarten?“

„Exakt. Der Name kommt wohl daher und weil viele echte Straßen als solche Plagiatsfallen in Karten angesehen werden, da sie niemand findet.“

Den Kopf schief legend und mit einer Hand am Kinn, dachte Aram an etwas, was ihn sehr an diese Situation erinnerte.

„Ich denke, ich war schon einmal in so einer Straße. Als ich durch Oxford gelaufen bin und nach Informationen zur Aura gesucht habe. Ich bin bestimmt schon hunderte Male eine Straße entlang gegangen aber der Weg, der zur Bücherei führte, in der ich das Aura-Buch gefunden habe, ist mir noch nie davor aufgefallen.“

„Gut möglich. Es gibt bestimmt Gründe dafür, weswegen der Kult dieses letzte Exemplar nicht gefunden hat. Ein Laden in einer Trap Street wäre hierfür nicht abwegig.“

Plötzlich erklang das Räuspern eines dritten, welches das Gespräch der beiden sogleich unterbrach.

„Lord Arvid, ich störe nur ungern, aber …“

„Ich weiß, ich komme sofort, Nigel.“

Angesprochener nickte untertänig und machte sich schon einmal auf den Weg nach unten, um dort auf Aaron zu warten. Dieser richtete sich nun wieder an den größeren und verneigte sich entschuldigend.

„Es tut mir leid, aber ich habe Termine, die ich einhalten muss. Du kommst hoffentlich auch alleine zurecht. Falls du diesen Ort hier verlässt, merk dir wo der Ausgang war und zähle deine Schritte, falls du ihn nicht mehr findest. Du gewöhnst dich mit der Zeit daran, aber anfangs könnten die Wege noch etwas schwer wiederzufinden sein. Ich werde dich morgen vormittags abholen, bis dahin hast du deine Ruhe vor mir. Bis dann!“

Mit einem Grinsen verabschiedete sich der jüngere und lief schnell nach unten zum Wagen. Aram rief diesem noch ein kurzes „Bis morgen“ zu, ehe er sich doch etwas überfordert in seinem neuen zuhause umsah.

Umwege

Das Auspacken des Koffers ging sogar noch schneller als erwartet und so setzte sich Aram nur kurze Zeit später auf das Fußende seines Bettes und blickte verloren durch den Raum. Links von ihm erstreckte sich eine Fensterfront über die gesamte Wand. Getrennt wurden diese nur von etwa 50 cm breiten Abschnitten des Außenmauerwerks, welches den Charme eines Fabrik-Lofts wiederspiegelte und dem sonst recht kühlen Stil etwas Heimeligkeit gab. Aufgrund der fehlenden Zwischenwände waren einige Säulen als Stütze für die Decke angebracht, die wohl auch als gedankliche Abgrenzung der Räumlichkeiten dienen konnten. Nur das Badezimmer war vom restlichen Loft getrennt, damit man zumindest hier seine ungestörte Ruhe haben konnte. Der junge Mann ließ seinen Blick über den Parkettboden wandern, der den gesamten Wohnbereich bedeckte, nur im Bad waren große, mattgraue Fliesen verlegt. Die gesamte Einrichtung war schlicht, jedoch sehr geschmackvoll und traf Arams Geschmack überraschend gut. Ob das nun Zufall war oder nicht, wollte er gar nicht so genau wissen, also fuhr er sich kurz durch die Haare, bevor er sich mit einem Ruck aufrichtete und in die Küche schlenderte. Dort angekommen öffnete er erst einmal jeden der Schränke und Schubladen, um zu sehen, was sich darin befand. Besteck, Geschirr und Töpfe waren sorgfältig geordnet und zur Genüge vorhanden. Auch verschiedene Lebensmittel lagerten in den dafür vorgesehenen Schränken. Mittlerweile hatte Aram es aufgegeben, jede Sache zu hinterfragen, die ihm unbekannt war, so auch beim Kühlschrank, den er zwar als solchen identifizieren konnte, aber scheinbar über eine völlig andere Technologie verfügte. Dieser sowie der Herd und auch sonstige Geräte wurden mit elektrischem Strom betrieben, der auch aus den Buchsen an den Wänden zu kommen schien. Elektrogeräte waren dem Mann zwar bekannt, doch nicht in diesen Ausführungen und in dieser Anzahl.

„Ja, stecke einen einfachen Londoner in eine Wohnung voller futuristischer Geräte. Da kommt er bestimmt alleine zurecht.“

Ächzend fasste er sich an die Stirn und massierte seine Schläfe, während er überlegte, ob er versuchen sollte mit den Küchengeräten zu kochen oder doch lieber auswärts etwas isst.

„Hm, das Restaurant auf der Panton St wäre doch nicht schlecht.“

So packte er die Schlüssel, die auf der Theke bereit lagen, seinen Mantel und schon verließ er sein Appartement.
 

Es dauerte zwar etwas, doch nach einiger Zeit hatte er wieder einen ihm bekannten Stadtteil erreicht. Wie Aaron ihm aufgetragen hatte, versuchte er sich, den Ausgang so gut es ging zu merken, bevor er sich wieder in Bewegung setzte. Sein erster Weg führte ihn zu einem Briefkasten, um den Brief für seine Eltern wehmütig hineinzuwerfen und sich dann endlich daran machte, etwas zu essen. Er ließ sich in einem schickeren Gasthaus nieder, bestellte sich eine warme Mahlzeit und etwas zu trinken und ließ sich Zeit als er aß. Währenddessen blätterte er in einer Zeitung, doch außer den alltäglichen Dramen gab es kaum interessante Themen. Als er fertig war und bezahlt hatte, schlenderte er noch eine Weile in der Stadt umher. Er versuchte sich eines klar zu werden, denn stets brannte diese eine Frage in seinem Kopf. War es das Richtige was er tat? Unaufhörlich hallte diese Frage in ihm wieder, doch noch hatte er nicht die richtige Antwort gefunden. Er könnte pessimistisch sein und sagen, dass es dumm war, sich Tonys Mördern anzuschließen. Er könnte optimistisch sein und sagen, dass er einen Weg finden würde, um alle zu schützen. Aber was die Realität brachte, konnte er nur sehen, wenn er den Weg weiter ging und genau das machte ihm eine Heidenangst.

So versunken in seinen Gedanken, merkte er nicht, wie er sich immer weiter von der Hauptstraße entfernte und als er das nächste Mal hochsah, blieb er stockend stehen.

„Wo …?“

Er drehte sich einmal im Kreis und sah sich um, doch nichts wirkte vertraut auf ihn.

„Eine Trap Street. Aber nicht die, zu der ich hätte gehen müssen. Na ja, vielleicht führen sie ja zusammen.“

Den Satz kaum zu Ende gedacht, setzte er sich wieder in Bewegung und folgte der Straße weiter. Eine ganze Weile irrte er planlos durch die Straßen, bis er nicht einmal mehr den Weg zurück fand. Als es zu dämmern begann, ließ er sich erschöpft am Rand eines Brunnens nieder und beim Versuch Aaron mit seinem Handy anzurufen, bemerkte er, dass dieses einfach schwarz blieb.

„Akku leer?“

Eine fremde Stimme ließ ihn hochschrecken und fragend sah er zu deren Besitzer auf. Leuchtend violette Augen blickten auf ihn hinab, seine eisblauen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und ein Lächeln zierte die Lippen des Mannes, den Aram auf Mitte zwanzig schätzte.

„Scheint wohl so.“

Er wusste zwar nicht genau, was der Blauhaarige meinte, aber da er Handys zu kennen schien, hatte er vermutlich mehr Ahnung als er selbst und der ‚Akku‘ war wohl wirklich leer, womit er das Teil wieder in seiner Tasche verstaute.

„Passiert mir selbst auch oft genug. Daran muss man sich wohl erst gewöhnen.“

Ein kurzes Lachen erklang, ehe er mit etwas Abstand neben Aram Platz nahm und ihn interessiert musterte.

„Ich habe Euch hier noch nie gesehen. Habt Ihr Euch verlaufen?“

„So könnte man es nennen.“

„Dachte ich mir schon. Ihr seid mir heute schon öfters aufgefallen, als Ihr meinen Weg wiederholt gekreuzt habt. Als ich Euch dann hier sitzen sah, dachte ich, ich könnte Euch vielleicht helfen. Hätte ich Euch nicht mit dem Handy gesehen, hätte ich Euch für einen ganz normalen Briten gehalten, der sich nur in diesen Teil hier verwirrt hatte.“

Etwas beschämt sah Aram für einen Moment in das Gesicht neben sich, bevor er den Blick rasch gen Boden richtete und ihn dort beließ.

„Irgendwie beschämend als Londoner Hilfe von einem ‚Ausländer‘ zu bekommen, weil man sich selbst verlaufen hat und der andere sich scheinbar besser in der eigenen Heimatstadt auskennt.“

„Ach, ich denke Trap Streets erkundet man als junger Londoner eher selten, daher gibt es keinen Grund sich beschämt zu fühlen. Darf ich dennoch erfahren, wohin Euch Euer Weg führt?“

Nach kurzem Zögern nickte Aram, ohne aufzusehen.

„Natürlich. Ich kenne den Straßennamen nicht, aber ich müsste zu dem hohen Gebäude neben der zukünftigen Oper. Das auf der Trap Street.“

„Verzeiht die Frage, aber wieso?“

„Nun ja, ich bin heute dort eingezogen und wollte nur ein paar Dinge in der Stadt erledigen, finde nun jedoch nicht mehr zurück.“

Während er sprach, zückte er den Schlüssel des Appartements und ließ den daran befestigten silbernen Anhänger vor sich baumeln, auf dem neben einem Logo mit den Buchstaben MA, auch die Zahl 12 auf der Rückseite eingraviert war. Überrascht beäugte sein Gesprächspartner den Anhänger, ehe er in seine eigene Tasche griff und einen beinahe identischen Schlüsselbund hervorzog. Weniger erstaunt als der Blauhaarige zuvor, musterte Aram den Anhänger und die eingravierte 5, die im Licht der untergehenden Sonne schimmerte.

„Ich wusste nicht, dass wir Neuzugänge bekommen haben. In welcher Division darf man Euch willkommen heißen?“

„Ähm… In der Forschung.“

„Ah, dann hat Euch der gute Aaron selbst angeworben. Das ist ja schon beinahe eine Ehre.“

Fragend hob Aram eine Augenbraue und blickte zu seiner Linken.

„Beinahe?“

Der Gefragte erwiderte den Blick seines Gegenübers und fuhr mit seiner Erklärung fort.

„Eine Ehre wäre es, wenn es Erzlord Arvid persönlich gewesen wäre. Aaron ist zwar sein Sohn und unglaublich klug und talentiert, aber er ist immer noch nur ein einfacher sechzehnjähriger Junge.“

„Sechzehn? Ich wusste zwar dass er jung ist, aber ich hätte ihn nicht für ganz so jung geschätzt.“

„Er ist reif für sein Alter, das ist wahr. Es muss ja auch Gründe geben, wieso er jetzt schon eine so gute Position innehat. Aber darüber könnt Ihr besser mit ihm selbst sprechen.“

Mit diesen Worten schwang sich der Blauhaarige auf und drehte sich noch einmal zu Aram um.

„Aarvand Harvey, Soldat dritten Ranges der Erkundungsdivision.“

Auch Aram hatte sich nun wieder aufgerichtet und nahm die Hand, die ihm entgegengestreckt wurde lächelnd an.

„Aram Sheppard. Noch nichts aber bald irgendetwas in der Forschungsabteilung.“

Ein Lachen schallte ihm entgegen, während sie den festen Händedruck wieder lösten und Aarvand im Vorbeigehen auf Arams Rücken klopfte.

„Na, das sind große Aussichten für Euch. Irgendetwas. Haltet mich doch auf dem Laufenden, was es denn nun geworden ist.“

„Das werde ich gerne tun aber wohin geht Ihr jetzt?“

„Meine Schicht ist mittlerweile vorbei, falls es Euch nichts ausmacht, würde ich Euch nach Hause begleiten, da wir ohnehin denselben Weg haben.“

„Selbstverständlich.“

Schnellen Schrittes holte er den Blauhaarigen ein und spazierte neben ihm her, während dieser ihm ein paar grundlegende Informationen über den Kult erzählte. Unter anderem, dass es fünf verschiedene Divisionen gab, die in Forschung, Erkundung, Exekution, Aufsicht und Infiltration eingeteilt waren. Jede dieser Abteilungen hatte Mitglieder oder Soldaten, die in den Rängen 1 bis 3 unterteilt wurden und diese wurden von einem übergeordneten General geführt. So war auch Aaron der momentane General der Forschungsabteilung, seit der letzte zurückgetreten war und man noch keinen geeigneten Nachfolger gefunden hatte. Über den Generälen stand nur noch die Familie Arvid, die seit jeher die Nachfolge des Anführers inne hatte und diese an ihre Kinder weitervererbten.
 

Aarvand beendete seine Erklärung als die beiden vor dem Hochhaus zum Stehen kamen. Sie traten durch die Tür und verabschiedeten sich im Fahrstuhl, als Aarvand diesen im fünften Stock verließ. Allein, aber mit sehr viel mehr Zuversicht und einem Lächeln im Gesicht, betrat Aram sein Appartement, als er nur kurze Zeit später im zwölften Stock angekommen war.

Hauptsitz

Am nächsten Morgen wachte Aram ausgeruht in seinem neuen, weichen Bett auf und rollte sich noch einige Male von einer Seite zur anderen, während er sich in die Decke kuschelte.

„Ich stehe nie wieder auf, dieses Bett ist einfach perfekt. So gut hab ich schon ewig nicht mehr geschlafen.“

Er streckte sich ausgiebig, ließ sich dann aber entspannt zurück in die Matratze fallen und schloss erneut die Augen. Erst als es an der Wohnungstür klopfte, schlug er die Augen auf.

„Aram? Ich bin’s.“

Aarons Stimme drang dumpf von der anderen Seite der Tür herein und so langsam realisierte Aram auch, dass er wohl doch aufstehen musste. Wiederwillig erhob er sich aus dem Bett und trottete zur Tür um diese zwar zu öffnen, ihr und Aaron dahinter jedoch gleich wieder den Rücken zu zukehren und Richtung Bad zu schreiten.

„Gib mir zehn Minuten.“

Aaron, der dem anderen einen fragenden Blick zuwarf, trat langsam ein paar Schritte ein und nahm rücklinks auf einem der Stühle am Esstisch Platz. Das Geräusch von fließendem Wasser war zu vernehmen und nach einigen Minuten verließ Aram das Bad wieder, nur um zu seinem Schrank zu laufen und mit einer Handvoll Wäsche wieder ins Bad zurückzukehren. Fertig angezogen kam er nun aus dem Bad und wandte sich zum ersten Mal Aaron zu, der geduldig ohne ein Wort zu sagen auf ihn gewartet hatte.

„Ich wusste nicht, dass du so lange still sein kannst.“

„Ich kann so einiges, von dem du nicht weißt.“

Ein neckisches Grinsen zierte sein Gesicht, als er dies sagte und sich wieder aufrappelte.

„Aber das tut gerade nichts zur Sache. Bist du dann bereit für deinen ersten Tag?“

Einen Moment lang dachte Aram über die Frage nach, bevor er antwortete.

„Nein. Wir müssen das wohl verschie-“

Sofort wurde der ältere von Aaron unterbrochen, der seinen Arm packte und ihn neben sich zur Tür hinaus schliff.

„Verschieben gibt’s nicht. Du hast nur Bammel, das legt sich wieder.“

Die Tür wurde von Aram im Vorbeigehen zugezogen, ehe er seinen Arm aus dem Griff Aarons befreite, und neben ihm auf den Fahrstuhl wartete.

„Das war ein Scherz. Auch wenn ich wirklich nervös bin.“

„Ich weiß. Es würde nur nicht besser werden, je länger du es vor dir herschiebst. Außerdem habe ich mir heute extra von auswärtigen Terminen freigenommen, damit ich dir meine vollste Aufmerksamkeit schenken kann.“

Irritiert blickte der größere nach dieser Aussage zu Aaron hinunter und hob dabei eine seiner Augenbrauen an, was dem Blonden natürlich nicht verborgen blieb.

„Gut, das war vielleicht etwas falsch formuliert, aber glaub mir, du wirst jemanden brauchen, der dir alles erklärt und dir über die Schulter schaut.“

Dem konnte er nichts entgegnen und so herrschte erst einmal Stille, bis sie unten ankamen und aus dem Aufzug stiegen.

„Wie hast du eigentlich gestern deinen ersten Tag hier verbracht?“

„Hm, das Spannendste war wohl, dass ich mich komplett verlaufen habe, stundenlang umher gelaufen bin und schließlich auf Aarvand getroffen habe, der mir den Weg gezeigt hat.“

Sichtlich überrascht drehte Aaron seinen Kopf zur Seite.

„Du hast Aarvand getroffen? Ich wollte euch beide sowieso miteinander bekannt machen, aber das hat sich jetzt wohl von selbst erledigt. Und, wie findest du ihn?“

„Er redet viel. Sehr viel. Aber er scheint mir ein intelligenter, gerechter und höflicher Mensch zu sein.“

„Das ist er auch. Ich bin wirklich froh, dass er sich uns damals angeschlossen hat. Seitdem ist es etwas lebendiger hier. Nicht mehr ganz so ernst. Du wirst schon sehen, ihr werdet euch bestimmt gut verstehen.“

Sein Mund formte sich zu einem breiten Lächeln, welches beim Anblick von Arams zögernder Miene jedoch wieder an Breite verlor und betreten sah er zu Boden. Eine Weile verging, in der sie schweigend nebeneinander herliefen, bis Aram die Stille brach.

„Der Exekutionstrupp, hat er Tony umgebracht?“

Aaron war zwar nicht gerade überrascht über die Frage, dennoch hatte er gerade nicht damit gerechnet diese beantworten zu müssen.

„J-ja. General Pierce wurde geschickt.“

„Wie?“

„Kurz und schmerzlos, Oswin ist nicht die Art Mensch, die andere foltert oder quält, falls du das dachtest.“

„Das ist nicht das, was ich wissen wollte, aber es tut auch gut das zu hören. Nein, ich meinte, wie er es gemacht hat, damit jeder die Tat für einen Selbstmord hielt.“

Mit weit geöffneten Augen stockte Aaron und sah zu seinem Kollegen auf. Diese Frage hatte er nun wirklich nicht erwartet und er schluckte schwer, als er seinen Blick wieder abwandte und seine Schritte leicht beschleunigte.

„Aaron?“

Fragend und bestimmend zugleich rief ihm Aram hinterher, bevor er ihn einholte und eindringlich anfunkelte.

„Nicht hier. Du bekommst deine Antwort, aber lass uns das in Ruhe besprechen und nicht mitten auf der Straße.“

Damit verschob er das Thema auf später und schritt schweigsam den Weg entlang, bis er vor einem gewaltigen Bauwerk anhielt. Mehrere Stockwerke hoch ragte es mit dem flachen Dach, welches als Terrasse benutzt werden konnte, in den Himmel und der prunkvolle Eingang ließ auf die Wichtigkeit dieses Gebäudes schließen. Staunend betrachtete der Neuankömmling den Sitz seiner zukünftigen Arbeit, bevor sie sich wieder in Bewegung setzten, die Treppen hochstiegen und eintraten. Drinnen angekommen, schritt Aaron zu der Rezeption, wo er kurz mit einer braunhaarigen Frau redete und nur kurze Zeit später wieder auf Aram zukam.

„Das hier ist deine vorläufige Mitarbeiterkarte.“

Er bewegte sie kurz zwischen einem Sensor hin und her, bevor er sie Aram entgegenstreckte.

„Trage sie bei dir, damit erfassen unsere Computer automatisch, wann du kommst oder gehst. Außerdem wirst du damit identifiziert und es wird geprüft, zu welchen Bereichen du Zugriff hast und ob du eintreten darfst.“

Leicht überfordert setzte Aram einen unsicheren Gesichtsausdruck auf, als er die Karte entgegen nahm und sie an die Brusttasche auf der Innenseite seiner Jacke feststeckte.

„Ganz schön übertrieben…“

„Es hört sich schlimmer an, als es ist.“

Mit einer Kopfbewegung deutete er Aram ihm zu folgen und ging in zügigem Tempo weiter.

„Zum Beispiel sollte niemand aus der Infiltration in den Forschungsbereich eintreten, dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt. Auf sensible Daten haben nur ausgewählte Hochrangige und Generäle Zugriff. In den falschen Händen könnten diverse Gegenstände oder Daten eine Gefahr für sich oder andere bedeuten. Da reicht Vertrauen allein leider nicht. Außerdem schränken diese Sicherheitsmaßnahmen niemanden ein, jeder kann ungehindert seine Aufgaben erledigen, solange diese mit rechten Dingen zugehen.“

Skeptisch sah sich Aram um, während sie immer weiter in das Gebäude eintraten und einem langen Gang folgten. Beinahe am Ende blieb Aaron endlich stehen und öffnete mit einem Handscan, der einen fragenden Ausdruck in Arams Gesicht hinterließ, die Tür. Sowie der jüngere eintrat, schaltete er das Licht ein und nahm eine präsentierende Pose ein.

„Willkommen in deinem Reich!“

Völliger Unglaube stand in Arams Gesicht. Vor ihm erstreckte sich ein weiträumiges Labor und ein steriler Geruch, den er so gar nicht kannte, stieg ihm in die Nase. Das Labor war in mehrere Bereiche unterteilt und war damit beinahe so groß wie sein Loft. Die vielen Arbeitsflächen hätten einem ganzen Team zur Verfügung stehen können und die unzähligen Gerätschaften verfügten wohl über die modernsten Techniken, die sich Aram nicht einmal im Traum erschließen konnten.

„Hier … soll ich arbeiten?“

„Jap. Das gehört alles dir.“

„Alleine?“

„Das steht dir frei. Du bist natürlich nicht unser einziger Forscher, wenn du also lieber im Team arbeitest, kannst du dies natürlich gerne tun. Ich stehe dir in der nächsten Zeit sowieso vermehrt zur Seite und sonst kannst du dich hier nach Herzenslust austoben.“

Überfordert blickte Aram umher und blieb schließlich ratlos auf Aaron ruhen.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich hier wie machen soll.“

Ein sanftes Lachen erklang, ehe der Angesprochene auf einem der Drehstühle Platz nahm und auch den Rotschopf bedeutete sich doch zu ihm zu setzen.

„Brauchst du auch noch nicht, ich zeige dir das alles schon, keine Sorge. Aber du hattest eine Frage und die würde ich dir gern vorher noch beantworten.“

Geständnis

Schlagartig erinnerte sich Aram wieder an die Frage, die er durch den Schock, den er beim Betreten des Raumes erleiden musste, komplett vergessen hatte. Er atmete einmal tief durch und setzte sich dann schräg gegenüber von Aaron auf einen weiteren Stuhl und sah gespannt sowie beunruhigt zu ihm. Auch Aaron selbst wirkte angespannt und rieb sich nervös die Hände. Er schluckte die Anspannung hinunter, legte seine Hände vor sich auf den Tisch und atmete schwer aus, ehe er begann.

„Wie genau Oswin es gemacht hat, kann ich dir nicht sagen, weil ich nicht dabei war. Er ging hin, erledigte seine Arbeit und kam zurück. Was ich aber aus dem Autopsiebericht herauslesen konnte, ist, dass er sich eingeschlichen hat, ihn sedierte und daraufhin erstach. Den Tatort hatte er danach so präpariert, dass es keinerlei Indizien dafür gab, dass ein anderer beteiligt gewesen war. “

Während Aaron erzählte, wandelte sich Arams Miene, die etwas abwesend zur Tischplatte gerichtet war, zu einer voller Skepsis. Etwas in Aarons Stimme ließ ihn an der Glaubwürdigkeit seiner Geschichte zweifeln.

„Der Befehl, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, kam von mir.“

Nun richtete sich der Blick Arams fragend direkt auf sein Gegenüber.

„Wieso?“

„Weil dieser Befehl nicht Mr. Cambell allein galt, sondern dieser Welt. Der Grund dafür ist, dass es hier etwas wie Justiz gibt. Man kann hier nicht herum laufen und wahllos Menschen töten. Das ist zwar auch bei weitem nicht das, was wir tun, aber genauso würden uns die Bürger sehen. Eine zwielichtige Organisation, die Jagd auf unschuldige Personen macht. Man müsste ihnen die Existenz von Auranutzern und die Gefahr, die von ihnen ausgeht erklären aber das wäre das gleiche in grün. Daher bevorzugen wir es, im Verborgenen zu handeln, auch wenn das bedeutet Tatsachen zu verschleiern und sie in ein falsches Licht zu rücken.“

Ein fast schon spöttisches Lachen überdeckte die Wut, die sich langsam in Aram ausbreitete.

„Du bist nur daran interessiert den Kult nicht auffliegen zu lassen, weil du genau weißt wie Außenstehende darüber denken würden.“

Ruhig jedoch auch mit einem hämischen Unterton erklang die Stimme des blonden.

„Natürlich. Sie müssten es erst verstehen um zu sehen, dass -“

Wütend schnellte Aram hoch und bäumte sich über den vor sich sitzenden Aaron, der erschrocken seinen Satz abbrach und zum älteren hinaufblickte.

„Dass was? Dass Auranutzer die bösen sind, vor denen der Kult die Menschheit beschützt?“

„Sie sind eine Gefahr für jeden von uns.“

„Alle? Das bezweifle ich doch sehr.“

„Aram, du hast gesehen zu was sie fähig sind.“

„Oder wozu ihr sie bringt!“

Aarons sonst so ruhiger und gefasster Gesichtsausdruck fiel bei Arams Aussage mit einem Schlag ab und brachte Unglaube sowie Schock zum Vorschein, den man sonst nur erahnen konnte.

„Bitte was?“

Aram hatte dem jüngeren unterdessen den Rücken zugewandt und ging ein paar Schritte vor, die Hände dabei im zurückgelegten Nacken liegend.

„Ich habe eine Kristallwand gesehen. Erschaffen von einem einzigen Menschen. Du sagtest er habe seine gesamte Aura damit kristallisiert. Was zum Teufel bringt jemanden dazu, seine gesamte Aura in eine Kristallwand zu manifestieren außer panische Angst und das Wissen es gibt sowieso keinen Ausweg?“

Während er sprach hielt er sich anfangs noch zurück, wurde jedoch von Wort zu Wort lauter und begann damit wild zu gestikulieren und blickte abschließend in die silbernen Augen Aarons, die ihn noch immer geschockt beobachteten.

„Das …“

„.. ist nicht wahr? Wieso nicht? Weil eure Vorfahren euch die Geschichte anders erzählt haben? Natürlich stellt man sich als Held dar, wenn man auch noch so ein schönes Monument der zerstörerischen Kraft eines Auranutzers direkt vor der Haustüre hat!“

In seine Wut mischte sich nun ein wehklagender Ton. Schon leicht eingeschüchtert, wusste der jüngere nicht, was er erwidern konnte, um sein Gegenüber zumindest etwas zu beruhigen und bekam nur ein hauchendes „Aram…“ heraus, ehe der ältere wieder näher an ihn trat.

„Wachst du endlich auf? Siehst du was dein Kult ist?“

„Ich WEISS was der Kult ist! Genau deswegen will ich auch etwas dagegen unternehmen! Deswegen habe ich ja auch dich hergeholt.“

Der qualvolle Ton traf nun auf Aarons wütende Stimme, die der von Aram in nichts nachstand, außer der Lautstärke, die der blonde, zwar mit Mühe aber dennoch, zurückhalten konnte. Kurz davon überrumpelt stockte der Rothaarige, bevor er etwas ruhiger fortfuhr.

„Dann sei endlich ehrlich zu mir.“

„Ich bin ehrlich zu dir.“

„Bist du das? Kommt mir nämlich gerade nicht so vor.“

„Was meinst du?“

Fragend blickte er empor und konnte nur erkennen, wie sich Arams Augenbrauen wieder verengten, ehe er in einem teils schon genervten Ton fortfuhr und die letzten Schritte auf Aaron zu ging.

„Du weißt genau was ich meine. Ich höre es in deiner Stimme, sehe es in deinem Verhalten, da ist etwas, das du mir nicht erzählst. Irgendetwas, das du für dich behalten willst und es hat etwas mit Tony zu tun, denn das ist bisher das einzige Thema bei dem du mir immer ausweichst. Du kannst mir ja nicht einmal jetzt in die Augen schauen.“

Mit der einen Hand stemmte er sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu Aaron hinunter, wo er ihm von Nahem ins Gesicht sah um so auch seinem Gegenüber den Augenkontakt aufzuzwingen. Dieser blickte ernst zurück und schluckte das Unwohlsein hinunter, als Aram fast schon flüsternd seine Frage stellte.

„Wieso musste Tony sterben?“

Kaum waren die Worte gesprochen, wandte Aaron den Blick ab und sah schmerzerfüllt gen Boden. Man konnte deutlich sehen, wie sehr er mit sich rang. Sekunden, die sich jedoch eher wie Ewigkeiten anfühlten, vergingen, ehe er den Kampf mit sich selbst und Arams Entschlossenheit aufgab.

„Er musste es nicht…“

Perplex legte Aram den Kopf schief.

„Bitte?“

„Er musste nicht sterben, ich ließ ihn leben, aber er...“

Aarons zittrige Stimme brach ab, als er keine Worte dafür fand, was passiert war.

„Was ...?“

Entsetzt machte Aram zwei Schritte nach hinten und starrte in die verzweifelten Augen des anderen.

„Es tut mir so leid, Aram, ich wollte das wirklich nicht.“

Ein Kloß bildete sich in der Kehle des Rothaarigen, den er zaghaft hinunterschluckte.

„Aaron? Was ist passiert?“

„Wir… wir wussten schon länger, dass Anthony ein Auranutzer war, länger noch als er selbst. Aus diesem Grund hatten wir auch immer ein Auge auf ihn. Vor ein paar Monaten sind wir dadurch aber auf dich aufmerksam geworden. Ein genialer Medizinstudent, der mit so viel Leidenschaft seiner Arbeit nachgeht… Ich hätte dich so gern angesprochen, gefragt, was du davon halten würdest hier zu arbeiten. Doch die Regeln verbieten es, mit einem Unwissenden in Kontakt zu treten, zumindest wenn es um die Anwerbung neuer Leute geht. Als dann die Prügelei mit Anthony stattgefunden hatte, waren natürlich Kultisten in unmittelbarer Nähe, die ihn zu mir brachten. Als ich gesehen habe, dass es sich um ihn handelte, habe ich nur meine Chance gesehen, an dich heran zu kommen. Also habe ich ihm gesagt, er solle damit zu dir gehen, dich um Hilfe bitten, dafür verschonen wir sein Leben. Es hat zwar eine Weile gedauert aber nach ein paar Tagen ging er wirklich zu dir, woraufhin ich den Befehl gab auch dich zu beobachten. Ich war so froh, als du Interesse gezeigt hast, dass ich dir immer wieder Hinweise zukommen ließ, als du nicht weiter wusstest. Aber … ich war zu unvorsichtig. Anthony bemerkte, wie gebannt du von dem Thema warst aber auch, dass nun dir diejenigen folgten, die er davor selbst an sich haften hatte. Er kam zu mir, aber ich meinte nur, dass er damit nun nichts mehr zu tun hatte und schickte ihn heim. In der darauffolgenden Nacht bekam ich den Anruf, dass er sich umgebracht hatte. Ich war wie versteinert, ich wusste nicht was ich hätte tun sollen. Ich habe sein Leben verschont aber scheinbar so etwas Schreckliches getan, dass er den Tod selbst bevorzugte. Da du es genauso wenig glauben konntest, hast du nie an Selbstmord gedacht und sogar den Kult beschuldigt. Es war zwar nicht die schönste Art, diesen Glauben in dir zu verstärken aber ich dachte mir, dass es der einzige Weg war, wie ich zumindest einmal persönlich mit dir in Kontakt treten konnte.“

Erschüttert über das Gesagte, stand Aram starr auf einer Stelle und rührte keinen seiner angespannten Muskeln. Aaron, der seine Erklärung beendet hatte, musterte unsicher sein Gegenüber. Erst nach einiger Zeit brachte dieser ein Wort heraus.

„Wegen mir? Das alles ist nur wegen mir passiert?“

„Es tut mir so leid, i-ich wollte nicht, dass so etwas passiert.“

„Nein. Natürlich nicht.“

Er befreite sich aus seiner Starre, ballte die Fäuste und biss sich auf die Lippe, während er versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ich muss hier raus.“

Noch während er das sagte, drehte er sich zur Tür und schritt eilig auf diese zu.

„Aram, warte.“

Prompt richtete sich Aaron auf und hastete zu Aram, der bereits die Türklinke in der Hand hatte und dabei war diese hinunterzudrücken. Er hielt kurz inne, blickte über die Schulter zum kleineren und musterte den weißen Umschlag, der ihm entgegengestreckt wurde.

„Diesen Brief hat man bei ihm gefunden.“

Misstrauisch drehte er sich zu ihm um und erblickte seinen Namen auf dem Umschlag, geschrieben in Tonys Handschrift.

„Wieso hast du den?“

„Weil alles, was mit dem Kult zu tun hat konfisziert wird. Und da er an dich gerichtet ist, mussten wir nun mal davon ausgehen. Aber er ist noch verschlossen, ich weiß selbst nicht was er geschrieben hat. Ich hatte ihn stets bei mir aber ... ich konnte dir einfach nicht die Wahrheit erzählen...“

Den erneut aufkommenden Kloß schluckend, entriss er den Brief seinem alten Besitzer, stürmte aus der Tür und ließ Aaron allein im Labor zurück.

Verloren

Lieber Aram,
 

ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen. Es tut mir aufrichtig leid, dass es so enden muss, aber ich sehe gerade keinen anderen Ausweg mehr.

Diese Kraft in mir… Sie macht mir Angst. Ich will sie nicht besitzen, ich will ein ganz normaler Mann sein, so wie noch vor wenigen Tagen. Zumindest glaubte ich es bis dahin. Und plötzlich konnte ich das. Aram, ich habe in einer Schlägerei innerhalb einer Sekunde mit dieser Aura eine Kugel gebildet und sie auf einen Kerl geschmissen, auf dem sie dann explodiert ist. Ohne es zu wollen. Ohne überhaupt davon zu wissen. Ich wollte nur meinen Arm in seine Richtung strecken um mich zu schützen und hätte ihn beinahe dabei getötet. Und nicht nur ihn, auch alle anderen. Ich hatte panische Angst und bin sofort weggerannt, wurde aber gleich von einigen Typen abgefangen, die zu irgendeiner Organisation gehören. Mors Aurum, haben sie sich genannt. Sie brachten mich in ein seltsames Gebäude zu ihrem Anführer, Aaron Arvid. Er und ich haben lange geredet, die gesamte Nacht hindurch. Er war zwar ganz nett, hat mir einige Dinge bezüglich meiner Kraft erklärt, von anderen, die sie auch haben, aber auch er meinte, ich sei eine Gefahr. Nur wolle er keine weiteren Schritte einleiten und hat mir deswegen einen Deal vorgeschlagen; Ich gehe zu dir, dafür verschont er mein Leben, egal wie deine Entscheidung aussehe. Ich war so unschlüssig, wusste nicht, was ich tun sollte. Schlussendlich bin ich aber zu dir, weil ich es für das Richtige hielt. Im Gegensatz zu mir warst du so beeindruckt. Ich wünschte wir könnten tauschen, dann wäre all das so viel leichter. Aber das ist leider unmöglich. Je mehr du mir erzähltest, desto mehr wurde mir bewusst, wie viel Angst ich vor mir selbst habe. Und dass plötzlich dir welche von Mors Aurum folgten. Ich stellte Aaron zur Rede und bekam die Antwort, dass sie weder mit dir, noch mit mir etwas Schlimmes vorhatten. Nur, dass sie deine Fähigkeiten gut gebrauchen könnten. Sie wollen dich wohl für ihre Forschungsabteilung. Ich … weiß nicht, was ich davon halten soll. Einerseits wäre es eine einmalige Gelegenheit für dich und ich habe dich schon lange nicht mehr so fasziniert von etwas gesehen. Andererseits sind sie wohl nicht immer so nachsichtig mit … solchen wie mir. Wer kann es ihnen denn auch verübeln? Ich könnte Menschen mit nur einer unüberlegten Handbewegung umbringen. Beim Versuch, diese Kräfte zu trainieren, habe ich sämtliche meiner Pflanzen getötet. Ich habe ihnen ihre Lebenskraft entzogen, indem ich meine Faust geballt habe. Ich habe diese Kräfte nicht unter Kontrolle. Ich will niemanden verletzen, nur weil ich im Streit wütend werde oder gestikuliere. So sehr ich auch wünschte, ich könnte diese Fähigkeit so wie du als Gabe sehen, ich kann es nicht. Es ist ein Fluch. Nicht zwingend für mich, aber für alle anderen. Ich stelle eine Gefahr für jeden dar, der mir begegnet und auch wenn mich dieser Kult verschont, die Gefahr bleibt bestehen und ich will nicht, dass erst jemand durch mich sterben muss, bevor mir Einhalt geboten wird. Daher nehme ich es nun selbst in die Hand.

Es tut mir schrecklich leid, Aram, aber ich kann und will so nicht mehr weiterleben.

Ich hoffe wirklich du kannst mir vergeben und zumindest zum Teil nachvollziehen, wieso ich es tun musste.

Aber bitte versprich mir eins; Lass dich von meiner Entscheidung nicht abbringen, das für dich richtige zu tun. Du hast nichts mit meiner Entscheidung zu tun, lass also meinen Tod nicht dein Leben überschatten. Das wäre das Letzte, was ich damit erreichen wollte.

Nun ist der Brief doch länger geworden, als geplant, aber es gibt einfach zu viel, was ich dir noch gerne sagen würde. Doch belassen wir es dabei.

Aram, ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du für mich da warst. Dein Freund zu sein war mir eine wahre Freude. Eines Tages werden wir uns wiedersehen.
 

In tiefer Verbundenheit,
 

Tony
 

Zwei Tropfen benetzten den Brief und sickerten rasch in das Papier ein, wo sie sich mit der Tinte verbanden und das Geschriebene unter den Flecken unlesbar machten. Schnell wischte sich Aram übers Gesicht und legte den mehrseitigen Brief auf den niederen Tisch vor sich. Die Ellenbogen auf den Knien abgelegt, vergrub er sein Gesicht in den Händen und verweilte einige Zeit in dieser Haltung. Er war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Tonys Tod dem Kult zuzuschreiben war. Jetzt zu wissen, dass sein bester Freund zerbrochen war, während er selbst vor lauter Besessenheit nichts davon mitbekommen hatte, war wie ein Schlag ins Gesicht.

„Ich hätte es verhindern können.“

Sein gesamter Körper bebte. Schluchzend fuhr er mit den Händen seine Stirn entlang nach oben und weiter durch sein Haar, während er den Kopf hob. Seine Arme legte er dabei in den Nacken und sein Blick wanderte in die weite Ferne, die sich vor seinem Fenster erstreckte.
 

Mehrere Tage lang bekam niemand Aram zu Gesicht. Er verließ weder sein Appartement, noch war er über das Telefon erreichbar. Keiner wusste, was mit ihm war, nur das Licht, welches selbst spätnachts in der Wohnung brannte und erst in den Morgenstunden erlosch, zeigte, dass er sich zumindest in der Wohnung befand und es ihm soweit gut ging. Als er jedoch selbst am Montag der darauffolgenden Woche nicht zur Arbeit erschien, klopfte es am frühen Abend an seiner Tür.

„Aram?“

An der Stimme erkannte er, dass es sich nicht um Aaron handeln konnte, doch an der Vertrautheit der Stimmte und da nur zwei weitere Personen wussten, dass er hier wohnte, konnte er sie ohne Probleme Aarvand zuordnen.

Ohne zu Antworten lehnte Aram seinen Kopf auf die Rückenlehne seiner Couch und starrte an die weiße Decke.

„Aram, ich weiß, dass du da bist. Mach bitte auf.“

Noch immer zögernd, stieß er schließlich ein Seufzen aus.

„Es ist offen.“

Ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, verweilte er auf dem Sofa, während sein Gast zaghaft eintrat und den Zustand der Wohnung und deren Bewohner begutachtete. Die Wohnung war bis auf eine etwas dickere Staubschicht sehr sauber und ordentlich, nur das Bett war unordentlich gemacht und rings um den ziemlich abwesend wirkenden Aram lagen Verpackungen, Taschentücher, Bücher, und diverse andere Dinge verstreut. Auf dem Couchtisch fand Aarvand dann auch die Ursache für den alkoholischen Geruch, der ihm schon beim Öffnen der Tür entgegenschlug.

„Dich hier zu verkriechen und dich mit Absinth zu betrinken, ist die Art wie du deine Probleme löst?“

Während er näher an die Couch trat blieb sein Blick auf dem Rothaarigen haften. Seine Haare fielen nicht zurechtgemacht und leicht wellig hinab, was seine doch recht wilde Mähne offenbarte. Das Hemd hatte er nur notgedrungen zugeknöpft und an seinen Beinen trug er eine bequeme Stoffhose, alles andere erblickte der Blauhaarige auf der Truhe am Fußende des Bettes. Als er neben Aram angekommen war, schwenkte er die Flasche, welche nur noch zum Viertel gefüllt war so, dass er das Etikett lesen konnte.

„Na ja, zumindest kein billiger Fusel. Schöne Träume gehabt?“

Ein Raunen trat aus dem immer noch starr Dasitzenden, nur seine Augen hatten sich von der Decke gelöst und beäugten den Mann vor sich.

„Dafür bräuchte ich entweder einen von dir genannten billigen Fusel, zusätzliche Opiate oder eine wirklich große Menge von dem da.“

Etwas schwerfällig richtete er sich nach vorne und verschloss den Hahn der Absinthfontäne, wodurch das gleichmäßige Tropfen aus diesem abrupt endete und nun komplette Stille im Raum herrschte.

„Da keines davon zutrifft, nein. Nur ganz normale Träume.“

Er wirkte beinahe betrübt, als er das sagte und mit einem schiefen Lächeln hoch zu Aarvand blickte. Den schwermütigen Blick Arams bemerkend, der sich auch schon wieder abgewandt hatte, setzte er sich neben ihn auf die Couch und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken.

„Hat dich Aaron geschickt?“

Arams Stimme klang um einiges genervter als interessiert. Er lehnte sich nach vorne und nahm das Glas, auf dem noch der Löffel platziert war vorsichtig in die Hand, rührte den restlichen Zucker, der noch nicht in das milchig grüne Getränk durchgesickert war ein und nahm einen kleinen Schluck.

„Nein. Er weiß nicht einmal, dass ich hier bin.“

„Wieso bist du dann überhaupt hier?“

„Weil ich mir ehrlich gesagt Sorgen mache. Um euch beide.“

Aarvands ruhige Stimme hatte einen sorgenden Klang angenommen, welcher nun auch Arams Interesse weckte. Sein fragender Blick genügte um den Älteren weiter reden zu lassen.

„Du bist wie vom Erdboden verschluckt und Aaron ist beängstigend schweigsam. Aus ihm brachte ich nichts heraus, was zwischen euch passiert ist, da dachte ich, dass ich vielleicht bei dir mehr Glück habe.“

Irritiert sah Aram zu ihm hinüber und wägte seine Antwortmöglichkeiten ab, während er Schwierigkeiten hatte, seine Hände ruhig zu halten.

„Es kam zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Ähm … Weißt du von Anthony Cambell? Dem Student und Auranutzer aus der Universität in Oxford?“

Nachdenklich legte Aarvand eine Hand ans Kinn und grübelte einige Momente.

„Ich denke, ich habe von ihm gehört. Mit dem Fall selbst war ich jedoch nicht vertraut. General Pierce hat ihn soweit ich weiß exekutiert, nachdem er wiederholt auffällig war.“

Fragend verengte Aram seine Augenbrauen und nahm einen weiteren Schluck, während er zum Brief griff, der noch immer auf dem Tisch lag.

„Diese Geschichte hat mir Aaron auch erzählt, doch sie ist gelogen.“

Damit hielt er Aarvand den Brief entgegen, welcher ihn verwundert entgegennahm und damit begann ihn zu lesen. Nervös schaukelte Aram leicht umher und trank den Rest des grünen Alkohols in einem Zug aus, während er darauf wartete, dass der Blauhaarige fertig gelesen hatte. Als er soweit war, legte er den Brief auf den Tisch und schenkte Aram einen mitfühlenden Blick.

„Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass er ein Freund von dir war.“

Mit einem Kopfschütteln beschwichtigte er Aarvands Mitgefühl.

„Nur, wieso hat mich Aaron angelogen, was seinen Tod betrifft?“

Diese Frage brachte Aarvand zum Nachdenken.

„Ich hätte da vielleicht eine Erklärung.“

Er räusperte sich und wandte sich Aram zu, der ihn mit seinen grünen Augen gespannt anfunkelte.

„Das Verhältnis von Aaron und seinem Vater ist nicht gerade das Beste. Der Erzlord wird aber natürlich dennoch über alles Wichtige in Kenntnis gesetzt, was hier passiert. Ein Auranutzer, der sich trotz persönlicher Mahnung wiederholt auffällig in der Öffentlichkeit verhält, jedoch nicht weiter in seine Schranken verwiesen wird, wäre schon fragwürdig. Wenn dann aber auch noch bekannt wird, dass dieser so gesehen als Köder diente um einen Unwissenden zu einem Wissenden zu machen, an den man treten darf und der eventuell dem Kult beitreten könnte … Ganz blöde Idee.“

Aram lauschte der Erklärung Aarvands gespannt und setzte ein schiefes Grinsen auf als er den letzten Satz beendet hatte.

„Du meinst also er hat den Tod Tonys für sich zurechtgelegt um die Konsequenzen abzuwenden? Was hätte er denn gemacht, wenn er sich nicht umgebracht hätte?“

„Das hätte er dann wohl daran angepasst, wie du dich entscheidest.“

„Ergibt Sinn.“

Ein fragender Ausdruck machte sich erneut auf Arams Gesicht breit.

„Aber wieso hat er es mir nicht einfach gesagt?“

Erneut setzte kurzes Schweigen ein, in dem Aarvand angestrengt grübelte.

„Erinnere dich mal zurück. Was war deine erste Reaktion, als du von Mr. Cambells Tod erfahren hast?“

„Unglaube. Ich war davon überzeugt, dass es kein Selbstmord war und habe sogar Mord eher in Betracht gezogen.“

Leichte Beschämung über seine eigene Blindheit trat in seine Stimme, während er redete.

„Und meinst du, du hättest einem wildfremden Jungen geglaubt, wenn er dir erklärt was unsere Tätigkeit ist, aber im selben Atemzug meint, dass es Selbstmord war?“

„Niemals.“

Sich fast schon darüber lustig machend, schnaubte Aram seine Antwort hervor.

„Da hast du deine Antwort. Er hat den Sündenbock gemimt, damit du ihm fürs erste Glauben schenkst. Denn genauso würde Mors Aurum nun einmal mit solch einem Auranutzer vorgehen.“

„Ich denke, ich verstehe auf was du hinaus willst.“

Der Rothaarige nickte, wandte seinen Blick zur Seite und fuhr mit den Händen über sein Gesicht.

„Mors Aurums tolle Art, mit Dingen umzugehen…“

„Darf ich dir eine Frage stellen? Wieso bist du beigetreten, wenn du doch so gegen die Machenschaften des Kultes bist?“

Bei Aarvands Frage drehte er seinen Kopf wieder in dessen Richtung, senkte die Hände und legte sie gefaltet auf seinen Schoß.

„Ich wollte zuerst auch gar nicht.“

Irritiert über Arams Antwort, legte Aarvand den Kopf schief und zog die Augenbrauen unbewusst zusammen.

„Was hat dich umgestimmt?“

„Aaron hat mich nach Eden gebracht und mir den Kristall gezeigt. Ich wusste nicht einmal, dass das überhaupt möglich ist. Ich bin nur dagestanden, habe ihn ehrfürchtig angestarrt und mich gefragt: Wie? Wie war es möglich, dass ein einzelner Mensch so etwas zustande bekommt? Ich war einfach überwältigt.“

Seine ruhigen Worte wichen dem Staunen, bis sie zu einer neugierigen Euphorie mündeten.

„Ich … will es wissen. Ich will wissen wozu Aura fähig ist. Was sie ist, woher sie kommt, einfach alles.“

Zuerst noch verstört über die Begeisterung seines Gegenübers, formte sich gegen Ende ein sanftes Lächeln aus Aarvands Lippen.

„Und Mors Aurum ist der einzige Ort, an dem du diese Möglichkeit bekommst.“

Ein kurzes Nicken bestätigte diese Worte.

„So ist es. Als Aaron meinte, er wolle selbst, dass das Morden ein Ende findet, habe ich schließlich zugesagt. Ich sehe in Auranutzern nichts Schlechteres als in ganz normalen Menschen, deswegen will ich ihnen helfen, ihnen eine Möglichkeit eröffnen, ohne dass sie sterben müssen.“

Erstaunt betrachtete der Blauhaarige den jungen Mann vor sich.

„Nobel. Mit dieser Einstellung wirst du aber ziemlich alleine dastehen.“

„Ich weiß. Und mich beschleicht das Gefühl, dass Aaron das auch nur gesagt hat, um mich zu ködern.“

Arams Blick richtete sich betrübt Richtung Boden, hob sich jedoch schlagartig, als Aarvands Stimme erklang.

„Das ist nicht wahr. Ich kenne Aaron nun seit drei Jahren und wenn ich dir eins über ihn sagen kann, dann ist es, dass er in dieser Hinsicht ehrlich war. Er hasst unnötiges Blutvergießen. Er hat schon vor einiger Zeit damit begonnen, seinen Vater dazu zu bringen, einen anderen Weg einzuschlagen, jedoch vergeblich. Das ist auch der Grund, warum sie sich nicht besonders gut verstehen. Schlussendlich hat er gemerkt, dass er es selbst in die Hand nehmen muss, wenn er eine Veränderung will. Aber einen Kult, der seit über vier Jahrtausenden besteht, kannst du in ein paar Jahren nicht von Grund auf umformen, aber er gibt sein bestes.“

Er setzte ein Grinsen auf bevor er weitersprach und Aram auf die Schulter klopfte.

„Und dich anzuheuern war bei weitem nicht seine schlechteste Idee.“

„Mag sein.“

Auch in Arams Gesicht machte sich ein Grinsen breit, während er mit den Augen rollte.

„In Ordnung. Das war jetzt etwas viel auf einmal. Ich lass dich mal wieder in Ruhe darüber nachdenken.“

Mit diesen Worten erhob er sich und machte schon ein paar Schritte auf die Tür zu, bevor er sich noch einmal zu Aram umdrehte.

„Aber ich will dir einen Tipp geben. Lass dir nicht mehr allzu viel Zeit. Aaron ist nachsichtig und gibt dir so viel Zeit, wie er kann, aber es gibt Regeln, an die auch er sich halten muss. Ich werde morgen mit ihm sprechen, aber lass ihn alsbald von dir hören.“

Betreten nickte der Angesprochene und sah etwas beschämt zu ihm auf.

„Werde ich. Vielen Dank, Aarvand.“

Dieser setzte wieder ein sanftes Lächeln auf und verbeugte sich leicht.

„Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, Aram.“

Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt elegant aus der Tür, während Aram ihm nachblickte und ein tiefes Seufzen ausstieß, als die Tür hinter dem Mann ins Schloss fiel.

Ruhe

Arams Montagabend sollte noch einige Stunden andauern, bis er sich ins Bett legte und grübelnd einschlief. Auch den nächsten Tag blieb er noch zuhause, schlief seinen Rausch, der nun komplett geleerten Flasche, aus und hievte sich erst am frühen Nachmittag aus dem Bett. Sein Weg führte ihn ins Badezimmer, um sich frisch zu machen, während er ein Bad für sich einließ. Der entstehende Dampf beschlug langsam den Spiegel und als die Wanne gefüllt war, ließ er sich in das fast schon zu heiße Wasser nieder. Die aufsteigende Hitze genießend, wich das lauten Tosen seiner Gedanken der Stille und entspannt lehnte er sich zurück. Eine ganze Weile saß er so da, bis er mit dem Kopf immer weiter nach unten rutschte und Luft holte, nur um sogleich den Kopf komplett unter Wasser zu tauchen. Die eben noch geschlossenen Augen schlugen auf und blickten durch das Wasser hinauf zur Decke oder vielmehr dem verschwommenen Weiß, welches erkennbar war. Das Rauschen des Wassers klang in seinen Ohren und die Bewegungen des Wassers umspielten immer wieder die rote Haarpracht. Doch schon nach kurzer Zeit richtete er sich nach Luft schnappend auf und strich sich die nun hinunter hängenden Haare nach hinten. Mittlerweile war auch das Wasser schon recht abgekühlt, also griff sich Aram das vorher bereitgelegte Handtuch und stieg vorsichtig aus der Wanne um sich abzutrocknen. Als er damit fertig war, trat er noch einmal vor den Spiegel, wischte diesen mit einer Ecke des Handtuchs trocken und betrachtete sich. Durch das Wasser schienen seine mandelförmigen grünen Augen noch strahlender und bildeten mit den verwuschelten Haaren einen schönen Kontrast. Ein kratzendes Geräusch erklang, als er mit der Hand über seine Wange und somit auch über den Dreitagebart strich, der ihm in den letzten Tagen gewachsen war. Kritisch musterte er diesen, bevor er aus dem Schrank neben sich Rasierschaum und ein Messeretui nahm. Mit dem Pinsel rührte er den Schaum einige Male um und trug ihn sich gleichmäßig auf. Als er damit fertig war und die Dose wieder verschloss, griff er zum Etui und ließ das Messer aufschnappen. Die silberne Klinge spiegelte das Licht wider, während er es in der Hand drehte und fast ohne es zu berühren mit dem Daumen über dessen Schneide streifte. Zufrieden lächelnd befand er die Klinge als scharf genug, setzte sie an seinen Hals an und zog sie nach oben zum Kinn. Das Messer wischte er nun ab und wiederholte den Vorgang, bis kein Haar mehr übrig war. Er wusch sich kurz das Gesicht, um es vom restlichen Schaum zu befreien und trat dann mit dem Handtuch um die Hüfte gebunden hinaus in den Wohnbereich. Dort schritt er direkt auf den Schrank zu, öffnete die Schwenktüren und musterte die darin hängende Kleidung. Dabei fiel sein Blick auf eine Uniform, die bereits im Schrank hing, als er letzte Woche seine Gewänder auspackte und hier einräumte, hatte sie sich jedoch noch nicht genauer angesehen. Interessiert griff er also nach dem Kleiderbügel und hielt ihn ausgestreckt vor sich. Die Uniformjacke war in einem hellen Beige gefärbt und wurde von goldenen Akzenten umfasst. Ebenso goldene Knöpfe zierten die zweireihige Knopfleiste, die so hoch reichte, dass der Kragen in geschlossenem Zustand direkt am Hals auflag, man konnte sie jedoch auch offener tragen, sodass der Revers schräg verlief. Was Aram jedoch weitaus interessanter fand, war die kleine Brosche, welche auf der Brusttasche angebracht war. Auf einem silbernen Hintergrund formten ein M und ein A, beides in schimmerndem Gold, ein Logo, bei dem es so aussah, als würde die verlängerte Spitze des Ms das A von oben durchstoßen. Seine Augen blieben einen Moment daran hängen, ehe er das Abzeichen auf den Oberarmen bemerkte, welches wohl vom Symbol der Forschungsabteilung geziert wurde – einem goldenen Zahnrad als Zentrum eines Atomkerns, umgeben von sechs Schalen, auf deren Äußersten sich ein weiteres, sehr viel kleineres Zahnrad befand.

Bei ihnen muss wohl alles aus Gold sein.

Mit einem schiefen Grinsen widmete er sich der restlichen Uniform, die aus einem weißen Hemd sowie einer schwarzen Anzughose bestand. Beides war im Gegensatz zu der Jacke sehr schlicht gehalten und nur das Hemd hatte am Kragen das Mors Aurum Emblem aufgestickt. In dieser Uniform hatte er schon mehrere Kultisten im Hauptgebäude gesehen und auch Aaron hatte bei ihrem ersten Treffen eine ähnliche an, seitdem fehlte aber zumindest die auffällige Jacke. Schulterzuckend hängte Aram die Uniform wieder zurück in den Schrank, nahm sich ein paar bequemere Sachen und streifte sie sich über. Als er damit fertig war, drehte er sich um und betrachtete das Chaos, welches sich vor Allem rund um die Couch angesammelt hatte. Ein Seufzen entrang seiner Kehle, ehe er sich daran machte, die Wohnung wieder ordentlich herzurichten.
 

Mittlerweile tauchte die Sonne den Himmel in ein tiefes Orange. Aram, der mit einem Buch auf der Couch lag, griff immer wieder zur Schüssel neben sich, aus der er einen Kartoffelchip nach dem anderen nahm und diese beiläufig knabberte. Innerhalb der letzten Tagen, die er ausschließlich in diesem Appartement verbracht hatte, hatte er sich soweit eingelebt, dass er sich mit allen Geräten auseinandergesetzt hatte und diese soweit verstand. Aber auch die neuartigen Lebensmittel fand er außerordentlich interessant und war doch etwas erstaunt, wie gut sie ihm schmeckten, auch wenn es sich wie gerade jetzt nur um einfache Chips handelte. Noch hatte er sich bei weitem nicht an das neue Leben gewöhnt, aber die Vorzüge, welche sich ihm auftaten, genoss er dennoch. Auch das Buch, welches er gerade so vertieft las, entstammte wohl einer moderneren Welt, wie das strahlend weiße Papier sowie die lockeren Umgangsformen des Schriftstückes selbst andeuteten. Ein Kriminalroman, ganz anders als die, die er kannte, aber dennoch fesselnd, nachdenklich und mit einem auflockernden Humor.

Nur wenige Stunden später, sein Snack war schon seit geraumer Zeit aufgegessen, klappte er das Buch zufrieden zusammen. Ein Blick auf die Uhr verriet Aram, dass es doch schon später war, als angenommen und doch etwas widerwillig richtete er sich auf, stellte das Buch ins Regal zurück und nach einem kurzen Besuch im Badezimmer, führte ihn sein Weg zum Bett. Seufzend ließ er sich darauf fallen und vergrub das Gesicht sogleich in dem weichen Kissen.

Morgen muss ich endlich zu Aaron. Ich will das nicht noch länger vor mir her schieben.
 

Am nächsten Morgen wurde Aram vom melodischen Klang seines Weckers geweckt. Eines der weiteren Dinge, die Aram in seiner Freizeit gemacht hatte – sich mit dem Handy soweit auseinandergesetzt, dass er unter anderem den Wecker einstellen konnte.

Noch schlaftrunken zwinkerte er einige Male, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten und ließ den Wecker wieder verstummen. Gähnend setzte er sich auf und streckte sich, ehe er gemächlich aufstand und sich erst einmal im Bad fertig machte. Daraufhin trottete er zum Schrank und zog die Uniform, die er am Vortag begutachtet hatte, hervor. Noch immer leicht skeptisch streifte er sie über, schloss den Schrank und beäugte sich im Spiegel, der auf den Türen befestigt war, während er die letzten Knöpfe der Jacke schloss. Vielleicht sogar ein kleines Stück zu eng, schmiegte sie sich an seinen Körper. Er wandte sich um, damit er auch ein Bild von seiner Rückseite erhaschen konnte. Das tief geschnittene Sakko reichte weit unter seine Hüfte und war hinten, wie die englische Tradition verlangte, mit zwei seitlichen Rückenschlitzen versehen. Tief ausatmend drehte er sich wieder um und sah seinem Spiegelbild in die Augen, während er den Kragen zurecht zog und den Blick anschließend noch einmal von oben nach unten wandern ließ.

So sehe ich also ab heute aus. Nicht das, was ich für mich geplant hatte, aber na ja, Stil hat es zumindest deutlich mehr als ein Kittel.

Mit einem Nicken wandte er seinen Blick schließlich von sich selbst ab, packte den Schlüssel, der neben der Tür auf einer Kommode lag und verließ das Appartement ohne sich noch einmal umzudrehen.
 

Den Weg hatte er noch gut im Gedächtnis und so dauerte es auch nicht lange, bis er vor dem kolossalen Gebäude doch ein klein wenig ehrfürchtig langsamer wurde. Er trat durch die Tür, vorbei an Sicherheitspersonal und anderen Kultisten, ehe er den Forschungstrakt betrat. Dort herrschte im Gegensatz zum Foyer friedliche Stille, doch ob das „friedlich“ hier zutraf, wollte Aram gar nicht zu genau wissen. Noch nicht.

Er ging weiter, bis zu der Tür, die Aaron mit seinem Handscan geöffnet hatte und blieb vor genau dieser stehen. Da seine eigenen Abdrücke noch nicht im System gespeichert sein konnten, gab es für ihn keine Möglichkeit die Tür von außen zu öffnen, also hoffte er auf sein Glück, dass Aaron sich bereits im Labor befand. Arams Klopfen hallte im Flur wider, ehe die Stille erneut Einzug hielt und er angestrengt lauschte, ob hinter der Tür Geräusche zu vernehmen waren. Nichts. Also erklang ein weiteres, lauteres Klopfen.

„Nicht jetzt!“

Die ziemlich entnervt klingende Stimme Aarons ließ Aram kurz Zusammenzucken, bevor er mit einem Schmunzeln auf den Lippen noch einmal klopfte, was immer lauter werdendes Stampfen mit sich brachte.

„Ich sagte doch nicht -“

Noch bevor er die Tür öffnete, begann er zu sprechen, stoppte jedoch abrupt, als er durch die halb geöffnete Tür sein Gegenüber erblickte.

„Jetzt?“

Das zarte Schmunzeln wich einem breiteren Grinsen, mit dem er den erstaunten Blick des Jüngeren entgegnete.

„Ich hatte gehofft, für mich würdest du dir die Zeit nehmen.“

Noch immer verdutzt starrte er Aram noch wenige Sekunden an, bevor er den Kopf schüttelte und die Tür weiter öffnete.

„Natürlich, komm rein.“

Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die müden Augen und schloss die Tür hinter dem Eingetretenen.

„Aram, ich -“

Zögernd begann er, wurde jedoch erneut von Aram gestoppt, dieses Mal jedoch von seiner erhobenen Hand und dem ernsten Gesichtsausdruck, der das Grinsen abgelöst hatte.

„Nein. Ich will keine Entschuldigungen, Beteuerungen oder Rechtfertigungen mehr hören. Um ehrlich zu sein, will ich gar nichts mehr darüber hören. Es ist passiert, man kann nichts daran ändern und deshalb sollten wir die Sache auch bei sich beruhen lassen.“

Ein zustimmendes Nicken war das einzige, was Aaron auf die Schnelle hervorbrachte.

„Aber eines erwarte ich von dir.“

Arams zuerst noch bedauernd klingende Stimme, hatte nun einen sehr strengen Ton angenommen und auch sein Blick festigte sich.

„Und das wäre?“

„Dass du ehrlich zu mir bist, egal um was es geht. Immerhin willst du mit mir zusammenarbeiten, aber das geht nur, wenn ich dir vertrauen kann.“

Aarons besorgte Miene wurde zu einem freudigen Lächeln, als er die Bitte des Rothaarigen vernahm.

„Du kannst dich auf mich verlassen.“

Blut

Arams Miene lockerte sich und ein unscheinbares Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, ehe er sich dem großen Tisch in der Mitte des Labors näherte. Mit einer Hand öffnete er die Knöpfe seiner Jacke und ließ sich auf einen der Drehstühle nieder.

„Na dann, womit beginnen wir?“

Aaron, der sich mit den Händen an der Tischkante vor Aram abstützte, schenkte diesem einen eindringlichen Blick, der von einem verschmitzten Lächeln begleitet wurde, woraufhin er eine leicht skeptische Mimik seines Gegenübers erntete.

„Ach, erst einmal nur mit trockener Geschichte.“

Er streckte sich in die Höhe und stieß ein lautes Gähnen aus.

„Und einem Kaffee. Du auch?“

Ein Nicken bejahte seine Frage, gefolgt vom Rollen des Stuhls und zwei Paar Schritten, welche sich gemeinsam in den hinteren Bereich des Labors begaben, wo Aaron die Türe vor sich öffnete und den Blick auf eine Küche freigab.

„Nicht gerade groß oder voll mit Hightech-Geräten, aber es gibt alles, was man braucht.“

Er untertrieb zwar nicht, jedoch bot die kleine Küche genug Platz für eine Küchenzeile mit eingebautem Kühlschrank, einem Herd mit Backofen, einem Geschirrspüler und einer Spüle sowie diversen Kleingeräten und genug Stauraum für Geschirr. Gegenüber der Zeile fand auch noch ein Tisch mit vier Stühlen Platz und man konnte sich noch immer, auch zu zweit, frei bewegen, ohne sich gegenseitig zu beengen.

Aaron, der bereits zur Kaffeemaschine gegangen war, nahm zwei Tassen aus dem Hängeschrank darüber, schenkte den bereits gebrühten Kaffee in beide Tassen ein und schob eine davon von sich weg, um sie Aram anzubieten.

„Milch oder Zucker?“

„Beides.“

Ein kurzer, überraschter Blick traf Aram, ehe Aaron ihm die Milch aus dem Kühlschrank neben sich und den Zucker aus dem Schrank darüber entgegenreichte, welche er dankend annahm. Nachdem er beides, einen Schuss Milch sowie zwei Würfel Zucker, in seine Tasse gefüllt hatte, schloss er sich dem Jüngeren an, der bereits dabei war, die Küche wieder zu verlassen und an seinem schwarzen Kaffee nippte. Aram folgte ihm, stellte seine Tasse ab und warf die Jacke, die er sich nun von den Schultern streifte und über die Lehne des Stuhls, auf dem er vorhin schon gesessen hatte, hängte, bevor er sich selbst wieder auf diesem niederließ. Aaron, der wartend einige Schritte vor ihm stand, beobachtete ihm trinkend dabei.

„Die Uniform steht dir ausgesprochen gut, aber du musst sie jetzt nicht jeden Tag tragen. Das Wichtigste an ihr ist das da.“

Mit einem klirrenden Geräusch schnippte er gegen die kleine Brosche, die sich an der Brusttasche seines schwarzen Hemdes befand.

„Was für dich momentan noch diese Karte ist, ist für uns eigentlich dieser Anstecker als aufgerüstete Version von ihr. Mit einem Mikrochip ausgestattet, identifiziert er dich mit deinen persönlichen Daten, Fingerprints, einem Iris-Scan, um genau zu sein sogar einem generellen Bodyscan. Dadurch weiß er, dass du wirklich du bist und öffnet dir den Zugang auf Bereiche und Daten. Aber auch in anderen Bereichen kommt er zum Einsatz. Er ist deine medizinische Akte und fungiert als Zahlungsmittel. Zumindest intern. Dein Lohn wird darauf gespeichert, falls du Bargeld benötigst, kannst du es an einem der Automaten abheben.“

Unsicher ob er alles verstanden hatte, blickte Aram hoch in das Gesicht des jüngeren. Für diesen war es wohl komplett normal, für Aram selbst wirkte jedoch alles noch immer so surreal, auch wenn er stets bemüht war, das neue Wissen aufzunehmen, zu verstehen und es sich anzueignen.

„Also muss sich jeder Neue einer detaillierten Untersuchung unterziehen?“

„So ist es. Aber neue Mitglieder sind nicht die einzigen. Wir haben generell eine Routine von drei bis sechs Monaten, je nach Aufgabenbereich. Jemand aus der Exekution, der auf Missionen geht und sich unbedingt fit halten muss, muss daher öfters zur Untersuchung als einer, der nur im Büro sitzt.“

„Macht Sinn. Und wann wird meine stattfinden?“

Nervös und mit etwas Unbehagen schenkte er dem Blonden einen fragenden Blick.

„Wenn du willst, kannst du sie gleich heute machen.“

„Okay. Und wer hat das Vergnügen mich untersuchen zu dürfen?“

„Du selbst.“

„Ich selbst?“

„Mit mir als Assistenten. Ich dachte das wäre ein guter Einstieg für dich, die Geräte und Aufzeichnungsmethoden kennenzulernen.“

Überrascht und mit einem vorfreudigen Funkeln in den Augen sah er zum Blonden auf.

„Das wäre es in der Tat. Und was ist mit der trockenen Geschichte?“

„Ach, die kann ich dir auch später erzählen, dein Chip ist gerade wichtiger.“

Damit schritt er auch schon geschwind an Aram vorbei, klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter und lief gleich weiter zu einem Schrank, aus dem er einige Utensilien entnahm. Bei diesem einen blieb es aber nicht und so beobachtete der immer noch sitzende Aram, wie sein Kollege von einem Schrank zum nächsten huschte, Dinge aus diesen auf den Tisch stellte und somit der Berg aus Utensilien immer größer wurde, bis Aaron sich zufrieden auf einen Stuhl fallen ließ. Aram hatte unterdessen begonnen, die Dinge auf dem Tisch zu sortieren, um wieder eine gewisse Ordnung herzustellen. Gerade als er ein flaches, ihm unbekanntes elektronisches Gerät zur Seite legen wollte, wurde es ihm von Aaron entrissen.

„Das brauche ich.“

Er legte es vor sich, klappte es wie ein Buch auf und per Druck auf einen Knopf, begann der hochgeklappte Teil wie ein Handy zu leuchten. Die Tasten auf der Unterseite erinnerten stark an die einer Schreibmaschine.

„Ein Notebook. So etwas ähnliches wie dein Handy, nur größer, zum Aufklappen, mit Tastatur und mehr Leistung.“

Ein langsames Nicken bezeugte von Arams skeptischem Verständnis.

„Und für was brauchst du es jetzt?“

„Um deine persönlichen Daten aufzunehmen. So kannst du in der Zwischenzeit schon mal mit etwas anderem beginnen.“

„Gar keine so schlechte Idee.“

Nachdenklich ließ er den Blick über die Utensilien schweifen und überlegte, mit was er am besten anfangen sollte. Vieles davon kannte er nicht einmal und die Dinge, die er kannte, waren mitunter zu modern, als dass er damit etwas hätte anfangen können, also blieben ihm nur geringe Auswahlmöglichkeiten. Schlussendlich zog er eine Box mit verschiedenen Monovetten zu sich, gefolgt von einer Kanüle, einem Stauschlauch, Schutzhandschuhen, Tupfern, Desinfektionsspray, einer Unterlage und einer Pflasterrolle, von der er auch schon zwei passende Stücke abschnitt und die Rolle wieder zurücklegte. Beim Mustern der Röhrchen fielen ihm die verschiedenen Farben der Deckel auf sowie die Beschriftungen, die schon seinen Namen trugen.

„Aaron?“

Der Blondschopf, welcher bereits eifrig in die Tasten klopfte, drehte den Kopf seinem Kollegen zu und das Tippen verstummte. Er richtete den Blick auf die Box vor ihm und der Hand, die mit einem der Röhrchen wackelte. Kurze Ratlosigkeit stand in seinem Gesicht, bis er schlagartig wusste, was Aram von ihm wollte.

„Ah. Die verschiedenen Farben bedeuten, dass die Röhrchen mit unterschiedlichen Wirkstoffen präpariert wurden, die die Gerinnung hemmen. Du kannst sie schon mal befüllen, dann erkläre ich dir die Beschaffenheiten und Anwendungsgebiete genauer. Das einzige was du wirklich beachten musst, ist die Reihenfolge.“

Er rollte mit dem Stuhl näher zu Aram, sodass er die Monovetten selbst ordnen konnte.

„Zuerst kommen die neutralen, danach die braunen mit dem Serum-Gel. Die lässt du danach bitte ca. 20-30 Minuten einfach im Probeständer stehen. Danach die grünen für das Citrat-Vollblut, die roten für EDTA-Vollblut, die gelben für Fluorid-Vollblut und zu guter Letzt die violetten, ebenfalls mit Citrat aber mit einer anderen Menge, für die Blutsenkung. Gerade bei Citrat und EDTA ist es wichtig, dass die Monovetten ganz bis zur Markierung gefüllt sind, damit das Mischverhältnis wirklich exakt ist.“

Ein halb faszinierter und halb verstörter Gesichtsausdruck starrte Aaron an, als dieser seine Erklärung beendet hatte. Ohne die Mimik zu lockern, wanderten seine Augen zur Box mit den Monovetten, welche nun von links nach rechts in der richtigen Reihenfolge sortiert waren.

„Ich hätte nicht gedacht, dass man mir allein zu den Röhrchen noch so viel erklären muss… Das kann alles noch lustig werden.“

„Schaffst du schon.“

Lächelnd gab der Blonde ihm einen herzhaften Klaps auf den Rücken.

„Brauchst du noch etwas?“

Musternd zog Aram eine der neutralen Monovetten heraus und zog am Kolben, bis dieser mit einem Klicken einrastete.

„Kann man die auch nach dem Unterdruckprinzip verwenden?“

„Jap. Der Kolben rastet ein, sobald er komplett zurückgezogen wurde, wodurch ein Unterdruck hergestellt wird. Den Kolben kannst du dann ganz einfach abknicken. Ach, und kippe die Proben wenn du fertig bist mehrmals über Kopf, damit sich die Präparate gut vermischen können.“

Dieses Mal wirkte Arams Nicken etwas eifriger und schon machte er sich auf, um mit der Blutentnahme zu beginnen und auch Aaron drehte sich wieder zu seinem Notebook, als er merkte, dass seine Hilfe wohl nicht mehr von Nöten war.

Gekonnt krempelte der Rothaarige seinen linken Ärmel über den Ellenbogen, breitete eine Unterlage vor sich aus und legte anschließend den Arm darauf ab. Er ballte die Faust um einen besseren Blick auf seine Venen zu bekommen und wurde auch ziemlich schnell in seiner Ellenbeuge fündig. Die Punktionsstelle musste er sich jetzt merken, bis er seine Schutzhandschuhe angezogen hatte, damit er die Stelle mit Hautdesinfektionsmittel einsprühen konnte. Dieses ließ er kurz einwirken, wischte es mit einem Tupfer ab, nur um das Mittel noch ein weiteres Mal aufzusprühen, jedoch ohne es ein weiteres Mal abzuwischen. Vorsichtig öffnete er nun die Verpackung einer Kanüle und stellte sie neben seine linke Hand. Mit etwas Mühe legte er die Stauung an, ehe er die Schutzkappe der Kanüle entfernte und etwas unbeholfen wirkend die Haut unter der Punktionsstelle spannte.

Aaron, welcher ihm immer wieder einen neugierigen Blick zuwarf, kam nicht umher ihm seine Hilfe anzubieten, wurde jedoch mit den Worten „Das ist nicht das erste Mal, dass ich mir selbst Blut abnehme“, abgewiesen und es somit bei den neugierigen Blicken blieb.

Gleich darauf, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass die Stelle und der Nadelschliff passten, durchstach die Nadel zügig und in einem flachen Winkel seine Haut und blieb erst stehen, als sie mehrere Millimeter im Blutgefäß platziert war. Mit einem Pflaster stabilisierte er die Kanüle, um mit der anderen nun ein Röhrchen nach dem anderen aus dem Probenständer zu entnehmen, sie penibel genau mit der dunkelroten Flüssigkeit zu befüllen und diese danach wieder in den Ständer zurückzustecken. Erst als er die letzte gefüllt hatte, löste er die Stauung, entfernte das Pflaster, nahm sich einen Tupfer, welchen er mit dem Daumen sacht über die Einstichstelle legte, entfernte dann mit den anderen Fingern, wieder etwas unbeholfen aber ohne Probleme, die Kanüle und presste nun den Tupfer fest auf die punktierte Stelle. Mit dem zweiten Pflasterstreifen befestigte er den Tupfer, um sich sogleich um die anderen Dinge kümmern zu können. Die Nadel entsorgte er sofort in die dafür vorgesehene Aufbewahrungsbox, bevor er sich den Monovetten widmete und diese erst mehrere Male kippte, anschließend den Kolben abbrach und sie wieder zurück in die Box stellte. Diese schob er nun Aaron, dessen Blick schon seit ein paar Minuten auf ihm lag, zu.

„Dann zeig mir mal, wie ich sie zu analysieren habe.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Codric
2016-08-28T13:01:06+00:00 28.08.2016 15:01
„Nicht gerade groß oder voll mit Hightech-Geräten, aber es gibt alles, was man braucht.“
Aram braucht sich eh nicht zu beschweren, die "Küche", die ich ihm gegeben habe, war ja noch geringfügig spartanischer eingerichtet.

Blutentnahme! Was habe ich lieber? Umso besser, dass das als Erstes kam, jetzt hat Aram das (genau wie ich als Leser) zumindest schon hinter sich. >. <
Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis Aram komplett im System von Mors Aurum gespeichert ist. (Was Überwachung angeht, sind sie unserer Welt damit noch ein paar Jahre voraus - fragt sich nur, wie viele. *ahem*) Und jetzt beginnt er, wenn auch noch gemächlich, endlich mal seine Arbeit. Ich bin gespannt, wie diese denn aussieht, wenn Arams Systemaufnahme vollendet ist - und ob die "trockene Geschichte", die Aaron angekündigt hat, wirklich so trocken ist.

(Und ja, ich bin einen Kommentar ausgekommen, ohne mein Misstrauen Aaron gegenüber zu bekunden. Ich lass es jetzt ruhen. OFFIZIELL.)
Antwort von:  Suiya
28.08.2016 20:39
An das musste ich auch denken xD
Wenn dann wäre es wohl Aaron selbst derjenige, der sich beschwert xD

Mwuahahaha!!!!
Das war auch so geplant!!
Aber war auch nicht so einfach zu schreiben und die Vorstellung im Kopf zu haben dabei >.<
Und Aram macht es einfach als wärs das normalste auf der Welt, aber gut, wäre auch traurig wenn ein angehender Arzt Probleme mit Blut hätte...
Jap.^^
Ja, er kann ja auch nicht von heut auf morgen mit dem agbedrehten Shit beginnen xD Zuerst müssen mal die bürokrtatischen Dinge erledigt werden, Einarbeitung, viel Erkläre,...
Ich will mich mit der Systemaufnahme eh nicht so lange beschäftigen müssen, danach kommt die Geschichte xD

Uh, das freut mich^^ Endlich bekommt Aaron seine verdiente Liebe~

Das nächste Kapitel wird sich aber etwas verzögern, ich arbeite gerade an einer Erneuerung des Prologs und werde mich dann auch um die ersten Kapitel kümmern. Wie ich mich kenne, werde ich aber wohl ganz viel zwischen den Kapiteln rumswitchen xD
Von:  Sunshinera
2016-08-22T20:43:10+00:00 22.08.2016 22:43
Super Kapitel mach ja weiter so .
Freue mich schon wenn es heißt das es weiter geht.^^
L.g Sunshinera
Antwort von:  Suiya
22.08.2016 22:53
Vielen Dank~ x3
Freut mich wenn es gefällt.
Ich versuch so schnell zu schreiben wie es geht xD
Von:  Codric
2016-08-13T16:42:16+00:00 13.08.2016 18:42
„Du kannst dich auf mich verlassen.“
ALS OB.

Ich sehe, warum Du mit diesem Kapitel Schwierigkeiten hattest, Slice of Life stelle ich mir beim Schreiben sehr dröge vor. Aber so wie es aussieht, wird sich das nicht über mehrere Kapitel ziehen.
Lange kannst Du Dich aber nicht mehr davor drücken, Arams Arbeit zu beschreiben. Letztendlich ist er jetzt mit Aaron alleine im Labor, das legt nur zwei Möglichkeiten nahe, und die Andere bleibt mir überlassen. Also los, ICH WILL WISSENSCHAFT SEHEN!!!
Für weitere Rückfragen zu meiner Meinung schreibe mir nicht hier auf Animexx, immerhin sitze ich gerade auf der Couch hinter Dir.

Mit freundlichen Grüßen,
こどリこ ぎリせわろど
Von:  Codric
2016-07-30T15:38:11+00:00 30.07.2016 17:38
Tony didn't want to be the bee's knees! He wanted to be a normal guy with normal knees!

Interessante Entwicklung. Den Selbstmord finde ich nach dem Brief sehr nachvollziehbar - wenn man damit rechnen muss, eine Gefahr zu sein, die man selbst nicht unter Kontrolle bekommen kann, erscheint der Freitod letztlich als Schadensbegrenzung.
Ich muss aber sagen, dass ich den Brief gerade zu Beginn unpassend, zu "modern" formuliert finde. Sicher nutzt er in einem (höchst privaten) Brief an einen guten Freund keine hochgestochenen Vokabeln, aber es wirkt komisch, wenn er beispielsweise von "einigen Typen" schreibt. Nach einer Nacht mit Aaron (höhö) wird sich seine Sprechweise nicht so stark angepasst haben.

Davon ab, sehr schön. Aarvand entwickelt sich zunehmend zu einem interessanten Charakter, bei dem ich auch noch nicht weiß, wie sehr man ihm trauen kann (DIE HABEN DOCH ALLE DRECK AM STECKEN). Und auch Aram hat etwas durchblitzen lassen, was meiner Meinung nach so vorher nicht zu sehen war: Seine wissenschaftliche Begeisterung lässt ihn scheinbar sogar seinen Verdruss um Tony (der hier wohl seinen Höhepunkt hat) vergessen.
Vermutlich wird sich bei mehreren Charakteren erst noch mit der Zeit herauskristallisieren müssen, welchen Weg sie einschlagen.

Ich habe auch noch ein paar Verdachtsmomente, die ich aber vorerst für mich behalten werde... Bin gespannt, wie sich Aram jetzt aus seinem Tief ziehen und seine Arbeit in Mors Aurum aufnehmen wird. :D
Antwort von:  Suiya
30.07.2016 20:12
xD

Yay, so sollte es auch rüberkommen.
Ok, da muss ich dir zustimmen. Aber allein so die richtigen Worte zu finden war schwer, ich hätte statt Typen eher Kerle schreiben sollen, das wurde ja schon früh benutzt. Werde ich gegebenenfalls mal ändern^^

Danke^^
Yay, meine 5 As xD
Freut mich wenn ein Leser so etwas mitbekommt, weil genau das wollte ich zeigen.
Das sowieso und BtS geht ja noch eine ganze Weile^^'

Uh~ Das macht mich jetzt aber neugierig, welche Verdachte du hast ><
Von:  Codric
2016-07-24T10:01:36+00:00 24.07.2016 12:01
Okay.
Das ist... hart.
Ich hatte anfangs den Verdacht, dass es vielleicht doch Selbstmord war, aber von der Fährte hast Du mich dann erfolgreich abgebracht. Aber ich hätte nicht daran gedacht, dass das ganze mehr als ein Zufall ist. Ein ziemlich guter Twist.
Fies bist Du ja schon, wie Du Dich von einem Cliffhanger zum nächsten hangelst. Wehe, das nächste Kapitel ist nicht auch schon morgen oben! :p
(Nein, lass Dir ruhig Zeit. xD)
Antwort von:  Suiya
25.07.2016 09:19
Jap.
Das freut mich, ich hatte im Nachhinein gehofft, dass damit keiner (mehr) rechnet.
Aber ich muss zugeben; das alles war so auch gar nicht geplant^^' Die Geschichte ist langsam an dem Punkt, an dem sie sich selbst schreibt und ich eher frage: "So, Aram, wie gehts jetzt weiter?" xD
Ich hoffe nur, er ist mit dem zufrieden, was ich alles noch für ihn geplant habe... >w<

Sorry x'D
Heute werde ich damit wohl nicht dienen können, aber ich werde mich ranhalten.
Habe nur gestern endlich damit begonnen, ein (provisorisches) Cover zu zeichnen.
Von:  Codric
2016-07-23T16:50:44+00:00 23.07.2016 18:50
CLIFFHANGER.

"Ich kann so einiges, von dem du nicht weißt."
MISSTRAUEN.

Scheint, als steckt 'ne Menge (HOPPLA!) mehr hinter Tonys Tod, als zunächst angenommen, da bin ich mal gespannt. Arams Labor weckt auch Neugier - wenn er aus einem veralteten Buch und ein paar Auraproben schon bemerkenswerte Ergebnisse erzielt, was wird er sich dann in einer für ihn schon futuristischen Forschungseinrichtung zusammenmacgyvern? Wir werden sehen...

Gegen Ende sind mir kurz hintereinander zwei Fehler aufgefallen:
"... und ein sterile Geruch, denn er..."
Ansonsten sehr gut geschrieben. Nimm es als Kompliment, dass meine einzige Kritik Flüchtigkeitsfehler sind. :D
Antwort von:  Suiya
23.07.2016 21:17
HOPPLA! Ich liebe sie. xD'

Und nochmal, du und dein Misstrauen. Mir tut Aaron fast schon leid xD

Tja, das nächste Kapitel ist schon recht weit, heißt du kannst es evtl. sogar heite oder morgen schon lesen. "Zusammenmacgyvern" - das sollte in den Duden x'D

ARGH!
Hab's auch schon korrigiert, danke.
Tu ich^^
Von:  Codric
2016-07-19T10:02:16+00:00 19.07.2016 12:02
Eine Organisation mit familiär gebundener Autorität... Sieht man auch eher selten. Mein Misstrauen steigt.
War klar, dass sich Aram sehr bald schon verlaufen und Hilfe brauchen würde (was mir an seiner Stelle traurigerweise auch ohne Trap Streets passiert wäre... Aber dafür komme ich besser mit Handys klar!). So haben wir immerhin einige Hintergrundinfos zu Mors Aurum erfahren. Ich denke ohnehin, MA wird hier weit mehr als ein Mittel zum Zweck sein. We'll see.

Am Ende des ersten Absatzes (zwischen "auswärts etwas isst" und "So packte er die Schlüssel") kommt es mir vor, als ob da ein Teil fehlt.
Davon ab, gutes Kapitel! (Aber Du spannst uns ganz schön auf die Folter, wie denn nun Arams tatsächliche Arbeit aussieht. :D)
Antwort von:  Suiya
19.07.2016 12:23
Du und dein Misstrauen xD
Das Lustige daran; Ich hatte am Ende noch mehr bezüglich der Arvids stehen, dachte mir aber im Nachhinein, dass es doch zu ausführlich für den momentanen Stand ist. Es könnte dem späteren Verlauf etwas Spannung nehmen, daher habe ich es auf das gekürzt, das man jetzt hier lesen kann.
Wie würdest du dich denn fühlen, wenn man dir was in die Hand drückt, was erst in etwa 100 Jahren existieren sollte? x'D Er bekommt das schon noch hin^^'

Stimmt, die Formulierung ist nicht perfekt gewählt... Naja, sowas kann halt sogar bei mir vorkommen xD

Vielleicht weil ich selbst noch keinen Plan habe xD Ne, doch, ich weiß was er tut, aber es ist schwer so eine komplexe Arbeit (nicht nur die von Aram, sondern des ganzen Kults) richtig zu beschreiben, dass es auch jeder versteht ohne langweilig, langatmig oder zu gerushed zu wirken.
Von:  Codric
2016-07-13T13:52:00+00:00 13.07.2016 15:52
"Woher kommst du?"
"Was genau meinst du?"
"Woher du kommst."
Hätte von mir sein können.

Ein Torchwood Institut in Cardiff, eine Zweigstelle von Mors Aurum in London... Was geht im Engellande wohl sonst noch alles ab?
Jetzt geht es also los. Aram ist endgültig in einer quasi neuen Welt angekommen (bald vielleicht sogar wörtlich, wer weiß) und arbeitet nun für die Erforschung der Aura... Ob es da nicht irgendwo Hintergedanken gibt? Aaron kommt mir eigentlich schon zu freundlich vor...
Gleich drei sehr interessante Konzepte. Aaron kann nicht durch die Zeit reisen, sondern allenfalls in bereits weiterentwickelte Welten... Hätte ich mir selbst nicht gedacht, ergibt aber Sinn. Die Trap Streets sind auch nicht schlecht (musste an das Hauptquartier des Ordens des Phoenix aus HP denken, wobei das ja nochmal anders war). Not bad. Gab es diese Trap Streets
(als Plagiatsfallen, nicht die magischen) tatsächlich?
Und in diesem Kapitel erfahren wir den Namen von Aarons Welt - Eden! Und wenn das mal kein interessanter Name ist... Basiert Eden auf irgendeiner Reihe, oder stammt die Welt von Dir?

Sodenn sind wir jetzt bei dem Part, wo es richtig losgeht. Und es ist vielversprechend, ich werde weiterlesen! (Nicht, dass ich eine Wahl hätte. Wer weiß, was ihr sonst mit mir macht. o_o)
Antwort von:  Suiya
13.07.2016 16:33
xDD
Ja, sowas kommt auch von mir xD
Torchwood wäre eigentlich eine Idee, die ich einbauen könnte, dafür müsste ich es aber erst einmal anschauen... Danke, jetzt hab ich wieder was was zum fernsehen x3

Tja, dazu verrate ich noch nichts^^

Trap Streets gibt es seit der Antike und tatsächlich sogar heute noch. In einer Karte von London gibt es sogar ~100 Stück davon.
Solltest du bei Doctor Who jemals an diesen Punkt ankommen und ich hoffe doch, das wirst du, siehst du dass ich die Idee mit den Trap Streets daher habe, das Grundkonzept hatte ich aber davor schon (also versteckte Straßen, ähnlich der Winkelgasse o. ä.)

Das bezüglich Eden kann ich ja schonmal verraten; Es ist eine eigene Welt x3
"Richtig losgeht" - weiß nicht ob man es so nennen kann xD'
(Das willst du gar nicht wissen!)
Von:  Codric
2016-07-06T23:04:01+00:00 07.07.2016 01:04
"Den Rest der Zeit verbrachte er damit, in die Leere zu starren und darauf zu warten, dass die Zeit verging."
Sobald er erst einmal weiß, wie das Handy funktioniert, wird es solche Momente nicht mehr geben.

Wie heißt es so schön? Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Oder umgekehrt. Ich würde sagen, damit - Antritt der Reise, für den Protagonisten gibt es quasi kein Zurück mehr - sind wir endgültig beim Handlungseinschnitt. Noice.
Dein Schreibstil ist gewohnt gut, das Kapitel liest sich flüssig und angenehm. Und kommt es mir nur so vor, oder ist das Kapitel eines der Längeren? Kann mich aber auch irren.

Jetzt geht es für Aram also richtig los. Was wird ihm auf seinem neu gewählten Weg widerfahren? Dies erfahren wir...
... morgen, wenn Du das derzeitige Tempo beibehältst. Verwöhn Deine Leser nicht, das rächt sich später noch! xD
Antwort von:  Suiya
07.07.2016 01:54
xDD
Naja, so technikverrückt ist er dann auch wieder nicht x'D

Jap. Hier ist sogesehen der Prolog der Geschichte beendet, jetzt beginnt der Hauptteil. Und ja, es ist bisher mein längstes Kapitel, wollte es aber nicht teilen oder kürzen, deswegen ist es halt mal bisschen länger^^'

x'DD
Okay, ob ich es morgen schaffe bezweifle ich, aber ich hab zumindest schon damit angefangen. Und verwöhnen tu ich schon nicht, nur wenn ich gerade so nen Lauf habe, will ich nicht extra warten mit hochladen^^'
Von:  Codric
2016-07-04T18:38:26+00:00 04.07.2016 20:38
ERSTER!

Jetzt kam also, wie ich schon halb erwartet hatte, ein ganzer Batzen Handlung hinzu. Eine Organisation zur Erforschung und Kontrolle magischer Kräfte... und Aram, der als "Normalsterblicher" dazustößt. Ich glaube nicht, dass er Tonys Tod so schnell verzeiht, entsprechend bin ich gespannt, wie die Zusammenarbeit laufen wird.
Schreibstil gewohnt gut, keine größeren Mängel. Weiter so! *tätschel*
Antwort von:  Suiya
05.07.2016 09:58
Ja, ich denke, dass ab jetzt die Story wirklich beginnt, alles davor ist halt eher Aufbau zur Haupthandlung. Zum Verlauf sage ich aber noch nichts, ich habe aber noch einiges geplant x3
Aww, danke~


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