Vor der Stunde, ist nach dem Leid
Gewalt, Geschrei, tobende Angst. Wer hätte gedacht, dass man noch fünf Minuten vor dem Unterricht wieder solch territorialer Angst ausgesetzt werden konnte wie in diesem Moment. Muteki Katasa, der, wenn auch ein wenig weiblich wirkende, Sohn des Muteki Clans, zettelte erneut einen großen Streit an, welcher verschiedene Clans mischte. Katasa suchte sich von allen immer die Schwächsten für seine Pöbeleien aus, dieses Mal Shoukosei Akari, Erstgeborener vom Shokousei-Clan. Allen bekannt vermied Akari gerne körperliches Training, weil er eine kleine Abneigung gegenüber Gewalt verspürte. Für einen Ninja eine leicht unpassable Einstellung.
„Ey, du Salatpflücker! Hast du mich nicht verstanden?! Ich hab gesagt, dein Clan ist nutzloser als der Kompost, den ihr produziert, klar? Wenn du mir nicht aus dem Weg gehst, zeig ich dir, was der Muteki-Clan kann du Versager.“
„Ja, gib's dem Pflanzenheini, sauber.“
Mein Gott, man könnte meinen, dass ein Einzelnder Idiot nicht vollkommen ausreichen würde, nein. Immer schleppte dieser Proll seine zwei Fanboys herum, von denen Kanba nicht einmal die Namen kannte. Sie stammten aus keiner tollen Ninja-Familie und dackelten Katasa deshalb wie lausige Köter ununterbrochen nach, sozusagen sein peinliches Gefolge mit eingebauter Papageien-Funktion, um ja auch jede Beleidigung nochmals zu bejahen wie zu wiederholen, schrecklich!
Akari schaute lediglich auf den Boden. Ihm fehlte das Selbstbewusstsein, um solch einem Diligenten die Stirn zu bieten. Viele schauten weg, einige genau hin. Doch etwas unternehmen... tat keiner.
Kanba konnte keine Sekunde länger still sitzen.
„Lass ihn in Ruhe, Katasa.“
Sofort vibrierte die Luft, während die Aufmerksamkeit langsam auf ihn überschwappte.
„Wie war das Gerade? Hast du Bauerntrampel mir etwa gerade etwas befohlen? Ich glaube, ich hab mich wohl verhört.“
Kanba musste unweigerlich lächeln, wegen des Planes, der gerade aufging.
„Vielleicht hast du mit deiner Clan-Kraft ja bereits deinen Gehörgang verhärtet und mich deshalb nicht verstanden. Ich sagte, lass ihn in Ruhe.“
Am Ende sprach er jedes Wort einzelnd betont aus, schön langsam.
Bald wird näher auf die Clans eingegangen. Jetzt war noch nicht die Zeit dafür.
„Na, dann pass mal auf, du Kuhtreiber!“
Unglücklicherweise wollte er ihm seine Macht demonstrierten, indem er Akari ziemlich unsanft am Kragen packte, was ihn laut aufschrecken ließ aus der Trance des Bodenschauens.
„Katasa, bitte...“
„Ohh, der Unkrautjähter bettelt, wie süß. Warum kommst du nicht runter und hilfst ihm, du stinkender Feldarbeiter?“
Plötzlich schauten einige in der Klasse ganz entsetzt, aber keinesfalls wegen Katasa, sondern aus dem gleichen Grund wie Kanba lächelte. Sensei Momoka Akuma stand hinter dem Pöbler, und der Ausdruck in ihrem Gesicht brachte jeden in der Klasse dazu, unter die Sitzbank zu kriechen, vorausgesetzt man traute sich noch sich zu bewegen!
„Könntest du das für mich noch einmal wiederholen, du kleiner Schleimscheißer?“
In jedem Wort lag der Tod begraben, was Katasa kreidebleich werden ließ. 'Machs gut' stand auf seiner Stirn förmlich geschrieben.
Keine Gnade würde ihn erwarten, woraufhin Kanba bei dem Gedanken wieder lächeln musste, welches aber sofort verschwand, als Lehrkraft Akuma den Jungen gleichartig sehr sehr unsanft mit lächerlich zwei Fingern am Kragen in die Luft hob.
„Und nun, sieh mir tief... In die Augen, Kleiner.“
Egal wie sehr Katasa zappelte, ihrem stahlharten Griff würde er niemals entkommen. Aus Sensei Momokas Mund floss mühsam eine schwarze, stark an Rauch erinnernde Schwade heraus, welche sehr gemütlich schwebend den Weg in Katasas Augen fand, der daraufhin nur noch heftiger rumzappelte, bis er anfing herum zu schreien. Kanba versteckte sich unweigerlich unter dem Tisch! Es lagen merkwürdige Stimmen in der Luft, die sich quasi direkt ins Gehirn bohrten, während die Luft kühl und der Raum dunkler wurde. Viele versuchten ihre Ohren mit den Händen abzudecken, doch das half kein bisschen. Man verstand kein Wort von dem, was diese flüsternden sowie zeitgleich hoch und tief kreischenden Stimmen sagten, es klang einfach wie ein Ruf der Hölle. Wann war es endlich vorbei. Zwischen den letzten Reihen weinte bereits ein Mädchen, Arisu Karui, eine eher zart beiseitete Natur einer kleinen Ninja-Familie, die diesem psychischen Terror nicht standhielt. Keiner hielt ihm stand, bis auf Michiko Akuma, ihrer Cousine. Sensei Akuma bemerkte die weinende Arisu, hörte sofort auf und ließ den bewusstlosen, dafür aber weiterhin zappelnden Muteki-Sohn, dem bereits außer den schwarzen Augen auch ordentlich unkontrolliert Speichel aus dem Mund floß, genauso unsanft auf den Boden fallen wie sie ihn hochgezogen hatte. Souzen staunte nur.
„Woah... welch beeindruckende Sasayaku-Kraft...“
„Erschreckend gut triffts wohl eher...“
Sofort stolzierte Sensei Akuma Richtung Arisu, die langsam aber sicher stetig ihre emotionale Stabilität wiedererlangte. Sie setzte sich neben ihre Schülerin und nahm sie liebevoll in den Arm, und dann hob sie das Kinn von Arisu an, damit beide Augenkontakt aufbauten.
„Hab keine Angst. Die Dunkelheit wird dich nicht verschlingen, solange du deine Seele hell erstrahlen lässt. Mach dir keine Sorgen, du wirst das finden, was du suchst.“
Damit endete Sensei Akumas Vortrag und ließ die offenmundig leicht erstarrte, nun jedoch deutlich glücklichere Schülerin zurück, die die letzten Tränen im Hemdärmel abwischte. Was sagte man dazu, auch Sensei Akuma konnte mal ganz süß sein. Aber Kanba würde es niemals wagen, das laut auszusprechen, wegen nun ja... kuckt euch an wie Kasata aussah... Kanba zitterte bei dem Gedanken.
Wieder vorne angekommen gab es von Lehrerin Schrecken gleich Schimpfe für die Nächsten, dem Katasa-Gefolgsspann.
„Ihr beiden ehrelosen Spinner bringt euren König jetzt ins Krankenzimmer. Ich werde euren Eltern später einen Besuch abstatten, also denkt nicht, dass ich euch verschone...“
Unter wieder ab unter die Sitzbank! Wie konnte man nur so verdammt böse sprechen, allen voran so böse gucken?! Kanba wollte das auch können! Akari nahm ungefähr einen Sitz von Kanba entfernt Platz.
„...Vielen Dank, Kanba.“
„Hm? Och, kein Ding. Ich find's witzig, was dem Idioten passiert ist, auch wenn ich nicht weiß was. Ich lag zitternd unterm Tisch wie jeder Andere.“
Akari lachte leise.
„Du bist ein lustiger Kerl, Kanba. Ich würde mich freuen, wenn wir Freunde werden könnten. Die Anderen haben mir so komisches Zeug über dich erzählt, aber nach der Aktion eben kann das alles nicht stimmen. Du bist sehr nett.“
„Komische Dinge?“
„Sie sagen zum Beispiel, du wechselst deine Socken nur alle fünf Tage.“
Kanba schaute auf seine Socken, die wirklich etwas dreckig waren.
„Ahaha, ich hab ja schon wieder die gleichen an, wupsi...“
Souzen mischte gleich mit.
„Aber sie stinken nicht so wie letzte Woche.“
„Im Gegensatz zu dir muss ich arbeiten!“
Souzen seufzte.
„Dann wechsel sie einfach danach...“
„D-D-Die, die sind alle in der Reinigung!“
„Hmm, na dann.“
Souzen hatte gar nicht bemerkt, dass Kanba log, er nahm seine Reinigungs-Aussage sogar für voll, woraufhin Akari lachte und Kanba gleich mit einstimmte.
„So, seit jetzt alle ruhig und holt eure Notizbücher heraus. Wir beginnen mit der ersten Stunde, Geschichte. Passt auf oder ich zwinge euch dazu.“
Hoho, die haute echt eine Schlotteransage nach der Nächsten raus. Sogar der angstscheue Souzen bekam da wackelnde Knie.