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Slice of Life

von

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Vergib ihm, denn er weiß nicht was er singt

„988, 989, 990“, zählte Alit atemlos, während er im Wohnzimmer Liegestütze machte. Es war schon sein zweites Set, die er immer vor und nach der Schule machte. In Form zu bleiben, war ihm teils wichtiger als duellieren. Besonders seit Yuuma einmal seine Muskeln bewundert hatte. Er grinste und kam dadurch fast aus seinem Rhythmus. Alit konzentrierte sich. Er durfte sich nicht ablenken lassen, auch wenn er gerne mal wieder etwas mehr Zeit mit Yuuma verbringen würde. Zurzeit sahen sie sich nur in der Schule. Selbst Vector schien einen besseren Draht zu Yuuma zu haben. Vector war nie weit von Yuuma weg.

Gilag saß vor dem Fernseher und sah sich eine Show über Idols an. „Sanagi“, schwärmte er und rutschte bis an die Kante der Couch. Seine Wangen waren gerötet und seine Augen strahlten. Er konnte mit seinem schnell schlagenden Herzen und dem Kribbeln im Bauch nichts anfangen, aber er konnte Sanagi stundenlang anschauen. „So süß...“ Er hatte zuvor noch mit Alit trainiert, doch im Gegensatz zu ihm, war er nicht so versessen darauf. Sein Körper war gut so, wie er war.

„1000!“ Alit drehte sich keuchend auf den Rücken. Er schloss die Augen und nahm mehrere tiefe Atemzüge. Erst als sich sein Atem wieder beruhigt hatte, stand er auf und ließ sich neben Gilag auf die Couch fallen. Er rieb sich mit dem Handtuch übers Gesicht und die Brust, griff nach der Wasserflasche und nahm einen tiefen Schluck. „Hey Gilag, lass mal was unternehmen.“

„Sanagi...“ Gilag hörte ihm nicht zu, sondern grinste nur den Fernseher an.

„Gilag, hey Gilag!“ Doch Gilag reagierte immer noch nicht auf ihn. Seufzend wischte sich Alit über den Nacken. Er sah von Gilag zum Fernseher und wieder zurück. Was fand er nur an diesen Idols, dass er ihm gar nicht zuhörte?

„Sie singt wie ein ganzer Chor Engel“, seufzte Gilag verträumt.

„Engel? Singen?“, wiederholte Alit murmelnd. Er musste unweigerlich an Yuuma denken. Seit dem Duell war Yuuma sein Engel; er hatte damit sein Herz gewonnen. „Singen...“ Seine Augen weiteten sich. Das war die Idee! „Singen!“ Er legte seine Hände auf Gilags Wangen und drehte seinen Kopf zu sich. „Gilag, du bist ein Genie!“
 

„Hey III.“

„Guten Morgen, Alit.“

Alit und III waren in derselben Klasse und hatten sich schnell aufgrund ihrer ähnlichen Interessen angefreundet. Genauer gesagt: IIIs großem Interesse an Geschichte und Alit, der die Geschichte gelebt hatte. Sie hatten bereits Stunden damit verbracht über das römische Imperium, sowie die alten Griechen zu reden. Obwohl Alit damals nicht sehr alt geworden war, konnte er doch einiges erzählen. Manchmal war es für Alit jedoch komisch darüber zu reden. An manche Sachen erinnerte er sich, als wäre es erst gestern gewesen. An andere Sachen wollte er sich gar nicht erinnern, wie seine Hinrichtung. Auch, wenn er jetzt wusste, dass hinter allem Don Thousand gesteckt hatte, so war der Gedanke an den Prinzen doch mit bitteren Gefühlen verbunden.

„Hast du morgen Abend Zeit?“

III runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich denke schon.“

„Bock auf Karaoke?“

„Karaoke?“, wiederholte III unsicher. Er war erst einmal beim Karaoke gewesen und es war eine der schlimmsten Erfahrungen seines Lebens gewesen.

„Ja!“ Alit strahlte über das ganze Gesicht.

Eigentlich hatte er sich geschworen, nie wieder zum Karaoke zu gehen, aber mit Alit würde es sicher lustig werden. „Okay, bin dabei.“

„Hab ich grad Karaoke gehört?“

III erstarrte. Das konnte doch nicht wahr sein! IV stand wie von Geisterhand plötzlich neben ihnen. „Thomas, was machst du hier?“

„Du hast deine Lunchbox vergessen.“ IV stellte die Box auf den Tisch vor III. „Also, was ist das mit Karaoke? Morgen?“

„Es ist nicht...“

Doch III bekam seinen Satz nicht fertig, da Alit ihn unterbrach: „Willst du mitkommen?“

III starrte Alit an und versuchte unauffällig den Kopf zu schütteln. Leider sah Alit nicht zu ihm, daher entging ihm IIIs entsetzter Gesichtsausdruck.

„Natürlich“, antwortete IV sofort. „Ich werde euch mit meiner Fanservice-Stimme zum Schmelzen bringen.“

III sah seinem Bruder hinterher und seufzte. Oh bitte, nicht schon wieder. Er überlegte für einen Moment abzusagen, doch Alit schien sich so zu freuen, dass er es nicht übers Herz brachte. Das konnte ja heiter werden...
 

In der Pause und zwischen den Stunden versuchte Alit Yuuma allein zu erwischen, doch Vector war einfach immer in der Nähe. Er war wie ein Schatten, nur schlimmer. Schließlich gab Alit auf. Er hätte gern Yuuma etwas für sich gehabt, aber bald war der Tag rum und er hatte immer noch nicht gefragt.

Er fing Yuuma und Vector nach der Schule ab. „Hey, ihr zwei!“

„Alit, hast du Lust auf ein Duell?“

„Klar, aber nur, wenn du mit mir morgen Abend zum Karaoke gehst.“

„Karaoke?“ Yuuma ließ die Hand mit dem D-Gazer sinken.

„Jupp, Gilag, ich, III und IV sind schon dabei.“

„Klingt nach Spaß. Ich komme!“

„Ich auch“, sagte Vector sofort. Er hatte keine große Lust auf Karaoke, doch wenn Yuuma dabei war, war „Nein“ keine Option. Als ob er Yuuma auch nur fünf Minuten mit Alit allein lassen würde.

„Super, aber jetzt lass uns endlich duellieren. D-Gazer set!“

Vector ging zur Seite und setzte seinen eigenen D-Gazer auf um das Duell verfolgen zu können. Yuumas Stil hatte sich kaum geändert: mit dem Kopf voran ohne viel nachzudenken. Alit war da ganz ähnlich. Vector verzog das Gesicht. Er mochte es nicht, dass die beiden eine Gemeinsamkeit hatten.

Yuuma beschwor Hope. Er war keine Numbers mehr, so wie alle Numbers nur noch gewöhnliche XYZ-Monster waren.
 

„Ich verwende eine Overlay Unit und stoppe damit Hope Angriff!“, rief Yuuma. „Dann aktiviere ich die Schnellzauberkarte Doppelt oder Nichts von meiner Hand, verdopple damit Hopes Angriffspunkte und lasse ihn noch einmal angreifen.“

Die 5000 Angriffspunkte fegten sowohl Alits Monster weg, als auch Alit selbst als seine Lebenspunkte auf null sanken.

Yuuma nahm seinen D-Gazer ab, lief zu Alit und half ihm wieder auf die Beine. „Das war ein klasse Duell.“

„Nächstes Mal gewinne ich!“

„Das werden wir ja sehen.“

Sie grinsten sich an und Vector verdrehte die Augen. „Wartet deine Schwester nicht auf dich?“, fragte er beiläufig.

Yuumas Gesichtsausdruck wurde leicht panisch. „Das hab ich ganz vergessen!“ Er schob sein Deck zurück in seine Box. „Wir sehen uns dann beim Karaoke“, rief er Alit noch zu und war schon verschwunden.

Vector wandte sich Alit zu. „Wen willst du noch so einladen?“

„Oh, ich dachte Nasch und...“ Doch Alit verstummte, als Vector ihm einen Arm um die Schultern legte.

„Wenn du Nasch einlädst, dann bring ich dich um“, flüsterte er. „Mal wieder.“

„Aber...“

Vector verstärkte seinen Griff. „Kein Aber“, fauchte er. „Du willst doch auch nicht, dass Nasch dir in die Quere kommt.“

„In die Quere?“, wiederholte Alit. „Oh... oh!“ Er sah Vector überrascht an. „Du und Yuuma, du...“

„Wenn du weiter redest, dann bring ich dich auch um, verstanden?“ Alit nickte und Vector ließ los. „Wir sehen uns dann morgen.“

Alit sah ihm hinterher. Eigentlich hatte er gedacht, Vector würde nur so sehr an Yuuma hängen, weil Yuuma der einzige war, der ihn normal behandelte, aber Vector stand auf Yuuma. Und Nasch scheinbar auch. Alit biss sich auf die Lippen. Jetzt musste er sich noch mehr anstrengen.
 

„Der Raum gehört uns den ganzen Abend“, sagte Alit und streckte die Hände aus.

„Klasse!“ Yuuma ließ sich auf die Couch fallen und griff als erstes nach der Karte mit den Getränken. „Was will ich nur?“

Vector setzte sich neben ihn und sah über Yuumas Schulter hinweg auf die Karte. Yuuma schob sie ein Stück in seine Richtung, damit er sie besser lesen konnte.
 

„Ich sing als erster“, erklärte Alit und griff nach einem der Mikrofone, sowie der Fernbedienung für die Karaoke-Maschine.

„Erstmal bestellen“, erwiderte Gilag und nahm die zweite Karte aus dem Ständer.

„Bestell mir einfach irgendwas.“ Alit wandte den Blick nicht vom Bildschirm ab, während er durch die Liedliste blätterte.

„Alit!“

Alit seufzte und legte sowohl Mikrofon, als auch Fernbedienung zur Seite. „Dann gib her.“ Er nahm Gilag die Karte weg, was dieser mit zusammen gepressten Lippen quittierte.
 

Als sie endlich ihre Getränke bestellt hatten, konnte Alit auch endlich loslegen. Vector verdrehte die Augen, als er seine Liedwahl sah. Er hätte es ja gleich wissen müssen. Immer dieser Kitsch...

Vector lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während Yuuma am Rand saß und Alit beobachtete. Vectors Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Am Ende musste er doch noch singen, um von Yuuma beachtet zu werden und das gefiel ihm nicht.
 

Alit räusperte sich und summte die Melodie mit bis der Text begann:

Ti Amo, du sagtest Ti Amo, das heißt ich lieb dich so.

Was ist geblieben, von deinem mich lieben,

von hundert Mal Ti Amo, sagest du das nur so,

weil es dazu gehört. Worte sind billig,

sind manchmal so billig.
 

Vector imitierte lautloses würgen, sodass Yuuma es nicht mitbekam. Gilag dagegen sah ihn missbilligend an, während IV und III ihn nicht wirklich beachteten. Der kleinere Arclight wirkte schon seit sie sich am Eingang getroffen hatten ungewöhnlich nervös. Er zuckte gedanklich mit den Schultern und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Alits Gesinge.

Alits Stimme war Durchschnitt. Nicht schlecht, aber auch nicht besonders herausragend, doch er sang mit Leidenschaft und davon hatte er ausreichend. Yuumas Oberkörper schwankte leicht mit der Melodie. Ihm schien es zu gefallen. Vector tippte unruhig auf seinen Oberschenkel und fragte sich, wann ihre Getränke kommen würden. Er wünschte sich, dass er Alkohol hätte bestellen können, um das alles besser durchstehen zu können, aber solchen bekam er hier nicht. Warum war er gleich wieder hier? Ach ja - er sah zu Yuuma - wegen ihm.

Erst jetzt bemerkte er, dass Alit Yuuma ansah und in seine Richtung sang. Vector verengte die Augen. Was sollte das werden? Noch dazu, weil er ein Lied übers Schlussmachen sang, dann sollte er gefälligst auch damit Schluss machen Yuuma anzusingen. Vector knirschte mit den Zähnen. Yuuma schien es noch nicht einmal zu bemerken, sondern viel mehr Gefallen daran zu haben. Vector war kurz davor Alit das Mikrofon aus der Hand zu reißen und es ihm in den...
 

Yuuma klatschte, als das Lied zu Ende war und sich Alit übertrieben verbeugte. „Das war echt gut!“

„Danke, mein Engel.“ Alit lächelte Yuuma an und bemerkte deswegen nicht, wie Vector ihm ein Bein stellte, als er an ihm vorbeiging. Alit fiel nach vorne und landete halb auf der Couch.

„Ist dir was passiert?“, fragte Yuuma besorgt und war aufgestanden.

Alit winkte ab. „Alles okay, bin nur gestolpert.“ Er sah zu Vector, der ihn angrinste. Yuuma setzte sich wieder hin, sah jedoch immer noch besorgt aus.

Vector machte sich eine gedankliche Notiz sowas nicht noch einmal zu tun, es würde nur Yuumas Aufmerksamkeit auf jemand anderes lenken.

„Ich zei...“, fing IV an und beugte sich vor um nach dem Mikrofon zu greifen, doch in dem Moment klopfte es an der Tür. III, der der Tür am nächsten saß, sprang auf und öffnete sie. Ihre Getränke wurden gebracht und Vector griff sofort nach seinem. Er zog am Strohhalm und verfluchte seine Minderjährigkeit. Als er noch ein König gewesen war, hatte ihm niemand vorschreiben können, was er zu trinken hatte.

Nachdem der Angestellte wieder gegangen war, wollte IV erneut nach dem Mikrofon greifen, doch Gilag hatte es sich bereits unter den Nagel gerissen. IV warf ihm einen wütenden Blick zu und ließ sich wieder zurückfallen. III tätschelte seinen Arm, froh, dass es noch etwas dauern würde bis IV an der Reihe war.
 

Gilag räusperte sich hörbar ins Mikrofon und verursachte damit ein unangenehmes Pfeifen. Vector hielt sich die Ohren zu. Nicht, das er bei Gilags Gejaule irgendwas verpassen würde.

Die fröhliche Melodie sorgte dafür, dass Vector seine Hände wieder sinken ließ und mit einem „What the fuck“-Gesichtsausdruck zu Gilag sah. War das sein ernst? Noch unpassender ging es wohl kaum. Aber was war er überrascht? Natürlich wählte er so einen bescheuerten Idol-Song.

Er sah zu Alit, der nur mit den Schultern zuckte. III und IV sahen ebenfalls zweifelnd aus, nur Yuuma schien Gilags Wahl nicht in Frage zu stellen.

Das große Staunen kam jedoch erst, als Gilag anfing zu singen. Vector klappte der Mund auf und er war nicht der einzige. Die sanfte, wohlklingende Stimme passte so gar nicht zu Gilags bulligem Aussehen. Er traf jeden Ton und seine tiefe Stimme fügte sich perfekt in die Melodie ein.

„Er ist wirklich gut“, flüsterte Yuuma Vector zu. Vector nickte nur. Wer hätte gedacht, dass in Gilag so ein Talent steckte?

Gilag hatte die Augen geschlossen. Er musste den Text nicht sehen um das Lied singen zu können. Er kannte jedes Wort auswendig und das von jedem von Sanagis Lieder. Er konzentrierte sich ganz auf die Melodie und steckte all die Bewunderung, die er für Sanagi hatte, in seinen Gesang.
 

Als das Lied zu Ende ging, klatschte Yuuma begeistert in die Hände. „Das war großartig!“

Gilag errötete und fasste sich verlegen an den Hinterkopf. Er setzte neben Alit, der ihm auf den Rücken klopfte. „Ich hatte keine Ahnung, dass du so ne tolle Stimme hast! Vielleicht solltest du Idol werden.“

„Oh ja, Gilag in einem süßen Kleidchen“, spottete Vector.

„Ach, sei doch still, du fandest es auch voll gut.“

Vector zuckte mit den Schultern. „War ganz okay.“

„Hör nicht auf ihn“, wandte sich Alit wieder an Gilag. „Ich hab genau gesehen, wie ihm der Mund offen stand.“

Vector trat nach Alit, doch dieser rutschte von ihm weg.
 

„Ich will als nächstes!“ Yuuma schnappte sich das Mikrofon und hüpfte nach vorne. Vector verlor das Interesse an Alit und Gilag und rutschte auf Yuumas Platz. „Ich brauch ein richtig tolles Lied!“

„Kattobingu“, sagte Vector leise und Yuuma sah ihn an.

„Genau! Ein Kattobingu-Lied!“ Er grinste breit und wurde auch kurz darauf fündig: Hakuna Matata.

Vector zog die Augenbrauen hoch. Ja, das Lied passte wirklich gut zu Yuuma.

Es war eher als Duett aufgelistet, doch Yuuma störte sich nicht daran. Er sang beide Stimmen inbrünstig. Zumindest, wenn man das, was er tat als singen bezeichnen konnte. Es klang furchtbar. Vector versuchte keine Miene zu verziehen, während Yuuma keinen einzigen Ton traf.

IV hielt sich nicht ganz so zurück, sondern lachte über Yuumas schlechten Gesang. „Das klingt so grausam! Wie kann man so scheiße singen?“ Er sagte es laut genug, dass sie am Tisch es hören konnten, aber nicht laut genug für Yuuma. „Wenn man einer Katze auf den Schwanz steigt, klingt das immer noch besser als das Gejaule.“

„Thomas, bitte, sei nicht so“, tadelte III seinen Bruder, doch der ließ sich davon nicht von seinen Lästereien abhalten. Er machte fröhlich weiter.

Vector knirschte mit den Zähnen, umfasste sein Glas fester und widerstand dem Drang es IV ins Gesicht zu werfen. In Gedanken schnitt er ihm genüsslich die Augen mit einer Scherbe aus ihren Höhlen. Seine Schmerzensschreie wären sicher zuckersüß. Aber nein, er war jetzt einer von den guten Jungs, kein Quälen mehr. Langweilig. Vielleicht sollte er sich das doch nochmal überlegen. Andererseits war er jetzt auch kein Barian mehr. Und hätte Yuuma wieder gegen sich. Das würde den anderen nur in die Hände spielen, also nein. Er würde etwas anderes finden, etwas das weniger... Tod und Qualen beinhaltete.
 

Hakuna Matata klang aus und Vector klopfte Yuuma auf die Schulter. „Gut gemacht!“

„Es klang furchtbar, nicht wahr?“

Vector nickte. Er konnte nicht lügen.

Yuuma lachte jedoch nur und ließ sich wieder auf die Couch fallen. „Aber lustig war’s trotzdem!“ Er griff nach seinem Glas und leerte es in einem Zug.

„Jetzt bin aber endlich ich dran!“ IV griff nach dem Mikro bevor es jemand anderes tun konnte. III verzog leidend das Gesicht. „Ich zeig euch mal, wie man das richtig macht.“ Er brauchte nicht lange um das Lied zu finden, dass genau passend für ihn wahr. „Macht euch bereit für meinen Fanservice!“

III schlug die Hand vor’s Gesicht. Er überlegte den Raum zu verlassen um das Elend nicht mit ansehen zu müssen. Er schämte sich schon jetzt, besonders nachdem IV so über Yuuma hergezogen hatte.
 

Hell is gone and heaven's here

There's nothing left for you to fear

Shake your ass come over here

Now scream.
 

Zu spät.

Wenn Yuuma schlecht gesungen hatte, dann war IV unterirdisch. Selbst Yuuma überkam das Bedürfnis sich die Ohren zuzuhalten. Vector tat es einfach. Er hätte ihm doch das Glas ins Gesicht schmeißen und ihnen allen die Qual ersparen sollen.

III wollte im Boden versinken. Er hatte versucht IV auszureden mitzukommen, aber sein Bruder liebte Karaoke. Leider konnte er einfach nicht singen und wollte auch nicht einsehen, dass er es nicht konnte. Es war so von sich und seinem Fanservice überzeugt. III seufzte.

So come on let me entertain you.

„Er ist noch schlechter als Yuuma“, flüsterte Gilag.

Alit nickte mit einem erzwungenen Lächeln auf den Lippen. Bei Yuuma war das noch irgendwie süß gewesen, aber bei IV einfach nur eine Katastrophe. Aber es ging ja nur um den Spaß, nicht wahr? Alit drückte seinen Zeigefinger gegen ein Ohr um das „Gejaule“ etwas zu dämpfen. Er sah zu Yuuma, der nah bei Vector saß, und biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie war er ihm bisher auch nicht näher gekommen. Er musste etwas dagegen tun, nur was?

Fast hätte er sich gegen die Stirn geschlagen. Natürlich! Ein Duett! Sie waren immerhin beim Karaoke! Wie konnte er nur so blöd sein und nicht an das offensichtlichste denken?
 

Grausame vier Minuten und zehn Sekunden später war IV endlich fertig. „Wuhu! Na, da staunt ihr, was? Wollt ihr mehr?“

III stand auf und nahm seinem Bruder das Mikro ab. „Lass uns erstmal Pause machen. Unsere Getränke sind fast leer und es sollten alle mal singen, bevor wir eine zweite Runde starten.“ Er lächelte. Er würde dafür sorgen, das IV dieses Mikro nie wieder anfasste.

„Hmpf.“ IV war nicht willig schon aufzuhören. Er hatte sich doch gerade erst warm gesungen. „Ich kann ja noch eins singen, während wir bestellen.“

„Das ist unhöflich“, erwiderte III und entwand das Mikro IVs Fingern.

Mit leicht angesäuertem Gesichtsausdruck setzte sich IV wieder hin und III atmete für’s erste erleichtert aus.
 

Sie bestellten eine neue Runde Getränke und nachdem sie alle versorgt waren, stand III, der die ganze Zeit das Mikro festgehalten hatte, auf. Er war vielleicht nicht so gut wie Gilag, doch besser als sein Bruder war er allemal. III wählte jedoch denselben Künstler, wenn auch ein anderes Lied. Er hatte es gern etwas ruhiger.
 

I sit and wait

Does an angel contemplate my fate

And do they know

The places where we go

When we're grey and old.
 

Es wurde still im Raum, als III anfing zu singen. Selbst Vector hörte auf den Strohhalm zu bewegen und die Eiswürfel gegen das Glas klirren zu lassen. Im Gegensatz zu IV hatte III Talent und seine Stimme war wie für das Lied gemacht.

Yuuma stupste ihn an. „Ich hab leichte Gänsehaut“, flüsterte er. Vector hob die Augenbrauen. „Du etwa nicht?“ Er zuckte nur mit den Schultern. Yuuma stieß leicht seine Schulter gegen Vectors. „Du bist so furchtbar manchmal.“ Yuuma grinste ihn an und Vector wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Hatte Yuuma ihn gerade furchtbar genannt oder hatte er es anders gemeint? Menschsein war schon irgendwie kompliziert und diese Gefühle, die ihn überkamen, wenn er Yuuma ansah oder nur an ihn dachte, machte es nicht gerade einfacher.

Wie Yuuma ihn gerade ansah... Vector wollte ihn küssen. Er riss seinen Blick los und sah wieder zu III, der fast das Ende des Lieds erreicht hatte.

Noch immer lehnte sich Yuuma leicht gegen seine Schulter. Vector wagte einen Blick, doch Yuuma sah inzwischen auch wieder zu III. Vector hatte auch eine Gänsehaut, aber nicht wegen dem Lied.
 

Erst als III fertig war, setzte sich Yuuma wieder normal hin. Er klatschte. „Das war richtig toll!“

IV verschränkte missmutig die Arme vor der Brust. Wieso hatte bei ihm eigentlich niemand geklatscht?

„Shingetsu, du bist dran!“

„Wie? Was?“ Vector hatte verdrängt, dass man erwartete, dass er auch sang. „Ah, lieber nicht.“ Als ob er sich da vorne zum Affen machen würde.

Yuuma klopfte ihm einmal auf die Schulter. „Komm schon, sei kein Spielverderber.“

„Nein, wirklich, ich würde lieber...“

„Vector! Vector!“, begann Alit zu rufen. Gilag stimmte mit ein. Er würde die zwei umbringen!

„Oder traust du dich nicht allein?“ Vector wollte schon widersprechen, doch Yuuma sprach weiter: „Soll ich mit dir singen?“

Wie sollte er jetzt noch Nein sagen? Das war die Chance ein paar Punkte bei Yuuma zu machen.

„Okay.“

„Super!“ Yuuma nahm ihn bei der Hand und zog ihn hoch. Vector war zu überrascht um zu reagieren, er spürte nur die warme Hand um seine. Er war jedoch nicht überrascht genug um nicht den Moment zu nutzen um, ganz zufällig natürlich und ohne böse Absicht, IVs Glas umzustoßen. Dessen Getränk ergoss sich auf seinen Schoß und IV sprang fluchend auf. Vector grinste, was glücklicherweise niemand sah. Er hatte den anderen den Rücken zugewandt und Yuuma war zu beschäftigt damit ein Lied für sie zu finden.

Während IV wütend den Raum verließ und III versuchte die Sauerei zu beseitigen, schmollte Alit leicht. Er hatte doch ein Duett mit Yuuma singen wollen und wieder war ihm Vector zuvor gekommen. Er seufzte. Na gut, diese Runde hatte Vector gewonnen, aber er war noch nicht geschlagen.
 

„Ist zwar kein Duett, aber trotzdem ein tolles Lied.“ Vector nahm das zweite Mikro von Yuuma entgegen. Er kannte das Lied nicht, aber es war etwas Poppiges und klang nach guter Laune. Außerdem ging es scheinbar um Spiele. Passend für Yuuma.

Zumindest war das Vectors erster Eindruck, bis sie zum Refrain kamen:
 

Baby, grab a hold of the joystick

Take control of the motion

I can feel it when you huh-huh.
 

Vector hätte fast aufgehört zu singen. Was, bei Don Thousand, sangen sie da? Er sah zu Yuuma. Wusste er überhaupt um was es hier wirklich ging? Höchstwahrscheinlich nicht.

Alit lachte. Er konnte nicht anders. Vectors Gesichtsausdruck war einfach zu köstlich. Gilag neben ihm sah jedoch eher so aus, als wollte er im Boden versinken. Sein Kopf war hochrot und er nestelte nervös am Saum seines Shirts. Ihm waren solche Liedtexte peinlich und Alit machte es mit seinem Lachen nicht besser.

Nur III saß da und war verwirrt. Er verstand weder warum Alit lachte, noch warum Gilag plötzlich so peinlich berührt aussah.
 

I don't want you thinking

That I'm trying to apply pressure

But the pressure makes it better

Pushing harder makes it wetter.
 

Vector war done. Yuuma hatte keine Ahnung, was er da eigentlich sang. Wie konnte dieser Junge nur so keine Ahnung von Nichts haben? Er würde es ihm nur zu gerne zeigen, dann konnte er mit seinem Joystick spielen.

Vector musste seine Gedanken zügeln. Das war nicht die richtige Zeit dafür.
 

Vector atmete erleichtert aus, als das Lied zu Ende war. Er hatte gern mit Yuuma gesungen, aber nicht sowas und auch nicht, wenn Yuuma den Text nicht kapierte. Das machte die Situation etwas seltsam.

„Das hat riesigen Spaß gemacht! Siehst du, war gar nicht so schlimm.“

„Äh ja“, murmelte Vector und legte das Mikrofon zu Seite, doch Yuuma hielt ihn am Handgelenk fest.

„Nicht so schnell! Du musst immer noch alleine singen!“

„Was?“

„Hehe.“ Yuuma sah aus, als wäre ihm ein Streich gelungen. „Du bist jetzt wirklich an der Reihe.“

Vector seufzte. „Ich hab keine Wahl, was?“

„Nein.“ Yuumas Grinsen wurde noch breiter.

„Na gut.“

„Yeah!“ Yuuma ließ Vectors Handgelenk los und setzte sich wieder. Er trank einen Schluck, dann richtete er seinen Blick wieder auf Vector, der durch die Liederliste scrollte.

Vector biss sich auf die Unterlippe. Er hatte die Auswahl zwischen zwei Arten von Liedern: kannte er nicht und mochte er nicht. Er hatte schon fast aufgegeben als er schließlich doch noch eine Kategorie fand, die ihm zusagte. Er grinste leicht. Die Auswahl war ja doch nicht so schlecht. Yuuma würde es aber trotzdem immer noch nicht verstehen. Wahrscheinlich könnte er Neon-Schilder aufstellen, die sagten, dass er ihn mochte und Yuuma wäre immer noch ahnungslos.
 

So come and taste the reason

I’m nothing like the rest.

I kiss you in a way you’ll never forget about me.
 

That chick can eat her heart out!

Love bites, but so do I, so do I.

Love bites, but so do I, so do I, so do I!
 

Obwohl er das Lied nicht so gut kannte, hatte er keine Schwierigkeiten dem Text zu folgen. Das Lied passte zu ihm, auch wenn Yuuma keinen Freund bzw. keine Freundin hatte.

Vector ließ Yuuma nicht aus den Augen, während er sang und auch IVs Rückkehr brachte ihn nicht aus dem Konzept. Yuumas Körper bewegte sich leicht zur Musik.
 

„LOVE BITES!“, endete Vector das Lied. Er hatte die ganze Zeit nicht mal darüber nachgedacht, wie seine Stimme überhaupt klang. Zumindest hatte sich keiner die Ohren zugehalten.

„Das war klasse.“ Yuuma klatschte. „Du singst echt gut.“

„Ja, Vector, wusste gar nicht, dass du so ein Talent hast“, stimmte Gilag zu.

Vector zuckte mit den Schultern und verscheuchte Alit, der näher an Yuuma gerutscht war, von seinem Platz. „Ich stecke voller Überraschungen.“

„Aber es hat wirklich Spaß gemacht mit dir zu singen, das sollten wir später unbedingt noch mal machen.“

Sowohl Vector als auch Alit war der Zusatz „mit dir“ nicht entgangen. Alit ließ die Schultern hängen. Diese Schlacht hatte er wirklich verloren.

„Erstmal singe ich jetzt wieder!“, bestimmte IV und bevor ihn jemand aufhalten konnte, hatte er sich schon das Mikrofon geschnappt.

„Wollen wir nicht lieber nach Hause gehen?“, warf III ein. „Du solltest den Fleck lieber vernünftig einweichen, sonst geht der nie wieder raus.“

IV zuckte nur mit den Schultern. „Dann kauf ich mir eben neue Sachen.“

„Und wenn uns draußen Fans begegnen? Die können dich unmöglich so sehen.“

Das brachte IV ins Grübeln. Für einen Moment schien er es wirklich in Betracht zu ziehen nach Hause zu gehen, doch dann schüttelte er den Kopf. „Ob sie mich jetzt sehen oder später ist doch auch egal.“

III seufzte. Er war so nah dran gewesen.

„Ich geh gleich nach Hause, wenn ich dem nochmal zuhören muss“, brummte Vector.

„Aber wir wollten doch nochmal singen?“

„War nur ein Scherz“, beruhigte Vector Yuuma, als er die Enttäuschung in seiner Stimme hörte. Er musste solange bleiben, wie Yuuma auch blieb. Er konnte Alit das Feld nicht einfach überlassen.

Also quälten sie sich durch zwei weitere Lieder von IV und fanden Erholung als Gilag und III noch einmal sangen.

Vector gähnte.

„Bist du müde?“, fragte Yuuma sofort.

„Etwas“, antwortete Vector. Er war nicht müde, doch das Rumsitzen langweilte ihn, der einzige Vorteil war, dass er neben Yuuma sitzen konnte und sich ihre Knie und Hände hin und wieder streiften, weil Yuuma nicht ruhig sitzen konnte.

„Dann sollten wir als nächstes singen, dann können wir auch langsam gehen, wenn du müde bist.“

Vector bemerkte, dass Yuuma „wir“ gesagt hatte. Sehr schön. „Klingt gut.“
 

Ihr Lied war ein fröhliches, ganz nach Yuumas Geschmack, und diesmal ganz ohne zweideutigen Text. Vector kannte es nicht, aber der Text war einfach genug, sodass er keine Schwierigkeiten hatte beim Mitsingen. Yuuma hängte sich voll rein. Dass er nicht singen konnte, störte ihn wirklich nicht.

„Wuhuu!“, rief Yuuma ins Mikro, als das Lied zu Ende ging. „Das war wieder toll!“ Seine Augen strahlten und Vector musste lächeln. Schnell drehte er den Kopf weg, damit niemand es sah. Yuuma trank mit einem großen Schluck sein Glas leer. „Das war echt ein toller Abend.“ Er grinste Alit an. „Das war ne super Idee, wir müssen das unbedingt nochmal machen. Vielleicht auch mal mit Shark.“

Das Lächeln auf Vectors Lippen erstarb und seine Laune sackte in den Keller. Hatte er jetzt wirklich Nasch erwähnen müssen? Vector knirschte mit den Zähnen. Er leerte ebenfalls sein Glas und griff nach seiner Jacke.

„Gehst du etwa schon?“, fragte Alit mit etwas Hoffnung in der Stimme.

„Wir gehen beide“, erklärte Yuuma.

„Oh.“ Da ging seine Hoffnung dahin.

„Viel Spaß euch noch“, verabschiedete sich Yuuma. Vector hob nur kurz die Hand.
 

„Ist das schon in Ordnung für dich?“, fragte Vector nachdem sie draußen auf die Straße getreten waren.

„Was?“

„So früh zu gehen nur wegen mir?“

„Ach, das ist schon in Ordnung. Will dich nicht allein gehen lassen. Außerdem singt IV echt furchtbar.“ Er lachte leise und Vector stimmte mit ein. Sie gingen nebeneinander und bei jedem Schritt streiften sich ihre Hände.



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