Zum Inhalt der Seite

Auf der Jagd

Schatten und Licht, Interlude 2
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kopfarbeit

Mit Kopfschmerzen, die einer durchzechten Nacht würdig waren, stemmte sich Merle aus dem schmalen Feldbett, in dem man sie gelegt hatte. Unglücklicherweise war sie nicht allein. Jemand hatte ihren Versuch bemerkt und war an ihrer Seite geeilt. Erfolglos versucht das erschöpfte Katzenmädchen die aufdringliche Frau zu verscheuchen.

In dem Gewirr der sanft rangelnden Hände erhaschte sie Blicke auf ihre Umgebung. Man hatte sie in ein provisorisches Lazarett verfrachtet. Emsig huschten ein paar schlicht gekleidete Frauen mit weißen Schürzen umher, während andere an den Betten angeschlagene Soldaten versorgten. Merle erkannt sie wieder. Die Erkenntnis, dass sie diese Männer verletzt hatte, lähmte ihren Widerstand und so gelang es der Schwester sie auf das Bett zu drücken. Mit resoluter Stimme wies sie die Katzenfrau an liegen zu bleiben.

Wenig später kam ein Arzt vorbei, der ihr erklärte, dass sie aus dem Schutt zwei zerstörter Hauswände geborgen worden war, ihr dennoch nichts fehlte. Warum sie bewusstlos gewesen war, konnte er sich nicht erklären. Es waren keine Kopfverletzungen bei ihr zu festzustellen.

Merle bemühte sich nicht, Hitomis Überfall auf ihren Verstand zu erklären. Stattdessen erkundigte sie sich nach Serena. Der Mann verwies sie auf die gegenüberliegenden Seite ihrer Liege.

Dort lag sie. Ihre Augen waren geschlossen, die sonnengelben Haare fielen neben ihren hellen Gesicht herab. Ihre Haut war trotz des rabiaten Gefechts, dass sie sich zuvor mit Merle geliefert hatte, makellos. Auch für ihren Zustand konnte der Arzt keine Erklärung anbieten, außer dass die Flüssigkeit, mit der Zaibacher Guymelefs ihre Piloten einbetten, sie geschützt haben könnte.

Die junge Katzendame lies sich vom ihn informieren, dass eine Kutsche beide Frauen abholen würde, und entließ ihn. Ihr Kopf plumpste zurück in das Kissen. Was sollte sie mit ihren Schwestern anfangen?

„Du bist wach, gut.“

Überrascht wandte sich Merles Kopf der neuen Stimme zu.

„Frau Lavellan, ihr seid hier?“

„Ich wollte mich von euren Fähigkeiten als Lehrerin überzeugen.“, begründete die Frau aus dem Drachenvolk ihr Dasein.

„Ihr seid enttäuscht?“

Die durch Jahrhunderte gestählten Züge der Dame glätteten sich ein wenig.

„Ich muss dir also nicht erklären, dass alles, was heute im Training schief gelaufen ist, deine Schuld ist.“, folgerte sie und drückte ihr Kreuz durch. „Sieh dir deine Opfer an. Glaubst du, sie sind jetzt einen Gezeichneten eher gewachsen, nachdem du sie so verprügelt hast?“

„Sie sollten wissen, worauf sie sich einlassen.“, verteidigte sich die Kriegerin.

„Waren sie für dieses Wissen bereit?“, gab Lavellan zu Bedenken. „Die vier Männer sollten deine Zuversicht an ihre Kameraden weitergeben. Stattdessen hast du sie verunsichert.“ Da Merle ihren Blick schweigend auswich, fuhr sie fort: „Dass deine Schülerin so versessen ist sich zu beweisen, liegt ebenfalls an deinen Demütigungen. Du hast sie vor Herausforderungen gestellt, die sie unmöglich meistern konnte. Ihr junger Geist ist verwirrter als je zuvor.“ Auch auf diesen Vorwurf fand Merle keine Erklärung.

„Ich will ehrlich sein. Dass die Kinder vom Mond der Illusion in unserer Stadt untergebracht sind, wird von vielen meines Volkes offen kritisiert. Sie fürchten die unkontrollierten Kräfte unserer Gäste. Ich kam mit Koami her in der Erwartung ein neues Zuhause für sie zu finden, aber ich wurde enttäuscht.“ Dem Katzenmädchen blieb der Protest im Hals stecken. „Du bist nicht bereit Verantwortung für andere zu tragen. Du benutzt Menschen für deine Zwecke, aber ihre Entwicklung kümmert dich nicht.“

„Das stimmt nicht!“ Endlich löste sich die Blockade. „Es stimmt, ich bin keine Menschenkennerin wie Hitomi, aber sie sind mir nicht egal!“

„Glaubst du, du könntest eine Gruppe von mehreren dutzend Kindern mit sprunghaften Fähigkeiten sich kontrolliert entfalten lassen?“ Wieder blieb Merle ihre eine Antwort schuldig. „Das dachte ich mir. Ich werde mit Fräulein Kanzaki über unsere Abmachung reden.“ Lavellan wandte sich ab und verließ das Lazarett mit zielgerichteten Schritten. Indes stöhnte Merle ihren Frust heraus.

„Sie hat unrecht!“, brach es aus Serena hervor, die ächzend versuchte sich aufzurichten. „Du hast mich nicht gedemütigt, sondern mir nur meine Fehler gezeigt.“

„Bleib liegen!“, befahl Merle, während sie versuchte sich vom Feldbett zu befreien. Vor Eile verhedderte sie sich in ihrer Decke und fast fiel sie aus der Liege.

„Was ist passiert? Ich kann mich nur noch daran erinnern, dich in die Flucht geschlagen zu haben.“

„Du bist mit deinem Guymelef zwischen zwei Häuser stecken geblieben.“, berichtete sie, während sie den Oberkörper des Mädchens bestimmt zurück in ihr provisorisches Lager zwang.

„Aber ich habe dich in die Flucht geschlagen!“

„Mit Flammenwerfern!“

„Ich brenne halt für meinen Beruf.“, lächelte Serena den Einwand weg, doch Merle war nicht danach.

„Du hättest mich töten können!“

Der Einwand traf die Pilotin sichtlich.

„Dank der optischen Wärmerfassung des Guymelefs wusste ich genau, wo du warst! Vertraust du mir nicht?“

„Was war mit den Hauswänden, die du eingerissen hast? Die hätten mich wirklich fast erwischt!“

Serenas Blick legte an Trotz zu.

„Vielleicht hatte ich etwas zu viel vertrauen. Ich dachte, du würdest das einzig richtige tun und fliehen.“

„Du warst eingeklemmt. Schwestern lassen einander nicht im Stich!“, belehrte Merle sie.

„Verstehe.“, besann sich die junge Frau. „Dann sollte ich wohl besser auf mich achtgeben.“

„Ich bitte darum.“, schmunzelte ihre Kameradin und strich mit ihren Daumen über ihren Handrücken. Dann wurde ihr unversehens schwarz vor Augen. Einen Moment später klärte sich ihre Sicht und sie sah ihre Herrscherin vor sich in voller Reisemontur im Kuppelzimmer ihrer Villa. Sie saß auf dem einsamen Bett des Raums und hinter ihr strahlten die Dächer Farnelias durch die Fensterwand hindurch.

„Halt die Klappe und hör zu!“, unterbrach Hitomi alle Versuche des Mädchens sich neu zu orientieren. „Ich weiß, wir haben unsere Differenzen, aber jetzt benötige ich deine Hilfe.“

Nach einem peinlichen Moment des Schweigens, begriff Merle, dass Hitomi auf eine Bestätigung wartete. „Bereit!“, meldete sie schnittig.

„Die Menschen vom Mond der Illusionen, die in die Stadt des Drachenvolks gebracht wurden, werden vermisst.“, verkündete sie mit leicht brüchiger Stimme. „Ein Kontakt berichtete mir eben davon. Da Trias noch immer Anhänger hat und auch sonst die Entscheidung, meine Leute aufzunehmen, dort kontrovers diskutiert wird, kann ich niemanden des Drachenvolks trauen. Du musst für mich zur Stadt fliegen und sie aufspüren!“

„Sehr wohl, meine Königin.“ Einen Augenblick lang schien die Illusion um Merle herum zu verschwimmen, doch sie fing sich.

„Nimm Serena mit! Ich melde mich gleich bei Lavellan und sorge für euren Transport. Bitte seid vorsichtig! Das Drachenvolk spricht nicht mit einer Stimme. Während es manche gibt, die Menschen verachten und sie nicht auf dem Schiff sehen wollen, gibt es andere, die ihre Kräfte uns nicht überlassen möchten. Bei beiden hat Trias vielleicht einen Fuß in der Tür.“

„Sehr wohl.“, bekräftigte Merle weiterhin mechanisch.

„Wie lief es mit Dryden?“

„Ich hab ihn auf Sophias Ball getroffen. Er ist einverstanden mit deinem Vorschlag, bezahlt aber erst, wenn du deinen Teil der Abmachung eingehalten hast.“

Hitomis Lieder sanken wehmütig herab.

„Das werde ich. Viel Glück.“

Zögerlich schlug sie die Augen auf und starrte auf die Stelle, an der ihre Vertraute eben noch gestanden hatte. Auf der Suche nach Fassung griff ihr rechte Hand nach dem schwarzen Loch in ihrer Brust.

„Nächster Anruf!“, ermahnte sie sich und nahm mit Lavellan Kontakt auf.

Die Dame des Drachenvolks war nicht erfreut von ihrem Anliegen.

„Nein.“, sagte ihre Projektion gerade heraus. „Merle ist vorschnell und Serena geradezu explosiv. Sie könnten keinen Fuß in die Stadt setzen ohne sie in Brand zu stecken, geschweige denn ermitteln!“

„Dass euer Volk Fremde als Herausforderungen sieht, liegt nicht in der Verantwortung der beiden. Eure Mitbürger werden Verständnis haben müssen. Merle hat die besten Spürsinn Gaias und ist unvoreingenommen. Sie kann die Kinder finden. Von wie vielen anderen Personen, denen ihr traut, könnt ihr das behaupten?“, hielt die Königin dagegen.

„Das mag für Merle sprechen, aber Serena kann nichts zu der Suche beitragen und ist eine tickende Zeitbombe!“

„Serena wird ihr den Rücken freihalten.“

„Es war schwer genug meine Leute zu überzeugen die Erdlinge aufzunehmen. Der Rat stimmte nur unter Auflagen zu, die sie in die Isolation zwangen.“, wandte die Gesandte des Drachenvolks ein. „Jetzt wollt ihr, dass ich eure beiden Gören überall herumschnüffeln lasse!“

Hitomi erhob und straffte sich.

„Es war die Isolation, die die Massenentführung erst ermöglicht hat. Und die beiden Gören, wie ihr sie nennt, sind die einzige Möglichkeit mich rauszuhalten. Andernfalls werde ich persönlich nach den vermissten Kindern suchen und dabei auch eure Stadt aufspüren.“ Bedrohlich trat sie Lavellan entgegen. „Ihr werdet also Koami erklären müssen, warum er nicht zurück zu seinen Freunden kann, denn ich werde Sophia bitten ihn in Sicherheit zu bringen. Und ihr werdet euer Volk erklären müssen, warum ich mit einer Armee über sie kommen werde!“

Die Schultern der Dame sackten ein. „Ich dachte, du hättest mehr Vertrauen. Die Angelegenheit könnte sich von selbst lösen, wenn du nur an uns glaubst.“

„Mir fehlt die Zeit fürs Glauben, Sensei!“, erwiderte Hitomi mutlos. „Und was macht es, wenn ich heute auch den letzten Rest an Zuneigung verliere. Davon kann ich mir nichts kaufen.“

„Du hast nicht alles verloren. Auch wenn ich es kaum glauben kann, dass du Koami gegen mich einsetzt.“

Lavellans Projektion verschwand.

„Ich hab vom besten gelernt.“ Da Hitomi wieder allein war, tasteten ihre Finger nach der Sonne in ihrem Unterleib. Warum zum Henker waren Licht und Dunkelheit so nah beieinander!

Gerade wollte sie ihren Blick auf ihr Kind schweifen lassen, da forderte eine Stimme von unten ihre Aufmerksamkeit.

„Herrin, seid ihr soweit?“, rief eine Stimme von unten. Hitomi erkannte sie als eine der Dienerinnen, die Astoria ihr gestellt hatte. „Die Kutsche wartet!“

Ärger keimte in der Königin auf. Welcher Monarch wurde zur Eile gedrängt, weil ein Kutscher wartete? Was sahen die Damen in ihr? Eine Mätresse?

Um Würde bemüht schritt sie aus ihrem Heiligtum herab. Am Ende der engen Wendeltreppe wartete zu ihrem Ärger nicht nur die Dienerin, sonder auch der Jungspund von Statthalter, den Aston eingesetzt hatte.

„Was wollt ihr?“

„Euch verabschieden, Herrin.“, antwortete der junge Blondling sichtlich irritiert. Galant bot er ihr seinen Arm an.

„Wie zuvorkommend.“, bedankte sie sich peinlich berührt. Tatsächlich schwebte ein Hauch von Menschlichkeit über ihn.

„Zudem hatte ich gehofft euch wegen der Todesstrafe umstimmen zu können.“ Weg war er!

„Von all den Rechten, die ich meinen Untertanen gegeben habe, wie Versammlungsfreiheit, den Anspruch auf einen Beistand und die Unversehrtheit des Eigentums, schmerzt euch die Aussicht auf Leben am meisten?“

„Ihr gefährdet das Leben eures Volkes, wenn ihr mir nicht das Recht gebt, die schlimmsten Übeltäter kostengünstig zu neutralisieren. Gefängnisplätze sind begrenzt.“

Die Königin entriss ihm den Arm und stellte den Emporkömmling.

„Erstens: Ihr entscheidet über keinen Angeklagten! Dafür sind die Volkskammern zuständig.“, belehrte sie ihn. Sie wollte Farnelia ohne Raum für Missverständnisse verlassen.

„Zweitens: Ihr werdet auch keine Gesetze anfassen! Ihr könnt mir welche vorschlagen wie auch die drei Volksvertreter, und ich entscheide, welche ich unterschreibe und welche nicht! Alles was ihr tut, ist Farnelia am Laufen zu halten. Dies ist, wie ich hinzufügen möchte, die mächtigste aller drei Möglichkeiten, aber denkt immer daran, unsere Gesetze sind eure Grenzen und wenn ihr sie überschreitet, werden die Volkskammern über euch bestimmen können!“

„Droht ihr mir?!“

„Ich weise euch lediglich daraufhin, dass ein unerfahrener Reiter, der die Zügel zu stramm zieht, abgeworfen wird.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Bea88
2018-07-06T15:39:21+00:00 06.07.2018 17:39
Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht. Freue mich schon drauf weiter lesen zu dürfen. Du machst das alles richtig schön spannend. Habe die anderen Teile der Reihe innerhalb einer Woche durchgelesen und bin ein großer Fan geworden. Bitte mehr davon.
LG


Zurück