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Yggdrasils Essenzen

Vier Jahre nach den Ereignissen von "Broken Soul"
von

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Des Drachen Traum

Kapitel 4 – Des Drachen Traum

 

 

 

 

 

 

Thor und Loki staunten nicht schlecht als sie die Insel erreichten, die die neun Drachen Yggdrasils bewohnten. Normalerweise standen die neun Wesen im Kreis aufgestellt und blickten in die verschiedensten Richtungen, auf alles achtend was den Menschen schaden könnte. Nun aber lag einer von ihnen in ihrer Mitte, offenbar bewusstlos und wurde von den anderen Drachen umringt. Kaum waren sie nah genug heran, um zu erkennen, welcher Drache denn dort lag, eilten sie schneller heran.

Es war Taevarth, der erste der Drachen, der zu Loki gesprochen hatte. Von ihm hatte er von der Aufgabe der Drachen erfahren und sie als weiteren Beistand in die Schutzzone der Menschen geholt. Diesen Drachen hatte Loki kurz nach seinem Rückfall aufgesucht um Trost zu finden und ihm hatte Loki es zu verdanken, dass man ihm geglaubt hatte, als er von seinen Erlebnissen mit seinem anderen Ich berichtet hatte.

Nun lag er vor ihnen auf dem Boden und wirkte ohne Bewusstsein so zerbrechlich, trotz seiner enormen Körpergröße.

„Was ist geschehen?“, fragte Thor ohne Umschweife den Drachen, der ihm am nächsten stand. Das große, rotgeschuppte Tier neigte leicht den Kopf um auf Thors Kopfhöhe zu gelangen und sprach dann mit einer Stimme, die so tief klang, dass die Erde zu beben schien.

Er ist vor zwei Stunden umgefallen und rührt sich seither nicht mehr. Zuerst dachten wir, er sei gestorben, doch noch atmet er und seine Augenlider bewegen sich!

Loki runzelte die Stirn. So etwas hatte er noch nie gehört…

Ein Drache, der einfach das Bewusstsein verlor, war alarmierend. Fast so sehr, wie das fremdartige Wesen, was sie gefunden hatten, was –so fiel ihm jetzt auf- zur selben Zeit verendet war, als der Drache ohnmächtig wurde.

„Das klingt nicht gut…“, murmelte er und trat näher an Taevarth heran. Eine Hand an den Körper des großen Reptils legend, schloss der Magier die Augen und sammelte sich. Vorsichtig versuchte er nach dem Geist des Drachen zu greifen. Vielleicht gelang es ihm, ihn zurückzuholen. Sein Herzschlag und der Taevarths begannen sich anzugleichen, doch anstatt eines langsameren Pulses, wie bei jemandem der schläft, begann Lokis Herz immer schneller zu schlagen, fast so als wäre er in Panik.

Völlig unvermittelt drangen Bilder in Lokis Bewusstsein, die ohne Zweifel aus Taevarths Geist stammten.

Der Drache träumte…
 

 

Ein in Flammen stehender Krieger bahnte sich seinen Weg durch die großen Grassteppen. Hinter ihm noch tausende seiner Art. Er war kein Feuerriese, dazu war er zu klein. Dieses Wesen hatte keine natürlichen Züge an sich, alles an ihm wirkte so falsch. Da erblickte der Krieger eine junge Frau, die sorglos die Straße entlangging.

Ein spitzer Schrei und eine Blutlache waren alles, was von ihr zurückblieb!
 

Wie eine dunkle Flut überrannten diese Krieger die Ortschaften, töteten, schändeten, zerstörten…
 

Ein Raumschiff steuerte auf Yggdrasils Welten zu, eine Armada im Rücken, bereit zu töten.

Das Ende des Weltengefüges schien nahe zu sein….
 

„Loki!“

Der Magier spürte, wie Thors große Handfläche unsanft auf seine Gesichtshälfte traf. Augenblicklich setzte ein brennender Schmerz ein und er schlug die Augen wieder auf. Thor hockte über ihm, mit besorgtem Gesichtsausdruck und um ihn herum die Drachen.

Stopp!

>Wieso liege ich am Boden?!<, fragte sich Loki erhob sich schwerfällig. Die Frage schien, obwohl er sie nicht laut gestellt hatte, wie eine Seifenblase über ihm zu schweben, denn Thor meinte:

„Du hast versucht mit Taevarth zu kommunizieren… dann bist  du plötzlich zusammengeklappt und hast gezuckt wie von einem meiner Blitze getroffen! Ich hab versucht dich zu beruhigen, aber das klappte erst nach etwas… gröberen Mitteln“ Damit war wohl seine Ohrfeige gemeint, obwohl diese, wenn man Thors Kraft gedachte, eher einem liebevollen Klaps entsprach.

Der Donnergott packte seinen Bruder an den Schultern und sah besorgt zu ihm herab.

„Was hast du gesehen?“

Bevor Loki auch nur Luft geholt hatte um zu antworten, ertönte von dem noch bewusstlosen Taevarth zu ihrer Linken ein lautes Ächzen. Die Lider des Drachen flatterten leicht, bevor er endgültig die Augen öffnete und seufzte als laste alles Gewicht der Welten auf seinen Schultern. Die eigentlich goldenen Augen des Drachen waren noch von einem gräulichen Schimmer des Schlafes überzogen und Taevarth wirkte unendlich erschöpft.

Er sah, was auch ich wahrnehme! Der Herausforderung, der wir uns zu stellen haben… wenn wir überleben wollen!

„Ich verstehe nicht…“, warf der Sohn Odins ein, doch der Drache brachte ihn mit dem Schlag seiner mächtigen Schwingen wieder zu Schweigen.

Nichts was wir sehen ist gewiss, doch ist es möglich. Die Widersacher, die ihr vor Jahren bekämpft habt… sie sinnen auf Rache und auf den Untergang von allen freien Völkern des Weltenbaumes. Wenn wir nicht stark genug sind, werden wir alles verlieren!

Mit geschockter Miene blickte der Thronfolger Asgards zuerst zu dem Drachen, dann zu Loki, der mit verunsicherter Miene nickte, als Bestätigung, dass er selbst genau das gesehen hatte.

Thor konnte es nicht fassen!

Die Weltenfresser, wie sie von den meisten Menschen genannt wurden, weil sie ihrer Welt quasi das Leben entzogen hatten, waren dabei erneut alles zu bedrohen, was ihm lieb und teuer war.

Die Erde

Die Menschen

Seine Familie…

„Das werde ich nicht zulassen!“, stellte er mit entschlossener, aber ungewohnt ruhiger Stimme fest.

„Niemand von uns wird es zulassen, Bruder. Das ist dir hoffentlich klar?“, meinte Loki und bekam ein selbstsicheres Grinsen von Thor. Der Donnergott hielt Loki seine Rechte hin.

„Wirst du auch bei diesem Kampf an meiner Seite stehen, kleiner Bruder?“

Auch Lokis Miene zeigte nun ein Grinsen, jedoch einen Hauch schelmischer als das Thors.

„Bis in den Abgrund der Toten und wieder zurück“, ergänze Loki den Spruch, den sie früher immer vor jedem großen Abenteuer in ihrer Jugend aufgesagt hatten.

 

 

 

 

 

Endlich! Die erste Welt aus Yggdrasils Gefüge konnte angegriffen werden. Es war schwierig für die Raunschiff-Armada gewesen, die Portalstränge zu umfliegen, doch nun waren sie soweit.

„Diese Schwächlinge werden wir zerquetschen, wie die Fliegen!", knurrte Surt selbstgefällig, während das Flaggschiff der drei Heerführer -durch Dunkelelfische Tarntechnologie für die unschuldigen Bewohner der Welt unter ihnen nicht zu sehen- über die lichten Wälder und sanften Berge flog. 

Kaum eine Sekunde später erfolgte der erste Einschlag! Ein violetter Energiestrahl traf auf den Boden  und hinterließ ein tiefes, klaffendes Loch. Die Bäume um diese Spur der Zerstörung standen sofort in Flammen und der Brand breitete sich unnatürlich schnell aus. Die Bewohner dieses Waldes flohen panisch aus ihrer zerstörten Heimat und liefen auf die offene Ebene... direkt in die Arme ihrer Angreifer. Diese blickten herab auf ihre Opfer und lachten über deren Furcht.

„Hahaha...die Rennen wie Ameisen!", erfreute sich Malbeth an dem Schaden, den das friedfertige Volk gerade erlitt. Thanos verzog lediglich seine Mundwinkel zu einem widerlichen Grinsen, während Surt sich ebenfalls vor Lachen kringelte.

„Lasst die Nachtfackeln los! Schicken wir den Avengers ein kleines Zeichen!", gab Thanos letztendlich das Zeichen zum Angriff. Eine Schleuse an der Unterseite des Schiffes öffnete sich und gab für hunderte der Fackeln das Signal. Wie einst die Chitauri kamen sie auf ihren fliegenden Jetskis angeflogen und entlockten durch ihr Erscheinen nicht wenigen der Fliehenden einen entsetzten Aufschrei. Doch auch viele von ihnen verstummten in einem Röcheln, wenn sie von den Geschossen ihrer Angreifer getroffen wurden. Wie Raubvögel zogen die Nachtfackeln ihre Kreise über den armen Geschöpf, die sich nicht ausmalen konnten, warum das mit ihnen geschah. Wie hätten sie es auch ahnen können. Der Angriff auf diese friedvollen Bewohner Yggdrasils diente zur reinen Provokation. Sie waren halt einfach Mittel zum Zweck!

Etliche von Thanos neuen Kriegern landeten auf dem einst satten, grünen Gras und begannen sich mit ihren Klauen und Reißzähnen mit ihren Opfern zu vergnügen. Der Boden färbte sich rot von dem Blut des angegriffenen Volkes und ihre Schreie erfüllten die Luft, hallten durch den Wald und fanden schließlich auch das Ohr eines gewissen Wächters, der wie eine Statue am Bifröst stand und auf die millionen Seelen blickte. Schrecken und Zorn erfüllten Heimdall, als er das Massaker erblickte, das in einer der Welten stattfand.

 

 

 

 

 

 

„Allvater, Heimdall verlangt nach euch!", rief einer der Palastdiener, als er hastig das Arbeitszimmer Odins betrat. Ohne vorher angeklopft zu haben! Der König Asgards schürzte kurz die Lippen, aufgrund der Dreistigkeit des Dieners, doch so außer Atem und aufgewühlt, wie der Bursche erschien, musste es wohl ziemlich wichtig sein. Also begnügte sich Odin damit, dem jungen Asen einen scharfen Blick zu "schenken", bevor er sich auf den Weg zu Heimdall machte. Auf dem Bifröst begegnete er Rhyador, der ebenfalls eiligen Schrittes auf dessen Ende zuhielt.

„Hat er dich auch zu sich gerufen, mein Freund?", fragte Odins Berater und auch der heitere Ton seiner Stimme konnte die besorgte Miene nicht überspielen. Seite an Seite trafen sie bei dem Wächter der Brücke ein, der sie schon ungeduldig erwartete.

„Was ist so dringend, Heimdall, dass du einen Palastdiener zu mir schickst, der nicht einmal den Anstand hatte anzuklopfen?", fragte der Allvater, kaum dass sie das kuppelförmige Gebäude betreten hatten. Rhyador sagte zunächst einmal nichts, sondern musterte Heimdall stillschweigend mit vor dem Körper verschränkten Armen. Entsetzen und Wut beherrschten das Mienenspiel des Wächters, als er zu erklären begann:

„Mein König, ein Volk auf Vanaheim wurde angegriffen! Eine ganze Siedlung von den im Wald lebenden Vanen wurde zerstört, man hat dort ein regelrechtes Blutbad angerichtet!"

Ungläubig keuchte der Allvater auf, Rhyador entglitten sämtliche Gesichtszüge. Jahrelang hatten sie Frieden gehabt und nun war erneut das Blut von Unschuldigen vergossen worden. Wut ergriff sowohl den König Asgards als auch seinen Berater und trat offen auf ihre Gesichter.

„Wir müssen sofort herausfinden, wer dafür verantwortlich ist!“, dachte Rhyador laut nach und blickte schließlich zu Heimdall hoch, der immer noch auf seinem Podest mit der Vorrichtung zum Aktivieren den Bifröst stand.

„Hast du gesehen, wer den Angriff startete?“

Der hünenhafte Wächter senkte seinen Kopf.

„Nein!“, gab er betrübt zu. „Ich konnte nichts erkennen, bis zu dem Moment, als diese fremdartigen Wesen die Vanen angriffen! Es war fast so wie damals mit den Dunkelelfen.“

Das waren keine guten Nachrichten!

So waren die Angreifer in  der Lage sich vor dem allsehenden Augen Heimdalls zu verbergen. Sie konnten ebenso wieder über ihnen schweben und die unschuldigen Bürger Asgards bedrohen!

„Rhyador! Mach dich bereit, wir brechen nach Vanaheim auf!“, der Allvater wandte sich ab und ging wieder in Richtung Palast. Sein Berater und bester Freund brauchte ein paar Sekunden, dann fing er sich jedoch wieder und schloss zu Odin auf.

„Du willst selbst dorthin gehen? Wieso schicken wir keinen einfachen Erkundungstrupp?“

„Weil ich das Gefühl habe, dass es noch viel schlimmer kommen kann und ich möchte zu jeder Zeit genau im Bilde sein! Das geht am besten, wenn ich selbst nachsehe!“, kam die Antwort des Königs, mit schwer verborgener Unruhe.

Es dauerte keine zwanzig Minuten und Odin stand erneut am Anfang der Regenbogenbrücke, neben sich sein achtbeiniges Pferd an den Zügeln haltend, seit langem wieder gekleidet in seine Rüstung. Betrübt kraulte er dem Pferd die Nüstern. Lange war das Reittier nicht mehr draußen gewesen, Odin hatte schlichtweg zu wenig Zeit, mal auszureiten oder sich um den Hengst zu Kümmern. Sein treuer Freund, der ihn durch so manche Schlachten begleitet hatte, hatte jedoch geduldig gewartet und strotzte immer noch vor Kraft, wie es nur wenige Rösser in Asgards Pferdezucht taten.

„Tja, Sleipnir, mein Guter. Hoffen wir, dass uns nichts Schlimmeres erwartet, oder?“, sprach er zu dem Pferd und schwang sich letztendlich in den Sattel. Es dauerte nicht lange und Rhyador erschien ebenfalls neben ihm, mit gut zehn asischen Rittern hinter ihm. Was sie in Vanaheim erwartete, würde selbst den hartgesottensten unter ihnen noch lange Alpträume bescheren!

 

 

 

 

„So hatte Erynor mit seiner Vermutung wohl recht!“, stellte Jane am selben Abend fest, denn Thor war kurz nach Taevarths und Lokis beunruhigender Vision nach Alfheim aufgebrochen. Dort hatte er dann feststellen müssen, dass seine Frau und Darcy schon Bescheid wussten… zumindest grob. Soeben hatten sie ihm von der Legende der Waldhüter erzählt und der Sohn Odins glaubte sich zu erinnern, das Jahre zuvor im Privatunterricht gehört zu haben. Jedenfalls unterbewusst, denn im Geschichtsunterricht war er oft eingeschlafen. Der Donnergott hätte zu gern genauer mit den beiden Frauen über die drohende Gefahr gesprochen, doch genau in diesem Moment kamen sein Sohn und Cara hinein getobt.

„Hallo Papa!“, rief Damion fröhlich aus und kletterte auf Thors Schoß. Dieser strich seinem Sohn liebevoll durch die immer unordentlichen Haare und legte seine Arme um den kleinen Jungen.

„Na mein kleiner Krieger, was hast du denn heute wieder schönes angestellt?“

„Ich hab mit Cara Fische gefangen!“, rutschte es Damion heraus, bevor ihm einfiel, dass er und die kleine Halbelfe eigentlich ausgemacht hatten, ihren Müttern nichts davon zu sagen. Er biss sich gerade schuldbewusst auf die Lippen, während Jane schon wieder einen beunruhigend strengen Blick bekam. In der Hoffnung der Tirade zu entgehen, kugelte sich der Kleine auf dem Schoß seines Vaters zusammen und verbarg sich hinter dessen Armen, die ihn immer noch umfangen hielten. Cara warf einen Blick zu Darcy, deren Miene auch einen Hauch Tadel angenommen hatte. Schließlich entschärfte Thor die ganze Situation indem er Jane mit einer beruhigenden Geste bat, ihm das zu überlassen.

„So so, Fische gefangen habt ihr? Und wo?“, hakte der Thronfolger Asgards nach, wohl wissend, wie die Antwort ausfallen würde. Vom dem kleinen Knäuel auf seinen Oberschenkeln, dass vor ein paar Sekunden noch sein sitzender Sohn gewesen war, tönte es schuldbewusst:

„Am Fluss?“

„Aha, am Fluss also. Hast du Mama vorher gefragt, ob du dahin darfst?“

Ein Seufzen erklang und Damion setzte sich wieder ordentlich hin, dabei einen Schmollmund ziehend, der wohl auch aus jedem Eisriesen Jötunheims ein mitleidvolles „Oh!“ heraus gekitzelt hätte.

„Nicht wirklich…“, begann der kleine Junge, doch es war seine beste Freundin, die schließlich die Situation erklärte, einfach aus dem Impuls heraus, ihren Spielkameraden vor weiterem Ärger zu bewahren.

„Wir waren vorher bei dem kleinen Teich gewesen. Das hätte doch viel zu lange gedauert, noch mal nach Hause zu gehen. Wo wir doch sowieso schon draußen waren…“, Cara zuckte mit den Schultern in der Überzeugung, das würde alles erklären. Darcy nahm die Kleine schließlich hoch und strich ihr ein paar verwuselte Locken aus dem Gesicht. Es stimmte schon, wenn manche Elfen sagten an Caranoriel sei ein Kerl verloren gegangen, so ungestüm wie das Kind manchmal sein konnte. Dass das Mädchen sich für ihr zartes Alter auch schon zu wehren wusste, war Darcy ebenso bekannt, denn vor gut einem Monat war das Mädchen doch tatsächlich –ungewollt natürlich- mitten in eine kräftige Rauferei geraten… und hatte zwei von den Jungen dazu gebracht, weinend zu ihren Müttern zu rennen. Die darauffolgende Schimpftirade hatte es sowohl Darcy als auch Jane, die sich zu der Zeit im Raum befunden hatte, die Ohren klingeln lassen, doch Darcy hatte ihre Nichte mit einem Feuer im Blick in Schutz genommen, dass ihre beste Freundin stolz in sich hinein gegrinst hatte. Darcy liebte ihre kleine Nichte sehr, ebenso wie Cara ihre „Darcy“, denn mit Tante wollte sich die junge Frau nicht anreden lassen. Diese Beziehung stand der einer Mutter zu ihrem leiblichen Kind in nichts nach und würde die kleine Halbelfe in Gefahr sein, so würde wohl auch Darcy wie eine Löwin wüten, bis das Kind wieder sicher war. Umso mehr betrübte sie es, wenn das Kind ihre Bitten bezüglich des Flusses in den Wind schlug, diente das doch nur ihren Schutz.

„Du weißt doch, wir sehen es nicht gern, wenn ihr da spielt! Der kleine Súrion wäre fast ertrunken. Weißt du noch?“, erinnerte sie das Kind an einen Vorfall, der sich erst vor ein paar Wochen ereignet hatte und sofort begehrte Damion, der sich bei seinem Vater immer mutiger fühlte, auf:

„Aber wir passen doch auf!“

Thor dachte für einen Moment, dass sich Odin wohl all die Jahre genau so gefühlt haben musste, wenn er und Loki Unfug getrieben hatten und sich selbst dabei in Gefahr brachten. Auch der Allvater hatte dann so resigniert geseufzt wie er jetzt. Er drehte seinen Sohn auf seinem Schoß zu sich um, damit er in die kleinen Kinderaugen blicken konnte.

„Ich weiß, ihr wollt euren Freunden zeigen wir mutig ihr seid, doch hat es nichts mit Mut oder dergleichen  zu tun, sich in Gefahr zu begeben. Das ist leichtsinnig und dumm! So verhält sich doch kein zukünftiger Ritter Asgards, oder?“ Sein kleiner Sohn schüttelte eifrig den Kopf und Thor strich Damion erneut über das Haar. Seit der Junge sprechen konnte hatte er den Wunsch geäußert, ein großer Krieger zu werden, wie sein Vater. Janes angstvoller Blick, wenn der Junge das erwähnte, versetzte Thor jedes Mal einen kleinen Stich ins Herz. Zum Glück waren das vorerst bloß die Träume eines kleinen Jungen, der so werden wollte wie sein großes Vorbild, in diesem Fall „Papa“. Doch wer konnte schon wissen, was die Zukunft brachte?

Kurze Zeit später, als die Kinder mehr gähnten als sprachen, beschlossen Jane und Darcy, dass es für die kleinen Zeit sei, ins Bett zu gehen, was natürlich mit dem Standard-Satz eines Kindes kommentiert wurde:

„Aber ich bin doch gar nicht müde!“

Und prompt gähnten beide wieder.

Um den beiden das Zubettgehen etwas lustiger zu gestalten, hob Thor die beiden Kinder hoch und warf sie sich über die Schulter, was sowohl Cara als auch Damion mit begeisterten Lachen beantworteten. So kam es, dass schließlich nur noch die drei im Wohnraum waren, denn Erynor war noch immer am Hofe des Elfenkönigs, um ihm von der Sichtung des Waldhüters zu berichten. Mit einem leichten Grinsen stahl sich Darcy davon, nur um kurze Zeit später mit einer großen Flasche gefüllt mit goldener Flüssigkeit zurückzukommen.

„Hab ich letztens von Aglaron bekommen! Mir wäre nach einem Glas, wie seht ihr das?“, fragte sie in die Runde. Jane zog ein verwundertes Gesicht, während Thor breit grinste. Das, was Darcy da in der Hand hielt, war der beste Met, den man in Alfheim bekommen konnte. Er schmeckte zwar ziemlich süß, wie das Honigwein nun einmal an sich hatte, hatte aber einen eigentümlich, leicht  fruchtigen Nachgeschmack und allen voran tat der Met eines… er knallte mächtig rein, wenn man nicht aufpasste. Thor musste es wissen, denn dieses Getränk war unter anderem auf seiner Hochzeit ausgeschenkt worden. Sogar Hogun hatte im Rausch dieses Getränkes eine lockere Zunge bekommen.

„Ich nehme gern ein Glas…“, meinte Thor doch Jane hob abwehrend die Hände.

„Nicht mit mir! Nach unserem letzten Frauenabend mit diesem Zeug hatte ich drei Wochen Kopfweh!“, sie erhob sich erneut und ging in Richtung Treppe. Vor der ersten Stufe drehte sie sich um und sagte:

„Ich nehm ein Bad, meine Muskeln fühlen sich an als würde dein Hammer dranhängen, Schatz!“

Thor lachte und prostete Jane mit dem inzwischen mit süßen Wein gefüllten Becher zu:

„Das bezweifle ich, Liebste! Aber warum hast du denn solchen Muskelkater?“

Ups!

Thor wusste doch gar nicht, dass sie mit Aglaron trainierten und die verspannten Muskeln stammten von einer weiteren Trainingseinheit vom Abend zuvor. Jane verbarg ihre ertappte Miene und murmelte etwas von „Bücher sind schwerer als du denkst“, bevor sie im Badezimmer verschwand. Darcy hatte mittlerweile ihren Becher ebenfalls mit Met gefüllt und hielt ihn Thor zum Anstoßen hin. Eine Zeit lang herrschte Schweigen zwischen den beiden, doch nicht etwa ein betretenes oder unangenehmes Schweigen, sondern mehr ein stilles Übereinstimmen, mit jemand den man gut kannte. Nach einer Weile lag Thor letztendlich doch etwas auf der Zunge, genau dasselbe, was er am Vortag mit Loki im Auto besprochen hatte.

„Darcy…“, begann der blonde Donnergott und stellte seinen Becher geräuschvoll auf dem Holztisch ab.

„… ich möchte nicht, dass du das jetzt missverstehst aber… ich habe vor ein paar Tagen gesehen, dass du Lokis Brief von damals auf deinem Nachtschränkchen liegen hast… liest du ihn manchmal noch?“

Ertappt…

Darcy biss sich auf die Zunge um nicht etwas Schnippisches zu erwidern. Thor hatte recht, das tat sie. Fast schon jeden Abend flogen ihre Augen, wie selbstverständlich über die Zeilen Lokis und blieben letztendlich bei dem „Ich liebe dich“ hängen. Sie rang mit sich, jeden Tag aufs Neue, was ihre Gefühle für Loki anging. Glaubte sie am Morgen noch, ihn aus ihren Herzen verdrängt zu haben, musste am Mittag nur etwas erwähnt werden was mit ihm zusammenhing und ihr Herz schlug schneller. Sie verfluchte sich, für ihre Sturheit, einfach nicht in der Lage zu sein, mit ihm zu sprechen, während ihre andere Hälfte meinte, es würde ohnehin nichts mehr bringen. Eben dieser Teil in ihr flüsterte ihr auch zu, es sei viel einfacher sauer auf Loki zu sein, wenn auch mittlerweile ohne triftigen Grund.

Die durchdringend blauen Augen Thors, die dafür, dass sie so eine kalte Farbe trugen, unglaublich warme Blicke senden konnten, suchten die von Darcy aus denen Traurigkeit sich mit Stolz und Verunsicherung stritt und er lächelte dem Mädchen zu, dass im Laufe der Jahre immer mehr wie eine kleine Schwester für ihn geworden war.

„Dir liegt immer noch etwas an Loki, nicht wahr?“



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