Ein langer Tag I
Akane seufzte. Dieser Tag ging ihr schrecklich auf die Nerven noch ehe er überhaupt wirklich angefangen hatte.
"Das ist alles nur deine Schuld" knurrte sie in Ranmas Richtung, der bis dahin wortlos neben ihr auf seinem Plätzchen gesessen hatte und aus dem Fenster schaute. Genervt rollte er mit den Augen. "Das sagt ja genau die Richtige."
"Wie meinst du das?"
"Heh... Das weißt du selbst ganz genau." Mit einem lauten "Ngggg" streckte er ihr die Zunge raus und drehte sich dann demonstrativ mit verschränkten Armen von ihr weg.
Seine Verlobte lachte ein emotionsloses Lachen. "So ist das, ja?" sagte sie leise und schien sich alle Mühe der Welt zu geben, ihre bebende Stimme inmitten all der anderen Fahrpassagiere des Zuges, im Zaum zu halten. "Dann--- war--es-also-MEIN HIRYU SHOTEN HA DERDIESCHULETOTALVERWÜSTETHATJA?!"
Zwecklos. Dieser Mistkerl hatte es aber auch immer wieder geschafft, sie zur Weißglut zu bringen! Schweißtriefend, keuchend und mit wild rollenden Augen drehte sie sich in alle Richtungen um und entschuldigte sich bei den äußerst erschrocken blickenden Mitfahrenden für ihren kurzen Ausfall und wandte sich dann wieder Ranma zu. "Das ist alles nur deine Schuld" zischte sie als sie ihm den Ellenbogen in die Seite stieß.
Stöhnend bemühte er sich keinerlei Reaktion zu zeigen und schluckte den kleinen, in seiner Niere aufkommenden Schmerz hinunter. "Du wiederholst dich", sagte er so cool und gelassen er nur konnte. "Sieh doch mal den Tatsachen ins Gesicht. Du versuchst zum zehntausendsten Mal dein Giftgebräu unter die Massen zu bringen, wodurch du die halbe Schule mit einem Schlag in Atemnot versetzt und Kuno wie eine wildgewordene Furie auf mich losstürmt und etwas von einem miesen Komplott quatscht, während Gosonkugi Flüche über mich ausspricht, weil ich einer der wenigen war, die nicht ins Krankenhaus mussten - bin ja mit deinen Kochkünsten bereits bestens vertraut - und zu allem Überfluss schafft es dieser bekloppte Headmaster, in diesem ganzen Chaos eine Lücke bei mir zu finden und mich einem Stück meiner Haarpracht zu berauben." Wehleidig fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare und deutete auf eine winzige kahle Stelle. "Und du sagst es sei MEINE Schuld? Dann machst du hier Heckmeck im Zug und sagst ebenfalls, es sei MEINE SCHULD? MERKST DU NICHT DASS ALLE LEUTE DICHSCHONANSTARRENDUVERRÜCKTESMANNSWEIB?!"
"..."
***
Mit einem lauten Zischen schlossen sich die Türen, ehe der Zug nun wieder in friedlicher, angenehmer Stille und zumindest noch ein paar heilen Fensterscheiben und Sitzen weiterfuhr und Ranma und Akane mutterseelenallein an irgendeinem Bahnhof zurückließ.
"Das ist alles nur deine Schuld...."
***
"Wir haben Glück. Sie haben uns nur eine Haltestelle vor unserem eigentlichen Ziel rausgeschmissen. Das heißt, wir kommen wahrscheinlich doch noch rechtzeitig an."
Akane ging stumm neben Ranma her, nachdem er einen Stadtplan gelesen hatte und ihr dann die neusten Erkenntnisse mitteilte.
"Also....." fuhr Ranma fort und schaute sie prüfend an. "Wir sind ja schließlich geübt darin, zur Schule zu laufen. Unsere Kondition ist top."
Keine Reaktion.
"Ich meine..... wenn Ryoga die Karte gelesen hätte, sähe es jetzt schlechter um uns aus..."
Keine Reaktion.
Kopfschüttelnd gab es Ranma auf. "Man...." schnaubte er mit abgewandtem Gesicht. "Du bist echt nie auch nur ansatzweise süß."
Nachdenklich biss Akane sich auf die Unterlippe. "Weißt du..." sprach sie auf einmal und ließ ihn leicht erschrecken. "Das mit dem Essen... das habe ich gar nicht böse gemeint. Es war nur so, dass Ukyo für das Sommerfest ihre Okonomiyaki angekündigt hatte und alle waren sofort hellauf begeistert. Ich dachte eben... wenn ich dem Festkomitee auch etwas unter die Arme greife, werden sie sich gleich doppelt freuen." Schuldbewusst ließ sie ihren Blick an dem sandigen Boden der Landstraße haften. Ihr Gang verlor mit jedem Schritt an Tempo, so lange bis sie schließlich gänzlich stehen blieb. "Ich... ich hab's wirklich nicht böse gemeint. Ich dachte doch nur..."
"Akane..."
Bei dem Klang ihres so zärtlich ausgesprochenen Namens machten ihre Gedanken einen Hüpfer zurück von verschwommenen Erinnerungen in die Wirklichkeit. Zitternd drehte sie sich zu ihm um. "Wa-was ist?"
Mit ernstem Gesicht trat er einen Schritt näher auf sie zu. "Du hast mich ganz falsch verstanden. So meinte ich es doch gar nicht...."
Mit großen Augen blieb seine Verlobte wie zu einer Salzsäure erstarrt vor ihm stehen und das einzige, was ihr Körper noch steuern konnte war, den mächtigen Brocken in ihrem Hals hinunter zu schlucken. "Wie meintest du es denn...?"
"Vertrau mir doch einfach." Ein warmes Lächeln strahlte ihr entgegen. "Du meinst es nie böse, das weiß ich doch... aber dein sogenanntes Essen IST böse. Es ist das Böse an sich." Theatralisch riss er seine Augen auf und wandte seinen Blick mit ausgestreckter Brust gen Himmel. "DER Pakt mit dem Fürsten der Dunkelheit. Eine gehörige Menge Höllenfeuer. Scheußli--"
POW!
PLATSCH!
***
"Es hat nicht gereicht, mich einfach nur zu schlagen. Du musstest mich auch noch nass machen, heh?" Ranmas Stimme, obwohl weiblich und von Jusenkyos-verfluchte-Quellen-Natur aus sanft, klang bedrohlich.
Befriedigt grinste Akane vor sich hin und summte fröhlich eine Melodie. "Was regst du dich so auf?" fragte sie in einem unschuldigen Ton. "Du bist immer noch ein Mensch, oder?"
"Vergiss es. VERGISS ES!! Ich werde NICHT als Mädchen in der neuen Schule erscheinen. Jedenfalls NICHT am ERSTEN TAG!"
In einem hellen Lachen drehte sie sich zu ihrem verwandelten Wegkameraden um. "Zu schade. Du würdest in diesem Aufzug sicher schnell heiße Bekanntschaften machen. Aber wenn du nicht willst--" Schulterzuckend holte sie aus dem Nichts eine bronzefarbene Kanne hervor und goss vorsichtig das heiße Wasser über den kleinen Rotschopf, der mit jedem Tröpfchen ein kleines Stück wuchs und dem ganz plötzlich schwarze Strähnen aus dem Kopf sprossen, welche nach und nach das rote Haar verdrängten.
Erleichtert seufzte Ranma und hielt für einen Moment seine Augen geschlossen. Trotz dessen spürte er Akanes ungeduldigen Blick. "Du glaubst doch wohl nicht", setzte er langsam an, "dass ich jetzt auch noch 'danke' sage."
Leicht verärgert legte sie ihren Kopf schräg. "Du solltest danke sagen. Immerhin habe ich dich zurückverwandelt."
"Ja das hast du!" kreischte Ranma hysterisch. "Aber es war ja auch DEINE Schuld, dass ich überhaupt erst zurückverwandelt werden musste!" Mit jedem Wort schob er sich näher an sie heran, sodass am Ende nur noch gut zwei Daumen zwischen ihrer beiden Gesichter hätten passen können. Sein Gesicht blieb noch einen Moment lang wütend und es gefährlich zu nennen, wäre glatt untertrieben.
"Hmpf", gab sie knapp von sich. Auf einmal ahnte er Schlimmes und schielte langsam hinunter. "Wenn du es SO siehst--"
"Hyaaah!!!" Mit einem äußerst uneleganten Sprung rettete Ranma sich ganz knapp vor dem kühlen Wasserstrahl, der aus einem Blecheimer in seine Richtung geschüttet wurde.
"Mist!" Verärgert stampfte Akane auf. "Kannst du nicht still halten? Jetzt ist alles umsonst verschüttet."
Panisch starrte Ranma zurück und nutze einige Sekunden, um sich zu sammeln und seinen Atem unter Kontrolle zu kriegen. "Verdammt, wo nimmst du bloß immer die ganzen Eimer und Kannen her?"
"Ach--" Stirnrunzelnd schaute sie auf den mittelgroßen Gegenstand in ihrer rechten Hand. "Weiß auch nicht..." Mit einem gleichgültigen Schulterzucken warf sie ihn ins Gestrüpp am Straßenrand.
"Nicht sehr umweltfreundlich..." murmelte Ranma nebenbei und beäugelte Akanes Kleider skeptisch nach irgendwelchen Geheimtaschen suchend.
"Was soll's", antwortete sie heiter, nachdem sie zu seiner Überraschung seine letzten Worte scheinbar klar und deutlich verstanden hatte. "Aus dem Nichts, ins Nichts. Macht Sinn, oder?" Fröhlich setzte sie ihre Melodie fort und hüpfte die Straße entlang. Ein Kopfschütteln war das Einzige, was Ranma darauf noch entgegenbringen konnte, ehe er sich hastig seine zu Boden gefallene Schultasche schnappte und ihr hinterher eilte.
"Wer zuerst da ist!" rief er herausfordernd und mischte bewusst eine ordentliche Portion Arroganz in seinen Ton, denn er wusste, dass Akane sich dann ganz sicher kein zweites Mal bitten lassen musste.
"Heh. Kannst du haben." Vom Ehrgeiz gepackt stürmte sie los, schoss voraus, rannte und rannte und spürte den Wind in ihren Haaren, als sie ungeahnte Geschwindigkeiten erreichte, vor allem aber spürte sie das unbeschreiblich erregende Gefühl Ranma weit hinter sich zu lassen. Wow. Wie toll sich das doch anfühlte. Heute war sie wirklich voller Energie. Endlich würde sie Ranma bei einem Wettlauf schlagen. Ranma, dessen größte Stärke doch sonst immer seine Geschwindigkeit war. Ja!
Aber Moment mal. Irgendwas war da doch faul. Abrupt kam sie zum Stehen. "Wo... wo.... wo...?" stammelte sie hilflos und blickte sich an einer Kreuzung verloren in alle Richtungen um. Erst dann erkannte sie Ranmas schadenfrohes Lachen hinter sich, hörte sein Japsen nach Luft und die kräftigen Schläge auf seine Oberschenkel.
"Dass du lahm bist, wusste ich ja. Aber deine Intelligenz habe ich scheinbar weit überschätzt. Bllll!"
"Hör auf, mir deine hässliche Zunge rauszustrecken und--" außer sich schlug sie mit ihrer Schultasche nach seinem Kopf, verfehlte ihn aber, als er geschmeidig seinen Körper zur Seite bog, "sag mir--", wieder verfehlt, "jetzt sofort--", wieder verfehlt, "WO ES LANGGEHT! ARGH!!" Treffer.
Mit plattem Gesicht und einer schicken braunen Ledertasche, die eine mindestens ebenso schicke Beule auf seinem Kopf zierte lag er flach da, löste seinen in den Boden eingestanzten Arm von der Straße und schob ihn kraftlos nach rechts, um auf die nächste Abzweigung zu deuten. "Danke." sagte sie mit süßer Stimme und lächelte ihn an. "Das war doch gar nicht so schwer." Mit einem lauten *Plock* hob sie ihre Schultasche auf, die durch den eventuell etwas zu kräftigen Schlag an seinem Kopf festklebte und setzte zum zweiten Mal an diesem Tag ihre unbeschwerte Melodie fort.
"Dies wird ein langer..... langer Tag" murmelte Ranma düster und richtete sich etwas wackelig wieder auf.
***
"Kaibara Koko" las Akane die in einer Bronzeplatte eingravierten Kanji langsam vor und fuhr mit ihren Fingerspitzen langsam darüber, um all ihre Sinne mit diesem Namen vertraut zu machen. In einer Mischung aus Aufregung und einem klein wenig Angst vor dem Neuen blieb sie vor dem Tor des Schulgebäudes stehen. Ranma tat ihr gleich. "Da wären wir also", flüsterte sie gerade so laut, dass er es hören konnte, aber leise genug, um sich vor möglichen Spionen zu schützen, als hätte sie etwas zu verbergen. Ein Nicken ihres Begleiters war die Antwort. "Irgendwie komisch."
"Ich weiß, was du meinst. Es ist fast wie am ersten Tag als ich zu euch an die Furinkan Oberschule kam. Hier wirkt alles so fremd und doch irgendwie so vertraut." Seine Augen fuhren über den langen Schulturm an dessen oberen Ende eine große Uhr angebracht war, die hellen Farbtöne, welche die Fassade zierten, die kleinen Grünanlagen am Wegrande, die links und rechts verstreuten kleineren Nebengebäude und den Mittsechziger Baustil, von dem er zwar überhaupt nicht sagen konnte, dass er tatsächlich typisch für Mitte der Sechziger entstandener Bauten war, trotzdem aber hier und da Parallelen ziehen konnte. Nachdenklich zog er seine Stirn kraus. "Eigentlich sieht hier alles genauso aus wie in Furinkan. Fehlt nur noch--"
"Ranma Saotome! Eindringling, vom Teufel gesandter. Du wagst es, an diesem Ort wohligen Friedens mir den sonnigen Morgen mit deinem schmutzig Antlitz zu beflecken und zugleich das der jungen unberührten Maid mit in deinen dämonischen Sumpf zu ziehen?" Wenn man vom Teufel spricht. Just in diesem Moment schoss Kuno hervor und stürmte zielstrebig mit seinem Kendo-Schwert in beiden Händen fest im Griff und einem lauten Kampfschrei auf den unwillkommenen Störenfried zu. "Sterben sollst du, Unwürdiger! Zack-zack-zack-zack-zack-zack-zack--"
Die Warnungen des schmächtigen Kendoisten, seine flinken Gestikulierungen, ja sogar seine äußerst beeindruckenden und wohlgemerkt passenden Sound-Effekte, die er darunter mischte, ließen Ranma leider nicht im Geringsten aus der Haut fahren. Nur eine Hand holte er aus seiner warmen Hosentasche hervor, um sich unberührt an der Nase zu kratzen, nachdem sein rechter Fuß Kunos Gesicht einen guten Morgen gewünscht hatte. Geplättet blieb dieser noch eine kurze Weile in dieser ziemlich unglücklich und nicht weniger erniedrigenden Position, ehe er starr und steif seitwärts zu Boden kippte; ebenfalls nicht weniger erniedrigend, aber zumindest wieder imstande zu atmen. "Morgen, Kunooo", quiekte er in einem belustigenden Ton.
"Oberschüler Kuno", rief Akane mit leichter Verspätung und eilte wie aus Sorge auf ihn zu, schnappte sich einen Stock, um ihn auf den Rücken zu drehen, sodass sein Gesicht frei lag und fragte: "Du wurdest auch an diese Schule transferiert?"
Bei dem süßen Klang der Stimme seiner Liebsten, eine seiner zwei Liebsten, schossen seine Lider hoch. "Akane Tendo..." rief er in heller Freude aus, richtete sich wie ein Springteufel in einen Sitz auf und nahm eine Hand der neben ihn Knieenden in seine. "Nicht länger sollst du fürchten. Für wahr wurde ich auserkoren, diese Schule mit meiner edlen Anwesenheit zu beehren, um dich aus den Fängen dieses Übeltäters zu befreien. Auf dass wir gemeinsam--"
POW!
"Wow. Das nenn' ich mal gute Partnerarbeit", stellte Ranma beeindruckt fest als er gelassen von Kunos Kopf wieder heruntersprang und Akane im selben Moment ihre Faust aus dem Gesicht des Oberschülers zog. Mit ihrer kleinen Einlage ernteten sie bewundernde Blicke ihrer neuen Mitschüler; einige applaudierten sogar. Etwas überrascht erkannte Ranma das Getuschel und die gewonnene Aufmerksamkeit. Dies war definitiv gutes Futter für sein Ego, da man sich in Furinkan ziemlich schnell an seine spielend leichten Siege gewöhnt hatte und seinen Kämpfen dort kaum noch Beachtung in solchem Maße geschenkt wurde. Stolz faltete er seine Hände ineinander und streckte sie mit einem selbstgefälligen Lachen weit über seinen Kopf als er sich allen Richtungen zuwandte.
Akane schüttelte schnaubend ihren Kopf und massierte sich mit zwei Fingern die Schläfen. "Ranma, ich bitte dich. Musst du dich immer gleich so aufführen wie ei-- Was?!"
"Was willst du?" knurrte Ranma ihr aus dem Mundwinkel zu und setzte gleich wieder sein strahlendes Siegerlächeln auf.
"Ich... ich weiß nicht", stotterte sie langsam. "Mir war nur so, als ob ich etwas gesehen hätte. Einen Schatten. Stand da nicht eben jemand hinter dem Baum?"
"Dah... Hier stehen viele Leute."
Räuspernd zog sie die Stirn kraus und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. "Ich schätze du hast recht. Es war nur so..."
"Wie?" Mit einem lauten Stöhnen ließ er seine Arme fallen und drehte sich genervt zu ihr um, auf jeglichen weiteren Genuss seines kleinen Triumphes verzichtend, sodass auch bald von Seiten der Mitschüler die Aufmerksamkeit wieder anderem zugewandt wurde. "Man, hast du eigentlich nie gute Laune, außer wenn du MIR mal eine runterhaust?"
"Ra--" begann sie ernst und mit erhobener Stimme, brach jedoch ab. Vielleicht weil ein Körnchen Wahrheit in seinem letzten Satz steckte und sie tatsächlich etwas zu viel meckerte. Vielleicht aber auch wegen dieses eigenartigen Gefühls, das in ihr aufkam und ihr jede Stimmung nahm, sich weiterhin zu streiten.
"Was jetzt?" fragte er ungeduldig und fuhr mit seinem Blick misstrauisch über ihren Körper, immer noch auf der Hut vor irgendwelchen Geheimverstecken für große, schwere Waffen, die sie scheinbar in Dutzenden mit sich transportierte.
"Nichts", winkte sie hastig ab und schnappte ihn am Pferdeschwanz. "Hör endlich auf hier wie ein Affe rumzuhampeln und komm jetzt."
"Au! Brutales Machoweib!"
"Wir müssen das Büro des Rektors finden. Oder willst du am ersten Tag schon zu spät kommen?" Entschlossen stieß Akane die schwere Glastür des Hauptgebäudes auf und stampfte hinein, ihren Verlobten fest im Griff und trotz aller Proteste seinerseits hinter sich her schleifend.
***
Im Schutze des Schattens eines alten, Kirschbaums lehnte ein Junge von schmaler Gestalt gegen den Stamm. Seine Arme waren verschränkt und sein Blick ernst. "Dieser Junge", murmelte er nachdenklich vor sich hin. "Mit ihm stimmt was nicht."
***
"Soma-kun", flüsterte Toru zu sich selbst. Mit schräg gelegtem Kopf sah sie über Hanas Schulter hinweg und beobachtete Yuki. In seinem Gesicht lag etwas, das ihr bisher an ihm fremd war. Schon immer hatte er einen geheimnisvollen und sehr in sich gekehrten Eindruck auf sie gemacht, doch heute schien diese seiner hervorstechendsten Eigenschaften ihr geradezu ins Gesicht zu springen. Sein Mund öffnete sich für einen kurzen Moment, sodass seine Lippen sich zu ein paar Worten formten, die sie aus der Entfernung jedoch unmöglich verstehen konnte. Dann stieß er sich vom Baum ab, an den er sich leger angelehnt hatte und machte sich auf ins Schulgebäude. Eilig hastete sie ihm hinterher. "Soma-kun. Soma-kun?"
Erst nachdem sie einige Male seinen Namen gerufen hatte, reagierte er und fuhr herum. Winkend kam sie auf ihn zu gerannt, blieb schwer atmend vor ihm stehen und stützte sich gebuckelt mit ihren Händen auf den Oberschenkeln ab. "Puh-- erst mal-- wieder-- zu-- etwas Puste-- kommen-- Ahhhh... Ich sollte wirklich etwas mehr trainieren, was?" Kichernd richtete sie sich vor ihm auf und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Als sie seinen fragenden Blick aufnahm, fuhr sie zusammen. "Ah. Aber ich wollte dich ja etwas fragen. Oh je!"
"Schon gut. Was ist los?" Seine Stimme war warm und zart wie sie es von ihm gewohnt war und doch schien etwas darin zu liegen, was sie in ihrer ersten Vermutung, dass mit ihm etwas nicht stimmte, bestätigte.
"Ich... Ich hab' mich gefragt, ob mir dir alles in Ordnung ist. Du wirkst so.... so..." Erst als sie verzweifelt nach dem richtigen Wort suchte beschlich sie allmählich die Erkenntnis, dass sie gar nicht wirklich wusste, was genau sie befürchtete. Nervös zupfte sie an einem ihrer Zöpfe. "Geht es dir gut?"
Entgegen ihrer Erwartung wieder ein Lächeln auf seinen Lippen erscheinen zu sehen, wann immer sie ihre Sorge um ihn ausdrückte, schoben sich seine Brauen nur noch ein Stückchen enger zusammen. "Ich weiß nicht." lautete seine knappe Antwort, ehe er sich von ihr wegdrehte, um seinen Weg ins Gebäude fortzusetzen.
"Du weißt es nicht?" fragte sie hastig und streckte einen Arm aus, um ihn festzuhalten, sodass er nicht weitergehen konnte, hielt aber im letzten Moment inne als sie sich selbst an die Konsequenzen daraus erinnerte und stockte.
Yuki schien einer dieser Menschen zu sein, die Augen am ganzen Körper hatten, die niemals etwas verpassen würden und stattdessen jede Bewegung und jeden Mucks in ihrer Umwelt scharfsinnig verfolgten. Seufzend ließ er seine Schultern ein wenig hängen. "Ich kann es nicht beschreiben", antwortete er mit schwacher Stimme. "Kennst du das Gefühl, wenn du glaubst, in--- Nur dass, du-- Ich meine--" Aufmerksam und geduldig lauschte Toru seiner verzweifelten Suche nach der passenden Beschreibung, erhielt letzten Endes jedoch nur ein resigniertes Seufzen. "Schon gut. Es ist nicht wichtig." Endlich drehte er sich zu ihr um, um ihr ein weiteres Mal dieses unbeschreibliche Lächeln zu schenken, das in ihren Augen heller glitzerte als die Morgensonne und erinnerte sie daran, dass der Schulgong jeden Moment ertönen würde und sie sich besser auf den Weg machen sollten.
***
"U-chan!"
"Ukyo."
"Hallo ihr zwei. Ran-chan, du wurdest auch für diese Schule angemeldet? Akane, du scheinbar ebenfalls." Ukyo Kuonji zwang sich ihr helles Lächeln beizubehalten als sie sich für einen Moment an ihre größte Rivalin wandte und schenkte sodann wieder Ranma, ihrem Langzeitverlobten, vollste Aufmerksamkeit. "Haben sie euch auch in die 3-F gesteckt?"
"Ja!" antwortete Ranma mit leuchtenden Augen. "Sag bloß, da bist du auch gelandet." Nachdem er ihr Nicken als Antwort aufnahm, sprach er weiter, die Hände aufgeregt leicht zu Fäusten geballt und vor seiner Brust herschwingend. "Super! Dann sind wir wieder in einer Klasse."
KRACH!
Ranma brauchte zwei Sekunden, drei Sekunden, vier Sekunden bis er sich aus seiner Starre lösen konnte und wutschnaubend den Feuerlöscher von seinem Kopf riss. "Missbrauch nicht die Ausrüstung der Schule!" schrie er an Akane gewandt.
Diese nahm nur nebenbei Ukyos erhabenes Grinsen über Ranmas ganz offensichtliche Freude seine *echte* Verlobte zu sehen, wahr und stellte sich auf die Zehenspitzen, um vor Ranma ein wenig größer zu wirken. "Ich missbrauche hier gar nichts. Das ist mir aus der Hand gerutscht." Zufrieden beobachtete Ukyo das Spiel der beiden, die sich gefährlich knurrend gegenüberstanden, einer sich immer wieder mal etwas nach vorne schiebend, um dem anderen Angst einzujagen, nur um dann selbst eingeschüchtert vom noch lauteren Knurren des Gegenübers selbst in die Enge getrieben zu werden.
"Warum-- WARUM?!"
"Ranma, du brauchst es nur zu sagen, wenn ich überflüssig bin. Dann geh ich eben. Dir scheint es ja mit Ukyo in deiner Klasse gut genug zu gehen."
"Blöde Gans!" schnaubte er lauthals zurück. "Statt einmal nachzudenken. Weißt du eigentlich wie viel Zeit es mich jedes Mal kostet, den ganzen Weg von der Schule oder von zuhause rüber zu Ucchan's zu gehen?! Wenn sie in unserer Klasse ist, kann sie mir gleich so jeden Morgen ein paar Okonomiyaki mitbringen und ich muss nicht dein 'Essen' runterschlucke--"
POW!
"Aaau!!"
KRACH!
"Aaau!!"
PLATSCH!
"Kaaaaalt!!"
PLATSCH!
"Heeeiiiiiiß!!!!"
POW!
"Uff."
Sich den Staub von den Handflächen abklopfend schauten Akane und Ukyo gemeinsam auf das Häufchen Elend, das sie aus Ranma recycelt hatten, herab. "Wa--"
"Wenn ich dir nicht mehr als ein paar freie Okonomiyaki wert bin..."
"Wenn du mein Essen so scheußlich findest..."
Synchron traten sie über Ranmas schwer misshandelten Körper, um in das Klassenzimmer zu gelangen.
***
"Was hast du schon wieder, Soma-kun?" fragte Toru ihn, nachdem er ein klein wenig zusammengezuckt war.
Verwirrt rutschte er ein Stück auf seinem Platz vor. Sein Kinn sank so weit an seine Brust, dass seine silber-grauen Ponyfransen seine Augen verdeckten. "Ich habe gerade etwas eigenartiges gefühlt. Hast du das eben nicht gehört?"
"Bleib locker, Toru-kun", mischte Kyou sich ein. Sein orangefarbenes Haar leuchtete förmlich in dem Licht, das die frühe Morgensonne weich ins Klassenzimmer warf. Weder nahm er seine über einander verschränkten Beine vom Tisch, noch öffnete er seine Augen, als er sich an sie wandte. "Unser Rattenprinz hat öfter mal solche Aussetzer."
Toru wechselte ihre Aufmerksamkeit zwischen beiden Jungen und stellte aufs Neue fest, dass sie sich so ähnlich sein konnten, obwohl sie es selbst nicht einmal ahnten, manchmal jedoch verschieden waren wie Tag und Nacht. Denn genau in diesem Augenblick überkam sie selbst ein merkwürdiges Gefühl, das sie weder als gut noch schlecht deuten konnte. Allerdings blieb ihr auch nicht die Zeit, dem weitere Gedanken zu widmen, da sich der Lehrer bereits mit einem lauten Räuspern bemerkbar gemacht hatte. Überrascht weiteten sich ihre Augen. Diesmal stand er nicht allein vorne am Pult. Hinter ihm befanden sich noch einige weitere Personen, etwa selben Durchschnittsalters der Klasse und jeder mit verschiedenen Erwartungen im Gesicht.
"Ruhe! Sofort!" brüllte der Lehrer in einem strengen Ton und schlug im selben Moment das Klassenbuch auf den Tisch, um auch ja die volle Aufmerksamkeit seiner Schüler zu erhalten. Ein leichtes Husten half ihm, wieder Kontrolle über sich zu finden, ehe er etwas ruhiger fortsetzte. "Von heute an wird unsere Klasse etwas Zuwachs erhalten. Diese jungen Menschen hier werden auf unbestimmte Zeit an unserem Unterricht teilnehmen, da ihre Schule................... Einbüßungen erlitt." Ein weiteres Husten ertönte - diesmal jedoch von allen vorne Stehenden im Chor, während synchron bei Besagten ein nervöses Kratzen am Hinterkopf begann. Nacheinander deutete der ziemlich kurzgeratene Herr mit lichtem Haar auf jeden einzelnen, der Transferschüler. "Akane Tendo. Ranma Saotome. Ukyo Kuonji. Hikaru Gosunkugi."
"Was macht DER eigentlich hier?" flüsterte Ranma leicht verärgert zu Akane. Diese stieß ihm jedoch als Antwort ihren Ellenbogen in die Seite und hisste ihn an, still zu sein.
Etwas schüchtern und zögerlich verbeugten sich die fremden Schüler schließlich vor ihrer neuen Klasse.
Prüfend schaute Toru zu den beiden Somas rüber und fand sich bestätigt in ihrer Vermutung, wen Yuki fixiert hatte, während Kyou sich jedoch noch immer unberührt gab. Mit einem leichten Seufzen drehte sie ihr Gesicht wieder nach vorne und verfolgte still die Platzzuweisung ihrer hinzugekommenen Klassenkameraden. Noch immer hatte sie sich nicht entscheiden können, ob dieses *etwas* gut oder schlecht war, doch optimistisch wie sie war, stand für sie eines bereits fest: Sie umgab etwas Geheimnisvolles. Und Geheimnisse machen Spaß!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, rollte Kyou genervt mit den Augen und stützte mit halbem Interesse sein Kinn in eine Hand. Halbherzig flog er mit seinen Fingern durch die Seiten des vor ihm liegenden Buches; mehr aus Langeweile, denn aus unbändiger Gier nach mehr Wissen, als urplötzlich auch in ihm ein seltsames Gefühl aufstieg. "Was ist? Warum glotzt du mich so an?" Er bemühte sich standhaft zu klingen, doch konnte er selbst nicht abstreiten, dass eine gehörige Portion Zweifel sich in seine Stimme gemischt hatte, als der fremde Junge mit dem langen dunklen Pferdeschwanz vor seinem Tisch stehen geblieben war.
Ranma schaute unverwandt auf ihn herab, unfähig ihm zu antworten, zu sprechen oder sich ihm auch nur einen weiteren Zentimeter zu nähern. Die Ermahnungen des Lehrers, sich endlich auf seinen Platz zu begeben, vollkommen außer Acht lassend, ebenso wie er das wirre Getuschel, das sich um ihn herum aufbaute, ignorierte, blieb er einfach steif stehen und starrte.
"Katze...", murmelte er in die Richtung des orangehaarigen Jungen und doch schien er mehr zu sich selbst zu sprechen.
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Anmerkung der Autorin:
Der Anfang ist lahm, ich weiß. Aber das sind Anfänge ja meistens. Für den nächsten Teil gibt's auch etwas mehr Spannung - so viel kann ich versprechen. ^_^
An alle Ranma-Fans, die mit Fruits Basket noch nicht vertraut sind und selbiges, nur umgekehrt für alle Furuba-Fans: Ich denke, die FF liest sich am Besten, wenn man beide Manga bzw. Anime kennt. Jeder andere Fall sollte jedoch nicht zum Hindernis werden, da alle nötigen Erklärungen in meinen nächsten Kapiteln noch folgen werden.
