Zum Inhalt der Seite

Lichtspiel

Armins Fallnotizen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein neues Team

Als Armin sich die neuesten Erkenntnisse und den Titel des empfohlenen Buchs über die legendären Pokémon notiert hatte - er musste sich unbedingt nach einer Bibliothek umsehen - hatte Professor Ulm seine Unterhaltung mit Armins Vater offenbar schon wieder fortgesetzt. Zumindest bezweifelte er, dass “Wer den Tann-Effekt nutzt, um seine Pokémon zu trainieren, ist den anderen Teilnehmern um Klassen voraus” etwas mit legendären Pokémon zu tun hatte. Ihn jetzt gerade nach etwas Anderem als dem Kampf in zwei Tagen zu fragen, hatte wohl wenig Sinn. Armin setzte schweigend den Gang durch den Flughafen fort.
 

Aus der Nähe war Titaneon City noch beeindruckender als aus der Luft. Rund um den Flughafen hatten die Häuser „nur“ etwa fünf Stockwerke, doch sie waren ebenso futuristisch gebaut wie die Wolkenkratzer, die sich am Horizont abzeichneten. In den Glasfassaden spiegelte sich die Sonne. Armin legte seinen Kopf in den Nacken, um die Architektur des Hauses zu betrachten, an dem sie gerade vorbeigingen. Das Gebäude setzte sich aus zahlreichen Quadern in verschiedenen Formen zusammen, die so gestapelt waren, dass sie mehrere Stockwerke bildeten, wobei auf machen Stockwerken mehrere Quader durch Brücken mit Glaswänden verbunden waren.

Plötzlich traf sein Bauch auf etwas Hartes. Als er seinen Blick wieder nach vorn wandte, sah er nur dunkelblaue Haare. Er entschuldigte sich bei Esther. Ihr „Ich finde Stafette-Teams unsportlich, ich hoffe, dass das bei der WM nicht zu viele bringen werden“ schien allerdings nicht ihm zu gelten.

Die spektakulären Bauten wurden weniger und auf eine Siedlung aus würfelförmigen Reihenhäusern folgten älter aussehende braune Häuser mit schrägen Ziegeldächern, die eng nebeneinander standen.

„Hier sieht es erstaunlich … normal aus“, meinte Armin.

„Unglaublich, aber wahr: Titaneon City besteht nicht nur aus freakigen Hochhäusern!“, rief Angelina so überzogen, dass Armin Ironie vermutete.

„Wie weit noch?“, fragte Lisa, als ihr Vater und sein alter Kollege für eine Sekunde schwiegen.

„Es ist gleich da hinten um die Ecke“, antwortete Professor Ulm zu Armins Verwunderung. Von dem Champ und dessen Vater hatte er etwas weniger Bescheidenes erwartet.
 

Tatsächlich war hinter der Ecke ein kleines Restaurant. Sie gingen in den von Büschen umzäunten Garten, der mit vielen Bäumen, einer Wiese und sogar einem kleinen Teich eine willkommene Abwechslung zu der Hochhauslandschaft von Titaneon City darstellte. Als der Kellner sein Autogramm bekommen hatte, führte er sie zu einem der vielen freien Tische. Sie saßen nicht lange, da sprangen die ersten Gäste auf.

Als sich die Fans etwas beruhigt hatten, war es plötzlich Angelina selbst, die kreischend aufsprang. “Karpi!”, rief sie, rannte zum Nachbartisch und umarmte den dort sitzenden jungen Mann so fest, dass Armin befürchtete, sie würde ihn noch ersticken.

“Das ist ja ein Volltreffer, Karpi!”

“Karpi” brauchte offenbar einen Moment, um zu verstehen, was passiert war. “Lange nicht gesehen, Anna”, sagte er schließlich.

"Eine Million Jahre! Wo warst du, Karpi!?" — "Eigentlich sind es drei."

"Oh, hallo, Lukas! War für eine Überraschung! Angelina, bitte benimm dich. Wir sind hier in einem Restaurant", ermahnte sie ihr Vater.

"Entschuldigung, Papa. Also, Kar-- Lukas, willst du Dich nicht zu uns setzen?", sagte sie mit dem gleichen höflichen Lächeln, mit dem sie schon Armin begrüßt hatte, und stellte die Restaurantgäste einander vor. "Karpi" hieß offenbar Lukas Neumann und war ein alter Schulfreund von Angelina.

"Lukas, was machst du jetzt nach der Schule?"

"Ich mache ein Praktikum im Knospingen-Labor. Was du jetzt machst, muss ich wohl nicht fragen."

"Was, bei Papa? Warum hast du mir das nicht gesagt? Hm, also, du in einem Labor, das ist ja schon eine seltsame Vorstellung."

"Ach, ich verteile nur Pokémon an Zehnjährige und so."

Angelina und Lukas unterbrachen ihre Unterhaltung nur für einen Moment, als ein anderer Kellner vorbei kam und natürlich Angelina um ein Autogramm bat. Armin bestellte die üblichen Waffeln mit Amrenabeeren, die es zum Glück auch in Triko gab.
 

Als Armin fertig gegessen hatte, bemerkte er, dass es schon viertel vor Neun war. Die Sonne tauchte den Garten in ein warmes Rot.

Er holte seinen Block heraus und machte sich weitere Gedanken zum Fall. Wenn er Ray wäre, was würde er tun, um an die legendären Pokémon zu kommen? Was würde er brauchen?

Es gab zwei Teile: die legendären Pokémon zu finden und sie zu fangen. Damals, mit Kyogre, war Armin schon am ersten Teil gescheitert. Sichtungen von legendären Pokémon waren selten, offenbar hielten sie sich meistens versteckt und wollten nicht gefunden werden. Wer nicht gefunden werden wollte, war auch schwer zu finden, das wusste Armin von seinen Vermisstenfällen. Wäre er Ray, würde er es erst einmal wie einen Fall angehen: recherchieren, alle Bibliotheken der Region abklappern, so viele Informationen sammeln wie möglich. Ob Ray das gleiche getan hatte, war fraglich, aber er musste ein Experte auf dem Gebiet der legendären Pokémon sein.

Je stärker ein Pokémon, desto schwerer war es zu fangen – Armin dachte an Absol und den stundenlangen Kampf, den er nur knapp gewonnen hatte – ein legendäres Pokémon hatte bisher noch niemand gefangen, aber es konnte nicht einfach sein. Auch wenn sie nur Pokémon waren wie alle anderen, waren sie doch besonders stark, und um sie überhaupt zu schwächen, musste man wohl ein Champ sein – befand sich Ray etwa unter den Teilnehmern der Weltmeisterschaft? Nein, die Champs hatten ein Alibi, schließlich hatten sie sich bis vor kurzer Zeit in weit entfernten Regionen aufgehalten. Und selbst wenn man ein Champ war, Armin bezweifelte, dass ein normaler Pokéball oder Hyperball stabil genug war, ein legendäres Pokémon einzufangen. War dieser seltsame weiße Ball etwa ein Meisterball? Nein, solche Bälle gab es nicht, das widersprach jeder Logik. Dennoch musste er eine Bedeutung haben, aber welche?
 

Armin kam nicht weiter und ließ sich von Lisa zu einer heimlichen Runde Galgenmännchen überreden. Lisa erriet “Lokomotive” und schlug Armin mit “Phosphophyllit” – was auch immer das wieder für ein seltsamer Stein war.

„Spielt ihr da Galgenmännchen unterm Tisch?“, bemerkte Esther nach einigen Runden.

„Hast du dein Handy unterm Tisch?“, entgegnete Armin.

„Das ist ein PokéNav!“

„Hey, wollten wir uns hier nicht unterhalten?“, fragte ihr Vater.

„Multitasking“, sagte Esther, jetzt mit ihrem Handy auf dem Tisch.

„Vielleicht sollten wir für heute aufhören, bevor sich deine Kinder noch langweilen“, schlug Professor Ulm vor. Armin verkniff sich den Kommentar, dass er mit 25 Jahren darauf verzichten konnte, als Kind bezeichnet zu werden, und stimmte ihm zu.
 

Als die Unterhaltung endlich beendet war, war die Sonne bereits untergegangen. Im Blau der Dämmerung und dem gelblichen Licht der Straßenlaternen gefiel der Garten Armin noch besser. Er fand es fast schade, dass sie das Restaurant verließen und er die Spiegelung der Laterne im Teich nicht noch länger betrachten konnte. Er warf noch einen letzten Blick auf die goldenen Muster auf der Wasseroberfläche, bevor er dem Garten den Rücken zukehrte.

“Ab nach Hause, oder?”, fragte Armins Vater.

Armin schlug das Notizbuch auf, um sicherzugehen, dass er nichts vergessen hatte, und stellte fest: Er hatte natürlich etwas vergessen.

“Gibt es in Titaneon City eigentlich eine Bibliothek?”

“Nö, da müsst ihr schon in eine größere Stadt fahren, hier im Dorf gibt’s so was nicht”, sagte Angelina.

“Wie Anna sagte, wir sind in Titaneon City. Die Stadtbibliothek hat heute sogar bis Mitternacht auf. Soll ich euch den Weg zeigen?”, fragte Lukas.

“Karpi der Fremdenführer? Bin dabei!”

“Heute Abend noch?” So lang waren die Läden selbst in Graphitport City zur Tourismus-Hochsaison nicht geöffnet, aber Armin wollte sich nicht beklagen. “Klingt wie eine gute Idee.”

Neben Esther wollte auch Lisa unbedingt mitkommen und überredete ihren Vater, noch aufbleiben zu dürfen. So trennte sich die Gruppe in einer wieder belebteren Gegend von Titaneon City und die beiden Väter bogen in eine Seitenstraße ein, während Armin den anderen in Richtung der Wolkenkratzer folgte, bis sie auf eine große Straße kamen.
 

Menschenmassen strömten Armin entgegen. Grelle Neonlichter blendeten ihn.

Lärm. Menschen. Licht.

Sprachen sie mit ihm? Er wusste es nicht. Er verstand nichts.

Einfach geradeaus. Ein heller Haarschopf vor ihm, Angelina, ihr musste er folgen, sie kannte den Weg.

Sein Koffer zog an seinem Arm, jemand drängte sich vor ihn, Angelina war nur in einer Lücke zu sehen.

Kreischen – Lisa? Nein, Lisa hinter ihm schien in Ordnung zu sein, sie hing mit einer Hand an seinem Rucksack, gut, so wurde sie nicht abgedrängt. Vielleicht nur Fans von Angelina.

Angelina, wo war sie? Menschen, überall Menschen, jemand rempelte ihn an, wo war der blonde Haarschopf?

Er drehte sich um, auch keine Spur von Esther, Lisa war nicht mehr hinter ihm, er blieb stehen, sah sich um, er war allein.

Vor ihm tauchte eine kleine Gestalt auf, ein grell-orangefarbener Rucksack, pinke Zöpfe, ein Koffer mit Edelsteinmuster – Lisa!

Lisa kämpfte sich durch die Menge vor Armin, sie wurde langsamer, er konnte Angelina wieder sehen, Angelina, Esther, Lukas, Lisa kamen ihm entgegen, Angelina deutete nach rechts, raus aus der Menge, hinunter von der Straße.
 

In einer kleinen Gasse, die Menschenströme hinter ihm, atmete Armin erleichtert durch.

“Das war die größte Einkaufsmeile von Titaneon City. Ist am Power-Shopping-Freitag wohl nicht für jeden was”, meinte Angelina. “Wir müssen später wieder drauf, aber ‘n Umweg hat noch keinen umgebracht. Naja, auuußer wenn man von ‘ner wütenden Puppe mit Nadel und Faden verfolgt wird, dann sollte man Umwege durch kleine Gassen vermeiden!”

“Ooh, du hast Banettes Rache geschaut?”, rief Esther erfreut.

“Oh mein Arceus, ja! Der Film des Jahres! Des Jahrtausends!”

Während Angelina und Esther von schauderhaften Horrorfilmen schwärmten, bedankte sich Armin bei Lisa, dass sie ihn von der schauderhaften Horrorstraße befreit hatte.

Sie gingen weiter, schlängelten sich durch dünne Seitenstraßen. Je weiter sie sich von der Einkaufsmeile entfernten, desto weiter entfernten sich auch die Neonlichter. Es wurde dunkler, bis man nur dank der vereinzelten Straßenlaternen noch erkennen konnte, wie der Weg verlief. Daneben war alles finster, keine Umrisse, jemand könnte in diesem Moment in der Gasse stehen und Armin würde es nicht bemerken, er könnte sich anschleichen, unter den vielen Schritten der Gruppe würde das nicht auffallen, und wenn es ein Verbrecher wäre, könnte er tun was er wollte, und niemand könnte ihnen helfen, niemand würde sie finden, jemand konnte überall hier lauern --
 

“Hey, Armin?”

Armin zuckte zusammen.

Das war es. Das war ein …

“Armin, du Angsthaspiror! Das ist Karpi, der tut nix. Er ist doch ‘n Karpador!”

“O-Oh. Natürlich. Ja, Lukas?”

“Was suchst du eigentlich in der Bibliothek?”, war Lukas’ Frage.

“Oh, oh! Ich weiß!”, warf Angelina ein. “Er will irgendwas über die legendären Pokémon lesen. Wahrscheinlich ist er Ray und plant seinen nächsten Coup! Nach Serion, Futoran und Yurenka jetzt das nächste legendäre Pokémon … Xeo-Xeo!”

“Angelina?”, fragte Lisa. “Wer ist Ray?”

“So ein Webarak, das zu viel ‘Schnapp’ sie dir alle!’ gespielt hat und meint, legendäre Pokémon zu fangen ist im Real Life auch voll cool.”

“Jemand fängt legendäre Pokémon!? Das ist ja furchtbar!” Lisa klang ebenso entsetzt wie Esther im Flugzeug.

“Du hast Recht. Diesem Schurken sollte man das Handwerk legen”, meinte Lukas.

Armin war anscheinend der einzige, der beim Gedanken, legendäre Pokémon könnten sich in einem Pokéball befinden, nicht gleich panisch wurde.

“Was ist daran denn so furchtbar? Noch ist die Welt nicht untergegangen, oder? Sieht so aus, als wären die legendären Pokémon doch nicht so legendär. Solange dieser Ray keine kriminellen Zwecke verfolgt, was nicht auszuschließen ist, genauer gesagt ist es wohl die wahrscheinlichste Erklärung für sein Verhalten, aber …”

“Dass die legendären Pokémon ihre Aufgaben in einem Pokéball offenbar auch ausführen können, heißt nicht, dass sie in die falschen Hände geraten sollten”, sagte Lukas.

“Hm, wenn ihr auch etwas gegen Ray habt, vielleicht könntet ihr dann auch mitkommen, in die Bibliothek? Ray das Handwerk zu legen ist unser Plan. Naja, zumindest meiner, Armin ist einfach Armin. Auf jeden Fall suchen wir Ray. Dafür wollten wir uns erstmal über die legendären Pokémon informieren.”

“Hey, Esther, du kannst doch nicht einfach alles ver--”

“Dabei! Dabei, dabei, dabei! Karpi, komm mit! Wir schnappen uns den Typ, der sie alle schnappt!”

“Darf ich auch helfen?”, fragte Lisa.

“Hey, das geht mir alles etwas zu--”

“Moment”, unterbrach Lukas Armin. “Armin, wenn du kein Problem damit hast, was dieser Ray anstellt, warum gehst du dem Fall dann nach? Als Detektiv?”

“Weil er Armin ist”, antwortete Esther.

“Warum nicht? Es ist interessant.”

“Interessant? Das ist einfach nur gefährlich, was dieser Ray da macht. Und deshalb bin ich dabei”, sagte Lukas.

“Jaaa! Wir sind ein Team! Team coole Detektive und Karpador, los geht’s!”
 

Innerhalb weniger Minuten hatte Armin wohl gerade so etwas wie ein Ermittlungsteam bekommen, sei es auch nur für einen Ausflug in die Bibliothek. Er hätte lieber selbst ein Mitspracherecht bei dieser Entscheidung gehabt, aber auch wenn er Angelina und Lukas kaum kannte, in einer Gruppe zu recherchieren war fast wie früher. Er erinnerte sich an seinen ersten großen Fall, damals, als Kind, als er mit seinen Freunden das Fiffyen von Emilia gesucht hatte …
 

Ein neues Ermittlungsteam. War das der Beginn eines neuen großen Falls?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück