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This Is Called Love

Kurzgeschichten Sammlung
von

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Alte Liebe rostet nicht

„Levi? Du bist doch Levi?ˮ, fragt er mich und neigt den Kopf kaum merklich zur Seite. Ich kann nicht anders als ihn anzustarren, denn nach all den Jahren die wir uns nicht gesehen haben scheint er sich äußerlich kaum verändert zu haben. Vage nicke ich und kann meinen Blick nicht von ihm abwenden.

„Levi?ˮ

„Äh...ja...ˮ, stammele ich und senke hastig den Blick. Ich starre auf meine noch unberührte Kaffeetasse. Wie konnte das denn passieren?

Ich blicke auf die Zeitschaltuhr. Von fünf Minuten sind nur noch vier übrig.

„Wie-wie ist es dir so ergangen?ˮ, frage ich Manuel und bin froh, dass ich doch noch den Mund aufkriege. Er sieht immer noch so unwiderstehlich aus wie damals. Ob er sich extra für das Speed Date so aufgestylt hat? Sein schwarzer Anzug ist bestimmt von Armani. Die Rolex lässt auch darauf schließen, dass er es mittlerweile weit gebracht hat. Da komme ich mir in meinem Aufzug irgendwie ziemlich kläglich vor. Ich trage ein schwarzes Shirt mit einem Bild von Schroedingers Katze, blaue Jeans und ausgelatschte Sneakers, die schon bessere Tage gesehen haben. Nervös nestele ich an meinem geflochtenen Lederarmband.

„Ich arbeite für eine Werbefirma und leite meine eigene Abteilung.ˮ Manuel streicht sich gelassen über den Nacken und holt ein Marlboropäckchen aus seiner Anzuginnentasche hervor. Auf dem Feuerzeug, welches er nach dem Anzünden auf den Tisch legt ist ein Regenbogenfarbenmuster.

„Was arbeitest du?ˮ, fragt er desinteressiert und sieht sich in der Bar um. Ein beliebter Treffpunkt für Schwule in der einmal im Monat wie heute ein Speed Dating stattfindet. Mittlerweile ist es bei mir schon zu einer Art monatlichen Gig geworden. Ich bin jedes Mal hier. Immer auf der Suche nach Mr. Right und nun sitzt er vor mir. So wie damals.

„Ich arbeite als Lagerist.ˮ Ich streiche mir nervös über den Hals und kratze mit einem Finger auf der Tischplatte herum. „Hattest du in der Zwischenzeit...?ˮ Dumme Frage. Ich halte inne und breche ab. Natürlich hatte er Freunde. Wahrscheinlich sogar jede Menge. Ein Mann wie Manuel lässt doch nichts anbrennen.

„Hm?ˮ, fragt er.

„Nicht so wichtig.ˮ

„Hast du schon einen Kerl kennengelernt, für den du dich interessierst?ˮ, fragt Manuel und zieht den Aschenbecher näher zu sich heran. Ich schüttele den Kopf.

Nr. 1 ist bloß auf Sex ausgewesen.

Nr. 2 hat nur aufs Äußere geachtet. Da habe ich ja nicht einmal eine Chance gehabt.

Nr. 3 hat aus mir unerklärlichen Gründen ausschließlich über Schiffe geredet.

Nr. 4 ist verheiratet und sucht nach einem One-Night-Stand. Vielleicht sollte ich ihn mit Nr. 1 verkuppeln?

Nr. 5 ist mein ehemaliger Klassenkamerad Manuel der mein Liebesgeständnis in den Wind geschlagen hat nachdem ich eine Woche Mut ansammeln musste um es ihm überhaupt zu sagen. Durch Zufall habe ich herausgefunden, dass er auf Männer steht. Beim Klassentreffen habe ich ihn zuletzt gesehen. Wir haben aber nicht miteinander geredet.

„Wieso hast du mich damals nicht gewollt?ˮ, frage ich ihn ohne Umschweife genau in dem Moment als der Wecker schrill durch die Bar tönt. Meine Hände sind schweißnass. Ich bin nervös, aber ich muss ihn das fragen. Es hat mich all die Jahre gequält und verfolgt. Immer wieder habe ich mir diese blöde Frage gestellt. Es hat mich einfach nicht losgelassen.

Manuel hat sich bereits erhoben und nach dem Feuerzeug gegriffen, doch ich halte ihn zurück. Meine Hand liegt auf seiner. Fordernd sehe ich zu ihm auf.

„Ähm, die Plätze müssen getauscht werden.ˮ Ein Mann, wohl eher der sportliche Typ, steht neben Manuel und fordert seinen Platz ein. Manuels Zigarette hängt in seinem Mundwinkel. Er zieht seine Hand unter meiner fort, bleibt jedoch bei mir am Tisch stehen.

Wieso schweigt er jetzt? Will er es mir nicht sagen? Ich habe es verdient zu erfahren warum er mich damals abgewiesen hat. Sei der Grund noch so banal. Wir waren jung, es kann zig Gründe gegeben haben warum er nicht mit mir gehen wollte. Trotzdem ist er mir diese Antwort in all den Jahren schuldig geblieben. Diese Frage verlangt nach einer Antwort. Einer Erklärung. Hier und jetzt. Einerseits habe ich Angst davor es zu erfahren, andererseits hoffe ich dadurch fortan eine Last weniger mit mir herumzuschleppen.

Ich weiß noch wie ich in der Schulzeit Manuel unablässig mit den Augen verfolgt habe. Jede Bewegung, jede Regung. Ich habe ihm im Unterricht gelauscht, wenn er Fragen der Lehrer beantwortet hat oder sich mit seinen Freunden unterhielt. Mein letztes Schuljahr hat sich ausschließlich um Manuel gedreht. Wegen ihm habe ich meinen Abschluss versemmelt.

Jetzt steht er hier vor mir. Er sieht noch attraktiver aus, aber auch verschlossener als gerade eben. Manuel wird es mir nicht sagen.

„Ich habe immer noch Gefühle für dich.ˮ Es ist nervenaufreibend ihm dabei in die Augen zu sehen. Ich atme tief durch. Ruhig bleiben, Levi.

„Das ist doch schon ewig her. Lass es auf sich beruhen.ˮ Manuel wendet sich vollends ab. Der Fremde nimmt seinen Platz ein. Aus dem Augenwinkel sehe ich zu Manuel, der nur einen Tisch weiter sitzt. Als sich unsere Blicke treffen wende ich hastig den Kopf zur Seite.

„Hi, ich heiße Fabian und arbeite in einem Fitnessstudio.ˮ Mein Gegenüber reicht mir die Hand und zeigt mir sein Zahnpastalächeln. Ich schüttele seine Hand und stelle mich ebenfalls vor. Mir fällt es schwer auf ihn einzugehen. Die Begegnung mit Manuel hat mich total durcheinander gebracht. Immer wieder flimmern Szenen aus der Vergangenheit vor meinem inneren Auge auf und ich bereue es mittlerweile regelrecht heute hergekommen zu sein. Er hat wohl nie die Stadt verlassen, genauso wenig wie ich. Wohl oder übel mussten wir uns also irgendwann mal über den Weg laufen und dass wir beide schwul sind ist seit meiner Schulzeit längst kein Geheimnis mehr.

Schon nach zwei Minuten beginnt sich mein Gesprächspartner dank meiner einsilbigen Antworten zu langweilen. Die Unterhaltung stirbt ab und so sitzen wir nur schweigend am Tisch, trinken Kaffee und warten darauf, dass diese lästigen ewig andauernden drei Minuten enden.

Mein Blick gleitet immer wieder zu Manuel, der sich scheinbar prächtig mit dem Mann neben mir versteht. Sie reden angeregt miteinander. Nach einigen Wortfetzen wird mir allerdings klar, dass sie bloß über das letzte Fußballspiel diskutieren.

Ich starre auf den Zettel, der neben meiner Kaffeetasse liegt. Bisher habe ich noch keine Nummer angekreuzt. Am Ende des Speed Datings wird der Zettel wohl immer noch leer sein.

Ich habe die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, umgreife die rechte mit der linken Hand und knabbere heimlich an meinem Daumennagel. Eine schlechte Angewohnheit von mir.

Die Zeit verinnt schleichend. Als würde sie komplett still stehen, auch wenn sie das nicht tut. Es kommt mir trotzdem so vor. Die Ziffern auf der Zeitschaltuhr beschleunigen ihr Tempo leider auch nicht. Der Fitnesstrainer trommelt ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch herum. Alle paar Sekunden trinkt er einen Schluck aus seiner Tasse.

Dann ertönt endlich das lang herbeiersehnte Signal. Noch ehe ich aufsehen kann ist der Kerl schon aufgestanden und hat das Weite gesucht. Der Nächste kommt an meinen Tisch.

Nach der Unterhaltungsphase werden die Zettel abgegeben. Ich starre noch immer auf mein leeres Blatt. Ein Schatten auf der Tischplatte lässt mich aufsehen. Manuel steht vor mir.

„Soll ich den abgeben?ˮ, fragt er und legt mir seinen Zettel auf den Tisch. Ich schlucke hart. Einzig meine Nummer ist angekreuzt. Ich sehe zu ihm auf und habe keinen blassen Schimmer was ich sagen soll. Mein Kopf ist genauso leer wie das Stück Papier vor mir.

Manuel zieht den Stuhl mir gegenüber zurück und lässt sich darauf nieder. „Du wolltest wissen warum ich dich abgewiesen habe.ˮ Es klingt wie eine Feststellung.

„Ja!ˮ, antworte ich und räuspere mich. Ich setze mich aufrecht hin und sehe ihn erwartungsvoll an.

„Auf deiner Schulter ist eine Spinne herumgekrabbelt. So ein richtig fettes Viech.ˮ Manuel schmunzelt, während ich ihn entgeistert ansehe. Er zündet sich eine Zigarette an und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich habe eine extreme Spinnenphobie. In meinem ganzen Leben habe ich bisher keine besonders guten Erfahrungen mit den Viechern gemacht. Und dann standest du vor mir und hattest so ein ekelhaftes Ding auf deiner Schulter sitzen und hast es nicht mal bemerkt. Ich war im ersten Moment wie gelähmt. Ich habe dir nicht richtig zugehört und musste die ganze Zeit auf das dämliche Krabbeltier starren. Als du schließlich auch noch ein paar Schritte auf mich zugekommen bist habe ich es nicht länger ausgehalten und bin weggelaufen.ˮ

„Deswegen hast du damals gesagt 'Halte dich von mir fern'...ˮ, stelle ich irritiert fest. Manuel nickt. „Erst als ich im Schulgebäude war ist so langsam durchgesickert was du mir da erzählt hast. Ich habe es nur am Rande mitbekommen. Scheiße, das war das erste Liebesgeständnis, dass ich je in meinem Leben bekommen habe und ich renne wegen so einer dummen Spinne weg.ˮ Manuel fährt sich mit der freien Hand fahrig durch die Haare und nimmt einen Zug von der Zigarette. „Als ich zurückgegangen bin warst du schon weg.ˮ

„Auf dem Klassentreffen habe ich dich das letzte Mal gesehenˮ, erzähle ich ihm. Manuel nickt erneut.

„Ich war drauf und dran zu dir zu gehen, aber ich konnte nicht. In der Zeit war ich mit einem anderen Mann liiert und es hätte ja uns beiden wenig genützt.ˮ

„Ist wohl so...ˮ, gebe ich niedergeschlagen von mir.

„Würdest du mich noch einmal fragen, würde ich ja sagen, Levi.ˮ Er sieht mich ernst an. Wieder fällt es mir schwer seinem Blick standzuhalten. Ich schaffe es dennoch.

„Wir sind nicht mehr in der Schule!ˮ, bricht es aus mir heraus.

„Ja, schon klar...ˮ Manuel stützt sich mit beiden Unterarmen auf dem Tisch ab. „Aber wir sind doch beide aus einem bestimmten Grund hier oder etwa nicht? Wir sind beide Single und suchen einen Partner. Weshalb sollten wir es also nicht miteinander versuchen?ˮ

„Weißt du eigentlich wie ich mich damals gefühlt habe?ˮ, frage ich ihn. „Als du diese Worte zu mir gesagt hast hatte ich das Gefühl du ekelst dich vor mir. Ich habe ewig gebraucht um dich anzusprechen und dir zu sagen, dass ich dich mag. Und dann kommt so was! Ich war wie vor den Kopf gestossen. Die letzten Schulwochen waren eine einzige Qual, weil ich dir jeden Tag aufs Neue über den Weg gelaufen bin. Ich konnte mich auf gar nichts mehr konzentrieren.ˮ

Manuel schweigt und drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus. „Vielleicht hast du Recht? Wir haben uns beide verändert. Wir sind nicht mehr dieselben.ˮ

„Ja...ˮ, erwidere ich niedergeschlagen. Ich bin so dumm. Was mache ich hier eigentlich?

„Wir sind keine Kinder mehr und wir führen verschiedene Leben. Es ist wohl besser so. Ich habe wirklich all die Jahre nicht darüber hinwegkommen können. Das hat mich verrückt gemacht. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich immer diese Frage wieso du das damals gesagt hast. Und jetzt...ˮ Ich zucke mit den Schultern. „Jetzt ist es...ˮ

„...zu spät?ˮ, vollendet Manuel meinen Satz.

„Ich kann doch nicht mein Leben lang auf einen Mann warten. Das Leben ist zu kurz.ˮ

„Aber jetzt willst du auch nicht mit mir zusammen sein.ˮ

„Verstehst du es nicht? Ich muss auch irgendwann mal mit der Vergangenheit abschließen können und wie soll das gehen, wenn du hier vor mir sitzt?ˮ Wieso sage ich ihm das? Verdammt, er will doch mit mir zusammen sein! Wieso blocke ich jetzt ab? Ich bin so dumm, so dumm, so dumm...

„Hast du jemanden in Aussicht? Jemanden vom Speed Dating?ˮ, fragte Manuel.

Ich blicke herunter auf den unausgefüllten Zettel und knabbere auf meiner Unterlippe.

„Hör mal, es ist im Grunde genommen egal. Es ist deine Entscheidung. Ich zwinge dich zu nichts.ˮ Manuel steht auf. „War schön dich mal wieder zu sehen.ˮ

„Ja.ˮ Ich halte den Kopf gesenkt und sehe ihm nicht nach. Ich bin so dumm.

Hastig stehe ich auf und greife nach Stift und Zettel und renne Manuel nach. Er ist schon fast zur Tür raus. „Manuel!ˮ, rufe ich.

Er bleibt stehen und dreht sich mir zu. „Was ist?ˮ

„Ich habe mich entschieden!ˮ Energisch drücke ich ihm den Zettel in die Hand.

„Nr. 5.ˮ Manuel hebt den Kopf und zieht eine Augenbraue hoch. „Dein Ernst?ˮ

Ich nicke emsig. „Mein voller Ernst. Eine zweite Chance lasse ich mir nicht durch die Lappen gehen!ˮ Lächelnd tritt Manuel auf mich zu. Sein Grinsen wird immer breiter und auch ich kann mich nicht länger zurückhalten. Wir fangen an sinnlos zu kichern, stehen an der Garderobe direkt vor der Tür und lachen ohne uns um die neugierigen Blicke um uns herum zu kümmern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sternenlied
2015-05-02T22:14:20+00:00 03.05.2015 00:14
Ich habe es dir ja schon geschrieben :) Ich finde die beiden Storys echt klasse. Bei Nummer eins mag ich Levi ;) Er kommt irgendwie voll süß rüber ^^

Die Szene mit den Mon Cherrie in "FlowerBoy" fand ich total süß :)

Antwort von:  Shunya
03.05.2015 00:16
Ah neuer User-Name. XD *vormerk*
Freut mich. Levi mag ich auch. Vielleicht schenk ich den beiden noch eine KG als Fortsetzung. Mal sehen ob mir die nächsten Wochen noch was einfällt. =D
Mon Chérie. *hunger*
Antwort von:  Sternenlied
03.05.2015 00:20
:D Wäre nicht schlecht. Du könntest ja eventuell an der Zeit kurz nach dem Dating anknüpfen oder so :)
Mjam, ja die sind wirklich lecker ^^
Antwort von:  Shunya
03.05.2015 00:26
Ja, das hatte ich auch im Sinn. Brauchen nur noch eine Minihandlung. Irgndein Geschehnis. XD


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