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The Angel who kills

Azrael Chronicles
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Waffe die hier von Mr. Unbekannt benutzt wird (bei dem es sich nicht um den Hauptprotagonisten handelt) ist folgende:

Taurus PT92AF
http://www.thespecialistsltd.com/files/Taurus_pt92.jpg

- Gewicht 960 Gramm
- Länge 8,5 inch / Barrel Länge 5 inch
- Kaliber 9x19 mm
- Allurahmen
- 4,75 inch Barrel
- schwarze Plastik Griffe
- 3-Punkt fixierte Sicherung
- kompatibel mit 10- 15- und 17-er Magazinen Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Waffenkunde:
Bei den Waffen die der Hauptcharakter benutzt handelt es sich um zwei Desert Eagle XIX 50 AE
http://www.imfdb.org/images/thumb/e/ea/DesertEagle50AE.jpg/400px-DesertEagle50AE.jpg

Gewicht: 1998,6 g
Länge: 14,75 inch, mit 10inch Barell
Kaliber: 7er Kugeln
Chromelegierung
schwarze Metallgriffe
kompatibel mit fast allen anderen Desert Eagle Waffen
halbautomatischer Gasdrucklader mit Druckwarzenverschluss

Autokunde:
Kia Sorento XM
http://paultan.org/media2.paultan.org/image/sorento-xm-1.jpg
- Länge/Breite: 4685mm/1885mm
- Höhe: 1755mm
- Leergewicht: 2008kg
- Leistung: 197 PS / 6-Gang Schaltgetriebe Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sprachkunde:

- -ssi: Andrede für "Herr"
Beispiel: Kim Choi Sung-ssi - Herr Kimm Choi Sung
- Noona: Anrede die ein jüngerer Mann für eine ältere Frau verwendet. Nur üblich unter Bekannten, Verwandten und Freunden. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Autokunde:
Azrael's Privatwagen, ein Aston Martin DBS
http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--PNm78jxw--/18nb7gkqxjc1kjpg.jpg

-Leergewicht: 1695kg
- Leistung: 380kw (517 PS)
- 6-Gang Schaltgetriebe
- Höchstgeschwindigkeit: 307 km/h Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch ein frohes, neues Jahr 2015 :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Mir ist ein kleiner Fehler unterlaufen.
Ich habe dieses Kapitel aus versehen übersprungen, und stattdessen vor einiger Zeit das Kapitel nach diesem hochgeladen <.<
Ich Intelligenzbestie :'D
Deswegen werden die Kapitel nur verschoben, sobald es freigeschalten ist. Sorry~ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Bäm~ nächstes Kapitel xD

NO WERBUNG
Sondern nur um euch darauf aufmerksam zu machen (nicht das jemand sagt ich hätte es nicht getan.).
Azrael Chronicles wird im Juli in den Druck gehen und als Taschenbuch erhältlich sein. ALLERDINGS...nur für die Vorbesteller. Nähere Infos dazu in meinem Weblog.
Wers also unbedingt braucht (NOT), da vorbei schauen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Letztes Kapitel. Fehlt nur noch der Epilog :')
Die Bestellung für die Druckversion (nein keine Werbung, sondern Erwähnung wegen dem Seelenheil mancher Leser) geht noch genau drei Tage. Danach kann ich leider keine Bestellungen mehr annehmen :')

Irgendwie bin ich gerade voll Depri das die Story fast zu Ende ist, auch wenn ich weiß, dass der nächste Teil nächstes Jahr kommt ;_____;
Trotzdem...ich häng immer so an meinen Charas <.< Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ende!
...
Q_______Q
Wir sehen uns im nächsten Teil wieder...irgendwann nächstes Jahr xD Komplett anzeigen

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Prolog

Autor: KaoTec

Genre: Krimi, Thriller, Shonen Ai

Disclaimer: Alle Charaktere sowie die Storyline und deren Inhalt gehören alleine mir. Parallelen zu real existierenden Personen und Ereignissen sind nicht beabsichtigt, und wenn vorhanden nur durch Zufall erfolgt.

Da es sich hierbei um mein geistiges Eigentum handelt, möchte ich gefragt werden sollte sich jemand meine Charaktere oder die Story für irgendwelche Zwecke ausleihen.

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Der Boden des Ganges den er entlang schritt war aus feinstem Marmor gearbeitet. Die Wände weiß gestrichen und mit Ornamenten aus echtem Gold verziert. Von der Decke hingen filigrane, goldene Kristallleuchter mit Verschnörkelungen die wohl jede Putzfrau in den Wahnsinn trieben. In genauem Abstand hingen wunderschöne Landschaftsbilder in Goldrahmen und versuchten dem Ganzen etwas angenehm freundliches zu verleihen, was nur gemäß funktionierte.

Das ganze Haus strahlte eine Kühle aus die jeden Anderen vermutlich abgeschreckt hätte, ihn jedoch nicht, denn er war es gewohnt sich in Umgebungen aufzuhalten die alles andere als einladend wirkten.
 

Seine rechte Hand wanderte zu seinem Gesicht und er schob sich die Sonnenbrille zurecht, bevor er sich eine der schwarzen Ponysträhnen aus der Stirn strich und die Hand dann wieder sinken ließ.

Die Sonne brannte vom Himmel als er um die Ecke bog und auf einen der unter dem freien Himmel liegenden Flure abbog, die eher an Balkone erinnerten als tatsächlich an Flure.

Bei genauerer Betrachtung bereute er es sich heute kein kurzärmliges Shirt sondern ein langärmliges schwarzes Hemd übergeworfen zu haben, denn heute war wahrhaftig kein Tag an dem er sich anpassen musste sondern an dem er sich frei bewegen konnte.

Oder zumindest das, was er unter 'frei bewegen' verstand.
 

Fast war er am Ende des Flurs angelangt als die Tür am Ende aufschwang und zwei Männer des Sicherheitspersonals in schwarzen Anzügen heraus traten.

Er hob den Kopf um die Beiden anzusehen und nickte ihnen leicht lächelnd zum Gruß zu, bevor er seinen linken Arm hob und den Abzug seiner silbernen Taurus vier Mal betätigte und dann den Arm wieder sinken ließ.

Er schritt weiter voran und stieg über den ersten Sicherheitsbeamten hinweg, während er noch eine Kugel in den zuckenden Körper des Zweiten jagte und dann die Tür passierte.
 

Er bog nach links ab und ging den Flur entlang, der genauso aussah wie die anderen zuvor auch die er passiert hatte.

Lange Gänge und große Gebäude boten ihm viele Möglichkeiten seine Fähigkeiten zu benutzen die er sich durch jahrelanges Training und Ausbildung angeeignet hatte, aber er verfluchte sie auch.

Es dauerte ewig um von A nach B zu kommen und er war sich sicher, dass er heute schon mehrere Kilometer damit verbracht hatte durch immer gleich aussehende Flure zu gehen.

Ein amüsiertes Schnauben verließ seine Lippen als er daran dachte wie einfach es gewesen war hier einzudringen und sich seinen Weg bis hierher zu bahnen. Er hatte erwartet das die Präsidentin von Südkorea besser geschützt war, aber verglichen mit seiner Erwartung war es der reinste Sparziergang.

Natürlich war er sich bewusst das sich die ganze Lage sehr schnell ändern konnte und die Präsidentin vermutlich noch bessere Männer in der Hinterhand hatte, aber die hätte sie vielleicht gleich zu Anfang einsetzen sollen.

Zwischen ihm und dem Ende seines Auftrags lagen nur noch ein paar Meter die er zu überwinden hatte.
 

Wieder kam eine Ecke um die er bog, bevor er eine Tür passierte die wieder zu einem offenen Flur führte den er entlang schritt.

Er blieb stehen als eine Sirene anfing zu heulen und er amüsiert eine Augenbraue hob da ihnen erst jetzt aufzufallen schien das er hier war. Vermutlich, weil sie die Leichen von irgendwelchen Sicherheitsleuten bemerkt hatten.

Zu dumm, denn das hieß er musste sich nun etwas beeilen. Nicht viel, nur etwas.

Sein Schritt beschleunigte sich etwas und er stieß die nächste Türe auf, blickte nach rechts zu der Tür zu der er musste und schoss nach links wo Aufstöhnen erklang, ehe ein Körper zu Boden ging.
 

Seine Beine trugen ihn zu der weißen Doppeltür vor der er stehen blieb und die Stirn runzelte.

Er sprang zurück als ein Klicken ertönte und die Türe von Kugeln durchschlagen wurde, bevor sein Blut den teuren Marmor und die Wände befleckte.

Mission One: Complete!

„Nein, ich kann nicht mit zum Bingo. Ich bin geschäftlich unterwegs.“, sprach er ruhig in sein Mobiltelefon, während er sich eine bequemere Position suchte und zum Schluss auf der Seite liegen blieb, den Oberkörper auf einen Ellenbogen gestützt, und die Aussicht betrachtete.

Bei genauerer Betrachtung hätte alles hier einen neuen Anstrich vertragen können, und hätte er nicht gerade telefoniert, wäre er aufgrund des deprimierenden Grau, das überall herrschte, vermutlich in Depressionen verfallen oder eingeschlafen.

Natürlich war das nur einer seiner sarkastischen Gedankengänge, aber mit irgendetwas musste er sich beschäftigen, während die alte Dame an der anderen Leitung ihm einen Vortrag über Verantwortungslosigkeit hielt.

Seine Aufmerksamkeit wurde durch das Auftauchen seines Geschäftstermins vom Telefonat abgelenkt und er murmelte eine kurze Entschuldigung in das Mobiltelefon, bevor er auflegte und es sich in die hintere Hosentasche schob.
 

Er wechselte seine Position von der Seite liegend auf den Bauch, stützte sich mit den Unterarmen ab und nickte, um seinen Geschäftstermin zu begrüßen, auch wenn dieser das nicht sehen konnte.

Sein Termin goss sich ein Glas Scotch ein und er wartete, bis der Mann sich gesetzt hatte, bevor es klickte und er im Sessel zusammensank, während ihm ein dünnes Blutrinnsal aus der Stirn über das Gesicht lief.

Sofort waren Sicherheitsleute bei seinem Geschäftstermin und hektische Anweisungen wurden verteilt, während er aufstand, sein Scharfschützengewehr zusammen packte und sich schnellen Schrittes durch die Tür zum Treppenhaus verzog und die Treppen nach unten lief.
 

Im Erdgeschoss angekommen änderte er die Richtung, als er Männer in schwarzen Anzügen vor der Tür stehen sah und bog stattdessen in Richtung Tiefgarage ab, die er betrat, nachdem er kurz nach rechts und links gesehen hatte.

Er war sich der Überwachungskameras bewusst, doch seine Sorge über eine Aufdeckung seiner Identität war gering.

Sein Gesicht war durch eine Baseballcap und die große Sonnenbrille so gut wie unkenntlich und das Einzige, das ihn verraten konnte war sein Markenzeichen, das er stehts am Körper trug, das aber durch das weite weiße Shirt verdeckt wurde.

Auch wenn sein Markenzeichen nicht sichtbar war, würde jeder in diesem Milieu wissen, wer ihren geliebten Außenminister getötet hatte, denn seine Handschrift war einfach unverkennbar und nicht zu imitieren.
 

Er schob eine Hand in seine Hosentasche und fischte den Autoschlüssel heraus, bevor er die Zentralverriegelung öffnete, das Gewehr auf die Rückbank warf und sich hinter das Lenkrad setzte. Die Tür war noch nicht richtig zu, als der Alarm los ging und er hinter seiner Sonnenbrille mit den Augen rollte, während er den Motor startete und das Gaspedal durchdrückte als Sicherheitsbeamte die Tiefgarage stürmten.

Das Knallen von Schüssen hallte von den Wänden wider und er duckte sich zur Seite weg, als eine Kugel die Heckscheibe seines Wagens durchschlug, bevor er um die Ecke zur Auffahrt bog und diese hinauf fuhr, nur um von dort direkt auf die belebte Hauptstraße von Pyongyang abzubiegen.
 

Sein Blick wanderte zum Rückspiegel, in dem er sehen konnte, wie ihm einige schwarze Wagen aus der Tiefgarage folgten, was ihn dazu veranlasste einige Autos zu überholen und an der nächsten Kreuzung scharf rechts ab zu biegen.

Seine Finger huschten über den Touchscreen seines Handys, bevor er dieses in die Freisprecheinrichtung des Mietwagens steckte.

Nach dem zweiten Läuten wurde am anderen Ende abgehoben und geschwiegen.

„Ich bin's! Mission complete!“

„Gut. Komm sofort zurück!“, antwortete die tiefe Männerstimme nach einem kurzen Schweigen.

„Verstanden!“, antwortete er, bevor er die Verbindung unterbrach und scharf links abbog, während er seine geliebte silberne Desert Eagle aus der Halterung zog und sie entsicherte, nur um kurz darauf wieder abzubiegen.
 

Sein Weg und der seiner Verfolger führte ihn zu einem der stillgelegten, kleinen Flughäfen außerhalb der Hauptstadt von Nordkorea.

Er schnappte sich sein Gewehr von der Rückbank und ließ den Wagen stehen, ehe er sich in die Schatten der verteilten und leerstehenden Container verzog und dort verharrte.

Das kleine Flugzeug mit dem Piloten wartete auf der anderen Seite der Halle. Um zu diesem zu kommen, ohne gesehen zu werden oder Schaden zu erleiden, war es nötig seine Verfolger auszuschalten, auch wenn er rein rechnerisch gesehen keine Chance hatte.

Sie waren unleugbar in der Überzahl und er war allein.

Doch ihm machte es nichts aus, allein zu sein, da er immer allein operierte und seine Aufträge ausführte.
 

Sein Auftrag, den Außenminister von Nordkorea auszuschalten, war für ihn nicht überraschend gekommen. Nicht, nachdem die Nordkoreaner vor fast acht Wochen versucht hatten, die Präsidentin von Südkorea ermorden zu lassen.

Wer der Attentäter gewesen war, entzog sich seiner Kenntnis und auch der aller Anderen. Denn obwohl derjenige wohl offensichtlich von den Kugeln getroffen worden war, die verzweifelte Sicherheitsbeamte durch die Tür geschossen hatten, war von einer Leiche weit und breit keine Spur.

Er selbst war zu diesem Zeitpunkt erst von einem Auftrag zurück gekehrt und hatte aufgrund des großen Polizeiaufwands den Hintereingang benutzen müssen, wo er auch prompt in einer Blutlache gestanden war, die dem dort liegenden Sicherheitschef zuzuschreiben war.

Kaum dass man ihn entdeckt hatte, war er zur Durchsuchung des Hauses nach dem Attentäter abkommandiert worden, hatte aber nichts finden können, da dieser offensichtlich irgendwie, und das vollkommen ungesehen, das Gelände verlassen hatte.

Aufgrund des Kalibers, mit dem die zwanzig Sicherheitsbeamten sowie der Sicherheitschef getötet worden waren, munkelte man intern, dass es sich bei dem Attentäter um den besten Auftragskiller der SFNK, kurz für Special Force of North Korea, handeln könnte.

Ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht konnte er nicht sagen, da er diesem Typen noch nie über den Weg gelaufen war.

Kurz hoben sich seine Mundwinkel zu einem lächeln, aufgrund dieses Wortwitzes in seinen Gedanken. Wäre er dem Typen über den Weg gelaufen, würde dieser nicht mehr leben, denn die Menschen, die ihm über den Weg liefen, überlebten selten.

Es machte ihm nichts aus, Menschen zu töten und er verspürte dabei auch nicht den Hauch eines schlechten Gewissens, aber es gab zwei Regeln, an die er sich schon immer gehalten hatte.

Töte keine Unschuldigen.

Töte keine Kinder.
 

Kurz verzog er das Gesicht, als er beschloss, sein Gewehr zurück zu lassen, um den Flug zu erwischen und sich nicht von den Sicherheitsleuten erwischen zu lassen.

Natürlich waren auf dem Gewehr seine Fingerabdrücke und diese waren vermutlich auch irgendwo bei irgendeinem Geheimdienst oder vielleicht sogar international gespeichert, aber zu diesen Fingerabdrücken gab es kein Gesicht. Es gab Fingerabdrücke, die sich einer Person zuordnen ließen, über die ansonsten nichts bekannt war, auch wenn er Gerüchte gehört hatte, dass diverse Profiler weltweit an seinem Täter- und Persönlichkeitsprofil arbeiten.

Er hätte gerne gewusst, ob auch nur ein bisschen was davon stimmte, aber er war nicht neugierig genug, um sich irgendwo einzuschleichen und so nicht nur sich selbst, sondern auch die gesamte Organisation zu gefährden.

Wobei das auch nicht richtig war, denn mit der Organisation für die er arbeitete, hatte er nicht besonders viel zu tun. Er war einer der wenigen, die ihre Befehle vom obersten Boss erhielten und einer der noch Wenigeren, die das Gesicht des Bosses kannten.
 

Ohne es wirklich zu registrieren, entsicherte er seine beiden Waffen, zwei Silber farbene Desert Eagle der Serie XIX, und ließ sie locker in den Händen liegen, bevor er sich in Bewegung setzte und zur Ecke des Containers schlich.

Kurz spähte er um die Ecke, zog sich jedoch sofort zurück, als er zwei Gestalten in schwarzen Anzügen ausmachte. Er sah sich um und nahm jedes Detail seiner unmittelbaren Umgebung auf, während er sich aufgrund dieser Informationen eine Vorgehensweise in seinem Kopf zurecht legte.

Er war nicht der beste der Organisation in Südkorea geworden, weil er einen Lageplan und Vorbereitungen brauchte. Natürlich informierte er sich immer über das Gelände, die Zielperson und rechnete auch die unwahrscheinlichsten Fälle von 'Was wäre wenn' dazu, aber sein größtes Talent war seine Anpassungsfähigkeit und sein Instinkt. Er schaffte es auch ohne Vorbereitungen Aufträge abzuschließen oder lebend aus der Situation zu kommen, welche auch immer es sein mochte.

Weltweit gab es viele Auftragskiller, aber nur wenige hatten die Fähigkeit sich den absurdesten Situationen anzupassen, und genau das machte ihn, und diejenigen die ihm ähnlich waren, so gefährlich.

Der gefährlichste Zug an ihm jedoch war, das er Dinge tat, die man nicht erwartete und deswegen auch nicht berücksichtigte.
 

Er nahm die Waffe aus der linken Hand in die Rechte zu der anderen und fischte sich eine Zigarette aus der Hosentasche, die er mit dem silbernen Zippo Feuerzeug anzündete, bevor er die leere Schachtel aus der Tasche nahm und sie in die entgegen gesetzte Richtung an einen der Container warf. Natürlich machte die Schachtel kein lautes Geräusch, aber laut genug, dass er hörte, wie die Schritte der Männer sich zu der Stelle entfernten.

Die zweite Waffe landete wieder in seiner linken Hand und er zielte auf die Zigarettenschachtel, ehe er abdrückte und einen der Männer in den Brustkorb traf, gerade als dieser um die Ecke bog.

Er ließ die linke Hand sinken und hob stattdessen die Rechte und feuerte einen weiteren Schuss ab, als der Zweite mit schon erhobener Waffe um die Ecke bog, bevor er zu Boden ging.

Dass durch die Schüsse nun auch die restlichen Mitglieder des Sicherheitsdienstes alarmiert waren, war ihm klar, weshalb er sich auf die Leiter am Container schwang und die Stufen nach oben stieg, wo er in der Hocke auf dem Dach sitzen blieb und die Umgebung scannte.

Lange musste er auch nicht warten, als sechs weitere Männer von rechts in seine Richtung gelaufen kamen und zwei weitere von links.
 

Seine Mundwinkel zuckten kurz und er blies den Rauch seiner Zigarette durch die Nase aus, während er sich in eine bequemere Position begab, bevor er mit seinen Waffen auf die zwei Männer links zielte und den Abzug beider Waffen gleichzeitig betätigte. Der Kleinere der Beiden blieb sofort durch den Kopfschuss regungslos auf dem Boden liegen, während sein Kollege sich durch den Schuss in den Hals noch etwas wand, bevor auch er aufhörte sich zu bewegen.

Er sprang vom Container, kurz bevor die Kugeln daran abprallten, da ihn die andere Gruppe jetzt im Visier hatte.

Kurz verharrte er regungslos und stieß den Rauch seiner Zigarette wieder durch die Nase aus und spuckte sie dann auf den Boden, wo er sie austrat, ehe er sich umdrehte und den Abzug der linken Waffe betätigte, deren Kugel den Ersten traf, der um die Ecke bog.

Seine Beine trugen ihn zu der Ecke, an der die Leiche zusammen mit den Beiden ersten lag und er steckte in einer schnellen Bewegung seine Waffen in ihre Halfter, die diesmal an seinen Hüften befestigt waren.
 

Das erste was er sah war die Waffe, die mit beiden Händen gehalten wurde und kurz darauf die Arme, als sich der nächste um die Ecke tastete. Der junge Mann war nicht schnell genug, als er sich dessen Arme packte und sich so drehte, dass er hinter ihm war, einen Arm um dessen Hals legte und eine Hand seitlich an seinen Kopf legte, bevor das Genick mit einem Ruck und einem lauten Geräusch brach.

Rufe ertönten und er setzte sich in Bewegung, um an das andere Ende des Containers zu gelangen, hinter dessen Ecke er sich versteckte.

Er hörte einige Sprachfetzen wie „Schaltet ihn aus!“ und „Wer verdammt nochmal ist der Typ?“, was ihn reichlich amüsierte. Natürlich war ihm bewusst, dass er nicht unverletzlich und schon gar nicht unsterblich war, aber er wusste, was er konnte und was nicht.

Es war keine Arroganz oder Selbstüberschätzung, sondern lediglich das Bewusstsein über seine Fähigkeiten und wann er den Kürzeren ziehen würde. Es hatte auch schon Situationen gegeben, in denen er einen Auftrag aufschieben musste, da er ansonsten sein Leben verloren hätte. Und auch wenn er dem Boss gegenüber loyal war, hatte er nicht im Geringsten vor, zu sterben.
 

Kurz zog er in Erwägung, sich zum Flugzeug zu schleichen und zu verschwinden, entschied sich jedoch dagegen. Eine Wahrscheinlichkeit war, dass die Männer das Motorengeräusch definitiv hören würden und versuchten, auf das kleine Flugzeug zu schießen. Zwar hatte er bis jetzt nur normale Handfeuerwaffen bei ihnen bemerkt, aber er war sich nicht zu hundert Prozent sicher, dass sie nicht etwas hatten, das nicht so ein kleines Flugzeug vom Himmel holen konnte.

Er drückte sich mehr an die Wand des Containers, als er Schritte hörte, die sich ihm näherten und zog möglichst leise die Waffe aus dem rechten Halfter, die immer noch entsichert war.

Einer seiner Ausbilder hatte ihn für verrückt erklärt, mit ungesicherten Waffen am Körper herum zu laufen, aber es war eine Angewohnheit, die er immer an den Tag legte, wenn er während einem Auftrag oder einer Verfolgungsjagd seine Waffen kurzzeitig wegstecken musste. Im Moment empfand er es als praktisch, sie nicht extra entsichern und somit ein Geräusch von sich geben zu müssen, auch wenn es gut sein konnte, dass er sich irgendwann einmal aus Versehen selbst in den Oberschenkel oder sonst wohin schoss.
 

Er spannte seine Muskeln an und sah in die Mündung einer Waffe, als einer der Sicherheitsleute um die Ecke bog.

Instinktiv duckte er sich weg, als der erste Schuss fiel und schnappte sich das Handgelenk des Mannes, bevor er es mit voller Wucht gegen sein Knie schlug, es somit brach und dem Mann die Waffe aus der Hand fiel, während er einen Schrei von sich gab.

Er verzog das Gesicht aufgrund der Tatsache, dass nun jeder wusste, wo er war und drehte dem Mann den Arm auf den Rücken, ehe er sich hinter ihm versteckte.

Seine Entscheidung war aus einem Bauchgefühl oder vielleicht auch aus Instinkt entstanden, aber gerade rechtzeitig, bevor der Sicherheitsmann von den Kugeln seiner Kollegen durchschlagen wurde.
 

Mit einem angewiderten Laut, da das Blut des Mannes auf sein Shirt gespritzt war, ließ er den leblosen Körper fallen und betätigte den Abzug seiner Waffe, während er im selben Moment die Waffe zu seiner Linken zog.

Kurz darauf wog die Stille schwer, nachdem zuvor laute Schüsse gefallen waren. Er war dabei, sich umzudrehen und den Weg zum Flugzeug einzuschlagen, als er sich doch noch einmal umdrehte und die Leichen am Boden betrachtete.

Die zwei von links, zusammen mit zwei von rechts und den Drei die hier lagen, machte sieben. Er bemerkte einen Schatten auf dem Boden und sein Kopf hob sich ruckartig nach oben, ehe er zur Seite sprang, um dem Schuss des letzten Mannes auszuweichen, der ihn trotzdem am rechten Unterarm streifte, weshalb er zusammen zuckte.

Er drückte sich so eng an die Wand wie er nur konnte, um den Schüssen zu entkommen, während er die Zähne zusammen biss und sich im Stillen dafür verfluchte, nicht genau mitgezählt zu haben.
 

Natürlich konnte er es auf die Übermüdung schieben, auf den Zuckermangel und auch darauf, dass er gute vier Stunden damit zugebracht hatte, auf einer Dachterrasse zu liegen, aber am Ende hatte er einfach nicht richtig mitgezählt, oder eher überhaupt nicht.

Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen, den Atem anhaltend, um besser zu hören. Dem Geräusch nach zu Urteilen lud der Mann seine Waffe nach, da er alle Kugeln bereits verprasst hatte, was ihn selbst zu einer Kurzschlussreaktion verleitete, die jeder seiner Kollegen vermutlich mit Kopfschütteln oder Verwünschungen kommentiert hätte.
 

Er sprang nach vorne, wo er auf dem Bauch landete, ehe er sich schnell auf den Rücken rollte und seine linke Waffe hob.

Eine Kugel sauste knapp an seinem Kopf vorbei, prallte am Asphalt ab, von dem sich ein paar Splitter lösten und ihm die Wange zerkratzten, bevor er schoss und der Schütze kopfüber vom Container fiel.

Sein Blick glitt zum Himmel und er blieb noch eine Weile liegen, bevor er wieder auf die Beine kam, seine Waffe wegsteckte und sich den Dreck von der Hose klopfte, ehe er sich in Bewegung setzte und sich neben die Leiche des letzten Schützen kniete um seine andere Waffe aufzuheben, die er fallen gelassen hatte, als er getroffen wurde.

Er steckte sie weg und zog sein Shirt über die Halfter, ehe er sich wieder in Bewegung setzte, seine Cap gerade rückte und dann die Hände in den Hosentaschen vergrub.
 

Er bestieg das kleine Flugzeug und ignorierte den erschrockenen Blick des Piloten, der das Blut an seiner Kleidung bemerkte.

Nachdem er sich auf einen der Sitze hatte fallen lassen, lehnte er sich zurück und legte den Kopf in den Nacken, bevor er die Augen schloss.
 

Der Weg des Flugzeugs führte zu einem kleinen Flughafen, der sich auf demselben Gelände befand wie eine riesige Villa, deren Umgebung mit den exotischsten Pflanzen gesäumt war.

Er verstand zwar absolut nichts von Pflanzen und schaffte es nicht einmal, einen Kaktus am Leben zu erhalten, aber sogar er wusste, dass einige dieser Pflanzen entweder giftig oder ein Vermögen wert waren, oder eben beides.

Es ruckelte etwas, als das Flugzeug auf der Landebahn aufkam und abbremste. Als es endlich still stand, stand er auf und sprang die Treppen nach unten, bevor er in Richtung Villa ging und sich nebenbei eine Zigarette anzündete.

Er passierte den Rosengarten mit dem riesigen Pavillon aus Holz und bog dann auf einen schmalen Weg ab, der mit teuren Steinen in einer rötlichen Färbung gepflastert war, während er die Blicke der Gärtner und anderen Angestellten ignorierte.

Es traute sich sowieso niemand ihn anzusprechen und auf seine momentane Erscheinung hinzuweisen, weshalb er dem Weg rauchend weiter folgte und am Ende die Stufen zu einer ausladenden Terrasse nach oben stieg, an deren Rand ein großer Pool grenzte und bronzefarbene Liegestühle die eine Seite des Pools flankierten.
 

Auf einem der Stühle lag eine junge Frau in einem engen und weißen Bikini, der sich perfekt von ihrer braun gebrannten Haut abhob.

Sein flüchtiger Blick wich von ihr zur Terrassentür, auf die er zuhielt um in die Villa zu kommen, ohne den Vordereingang benutzen zu müssen.

Nicht nur, dass er nicht mit blutiger Kleidung gesehen werden wollte, er wollte ebenso vermeiden, dass Fragen auftauchten, wer er überhaupt war.

Er betrat die Villa und ging durch den Raum hindurch auf den Flur, auf dem er kurz nach links und rechts blickte, auch wenn er genau wusste, dass sich in diesem Teil der Villa nur ausgewähltes Personal herumtreiben durfte. Aber er kannte die Neugier mancher Leute und war deshalb vorsichtig.
 

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er allein war, schritt er den Flur entlang und klopfte an dessen Ende an eine dunkelbraune Doppeltür aus schwerem Holz und gab ein „Ich bin's!“, von sich, ehe er wartete.

„Herein!“, antwortete eine tiefe Männerstimme.

Er drückte die Klinke nach unten und öffnete die Tür, bevor er hindurch trat und sie hinter sich schloss, bevor er stehen blieb und den Mann hinter dem Schreibtisch betrachtete.

Es war ein kleiner Mann, wenn auch nicht so klein wie er selbst, mit schütterem Haar und einigen Zornesfalten im Gesicht, trotz seines nicht gerade hohen Alters von Mitte vierzig.

„Hast du es erledigt?“, fragte sein Gegenüber und er nickte einfach nur.

Kurz kehrte Schweigen zwischen ihnen ein, ehe sich der Mann in seinem Stuhl zurück lehnte und eine Schublade seines Schreibtisches öffnete, während er ihn näher winkte.
 

Er kam der Aufforderung nach und blieb vor dem Schreibtisch stehen und fing aus Reflex das Bündel Geldscheine auf, das er aus reiner Routine nachzählte.

„Dass der Außenminister nun weg ist, macht es für uns leichter, Nordkorea zu Fall zu bringen.“, sprach der Mann, während er seine Ellenbogen auf dem Schreibtisch abstützte und sein Kinn auf die gefalteten Hände legte.

Er selbst gab einen zustimmenden Laut von sich und blieb einfach wo er war, während er zu der Standuhr schielte, die links von ihm stand.

Zwei Minuten vor Drei.

„Und sobald wir die Daten ausgewertet haben, werden wir auch endlich Vortex los. Diese verdammte Organisation hat überall ihre Leute.“, kam es etwas lauter und ärgerlich von dem Mann, während er das Geldbündel in seine hintere Hosentasche schob.

„Du hast deinen Auftrag doch gründlich erledigt, oder?“, kam die Frage nach einem Blick auf die Blutspritzer auf seinem Shirt und den Streifschuss auf seinem Unterarm, bevor der Mann ihn anstarrte, als er ihm seine Waffe vor das Gesicht hielt.

„Ich erledige meine Aufträge immer gründlich.“, gab er ruhig, schon fast monoton von sich, bevor er den Abzug betätigte und ein lauter Knall ertönte, kurz bevor der Mann in seinem Stuhl zusammensank.
 

Sein Blick glitt wieder zur Uhr, die eine Minute vor Drei anzeigte. Er drehte sich um und verließ den Raum, schloss die Tür hinter sich und eilte schnellen Schrittes den Flur entlang in das Zimmer, durch das er gekommen war, als er auch schon Schritte näher kommen hörte.

Leise schloss er die Tür hinter sich und durchquerte den Raum, wo er auf die Frau stieß, die zuvor am Pool auf einer der Liegen gelegen hatte und sie erschrocken vor ihm stehen blieb.

Als sie einen Schritt zurück wich und den Mund öffnete, zögerte er nicht lang, hob seine Waffe und schoss ihr in die Brust, bevor er über ihren Körper stieg und den schmalen Weg entlang eilte.

Am Ende des Weges bog er nicht in die Richtung ab, die zu dem kleinen Landeplatz führte, sondern nach rechts in Richtung Haupteingang.

Dass kein Alarm los ging verriet ihm, dass sie wussten dass er hier war, aber noch nicht wo. Sie wollten ihn nicht aufschrecken, sondern stattdessen in Sicherheit wiegen.

Es mochte vielleicht sein, dass er für einen Auftragskiller noch sehr jung war, aber er machte den Job nun auch schon eine Weile und war nicht auf den Kopf gefallen.

Er wusste, dass sie nach ihm suchten, weshalb er den Weg verließ und sich durch einen Teil des Gartens bewegte, der von Büschen und Bäumen nur so überquoll. Sein Weg führte immer weiter, bis er an der Mauer angelangte, die das Grundstück der Villa vom Rest der Welt abtrennte.

Mit ein paar geschickten Bewegungen hatte er den Ast einer der Bäume erklommen und saß in der Hocke darauf, als ein Schuss ertönte und die Kugel irgendwo fünf Meter neben ihm einschlug.

Ein kurzer und wenig erfreuter Laut verließ seine Lippen, während er seine Waffe sicherte und in die Halterung schob, ehe er sprang und sich an der Mauer festhielt.

Gerade noch rechtzeitig zog er sich nach oben, als eine weitere Kugel dort einschlug, wo gerade noch sein Oberkörper gehangen hatte und nur knapp sein Bein verfehlte.

Er schaffte es, sich ganz auf den Mauersims zu ziehen und seine linke Waffe zu ziehen, mit der er dem Schützen in die Brust schoss, bevor er auch diese Waffe sicherte und zurückschob.

Kurz schätzte er die Höhe der Mauer ab, bevor er auf der anderen Seite nach unten sprang und auf den Beinen aufkam, als ein schwarzer Kia Sorento den Weg entlang geprescht kam und mit quietschenden Reifen neben ihm hielt.
 

Seine Mundwinkel zuckten kurz, als er die Beifahrertür öffnete und sich auf den Sitz schwang. Kaum hatte er die Türe wieder zugeschlagen, schoss der Wagen mit Quietschen und qualmenden Reifen nach vorne und die Straße entlang.

„Kamst du schon mal auf die Idee, den Job zu wechseln?“, wurde er von dem Fahrer gefragt, der mit einem Seitenblick seinen Unterarm betrachtete und seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, das man selten bis gar nicht bei ihm sah: Ein ehrliches Lächeln.

„Nein.“, antwortete er und zog sich die Cap vom Kopf, ehe er sich im Sitz zurück lehnte und sein Handy aus der Hosentasche zog, auf dem er eine Nummer wählte und darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde.
 

Er zündete sich eine Zigarette an, als sich eine Frauenstimme meldete und er stieß den Rauch aus.

„Hey Süße, Lust auf Kino?“

Angel Murderer

Er fuhr sich durch die nassen Haare, während er sich im Spiegel betrachtete und den Worten seines Fahrers lauschte, der anscheinend draußen im Flur auf und ab lief, um ihn mit Fragen löchern zu können.

„Wie ist sie so?“

Seine Mundwinkel zuckten kurz und er warf einen Seitenblick zur Tür, bevor er sich noch einmal durch die Haare fuhr, um sie einigermaßen, trotz des nassen Zustands, in Ordnung zu bringen.

„Sie ist praktisch.“, antwortete er gewohnt ruhig und warf das blutige Verbandszeug in den Mülleimer, nachdem er die 'Arbeitskleidung' in der Wäschetonne entsorgt hatte.
 

Er bekam keine Antwort, was ihn allerdings nicht störte. Genau genommen hatte er auch keine Lust, sich über seine Freundin zu unterhalten, weshalb er sich eine Zigarette anzündete, ehe er das Bad verließ und direkt vor seinem Fahrer stand, der ihn mit zusammengezogenen Brauen und verschränkten Armen ansah.

„Macht sie deine Buchhaltung?“

Aufgrund dieser Frage hob er amüsiert eine Augenbraue und streckte eine Hand aus, was sein Gegenüber zusammen zucken, aber bewegungslos stehen bleiben ließ.

Er musste aufgrund dieser Reaktion lächeln, auch wenn es ein eher kühles und berechnendes Lächeln war. Diese Reaktionen war er von Leuten gewohnt, die wussten, wer er war. Innerhalb der Organisation war es auch kein großes Geheimnis, dass er tötete, ohne mit der Wimper zu zucken und auch im Nachhinein kein schlechtes Gewissen mit sich herum trug.

„Ich hab keine Buchhaltung.“, gab er im gewohnten Ton von sich, während er dem Anderen gegen die Stirn tippte und seinen Arm dann sinken ließ, bevor er sich an ihm vorbei schob und das Wohnzimmer betrat, wo er sich auf das weiße Ledersofa fallen ließ.

„Was ist an ihr dann praktisch?“

Sein Blick huschte kurz zu seinem Fahrer und seine Mundwinkel hoben sich erneut leicht, als er ein „Irgendwann kapierst du's.“, von sich gab.
 

Während der Andere in die Küche ging, um ihm einen Kaffee zu holen, ohne dass er danach verlangt hatte, folgten seine Augen seinen Bewegungen.

Er war es gewohnt allein zu sein und hatte die Gesellschaft von anderen Menschen auch nie sonderlich vermisst, denn allein schon die Vorstellung, dauernd jemanden um sich herum zu haben, behagte ihm nicht.

Dass er nun auf Yong Tae saß und keine wirklich ernst zu nehmende Möglichkeit hatte, diesen loszuwerden, außer ihn zu erschießen, ließ er eher über sich ergehen, als dass er sich wirklich darüber freute.

Gesellschaft war nichts für ihn, auch wenn Frau Kang, die Sekretärin, meinte, er sollte mal öfter unter Menschen gehen. Er selbst war der Meinung, dass er oft genug unter Menschen ging. Zwar diente dies lediglich dem Zweck der Informationsbeschaffung oder dem Ausführen von Missionen, für ihn war es jedoch dasselbe.
 

Er hörte wie der Andere in der Küche hantierte und lehnte sich zurück, während er an seiner Zigarette zog und hin und wieder einen Blick auf ihn erhaschte.

Der Junge war der Neffe des Bosses und neu im 'Unternehmen', wobei er bezweifelte, dass dessen Eltern, oder gar er selbst, gewusst hatten, was für ein 'Unternehmen' der Onkel so führte.

Yong Tae war ihm vor vier Wochen vom Boss selbst vor die Nase gesetzt worden, mit der Order, dass er diesen im Auge behalten sollte, bis dessen Vater die Schulden abbezahlt hatte, die er bei der Organisation angehäuft hatte.

Er selbst war der Meinung, dass jeder Andere sich besser geeignet hätte, auf ein zwanzigjähriges Balg aufzupassen, aber er hatte den Mund gehalten und stattdessen nur genickt.

Es war nicht so, dass er dem Boss nicht die Meinung sagen konnte, denn er gehörte neben dessen Sekretärin und dem Berater zu seinen engsten Vertrauten.

Dennoch hatte er aus einem Bauchgefühl heraus beschlossen, nichts dazu zu sagen und es stattdessen so hinzunehmen. Vorerst.
 

Seine Mundwinkel zuckten wieder und er konnte ein kaltes und doch amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken, als er an das erste Zusammentreffen mit Yong Tae dachte, während er den Kopf in den Nacken legte und an die Decke sah.

Er war gerade von einem Auftrag zurück gekehrt und hatte das Büro des Bosses, wie jedes Mal, ohne jegliches Anklopfen betreten. Dem Jungen war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, während er ihn angestarrt und er selbst sein übliches Pokerface zu Tage getragen hatte.

Aufgrund der Reaktion ging er davon aus, dass der Junge behütet und in geordneten Verhältnissen aufgewachsen war, und auch ansonsten nicht besonders viel mit der Organisation zu tun hatte, geschweige denn ahnte, wo er hier hin geraten war, und deswegen etwas verstört auf Leute reagierte, die von oben bis unten mit Blut bespritzt waren.

Der Boss zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern fragte ihn lediglich, ob die Mission beendet war, was er mit einem Nicken beantwortete.

Allerdings fand sogar er, dass der Boss dem Kleinen schonender hätte beibringen können, wer genau er war, was er tat und dass Yong Tae nun unter seiner Obhut stehen würde. Sollte sein Vater die Schulden nicht zu den monatlichen Fristen abbezahlen oder er versuchen zu fliehen oder die Organisation anderweitig in Schwierigkeiten zu bringen, würde er sterben.

Dass der Junge Angst vor ihm hatte war offensichtlich, auch wenn dieser versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Andererseits sah er auch keine Notwendigkeit, ihm diese Angst zu nehmen.

Er war nun einmal gefährlich und er tötete. Ihm zu vertrauen wäre ein ziemlich großer Fehler, und das hatte er dem Jungen auch gesagt, als er so blutverschmiert ihm gegenüber im Büro gestanden hatte.
 

Als er Schritte hörte, sah er auf und beobachtete Yong Tae, der ihm eine Tasse mit Kaffee auf den Tisch stellte, bevor er sich ein Stück von ihm weg auf einen der weißen Ledersessel setzte und schwieg.

Er drückte seine Zigarette aus und nahm die Tasse in die Hand, bevor er an dem Kaffee nippte und den Jungen weiter beobachtete, was diesem offensichtlich unangenehm war.

„Geh nach Hause.“

Der Blick des Jungen hob sich, ehe er den Mund öffnete und er selbst die Augen leicht zusammen kniff, weshalb der Andere den Mund wieder schloss und nickte.

Yong Tae stand auf und verließ das Wohnzimmer und kurz darauf hörte er, wie die Tür ins Schloss fiel.

Es missfiel ihm, dass sich andere Leute außer er selbst in seiner Wohnung aufhielten. Die Wohnung war sein Rückzugsort und er wollte keine anderen Menschen darin haben, aber nach der Order vom Boss blieb ihm nichts anderes übrig und er hatte sich gefügt, auch wenn er darauf achtete, nicht zu viel Zeit mit Yong Tae in seiner Wohnung zu verbringen.

Zwar bezweifelte er, dass dieser es schaffen würde ihn zu verletzen, geschweige denn zu töten, aber wenn man Menschen Einblicke in seine Privatsphäre gewährte, wurde man angreifbar.
 

Sein Blick wanderte durch das Wohnzimmer und er lehnte sich wieder zurück. Um genau zu sein, gab es in dieser Wohnung eigentlich nichts wirklich persönliches, von seinem Kleiderschrank und den Waffen abgesehen.

Und der lächerlichen Kaffeetasse mit der Aufschrift 'Happy killing', die ihm Frau Kang irgendwann einmal zu Weihnachten geschenkt hatte.

Ansonsten war die Wohnung mit komplett weißen Möbeln ausgestattet und diversem Luxus wie einer hochmodernen Sicherheitsanlage, Fußbodenheizung, einem Whirlpool auf der Dachterrasse und einem begehbaren Kühlschrank. Persönlichkeit hatte diese Wohnung jedoch noch nicht einmal im Ansatz und er bedauerte es auch nicht.

Er kam hierher um zu essen, ab und zu zu schlafen, sich umzuziehen und frisch zu machen und um sich etwas zu entspannen. Für mehr brauchte er die Wohnung nicht.

Eigentlich hätte es jede Ein-Zimmer-Wohnung getan, aber das war nicht sein Stil, weshalb er sich diese Maisonette-Wohnung gekauft hatte.

Die Lage war günstigerweise am Rande des Partyviertels von Seoul und niemand fand es seltsam, wenn man tagsüber schlief und nachts wohin auch immer ging. Auch lautere Geräusche störten niemanden, zumal die Anonymität hier am größten war. Keiner kümmerte sich um den Anderen, und somit mischte sich auch niemand in Dinge ein, die ihn nichts angingen.

Die drei Nachbarn, die er besaß, waren nicht der Rede wert. Neben ihm wohnte ein Ehepaar um die achtzig, die schwerhörig waren, ihm aber angeboten hatten seine Pflanzen zu gießen, sollte er für längere Zeit nicht weg sein. Das war ja ganz nett, aber er hatte keine Pflanzen, weshalb er dankend abgelehnt hatte.

Das Pärchen über ihm war sowieso nie zu Hause und ständig auf Geschäftsreisen und der junge Buchautor in der hinteren Wohnung verließ seine Wohnung vielleicht einmal im Monat, und so sah er auch aus.

Alles in allem war hier niemand, um den er sich ernsthaft Sorgen hätte machen müssen, und selbst wenn, wäre das Problem schnell erledigt gewesen.
 

Sein Blick wanderte zur Uhr, während er wieder an seinem Kaffee nippte und er gab einen unerfreuten Laut von sich.

Eigentlich hatte er gar keine Lust, sich mit seiner Freundin zu treffen und ins Kino zu gehen. Auch ohne sie gefragt zu haben, wusste er, dass sie Karten für irgendeinen Romantikfilm kaufen und er sich alles andere als wohl fühlen würde.

Wäre er nicht er, hätte er die Beziehung schon längst als beendet abgestempelt und wäre stattdessen in irgendeiner Bar noch etwas trinken gegangen.
 

Er knallte die Tasse auf den Tisch, stand auf und ging in sein Schlafzimmer, um sich passende Schuhe zu seinem Outfit zu suchen, das aus einer schwarzen Jeans, einem grünen Shirt und einer schwarzen Jacke, die geschnitten war wie ein Jacket, bestand.

Sein Blick glitt über die Sammlung seiner Schuhe, bevor er kurzerhand weiße Sneakers heraus zog und damit in den Flur abrauschte, wo er seine Schuhe anzog und sich Geldbeutel und Schlüssel schnappte, ehe er die Wohnung verließ.

Er verließ das Haus und schob die Hände in die Jackentaschen, während er die Straßen entlang lief und hin und wieder aus reiner Gewohnheit die Menschen beobachtete, an denen er vorbei lief.

Vielleicht war es leichtsinnig, dass er ohne Waffen unterwegs war, aber in erster Linie hatte er keine Lust Mi Hae, seiner Freundin, erklären zu müssen, warum er Waffen mit sich herum trug.

Zumal seine Waffen keine gängigen Waffen, sondern Spezialanfertigungen waren, auf deren Lauf sein Markenzeichen eingraviert war. Und das zu erklären wäre um einiges schwieriger.
 

Seine Mundwinkel zuckten, als er sie schon von weitem vor dem Kino erkannte. Es lag noch nicht einmal daran, dass er sie in-und auswendig kannte, sondern lediglich an der Tatsache, dass Mi Hae eine Obsession für Kleidung in Neonfarben pflegte und sie von weitem deswegen schon leicht zu erkennen war. Zu seinem Leidwesen war diese Obsession nicht nur auf ihre Kleidung bezogen, sondern auch auf ihre Wohnungseinrichtung, weshalb er es nie besonders lange bei ihr aushielt, und es auch nicht wollte.
 

„Seung!“, rief sie erfreut, als sie ihn entdeckte und tippelte mit ihren hohen Absätzen auf ihn zu, bevor sie ihm um den Hals fiel und er sie aus Reflex an den Hüften festhielt, um einen Sturz ihrerseits zu vermeiden.

„Ich hab dich vermisst.“, flüsterte sie, während sie sich enger an ihn schmiegte und er seine Arme um sie legte und einen zustimmenden Laut von sich gab.

Nach einer Weile löste er sich behutsam von ihr und schob seine Hände wieder in die Jackentaschen, was seiner Freundin ein schiefes Lächeln entlockte.

„Wie war dein Tag?“

Während sie das Kino betraten und seine Befürchtungen bezüglich eines Liebesfilms sich bestätigten, erzählte er ihr von einem recht anstrengenden Tag in der Buchhaltung und dass ein paar Leute gefeuert wurden.

„Armer Schatz. Dein Chef will dich doch nicht auch feuern, oder?“

Auf seinem Gesicht breitete sich ein kleines Lächeln aus, während er Mi Hae ansah und den Kopf schüttelte.

„Für mich gibt es keinen Ersatz.“

Zwar mochte das überheblich klingen, aber er wusste dennoch, dass dem so war. Dafür war er zu lang in der Organisation, war zu gut und genoss zu viel Vertrauen, als dass man ihn so mir nichts dir nichts ersetzen konnte, im Gegensatz zu anderen, weniger bedeutenden Mitgliedern.
 

Sie ließen sich auf ihre Plätze sinken und er nahm ohne zu Murren das Popcorn entgegen, das Mi Hae besorgt hatte, während er wartete, dass diese ihre Jacke ausgezogen und ihre Tasche verstaut hatte, ehe er es ihr wieder reichte.

Der Film war genauso schlimm wie er befürchtet hatte, aber er ließ es zu, dass Mi Hae sich an seinen Arm klammerte und die Männer in dem Film verwünschte, die dumm, egoistisch und nur auf das eine aus waren, zumindest laut ihrer Aussage.

Es war nicht so, dass er bisher viele Freundinnen gehabt hatte, aber trotzdem hielt er Treue für Wunschdenken und eine Erfindung der Frauen, um ihrem Partner ein schlechtes Gewissen einzureden.

Zu seiner Erleichterung war er in diesem Kinosaal nicht der Einzige, der diesen Film notgedrungen über sich ergehen lassen musste, weshalb er es schweigend und mit stoischer Ruhe ertrug, aber so etwas wie Freude verspürte, als der Film zu Ende war und sie den Kinosaal verlassen konnten.
 

Draußen regte sich Mi Hae immer noch über die Männer aus dem Film auf und hakte sich bei ihm unter, während sie den Weg zu einer der unzähligen Bars einschlugen.

Er kommentierte ihre Argumente gegen Männer hin und wieder mit Lauten, die mit ganz viel Fantasie als Zustimmung zu deuten waren, während er sich darüber amüsierte.

Wenn Mi Hae wüsste, was er so beruflich tat, würde sie die Art Männer, die sie gerade auf das übelste verurteilte, mit offenen Armen empfangen, aber er sagte nichts dazu und betrat mit ihr das 'Blue'.

Warum diese Bar so hieß, obwohl absolut nichts blaues vorhanden war, weder innen noch außen, würde er nie verstehen, aber er vermutete, dass sich der Name auf den Zustand der Gäste ein paar Stunden später nach dem Eintreten bezog.
 

Sie suchten sich einen Platz in einer Ecke bei den großen Fenstern und legten ihre Jacken ab, ehe sie bei einem der jungen, und prinzipiell gutaussehenden Kellner, ihre Bestellung aufgaben.

Kaum war der junge Mann verschwunden, beugte sich Mi Hae verschwörerisch halb über den Tisch, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue zu heben.

„Hast du heute die Nachrichten gesehen?“, fragte sie und er gab einen verneinenden Laut von sich, bevor er ein „Ich war arbeiten.“, hinten dran hängte.

Er stützte seine Arme locker auf dem Tisch ab und lehnte sich ebenfalls etwas vor, um sie besser verstehen zu können, während er darauf wartete, was sie ihm wieder zu erzählen hatte.

Mi Hae redete im Allgemeinen sehr viel und vor allem behandelte sie sehr viele Themen gleichzeitig, wie vermutlich jede Frau, was es ihm manchmal schwer machte, ihren Gedankengängen zu folgen, wenn er ihr nicht gerade seine gesamte Aufmerksamkeit schenkte.
 

„Heute wurden der Außenminister von Nordkorea, der Innenminister von Südkorea und dessen junge Verlobte erschossen.“

„Nein!“, kam es ungläubig über seine Lippen, während er eine Augenbraue hob.

„Doch! Und jetzt kommt die Härte!“

Natürlich wusste er, dass die genannten Personen erschossen worden waren, immerhin hatte er sie selbst erschossen, aber es fiel ihm nicht schwer, den Ahnungslosen und Überraschten zu spielen. Was jetzt jedoch 'die Härte' war, darauf war er tatsächlich etwas gespannt.

„Es ist sicher, dass es sich bei dem Täter um Azrael, den 'Engel-Mörder' handelt.“

„Sicher? Ich dachte, der wäre in der Versenkung verschwunden?!“
 

Er selbst amüsierte sich jedes Mal auf ein Neues über den Spitznamen, dem ihm die Presse vor einigen Jahren verpasst hatte.

'Engel-Mörder' hörte sich in seinen Ohren an, als würde er Engel oder unschuldige Menschen töten. Dabei bezog sich dieser Spitzname auf sein besonderes Merkmal, die rot-schwarz tätowierten Flügel, die von seinen Schulterblättern bis fast zu seinem Steißbein verliefen. Schuld daran, dass es Videomaterial davon gab, war eine zu früh hochgegangene Bombe, die sich einschaltende Sprinkleranlage, die Tatsache, dass er bei diesem Auftrag ein weißes Hemd getragen hatte und die Tatsache, dass die Überwachungskamera existierte.

Es war nicht gerade der beste Tag in seiner Laufbahn gewesen, aber auch nicht unbedingt der schlechteste, da von ihm nur Aufnahmen von hinten existierten. Zusammen mit seiner Abneigung oben ohne durch die Stadt zu laufen oder baden zu gehen, hätte es schlimmer kommen können.

Das Foto war am nächsten Tag und die darauffolgende Woche in jeder erdenklichen Zeitung und jedem Schmierblatt erschienen.

Allerdings war dies auch der Punkt, weshalb er jegliche sexuelle Annäherung von Mi Hae abwehrte, denn für die Flügel auf seinem Rücken gab es keine logische Erklärung.

Dass sie seinen Namen kannten, war auch nicht weiter gefährlich oder beunruhigend. Sie hatten lediglich ein Mitglied von Vortex erwischt und der Vogel hatte gesungen, allerdings nicht lange, da er sich aus Versehen im Gefängnis erhängt hatte. Und auch wenn dieser versehentliche Unfall nicht passiert wäre, hätte er nicht viel sagen können. Ein kleiner Fisch, der zwar wusste, dass ein Boss existierte und Aufträge zum Ausschalten von Personen meistens bei jemandem mit dem Codenamen 'Azrael' landeten, aber niemand, der mehr mit Vortex zu tun hatte oder sein Gesicht kannte.
 

„Du arbeitest zu viel. Das Weltgeschehen zieht ja förmlich an dir vorbei.“, kam es tadelnd von seiner Freundin und er lächelte entschuldigend.

„Azrael ist vor vier Wochen wieder aufgetaucht, nachdem schon jeder dachte, er wäre bei der Explosion damals in Hong Kong ums Leben gekommen.“

Er persönlich fand die Explosion damals nicht lustig und er hatte auch einiges abbekommen. Trotzdem hatte er es geschafft, unterzutauchen und auf Befehl des Bosses eine Weile die Füße still zu halten. Das war das langweiligste halbe Jahr seines Lebens.

„Die Experten sagen, es ist absolut sicher, dass Azrael diese Taten begangen hat, da sein Markenzeichen gefunden wurde. Das liegt der Öffentlichkeit nicht vor, also ist ein Trittbrettfahrer ausgeschlossen.“

Er gab einen Laut von sich und nickte, während er sich eine Zigarette anzündete und aus dem Augenwinkel den Kellner mit den Getränken herannahen sah.

Als der junge Mann die Getränke auf dem Tisch abgestellt hatte, lächelte er ihn an, was diesen sich hastig verbeugen und davon eilen und ihn die Augenbraue heben ließ.

„Hab ich was im Gesicht?“, fragte er rhetorisch und zog sein Glas näher zu sich.

„Man, man, man! Du kriegst es wirklich nicht mit, mein Hübscher.“

Er konnte solche Kosenamen von Natur aus nicht ausstehen, sagte aber nichts dazu, weil Mi Hae es eben nicht wusste, weshalb nur ein fragender Laut seine Kehle verließ.

„Was du für eine Wirkung auf Andere hast.“

Sein Blick wanderte zu ihr, während er an seinem Glas nippte und nebenbei eine Augenbraue hob, die seine Frage offensichtlich verständlich genug ausdrückte, da seine Freundin seufzte und mit einem Nicken auf die Bar im Allgemeinen deutete.
 


 

„Egal wo man mit dir hingeht, alle drehen sich nach dir um.“, hatte ihm Mi Hae erklärt, als er aus dem Augenwinkel die Bar und deren Gäste betrachtet hatte, die ihn immer wieder verstohlen ansahen.

Er konnte sich wage daran erinnern, dass sie das schon einmal so ähnlich zu ihm gesagt hatte, aber er hatte darauf nichts gegeben.

Natürlich waren ihm hin und wieder Blicke aufgefallen oder er hatte sie gespürt, aber solange keine Gefahr davon ausging, hatte er sich nicht mehr damit befasst.

In Zwischenmenschlichkeit hinkte er definitiv hinterher, aber das hatte ihn nie sonderlich gestört. Er verspürte nicht den Wunsch danach mit irgendjemandem etwas zu tun zu haben und war am liebsten allein, jedoch fragte er sich trotzdem, was Mi Hae damit meinte, dass ihm nicht bewusst wäre, was er für eine Wirkung auf andere Menschen hatte.

Ihm selbst war keine Wirkung bekannt, außer dass die Menschen starben, was sie jedoch nicht gemeint haben konnte, da sie ihn für einen braven Buchhalter mit dem seltenen Talent sich gut zu kleiden hielt.
 

Er stützte sich am Waschbecken ab, während er sich nach vorne lehnte um sich besser im Spiegel betrachten zu können und drehte seinen Kopf erst nach links, dann nach rechts, um sich von den Seiten zu betrachten, ehe er wieder die Stirn runzelte.

Für jemanden, der die meiste Zeit damit beschäftigt war Leute aufzuspüren, sie zu beschatten und stundenlang auf irgendwelchen Gebäuden hockte oder lag um auf eine passende Gelegenheit zu warten, war er erstaunlich blass.

Die kurzen, wasserstoffblond gefärbten Haare machten ihn noch eine Spur blasser, standen ihm aber gut. Vor der Explosion in Hong Kong waren seine Haare noch etwas länger und mittelbraun gefärbt gewesen, aber nachdem auch seine Haare unter der Explosion hatten leiden müssen, hatte eine kürzere Frisur her gemusst.

Durch seinen blassen und ebenmäßigen Teint wurden die dunkelbraunen Augen noch betont, die ihm im Spiegel kalt entgegen blickten, und die oft das Letzte waren, das seine Opfer gesehen hatten.

Sein Blick glitt nach unten zu seinem Hals und er fuhr mit den Fingern die Narbe nach, die sich links an seiner Halsschlagader befand, ehe sein Blick sich verdunkelte und er sich vom Spiegel abwandte.
 

Eigentlich konnte ihm sein Aussehen egal sein, da man als Auftragskiller nicht unbedingt blendend aussehen musste. Schaden konnte es jedoch auch nicht, wie er fand, denn sein Aussehen zusammen mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten hatten ihn schon des öfteren die Tür zu einem Auftrag geöffnet.

Ihn störte selten etwas, und auch Verletzungen nahm er ohne zu murren hin, da dies einfach zu seinem Job gehörte, aber dennoch gab es Dinge, die ihn störten. Die Narbe an seinem Hals zum Beispiel, zusammen mit den Beiden, die schräg über seine Schulterblätter verliefen und sozusagen das Skelett, den oberen Teil, seiner Flügel bildeten.

Sie fühlten sich nicht direkt wulstig an, aber eben auch nicht glatt. Wenn er beim Duschen darüber strich, konnte er sofort spüren wo sie waren, ohne lange danach suchen zu müssen, und er hasste es.

Aufgrund dieser Narben hatte er sich überhaupt erst die Flügel auf seinem Rücken zuerst cutten und dann tätowieren lassen. Der Tätowierer musste dummerweise dran glauben, als der Zeitungsartikel mit dem Foto seiner Flügel erschien, denn ihm war das Risiko zu hoch, dass dieser sich trotz der ganzen Jahre noch an sein Gesicht erinnern konnte, da so ein Auftrag bestimmt im Gedächtnis blieb.
 

Sein Weg führte in die Küche, wo er einen Blick in den Kühlschrank warf, nur um festzustellen, dass dieser bis auf eine Tüte inzwischen verdorbener Milch, zwei Dosen Bier, ein Stück schlecht gewordenem Käse und einer Flasche Ketchup absolut leer war, weshalb er ihn mit einem unerfreuten Laut wieder zu schlug und sich an die Arbeitsplatte lehnte.

Er blickte sich in der Küche um, ehe seine Augen an der Pinnwand hängen blieben und er sich von der Arbeitsfläche abstieß, bevor er auf die Korktafel zuging und davor stehen blieb.

Fein säuberlich, in Reih und Glied, hingen Zettel von diversen Lieferservices und er konnte nicht umhin aufzulachen und den Kopf zu schütteln.

Wem er diese zwanghafte Ordnung an seiner Pinnwand, die er sowieso nie benutzte, zu verdanken hatte war offensichtlich, aber solange der Junge nicht anfing, seine Kleidung farblich und seine Waffen nach Größe zu sortieren, war es ihm gleichgültig.
 

Nachdem er sich etwas zu Essen bestellt hatte, setzte er sich auf sein Ledersofa und zündete sich eine Zigarette an, während er den Fernseher einschaltete und desinteressiert durch die Kanäle schaltete, auf der Suche nach irgendwas, das ihn wenigstens im Ansatz interessierte.

Bei den Nachrichten blieb er hängen und legte die Fernbedienung auf den Glastisch, der vor dem Sofa stand, ehe er sich zurück lehnte und einen Arm auf der Lehne ablegte.

Die Sprecherin berichtete von den Morden in Süd- und Nordkorea, die definitiv auf das Konto des 'Engel-Mörders' gingen, was ihn zu einem kühlen Lächeln veranlasste, während er erneut an seiner Zigarette zog.

Die Sprecherin gab weiter an einen Reporter vor Ort, der mit einem untersetzten, dicklichen und alten Mann neben sich im Bild erschien.
 

„Prof. Dr. Kim Choi Jung ist Professor des National Intelligence Service, kurz NIS, und leitet wissenschaftliche Ermittlungen im Fall des 'Engel Mörders'.

Kim Choi Jung-ssi, was ist der 'Engel-Mörder' für ein Mensch?“

„Ich bin Profiler, deswegen kann ich Ihnen zu seiner Persönlichkeit keinerlei Angaben machen.“

„Was können Sie uns dann zu dem Mörder sagen?“

„Beim 'Engel-Mörder' handelt es sich um eine sehr präzise Person.“

„Wie meinen Sie das?“

„Ich habe noch nie von jemandem gehört, der so genau sein Ziel aus großer Entfernung trifft. Nehmen wir den Fall vor 4 Jahren in Tokyo, bei dem der Botschafter von Nordkorea und sein gesamtes Sicherheitsteam getötet wurden. Alle wiesen Schüsse in den Hals auf.“

„Das ist schon außergewöhnlich, aber warum nennen Sie es präzise?“

„Ich habe mir die Obduktionsberichte der Opfer zukommen lassen, und alle Schüsse, jede einzelne Kugel, ging genau durch die Mitte der Halsschlagader. Einmal kann man das einen Zufall nennen, aber gleich achtmal hintereinander, das ist pure Präzision.“

„Ein geübter Schütze würde das doch bestimmt schaffen.“

„Nein. Wir haben Tests mit allen möglichen Schützen gemacht, sogar mit Scharfschützen des Geheimdienstes, aber keiner von ihnen hat auch nur aus fünf Metern Entfernung so genau getroffen. Wer auch immer diese Person ausgebildet hat, hat eine Waffe erschaffen.“

„Kim Choi Jung-ssi, wie meinen Sie das, 'eine Waffe erschaffen'?“

„In den drei Jahren die ich nun diesen Fall übernommen habe, bin ich zu folgendem Schluss gekommen. Diese Person ist nicht nur im Umgang mit Schusswaffen geübt, sondern auch im Umgang mit jeder anderen erdenklichen Waffe. Die Morde an der Yoep Familie vor zwei Jahren gehen ebenfalls auf das Konto dieser Person, wurden jedoch mit einem Katana und Kurzschwertern ausgeführt. Der Mord vor vier Wochen an Kangjun Dae Yong fand mit Pfeil und Bogen statt. Aber in allem steckt dieselbe Präzision.“

„Wollen Sie damit sagen, dieser Mörder ist ein All-round-Talent was Waffen anbelangt?“

„Nicht nur das, ich bin mir ziemlich sicher, dass er ebenso gut im Nahkampf ausgebildet wurde.“

„Hat die DNA-Analyse nichts ergeben?“

„Nach wie vor kann die DNA ein und derselben Person zugeordnet werden, über die weder wir, noch die internationale Datenbank, Informationen besitzen.“
 

Auf seinem Gesicht hatte sich während des Berichts ein spöttisches Grinsen breit gemacht, während er ein letztes Mal an seiner Zigarette zog und sie dann im Aschenbecher ausdrückte.

Diese Berichterstattung und die Panikmache amüsierten ihn.

Die Leute hatten Angst, dass er eines Nachts in ihrem Zimmer stehen und sie töten könnte. Zumindest hatte er so etwas ähnliches auf diversen Internetplattformen gelesen, als er sich in einem Anflug aus Langeweile selbst gegoogelt hatte.
 

Als es klingelte stand er auf und ging zur Tür, wo er durch den Spion nach draußen sah und dann die Türe für den Lieferanten öffnete.

Er nahm seine Bestellung entgegen und drückte dem Mann einige Geldscheine in die Hand, während er ein „Passt schon.“, von sich gab, als dieser ihm auf den Betrag heraus geben wollte, bevor er die Tür schloss und wieder ins Wohnzimmer ging.

Nachdem er sich Stäbchen aus der Küche geholt und die Abdeckung seines Essens entsorgt hatte, ließ er sich wieder auf das Sofa fallen, wo nach dem Wetter ein Hollywoodstreifen namens 'The Tournament' gesendet wurde.

Amüsiert hob er eine Augenbraue, als er feststellte, dass es in diesem Film um Auftragskiller ging und murrte kurz darauf, als sein Handy die Melodie 'Miss California' von Dante Thomas zum Besten gab, und er schluckte, bevor er über das Display wischte und den Anruf entgegen nahm.
 

„Kang-Noona, was kann ich für dich tun, mein Blümchen?“

„Alter Schmeichler!“, kam es gelacht am anderen Ende und seine Mundwinkel zuckten kurz.

Die 52-jähirge Sekretärin war so ziemlich die einzige Person, zu der er tatsächlich aufrichtig freundlich war, da sie ihm mit ihrer offenen Art und ihrer Furchtlosigkeit ihm gegenüber einfach imponierte.

„Der Tag!“

Er hob eine Augenbraue, während er sich erneut seinem Essen widmete und darauf herum kaute.

„Der alljährliche Hochzeitstag ist wieder da. Ich soll dir ausrichten, dass du ein Geschenk besorgen sollst. Das letzte ist offenbar ganz gut angekommen.“

Er schluckte seine Nudeln herunter und murrte ein „Das ist doch ein Witz!“, in sein Handy, als auch schon eine Verneinung kam und er aufstöhnte, bevor er ein „Gut!“, von sich gab und auflegte.

Wann es angefangen hatte, dass er für seinen Boss nicht nur Leute ausschaltete oder von der Bildfläche verschwinden ließ, sondern auch noch die Geschenke für Frau und Kinder kaufte, wusste er nicht mehr, sondern nahm es einfach so hin.
 

Nachdem er sich erneut Nudeln in den Mund geschoben hatte, griff er erneut zu seinem Handy und öffnete den Nachrichtendienst Whatsapp, in dem er eine Nachricht für Yong Tae eintippte und absendete.

'Morgen, 12 Uhr vorm Dongdaemun Shopping Complex. Pünktlich!'

A gift for the wife of the boss

Die Hände tief in den Hosentaschen seiner schwarzen, zerrissenen Röhrenjeans vergraben, schlängelte er sich durch den riesigen Einkaufspark und streifte mit seinem Blick die Auslagen der Geschäfte.

Zwar wusste er, was er der Frau des Bosses im Vorjahr zum Hochzeitstag besorgt hatte, aber trotzdem war das wohl eher Zufall als Talent gewesen. Er hatte es gesehen, mitgenommen und eigentlich behalten wollen, bis ihn die Verzweiflung des Bosses dazu trieb, es ihm für seine Frau mitzugeben.

Dabei wirkte die adrette Dame auf dem gerahmten Foto, das auf dem Schreibtisch stand nicht gerade wie jemand, die schweren Silberschmuck trug. Aber dass der Schein täuschen konnte, wusste er durch seine Arbeit nur zu gut, und auch durch sich selbst.

Menschen hatten sich schon oft in ihm getäuscht. Ihn für einen netten Buchhalter, einen schussligen Klempner oder für einen souveränen Sicherheitsbeamten gehalten, und noch einiges mehr. Aber am Ende kam immer die Erkenntnis, dass er derjenige war, der ihnen ihr Leben nahm und die Fassungslosigkeit zusammen mit dem Ausdruck des verraten werden amüsierte ihn jedes Mal aufs Neue.
 

„Ähm...was genau suchen wir eigentlich?“, kam es zögerlich hinter ihm und er blickte kurz über seine Schulter zu Yong Tae, der hinter ihm her schlich wie ein verängstigter Hund.

Er antwortete nicht, sondern sah wieder nach vorne, um nicht aus versehen irgendwelche Leute anzurempeln, während er darüber nachdachte, was sie nun eigentlich genau suchten.

„Was würdest du deiner Frau zum Hochzeitstag schenken?“

„Ich...bin nicht verheiratet.“, kam es etwas verwirrt zurück und er gab einen abschätzenden Laut von sich.

Das wusste er natürlich und es war eine rein obligatorische Frage gewesen. Warum der Junge alles so ernst nehmen musste, würde er vermutlich nie verstehen.

Diesem schien sein Fehler in der Antwort ebenfalls aufzufallen, da er begann, hilflos mit den Händen zu gestikulieren, als er über die Schulter zu ihm blickte, und vor sich hin zu stammeln.

„Ich weiß nicht. Schmuck vielleicht oder...irgendetwas das sie gebrauchen kann.“
 

Diese Ideen waren ihm natürlich auch schon in den Sinn gekommen. Aber da es Schmuck schon letztes Jahr gab und er nicht wusste, was die Frau gebrauchen konnte, brachten ihn diese Denkansätze nicht wirklich weiter.

Im Prinzip hieß das nichts anderes, als dass er weiter durch die Einkaufsmeile laufen und überlegen musste, was dieser Frau eventuell gefallen könnte. Dabei hätte er sich wirklich etwas Besseres an einem freien Tag vorstellen können, als sich durch überfüllte Läden zu winden.

Er hatte gehofft, dass Yong Tae als bisher normal lebender Mensch ihm bei diesem Problem vielleicht helfen konnte.

Stattdessen hatte er fünfzehn Minuten vor dem Eingang gewartet und seine Laune war enorm in Richtung Keller gewandert, bis der Junge abgehetzt und schwer atmend die Straße überquert und vor ihm angehalten hatte.

Der einzige Grund, warum er ihm nicht diverse Knochen gebrochen hatte war der, dass sie sich in der Öffentlichkeit befanden und er den Jungen unversehrt lassen musste, solange dessen Vater brav seine Schulden abstotterte.
 

„Und was würdest du deiner Freundin schenken, wenn du eine hättest?“

Dass Yong Tae Single war, war nicht zu übersehen. Er hing nicht mal zwei Mal am Tag an seinem Handy, war mit den Gedanken nicht abwesend und er blickte Mädchen, die ihn anlächelten, immer schüchtern an. Allein das verriet ihm, dass der Junge definitiv nicht vergeben war. Obwohl er bezweifelte, dass der Junge überhaupt schon jemals eine Freundin gehabt hatte.

Wie genau er auf diesen Gedanken kam, konnte er nicht sagen, es war eher eine Art Gefühl, die ihm das vermittelte, und auf sein Gefühl konnte er sich bisher stets verlassen.

„Ähm...ich weiß nicht.“

Er stieß ein Seufzen aus und stempelte im selben Moment den Jungen als hoffnungslosen Fall ab, was die Frauenwelt betraf. So schüchtern wie dieser war, bräuchte es vermutlich ein ganzes Gestapokommando um ihn dazu zu bewegen, ein Mädchen anzusprechen.
 

Seine Gedanken, die um ein passendes Geschenk kreisten, wurden jäh unterbrochen, als er am Rande seines Bewusstseins ein dumpfes Geräusch und einige Beschimpfungen hörte.

Normalerweise hätte ihn das nicht gestört und er wäre einfach weiter gegangen, wenn nicht die Präsenz schräg hinter ihm verschwunden wäre, weshalb er sich umdrehte.

Seine Augen suchten die sich drängelnden Menschen ab und er brauchte nicht lange, um Yong Tae wiederzufinden, an die Brüstung des Rolltreppenhauses gelehnt und eingeschüchtert von zwei Kerlen ungefähr in seinem Alter, die aussahen, als hätte sie ein Blinder angezogen.

Er selbst trug auch hin und wieder Baggys und weitere T-Shirts, aber das, was diese Gestalten dort trugen, war in seinen Augen pure Geschmacksverirrung und eine Zumutung für jeden, der sie ansehen musste.

Am liebsten hätte er sich wieder umgedreht und wäre weiter gegangen, um diesen Anblick nicht länger ertragen zu müssen, tat es aber nicht, sondern hielt auf Yong Tae und die beiden Bengel zu.

Es gab nicht besonders viel, dass man an ihm als positiv bewerten konnte, was seine Persönlichkeit anging. Ein Punkt war jedoch, dass er es nicht leiden konnte, wenn eine Mehrzahl von Individuen auf Schwächere los ging, was im Allgemeinen schon ein Witz war, denn er tötete. Ob nun direkt von vorne oder aus dem Hinterhalt war ihm egal, das Hauptziel lag darin, seinen Auftrag auszuführen und dafür war ihm so ziemlich jedes Mittel recht.

Außer eben seiner Beiden selbst auferlegten Regeln.

Wenn er es genau nahm, war das auch der Grund, warum Yong Tae keinen einzigen Kratzer hatte, denn er betrachtete ihn als Unschuldigen.

Jeden Anderen hätte er für seine Dummheit und Unerfahrenheit schon längst ein bisschen durch die Mangel gedreht.
 

Bei dem Grüppchen angekommen, steckte er seinen Arm zwischen den beiden Jungs hindurch, schnappte sich das Handgelenk von Yong Tae und zog ihn mit einem Ruck in seine Richtung, was diesen zum Stolpern brachte und dazu, sich an ihm festzuhalten, was er missbilligend in Kauf nahm.

„Ey Püppchen, was willst du?“, gab der Größere der Beiden von sich, der offenbar an einem Akneproblem litt, was ihn dazu verleitete, angewidert das Gesicht zu verziehen.

Yong Tae schob sich bemüht unauffällig hinter ihn, während er selbst immer noch dessen Handgelenk festhielt und die beiden Gestalten mit einer Mischung aus Ekel und Langeweile musterte, aber nicht auf die Frage antwortete.

Aufgrund seines Aussehens hatte er sich schon viele Spitznamen anhören müssen, bevor die Leute eines Besseren belehrt worden waren, weshalb ihm solche Spitznamen, die offensichtlich Beleidigungen darstellten, nichts ausmachten.

„Ich will hier nicht den ganzen Tag verbringen.“, wandte er sich an seinen unfreiwilligen Schützling und dieser nickte einfach nur, wenn auch immer noch eingeschüchtert.

Er musterte das leicht markante Gesicht, mit dem minimalen Bartschatten, der sich darauf abzeichnete und den braunen Augen, die ihn verängstigt ansahen, und fühlte sich aus irgendeinem Grund leicht beleidigt.

Seiner Ansicht nach müsste dem Jungen klar sein, dass ihm nichts schlimmes zustoßen konnte, solange er bei ihm war. Zumindest nichts Schlimmes, das von anderen Personen ausging, was sich bestätigte, als die Typen nach ihm griffen und er dem Kleineren mit einem Tritt die Beine wegschlug und im selben Moment seinen Ellenbogen in den Magen des Anderen rammte, so dass dieser sich zu seinem Kollegen auf den Boden gesellte.
 

Ohne noch einen Blick auf die Beiden zu verschwenden setzte er sich wieder in Bewegung und zog Yong Tae ein Stück hinter sich her, bevor er dessen Handgelenk wieder frei gab und die Hände wieder in den Hosentaschen vergrub.

Er konnte ein leise gemurmeltes 'Danke' hinter sich hören, gab jedoch nur ein unfreundliches Murren von sich, bevor er sich eines Besseren besann und ein kaltes „Bleib in meiner Nähe.“ seine Lippen verließ.
 

Sie passierten weitere Geschäfte und uninteressante Waren, bis er abrupt stehen blieb und sich einem Schaufenster näherte, ehe er davor stehen blieb.

Er betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die filigranen, silbernen Kerzenständer und wiegte unbewusst den Kopf leicht hin und her, während er versuchte sich zu erinnern, welche Farben und Formen es im Esszimmer seines Bosses gab.

Zwar war er nicht oft bei dem Boss zu Hause gewesen, nur hin und wieder, wenn es sich nicht vermeiden ließ, da er sich in dieser familiären Umgebung unwohl fühlte, aber er hatte ein gutes Gedächtnis.

Wenn er sich konzentrierte, konnte er sich genau an den weißen Kamin mit den feinen Verschnörkelungen erinnern und an die silbernen Kronleuchter, die von der Decke über dem Tisch hingen. Er wusste auch noch, dass ein Blumenarrangement auf dem Kaminsims gestanden hatte und ansonsten nichts mehr, außer ein Familienfoto.

Würde man links und rechts je einen dieser Kerzenständer aufstellen, würde das bestimmt hübsch aussehen.

Noch im selben Moment in dem er das dachte, verzog er angewidert über sich selbst das Gesicht und wandte sich an Yong Tae.

Zumindest wollte er das, blickte aber ins Leere, weshalb er ein Zischen von sich gab, als er den Jungen ein paar Meter weiter vor einem anderen Schaufenster stehen sah und auf ihn zu schritt.
 

Er blieb kurz hinter Yong Tae stehen und lehnte sich leicht zur Seite um an dessen Schulter vorbei in das Schaufenster zu blicken, nur um festzustellen, dass dieser eine filigrane Kette aus Silber betrachtete, deren Anhänger zwei Flügel waren, die einen roten Stein umschlossen und festhielten.

Also vielleicht doch eine Freundin, oder eher eine Angebetete, die noch nichts von ihrem Pech wusste?

„Ich sagte: Bleib in meiner Nähe.“, kam es frostig über seine Lippen und brachte den Anderen dazu, sichtlich zusammen zu zucken, bevor er sich ans Herz fasste und sich zu ihm umdrehte.

Kurz herrschte Stille, ehe der Junge eine Entschuldigung murmelte als er sich umdrehte und wieder auf den Laden mit den Kerzenständern zuging und ihn betrat.

Yong Tae wartete gut sichtbar vor dem Schaufenster, was er selbst wirklich begrüßte. Als er den Laden wieder verließ, blickte er in das ratlose Gesicht seines Schützlings, der ein zweifelndes „Kerzenständer?“, von sich gab.

Ein Murren verließ seine Lippen, bevor er schnaubte.

„Sie passen zur Einrichtung.“

Diese Tatsache brachte ihm ein Nicken des Jüngeren ein und er schnaubte kurz, während er gleichzeitig mit den Schultern zuckte.

„Und im Notfall kann sie einen Einbrecher damit erschlagen.“

„A....“
 

Er war sich sicher, dass der Junge gerade seinen Namen aussprechen wollte, sich aber aufgrund der Menschenmenge eines besseren besann, es nicht tat und stattdessen den Mund hielt.

Kurz blieben sie noch stehen, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und Yong Tae ihm folgte. Sie steuerten auf den Ausgang des Einkaufsparks zu, während er innerlich erleichtert war, diesen 'Auftrag' erledigt zu haben.

Sie schlängelten sich durch die Menschenmenge im Erdgeschoss, die hier noch größer war als in den oberen Etagen, da sich hier die ganzen Touristen tummelten.

Während er darauf achtete niemanden anzurempeln, bekam er am Rande mit, wie Yong Tae zurückfiel und rollte missbilligend mit den Augen.

Gerade als er sich umdrehen wollte, um zu sehen wo der Junge blieb, konnte er ein minimales Zusammenzucken nicht verhindern, als eine Hand nach dem Rückenteil seiner Jacke griff und sich zögerlich daran festhielt.

Kurz sah Azrael über die Schulter und in das beschämte Gesicht des Jungen, der den Boden offensichtlich gerade für äußerst interessant zu halten schien.

Anstatt also etwas zu sagen, setzte er sich wieder in Bewegung und ließ zu, dass sich Yong Tae an seiner Jacke festhielt, um ihn nicht in der Menschenmenge zu verlieren.
 

„Wie bist du her gekommen?“, fragte er, als sie das Gebäude verlassen hatten und zündete sich eine Zigarette an, während der Junge zögerlich die Finger von seiner Jacke nahm und sie unbeholfen in die Hosentasche schob.

„Mit dem Bus.“

Azrael nickte und stieß den Rauch aus, bevor er mit dem Kopf in Richtung Parkplätze nickte und dem Jungen deutete ihm zu folgen.

„Du fährst mich?“

Auf diese Frage gab er nur einen bestätigenden Laut von sich, während er sich fragte, nach was es sonst aussah. Natürlich hätte er dem Jungen eine Antwort geben können, die diesem aber sicherlich nicht gefallen hätte.

Er stellte die Tüte mit den Kerzenständern im Kofferraum ab und schwang sich danach auf den Fahrersitz seines Aston Martin DBS, während Yong Tae auf dem Beifahrersitz Platz nahm und sich anschnallte.

Nachdem er den Motor angelassen hatte, wartete er, bis eine Mutter mit drei Kindern hinter ihm seinen Wagen passiert hatte, bevor er zurück setzte und das Gaspedal leicht antippte, was den Wagen schon dazu brachte, nach vorne zu preschen.
 

Während sie die Straßen von Seoul entlang fuhren, beobachtete er den Jungen hin und wieder aus dem Augenwinkel, der stocksteif auf dem Beifahrersitz saß und sich nicht sonderlich viel bewegte.

„Zu schnell?“, hakte er deswegen nach einer gewissen Zeit nach und bekam als Antwort eine Verneinung, weshalb er Yong Tae wieder ansah, als er an einer roten Ampel halten musste.

„Das Auto ist bestimmt teuer.“, kam es gemurmelt neben ihm und er sah den Jüngeren an, während er sich eine Zigarette anzündete.

„344.745 Won.“, kommentierte er und zuckte vor Schreck leicht zusammen, als Yong Tae in einer Stimmlage aufkreischte, von der er der Meinung war, dass sie nur für Frauen reserviert war.

„Wie viel zur Hölle verdienst du damit, Leute umzubringen?“, kam es fassungslos von dem Jungen und Azrael sah wieder auf die Ampel, die immer noch rot anzeigte, weshalb er ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte.

„Einiges.“

„Ja, offensichtlich!“

Die Reaktionen von Yong Tae amüsierten ihn, wenn dieser losgelöst war und offenbar verdrängte oder vergaß, mit wem er sprach. Er nahm es dem Jungen auch nicht übel, da dieser mit der ganzen Situation, laut Frau Kang, absolut überfordert war.
 

Er war der Meinung, dass sein Arbeitsaufwand auch nicht gerade gering war, allerdings hielt er es nicht für nötig, das zu erwähnen. Wenn der Junge angeblich sowieso schon überfordert war, wollte er ihn nicht noch mehr überfordern und unfreiwillig dafür sorgen, dass dieser vielleicht irgendetwas Dummes tat, das seinen Auftrag gefährdete, ihn möglichst unversehrt am Leben zu erhalten.

Denn wenn es etwas gab, das er nicht leiden konnte, war es, einen Auftrag zu versauen. Zwar war ihm das in seiner Laufbahn erst einmal passiert, aber dieses eine Mal war einmal zu viel.

Als die Ampel wieder auf Grün umschaltete, gab er wieder Gas und überholte zwei Wagen, die vor ihm fuhren, da ihm das Ganze einfach zu langsam ging.

Zwar litt er nicht gerade unter Zeitdruck, aber er verabscheute es schon aus Prinzip, weniger als die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu fahren.

Aus dem Augenwinkel blickte er wieder zu Yong Tae und verzog herablassend den Mund.

„Deine Anspannung nervt.“

Der Junge bewegte sich kurz, nur um dann wieder wie ein Stein sitzen zu bleiben, bevor Azrael ein leises „Was ist, wenn ich den Wagen dreckig mache?“, hörte.
 

Es war in seinen Augen wirklich lächerlich, dass Yong Tae sich darüber Sorgen machte, den Wagen eventuell dreckig zu machen, zumal er sich fragte, womit.

„Es ist ein Auto.“

„Ein teures Auto!“, hielt der Jüngere dagegen und er zuckte mit den Schultern.

„Aber immer noch ein Auto.“

Er spürte, wie der Junge sich etwas entspannte und entspannte sich unweigerlich selbst etwas, als er an der nächsten Kreuzung abbog, am Rand des Gehwegs hielt und den Motor ausschaltete.

Yong Tae sah aus dem Fenster, bevor er ihn ansah und er zurück blickte.

„Du weißt, wo ich wohne?“

Die ganze Fahrt über schien es dem Jungen nicht aufgefallen zu sein, dass er ihn kein einziges Mal nach dem Weg fragte, was ihn um ehrlich zu sein tatsächlich belustigte. Der Kleine war so damit beschäftigt gewesen, seinen Wagen nicht verdrecken zu wollen, dass ihm das überhaupt nicht aufgefallen war, und dementsprechend geschockt war die Reaktion auch.

Er sah Azrael aus großen, braunen Augen an und schluckte schwer.

„Ich weiß auch deinen Weg zur Uni, deinen Lehrplan, deine Lieblingsplätze, deine Essgewohnheiten, wie deine Freunde heißen und dass du jeden Sonntag um 10 Uhr mit deiner Oma telefonierst und das durchschnittlich drei Stunden. Pass also auf, was du tust.“
 

Der Junge war erstaunlich blass geworden und er selbst zog an seiner Zigarette, während er ihn beobachtete und dieser wieder schwer schluckte.

„Was weißt du eigentlich nicht?“

„Den Grund, warum du in der Woche fünf Rollen Klopapier brauchst. Du bist allein!“, kam es wie aus der Pistole geschossen, auch wenn er wirklich nicht der Typ für solche Bemerkungen war. Natürlich waren auch seine Gedankengänge manchmal etwas sinnlos und meistens sarkastisch, aber für gewöhnlich blieben diese Bemerkungen in seinen Gedanken und fanden ihren Weg nicht nach draußen.

„Du...“, stieß Yong Tae aus, während er ihn ungläubig ansah und dann anfing, durch den Wagen zu gucken, nur um seinem Blick ausweichen zu können.

Während der Junge im Wagen umhersah, rauchte er seine Zigarette auf und schnippte sie aus dem Wagenfenster, ehe er sich im Sitz zurück lehnte und den Anderen abwartend ansah.

Yong Tae schien zu verstehen, was er von ihm wollte, da er nur nickte, schief lächelte und dann die Wagentür öffnete und ausstieg, bevor er sie hinter sich wieder zu schlug und unbeholfen auf dem Gehsteig stehen blieb.
 

Azrael ließ den Motor seines Wagens wieder an und blickte kurz in den Seitenspiegel, bevor er das Fenster der Beifahrerseite herunter ließ und sich leicht hinüber lehnte, um den Jungen ansehen zu können.

„Schließ dein Badezimmerfenster ab. Das verhindert zumindest, dass gewöhnliche Einbrecher deine Wohnung betreten.“

Der Mund des Jungen klappte auf und Azrael sah kurz wieder in den Seitenspiegel, bevor er auf die Fahrbahn schoss und in den Rückspiegel blickte, wo ihm Yong Tae immer noch mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck und offenem Mund hinterher sah, was ihn dazu brachte, seine Mundwinkel zu einem belustigten Grinsen nach oben zu ziehen, bevor er um die nächste Ecke bog.
 

Zu Hause angekommen parkte er seinen Wagen in der Tiefgarage und stieg die Treppen nach oben ins Erdgeschoss, wo er seine Post aus dem Briefkasten holte und seiner alten Nachbarin höflich zunickte.

Er betrat seine Wohnung und warf die Schlüssel auf die Kommode und die Jacke auf die Ablage der Garderobe, während er seinen Weg ins Wohnzimmer fortsetzte und sich auf das Sofa fallen ließ und die Schuhe abstreifte, bevor er die Füße auf die Armlehne legte und sich ausstreckte.

Zwar war er Koreaner, aber er legte keinen Wert darauf, seine Schuhe bereits im Eingangsbereich auszuziehen und tat es auch ansonsten nicht. Die meisten Menschen, deren Wohnungen und Häuser er betrat, überlebten nicht lange genug, um sich über diese Unhöflichkeit aufregen zu können.

Yong Tae hingegen zog jedes Mal, wenn sie die Wohnung betraten, sofort seine Schuhe aus. Vermutlich auch als Angst, seinen weißen Teppich zu ruinieren, der einen Großteil des Wohnzimmers einnahm.
 

Nachdem er die Post kurz durchgegangen war, die nur aus Werbung zu bestehen schien, warf er sie auf den Glastisch und nahm sein Handy zur Hand.

Während des Einkaufens hatte er dieses auf lautlos geschaltet, um ungestört seinen Auftrag zu erfüllen. Und inzwischen hatte er vier Whatsapp Nachrichten bekommen, die alle von Mi Hae stammten, die ihn ungeduldig fragte, ob er heute noch etwas mit ihr unternehmen würde.

Kurz hörte er in sich hinein, bevor er ihr antwortete, dass er heute keine Zeit hätte und ziemlich beschäftigt wäre. Zurück kam kurze Zeit später ein trauriger Smilie.

Er warf sein Handy ebenfalls auf den Glastisch, während ein genervtes Schnauben über seine Lippen kam. Warum Mi Hae so viel Aufmerksamkeit brauchte, war ihm schleierhaft, aber anscheinend war jede Frau so. Einer der Gründe, warum er eine engere Beziehung niemals vermissen würde.
 

Eine Weile lag er noch auf seinem Sofa, bevor er beschloss duschen zu gehen und sich auf den Weg ins Badezimmer machte.

Während das warme Wasser über seinen Körper lief, der zwar durchtrainiert, aber bei weitem nicht muskulös war, betrachtete er durch die Scheibe der Duschkabine seinen Rücken in dem leicht beschlagenen Spiegel und fuhr sich über die Narben an den Schulterblättern.

Wären diese Narben nicht der Grundstein seiner Flügel gewesen, hätte er sie vermutlich noch mehr gehasst als sowieso schon. So aber waren sie der Grundstein, aus dem Azrael geboren wurde, während sein früheres Ich in der ewigen Dunkelheit unter der Erde ruhte.

Von diesem früheren Ich war nichts mehr übrig geblieben, außer der Erinnerungen mancher Menschen, und er bedauerte es auch nicht.
 

Aus seinen Gedanken wurde er gerissen, als sein Handy auf der Ablage anfing zu klingeln und 'Miss California' spielte.

Ohne zu zögern, da nur eine einzige Person diesen Klingelton hatte, nahm er den Anruf entgegen, auch wenn er sich dafür halb aus der Dusche hängen musste, damit sein Handy nicht nass wurde.

„Du wolltest doch schon immer mal nach Bali.“, kam es vom anderen Ende der Leitung und seine Augenbraue wanderte nach oben. Um genau zu sein hatte er einmal erwähnt, dass Bali bestimmt ein nettes Urlaubsziel war, was aber nicht hieß, dass er selbst nach Bali wollte.

„Ich dusche noch fertig und komm dann vorbei.“, murrte er ins Handy, bevor er auflegte und seinen Oberkörper wieder unter den warmen Wasserstrahl beförderte.
 

Als er mit dem Duschen fertig war, sich abgetrocknet hatte und sich für eine weinrote Röhrenjeans und ein schwarzes Hemd entschieden hatte, schlüpfte er in seine Springerstiefel und schnappte sich die Autoschlüssel, ehe er die Wohnung verließ.

Sein Weg führte ihn in die Tiefgarage, wo er in seinen Wagen stieg und den Weg zur Villa seines Bosses antrat.

Als er Seoul verlassen hatte, schaltete er das Radio an und 'Snow Whites Poison Bite' tönte aus den Boxen mit dem Song 'The End of Prom Night'.

Seine Finger trommelten im Takt des Beats auf das Lenkrad, während er der Autobahn einige Kilometer folgte und sie dann verließ, um über eine verlassene Landstraße zu fahren, wo er nach einigen Kilometern auf eine kleine Waldstraße abbog und ihr bis zum Ende folgte.

Sein Weg endete an einem großen, schmiedeeisernen Tor und er hupte zwei Mal hintereinander, bevor das Tor sich in Bewegung setzte und sich so weit öffnete, dass sein Wagen hindurch passte.
 

Das Tor fiel mit einem Krachen wieder in seine Verankerung, gerade als er aus dem Wagen gestiegen war und er blickte kurz zurück, um aus Gewohnheit die Umgebung nach etwas zu überprüfen, das hier nicht hin gehörte. Sein Gefühl sagte ihm, dass alles in Ordnung war, aber das abscannen seiner Umgebung war so tief verankert, dass er es einfach tun musste, bevor er die Treppen zu der imposanten Eingangstür nach oben ging.

Was auch immer ihn für ein Auftrag erwartete, er hatte das Gefühl, er müsste sich Sommer taugliche Klamotten besorgen, was im Anbetracht der Flügel auf seinem Rücken schwer werden würde.

The hint of a feeling

Er hatte nichts gegen die Befehle des Bosses, aber manchmal wünschte er sich, der Boss hätte so etwas wie eine Struktur, was die Liste der Leute anging, die er aus dem Weg haben wollte.

Wie er vom Außenminister, über den Innenminister zu einem Drogenbaron gekommen war, wollte er lieber gar nicht wissen.

Er hatte auch nichts gegen warmes und etwas feuchtes Klima, aber der Regierungsbezirk Bangli mit der gleichnamigen Stadt darauf, auf der Insel Bali war ihm nicht nur zu warm, sondern auch zu nass. Im Vorfeld hatte er sich wie gewöhnlich über das Gelände, die Gegebenheiten und sonstigen Kram informiert und festgestellt, dass es im Monat August im Durchschnitt vier Tage gab, an denen es regnete.

Und genau die schien er erwischt zu haben.

Außerdem war seine Suche nach Kleidung, die einigermaßen Sommer tauglich war, ohne seine Flügel zu entblößen, im Leeren verlaufen.

Mit seiner dunkelbraunen, zerrissenen Röhrenjeans, den grauen Cowboystiefeln, dem schwarzen Shirt und dem mintgrünen Jacket hätte er vermutlich Aufmerksamkeit erregt, wenn es nicht gerade mitten in der Nacht gewesen wäre und die Feierlustigen die Straßen bevölkert hätten.
 

Den Tag über hatte er in seinem gemieteten Bungalow die Zeit damit verbracht, zu schlafen, Lagepläne zu studieren und amüsiert zu grinsen, als Yong Tae ihm ein Bild geschickt hatte, dass sein Badezimmerfenster zeigte vor dem nun zwei zusätzliche Schlösser angebracht waren, mit dem Satz: 'Jetzt zufrieden?!'

Ja, damit war er zufrieden. Zwar hatte er bei dem 'Besuch', bei dem er Yong Tae's Badezimmerfenster als Eingang missbraucht hatte, die Wohnung mit diversen Mikrokameras ausgestattet, aber er war nicht in Korea. Somit war er beruhigt, dass zumindest keine normalen Einbrecher die Wohnung betreten konnten, zumal ihm auch niemand professionelles einfiel, der etwas von dem Jungen wollen würde.

Er hatte Yong Tae auf die Nachricht nicht geantwortet, einfach, weil er das nie tat und auch keinen Sinn darin sah. Was der Junge damit bezwecken wollte, war ihm nicht klar, aber es erschien ihm auch nicht wichtig genug, um es verstehen zu wollen.
 

„Er muss hier irgendwo sein!“

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, und er drückte sich mit dem Rücken mehr an die graue und feuchte Mauer hinter sich, während er seine Waffen bereit hielt und der Regen ihn durchnässte.
 

Im Prinzip war der Auftrag an diesem Drogenbaron ein Kinderspiel. Zumindest dann, wenn sie ihn anscheinend nicht schon erwartet hätten.

Als er das Gelände des Anwesens betreten hatte, war alles nach Plan verlaufen. So lange, bis er die Villa durch den Dienstboteneingang betreten hatte.

Das Licht, das auf einmal den Raum, in dem er stand durchflutet hatte, hatte ihm in den Augen gebrannt, und er hatte diese aus Reflex zusammengekniffen, während er sich den Arm über das Gesicht gehalten hatte.

Das Klicken einer Waffe war an seine Ohren gedrungen, gefolgt von einem Schuss, bei dem er sich aus Instinkt nach links zur Seite fallen ließ. Die Kugel schlug knapp neben ihm in der Wand ein und er hatte die Augen leicht geöffnet, um sich ein Bild der Situation zu machen.

Er hatte an die zehn Gestalten gezählt, und beschlossen, dass ein Rückzug in diesem Moment das Angebrachteste wäre, weshalb er den Sicherungskasten, der an der Wand hing, mit fünf Kugeln durchsiebt und die Dunkelheit Willkommen geheißen hatte.
 

Vielleicht mochte es kitschig klingen, aber die Dunkelheit war sein Freund, schon immer. Woher es kam, dass er im Dunkeln besser sehen konnte als die meisten anderen Menschen, wusste er nicht mehr genau, aber er erinnerte sich dunkel daran, dass es mit seiner Ausbildung in den Karpaten zusammen hing.

Trotz der Absätze seiner Cowboystiefel machte er fast keine Geräusche, als er sich den ersten der Männer schnappte und ihm das Genick brach, und dann taktisch alle Anderen abarbeitete.

Die Männer waren durch die Dunkelheit verwirrt und sahen fast die Hand vor Augen nicht, was es für ihn einfach machte, sie in die falsche Richtung zu dirigieren und sie dazu zu verleiten, auf ihre Kollegen zu schießen.

Als es in dem Raum still war, hatte er sich weiter nach vorne in die Küche geschoben und war von dort aus aus dem Fenster ins Freie gelangt, wo er beschloss, zu warten.
 

Nun saß er hier neben dem Küchenfenster an die Mauer gedrückt in einem Beet, das mit Rhododendron bepflanzt war, und der Regen prasselte unaufhörlich auf ihn nieder.

Es hatte nicht lange gedauert, bis die Männer in dem Raum gefunden worden waren und der Alarm los ging.

Das Sicherheitspersonal war offensichtlich präsenter, als aus den Informationen hervorging, weshalb er dazu genötigt war, seinen Plan zu ändern.

Er konnte nicht mehr einfach durch das Haus spazieren, hin und wieder ein paar unliebsame Leute ausschalten, und sich dann die Zielperson vorknöpfen. Wenn er mit dieser Mission erfolgreich sein wollte, musste er sie alle beseitigen, was nicht nur Raffinesse, sondern auch noch Zeit beanspruchen würde.
 

Auf allen Vieren krabbelte er unter dem Küchenfenster und zwischen den Büschen vorbei an die nächste Hausecke, um die er vorsichtig spähte, ehe er einen abschätzenden Laut von sich gab und sich wieder an die Wand lehnte.

Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den dunklen Himmel, während er die Augen zusammenkniff als der Regen in sein Gesicht fiel und ihm eine Idee in den Kopf gab.

Leise steckte er seine Waffen in die Waffenholster an seinen Oberschenkeln und stand vorsichtig auf, um kein Geräusch zu erzeugen, bevor er die Arme über seinen Kopf hob und die Mauer abtastete, bis er einen Spalt gefunden hatte, an dem seine Finger Halt fanden.

Vorsichtig zog er sich daran hoch und tastete mit seinen Füßen an der Mauer entlang, bis er so viel Halt gefunden hatte, dass er nach dem nächsten Vorsprung suchen konnte.

Vermutlich war es nicht der klügste Plan, offen an einer Hausmauer empor in das erste Geschoss zu klettern, vor allem dann nicht, wenn es überall vor bewaffneten Sicherheitsleuten nur so wimmelte, aber er hielt noch nie viel von konventionellen Methoden, wenn sein Auftrag auf der Kippe stand.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn erwischten, lag bei ungefähr 90%, aber über diesen hohen Prozentsatz machte er sich keine Sorgen, denn was auch immer diese Leute für Informationen über ihn hatten, sie würden nicht ausreichen.

Niemand, nicht einmal der Boss selbst, war ihm bisher so nahe gekommen, als dass er hätte einschätzen können, wie er in welcher Situation handeln würde. Er handelte für jemanden, der unterkühlt war und Menschen ihr Leben nahm, viel zu sehr nach Gefühl, als dass sich das hätte voraussagen lassen.

Selbst wenn sie ihn erwischen würden, würde er sich irgendwie wieder herauswinden, so wie er es schon immer getan hatte.
 

Seine Finger ertasteten den Fenstersims und er zog sich daran hoch, ehe er vorsichtig durch das Fenster spähte, aber niemanden sehen konnte. Kurz hielt er den Atem an und lauschte nach Schritten oder einem anderen Atem, der einen eventuellen Gegner verriet, hörte aber nichts, weshalb er sich durch das nachlässig aufstehende Fenster in das Zimmer schwang, vom Fenster wegduckte und seine Waffen zog, als er hinter sich ein Geräusch hörte.

Er ließ die Waffen sinken, während ihn drei braune, verängstigte Augenpaare anstarrten, von Mädchen, die höchstens zehn Jahre alt waren, wenn überhaupt.

Die Mädchen wimmerten und klammerten sich aneinander, während sie auf seine Waffen starrten, weshalb er sie wegsteckte und auf sie zuging, ehe er vor dem Bett in die Hocke ging und die Mädchen ansah.

„Sht!“, kam es über seine Lippen, während er einen Zeigefinger darauf legte und sich dann im Zimmer umsah.

„Wirst du uns weh tun?“

Sein Blick fiel auf das größte der Mädchen, die diese Frage gestellt hatte, und er sah sie eine Weile schweigend an, während er die Hämatome und Blutergüsse auf ihrem Körper registrierte, ehe er ein „Nein.“, von sich gab.

Azrael stand wieder auf und zog seine rechte Waffe, was die Mädchen wieder zum Wimmern brachte.

Er ignorierte das Wimmern und ging zur Zimmertüre, deren Knauf er probehalber drehte und feststellte, dass sie nicht verschlossen war.

„Es wird bald vorbei sein.“, verließ es ruhig seine Lippen, bevor er die Tür einen Spalt öffnete und auf einen verwaisten Flur blickte, den er betrat, ehe er die Türe wieder hinter sich schloss und seine Beine ihn über den weichen Teppich des Flurs trugen.
 


 

Fast zwei Stunden war er durch die Villa gelaufen, hatte sich hier und da wieder versteckt, und hatte das Sicherheitspersonal systematisch ausgeschaltet.

Natürlich hätte er auch ein paar Männer überspringen können, immerhin war er nicht gezwungen alle zu töten, solange sie ihm nicht in den Weg kamen.

Inzwischen ging es aber nicht mehr nur darum, den Baron auszuschalten, sondern auch darum zu verhindern, dass sich eine dieser widerwärtigen Gestalten den Mädchen näherte. Es war unwahrscheinlich, dass sie versuchen würden, die Kinder als Druckmittel gegen ihn zu benutzen, immerhin hatte er keine Verbindung zu ihnen, aber bei dem Gedanken, dass jemand diesen Kindern noch mehr Leid zufügen könnte, drehte sich ihm der Magen um.

Im selben Moment verfluchte sich Azrael dafür, dass er tatsächlich so etwas wie Mitleid gegenüber diesen Kindern empfand, da sie ihm im Prinzip egal sein konnten. Er kannte sie nicht und sie waren auch nicht Teil des Auftrags, und doch wollte er vermeiden, dass diese Kinder noch mehr ertragen mussten als vermutlich sowieso schon.
 

Den Drogenbaron hatte er im Keller der Villa gefunden und war von dessen erbärmlichen Auftreten angewidert. Er hasste es, wenn Menschen so taten, als hätten sie keine Schuld auf sich geladen und um ihr armseliges Leben winselten, ohne Stolz und ohne Würde.

Natürlich hatten ihn schon mehr Menschen angefleht, sie zu verschonen, aber so etwas erbärmliches sah er selten, weshalb er ohne etwas zu sagen abgedrückt und es als Befriedigung empfunden hatte, als der Körper in sich zusammen sank.
 

Sein Auftrag war erledigt gewesen, und doch war Azrael noch einmal zu dem Zimmer mit den Mädchen zurück gekehrt.

Im Nachhinein fand er seinen Entschluss, die Kinder wieder nach Hause zu ihren Eltern zu bringen, wo sie hingehörten, äußerst lächerlich. Würde das jemand erfahren, würde das vermutlich ganz schön an seinem Ruf kratzen, weshalb er ganz froh war, dass er allein arbeitete.

Er hatte die Mädchen eins nach dem anderen abgesetzt und in der Dunkelheit gewartet, bis sie in den Armen ihrer Eltern lagen, bevor er zu dem Bungalow gefahren war und seine Sachen gepackt hatte, während er dem Boss mitteilte, dass die Mission abgeschlossen war und er zurück kommen würde.
 

Er hatte den vom Boss bereit gestellten Flieger zurück nach Südkorea genommen, und war nach Hause gefahren. Seine Kleidung war inzwischen wieder trocken, aber sie fühlte sich dennoch unangenehm auf der Haut an, weshalb der einzige Wunsch, den er im Moment hegte einfach nur war, unter die Dusche zu steigen.

Nachdem er seinen Wagen in der Tiefgarage abgestellt und die Treppen nach oben gestiegen war, holte er seine Post, die auf den ersten Schein wieder nur aus Werbung zu bestehen schien, bevor er die Stirn runzelte und einen türkisen Umschlag in den Händen drehte und wendete, auf den 'Für Dich' in einer etwas krakligen und doch geschwungenen Schrift geschrieben war.

Er drehte und wendete den Umschlag noch ein paar Male, während er die restliche Post unter den Arm geklemmt, zu seiner Wohnungstüre gegangen war und diese aufgeschlossen hatte.

Die Werbung fand ihren Weg zusammen mit dem Schlüssel auf die Kommode, als er den Umschlag mit dem kleinen Finger öffnete und weiter in sein Wohnzimmer ging.
 

In dem Umschlag steckte eine Karte in derselben Farbe, die er heraus zupfte und dann betrachtete.

In goldenen Lettern stand 'Einladung' darauf gedruckt, was ihn die Stirn runzeln ließ. Er bekam nie Einladungen, zumindest keine schriftlichen.

Die Einladungen seines Bosses erfolgten prinzipiell durch Frau Kang, die Sekretärin, und die einzige schriftliche Einladung, die er jemals bekommen hatte war zum Nachbarschafts-Grillen von dem alten Ehepaar gegenüber gewesen, und das war nun auch schon ein paar Jahre her.

Er klappte die Karte auf und überflog die Informationen von Beginn und Ort der Veranstaltung, die ihm nicht viel sagten. Es handelte sich dabei anscheinend um eine Gesangsveranstaltung mit anschließender Party in einem Club. Erst als sein Blick auf die zweite Seite der Karte schweifte, wusste er etwas damit anzufangen.

In derselben Schrift wie auf dem Umschlag stand 'Bitte komm', ehe Yong Tae unterzeichnet hatte.

Im Nachhinein machte es Sinn, da der Junge eine AG in der Universität belegte, die sich wohl mit Musik beschäftigte.

Vermutlich hatte 'Für Dich' auf dem Kuvert gestanden, weil Yong Tae nicht unbedingt seinen Namen darauf schreiben wollte, sollte diesen Brief jemand zu Gesicht bekommen.

Schlauer Junge.
 

Allerdings fragte sich Azrael, was er mit dieser Einladung anfangen sollte. Er hasste Partys und vor allem hasste er schiefen Gesang. Zumal er sich fragte ob der Junge tatsächlich glaubte, er würde dort erscheinen. Wenn ja, war er dümmer, als er angenommen hatte.

Achtlos warf er die Karte auf den Glastisch vor seinem Sofa und ging weiter ins Schlafzimmer, wo er seine Reisetasche auf das Bett warf und sich neue Kleidung aus dem Kleiderschrank suchte.

Zur Abwechslung zog er sich eine schwarze Trainingshose und ein dunkelviolettes, etwas weiteres Shirt zusammen mit Shorts und Socken aus dem Schrank, bevor er den Weg ins Badezimmer antrat.

Es kam, außer zum Schlafen, selten vor, dass er sich Kleidung überwarf, die eher für die Nacht oder zum Joggen geeignet war.

Nur manchmal hatte er das Bedürfnis, sich etwas zu entspannen, wie andere Menschen in seinem Alter das eben auch taten. Er war selten entspannt, und auch wenn man es ihm nicht ansah, war er stets auf der Hut und kampfbereit.
 

Nachdem er seine Kleidung ausgezogen und zusammen mit der aus der Wäschetonne in die Waschmaschine gestopft, und diese angeschaltet hatte, stieg er unter die Dusche und drehte das Wasser heiß auf.

Der Wasserdampf beschlug sogleich die Scheiben des Spiegels und die Wände der Duschkabine, während er sich mit den Händen an den Fliesen abstützte, und nach vorne gebeugt einfach bewegungslos unter dem Wasserstrahl stehen blieb.

Automatisch wanderte seine rechte Hand über die Schulter zu einer der Narben, die über seine Schulterblätter verliefen, und strich darüber, ehe er kurz würgte und die Hand wieder weg nahm, während er sein Gesicht im gleichen Moment gegen den Wasserstrahl hielt.

Das Brennen, das das heiße Wasser auslöste, half ihm dabei, sich wieder unter Kontrolle zu bringen und er öffnete die Augen, bevor er nach seinem Duschgel griff und anfing sich einzuseifen.
 

Nachdem er sich auch die Haare gewaschen hatte, drehte er das Wasser aus und verließ die Dusche, wo er sich eines der weißen Handtücher aus dem Regal nahm und sich zuerst die Haare provisorisch trocken rubbelte, und danach seinen Körper abrieb.

Er zuckte zusammen, als ein grässliches Geräusch seine Wohnung erfüllte, und griff automatisch nach einer seiner Waffen, die er auf der Waschmaschine abgelegt hatte.

Schnell band er sich das Handtuch um die Hüften, bevor er vorsichtig die Badezimmertüre öffnete und in den Flur spähte, allerdings niemanden entdecken konnte, als das Geräusch wieder erklang.

Er folgte ihm und blieb dann im Eingangsbereich stehen, wo er die Wohnungstüre betrachtete und eine Augenbraue hob.

Bei genauerer Betrachtung hörte sich seine Türklingel wirklich abscheulich an, was er bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal richtig wahr genommen hatte. Er konnte es darauf schieben das er meistens zu erledigt war um genau darauf zu achten, oder eben darauf, dass sich die Türklingel vollkommen anders anhörte wenn der Fernseher auf voller Lautstärke lief.
 

So leise wie möglich und mit gehobener sowie entsicherter Waffe schlich er an der Wand entlang zur Wohnungstüre, um zu vermeiden, von einer Kugel getroffen zu werden, sollte jemand auf die Idee kommen, durch die Türe zu schießen.

Bei der Türe angekommen lehnte er sich nur so weit vor, dass er durch den Spion blicken konnte und ließ die Waffe dann sinken, ehe er die Verriegelung der Türe löste und diese öffnete.
 

„Was willst du hier?“

Der Junge, der vor ihm stand, knetete nervös seine Hände, während er überall hin blickte, nur nicht in Azrael's Gesicht, was ihn eine Augenbraue heben ließ.

Eine Weile lang kam nichts und es herrschte stattdessen ein schweres Schweigen, ehe Yong Tae Luft holte und den Blick auf Azrael's Brustkorb heftete, was ihm allerdings genauso unangenehm zu sein schien wie durch die Gegend zu blicken.

„Kann ich...rein?“

Er schwieg kurz, bevor er die Tür ganz aufstieß und an der Seite mit dem Rücken zur Wand stehen blieb. Das Letzte was er brauchte war, dass er der Türe den Rücken kehrte und genau jetzt jemand den Hausflur entlang ging, nur um die Flügel auf seinem Rücken zu sehen.
 

Yong Tae trat ein und schloss die Türe hinter sich, wobei er die Nervosität des Jungen förmlich riechen konnte.

Die ganze Körpersprache des Jüngeren drückte eine Nervosität und Anspannung aus, die er glaubte, beinahe greifen zu können.

Als die Türe einrastete, entfernte er sich von der Wand und sicherte seine Waffe, bevor er ins Wohnzimmer ging und sie auf den Glastisch zu dem türkisen Kuvert legte.

Er hörte wie Yong Tae ihm folgte, da er dessen Schritte, trotz dass der Junge seine Schuhe im Eingangsbereich wie gewohnt ausgezogen hatte und nun auf dem weichen Teppich lief, hörte.

„Also, was willst du?“, fragte er wieder, während er sich zu dem Anderen umdrehte und diesen abwartend ansah.
 

Dass er den Jungen eingelassen hatte, konnte man als pure Freundlichkeit auslegen. Er hasste es, wenn sich andere Menschen in seiner Wohnung aufhielten, weshalb es ihn schon einiges an Überwindung kostete einen Klempner einzulassen, wenn einmal etwas kaputt war.

Zwar war es ihm nicht mehr so unangenehm wie am Anfang, dass Yong Tae sich in seiner Wohnung aufhielt, aber er hatte trotzdem eine Abneigung dagegen.

„Ich...“, fing der Junge an und begann im selben Moment wieder damit, seine Hände zu kneten und an der Haut seiner Finger herum zu zupfen, was ihn zu einem missbilligenden Laut verleitete.

Yong Tae zuckte aufgrund dieses Lauts zusammen und Azrael verengte seine Augen zu Schlitzen, bevor er einen Schritt auf den Jungen zumachte und sich dessen Hände schnappte, als dieser erschrocken einen Schritt zurück wich.

„Lass das.“, war das Einzige was er sagte und nickte in Richtung von Yong Tae's Händen, ehe er diese wieder los ließ und seine eigene Hand an dem Handtuch um seinen Hüften abwischte.
 

Der Junge schob die Hände in seine Hosentaschen und trat stattdessen nervös von einem Bein auf das andere, während er wieder durch die Gegend sah, und Azrael sich kurzzeitig fragte, ob er heute wohl noch den Grund für diesen unangekündigten Besuch erfahren würde, oder vermutlich doch erst im nächsten Leben.

Er wunderte sich sowieso, dass der Junge einfach bei ihm vor der Tür stand. Für gewöhnlich versuchte der Jüngere ihm so gut wie nur irgendwie möglich aus dem Weg zu gehen, was er insgeheim auch begrüßte, da er nun wirklich keinen Wert auf dessen Gesellschaft legte.

Normalerweise hatten sie nur miteinander zu tun, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ und er ihn mitnehmen musste, auch wenn er ihn am liebsten so lange in einem Hotel oder einem Tierheim abgeladen hätte, um ihn dann später wieder aufzusammeln. Eine Ausnahme war ihr Treffen im Einkaufspark gewesen.

Und genau deswegen erschien ihm dieser Besuch irgendwie seltsam.
 

„Ich kann nirgendwo hin.“

Azrael schreckte aus seinen Gedanken auf, als doch noch eine Antwort kam, und hob eine Augenbraue, da er diese Äußerung nicht nur für absurd, sondern auch für irgendwie lächerlich hielt.

„Ich kann nicht zu meinen Eltern, das hat Onkel mir untersagt, da ich sonst vermutlich nicht einmal lang genug lebe, um meine Eltern in die Arme zu schließen.“, kam es verängstigt, deprimiert und doch leicht angefressen über die Lippen des Jüngeren.

Natürlich wusste Azrael, dass das der Fall war, immerhin war er selbst dabei gewesen, als der Boss diese Regel aufgestellt und ihm den Auftrag erteilt hatte den Jungen zu töten, sollte er es doch versuchen.

„Ich will nicht mehr nach Hause.“

„Und da kommst du ausgerechnet zu mir?“, kam es spöttisch über seine Lippen, während er erneut eine Augenbraue hob.
 

Er verstand nicht warum der Junge nicht mehr in seine Wohnung zurück wollte, aber noch weniger verstand er, warum dieser ausgerechnet zu ihm kam, anstatt dass er zu irgendeinem seiner Freunde aus der Universität ging.

Yong Tae hatte eine natürliche Abneigung gegen ihn, wie sie wohl jeder gegen eine Person hatte, die damit beauftragt war, sie zu töten wenn sie nicht das tat, was man sagte.

Sein Blick wanderte zu den großen Fenstern, die auf die Straßenecke hinaus ging, deren eine Straße zum Clubviertel Seoul's führte, und er bemerkte, dass es bereits dämmerte.

Es war noch früh am Morgen und teilweise dunkel gewesen, als er wieder in Seoul angekommen war, aber inzwischen begann der Himmel sich bläulich zu färben und ein winziger Schimmer orange mit rot erschien am hinteren Ende des Horizonts, das den Sonnenaufgang ankündigte.

Unweigerlich fragte er sich, was Yong Tae um diese Uhrzeit schon auf den Beinen machte, da er um diese Zeit für gewöhnlich schlief.

Er selbst schlief meistens am Tag und war Nachts unterwegs, weswegen es für ihn die reinste Folter darstellte, den Jungen teilweise im Auge zu behalten, da er sich dadurch gezwungen sah, tagsüber wach zu bleiben.
 

„Ich war fast bis um vier Uhr morgens bei Ji Hiong zum lernen für die Prüfung nächste Woche.“, erklärte Yong Tae und Azrael konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn, anstatt auf das Panorama.

Kurz herrschte wieder Schweigen und der Junge nahm seine Hände aus den Taschen, um damit zu gestikulieren, ehe er doch wieder anfing, an der Haut an den Fingern zu zupfen.

„Azrael, da war jemand in meiner Wohnung!“, platzte es dann aus ihm heraus, ehe er wieder aufhörte, an seinen Fingern zu zupfen.

Noch bevor er fragen konnte, ob der Junge sich sicher war, holte dieser wieder Luft um weiter zu reden.

„Ich bin nach Hause gekommen und meine Türe stand einen Spalt offen, aber ich war mir sicher, dass ich sie abgeschlossen habe. Dann hab ich zwei Männer reden hören, dass ich nicht da wäre und ob sie nun warten sollten oder nicht.“

Eine Weile herrschte wieder Stille und Yong Tae blickte sich wieder nervös um, während er auf seiner Unterlippe kaute.

„Da hab ich Angst bekommen und bin abgehauen.“, beendete er seine Erzählung und sah schlussendlich auf den Boden.
 

„Wieso hast du mich nicht angerufen?“

Der Junge sah auf und ihn fragend an, während er die Stirn runzelte und wieder mit seinen Händen rang.

„Warum?“

Die Frage war so simpel wie dämlich, dass sie Azrael nicht im Geringsten überraschte, weshalb seine Mundwinkel zuckten und sich seine Lippen zu einem kalten Lächeln kräuselten.

„Damit ich sie mir vornehmen kann.“

Innerhalb eines Sekundenbruchteils wich Yong Tae sämtliche Farbe aus dem Gesicht, was Azrael bestätigte, dass er einmal wieder verdrängt hatte, mit wem er es zu tun hatte.
 

Yong Tae blieb stehen wo er war, als Azrael seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte und sich umdrehte, um wieder ins Bad zu gehen und sich anzuziehen.

Auf dem Weg dorthin entschied er sich doch dazu, in sein Schlafzimmer zu gehen, und schloss die Türe hinter sich, bevor er seinen Kleiderschrank aufriss und sich eine dunkelblaue Jeans, einen schwarzen Pullover sowie eine Lederjacke, Socken und eine Shorts heraus riss, da er zu faul war, Socken und Shorts aus dem Badezimmer zu holen.
 

Rasch schlüpfte er in die Klamotten und warf das Handtuch auf einen der Stühle in seinem Schlafzimmer, ehe er das Zimmer wieder verließ und das Badezimmer betrat, wo er sich seine Beinholster sowie die eine Waffe schnappte, bevor er wieder ins Wohnzimmer ging.

Yong Tae stand noch immer am selben Fleck wie zuvor und beobachtete ihn schweigend, während er die Holster an seinem Gürtel sowie den Oberschenkeln befestigte und die Waffen hinein schob.

Er schob seine Zigaretten in die Jackentasche und sah dann den Jungen an, bevor er an diesem vorbei ging und ein „Bleib hier.“, seine Lippen verließ.
 

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ ihn herumfahren und Yong Tae ansehen, der mitten in der Bewegung, den Arm noch ausgestreckt in der Luft, angehalten hatte, wohl aus Angst, dass er ihm irgendwelche Knochen oder das Genick brach.

Der Grund, warum der Junge mit seinen teils unüberlegten Handlungen noch intakt war, war der, dass sich Azrael trotz der kurzen Zeit an dessen Bewegungen, seine Schritte und die Atmung so weit gewöhnt hatte, dass er seine Instinkte unter Kontrolle hatte.

Die ausgestreckte Hand vor seinem Gesicht bewegte sich vorsichtig, und er folgte ihr mit seinen Augen, bis die Hand vorsichtig den Ärmel seiner Lederjacke fasste, ehe er wieder in das Gesicht des Jungen sah.
 

„Lass mich hier nicht alleine zurück!“

In Gedanken wägte er die Wahrscheinlichkeit ab, dass man dem Jungen gefolgt war und stufte diesen als gering ein, weshalb Yong Tae allein hier bleiben konnte.

Bei dem Blick in das Gesicht des Jungen, entschied er sich allerdings dafür nachzugeben, weshalb er einen missbilligen Laut von sich gab und die Hand von seiner Jacke wischte, ehe er sich umdrehte und hörte wie Yong Tae ihm folgte.
 

Den Weg von seiner Wohnung zur Wohnung des Jungen verbrachten sie schweigend, und Azrael parkte um die Ecke am Rand des Gehsteigs, ehe er den Motor abstellte und sich zu dem Jungen rüber lehnte, was diesen dazu brachte, sich anzuspannen.

Er warf einen Blick nach oben in dessen Gesicht und öffnete dann das Handschuhfach, aus dem er zwei Schalldämpfer nahm und sich wieder auf seinen Sitz zurück lehnte, bevor er die Waffen aus den Holstern zog und in routinierten Bewegungen die Schalldämpfer aufschraubte.
 

Yong Tae folgte ihm, als er ausstieg, und nachdem der Junge die Wagentür so leise wie möglich zugeschlagen hatte, verschloss er seinen Wagen und ließ den Schlüssel in seine hintere Hosentasche gleiten.

So leise wie möglich betraten sie das Wohnhaus und er deutete dem Jungen mit einer Handbewegung hinter ihm zu bleiben, während er gleichzeitig seine Waffen entsicherte und begann, die Treppen nach oben zu schleichen.

Das Wohnhaus war ein Altbau und zu seinem Leidwesen sehr hellhörig, weshalb er jede Stufe abtastete bevor er sein Gewicht darauf verlagerte, um ein eventuelles Ächzen und Knarren der Stufen zu vermeiden.
 

Azrael sah über seine Schulter nach hinten, als er Hände auf seinem Rücken spürte, die kurz darauf zu seinen Schultern nach oben glitten.

In dem Gesicht des Jüngeren spiegelten sich Anspannung, Panik und Angst, aber seltsamerweise auch ein Ausdruck, den er nicht zuordnen konnte, während der Junge zu ihm aufrückte und fast an seinem Rücken klebte, weshalb er das Gesicht verzog, sich jedoch jeglichen Laut verkniff.

Die Wärme an seinem Rücken lenkte ihn ab, weshalb er einmal tief durchatmete als Yong Tae ihn los ließ, als sie sich vor seiner Wohnung befanden.

Mit einer Handbewegung deutete er ihm, dass er dort auf der Treppe stehen bleiben sollte, ehe er die Wohnungstüre vorsichtig aufdrückte und sich in den Flur schob.
 

Der kleine Flur der Wohnung lag still und dunkel vor ihm und er drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand gegenüber der Garderobe, durch deren Spiegel er freien Blick auf das Schlafzimmer hatte, in dem sich eine Gestalt zu schaffen machte.

Fast lautlos glitt er in das Zimmer und näherte sich der Person, die dabei war, eine Schublade in der Kommode zu durchwühlen, in der sich offenbar Socken befanden, die sie ein Paar nach dem anderen heraus zog und achtlos zu Boden warf.

Vermutlich spürte der Mann noch nicht einmal etwas, außer vielleicht einen kurzen Ruck, als sein Genick brach.

Er fing den Mann auf und legte ihn vorsichtig und leise auf den Boden. Nicht, weil er Mitleid mit ihm hatte oder es ihm Leid tat, dass er ihn getötet hatte, sondern um jegliches Geräusch zu vermeiden und weitere Eindringlinge nicht über seinen Besuch zu informieren.
 

Während er wieder auf den Flur schielte, schalt er sich in Gedanken dafür, unbehelligt geduscht zu haben, anstatt über die Kameras nachzusehen, ob in der Wohnung des Jungen alles in Ordnung war.

Er betrachtete es schon als positive Fügung, dass sie erst heute hier aufgetaucht waren und nicht, während er sich noch auf Bali befunden hatte.

Sein Weg führte den Flur entlang, wo er kurz in die Küche spähte, die verwüstet, aber leer war, weshalb er sich dem Wohnzimmer zuwandte, in dem er die zweite Gestalt ausmachen konnte.
 

Es war sein Fehler, dass er auf die Scherben der Glasscheibe von der Wohnzimmertür trat und sich damit verriet, weshalb sich der Mann zu ihm umdrehte. Er hatte sich schon auf den Boden geworfen, bevor der Schuss ertönte und die Kugel über ihm vorbei schoss und irgendwo in der Wohnung landete.

Durch das Knallen des Schusses war, vermutete er, das ganze Haus aufgewacht, weshalb er die Sache schnell zu Ende bringen musste.

Er duckte sich hinter einen alten Sessel, durch den eine erneut abgefeuerte Kugel hindurch schoss und in den Wandschrank einschlug, dessen Holzsplitter durch die Luft flogen.

Eine Weile wartete er und lauschte der Stille, ehe er sich aufrichtete und in Richtung Wohnzimmertüre schoss, als er das Knirschen von Glas auf dem Fußboden hörte. Seine Trefferquote war gut, aber er brauchte noch einen zweiten Schuss, der den Mann diesmal nicht in die Schulter sondern zwischen die Augen traf, weshalb er durch die Öffnung der Wohnzimmertüre fiel und in den Zacken aus Glas hängen blieb.
 

Azrael schob seine Waffen in die Holster und ging zu ihm, ehe er sich in die Hocke begab und systematisch die Taschen des Mannes abtastete, um etwas zu finden, das ihm sagen konnte, für wen diese Männer gearbeitet hatten, oder im besten Falle, warum sie hier waren.

Seine Bewegungen wurden langsamer und seine Muskeln spannten sich an. Er hörte nichts, aber er spürte eine Präsenz, die ihn dazu veranlasste, in einem enormen Tempo sein Bein auszustrecken und noch in der Hocke herumzuwirbeln, während er im selben Moment seine Waffe zog und zielte, als ein dumpfer Laut zu hören war.

Der Mann war wie seine Kollegen ganz in schwarz gekleidet und hatte ein Jagdmesser in der Hand, bewegte sich ansonsten aber nicht. Stattdessen verdrehten sich seine Augen und er fiel vorne über, wo er genau vor Azrael's Füßen landete.

Contradictory Behavior

Azrael's Blick wanderte von dem Mann, der vor ihm am Boden lag, nach oben und folgte dem Lauf seiner Waffe, ehe er sie sinken ließ, und einen missbilligenden Laut von sich gab.

Im Türrahmen stand Yong Tae und hielt eine Pfanne in der Hand, während er erschrocken auf den Mann herab blickte, bevor sein Blick den von Azrael suchte, der sich aufrichtete und seine Waffe wieder einsteckte.

„Hab ich nicht gesagt, du sollst draußen warten?“
 

Der Junge ließ die Pfanne fallen, die scheppernd auf dem Boden aufschlug, während er zitternd ausatmete.

„Hab ich doch.“

Er sah, wie der Junge 'draußen wartete', schwieg jedoch weiterhin.

In der Stille, die zwischen ihnen herrschte, sah er sich im Wohnzimmer um, und stieg über den Mann hinweg, bevor er den Weg zur Kommode einschlug, die neben dem alten und etwas verschlissenen Sofa stand, und den Reisepass an sich nahm, der darauf lag.

„Ich dachte, du könntest Hilfe gebrauchen.“

Er bahnte sich seinen Weg zurück zu Yong Tae und schwieg immer noch. Er wusste, dass Schweigen die meisten Menschen dazu brachte, sich unwohl zu fühlen, oder einfach drauf los zu reden.

Im besten Falle beides, was ihm schon öfter die ein oder andere nützliche Information gebracht hatte.
 

Bei dem Jüngeren schien das auch nicht anders zu sein. Das schloss Azrael daraus, dass dieser unruhig von einem Bein auf das andere trat, ehe er auch schon begann zu reden.

Er erzählte, dass er Schritte im Treppenhaus gehört und sich im oberen Geschoss auf der Treppe versteckt hatte. Als er dann den dritten Mann die Wohnung betreten und ein Messer ziehen sah, habe er sich Sorgen gemacht und sei ihm gefolgt. Als er dann gesehen hatte, dass der Mann sich Azrael von hinten genähert habe, hatte er sich das Erstbeste von dem Chaos am Küchenboden gegriffen und damit zugeschlagen.
 

Er schwieg weiterhin nach dieser Erzählung, weshalb der Jüngere wieder anfing seine Hände zu kneten, und unruhig durch die Gegend zu blicken.

„Die einzige Sorge, die du dir wegen mir machen solltest ist, dass ich dich nicht töte.“, brach er nach ein paar weiteren Minuten das Schweigen und nickte in Richtung Schlafzimmer.

„Pack ein paar Sachen.“

Ohne eine Antwort des Jungen abzuwarten, setzte er sich wieder in Bewegung und kämmte systematisch jeden Raum in der Wohnung ab, und sammelte die Mikrokameras ein, die er dort verteilt hatte, ehe er sie in die Innentasche seiner Jacke schob.

Es war nicht unbedingt notwendig, die Kameras wieder einzusammeln, da er bezweifelte, dass die Polizei daraus einen Schluss ziehen konnte, aber er war noch nie ein Fan davon, Beweismittel zurückzulassen, die nichts eindeutiges mit ihm zu tun hatten.
 

Gerade als er die letzte Kamera, über der Haustüre, in die Innentasche seiner Jacke geschoben hatte, hörte er Schritte und hielt den Atem an, bevor er vorsichtig in den Hausflur spähte und sich dann zum Treppengeländer schlich, über das er hinunter blickte.

„Gott sei Dank sind sie da! Die Schüsse kamen von oben.“, hörte er eine Frau sagen, und erhaschte einen kurzen Blick auf uniformierte Gestalten, weshalb er sich in die Wohnung zurück zog und die Wohnungstüre leise anlehnte.
 

Als er sich umdrehte, stand Yong Tae, bepackt mit einer kleinen Reisetasche, vor ihm und gab einen erschrockenen Laut von sich, als Azrael ihn packte und vor sich her ins Badezimmer schob, wo er die Tür verriegelte.

Auf die Frage des Jungen, was los sei, gab er lediglich einen verstimmten Laut von sich, bevor er ein „Polizei!“, hinterher schob.

Yong Tae wich zum erneuten Male an diesem Tag sämtliche Farbe aus dem Gesicht, während er ihn einfach nur anstarrte, ehe die Aussage auch sein Sprachzentrum erreicht zu haben schien.

„Oh mein Gott! Wie soll ich drei Tote in meiner Wohnung erklären?“, stieß er panisch aus, während Azrael das Badezimmerfenster öffnete und nach unten spähte.

Ohne auch nur die Spur eines Menschen oder eines Tieres, lag die Seitenstraße ruhig und bewegungslos da.

„Zwei Tote. Und ich würde mir eher Sorgen darüber machen, wie du ihnen versicherst, dass du nicht 'Azrael' bist.“, kommentierte er die Sorgen des Jungen.

„Oh mein Gott! Warum bin ich überhaupt mitgekommen?“

Das fragte er sich bei genauerer Betrachtung auch, sagte jedoch nichts dazu, während er seine Beine aus dem Fenster schwang und auf die Plattform der Feuerleiter stieg.

Er musste nicht einmal etwas sagen, damit Yong Tae ihm folgte, was er in ihrer momentanen Situation als Pluspunkt wertete.
 

Natürlich hätte er auch einfach in der Wohnung bleiben und ihre 'Besucher' ausschalten können. Im Anbetracht der Tatsache jedoch, dass der Junge dabei war, hielt er seine Chancen, sich frei zu bewegen jedoch für äußerst gering.

Er hatte schon immer die absurdesten Möglichkeiten mit einberechnet, und im Moment erschien es ihm als äußerst wahrscheinlich, dass eventuell noch einige Nachbarn aus reiner Neugierde in der Wohnung auftauchen könnten. Und das wiederum verstieß gegen den Grundsatz, keine Unschuldigen zu töten, wenn er diese Leute ebenfalls aus dem Weg räumen musste. So gesehen blieb ihm nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten.
 

So leise wie möglich schlichen sie die Feuerleiter nach unten und blieben stehen, als diese zu Ende war, obwohl es noch gute sechs Meter in die Tiefe zum Gehweg ging.

„Und jetzt?“

Ohne zu antworten setzte er an, und sprang, wo er auf den Füßen auf dem Gehweg landete und sich mit den Händen auf dem dreckigen Asphalt abstützte, ehe er aufstand, seine Hände an seiner Jeans abwischte und dann nach oben sah.

„Spring.“
 

Eine Weile geschah nichts. Eine Weile, in der Yong Tae ihn anstarrte, ehe er ihm den Vogel zeigte.

„Im Gegensatz zu dir bin ich ein Mensch und keiner der 'Fantastic 4'!“

Azrael wusste nicht wovon der Junge sprach, aber er vermutete, dass dieses 'Fantastic 4' etwas mit Superhelden zu tun hatte, so wie so ziemlich alles Andere, das der Junge las oder sich ansah, was ihn zu dem Schluss kommen ließ, dass der Jüngere ihn als eine Art Superheld darstellte, oder eben das Gegenteil davon.

Er selbst war sich nur zu gut bewusst, dass er ebenso verletzlich und sterblich war wie jeder andere Mensch. Er wusste es einfach nur gut zu umgehen, auch wenn er wusste, dass das nicht immer funktionieren würde.

Ein Murren verließ seine Lippen, während er seine Waffe zog und auf den Jungen zielte, während er diese entsicherte.

„Spring oder stirb.“
 

Das Entsetzen und die Angst in Yong Tae's Gesicht ließen ihn kalt, während er immer noch auf dessen Kopf zielte.

Als der Junge sich auch nach fast einer Minute nicht bewegte, sondern ihn nur ansah wie das Kaninchen die Schlange, schnaubte er kurz und bewegte seine Hand leicht während er den Abzug betätigte.

Die Kugel flog knapp am Kopf des Jungen vorbei, und dieser verlor den Halt und stürzte samt seiner Reisetasche nach unten, wo kurz ein Knacken zu vernehmen war, ehe er sich die Schulter hielt.

Azrael's Blick wanderte nach oben und er schätzte kurz die Zeitspanne ein, in der den Polizisten klar werden würde, dass sie über die Feuerleiter entkommen waren. Seinen Berechnungen zufolge hatte er keine Zeit den Wagen zu holen und den Jungen aufzugabeln, weshalb er die paar Meter überwand und sich die Reisetasche sowie den Kragen des Jüngeren packte, und diesen auf die Beine zog.
 

Er vermutete, dass Yong Tae das Gesicht vor Schmerz verzog, da er sich immer noch die linke Schulter hielt, knallte ihm aber trotzdem die Reisetasche entgegen, ehe er sich zum gehen umwandte.

Als er hinter sich die Schritte des Jüngeren hörte, die ihm folgten, entspannte er sich etwas und blieb an der Häuserecke stehen, wo er um die Ecke spähte und missbilligend das Gesicht verzog.

Vor der Eingangstür des Wohnhauses parkten fünf Streifenwagen, und fast genauso viele Polizisten drückten sich auf dem Gehsteig herum, was ihn dazu veranlasste, sich wieder zurück zu ziehen.

„Und jetzt?“, kam es gepresst von Yong Tae, und er sah diesen kurz aus dem Augenwinkel an.
 

Er lehnte sich an die Wand, während er seine Waffen zog und überlegte.

Yong Tae hier zurückzulassen, wäre eine schlechte Idee, da dieser sein Gesicht kannte und bestimmt jede Möglichkeit nutzen würde, um aus den Fängen der Organisation zu entfliehen.

Die Polizisten auszuschalten wäre eine Möglichkeit, aber auf der anderen Seite war die Straße gut beleuchtet und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sein Gesicht sehen könnte, ziemlich hoch. Zumal er dann immer noch den Jungen im Schlepptau hätte, und den würde man auf jeden Fall erkennen.

Er machte sich keine Sorgen darüber, dass man den Jungen und ihn verfolgen oder aufspüren konnte, aber darüber, dass man bestimmt zuerst seine Eltern in Augenschein nahm, was nichts anderes bedeuten würde, als dass die Organisation trotzdem in Schwierigkeiten wäre.

„Oh nein! Du willst doch nicht...“, fing der Junge an, weshalb er ihm einen Blick zuwarf, der ihn verstummen ließ.
 

Azrael stieß sich von der Wand ab und ging in die Richtung, aus der sie gekommen waren. An der entgegengesetzten Häuserecke blieb er stehen und lugte ebenfalls um die Ecke, bevor ein kühles Lächeln seine Lippen in Beschlag nahm.

Der Hof des Mehrmietshauses lag verlassen da, und lediglich ein paar Kleiderstücke und Laken an Wäscheleinen flatterten leicht, weshalb er sich um die Ecke schob und registrierte, dass Yong Tae ihm folgte.

Seine Bewegungen waren schnell und präzise, als er sich durch die Laken schob und der Junge ihn schon bald aus den Augen verloren hatte.

„Wo bist du?“, hörte er den Jüngeren zischen und seine Mundwinkel zuckten amüsiert, als er sich an den Laken vorbei zur Hauswand bewegte und dort stehen blieb.

„Halt! Wer da?“
 

Yong Tae blieb wie erstarrt stehen, die Reisetasche an die Brust gepresst, während sein Kopf sich langsam drehte und er den uniformierten Polizisten anstarrte, der eine Taschenlampe sowie eine Waffe auf ihn gerichtet hatte.

Er schob seine rechte Waffe zurück in das Holster und setzte sich in Bewegung.

Die Augen des Jungen weiteten sich, als er ihn über der Schulter des Polizisten entdeckte und sein Mund öffnete sich, ehe er ein „Vorsicht!“, ausstieß.

Es kam zu spät. Noch bevor der Polizist sich umdrehen konnte, packte Azrael seinen Hals und drehte sich, wobei er den Kopf des Polizisten über seine Schulter zog und mit einem Ruck nach unten, ehe das geräuschvolle Knacken des Genicks ertönte und er den Mann los ließ, bevor er dem Jungen einen Blick schenkte und zufrieden dessen Zittern registrierte.
 

Ihm war klar, dass der Junge nicht ihn, sondern den Polizisten warnen wollte, was ihn einerseits belustigte und ihm auf der anderen Seite den naiven Charakter von Yong Tae bestätigte.

Er antwortete nicht auf die unausgesprochene Frage, die in den Augen des Jungen stand, und ihn fragte warum er den Mann getötet hatte, anstatt ihn zu umgehen.

Wenn Yong Tae dachte, es würde ihn oder Andere retten, wenn er sie vor ihm warnte, irrte er sich.

Der Jüngere senkte den Blick und drückte die Reisetasche noch fester an sich, ehe er ihm zögerlich folgte, nachdem er sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und mit sicheren Schritten den Hinterhof überquerte.
 

Auf der anderen Seite sah Azrael um die Ecke und war zufrieden, als er niemanden auf der Seitenstraße ausmachen konnte, weshalb er sich auf den Gehweg schob und auch seine linke Waffe zurück in ihr Holster steckte, ehe er die Autoschlüssel aus der hinteren Hosentasche fischte und den Wagen öffnete.

„Glaubst du nicht, dass der dritte Typ dein Gesicht beschreiben kann?“, kam die zögerliche Frage, nachdem Yong Tae sich auf den Beifahrersitz gesetzt und sich angeschnallt hatte.

„Doch.“, antwortete er wahrheitsgemäß, allerdings machte er sich darüber keine Sorgen.
 

Sein Arm wanderte nach hinten und er fischte ein kleines Netbook aus dem Fußraum der hinteren Sitze hervor, das er aufklappte und darauf wartete, dass es sich hoch fuhr, während er sich eine Zigarette ansteckte und sich entspannt im Sitz zurück lehnte.

„Und wenn er ein Phantombild von dir anfertigt? Man wird dich überall erkennen!“

Azrael wusste nicht wirklich, was er von dem Jüngeren und dessen Verhalten denken sollte. Normalerweise war er gut darin, Menschen einzuschätzen und ihre Handlungen vorherzusagen, aber bei Yong Tae war er sich nicht immer sicher.

Der Junge hatte offensichtlich Angst vor ihm und wollte ihm und der Organisation entfliehen, genauso wie er versucht hatte, den Polizisten vor dem nahenden Unglück zu warnen. Auf der anderen Seite lief er zu ihm, wenn er Angst hatte und machte sich offensichtlich Sorgen darüber, dass sein Gesicht bekannt wurde.

Für ihn passten beide Verhaltensmuster nicht zusammen und er verstand nicht, wie ein Mensch zu solchen gegensätzlichen Handlungen fähig war.
 

Nachdem das Netbook hochgefahren war, startete er den Motor und schaltete die Scheinwerfer ein, ehe er das Gaspedal betätigte und an der Einmündung zur Hauptstraße stehen blieb und den Blinker setzte.

Einige Autos fuhren vorbei und es hatte für Beobachter vermutlich den Anschein, als würde er warten, bis diese vorbei gefahren waren, damit er sich auf die Straße schlängeln konnte, aber in Wahrheit zählte er die Leute auf dem Gehsteig vor dem Wohnhaus.

„Alle da.“, sagte er eher zu sich selbst als zu seinem Mitfahrer und bog auf die Hauptstraße ab, bevor er auf seinem Netbook die Entertaste drückte.
 

Ein lauter Knall ertönte, gefolgt von herumfliegenden Mauerstückchen, Fensterrahmen und Glassplittern, die auf die Straße regneten.

Der Junge drehte sich erschrocken um, und Azrael blickte in den Rückspiegel, wo er hohe Flammen aus Yong Tae's Wohnung in den Himmel recken sah, ehe er seinen Blick zufrieden auf die Straße lenkte und das Netbook zuklappte.

Der Junge drehte sich ruckartig um und starrte ebenfalls auf die Straße, bevor er sich genauso ruckartig zu ihm drehte.

„Du hast meine Wohnung in die Luft gejagt!“

Es war eher eine Feststellung als eine Frage oder eine Unterstellung, was Azrael dazu veranlasste, mit den Schultern zu zucken und an seiner Zigarette zu ziehen.

„Ich bezweifle, dass mein Gesicht demnächst bekannt wird.“, kommentierte er emotionslos, während er an der nächsten Kreuzung auf die größte Hauptstraße von Seoul abbog und die Anlage anschaltete, aus der die Band '3OH!3' ertönte.
 

Sein Auge zuckte gefährlich, als Yong Tae nach dem Lautstärkeregler griff und die Musik leiser drehte.

„Und die Nachbarn?“

„Waren alle unten.“

„Sicher?!“

„Hab sie abgezählt!“

Kurz herrschte bis auf die leise Musik Stille im Wagen, ehe sich der Junge räusperte und sich über die Stirn rieb.

„Du...“, fing der Junge an, bevor er einen Fluch ausstieß, dessen Inhalt Azrael ihm nicht zugetraut hätte, einfach weil der Junge nicht der Typ für Fäkalsprache war. Aber man konnte sich immer einmal irren.

„Wie lang bespannst du mich schon?“
 

Und wieder war einer der Momente gekommen, in denen Yong Tae vergaß, mit wem er sprach, oder aber es geschickt verdrängte.

Hatte er vorhin noch vor Angst gezittert, nachdem er dem Polizisten das Genick gebrochen hatte, so redete er nun mit ihm, als wäre er einer seiner Kommilitonen.

Er selbst würde es nicht unbedingt 'bespannen' nennen, was er tat, sondern viel eher gründliche Recherche. Zwar hatte er die Wohnung des Jungen mit Kameras ausgestattet gehabt, aber das diente lediglich dazu, unerwünschte Besucher frühzeitig zu erkennen, als irgendwelche schmutzigen Details herauszufinden.

Die Frage mit dem Klopapier war allerdings immer noch nicht geklärt, und auch wenn es ihn nun wirklich nichts anging und von Klopapier vermutlich keine große Gefahr für die Organisation ausging, fragte er sich doch, warum man soviel davon brauchen könnte.

Zuerst hatte er angenommen, dass es etwas mit Yong Tae's Obsession zu diesen japanischen Sängern zu tun haben könnte, allerdings hatte er diesen Gedanken ziemlich schnell verworfen, da weder neben dem Bett noch im Wohnzimmer Klopapier aufgetaucht war.

„Ich hab schon besseres gesehen, als ein Muttermal auf dem Arsch von irgendwem.“, kommentierte er trocken und verzog das Gesicht, als Yong Tae mal wieder in einer Tonlage quietschte, die für Frauen reserviert war.
 

Geschickt blendete Azrael den Redeschwall mit ab und an hineingeworfenen Fragen aus, die von Yong Tae's Seite auf ihn einprasselten und manövrierte den Wagen durch den nächtlichen Verkehr im Partyviertel Seouls.

So sehr er die Gegend und seine Wohnung auch mochte, nachts durfte man es hier wirklich nicht eilig haben, um von A nach B zu kommen, so oft wie man im Stau steckte, weil wieder irgendein Betrunkener auf der Straße eingeschlafen war.

„Hörst du mir eigentlich zu?“, kam es vom Beifahrersitz und er antwortete mit einer trockenen Verneinung, ehe er den Wagen in die Tiefgarage lenkte, als sie endlich sein Wohnhaus erreicht hatten.
 

Nachdem er den Wagen abgestellt hatte und sie ausgestiegen waren, schien Yong Tae mit einem Blick auf die Waffen auch wieder einzufallen, mit wem er es zu tun hatte, und er wurde wieder ruhig, während er ihm so unauffällig wie möglich folgte.
 

In der Wohnung angekommen, zog Azrael seine Lederjacke aus und warf sie achtlos auf das Sofa, bevor er den Weg zu seinem Schlafzimmer einschlug.

„Und...jetzt?“

„Schlaf!“, kam es leicht genervt über seine Lippen, bevor er sein Schlafzimmer erreichte und die Tür hinter sich zuknallte.

Es war nicht so, als ob er wirklich von Yong Tae genervt gewesen wäre, aber er litt seit geraumer Zeit, in der er den Jungen im Auge behielt, unter einem Schlafdefizit, dass selbst für seine Umstände außergewöhnlich war.

Mit fahrigen Bewegungen zog er die Waffen aus den Holstern und warf sie auf die freie Bettseite, bevor die Holster auf dem Stuhl neben dem Kleiderschrank landeten.

Nachdem er sich aus seiner Kleidung geschält und in Jogginghose und ein weites Shirt geschlüpft war, ließ er sich in sein Bett gleiten und schaltete das Licht aus.
 

Nach ein paar Minuten setzte er sich wieder ruckartig auf und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, während er leise vor sich hin fluchte und die Beine über den Bettrand schwang, ehe er aufstand.

Er öffnete die Türe und glitt auf den Flur, wo er sich geräuschlos in Richtung Wohnzimmer begab.

Es war nicht seine Absicht, sich geräuschlos zu bewegen, sondern eher eine Gewohnheit durch jahrelanges und hartes Training, die sich nur umgehen ließ, wenn er sich darauf konzentrierte.

In der Öffnung vom Flur zum Wohnzimmer blieb er stehen und hob eine Augenbraue, während er Yong Tae betrachtete, der in Embryostellung, ohne Kissen und Decke auf dem kalten Ledersofa lag und vor sich hin zitterte.

Es war nicht kalt, weder draußen noch in der Wohnung, aber wenn man sich nicht bewegte, war das natürlich etwas anderes.
 

Wieder setzte er sich in Bewegung und blieb vor dem Sofa stehen, ehe er ein „Hey!“, von sich gab und die Zähne aufeinander biss, als Yong Tae mit einem Schrei hoch fuhr und ihn durch die Dunkelheit anstarrte, oder es vermutlich eher versuchte.

„Willst du mich umbringen?“, japste der Junge und Azrael beschloss, auf diese Frage nicht zu antworten.

„Dein Zähneklappern nervt.“

Der Junge murmelte eine Entschuldigung, während Azrael sich wieder umdrehte und in Richtung Schlafzimmer ging. Im Flur drehte er sich wieder zu dem Jungen um, der immer noch auf dem Sofa saß und die Arme um sich geschlungen hatte, was ihn zu einem leicht genervten „Komm in die Gänge!“, animierte.
 

Durch seinen Job war er es gewohnt, im Dunkeln umher zu schleichen, weshalb sich seine Augen an die ständige Dunkelheit gewöhnt hatten und er eine gute Nachtsicht besaß, was es ihm ermöglichte einen Blick auf Yong Tae's dämlichen Gesichtsausdruck zu werfen, was er mit einem Augenrollen kommentierte.

Obwohl der Junge offensichtlich verwirrt war, stand er auf und folgte ihm, wobei er zuerst mit dem Knie gegen den Couchtisch stieß und dann mit der Hüfte gegen den Fernsehschrank lief, was ihn zu leisem Jammern veranlasste.

Azrael sagte nichts dazu und ging stattdessen wieder in sein Schlafzimmer, wo er sich wieder ins Bett legte und sich die Decke bis zum Kinn nach oben zog.

Er hörte Schritte, aber diese hätte er nicht hören müssen, denn das Geräusch, als Yong Tae sich seinen Fuß am Türrahmen stieß, war Warnung genug.

„Tür zu!“

Der Junge folgte brav dem Befehl und blieb dann unschlüssig stehen, weshalb Azrael seine Augen wieder öffnete und das Nachttischlicht anschaltete, da er vermutete, dass der Junge absolut nicht sah, wo er hin lief.
 

Yong Tae blinzelte kurz aufgrund der plötzlichen Helligkeit und sah sich dann mit großen Augen in dem Raum um, der wie der Rest der Wohnung absolut in weiß gehalten war.

Neben der Tür stand eine weiße Kommode, deren Oberfläche absolut leer war. An der daneben liegenden Wand stand zuerst der Nachttisch und dann das große weiße Doppelbett, auf dessen anderer Seite sich ebenfalls ein Nachttisch mit der gleichen Lampe befand, deren Lampenschirm mit Kristallen verziert war, die im Licht funkelten und Lichtpunkte an die Wände und die Decke warfen.

An der nächsten Wand befand sich das Fenster, das fast die ganze Wand einnahm und der Stuhl, über dem die Holster und Azrael's Kleidungsstücke lagen.

Die letzte Wand war vollkommen von einem riesigen und ebenfalls weißen Kleiderschrank eingenommen und der Boden war mit einem weichen Teppich in derselben Farbe ausgestattet.
 

Er wartete ruhig, bis der Junge mit dem Bestaunen seines Schlafzimmers fertig war und ihn ansah, weshalb er auf die andere Bettseite deutete, die noch nie benutzt worden war.

„Wenn du dich breit machst, lernst du mich kennen.“

Man konnte das als Drohung auslegen, oder aber als Einladung, dass der Junge sich endlich ins Bett bewegen sollte. Dieser schien sich für die zweite Möglichkeit zu entscheiden und schlüpfte vorsichtig unter die Decke.

„Ich kann auch...im Gästezimmer schlafen.“, kam der leise Einwand und Azrael gab ein rigoroses „Nein!“, von sich.

Natürlich konnte Yong Tae im Gästezimmer schlafen, und dort würde er ihn auch hin verfrachten, aber zuerst musste das Zimmer einmal begehbar sein.

Im Moment häuften sich dort die Akten seiner abgeschlossenen Fälle, die er noch nicht zu seinem Boss gebracht hatte, diverse Kartons mit Waffen, Überwachungsgeräten und ein paar Sprengstoffen, Weihnachtsgeschenke die er vom Boss bekommen hatte und was sich sonst noch so in einem Gästezimmer anhäufte, das nie benutzt wurde.
 

Nachdem Yong Tae lag, schaltete er das Licht wieder aus.

Gerade als er in eine bequeme Position gerückt war, räusperte sich der Junge.

„Ich lieg auf irgendwas Hartem.“

Azrael brummte und schaltete das Licht wieder ein, ehe er sich zu dem Jüngeren umdrehte und seine Waffen unter ihm hervorzog, nachdem dieser sich leicht aufgerichtet hatte.

„Du nimmst die Dinger mit ins Bett?!“.

Er sah den Jungen trocken an, nachdem er die Waffen unter sein Kopfkissen geschoben hatte, und hob schlussendlich eine Augenbraue.

„Du nimmst immer noch Mr. Bär mit ins Bett.“, konterte er ebenso trocken wegen der Tatsache, dass er sehr wohl wusste das Yong Tae ohne seinen Kuschelbären nicht einschlafen konnte, und amüsierte sich heimlich über die Röte, die Yong Tae ins Gesicht schoss, ehe er das Licht wieder löschte.
 

Er spürte wie Yong Tae sich noch etwas bewegte, um offenbar eine bequeme Schlafposition zu finden, ehe dieser still liegen blieb und anscheinend auch schnell eingeschlafen war, da er dessen ruhigen Atem hören konnte, bevor er ebenfalls einschlief.

Mission Two: Start!

Er stand auf seiner Terrasse und nippte an seinem Kaffee, während er in der anderen Hand eine brennende Zigarette hielt und über die Nachbarschaft blickte.

Zwar gehörte er nicht zu der Sorte Mensch, die morgens gerne im Freien standen und durch die Gegend blickten, aber heute hatte er einfach Lust darauf gehabt.
 

Der Morgen, der eigentlich eher ein Mittag war, hatte skurril begonnen.

Zumindest hatte er für seine Verhältnisse skurril begonnen, während er für andere Menschen vermutlich absolut normal gewesen wäre.

Als er aufgewacht war, hatte Yong Tae seine Stirn an die Stelle zwischen Azrael's Schulterblättern gelehnt und klebte auch ansonsten an seiner Rückseite, was ihn das Gesicht hatte verziehen lassen.

Natürlich war nichts schlimmes daran, aber er war an so eine penetrante Nähe einfach nicht gewöhnt, weshalb er sich langsam und so leise wie nur irgendwie möglich aus dem Bett geschoben und das Schlafzimmer verlassen hatte.
 

Das Ganze war nun zwei Stunden her, in der er ziellos durch seine Wohnung gewandert war und sich immer wieder Kaffee nachgeschenkt hatte. Inzwischen war er bei der fünften Tasse angekommen.

Er war ruhig, äußerlich sowie innerlich. Ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr hatte, und das fast vergessen war.

Azrael vermutete, dass er das letzte Mal so ruhig und entspannt gewesen war, bevor sein Training zum Auftragsmörder begonnen hatte.

Woher diese Ruhe und diese Entspannung kam, konnte er allerdings nicht zuordnen. Er war aufgewacht und es war einfach so.

Und genau das war der Grund, warum er über die Nachbarschaft blickte und den Jüngeren nicht aus dem Bett trat, damit dieser endlich aufstand.
 

Er wusste, dass er nach dem Vorfall gestern dem Boss Bericht erstatten musste, aber irgendetwas hielt ihn davon ab, es sofort zu tun, obwohl das sonst nicht seine Art war.

Es gab für ihn nichts wichtigeres als seinen Job. Keine sozialen Kontakte, keine Hobbys, keine Familie, keine nennenswerten Gefühle.

Und er mochte es so, wie es war.

Azrael hatte schon früh gelernt, dass Liebe zerstören hieß, und im Endeffekt nichts Nennenswertes brachte.
 

Eine Weile noch blieb er auf der Terrasse stehen und trank den Rest von seinem Kaffee, bevor er wieder in die Wohnung ging, die Zigarette im Aschenbecher ausdrückte und den Weg ins Schlafzimmer einschlug.

Leise öffnete er die Tür und seine linke Augenbraue zuckte leicht in die Höhe, als er Yong Tae noch immer schlafend vorfand.

Der einzige Unterschied zu vor ein paar Stunden war, dass der Junge inzwischen das ganze Bett einnahm und alle Viere von sich gestreckt hatte.
 

Mit einem Schnauben öffnete Azrael seine Kommode und holte sich neue Shorts und ein paar Socken heraus, ehe er das Schlafzimmer wieder verließ und das Badezimmer ansteuerte.

Er legte seine Schlafkleidung auf die Waschmaschine und stieg unter die Dusche, wobei er wie immer einen Blick in den Spiegel zu vermeiden versuchte.

Nachdem er fertig war, trocknete er sich ab und schlüpfte in Shorts sowie in die Socken und ging zurück in sein Schlafzimmer, wo er den Kleiderschrank aufriss und einen kritischen Blick hinein warf.

Nach kurzem Zögern entschied er sich für eine hellblaue, verwaschene und zerrissene Baggy sowie ein weißes und eng anliegendes Shirt.

Kaum dass er in die Hose geschlüpft war und im Begriff war diese zu schließen, hörte er hinter sich ein Rascheln und sah über seine Schulter zu Yong Tae, der sich im Bett aufgesetzt hatte und ihn verschlafen ansah.

Kurz darauf schien der Junge sich zu erinnern wo er sich befand, da er blinzelte und anfing den Mund auf und zuzuklappen, ohne das Worte diesen verließen.
 

Nachdem er seine Hose geschlossen hatte, zog er sich das Shirt über den Kopf und drehte sich dann endgültig zu dem Jüngeren um.

„Steh endlich auf!“, warf er diesem in seinem gewohnten, unterkühlten Ton entgegen und verließ das Schlafzimmer wieder, um ins Wohnzimmer zu gehen und seine Tasse zu holen, bevor er in die Küche ging, um sich noch einen Kaffee zu gönnen.
 

Er hörte Schritte im Flur und kurz darauf die Badezimmertüre, während er Zucker in seinen Kaffee gab und umrührte.

Gerade als er ins Wohnzimmer zurück gehen wollte, blieb er stehen und sah über seine Schulter zum Küchenschrank, ehe er genervt die Luft ausstieß und wieder umdrehte.

Er holte eine zweite Tasse aus dem Schrank und goss Kaffee hinein, bevor er Zucker hinein gab und ebenfalls umrührte, ehe er dann schlussendlich doch ins Wohnzimmer zurückkehrte und sich auf das Sofa fallen ließ, nachdem er die Tassen auf dem Tisch abgestellt hatte.
 

Nach ungefähr fünf Minuten betrat Yong Tae das Wohnzimmer und ließ sich zögerlich und unbehaglich auf einen der weißen Ledersessel, ein Stück weit weg von Azrael, fallen.

Azrael deutete auf die zweite Kaffeetasse.

„Milch ist schlecht.“, kommentierte er, da er wusste, dass der Junge seinen Kaffee wenn überhaupt nur mit Milch trank, was diesen zum nicken brachte, und er entgegen Azrael's Erwartungen doch an seinem Kaffee nippte.
 

Während sich der Jüngere im Wohnzimmer umsah, obwohl er dieses mittlerweile schon kennen müsste, beobachtete Azrael ihn und stellte fest, dass der Junge sich tatsächlich andere Kleidung angezogen hatte.

Der Junge wirkte unausgeschlafen, angespannt und er konnte das Unwohlsein, das von dem Anderen ausging förmlich spüren.

Vermutlich war es auch nicht der Lebenstraum des Jüngeren gewesen, dass Attentäter in seine Wohnung eindrangen, diese in die Luft flog und er ausgerechnet bei ihm in der Wohnung gelandet war.

Auf absurde Weise konnte Azrael das sogar verstehen, denn er war auch nicht scharf darauf, den Jungen hier zu haben. Um genau zu sein, wollte er niemanden hier haben, weshalb es vermutlich an der Zeit war zum Boss zu fahren und diesem Bericht zu erstatten, in der Hoffnung dass dieser den Jungen irgendwo unterbrachte, wo er ihm nicht auf die Nerven fallen würde, auch wenn er ihn weiterhin im Auge behalten musste.
 


 

Sie saßen seit einer halben Stunde in seinem Wagen und fuhren die Straßen entlang zur Villa vom Boss. Seit er Yong Tae, auf dessen Frage wohin sie fuhren, mitgeteilt hatte, dass er den Boss davon unterrichten musste was gestern passiert war, rutschte der Junge auf seinem Sitz herum und strahlte ein Unwohlsein aus, das an Intensität nicht zu übertreffen war.

Er blickte aus dem Augenwinkel zu Yong Tae, der angespannt aus dem Fenster sah, und biss sich auf die Lippe. Aus irgendeinem Grund hatte er das Bedürfnis irgendetwas aufbauendes zu sagen, aber weder war er der Typ dafür, noch hatte er Erfahrung damit, weshalb er einfach schwieg.
 

Die Anspannung des Jüngeren nahm zu, als sie das schmiedeeiserne Tor passiert hatten und ausgestiegen waren.

Azrael ging in gemäßigtem Tempo die Gänge der Villa entlang und ignorierte die Angestellten, die sich sofort in Büros oder andere Räume und Gänge verzogen, als sie ihn sahen.

Er scherte sich nicht darum, dass sie ihm aus dem Weg gingen, da er so seine Ruhe hatte und sich ungehindert bewegen konnte ohne dass ihm jemand auf die Nerven fiel.

Allerdings war er inzwischen angespannt und auch das Gewicht seiner Waffen, die er an seinem Gürtel trug, brachte ihn nicht dazu seine Anspannung loszulassen.

Die Ursache seiner Anspannung war die Unruhe die Yong Tae ausstrahlte, und die ihm kalt über den Rücken lief und sich dort festkrallte.
 

Sie bogen um eine Ecke in den nächsten Flur, an dessen Ende das Büro vom Boss lag, und Azrael stieß die Luft aus und blieb stehen, bevor er über seine Schulter zu dem Jüngeren sah.

Dieser sah ihn mit einer Mischung aus Anspannung, Unruhe und Angst an, während er unruhig an dem Saum seines Shirts zupfte, weshalb er mit der Zunge schnalzte und der Junge zusammenzuckte.

Dass Yong Tae kein Angsthase war, sondern ein normaler Junge der zur Uni ging und sich vor normalen Dingen fürchtete wie Apokalypse, Atomwaffen, Auftragsmördern und sonstigem Kram vor dem man als normaler Mensch eben Angst hatte, war verständlich.

Dass er jetzt so ein Nervenbündel war, war unerträglich.

So unerträglich, dass Azrael in einer Kurzschlussreaktion, zu denen er normalerweise nicht neigte, nach seiner Hand griff und diese festhielt, ehe er sich wieder in Bewegung setzte.

Kurz darauf spürte er wie sich die Finger der Hand, die er hielt, um seine schlossen und sie kurz drückten, jedoch sagte er nichts dazu.
 

Vor der Bürotür angekommen, wirbelte ihnen Frau Kang beladen mit einem Stapel Akten entgegen, die sie achtlos auf ihren Schreibtisch neben der Tür warf, und strahlte ihn an.

„Auch schon wieder da?“

„Klar Blümchen.“, erwiderte Azrael in demselben neckischen Tonfall und hob eine Augenbraue, als die Sekretärin ihm ein breites, verschmitztes Lächeln schenkte, ehe sie mit einem Nicken leicht nach unten deutete.

Azrael folgte ihrem Blick und seine Augen blieben an seiner Hand hängen, die noch immer die des Jungen hielt, weshalb er sie losließ und stattdessen in der Hosentasche vergrub.

„Ja, ja.“, kam es von der Sekretärin und er rollte mit den Augen, bevor er wieder mit der Zunge schnalzte.

„Ich will es gar nicht wissen. Behalt deine Fantasien bitte für dich.“, murrte er vor sich hin, was die ältere Dame zum Lachen brachte, ehe sie mit den Augenbrauen wackelte.

Frau Kang war die einzige Frau die er kannte, bei der dieses Mimikspiel tatsächlich zweideutig wirkte, weshalb er das Gesicht verzog und anstatt noch etwas zu sagen ohne zu Klopfen die Tür aufstieß.
 

Yong Tae klebte fast an seinem Rücken als sie das Büro betraten, und er deutete ihm nah bei ihm zu bleiben, als er die Tür hinter ihnen schloss und nach vorne zum Schreibtisch ging.

Der Boss nickte ihm zu, und er berichtete kurz und knapp was am Tag zuvor geschehen war.

Obwohl er dem Boss gegenüber wirklich loyal war, ließ er die Teile, in denen Yong Tae zu ihm gekommen war und dass er einen der Typen k.o geschlagen hatte, aus.

Warum er das tat, konnte er allerdings selbst nicht genau sagen.

Es war ein Instinkt der ihm riet diese Teile auszulassen, genauso wie nicht zu erwähnen, dass er Kameras in der Wohnung des Jungen angebracht hatte.
 

Als er geendet hatte, nickte der Boss und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
 

Eine Weile herrschte Stille. Eine Stille, die Yong Tae dazu verleitete unruhig von einem Bein auf das Andere zu treten, während Azrael ruhig wie eine Statue dastand und nichts tat, außer sich eine Zigarette anzuzünden und deren Rauch in die Luft zu blasen.

Sein Blick wanderte zu seinem Boss, als dieser in die Hände klatschte und ihn beinahe amüsiert ansah.

„Das ist unerwartet. Finde raus, zu wem diese Lakaien gehörten und erledige das.“

Azrael nickte.

„Ich erwarte, dass du meinen Neffen so lange am Leben hältst, bis ich mein Geld wieder habe, und danach sehen wir weiter.“

Wieder nickte er, wobei er nebenbei an seiner Zigarette zog und den Rauch in die Luft blies.
 

Kurz kehrte wieder Stille in dem Raum ein, bevor der Boss wieder in die Hände klatschte.

„Jetzt wo das Geschäftliche besprochen ist: Du kommst doch zur jährlichen Sommerfeier?“

Azrael schwieg, und erinnerte sich mit einem gewissen Grauen daran, was letztes Jahr auf der Sommerfeier vorgefallen war.
 

Am Anfang lief die Sommerfeier sehr entspannt und friedlich. Zumindest so lange, bis einer der Japaner zu tief ins Glas geschaut und einen Russen beleidigt hatte, der das seinerseits nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Nicht nur, dass das Ganze in einer Art Massenschießerei ausartete, nein, es wurde auch noch bekannt, dass die Tochter des Bosses schwanger war. Von einem chinesischen Auftragskiller der untersten Klasse.

Und als ob das nicht schon gereicht hätte, setzte die Sprengung der Hausmauer, die Ivanov durchgeführt hatte, dem ganzen die Krone auf.

„Wenn ich nicht gerade auf einem Auftrag bin...“, ließ er es offen im Raum stehen, und wandte sich zum Gehen.

„Warte! Wo willst du Yong Tae nun hinbringen?“, rief ihm sein Boss nach, und er gab als Antwort ein „Geheim!“, von sich.

„Ich bin dein Boss!“

„Es ist trotzdem geheim.“, konterte er und verließ das Büro, gefolgt von Yong Tae, ehe er rasch die Tür hinter sich schloss, um weiteren Fragen zu entgehen.
 

Was genau er mit dem Jungen anstellen sollte, war ihm etwas unklar.

Ihn in ein Hotel zu verfrachten, hielt er im Allgemeinen für eine ziemlich dumme Idee. Aus welchem Grund auch immer diese Ratten hinter dem Jüngeren her waren, sie würden wegen eines missglückten Versuchs nicht aufgeben.

Er hatte schnell gelernt, dass Menschen nicht aufgaben, wenn sie jemanden tot sehen wollten oder ihn für irgendetwas gebrauchen konnten.

Immerhin gab sogar der Berater des Bosses nicht auf, hinter seinen richtigen Namen zu kommen, was ihn trotz der ganzen Jahre in denen Azrael in der Villa ein und aus spazierte, nicht gelungen war.
 

„Und wo soll ich jetzt hin?“, kam die Frage des Jungen nach einer Weile, in der sie sich immer weiter von dem Büro entfernt hatten, und Yong Tae sich sichtlich wieder entspannte.

„Du bleibst bei mir.“

„Bei dir?!“

„Zumindest so lange, bis ich rausgefunden habe, wer irgendetwas von dir wollen könnte.“

Sein Ton ließ keine Widerrede zu, auch wenn er spürte, dass Yong Tae ihm widersprechen wollte, was wohl sein gutes Recht war.

Angenommen, er wäre ein normaler Student. Dann würde er selbst es auch nicht gerade prickelnd finden bei jemanden wohnen zu müssen, den er auf den Tod nicht ausstehen konnte und der mehr Waffen als Lebensmittel in seiner Wohnung aufbewahrte.

Aber eben nur, wenn er normal und ein Student wäre.
 

Im Moment beschäftigte ihn eher die Frage, wie lange das wohl mit ihnen Beiden als Zwangs-WG gut gehen würde.

Er war nicht unbedingt der Typ für Konversationen, wohingegen Yong Tae sehr mitteilungsbedürftig war.

Er war ein Waffen- und Techniknarr, während Yong Tae stets bei Demonstrationen für den Frieden anzutreffen war.

Und er konnte Menschen im Allgemeinen nicht sonderlich gut leiden und hatte auch keine Lust das zu ändern.

Außerdem trauerte er jetzt schon seiner Ordnung in der Wohnung hinterher, wenn Yong Tae erst einmal anfing, sich unbefangen darin zu bewegen.
 

Aus seinen Beobachtungen wusste er, dass er seine Zeit im Bad besonders gut einteilen musste, da der Jüngere unerklärlich lange darin verweilte, um sinnlos und wenig dekorativ in der Badewanne herumzuliegen.

Außerdem schien der Junge viel von regelmäßigen Mahlzeiten und deren frischer Zubereitung zu halten, wohingegen er den Lieferservice für die beste Erfindung der Menschheit hielt. Nach Zigaretten und Waffen.
 

„Wenn ich bei dir bleiben soll, müssen wir vorher unbedingt noch einkaufen! Das was du in deinem Kühlschrank hast ist ein Witz!“

Azrael schob sich seine Sonnenbrille auf die Nase und verdrehte dahinter die Augen. Man merkte einfach, wenn der Junge sich entspannte.

Schon allein, weil er dann mit ihm redete wie mit einem Kommilitonen und einfach Dinge für sicher erklärte, die Azrael normalerweise abschlug.

Er sagte nichts dazu, sondern beschloss dem Jungen ausnahmsweise seinen Willen zu lassen, und jetzt sofort den nächsten Supermarkt anzusteuern.
 

Als sie das Anwesen verlassen hatten, drehte er das Radio leiser und schielte aus dem Augenwinkel zu seiner neuen Babysitter-Tätigkeit.

„Drei ganz einfache Regeln:“

Mit diesem Satz, und wohl auch aufgrund der Tonlage, hatte er Yong Tae's gesamte Aufmerksamkeit in Besitz genommen.

„Erstens: Finger weg von meinen Sachen und meinen Waffen!“

Der Jüngere nickte.

„Zweitens: Die Fernbedienung gehört mir!“

Wieder ein Nicken, diesmal sah er allerdings die Mundwinkel des Jüngern zucken und schnaubte deshalb.

„Drittens: Du wirst keinen Schritt ohne mich aus der Wohnung machen.“

Abermals ein Nicken, diesmal jedoch leicht zögerlich.

„Gut.“, schloss Azrael und drehte das Radio wieder lauter, während er in Richtung Seoul fuhr.
 


 

Azrael war wieder eingefallen, warum er Einkaufen in jeglicher Form nicht ausstehen konnte.

Die ganzen Menschen, das gekünstelte Lächeln der Verkäufer und die unübersichtliche Strukturierung von Supermärkten, die es einem unmöglich machte eventuelle Gegner frühzeitig zu entdecken.

Streng genommen war das auch für ihn ein Vorteil, aber eben auch nur, wenn er Glück hatte.

Natürlich war die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand ein Attentat in einem Supermarkt plante, ziemlich gering.
 

Schweigend und leicht angespannt schob er den Einkaufswagen durch die Gänge, Yong Tae hinterher.

Er war schon ab und zu in Supermärkte gegangen, weshalb ihm die Auswahl der Waren nicht unbedingt fremd vorkam, auch wenn er sich bei manchen Dingen fragte wofür man sie brauchte, aber für gewöhnlich mied er diese Läden.

Wenn er unbedingt etwas brauchte, und das schnell, besorgte er es sich für gewöhnlich in kleineren und übersichtlicheren Läden.

Verbandsmaterial holte er sich in der Apotheke, Waffen und Munition besorgte er sich in dem Laden eines alten Mannes in einem Dorf dreißig Kilometer südlich von Seoul.

Den Rest und auch seine Kleidung bestellte er im Internet und ließ sie sich an eine Packstation liefern.
 

Er beobachtete wie Yong Tae dies und das in den Einkaufswagen legte und musterte die Auswahl.

Reis, Sojasoße, Geflügel, Nudeln, diverses Gemüse und natürlich Klopapier.

Azrael öffnete den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder und ließ den Jüngeren weiter Dinge in den Wagen werfen.

Als sie nach gefühlten Stunden endlich an der Kasse standen, verzog Azrael leicht das Gesicht, als er bemerkte, dass Yong Tae das Innenleben seines Geldbeutels studierte.

Er setzte sich in Bewegung und schob sich an dem Jüngeren vorbei, wo er der Kassiererin eine seiner Kreditkarten reichte, ehe er das ganze Zeug in Plastiktüten stopfte.
 

Auf dem Parkplatz angekommen, sah er den Jüngeren missbilligend an.

„Sieht so aus, als wäre ich zu einer Art 'Versorger' befördert worden.“, kam es sarkastisch und doch irgendwie belustigt über seine Lippen.

Yong Tae sah ihn entschuldigend an, und Azrael zuckte mit den Schultern, während er die Tüten in dem Kofferraum seines Wagens verstaute, und sich danach hinter das Lenkrad klemmte.
 

Eine Weile fuhren sie schweigend die Hauptstraße von Seoul entlang. Zumindest er schwieg, während Yong Tae zu irgendeinem Lied einer Girlieband namens 1NE2 vor sich hin summte, und im Sitz seltsame Verrenkungen machte, die wohl eine Art Regentanz der Neuzeit darstellen sollte.

„Könntest du vielleicht aufhören dich zu bewegen?“, kommentierte er nach ein paar weiteren Minuten und registrierte, dass der Junge tatsächlich still sitzen blieb, ihn aber mit einer Mischung aus verschreckt und vorwurfsvoll ansah.

Wie er beides zur selben Zeit hinbekam, oder woher er das gelernt hatte, wollte Azrael gar nicht so genau wissen.
 

„Stört dich das?“

Azrael überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf, während er auf die zweite Spur wechselte.

„Was ist dann das Problem?“, kam es leicht zögerlich und er verzog das Gesicht, bevor er das Gaspedal durchtrat und den Wagen zu seiner Höchstgeschwindigkeit anspornte, ehe er wieder auf die erste Spur wechselte, was Yong Tae einen Schrei ausstoßen ließ.

„Ich bin nicht scharf darauf, die Reste deines Gehirns von meiner Scheibe zu kratzen.“, antwortete er auf die Frage des Jüngeren und wechselte im selben Atemzug wieder die Spur, wobei er haarscharf an einem Lastwagen vorbeizog und ihn fast mit seinem Seitenspiegel streifte.

„Was...“

„Die Typen folgen uns schon seit dem Supermarkt.“
 

Bevor Yong Tae überhaupt etwas erwidern konnte, zog Azrael ruckartig die Handbremse und schleuderte den Wagen so in eine waagrechte Position, bevor er das Gaspedal wieder durchtrat und einer wenigen breiten Straße folgte, die von der Hauptstraße abging.

„Und jetzt?“
 

Die Panik in der Stimme des Jüngeren veranlasste ihn dazu die Mundwinkel zu heben und seine Sonnenbrille gerade zu rücken.

„Jetzt haben wir ein bisschen Spaß!“

Mission Two: In Danger

Die Schreie von Yong Tae ignorierend, drückte er das Gaspedal durch und fuhr auf die Gegenspur um seine beiden Vordermänner zu überholen, ehe er kurz vor dem Zusammenstoß mit einem Bus scharf in ihre ursprüngliche Spur wechselte, und den Wagen hinter ihnen schnitt.

Dieser musste bremsen, genauso wie der Hintermann und ihre Verfolger, weshalb Azrael sich kurz Zeit nahm und den Jungen gegen den Oberarm schlug.
 

„Dein Geschrei beeinträchtigt mein Hörvermögen.“, stellte er eisig klar, und Yong Tae schwieg.

Ob nun um sein Gehör zu schonen, oder sicher zu gehen dass er nicht aus dem fahrenden Auto geworfen wurde, sei dahin gestellt.

Azrael jedoch war mit dem Ergebnis zufrieden, und immerhin nur das zählte.

Er blickte in den Rückspiegel und schnalzte mit der Zunge, bevor er den Blick wieder auf die Straße heftete und sich eine Zigarette zwischen die Lippen klemmte.
 

Eigentlich war ihm klar gewesen, dass ihre Verfolger sich nicht so schnell abhängen lassen würden, auch dann nicht, wenn sie Amateure waren. Aber es hätte ja sein können, und man hoffte bekanntlich immer das Beste.

Sogar so jemand wie er hatte manchmal die Anwandlung positiv zu denken, auch wenn diese nicht besonders lange anhielt.
 

„Wir sind tot.“

Die Feststellung kam in einem ruhigen und leicht emotionslosen Ton, weshalb er die Augenbraue hob und seinen Beifahrer aus dem Augenwinkel heraus ansah, bevor er die Stirn runzelte.

Er hatte Geschrei erwartet, so wie sonst auch, aber dass Yong Tae eine fast monotone Feststellung über das Ende seines Lebens aussprach und dabei noch nicht einmal mit der Wimper zuckte, war seltsam.

Stattdessen saß er einfach nur auf dem Beifahrersitz, die Hände im Schoß gefaltet, und starrte auf die Straße vor sich.
 

Eigentlich hätte er den Jüngeren am liebsten gefragt, ob er vergessen hatte wer neben ihm saß, ließ es jedoch bleiben und entschied sich stattdessen für Schweigen und das Ziehen der Handbremse, die den Wagen auf der Straße rasant in eine waagrechte Stellung brachte, ehe er sie wieder löste und erneut das Gaspedal durchdrückte.

Der Wagen schoss in eine Nebenstraße, die nicht ganz so breit war wie die Hauptstraße, aber auch nicht so schmal dass er sich Sorgen um seinen Lack hätte machen müssen.

Zwar musste er hier und da ein paar Hindernissen, wie Fußgängern die die Straße überquerten, ausweichen, aber im Großen und Ganzen hatte er freie Fahrt.
 

Ein Blick in den Rückspiegel bestätigte, dass er es entweder mit Amateuren oder mit blutigen Anfängern in ihrem Metier zu tun hatte, da diese beim Ausweichen öfter mal etwas mit umrissen, wie einen Postkasten oder Mülltonnen.

Azrael beschloss, dass er sich um Yong Tae auch noch kümmern konnte, wenn er ihr Problem losgeworden war und bog in die nächste Straße ab, die parallel zur Hauptstraße verlief und der er ein paar Kilometer folgen konnte, ohne sich für ein Ziel entscheiden zu müssen.

Wohin er mit den Verfolgern und einem offensichtlich psychisch instabilen Yong Tae hin sollte, war ihm in diesem Moment nämlich noch etwas schleierhaft.
 

Im Normalfall würde er irgendwo anhalten und sich dem Problem annehmen. Sein Auftrag war jedoch schon seit geraumer Zeit kein 'Normalfall' mehr. Diese Verwandlung von einem Normalfall zu einem Sonderfall hätte rein theoretisch beginnen können, als er Yong Tae als Auftrag bekommen hatte, praktisch gesehen jedoch hatte es sich erst zu einem Sonderfall entwickelt, als der Junge irgendwann anfing an ihm zu hängen.

Wobei das vermutlich nicht einmal die richtige Bezeichnung für das war, was Yong Tae tat, aber eine andere fiel dem Blonden nicht ein, weshalb es einfach dabei blieb.
 

„Wohin fahren wir?“, kam es nach ein paar Minuten, indem Azrael die Geschwindigkeit stetig gesteigert hatte, von dem Jungen.

„Keine Ahnung.“, kommentierte er und ignorierte den Blick, den ihm Yong Tae zuwarf.

Eine Weile noch konnte er der Straße folgen, aber dann musste er sich entscheiden ob er zur Stadtmitte oder auf die Autobahn fuhr.
 

Ein Knall ließ ihn die Zähne zusammenbeißen und mit einer Hand Yong Tae's Kopf nach unten drücken, als die Heckscheibe zersplitterte.

Die Scherben und Splitter folgen quer durch den Wageninnenraum und blieben zum Teil in seinem Arm stecken, mit dem er den Jungen unten hielt.
 

„Schießen die auf uns?“

Die altbekannte Panik, vor der er eine Weile seine Ruhe gehabt hatte, kehrte in die Stimme des Jüngeren zurück, und er gab einen bestätigenden Laut von sich.

„Bleib unten!“, hängte er noch hinten dran, und entschied sich für die Abfahrt zur Autobahn, als diese in Sicht kam.
 

Er nahm die Ausfahrt fast ohne zu bremsen, und schrammte mit der Fahrerseite an der Leitplanke entlang, sodass Funken sprühten.

Er ließ den Auffahrtsstreifen außer Acht und schoss direkt auf die Spur, wobei er einen Wagen schnitt, und im Rückspiegel sah, wie dieser in die Leitplanke krachte, ehe seine Verfolger auch schon wieder in Sicht waren.
 

„Hier.“

Azrael's Blick wanderte zu dem Jungen, der ihm eine seiner Waffen entgegen hielt und mit der anderen Hand das Handschuhfach wieder schloss, was ihn eine Augenbraue heben ließ.

Ohne etwas dazu zu sagen, dass es noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden her war seit Yong Tae absolut dagegen war, dass er jemanden tötete, nahm er die Waffe entgegen und klemmte sie zwischen seinen Oberschenkeln ein.
 

Nun ja, so ganz stimmte das auch nicht, korrigierte er sich in Gedanken.

Der Junge hatte offensichtlich ein Problem damit, wenn er Polizisten oder wen auch immer tötete und gefährdete.

Bei Männern in schwarz dagegen schien sich sein 'Du darfst nicht töten'-Trieb in Luft aufzulösen.

Verstand einer diesen Jungen, er tat es nicht.
 

Er riss das Lenkrad herum um von seiner Spur auf die Überholspur zu gelangen, wo er beinahe mit einem roten Cabrio zusammengestoßen wäre, und das nur verhindern konnte, in dem er das Lenkrad wieder herum riss und auf den Seitenstreifen auswich.
 

„Was ist der Plan?“, fragte der Jüngere, und er schwieg.

„Gibt es überhaupt einen Plan?“

„Außer dass du die Klappe hältst und sie nur aufmachst, wenn dir etwas Brauchbares einfällt, nein.“, kam es kühl von ihm, ehe er wieder auf die Spur wechselte und hin und wieder in den Rückspiegel blickte.
 

Seine Verfolger abzuhängen gestaltete sich als schwieriger als er angenommen hatte, auch wenn er schon aus Prinzip und Erfahrung immer von dem Schlimmsten ausging.

Sie fuhren wie Amateure, allerdings wie hochmotivierte Amateure, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte, weshalb er eine leise Verwünschung ausstieß, als er daran dachte, dass einige der Lebensmittel in seinem Kofferraum auftauen würden.

Vermutlich war er der Einzige, oder zumindest einer der wenigen, die sich über verderbliche Lebensmittel in ihrem Kofferraum Gedanken machten, während sie von bewaffneten Amateuren verfolgt wurden.
 

„Du willst sie...ausschalten, oder?“

Azrael gab einen bestätigenden Laut von sich, fragte sich jedoch, warum Yong Tae diese Frage überhaupt stellte, wo das doch auf der Hand lag.

Diese Frage war an Sinnlosigkeit schon fast nicht mehr zu übertreffen, wie er fand.
 

„Ungefähr drei Kilometer südlich der Uni sollen neue Luxusapartments gebaut werden.“

Er warf dem Jüngeren einen Blick aus dem Augenwinkel zu, ehe er ihn wieder auf die Straße heftete und schwieg.

„Das Gelände ist gerodet und es stehen unzählige Container und Baumaterialien herum. Außerdem ist da kein Mensch. So was suchen wir doch, oder?“
 

Azrael's Blick huschte kurz zu dem Jungen, der ihn angespannt ansah, bevor er wieder auf die Straße sah, leicht grinste und dann rasant die Abfahrt zum Südteil der Stadt nahm, in dem auch Yong Tae's Uni lag.
 

„Ich deute das als 'ja'.“, kam es von seinem Beifahrer.

Nachdem sie die Stadtgrenze passiert hatten und ihr Tempo anpassen mussten, um mit nichts zusammenzustoßen, blickte Azrael in den Rückspiegel.

Ihre Verfolger waren vier Autos hinter ihnen, und drohten sie zu verlieren, weshalb er eine Hand ausstreckte, und ohne es zu wollen durch die Haare des Jüngeren ging.
 

„Dich kann man tatsächlich gebrauchen.“, stellte er fest, während er seine Hand wieder zurückzog.

„Ehm...ja...danke.“

Eine Weile folgten sie schweigend dem Verkehr, da es wegen der entgegenkommenden Autos unmöglich war auch nur einen Radfahrer zu überholen.

Als die Ampel vor ihnen jedoch von Grün auf Gelb schaltete, drückte der Blonde das Gaspedal erneut an diesem Tag durch, und raste über die Kreuzung, womit er eine erneute Panikattacke bei seinem Schützling auslöste, und dieser sich mit beiden Händen am Türgriff festklammerte.
 

Mit Schwung noch einmal in die nächste kleinere Straße, und er konnte von weitem Yong Tae's Uni sehen.

Zu seiner rechten verlief das Baugrundstück umgeben von einem hohen Maschendrahtzaun, der an den oberen Enden mit Stacheldraht versehen worden war.
 

Das Gelände lag ruhig und verlassen da, während nur ein Teil der Grundmauern für den neuen Gebäudekomplex und Container stille Zeugen von irgendetwas werden konnten.

„Die Einfahrt ist auf der anderen Seite.“

Yong Tae deutete auf die gegenüberliegende Seite des riesigen Grundstücks, und Azrael hob eine Augenbraue.
 

Um das Grundstück zu umrunden brauchte er eine gefühlte Ewigkeit, zumal er dafür nicht die Geduld hatte.

Eigentlich war er schon recht geduldig, immerhin gehörte das zu seinem Job, aber er war es definitiv nicht mehr, wenn er verfolgt wurde.

Genau deswegen trat er auf die Bremse, als er den Wagen wieder hinter ihnen bemerkte, und lenkte den Wagen auf den Bürgersteig, bevor er wieder Gas gab und den Zaun durchfuhr.
 

Die Schnauze des Wagens drückte den Draht ein, bevor ein Teil des Zauns durch die Luft flog und ein anderer über den Wagen hinwegschlitterte, wobei er einen Riss in der Frontscheibe verursachte.

Yong Tae hielt sich die Arme über den Kopf und kniff die Augen zusammen, während Azrael versuchte nicht mit dem Kopf gegen das Lenkrad zu schlagen, als der Wagen aufgrund der Schlaglöcher holperte und sprang.
 

Es dauerte eine Weile bis er den Wagen so weit unter Kontrolle hatte, dass er die gegenüberliegende Seite des Grundstücks ansteuern konnte.

Ein Blick in den Rückspiegel verriet ihm, dass ihre Verfolger zumindest dasselbe Problem hatten und auch nicht wirklich schnell voran kamen.

Lieber wäre es ihm jedoch gewesen, wenn sie einfach ins Gras gebissen hätten, anstatt ihn zu belästigen.
 

Azrael lenkte den Wagen zur Seite hinter ein paar Container und hielt an, ehe er den Jungen auffordernd ansah.

„Steig aus und versteck dich da.“

„Was? Und was ist mir dir?“

Die Augenbraue des Blonden wanderte in die Höhe, bevor er mit der Zunge schnalzte.

Es war wirklich schon fast rührend wie sehr sich der Kleine um einen Auftragskiller sorgte. Wie eine Ente um ihre Küken.

„Ich kann auf mich aufpassen.“

Bei dem Blick des Jüngeren hängte er jedoch ein „Ich hol dich nachher wieder ab.“, hinten dran.
 

Und es schien zu wirken.

Yong Tae öffnete die Wagentüre und stieg aus, ehe er sie hinter sich zuknallte.

Azrael gab Gas und verfolgte im Rückspiegel wie sich der Schwarzhaarige zwischen zwei Container schob und sich dort versteckte.
 

Einen lauten Fluch ausstoßend riss er das Lenkrad herum, als seine Verfolger um die Ecke preschten und seinen Wagen am Heck trafen.

Der Wagen schrammte an der Schaufel eines Baggers entlang und erneut stoben Funken durch die Luft, vor denen er zurückzuckte.

Er kurbelte das Lenkrad so lange mal in die eine, dann in die andere Richtung, bis er den Wagen immerhin so stabilisiert hatte, dass er Gas geben konnte ohne irgendwo dagegen zu fahren.
 

Bei genauerer Betrachtung schätzte er seine Chancen hier lebend wieder herauszukommen, relativ gut ein.

Es war nur eine Frage des Timings, und wenn er das verpasste, war es vorbei.

Bisher hatte er den Zeitpunkt jedoch noch nie verpasst, auch wenn es einige Male wirklich knapp geworden war.
 

Der Wagen schoss und holperte über den sandigen und unebenen Boden, und er fühlte sich alles andere als wohl.

Die Klimaanlage war ausgefallen, der Tank schien beschädigt zu sein, da die Treibstoffnadel immer weiter sank und sein Arm pochte.

Über die kaputte Heckscheibe konnte er hinweg sehen, genauso wie über die anderen visuellen Beschädigungen an seinem Auto.
 

Ein lautes Krachen riss ihn aus seinen Überlegungen, wohin er am Besten sollte, und das Hinterteil des Wagens krachte auf den Boden, während einer der hinteren Reifen zur Seite davon flog.
 

Azrael ließ das Lenkrad los, um sich durch dessen Rotieren nicht die Arme zu brechen und nahm den Fuß vom Gas, ehe er die Arme schützend über seinem Kopf schlang und sich versteifte.

Er spürte wie der Wagen zur Seite kippte, ein paar Meter weiter rutschte und am Abhang einer Grube liegen blieb, die wohl ebenfalls für Grundmauern ausgehoben worden war.
 

Langsam öffnete er die Augen und blinzelte, um sich zu orientieren.

Der Wagen hing mit dem Hinterteil gefährlich über der Grube, und jede Bewegung brachte ihn ein paar Millimeter ins Rutschen, weshalb er sich möglichst ruhig verhielt.
 

Mit der linken Hand tastete er vorsichtig nach dem Handschuhfach, dass er öffnete, um seine zweite Waffe heraus zu holen.

Der Wagen bewegte sich und schwankte, weshalb er sich versteifte und kurz abwartete, ehe er mit der anderen Hand nach der ersten Waffe tastete.
 

Sie war nicht da, und er sah sich kurz im Wageninneren um, ohne den Kopf zu bewegen, da er befürchtete das der Wagen sonst gänzlich abrutschen würde, konnte die Waffe jedoch nicht finden.

„So ne Scheiße!“, murrte er vor sich hin und löste seinen Sicherheitsgurt, bevor er durch Zufall durch die mit Rissen versehene Frontscheibe blickte und kurz blinzelte, als er den schwarzen Geländewagen auf sich zurasen sah.
 

Welcher Vollidiot von einem Amateur da am Steuer saß, wollte er gar nicht wissen, während er einen Arm vor sein Gesicht hielt, in dessen Hand sich auch die Waffe befand, und versuchte sich mit der Anderen abzustützen.
 

Ein Klingeln vibrierte in Azrael's Ohren, als der Geländewagen mit voller Wucht gegen seinen Wagen prallte, und ihn die letzten rettenden Zentimeter voran schob, ehe er die Grube hinabstürzte.

Alles drehte sich und sein Körper begann zu schmerzen, als er durch den Wagen geschleudert wurde.
 

Durch die kaputten Scheiben flogen ihm Sand und Steinchen ins Gesicht, und ein größerer Kieselstein traf ihn an der Augenbraue, sodass er die Augen nur noch mehr zusammenkniff.

Irgendwann, nach einem ohrenbetäubenden Krachen, blieb der Wagen liegen, und er mit ihm, während ihn die Dunkelheit umfing.

A bit of the past

Seine Augen öffneten sich, und er versuchte sich zu orientieren.

Er lag verdreht und verrenkt im Inneren seines Wagens, die Sitze über sich, da der Wagen anscheinend auf dem Dach gelandet war.

Blut klebte an dem Armaturenbrett, dem Lenkrad und den Sitzen, also war er verletzt.
 

Er wusste nicht wo, oder wie schwer, aber um so etwas machte man sich auch erst hinterher Gedanken.

Die übriggebliebene Waffe hielt er immer noch in der linken Hand, was schon mal ein gutes Zeichen war.

Wenn er die Waffe noch halten konnte, war zumindest dieser Arm weitgehend okay und unverletzt.
 

Er versuchte sich zu bewegen, hielt inne und wimmerte durch zusammengebissene Zähne.

Irgendwas war gar nicht in Ordnung.

Oberkörper und das linke Bein schmerzten.

Das rechte Handgelenk war verdreht.

Er wollte liegen bleiben und schlafen.

War egal, ob man ihn für tot hielt oder nicht.

Jeder musste mal sterben.

Er bewegte sich trotzdem.

Biss die Zähne zusammen und kroch aus dem Wagen, die Waffe in der Hand.
 

Azrael rappelte sich vom Boden auf und blinzelte in die Sonne.

Langsam drehte er sich einmal um sich selbst, konnte von den Verfolgern jedoch niemanden ausmachen.

Sein Instinkt sagte ihm jedoch, dass an der Sache etwas faul war und stank wie faule Eier.
 

Nicht einmal der größte Amateur würde das Zielobjekt ohne Überprüfung für tot erklären. Denn es konnte immer sein, dass das Ziel, aus welchem Grund auch immer, überlebte.

Und das war schlecht.
 

Ein Blick an sich hinab bestätigte ihm, dass er in keiner blendenden Verfassung war, aber diese war wenigstens besser als angenommen.

Ein paar scharfe Scherben steckten in Beinen, Armen und Händen.

Sein rechtes Handgelenk war gebrochen, oder zumindest übel verdreht und ausgerenkt, und ihm tat sowieso alles weh.
 

Er sah sich wieder um und runzelte die Stirn, bevor er zum Rand der Grube humpelte und damit begann sich nach oben zu kämpfen, die Waffe zwischen den Zähnen.

Es tat unglaublich weh sich mit der verletzten Hand immer wieder ein Stück nach oben ziehen zu müssen, aber er gab nicht nach.

Er konnte in der Grube hocken bleiben bis ihn jemand fand, Polizei oder Attentäter-Amateur, oder er konnte hier raus, sich den Jungen schnappen und dann verschwinden.

Seine Hoffnung setzte er darauf, dass Yong Tae immer noch dort war, wo er ihn zuletzt gesehen hatte und nicht irgendwelche Dummheiten machte, für die er ihn später erschießen würde.
 

Vorsichtig ertastete er den Rand der Grube und suchte mit seinen Fingern nach Halt, ehe er sich nach oben zog und dort erst einmal sitzen blieb.

Sein Blick wanderte über das Gelände, und er spürte diese kalte Ruhe in sich aufsteigen, die ihn immer überkam wenn er im Begriff war an sein Ziel zu kommen, egal wie.

Die dunkelbraunen Augen verdunkelten sich, bis sie fast schwarz waren, und er stand in einer fließenden Bewegung auf, ehe er seine Waffe entsicherte.
 

Einer seiner Ausbilder hatte ihm nahe gelegt, gegen diese Ruhe anzukämpfen, da er der Meinung war, dass diese Ruhe Azrael die Vorsicht vor Gefahren nahm.

Angeblich würde sie ihm früher oder später schaden, aber er selbst sah das nicht so.

Die kalte Ruhe war ein Teil von ihm.

Sie ließ ihn ruhig und besonnen seine Aufträge erledigen und das immer zur vollsten Zufriedenheit seiner ehemaligen Auftraggeber und seines jetzigen Bosses.
 

Aber das was er am meisten an der Ruhe schätzte war, dass sie seine Schmerzen ausschaltete.

Wen er verletzt war, gab es nichts Besseres als diese Ruhe, da er sich bewegen konnte als wäre überhaupt nichts.

Ein Arzt der für seinen Boss arbeitete hatte die Vermutung geäußert, dass diese Ruhe, woher auch immer sie kam, die Verbindung zu seinen Nerven vorübergehend blockierte. Wie genau das funktionieren sollte wusste Azrael nicht, aber es interessierte ihn auch nicht.

Wenn er diese Ruhe hatte, spürte er keinerlei Schmerzen, zumindest so lange bis die Ruhe nachließ und die Schmerzen doppelt so stark zurückkehrten.
 

Auf dem Gelände war alles ruhig, und Azrael kniff die Augen zusammen als sein Blick auf die Container fiel, bei denen er den Jungen zurückgelassen hatte.

Irgendetwas störte ihn, weshalb er sich in Bewegung setzte und darauf zu ging.
 

Die Container standen schätzungsweise vier- bis fünfhundert Meter entfernt, was ihn die Luft ausstoßen ließ, da er im Moment wirklich nicht die geringste Lust hatte, sich in einem großen Radius zu bewegen.
 

Während er weiter ging, behielt er aus den Augenwinkeln die Umgebung im Blick, aber nichts regte sich, was er seltsam fand.

Aus fast hundert Metern Entfernung verstand er auch, was ihm komisch vorgekommen war, auch wenn er es davor nicht richtig erkannt und nur als Schatten wahr genommen hatte.
 

Der Geländewagen parkte hinter den Containern und er verlangsamte seine Schritte, während diese geschmeidiger wurden.

Er bewegte sich in einem weiten Bogen um die Container herum und spähte vorsichtig um die Ecke, die Waffe am Anschlag.
 

Die Türen des Wagen standen offen, aber weit und breit waren weder Fahrer noch Beifahrer zu sehen.

Azrael schlich weiter, einmal um den Wagen herum, sah darunter nach und blickte auch immer wieder nach oben zu den Dächern der Container. Es hätte ihn nicht im geringsten überrascht, wenn jemand auf dieselben absurden Ideen wie er selbst kommen würde, aber so jemanden hatte er bis jetzt noch nicht getroffen.

Ob das Glück oder Unglück war, dessen war er sich nicht so sicher.
 

Sein Gefühl sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Ganz und gar nicht stimmte, und er schob sich vor bis zu der Lücke zwischen den Containern, in der sich Yong Tae versteckt hatte.

Die Nische war leer.

Leer, bis auf das Handy, das auf dem Boden lag.

Er bückte sich, hob es auf und schob es sich in die hintere Hosentasche, ehe er sich wieder umsah und die Stirn runzelte.
 

Ein bisschen fühlte er sich wie in einer Geisterstadt. Nur ohne Stadt und ohne Geister, stattdessen mit unfertigen Gruben und Grundmauern, zwei Killern und einem verschwundenen Job auf zwei Beinen.
 

Welche Killer ließen ein Opfer zurück ohne sicher zu gehen, dass dieses tot war, schnappten sich das Zweite und ließen den Wagen zurück?

Zu Fuß zu flüchten war so ziemlich das Dümmste das man tun konnte, es sei denn man befand sich in einer Fußgängerzone oder einem Parkhaus.
 

Er seufzte und griff nach der Leiter von einem der Container und kletterte hinauf, um sich einen besseren Überblick über das Gelände zu verschaffen.

Man ließ seinen Wagen nur zurück und kümmerte sich nicht um das erste Opfer, wenn man annehmen konnte, dass dieses eine Weile außer Gefecht war.

Und das tat man nur, wenn das zweite Opfer das eigentliche Ziel war.

>Schalte die Störquellen aus und kümmere dich um das Ziel.<, hatte ihm sein erster Ausbilder beigebracht.
 

Sein Blick blieb an den einzigen Grundmauern hängen, die bis jetzt errichtet worden waren, und er biss die Zähne zusammen, bevor er vom Container sprang.

Er wusste dass er diesen Sprung später, wenn die Schmerzen wieder zurückkehrten, bereuen würde, aber im Moment hatte er einfach keine Zeit, weshalb er zu dem Geländewagen ging.
 

Mit hochgezogener Augenbraue stellte er teils erfreut, teils fassungslos fest, dass die Schlüssel steckten, und er schüttelte missbilligend den Kopf, während er sich hinter das Lenkrad schob und den Motor anließ.

Anscheinend waren die Herren der Meinung gewesen, dass er noch länger außer Gefecht gesetzt oder tot war, wenn sie so leichtsinnig waren und den Schlüssel stecken ließen.

Wie sehr man sich doch irren konnte.
 

Langsam fuhr er an und steuerte auf die Grundmauern zu, die doch ein ganzes Stück weg waren, darauf bedacht den Wagen möglichst leise zu halten.

Beim näherkommen konnte er erkennen, dass es wirklich lediglich zwei Gegner waren, und Yong Tae eine Art Sack über dem Kopf trug.
 

Er kniete am Rand der Grube und hatte wahrscheinlich Todesangst, was aus Azrael's Sicht auch angebracht war.

Nachdem er einen Gang hochgeschaltet hatte, drückte er auf das Gaspedal und hielt auf das Grüppchen zu, wobei es ihn wunderte, dass die Männer nicht auf ihn schossen.

Andererseits kam es ihm ziemlich gelegen, da er so genauer abschätzen konnte wann er zu bremsen hatte, ohne Yong Tae in Gefahr zu bringen.

Denn wie er seinem Boss erklären sollte, dass er diesen aus Versehen überfahren hatte, wusste er nicht. Vermutlich wäre das keine erfreuliche Berichterstattung.
 

Die Männer sprangen auf die Seite, als er bremste und der Wagen knapp vor ihnen stehen blieb.

Einer von ihnen verlor das Gleichgewicht, da er zu nah am Rand der Grube stand, und stürzte hinunter, wo er mit dem Kopf voran auf dem Beton der Mauern aufschlug und reglos liegen blieb.
 

Azrael öffnete die Autotüre und zielte auf den Zweiten, betätigte den Abzug jedoch nicht.

Der Grund dafür war, dass der Mann den Jungen als Schutzschild missbrauchte, und ihm eine Waffe an den Kopf hielt.

Damit erklärte sich auch, warum Yong Tae noch lebte und sie nicht auf ihn selbst geschossen hatten.

Die Waffe in der Hand des Mannes war seine, und vermutlich hatten sie noch nicht herausgefunden, wie man sie entsicherte, wobei er sich fragte woher sie seine Waffe hatten.

Vermutlich war sie aus dem Wagen gerutscht, als dieser sich überschlagen hatte.
 

„Nimm die Waffe runter und geh einfach.“, gab der Mann von sich, während er Yong Tae weiterhin die Waffe an den Kopf hielt.

Kurz überlegte Azrael ob er ihn darauf hinweisen sollte, dass er wusste dass die Waffe nicht scharf war, ließ es aber bleiben.

Zumal er es etwas seltsam fand, dass er die Aufforderung zum gehen erhielt und keinen Schwall Morddrohungen, wie es sonst der Fall war.
 

„Geh endlich! Wir wollen bloß den Jungen!“

Er schwieg weiterhin ohne sich zu bewegen oder die Waffe zu senken.

Die Panik die sein Gegenüber versprühte war schon fast greifbar, und er fand es seltsam.

Er fand nicht viele Dinge seltsam, aber wenn sie solche Angst vor ihm hatten, hätten sie ihn erledigen sollen, bevor er sich befreien konnte.
 

„Warum habt ihr mich nicht ausgeschaltet, als ihr die Gelegenheit hattet?“

Für gewöhnlich stellte er keine Fragen, sondern nahm alles so hin wie es kam.

Doch diesmal wollte er es wissen, einfach, weil er sich den ganzen Tag schon anders verhielt als gewohnt.
 

„Der Boss will dich nicht verletzen, also hau endlich ab!“

Die Augenbraue des Blonden bewegte sich ein paar Millimeter nach oben, sein Gesicht blieb jedoch ausdruckslos, als er den Abzug zu sich heran zog und die Kugel den Lauf verließ.
 

Sie rauschte knapp an dem Kopf des Jungen vorbei, und traf den Mann genau zwischen die Augen.

Lautlos und mit offenen Augen ging er zu Boden, noch bevor Blut aus der Wunde treten konnte, und ließ dabei die Waffe fallen.
 

Azrael selbst ließ die Waffe sinken, sicherte sie, und machte einen Schritt nach vorn, ehe er einen gequälten Laut von sich gab und auf die Lippe biss.

Vorbei war es mit der kalten Ruhe, und damit auch mit der Schmerzfreiheit.

„Az?“, kam es leise unter dem Sack hervor, und er setzte sich wieder in Bewegung, ehe er vor Yong Tae in die Hocke ging.
 

Er zog ihm den Sack vom Kopf und langte um ihn herum um die Fesseln zu lösen, während der Schwarzhaarige in die Sonne blinzelte.

Kaum dass er die Fesseln gelöst hatte, schossen Yong Tae's Arme nach vorne, und drückten ihn an sich, was er mit einem Aufkeuchen kommentierte, sich aber ansonsten ruhig verhielt.
 

Schätzungsweise ein paar Sekunden, vielleicht auch eine halbe Minute, hing er in den Armen des Jungen, bevor er von diesem ruckartig weg geschoben wurde und dabei die Zähne zusammenbiss.

Er sah dem Jungen in die Augen, die ihn besorgt musterten und dann an ihm hinab wanderten, ehe sie noch großer wurden als sie sowieso schon waren.
 

„Wir müssen sofort in ein Krankenhaus!“

Azrael gab ein Murren von sich, und wischte die Hände des Jüngeren von seinen Armen, bevor er sich aufrappelte.

„Wundervolle Idee. Wir sagen dann einfach, ich bin die Treppe runtergefallen.“, kommentierte er sarkastisch und humpelte in Richtung Geländewagen.
 

„Okay, das war eine blöde Idee. Willst du etwa den Wagen nehmen? Das ist Diebstahl! Außerdem, du willst in deinem Zustand doch hoffentlich nicht noch fahren, oder?“
 

An dem Wagen angekommen, lehnte er sich dagegen, und sah den Jüngeren genervt an, was diesen verstummen ließ, während er ihn mit großen Augen ansah.

„Ich habe gerade zwei Menschen umgebracht, und du machst dir Sorgen um Diebstahl?“, stellte er eine Gegenfrage und registrierte, dass Yong Tae ihn immer noch verblüfft anstarrte, weshalb er ein „Was ist ?“, ausstieß.
 

„Du...es ist komisch, wenn du Gefühle zeigst. Du siehst dann so...na ja, normal aus.“

Er blinzelte und sah den Jungen an, und war zum ersten Mal in seinem Leben tatsächlich sprachlos.

„Okay, klauen wir den Wagen, aber ich fahre!“
 

Er konnte Menschen schon immer gut einschätzen, das gehörte nicht nur zu seinem Job, sondern war ein angeborenes Talent.

Nur bei Yong Tae jagte eine Überraschung die nächste, weswegen er sich langsam daran gewöhnen sollte.

Er musste lernen mit diesem Wechsel von Todesangst und Panik zu entspannt und locker umzugehen.

Wobei er sich sofort fragte warum.

Immerhin würde er Yong Tae wieder los sein, wenn sein Vater die Schulden beglichen hatte.

Sie würden keinen Kontakt mehr haben, und alles wäre wieder so wie zu dem Zeitpunkt vor ihrem Treffen.
 

Ohne irgendetwas dazu zu sagen, humpelte er zur Beifahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen.

Es dauerte auch nicht lange, bis Yong Tae sich neben ihn und hinter das Steuer setzte, ehe er ihm seine zweite Waffe unter die Nase hielt und schief grinste.
 

„An denen scheinst du echt zu hängen, also lass sie nicht einfach zurück.“

Schweigend nahm er die Waffe entgegen und legte den Gurt an, während der Junge den Motor startete und langsam von dem Grundstück rollte.
 

„Was genau sind das eigentlich für Waffen?“, kam Yong Tae auf das Thema zurück, als sie an einer Ampel standen, und Azrael sah ihn misstrauisch von der Seite her an.

Dieser schien den Blick zu bemerken, und sah ihn ebenfalls an, ehe er mit den Schultern zuckte.

„Also, sogar ich sehe, dass das kein gängiges Modell ist.“
 

Azrael's Mundwinkel zuckten und er wandte den Blick ab, um aus dem Fenster zu sehen, wo er die vorbei laufenden Menschen beobachtete.

„Sie sind auf meine Art und meinen Stil abgestimmt, haben ein gesondertes Ladesystem und einen besonderen Drall. Außerdem ist ihr Design einzigartig.“, leierte er fast hinunter und beobachtete den Jungen in der Spiegelung der Scheibe, als die Ampel auf grün schaltete und sie in den Tunnel fuhren.
 

Das Design seiner Waffen war, wie bei diesem Waffentyp üblich, Silber mit schwarzem Griff. An den Seiten jedoch, auf Höhe des Laufs, befand sich jeweils ein eingravierter Flügel. Bei einer Waffe schwarz, bei der Anderen in Gold.
 

Yong Tae sah ernst aus, und aus irgendeinem Grund holte Azrael aus, und schlug dem Jungen gegen den Oberarm, was diesen zusammenzucken ließ.

„Die Waffen hat mein dritter Ausbilder für mich gemacht. Vielleicht häng ich deswegen so daran.“

Warum er dem Anderen überhaupt etwas über sich oder seine Vergangenheit, erzählte verstand er selbst nicht.

Er hatte nur das Gefühl es tun zu müssen, und sein Gefühl trog ihn nie.
 

„Dein Dritter? Wie viele hattest du?“

Seine Mundwinkel zuckten erneut und er lehnte sich im Sitz zurück, während er Yong Tae von der Seite her ansah und seine Bewegungen beobachtete.

„Fünf.“

„Und alle hatten dieses Killerzeug drauf? Kein Wunder, dass du so gut bist.“
 

Azrael stieß die Luft aus, und sah den Anderen amüsiert an.

„Nein, nicht alle konnten dieses 'Killerzeug'. Mein dritter Ausbilder aber schon.“, antwortete er in einem amüsierten Tonfall, der ihn selbst überraschte.

Wann er sich das letzte Mal wirklich über etwas amüsiert hatte, daran konnte er sich nicht mehr erinnern.
 

Eine Weile schwiegen sie, bevor Yong Tae sich räusperte, und somit seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Erzählst du mir was darüber, oder ist das streng geheim?“.

Azrael zündete sich eine der zerdrückten Zigaretten an, die er aus der Tasche seiner Hose gezogen hatte, und ließ sich im Sitz nach unten sinken.

„So geheim, dass es außer mir keiner weiß.“
 

Er zog wieder an seiner Zigarette und stieß den Rauch in Kreisen wieder ins Wageninnere aus.

„Mein dritter Ausbilder, Astrit, war Leiter eines Teams von Killern, die unter dem Kommando der rumänischen Regierung standen. Er zählte weltweit zu den Besten und hat unzählige Aufträge erfolgreich ausgeführt. Von ihm hab ich den Umgang mit Schusswaffen jeglicher Art gelernt.“
 

„Wie habt ihr euch kennengelernt? Und wie kamst du zu den Waffen?“

Azrael blies wieder den Rauch in die Luft, und betrachtete die Autos die sie überholten, da Yong Tae anscheinend ein sehr vorsichtiger Fahrer war.
 

„Astrit hat mich in China aufgegabelt, wo ich gerade meinen...Geschäften nachgegangen bin. Ich war allein, ich war jung, ich war obdachlos und ich hatte gerade ein kleines Nest der chinesischen Mafia ausgerottet und war auf einer Art Kriegspfad. Damals hatte ich mich noch nicht so unter Kontrolle.

Vielleicht war es mehr Glück als Verstand, dass ich Astrit angegriffen habe, aber entweder tat ich ihm leid oder er sah Potential in mir. Auf jeden Fall nahm er mich die nächsten zwei Jahre unter seine Fittiche und bildete mich aus.“
 

Wieder herrschte eine Weile Stille im Wagen, und er drückte seine halb aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, bevor er wieder einen kurzen Blick zu Yong Tae warf.

„Astrit war der Meinung, dass man Waffen benutzen sollte, die zu dem eigenen Stil passen. Da ich immer mit zwei Waffen arbeite, und es wirklich umständlich ist zwei Waffen gleichzeitig zu entsichern oder nachzuladen, hat er diese Spezialanfertigungen für mich gemacht.“
 

Yong Tae schwieg und er schloss kurz die Augen um die Schmerzen auszublenden, während er ein paar Mal tief durchatmete.

„Wie alt warst du, als du bei Astrit in die 'Lehre' gegangen bist? Hast du noch Kontakt zu ihm? Und wie funktionieren deine Waffen?“
 

„Neugierig bist du gar nicht, ne?“, grinste er und fuhr sich durch die Haare, während der Jüngere eine Entschuldigung murmelte, und er abwinkte.

Ihm hätte von vornherein klar sein müssen, dass er mehr als nur eine Antwort geben musste, wenn er einmal damit anfing.
 

„Ich war dreizehn als Astrit mich aufgesammelt hat, und er starb kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag. Also habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Meine Waffen funktionieren verschieden. Wie genau, zeig ich dir vielleicht irgendwann mal.“

„Dreizehn? Wie lange zur Hölle machst du das schon?“, stieß Yong Tae laut aus, was ihn das Gesicht verziehen ließ.

„Ne ganze Weile.“

„Und wie lang ist eine ganze Weile?“, hakte der Andere trotzdem weiter nach, und Azrael rollte mit den Augen.

„Ungefähr seit ich denken kann.“, antwortete er scharf und signalisierte damit, dass für ihn das Thema beendet war.
 

„Du zeigst mir echt wie deine Waffen funktionieren?“, kam es kurz darauf aufgeregt vom Fahrersitz und Azrael schnaufte.

„Ja, und jetzt sag mir was wir hier wollen.“
 

Er verfluchte sich selbst, dass er nicht darauf geachtet hatte, wohin Yong Tae fuhr, und ging sich mit der gesunden Hand durch die Haare.

Es war eigentlich nicht seine Art sich auf jemand anderen zu verlassen und die Dinge schleifen zu lassen, aber passiert war passiert.
 

Sie standen am Straßenrand vor einem nicht gerade ansehnlichen Mietshaus, dessen unzählige Stockwerte in den Himmel ragten.

„Da wir dich nicht in ein Krankenhaus bringen können, hab ich mich für den Weg des geringsten Widerstands entschieden.“
 

Die Augenbraue des Killers wanderte wieder nach oben, und er sah den Jungen interessiert an.

„Den Weg des geringsten Widerstands?“

„Du wirst mich vermutlich ins Koma prügeln, wenn ich dich zu irgendeinem Arzt bringe. Also hab ich beschlossen dich zu Arno zu bringen. Der ist Medizinstudent im achten Semester und wird die Klappe halten.“
 

„Da macht dich was so sicher?“, hakte Azrael nach, und spielte mit dem Abzug seiner Waffe.

„Weil ich sonst der Universitätsleitung erzähle, dass er nicht nur die Höschen der Mädchen aus der Sport AG verunreinigt, sondern auch Crystal auf dem Campus vertickt. Wenn er nochmal von einer Uni fliegt, drehen ihm seine Eltern den Geldhahn zu.“
 

Kurz schwieg er, ehe er die Waffen in seinen Gürtel schob und das Oberteil darüber zog.

„Deine kriminelle Ader ist für deine gute Erziehung wirklich erstaunlich ausgeprägt.“

A day like no other

Azrael wusste nicht genau, was er fühlen sollte.

Er saß auf einem Sofa, in einer Wohnung, die er unter anderen Umständen nicht einmal für einen Auftrag freiwillig betreten hätte. Lieber hätte er sich auf die Fernausschaltung des Ziels konzentriert, als auch nur einen Fuß in diese Wohnung zu setzen.

Nun war er aber hier, und versuchte den Geruch nach abgestandenem Bier, Essensresten und Ausdünstungen zu ignorieren.
 

Sein Blick wanderte zu Yong Tae, der auf dem Fensterbrett saß und wohl versuchte, genug Sauerstoff durch das aufgeklappte Fenster zu bekommen, und dabei aussah, als müsste er sich gleich übergeben.

Er selbst war einfach nur froh in der letzten Zeit nichts gegessen zu haben, denn das wäre ihm sonst vermutlich hochgekommen. Zwar hatte er weiß Gott keinen empfindlichen Magen, aber sogar er hatte seine Grenzen, und hätte er etwas gegessen, wäre diese Grenze schon seit geraumer Zeit überschritten worden.
 

Besagter Arno war offensichtlich ein Dauerstudent, was Azrael durch die ganzen Abschlüsse, die an den Wänden hingen, annahm. Zumal sah Arno nicht so aus, als sei er auch nur ansatzweise im gleichen Alter von Yong Tae, oder in der Nähe davon.

Seiner Einschätzung nach war Arno ungefähr Ende dreißig oder Anfang vierzig, so genau konnte er das nicht feststellen.

Was er jedoch feststellen konnte war, dass Arnos Hände sich auf seiner Haut wie Schleifpapier anfühlten, und er war kurz davor ihm irgendeine Handcreme zu empfehlen, weil er dieses Gefühl absolut widerlich fand.
 

Vielleicht lag es daran, dass er nicht oft angefasst wurde, aber er musste sich wirklich beherrschen, um Arno nicht seinen Fuß ins Gesicht zu rammen. Das tat er lediglich auch nur, um heraus zu finden, ob er schwerwiegend verletzt war und um dem Jungen seinen Seelenfrieden zu schenken.

Er verzog angewidert das Gesicht als seine Rippen abgetastet wurden, und Arnos raue Hände über seine Haut schabten.
 

Arno hatte festgestellt, dass sein Handgelenk ausgerenkt und angebrochen war, und hatte das zuallererst behoben, indem er es mit einer schwungvollen Drehung wieder gerade gerückt hatte, die Azrael die Zähne aufeinanderbeißen und die Augen zusammenkneifen ließ. Nachdem das Handgelenk sich in einer Schiene befand, um sich erholen zu können, war der Typ dazu übergegangen, sich seine Beine anzusehen.

Das war auch der Grund, warum er im Moment nur in Shorts und Shirt da saß, da er sich geweigert hatte, das Shirt auszuziehen.
 

Er hatte eine natürliche Abneigung gegen andere Menschen, aber bei diesem Arno war das ganze dann noch etwas anders. Er misstraute ihm nicht nur, er stufte ihn als potentielle Gefahr ein, die sofort zur Polizei laufen würde, wenn er die Flügel auf dem Rücken bemerkte und erkannte.
 

„Die Rippen sind auch nur geprellt. Ich weiß ja nicht was ihr gemacht habt, aber du hattest echt Glück.“, meldete sich Arno wieder zu Wort und Azrael gab einen murrenden Laut von sich, den man mit viel Fantasie als Bestätigung ansehen konnte.

Dass er viel Glück gehabt hatte, und sich in dem Wagen nicht das Genick gebrochen hatte, war ihm auch klar. Bei genauerer Betrachtung hätte heute eigentlich alles in die Hose gehen können, also konnte man wohl von Glück ausgehen.
 

Kurz verschwand Arno in irgendein Zimmer, und Azrael blickte wieder zu dem Jungen, der immer noch am Fenster hockte, ihn aber inzwischen ansah.

Anstatt etwas zu sagen, schwiegen beide, und während Yong Tae sich auf der Lippe herumkaute, angelte sich Azrael seine Hose die er wieder anzog.

Kaum dass er den Knopf der Hose geschlossen hatte, kam Arno wieder ins Zimmer, in der Hand eine Tube Creme.
 

„Zieh dich bitte wieder aus, ich muss dich damit eincremen.“

Azrael betrachtete die Tube in der Hand, von der er nicht viel lesen konnte, solange Arno sie in der Hand hielt, aber der Begriff 'Ibu' allein, teilte ihm schon mit, dass es eine antibiotikahaltige Salbe war.

Er kam nicht einmal dazu den Mund zu öffnen um Arno mitzuteilen, dass er sich ganz gut selbst eincremen konnte, notfalls mit der Hilfe eines Kochlöffels, als Yong Tae auch schon vom Fensterbrett sprang und mit ein paar Schritten bei ihnen war, wo er Arno die Tube aus der Hand riss.
 

„Danke, das mach ich! Wir müssen los!“

Azrael hob eine Augenbraue, folgte dem Jüngeren jedoch aus dem Wohnzimmer in den Flur, wo sie ihre Schuhe anzogen und zügig die Wohnung wieder verließen.

Als sie ins Freie traten, holte der Blonde ein paar Mal tief Luft, um seine Lungen wieder mit Sauerstoff zu füllen, der nur von Abgasen belastet war, und nicht von allen möglichen unangenehmen Gerüchen.
 

Sein Blick wanderte die Straße hinauf und hinunter, ehe er sich nach links wandte und hörte wie Yong Tae ihm folgte.

„Und der Wagen?“

„Ich bin nicht so verrückt, einen gestohlenen Wagen in meine Tiefgarage zu stellen. Das ist so als würde ich meine Adresse in die Zeitung setzen.“, antwortete er ruhig und schob die Hände in die Hosentaschen, als Yong Tae neben ihm in seinem Blickfeld auftauchte.

„Wir nehmen die U-Bahn.“, stellte er dann fest, nachdem er abgewägt hatte, ob die Bahn oder ein Taxi das sicherste Fortbewegungsmittel war.
 

Einen großen Teil des Weges zur U-Bahn Station schwiegen sie.

„Sieht aus, als müssten wir uns eine Pizza bestellen.“, seufzte der Junge und Azrael murrte. An die Lebensmittel hatte er kurzzeitig auch schon gedacht. Auf der anderen Seite war er froh, dass mit ihnen auch die Duftkerzen zurückgelassen worden waren.

Zwar hatte er noch nie Duftkerzen benutzt, aber bei Mi Hae roch er das Zeug ständig, und es war teilweise wirklich eklig und penetrant.
 

„Sieht aus, als müsste ich mir eine neue Panzerfaust bestellen.“, gab er deshalb ungerührt zurück und erntete erst einmal Schweigen, bevor sein Auge kurz zuckte, als Yong Tae ihm ein „Du hattest eine Panzerfaust in deinem Wagen?“, ins Ohr brüllte.

„Schrei es doch bitte noch lauter, ich glaube die Leute auf der anderen Straßenseite haben dich noch nicht gehört.“, kam es trocken über seine Lippen, während Yong Tae sich im selben Moment die Hand vor den Mund schlug.
 

„Außerdem finde ich es seltsamer, dass dieser Arno nichts zu meinen Waffen gesagt hat, als dass ich eine Panzerfaust in meinem Kofferraum hatte.“, hängte Azrael hinten dran und überquerte die Straße, ehe sie die Treppen zur U-Bahn Station nach unten liefen.
 

Azrael gab einen abschätzenden Laut von sich, als er wartete bis Yong Tae ein Ticket für sie beide besorgt hatte, und er immer wieder Menschen ausweichen musste.

In dieser U-Bahn Station ging es schlimmer zu als in einem Ameisenhaufen, wie er fand. Überall Menschen, die sich eilig von A nach B bewegten, ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei war es offensichtlich vollkommen egal, ob das Hindernis ein Oberstufenschüler oder eine alte Oma mit Gehwagen war.
 

In der U-Bahn wurde es seiner Meinung nach auch nicht besser. Abgestandene Luft, Gedränge, zu viele Parfumgerüche und eine defekte Klimaanlage machten seinen Tag einfach perfekt.

Ein Sitzplatz war nirgendwo zu finden wie Yong Tae bedauernd mitteilte, aber ihm war das ganz recht, er stand sowieso lieber, weshalb er sich in die Ecke zwischen Tür und Trennwand lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
 

„Glaubst du es ist sicher, jetzt zu dir zu fahren?“, kam die Frage nach ein paar Minuten und Azrael blickte den Jüngeren an.

„Wüssten sie wo ich wohne, wären sie schon längst dort aufgetaucht. Außerdem muss ich checken, wie viel Equipment ich noch da habe.“

Die Antwort kam ruhig und nicht im geringsten angespannt oder nervös über seine Lippen, was den Jungen zu beruhigen schien.
 

Er war auch nicht wirklich beunruhigt. Wenn man den Fehler machte und ihn schon angriff, sollte man schon aus Grundprinzip keine Amateure auf ihn loslassen. Also konnte der Boss der beiden ehemals lebendigen Herren nicht sonderlich hell in der Birne sein. Allerdings würde er einen Scheißdreck tun und das Ganze auf die leichte Schulter nehmen.
 

Azrael stieß genervt die Luft zwischen den Zähnen aus, während er die Arme vorstreckte die keine Sekunde später Yong Tae umfassten, der nach vorne stolperte als die U-Bahn ruckartig an der nächsten Station anhielt.

Die Türen öffneten sich und noch mehr Menschen strömten in das Innere, quetschten sie beide zusammen, während Yong Tae sich mal wieder für seine eigene Blödheit entschuldigte und er selbst einfach nur genervt war.
 

Als die Türen sich wieder schlossen, gab er es auf sich irgendwie aus dieser Falle, bestehend aus Ecke, Yong Tae und anderen Menschen, winden zu wollen und blieb stattdessen einfach stehen, während er die Hände wieder von dem Jungen nahm.

In Gedanken schwor sich Azrael nie wieder in seinem Leben U-Bahn zu fahren, komme was da kommen wolle. Lieber würde er die ganze Stadt zu Fuß durchqueren, als noch einmal in so eine Sardinenbüchse zu steigen.
 

„Yong Tae!“

Seine Augenbraue zuckte kurz, als der Junge angesprochen wurde und sich zwei Mädchen zwischen den ganzen Menschen zu ihnen hindurch schoben.

Azrael schätzte sie ungefähr auf dasselbe Alter wie den Schwarzhaarigen, nur mit weniger Stil und vermutlich noch weniger Intelligenz.
 

Ihm taten seine Gedanken nicht leid, da die beiden Mädchen aussahen, als würden sie den Großteil ihres Lebens in einem Solarium verbringen und hätten eine Douglas-Filiale überfallen.

„Du bist heute gar nicht in der Uni.“

Die Feststellung erschien ihm etwas überflüssig, da es eigentlich offensichtlich war, dass Yong Tae nicht in der Uni war, wenn er hier in der U-Bahn stand. Und offensichtlich waren die beiden auch nicht in der Uni.
 

Während Yong Tae sich mit den beiden unterhielt, beschränkte sich Azrael's Aufmerksamkeit auf die Stationen, damit sie ihre nicht verpassten.

Seine Aufmerksamkeit wurde erst wieder auf Yong Tae gelenkt, als die Aufmerksamkeit der Mädchen offensichtlich ihm galt.

Das schloss er zumindest aus dem „Willst du uns deinen gutaussehenden Freund nicht vorstellen?“, das die Kleinere und stark blondierte von sich gab.

„Ist er Single?“, schob die Andere hinterher, und Azrael's Augenbrauen wanderten nach oben, als Yong Tae eine Hand auf seine Schulter legte, jedoch sagte er nichts dazu.
 

Eigentlich sollte er sich eine plausible Ausrede einfallen lassen wer er war, woher sie sich kannten und so weiter.

Auf der anderen Seite fand er es ziemlich amüsant wie Yong Tae versuchte selbst eine zu finden, weshalb er ihn einfach ließ. Denn dass der Junge so blöd sein, und herausposaunen würde, dass er ein Auftragskiller war, bezweifelte er.
 

„Und warum ist er verletzt?“, hakte die Blondierte wieder nach.

Ein Blinder mit einem Krückstock hätte gesehen, dass der Jüngere komplett überfordert war, weshalb Azrael den Mund aufmachte, um doch etwas zu sagen.

„Schädlingsbekämpfung. Er hat eine Firma für Schädlingsbekämpfung.“, schoss es aus Yong Tae's Mund und er selbst klappte seinen wieder zu. So konnte man das natürlich auch schön umschreiben.

„Das müssen aber fiese Schädlinge sein.“

„Ja, richtig große, böse Ratten.“, kommentierte er und hob eine Augenbraue, als der Jüngere nervös zur Bekräftigung nickte.
 

„Ihh, Ratten.“, quiekten die beiden gleichzeitig, und er verzog leicht das Gesicht, da dieses Quieken eine Frequenz hatte, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte.

Er bekam schon Zuckungen, wenn Mi Hae bei irgendeinem angeblich blutrünstigen und brutalen Film diese Geräusche von sich gab, aber sie im Doppelpack hören zu müssen, überschritt fast seine Schmerzgrenze.

„Und, ist er jetzt noch Single?“, hakte die Blonde wieder nach, während die Andere gleichzeitig ein „Woher kennst du ihn?“, verlauten ließ.
 

Manchmal, aber nur manchmal, fragte er sich wirklich warum Frauen immer gleichzeitig reden mussten, und nicht hintereinander. Es wäre so viel einfacher sie zu verstehen, wenn sie nicht alles synchron tun würden.

Die Computerstimme der U-Bahn verkündete die nächste Station, und Azrael war froh, dass es die war, an der sie raus mussten, da er dieses 'Verhör' vermutlich nicht länger ertragen würde.

Und weil Yong Tae sonst vermutlich dehydrierte, so wie dieser vor Erklärungsnot schwitzte.
 

Er legte seine Hand auf die von Yong Tae und schenkte den beiden Mädchen ein Lächeln, dass man für seine Verhältnisse schon 'strahlend' nennen konnte.

„Er ist mein Freund, und wir müssen hier leider raus. Bis bald mal.“
 

In genau diesem Moment öffneten sich die Türen, und er stieg rückwärts auf den Bahnsteig, ehe er sich herumdrehte und Yong Tae an der Hand hinter sich her zog.

Natürlich hoffte er nicht auf ein Wiedersehen mit den beiden Hühnern, aber wenn man keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, sollte man ab und zu auch mal gute Manieren an den Tag legen, vor allem dann, wenn man von einer solchen Menschenmasse umgeben war.
 

Yong Tae stolperte ihm hinterher, bis sie die Treppen der U-Bahn Station erklommen hatten, und rannte in ihn hinein, als er unvermittelt stehen blieb um sich eine Zigarette anzuzünden.

Bei dieser Gelegenheit ließ er auch gleich die Hand des Schwarzhaarigen los, und setzte sich dann wieder in Bewegung um zu seiner, ihrer, Wohnung zu gelangen.
 

Den ganzen Weg über schwiegen sie sich halb tot, und aus irgendeinem Grund ging es dem Blonden auf die Nerven.

Nicht dass er unbedingt mitteilungsbedürftig war, aber Yong Tae bekam seinen Mund für gewöhnlich nicht zu, und wenn doch lag das daran, dass er sich vor Angst in die Hosen schiss, schlief oder ohnmächtig war.
 

Deswegen war seine eigene Laune auch ziemlich im Keller, als sie endlich die Wohnung betraten, und er den Schlüssel mit ziemlichem Schwung auf die Kommode warf, bevor er seine Waffen aus dem Hosenbund zog und diese, um einiges vorsichtiger, auf dem Wohnzimmertisch ablegte.

Danach ging er ohne ein Wort zu sagen in sein Schlafzimmer, wo er sich Shorts, eine Jogginghose und ein Tanktop aus dem Schrank zerrte, ehe er ins Bad verschwand und geräuschvoll die Türe hinter sich schloss.
 

Warum und worauf er auf einmal so wütend war, verstand er selbst nicht, und das machte ihn nur noch wütender.

Er neigte nicht zu Gefühlsausbrüchen, und schon gar nicht in diesem Ausmaß, dass irgendeine banale Sache daran schuld sein konnte.

Wenn man es genau nahm, lief sowieso alles komplett anders als sonst, seit dieser Junge in seinem Leben aufgetaucht war. Davor war alles in bester Ordnung gewesen und er hatte sich und sein seelisches Innenleben voll im Griff.
 

Azrael stieg unter die Dusche, nachdem er seine Klamotten absolut untypisch auf dem gesamten Boden verteilt hatte, und drehte das kalte Wasser auf, nur um die Zähne zusammenzubeißen und seine Muskeln anzuspannen, um nicht an die Decke zu springen.

Er hasste kaltes Wasser, oder eher Kälte im Allgemeinen, aber manchmal brauchte er das, um wieder runter zu kommen.

Auch diesmal half es, und er drehte das heiße Wasser auf, wobei er wohlig seufzte und sich an die Fließen lehnte, während das Wasser auf ihn herunterprasselte.
 


 

Vermutlich war er etwas länger unter der Dusche gewesen als er angenommen hatte, denn als er das Bad verließ, lief im Fernsehen eine dieser Talkshows, die nur gelangweilte Hausfrauen und Rentner ansahen um die Zeit bis zu den Krimiserien ab achtzehn Uhr zu überbrücken.

Auf dem Sofa war so etwas ähnliches wie ein Krankenlager bestehend aus unzähligen Decken und Kissen aufgebaut, und außerdem roch es in der ganzen Wohnung nach Essen, weshalb er eine Augenbraue hob.
 

Azrael ging zu seiner Kommode und zog die oberste Schublade auf, aus der er sich eine Schachtel Zigaretten sowie ein Feuerzeug fischte, und sich sofort eine Zigarette ansteckte.

Er hatte noch keine zwei Schritte in Richtung Küche gemacht, als Yong Tae im Türrahmen erschien und sich die Hände an einer neongrünen Schürze abwischte.

Der Blonde vermutete stark, dass die hässliche Schürze aus Yong Tae's persönlichen Dingen stammte, denn hätte sich so ein Ding in seiner Wohnung befunden, hätte er definitiv davon gewusst. Zumal er sowieso nie kochte.
 

Er sah dem Schwarzhaarigen zu, wie dieser den Raum durchquerte und den Stapel Decken zurückschlug, bevor er darauf deutete.

Langsam hob der Blonde eine Augenbraue, sagte zu dieser Aufforderung jedoch nichts, sondern ergab sich kurzzeitig in sein Schicksal und setzte sich auf das Sofa.

Kurze Zeit war nichts zu hören, außer das Blubbern des Essens aus der Küche und ihrem Atem, ehe sich der Jüngere räusperte.
 

Azrael blickte zu ihm auf und seufzte dann ergeben, als er die Tube Salbe in den Händen des Anderen bemerkte, der diese nervös hin und her drehte.

Kurzzeitig war er versucht so zu tun, als würde er nicht wissen was der Schwarzhaarige von ihm wollte, bis dieser es aussprach, entschied sich dann aber dagegen.
 

Die Zigarette klemmte er sich zwischen die Zähne, um beide Hände frei zu haben, bevor er sein Tanktop so weit nach oben zog, dass man die Prellungen und Blutergüsse sehen konnte.

Yong Tae stieß die Luft aus, wohl froh darüber die Bitte nicht aussprechen zu müssen, und ging neben dem Sofa in die Hocke, ehe er damit begann die Salbe vorsichtig auf den Verletzungen zu verteilen.
 

Der Blonde fand die Vorsicht mit der der Jüngere vorging etwas übertrieben, ließ es sich aber gefallen, dass die Fingerspitzen ein Kitzeln auf seiner Haut erzeugten, dass eine leichte Gänsehaut zur Folge hatte.

„Was gibt’s zu essen?“, fragte er nach einer Weile, um das unangenehme Schweigen zu brechen und sah den Schwarzhaarigen aus dem Augenwinkel heraus an.
 

„Na ja, bis jetzt Brühe.“

Azrael wandte dem Jüngeren das Gesicht zu, der peinlich berührt auf seinen Oberkörper starrte, während er diesen weiter einrieb, was die Peinlichkeit aber offensichtlich nicht besser machte.

Er räusperte sich und blickte in die andere Richtung, ehe er wieder zu Yong Tae schielte und sich nicht mehr zurück halten konnte.

Ein Prusten verließ seine Lippen.
 

Er presste die Lippen zusammen und sah demonstrativ wieder in die andere Richtung des Wohnzimmers, um sich wieder zu beruhigen, allerdings nur mit mehr oder minder großem Erfolg, da immer wieder ein Prusten oder Glucksen seine Kehle verließ.

Das „Lachst du mich gerade aus?“, des Jungen machte die Sache nicht unbedingt besser, weshalb er einfach nur den Kopf schüttelte, ehe er den Anderen wieder ansah.
 

„Wenn wir uns Pizzabrot bestellen, können wir das in die Brühe bröseln.“

„Du bist ziemlich einfach zu ernähren, oder?“, kam es fast schon resignierend aus dem Mund des Jüngeren und Azrael zuckte mit den Schultern.

Tatsächlich hatte er keine großen Ansprüche was Essen betraf. Um ihn zufriedenzustellen brauchte es lediglich Reis und irgendeine Soße darüber, oder eben Fertignahrung.

Natürlich hatte er auch nichts gegen ein schönes Essen in einem Restaurant oder eben selbst gekocht, aber er musste es nicht unbedingt haben.
 

Er spürte wie Yong Tae seine Finger von ihm nahm, und zog sein Tanktop wieder nach unten, bevor er die Zigarette wieder zwischen seine Finger klemmte und daran zog.

„Gut, dann bestell Pizzabrot. Aber morgen gibt es was vernünftiges zu Essen.“

Azrael's Augenbrauen wanderten in die Höhe, jedoch gab er einen bestätigenden Laut von sich.

So wie Yong Tae sich gerade anhörte, hörten sich bestimmt auch Mütter an, zumindest war das seine Vorstellung davon.
 

Azrael stand auf und lief wieder ins Badezimmer, wo er seine Hose nach seinem Handy durchsuchte und die Nummer des Lieferservice wählte, die inzwischen schon seit ein paar Jahren im Kurzwahlspeicher stand.

Er wählte und bestellte zwei Mal Pizzabrot und einmal Frühlingsrollen, ehe er sich wieder ins Wohnzimmer begab und sich auf das Sofa fallen ließ.
 

Eine Weile betrachtete er die Waffen, die auf dem Couchtisch lagen, bis er sich entschied das Putzen seiner 'Babys' auf später zu verschieben und stattdessen seine Aufmerksamkeit dem sinnlosen Nachmittagsprogramm im Fernsehen zu widmen.
 

In der Sendung ging es anscheinend um eine Frau von siebenundzwanzig Jahren, die ihr fünftes Kind erwartete und in einer Art Saustall lebte. Anders konnte man die Zustände in dieser Wohnung nicht mehr beschreiben.

Automatisch angelte sich der Blonde die Fernbedienung vom Tisch und schaltete um. So verzweifelt, dass er sich so etwas ansah, war er nun auch wieder nicht.
 

Nach einer Weile, in der er durch die Kanäle gezappt hatte, landete er auf einem Sender der Animes zeigte, und von dem er bis Dato noch nicht einmal gewusst hatte, dass er ihn besaß.

Animes und Mangas waren der Hype schlechthin, und das seit Jahren, allerdings hatte er selbst davon keine Ahnung. Für ihn sahen diese Figuren alle gleich aus und er sah auch keinen Grund dafür, dass zu ändern.

Trotzdem blieb er auf dem Sender und zupfte eine der unzähligen Decken so zurecht, dass er es bequem hatte.
 

Er hörte wie Yong Tae aus der Küche kam und sich durch das Wohnzimmer bewegte, wendete seinen Blick jedoch nicht von dem Fernseher ab, sondern drückte lediglich seine Zigarette in dem Aschenbecher aus.

Er spürte wie das Sofa hinter ihm einsank und blickte dann doch über seine Schulter, nur um festzustellen, dass Yong Tae ein Stück weit hinter ihm saß und fasziniert auf den Fernseher sah, ehe er ihn ins Visier nahm.
 

„Du schaust Animes?“, kam es nach einer Weile von dem Schwarzhaarigen, während er Azrael angestarrt hatte, und er gab einen verneinenden Laut von sich.

„Es läuft nichts besseres.“
 

Sein Blick wanderte wieder zu der Serie, und er legte den Kopf auf der Sofalehne ab.

„Der Anime heißt 'Katekyo Hitman Reborn'.“, erklärte der Schwarzhaarige und Azrael gab einen verstehenden Laut von sich, auch wenn ihm der Titel nichts sagte.

Aber zum Glück musste er nicht an seinen Laptop und Google anwerfen, da Yong Tae von sich aus erklärte worum es in dem Anime ging.
 

Allem Anschein nach um eine Mafia-Familie, oder mehrere. Der Hauptprotagonist Tsuna irgendwas sollte der neue Boss werden, erinnerte Azrael jedoch eher an eine Heulboje als an einen ernstzunehmenden Boss einer Mafia-Familie.

„Der Typ erinnert mich irgendwie an dich.“, kommentierte der Blonde deswegen und deutete auf Tsuna, der gerade wieder einen seiner feigen Momente hatte.
 

Hinter ihm erklang ein Schnauben, und seine Mundwinkel zuckten etwas.

„Dann bist du vermutlich Hibari.“

„Wer?“, hakte er nach und wandte seinen Kopf Yong Tae zu.

„Kommt noch.“, grinste dieser und er blinzelte, schwieg jedoch, während er seinen Blick wieder auf den Fernseher heftete.
 


 

Auch nachdem das Pizzabrot und die Frühlingsrollen gekommen waren, und sie das zusammen mit der Brühe die Yong Tae gekocht hatte gegessen hatten, guckten sie weiter.

Irgendwann lief anstatt dieses Animes ein Anderer, den Yong Tae als 'Bleach' betitelte.

„Vielleicht sollte ich mehr von dem Zeug schauen.“, kommentierte Azrael irgendwann, nachdem die Sonne schon untergegangen war und sie nebeneinander auf dem Sofa lagen.
 

Yong Tae drehte seinen Kopf und sah ihn an, während er eine Augenbraue hob und schlussendlich ein „Warum?“, von sich gab.

„Ist besser als der restliche Scheiß der so läuft.“, gab er schulterzuckend von sich.
 

Eine Weile schwiegen sie wieder, während die wievielte Folge auch immer über den Bildschirm flackerte.

„Morgen müssen wir unbedingt einkaufen. Ich bin nicht so einfach zu verpflegen wie du.“, kommentierte der Jüngere und Azrael murrte.

„Ich dachte, das wäre bei euch Studenten normal.“

„Das ist ein Mythos.“, kam es belustigt zurück und der Blonde murrte wieder.

Offensichtlich gab es so einiges, das nur ein Mythos war.
 

„Wenn wir dann schon wieder in einen Supermarkt müssen, können wir auch gleich noch einen neuen Wagen besorgen.“

Die Polster des Sofas bewegten sich, als Yong Tae sich auf die Seite drehte, den Kopf auf die Hand stützte und ihn von oben herab betrachtete.

„Einen neuen Wagen?“

„Ich werde einen Scheiß tun und weiterhin mit der U-Bahn fahren. Das ist ja grausam.“

„Du magst Menschenmengen offensichtlich wirklich nicht.“
 

Azrael gab einen bestätigenden Laut von sich, schwieg aber ansonsten.

„Warum ist das eigentlich so?“, hakte der Schwarzhaarige nach und er sah ihn aus dem Augenwinkel an.

„Ich hatte nie besonders engen Kontakt zu anderen. Mal abgesehen davon, wäre das für meinen Job auch nicht gerade von Vorteil.“
 

Warum er das dem Anderen überhaupt erzählte, war wieder eines dieser Mysterien von heute, weshalb er es gar nicht erst hinterfragte, sondern stattdessen lieber auf den Fernseher blickte und auch nichts sagte, als Yong Tae sich so hinlegte, dass sich ihre Schultern berührten.

Let's have a nice day

„Es ist acht Uhr morgens.“, murrte Azrael und lehnte sich an den Türrahmen zum Wohnzimmer, während er an seiner Zigarette zog.

„Ich weiß.“, kam es von dem Jüngeren zurück, ehe er ihn angrinste und dann einfach mit seiner Tätigkeit weiter machte.

„Kannst du nicht später Wäsche bügeln?“, murrte der Blonde wieder und fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare.

„Wenn ich es jetzt mache, hab ich später mehr Zeit und wir können irgendwas machen.“
 

Seine Augenbraue wanderte in die Höhe, da er sich fragte wann er zugestimmt hatte, mit dem Schwarzhaarigen etwas zu machen. In allererster Linie fragte er sich jedoch, warum der Jüngere überhaupt seine Klamotten bügelte.

Irgendwann vor ein paar Wochen war Yong Tae mit einem Bügelbrett und einem Bügeleisen bepackt von der Uni zurückgekommen, und hatte verlauten lassen, dass es gar nicht ginge, dass ein Auftragskiller mit Stil ungebügelte Klamotten trug.
 

Es waren fast zwölf Wochen vergangen, seit er beschlossen hatte, Yong Tae vorerst bei sich aufzunehmen bis ihm eine bessere Lösung einfiel.

Eine bessere Lösung war ihm offensichtlich nicht eingefallen, und wenn er ehrlich war, suchte er auch nicht mehr nach einer.

Irgendwann in den zwölf Wochen hatte er sich, ohne es wirklich zu bemerken, an den Jüngeren gewöhnt und sah keine Notwendigkeit mehr darin ihn los zu werden.
 

Trotzdem fand er es teilweise etwas seltsam, wie sie so zusammen lebten.

Er fuhr den Jüngeren morgens zur Uni und holte ihn wieder ab, wenn er Schluss hatte, da es ziemlich unwahrscheinlich war, dass Yong Tae angegriffen werden würde, wenn er sich in einem Lesungssaal oder auf einem überfüllten Campus befand.

Azrael selbst erledigte währenddessen andere Dinge, wie sich mit seiner Freundin Mi Hae zu treffen, diverse Besorgungen zu machen, sich mit dem Boss kurz zu schließen oder kleinere Aufträge zu erledigen, die zur Abwechslung nichts mit töten zu tun hatte.
 

Seufzend setzte er sich in Bewegung und wuschelte dem Jüngeren im Vorbeigehen durch den Iriokesenschnitt, was dieser mit einem Protestlaut kommentierte.

„Und was willst du machen?“, fragte er nach, bevor er in die Küche ging, um sich eine Tasse Kaffee zu besorgen.

„Picknick!“, rief der Schwarzhaarige zurück und Azrael zuckte zusammen, ehe er ins Wohnzimmer zurück ging und sich auf das Sofa fallen ließ, wo er sich eine der Decken über die Beine zog.
 

„Ein Picknick?“, hakte er nach den ersten paar Schlucken Kaffee nach und runzelte die Stirn, als ihn der Andere über die Schulter angrinste und nickte.

„Dir ist klar, dass Picknicks eher was für verliebte Pärchen sind, oder?“

Als Antwort bekam er unverständliches Gemurmel, das sich stark nach einigen Protesten und Verneinungen anhörte, weshalb er die Augenbraue hob, wieder einen Schluck Kaffee trank und dann murrte.
 

„Schau mir ins Gesicht und sag mir, warum du mit mir ein Picknick machen willst.“, forderte er und schob sich ein Kissen in den Rücken, während er sich weiter einkuschelte.

Seit Yong Tae bei ihm eingezogen war, hatte er die Vorzüge von 'sich einkuscheln' kennengelernt, und tat es seitdem so oft wie nur möglich. Es wirkte auf ihn irgendwie entspannend und er war nicht mehr ganz so angespannt wie sonst.
 

Als Yong Tae sich zu ihm umdrehte, heftete er seinen Blick auf dessen Gesicht und sah ihn abwartend an, während der Jüngere verbissen zurück sah.

„Na, das macht man halt so als Freunde.“

Azrael blinzelte und schwieg eine Weile, um die Information zu verarbeiten, ehe seine Augenbraue nach oben wanderte.

„Wir sind keine Freunde.“, stellte er dann kühl klar und schnalzte mit der Zunge, bevor er seine Zigarette ausdrückte, die bis zum Filter abgebrannt war, und nahm wieder einen Schluck Kaffee.
 

„Das sagst du, weil du aus irgendeinem Grund keinen an dich ranlassen willst.“

„Bitte?“

„Natürlich sind wir Freunde! Immerhin beschützt du mich, und setzt dafür sogar dein Leben aufs Spiel.“
 

Azrael verengte die Augen zu Schlitzen und knirschte mit den Zähnen, während er sich verspannte und den Jüngeren fixierte.

„Das ist mein Job. Der Boss wäre stinksauer, wenn du krepierst.“, schnaubte er.

„Punkt für dich.“

Azrael murrte bestätigend und führte wieder die Tasse zu seinen Lippen, um den restlichen Kaffee auszutrinken.
 

„Du verrätst dich bloß, wenn du mir abends über die Haare streichelst, wenn du dann endlich mal ins Bett kommst. Wobei es dann wohl eher morgens anstatt abends ist.“

Er verschluckte sich am Kaffee und hustete, ehe er wieder zu Atem kam und den Jüngeren ansah, der ihn angrinste.

„Das war dann wohl ein Punkt für mich.“
 

Der Sing-Sang mit dem Yong Tae das sagte, ließ Azrael knurren, die Tasse auf den Couchtisch knallen und sich nach hinten fallen, wo er liegen blieb.

„Ist dir das peinlich?“, fragte Yong Tae nach ein paar Minuten und er beschloss am Besten gar nicht zu reagieren und sich stattdessen tot zu stellen.

Mit mehr oder minder großem Erfolg wie er feststellte, als Yong Tae sich über ihm abstützte und dessen Gesicht seinen Blick auf die Zimmerdecke versperrte.
 

„Wieso sollte es?“

„Ich weiß nicht, du versuchst dich gerade tot zu stellen.“, gab Yong Tae leise von sich und Azrael blinzelte, als dieser die Hand in seine Haare schob.

Zwar hatte er sich daran gewöhnt, dass der Jüngere immer in seiner Nähe herum scharwenzelte und an unabsichtlichen Körperkontakt, aber dass er ihn offensiv berührte war ungewöhnlich, weshalb Azrael einfach still liegen blieb und zu ihm hoch sah.
 

„Picknick, hm?“, murrte er dann und seufzte, ehe er ein „Meinetwegen.“, von sich gab.

Yong Tae sah mit großen Augen zu ihm hinunter, ehe er durch den Raum sprang und Jubelrufe von sich gab, was den Blonden mit den Augen rollen ließ, während er sich aufrichtete.

Geschlagen stand er auf, um sich neue Klamotten zu holen und duschen zu gehen, um wenigstens ein bisschen auszusehen als hätte er genug geschlafen, bevor er in die Öffentlichkeit musste.
 


 

Hätte er gewusst, dass er eingepfercht zwischen Studenten enden würde, hätte er Yong Tae außer Gefecht gesetzt, oder sich selbst notfalls ins Bein geschossen.

So aber saß er nun mit Yong Tae und ungefähr neun anderen Leuten im Park, nahe des Einkaufszentrums, und versuchte sich normal zu benehmen.
 

Einfacher wäre es gewesen, wenn er Erfahrungen mit solchen Dingen gehabt hätte. Da er aber auf solche nicht zurückgreifen konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich unbeholfen durch den Tag zu hangeln und sich an Yong Tae zu orientieren.
 

Er biss die Zähne zusammen, als ein Kerl mit Dreadlocks und bemüht gammlig aussehenden Klamotten gegen ihn rumpelte.

„Na Kumpel, was geht?“

„Nicht viel.“, murrte er und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche, während er versuchte den Typen auf Abstand zu halten, sein Bier nicht zu verschütten und gleichzeitig seinen Mitbewohner im Auge zu behalten.
 

Wenn Yong Tae noch einmal mit so einem dämlichen Vorschlag kommen würde, würde er ihn eigenhändig in die Besenkammer sperren und nie wieder ans Tageslicht lassen.

Zwei der Mädchen, dummerweise auch noch die beiden aus der U-Bahn, hatten einen Ghettoblaster mitgebracht, aus dessen Lautsprechern laut irgendwelche Popsongs tönten, die er nicht kannte.
 

„Kumpel, du musst dich mehr entspannen!“, lachte der Typ neben ihm und legte ihm einen Arm um die Schultern, was ihn dazu brachte seine Muskeln anzuspannen.

Mit Sicherheit könnte er sich einigermaßen entspannen, wenn ihm nicht dauernd jemand auf die Pelle rücken würde, dachte er sich, sprach es jedoch nicht aus sondern gab nur einen zustimmenden Laut von sich.
 

„Hey Yung, rutsch mal!“

„Man, es ist doch sonst überall Platz.“, maulte der Kerl mit den Dreadlocks, als sich Yong Tae zwischen sie quetschte, was Azrael dazu veranlasste die Luft auszustoßen.

Es war ihm hundertmal lieber an Yong Tae zu kleben, als an einem dieser Individuen, die ihm die ganze Zeit auf den Pelz rückten.
 

„Ehrlich, du musst dich mal entspannen.“

„Das hat mir dein Freund auch schon gesagt.“, murrte Azrael zurück und der Jüngere grinste nur schief, während er sich Azrael's Bierflasche angelte und einen Schluck daraus nahm.

Er ließ es sich gefallen und hoffte, dass das Ganze bald zu Ende sein möge und er wieder nach Hause in gewohnte Gefilde konnte.
 

Dem war natürlich nicht so.

Anstatt irgendwann nach Hause gehen zu können, wurde er zuerst dazu gezwungen Basketball zu spielen.

Aufgrund seines Jobs hatte er es mit dem Zielen auf den Korb relativ leicht, er musste lediglich herausfinden, wie weit seine Wurfweite reichte. Aber nachdem das einmal geschafft war, punktete er brav für sein Team, das aus dem seltsamen Typen mit den Dreadlocks, der blondierten aus der U-Bahn und einem anderen Mädchen, das er nicht zuordnen konnte, bestand.
 

Die Beglückwünschungen und Freudenrufe nach dem Spiel waren ihm etwas peinlich, genauso wie er es irgendwie unangebracht fand, sich die ganze Zeit von den Mädchen drücken lassen zu müssen, aber er ließ es über sich ergehen.

Er hatte seine Waffen zu Hause, auch wenn er ohne diese locker mit diesen Knuddelattacken fertig geworden wäre. Und wenn er ehrlich war, störte es ihn zwar, aber nicht so sehr, dass er aus der Haut fahren würde. Es war ihm lediglich unangenehm.
 

Anstatt etwas dagegen zu unternehmen und ihm zu helfen, grinste Yong Tae lediglich, was ihm gedankliche Verwünschungen von Azrael einbrachte.

Und so was bezeichnete sich selbst als seinen Freund, rührte aber keinen Finger, um ihn vor Knuddelattacken zu schützen.

Bei Gelegenheit sollte er mal ein ernsthaftes Wort mit dem Jüngeren sprechen und ihn darüber in Kenntnis setzen, dass er ihn töten würde, wenn er es noch einmal wagte, sich als seinen Freund zu betiteln.
 


 

Und irgendwie waren sie nach dem Spiel und einigen Stunden bei lauter Popmusik, in einer Bar gelandet.

Azrael hatte es aufgegeben, irgendwas zu hinterfragen oder dem ganzen auf den Grund zu gehen, und begnügte sich stattdessen damit mehr über die heutige 'Jugend' herauszufinden, zu der er rein vom Alter her, irgendwie auch noch gehörte.
 

Die heutige Jugend feierte gern, stand auf Supermodels, guckte sich sinnlose Serien im Fernsehen an, verbrachte die meiste Zeit auf Facebook, wo sie ihr Privatleben platt trat und ging mit dem neusten Trend, woraus immer der bestehen mochte.

Bei genauerer Betrachtung stellte Azrael fest, dass er eigentlich nichts mit ihnen zu tun hatte.

Kein Wunder also, dass ihm Yong Tae vorkam wie von einem anderen Stern, und er die Dinge, die dieser tat zum größten Teil nicht verstand.
 

Also hatte er sich auf die Fragen von den Anderen irgendwas aus den Fingern gesaugt, was einigermaßen glaubwürdig klang.

Er kam also ursprünglich aus Nordkorea, wo er bei seiner Tante auf dem Land aufgewachsen war, die die Schädlingsbekämpfungsfirma ihres verstorbenen Mannes weiter führte. Er hatte einen normalen Schulabschluss und studierte nicht, stattdessen leitete er die Filiale der Schädlingsbekämpfungsfirma hier in Seoul, und hatte reichlich Aufträge.

Er hörte hauptsächlich Visual Kei und J-Rock, sowie Lieder von alten Größen wie The Kiss, ACDC und Nirvana, lebte im Moment mit Yong Tae zusammen, nachdem dessen Wohnung wegen eines Kurzschlusses niedergebrannt war, und war ansonsten ein gewöhnlicher fünfundzwanzigjähriger.
 

Natürlich war sein Alter gelogen wie der Rest auch, abgesehen von der Tatsache, dass er mit Yong Tae zusammenlebte, aber wenn man in diesem Metier aufgewachsen war, wurde man erfinderisch und lernte, die jeweilige Vita herunterzubeten.

Bei seiner Freundin Mi Hae war das natürlich eine Andere, aber das spielte keine Rolle.
 

Azrael hob eine Augenbraue und sah Yong Tae an, als dieser sich verschwitzt und schwer atmend neben ihn fallen ließ und in die weichen Polster der Sitzecke sank.

Ohne irgendwas zu sagen, hielt Azrael ihm seine Cola hin, die der Jüngere ohne zu zögern nahm und in einem Zug austrank, ehe er sich immer noch schwer atmend wieder zurück lehnte.
 

„Vielleicht sollte ich dir fairerweise sagen, dass dich nicht wiederbeleben kann, wenn du dehydrierst und einen Herzstillstand erleidest.“, eröffnete er das Wort, bevor er sich eine Zigarette ansteckte und den Rauch in die Luft blies.

„Also krieg ich keine Mund-zu-Mund-Beatmung?“
 

Der Blick des Blonden wanderte wieder zu dem Jüngeren, ehe seine Augenbraue nach oben zuckte.

„Wie viel hast du heute schon getrunken?“, stellte er die Frage, die sich ihm gerade auftat, und zog wieder an seiner Zigarette.

„Mh...n'bisschen.“

Er stieß den Rauch in die Luft und lehnte sich zu Yong Tae rüber.

Auch ohne den Jüngeren aufzufordern ihn anzuhauchen, konnte er riechen, dass dieser definitiv genug für heute hatte.

„Wir sollten gehen.“, stellte er dann fest und setzte sich wieder gerade hin, ehe sein Blick durch den Club wanderte.
 

Als er keine Antwort bekam, sah er wieder zu seinem Schützling und ein Zucken ging durch seinen Körper, als der Schwarzhaarige sich auf der Sitzbank lang machte und seinen Kopf auf Azrael's Oberschenkeln ablegte.
 

Seine Muskeln standen unter Strom und er starrte auf den Jüngeren hinunter, der die Augen halb geschlossen hatte und das Treiben auf der Tanzfläche beobachtete.

Wo genau die anderen Studenten geblieben waren, war Azrael entgangen, und um ehrlich zu sein war es ihm auch egal.
 

Er nahm erneut einen Zug von seiner Zigarette, legte den Kopf leicht in den Nacken und blies den Rauch als Ringe in die Luft.

„Warum siehst du eigentlich immer gut aus, egal was du gerade machst?“

Sein Blick wanderte wieder zu Yong Tae, der zu ihm nach oben sah, und Azrael stieß genervt die Luft aus.

„Wir gehen jetzt! Du bist total dicht!“, murrte er und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus während er mit seinem Bein auf und ab wippte, um den Schwarzhaarigen dazu zu bewegen, sich endlich wieder hinzusetzen.
 

„Müssen wir?“, jammerte der Jüngere und Azrael gab ein bestätigendes Murren von sich, ehe er die Hände auf Yong Tae's Schultern legte und ihn in eine sitzende Position schob, ehe er die Sitzbank entlang rutschte und den Jüngeren dabei vor sich her schob.

Als sie das Ende der Bank erreicht hatten, stand der Schwarzhaarige auf, schwankte etwas, fand aber sein Gleichgewicht relativ schnell wieder, was Azrael aufatmen ließ.

Vielleicht war Yong Tae gar nicht so betrunken wie er dachte.
 

Azrael ließ seinen Blick noch einmal durch den Club schweifen, konnte aber immer noch keinen der Anderen entdecken, weshalb er entschied, dass es nicht so schlimm war, wenn sie einfach die Biege machten.

Er lotste den Schwarzhaarigen aus dem Club und war froh Luft einatmen zu können, die nicht total stickig und mit den verschiedensten Gerüchen angereichert war.
 

Zusammen gingen sie die Straße entlang, wobei er darauf achtete, dass Yong Tae nirgendwo dagegen lief, und nebenher die Straßen und Gassen sowie die Passanten im Auge behielt.

Er fixierte gerade einen schwarzen Geländewagen der vorbei fuhr mit einer Blondine am Steuer, als er hinter sich ein lautes Geräusch hörte und herum wirbelte, nur um zu sehen wie sein Schützling an einem Laternenmasten klebte.
 

Ein Seufzen verließ seine Lippen, während der Jüngere einen Schwall Schimpfwörter von sich gab und unsicher stehen blieb.

„Du bist blau wie der Ozean.“, seufzte der Blonde und ging zu dem Jungen zurück, wo er ihm die Hand hinhielt.
 

„Ich darf?“, hakte Yong Tae nach, und er murrte.

„Ernsthaft?“

„Ja, doch!“, fauchte der Blonde etwas lauter und packte die Hand des Anderen, ehe er sich wieder in Bewegung setzte und ihn somit hinter sich her zog.
 

„War das für dich heute okay?“, kam es nach einer Weile des Schweigens von dem Schwarzhaarigen, und er blickte ihn aus dem Augenwinkel an, während er kurz darüber nachdachte.

„Mh.“, gab er bestätigend von sich, da es tatsächlich nicht so schlimm war, wie er angenommen hatte.

„Würdest du...vielleicht nochmal mitgehen?“
 

Vermutlich war Yong Tae der einzige Mensch auf dieser Welt, der ihn sprachlos machen konnte, weshalb er erst einmal nichts sagte.

Auch dann nicht, als der Griff um seine Hand fester wurde und sich die andere Hand des Jüngeren an seinen Oberarm heftete.

„Vielleicht.“

Das war vermutlich die beste Antwort, die Yong Tae von ihm bekommen konnte.
 

Den Rest des Weges schwiegen sie, und Azrael sah auch keinen wirklichen Grund darin, etwas dagegen zu unternehmen.

Das Einzige das er noch wollte, war den Jüngeren ins Bett zu werfen und dann selbst runterkommen, bis er irgendwann schlafen ging.
 

Nachdem er die Schlüssel auf die Kommode und die Jacke an die Garderobe geworfen hatte, schob er den Schwarzhaarigen vor sich her ins Schlafzimmer, und dirigierte ihn zum Bett, wo er ihn zwang, sich hinzusetzen.

Murrend streifte er ihm die Schuhe ab und schob ihn dann so ins Bett, dass er ihn zudecken konnte.

Vermutlich hätte er ihm auch noch aus den Klamotten helfen sollen, aber so eine enge Verbindung hatten sie nun auch wieder nicht, und der Junge würde nicht sterben, wenn er eine Nacht in seinen Klamotten schlief.
 

Er verließ das Schlafzimmer und ging in die Küche, wo er sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holte und diese öffnete.

Kurz überlegte Azrael, es sich im Wohnzimmer gemütlich zu machen und sinnlos durch die Fernsehprogramme zu zappen, entschied sich dann jedoch doch für das Schlafzimmer.

Dort streifte er sich die Schuhe von den Füßen und ließ sich auf seine Bettseite fallen, nachdem er die Flasche auf dem Nachttisch abgestellt und seine Waffen aus der Nachttischschublade gezogen und sie daneben abgelegt hatte.
 

„Du liebst sie wirklich sehr.“, nuschelte es hinter ihm.

Er biss die Zähne zusammen, da ihm ein Schauer über den Rücken lief, da ein warmer Atem über seinen Nacken streifte, während er ein Stück wegrutschte und über seine Schulter hinweg den Jüngeren musterte. Wie schon angenommen, lag dieser zur Hälfte auf Azrael's Betthälfte und sah ihn an, ehe er „Deine Waffen.“, hinterher schob und Azrael murrte bestätigend.
 

Azrael drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf, bevor er so hinrutschte, dass er sich an das Betthaupt lehnen konnte, und sich seine Flasche griff, aus der er ein paar Schlucke nahm.

Kurz darauf zündete er sich eine Zigarette an und stieß den Rauch durch die Nase aus, während er die Zimmerdecke musterte.
 

„Danke.“

Dieses kleine Wort veranlasste ihn dazu seinen Kopf zu drehen, und den Jüngeren anzusehen, der immer noch halb auf seiner Seite lag und ihn ansah, ehe er die Stirn runzelte.

Er verstand gerade nicht, wofür sich der Andere bedankte, und war deshalb verwirrt.

So verwirrt, dass er erst merkte, dass er sich bewegte als es schon zu spät war, und er Yong Tae kurz durch die Haare fuhr.

Sofort zog er seine Hand zurück und murrte ein „Wofür?“, bevor er ein paar Schlucke aus seiner Flasche nahm und wieder an seiner Zigarette zog.
 

„Dass du das heute mitgemacht hast. UND dass du deine Waffen daheim gelassen hast.“

Der Blick des Blonden wanderte wieder zu Yong Tae, und er zog wieder an seiner Zigarette, ehe er diese seufzend im Aschenbecher ausdrückte, obwohl sie erst zur Hälfte aufgeraucht war.

„Gern geschehen.“
 

Vielleicht war es ganz in Ordnung gewesen, das mitzumachen, auch wenn er sich fühlte als hätte er vier Tage an einem Auftrag gearbeitet, ohne auch nur eine Stunde Schlaf zu bekommen.

Aber sogar er sah ein, dass er den Jungen nicht ständig in der Wohnung behalten konnte. Immerhin war dieser erst neunzehn und brauchte so etwas wie Auslauf und ein soziales Leben.

Nur weil er selbst dafür nicht geschaffen war, hieß das nicht, dass Yong Tae auch so enden musste.
 

„Das nächste Mal gehen wir aber in einen Club. Da läuft wenigstens vernünftige Musik.“

„Wir machen das wirklich wieder?“, hakte der Schwarzhaarige, nun auf einmal hellwach, nach während er so nahe rutschte, dass er beinahe auf ihm landete, weshalb Azrael das Gesicht verzog.

„Vielleicht...ja.“, gab er zu und hielt im nächsten Moment die Luft an, ehe er auf seinen Bauch hinunterschielte, auf dem es sich Yong Tae mit seinem Kopf bequem gemacht hatte.
 

„Was wird das eigentlich?“, hakte er nach einer Weile nach, und stellte seine Bierflasche auf dem Nachttisch ab.

„Ich bin betrunken.“

„Aha.“
 

Er blickte auf den Jüngeren hinunter und schwieg, bevor er dessen Kopf antippte und damit erreichte, dass Yong Tae ihn ansah.

„Geh weg, ich kann so nicht schlafen.“, gab er trocken von sich und sah den Schwarzhaarigen auffordernd an, der die Unterlippe vorschob und von ihm abrückte.
 

Azrael schaltete das Licht aus und rutschte in eine liegende Position, ehe er sich auf die Seite drehte und genervt die Luft ausstieß, als Yong Tae keine Sekunde später an seinem Rücken klebte.

Kurzzeitig überlegte er sich, ob er den Anderen gezielt aus dem Bett treten sollte, seufzte dann jedoch, als er sich dagegen entschied.

„Dir ist klar, dass du das bereuen wirst?“
 

Es war eigentlich eine rhetorische Frage, aber er spürte den Schwarzhaarigen an seinem Rücken nicken, bevor dieser anfing eine bequeme Position zu suchen.

Die Suche fand ein Ende, nachdem er einen Arm um Azrael's Taille geparkt und sein Gesicht zwischen den Schulterblättern gedrückt hatte.

„Ich kann dich nicht ausstehen.“, murrte der Blonde, bevor er die Augen schloss.

The man who is like a father

„Du siehst aus, als könntest du eine Mütze voll Schlaf vertragen.“

Azrael murrte gegen die Tischplatte, auf der sein Kopf auf seinen verschränkten Armen ruhte, während vor ihm ein Glas Orangensaft und ein überfüllter Aschenbecher stand.
 

„Ich schwöre bei allem was mir heilig ist: Ich werde nie wieder Babysitter für irgendein Balg spielen. Niemals wieder. Und wenn der Boss sich auf den Kopf stellt und anfängt zu singen.“, gab er von sich, bevor er gähnte und sich wieder aufrichtete, um nicht wirklich noch auf einem Tisch in einer schäbigen Bar am Arsch der Welt einzuschlafen.
 

„'Balg' ist gut, Junge. Du bist nur zwei Jahre älter als er.“

„In Sachen Lebenserfahrung bin ich ungefähr vierzig.“, konterte Azrael und zündete sich erneut eine Zigarette an, bevor er sich nach hinten lehnte und die Beine überschlug, ehe er den Rauch seiner Zigarette in Kreisen in die Luft ausstieß.
 

Der Mann hinter der Theke sagte nichts dazu, sondern ging stattdessen weiter seiner Tätigkeit nach, was Azrael dazu veranlasste aus der schmutzigen Fensterscheibe nach draußen zu blicken.

Dass man durch die Scheibe überhaupt noch nach draußen blicken konnte, fand er schon bewundernswert. Er konnte sich nicht erinnern, dass die Fenster in diesem Schuppen jemals geputzt worden waren.
 

Andererseits gab es draußen auch nichts zu sehen, was besonders interessant gewesen wäre.

Einöde war so ziemlich alles was man sah, und das spannendste waren immer noch die vorbeifahrenden Autos auf der Autobahn, die aufgrund der Entfernung allerdings nur die Größe von Ameisen hatten.

Die Bar 'Sunny' lag in einem Dorf umringt von Grünflächen und Wäldern, war allerdings nie gut besucht. Meistens war Azrael der einzige Gast.

Was zum Großteil wohl auch daran lag, dass das Dorf die letzten Einwohner vor ungefähr zwanzig Jahren gesehen hatte, und seitdem unbewohnt vor sich hinrottete.
 

Das Schild, das von der Autobahn zum 'Sunny' wies, war schon seit Jahren unleserlich, und war irgendwann abgebrochen, weshalb sich nun niemand mehr hierher verirrte.

Im Grunde begrüßte der Blonde das sehr, da er wirklich keinen Wert darauf legte, gestört zu werden. Auf der anderen Seite tat ihm der Barbesitzer meistens leid. Würde er nicht ab und zu vorbei schauen, würde dieser vermutlich überhaupt kein menschliches Wesen zu Gesicht bekommen.
 

„Du magst ihn.“, kam es nach einer Weile der Stille und Azrael sah den alten Mann mit der Glatze fragend an, ehe er ein „Wen?“ von sich gab.

„Na, das 'Balg'.“

Er schnaubte und zeigte dem Alten den Vogel, ehe er seinen Orangensaft in einem Zug leerte und das Glas auf den Tisch knallte.

„Du wirst wohl langsam alt und tattrig. Ich bin zu so was nicht fähig.“, murrte er, während er wieder an seiner Zigarette zog und den Rauch ausstieß.
 

„Gut, das habe ich dir irgendwann einmal gesagt. Aber das heißt ja nicht, dass ich unbedingt recht haben muss.“

Azrael's Augenbraue wanderte in die Höhe, während ein spöttischer Laut seine Lippen verließ.

„Sag bloß, du hast dich geirrt, Alter?!“

„Sei nicht so frech, Junge. Jeder Mensch irrt sich mal.“, murrte der Alte und er zuckte mit den Schultern, bevor er aufstand und hinter die Bar ging, um sich noch ein Glas Orangensaft zu holen.
 

„Auf jeden Fall magst du ihn.“

Warum der Alte ihn damit nicht in Ruhe lassen konnte, und stattdessen versuchte ihm etwas einzureden, wollte er gar nicht verstehen. Aber es ging ihm minimal auf die Nerven.

„Tu ich nicht.“, kam es gleichgültig über seine Lippen, während er wieder seinen Tisch ansteuerte.

„Dann hast du sicher kein Problem damit, wenn ich ihn umlege.“
 

„Dann wirst du deines Lebens nicht mehr froh.“

Er hatte es ausgesprochen, bevor er darüber nachgedacht hatte und verzog das Gesicht, ehe er über die Schulter zu dem Alten sah, der ihn mit einer gehobenen Augenbraue amüsiert angrinste.

„Siehst du?“

„Das sagt gar nichts. Ist mir so rausgerutscht.“, murrte er und verschränkte die Arme vor der Brust, nachdem er das Glas auf dem Tisch abgestellt hatte.

„Das macht die Sache nicht unbedingt glaubwürdiger.“

„Halt einfach die Klappe!“, stieß der Blonde aus und biss die Zähne zusammen, während er sich wieder auf seinen Stuhl fallen ließ.
 

„Spricht man so mit seinem Ausbilder?“

„Wenn er Scheiße redet, ja.“, kommentierte Azrael trocken, musste bei dem empörten Schnauben des Alten jedoch grinsen, ehe er ihm den Blick zuwandte.
 

Eduard McCullen, war sein Ausbilder gewesen. Die Nummer Zwei, nachdem er den Ersten und dessen Gefolge ausgelöscht und nur Azrael verschont hatte.

Vielleicht lag es daran, dass Azrael damals erst sieben Jahre alt gewesen war, und der Alte eine Schwäche für Kinder hatte, aber er verschonte ihn.

Stattdessen nahm er ihn mit, brachte ihm alles bei was er wusste, brachte ihm Lesen und Schreiben bei und ließ ihn irgendwann in China zurück, während er vom Erdboden verschwand.
 

Azrael hatte nie nachgefragt, warum er einfach verschwunden war und ihn zurückgelassen hatte. Es spielte auch keine Rolle mehr. Man konnte die Vergangenheit nicht ändern, und es war auch nicht so, als ob sie sich ewige Treue geschworen hätten.

Stattdessen hatte er sich seinen eigenen Weg gesucht, und war auf Astrit getroffen.

Eines hatten alle seine Ausbilder gemeinsam: Sie hatten ihn irgendwie aufgegabelt.
 

Nach Astrit's Tod war Ed wieder aufgetaucht. Sie waren sich kurz in Russland begegnet, und Azrael hatte den alten Mann laufen lassen, auch wenn sein Befehl anders gelautet hatte.

Aus irgendeinem Grund war ihr Kontakt seitdem nie abgerissen, und er war auch nicht sonderlich überrascht gewesen, als der Alte auf einmal in Südkorea auftauchte.

Er sei jetzt fünfundsechzig und zu alt für diesen ganzen Scheiß, hatte er gesagt. Er würde sich nun zur Ruhe setzen und die reichen Trottel sollten sich Andere suchen, die ihre Probleme lösten.
 

Ed fuhr einen alten, verbeulten und rostigen blauen Chevie, auf dessen Ladefläche genug Platz für seine drei Hunde war. Altersschwache Tiere, die nicht einmal genug Zähne mehr im Maul hatten, um Trockenfutter zu kauen.

Die Bar war der ganze Stolz des Alten, auch wenn er nicht wirklich viele Leute zu Gesicht bekam. Und eigentlich hätte er wegen der fehlenden Gäste schon längst dicht machen können, wenn Azrael ihm nicht ein Angebot unterbreitet hätte.
 

Er bezahlte die Miete für diese Bruchbude, wenn Ed im Gegenzug seine Waffen und den Wagen reparierte.

Auch wenn seine Waffen Spezialanfertigungen waren, war Ed immer noch ein Profi und konnte schwerwiegende Schäden daran reparieren, was er selbst nicht konnte. Und im reparieren von Autos war er erst recht eine Niete.

Ed nahm das Angebot an, und besorgte ihm als 'Bonus' andere Waffen oder Dinge, die er brauchte.

Man brauchte nur die richtigen Verbindungen.
 

„Mensch Junge, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“

Der Blick des Blonden wanderte zu dem Barbesitzer und er hob fragend eine Augenbraue. Ihm war nicht aufgefallen, dass er irgendwas erzählen sollte, weshalb er den Alten fragend ansah.

„Erzähl mir was über den Kleinen. Ich seh hier draußen nicht besonders viele Leute.“

„Und da denkst du, dass Geschichten über das Balg dich über deine Langeweile hinweg trösten?“, kommentierte er spöttisch und drückte seine Zigarette nach einem letzten Zug im Aschenbecher aus.

„So langweilig kann er nicht sein, wenn er es mit dir aushält.“
 

Azrael schnaubte und schnalzte mit der Zunge, während er wieder die Arme vor der Brust verschränkte.

Warum er überhaupt noch Kontakt zu seinem ehemaligen Ausbilder hatte, fragte er sich in solchen Momenten immer wieder.

Die meiste Zeit behandelte ihn der Alte wie ein Kleinkind, das dumme Dinge tat und manche Dinge nicht verstand. Und er hasste es!
 

„Er ist nervig. Er kocht 'ausgewogene' Ernährung. Er putzt meine Wohnung, und zu allem Überfluss bügelt er meine Klamotten. Außerdem schlafen wir auch noch in einem Bett, weil ich es noch nicht geschafft habe das Gästezimmer freizuräumen.“, erzählte er dem Alten also etwas über seinen Mitbewohner.

„Bist du dir sicher, dass du auf einen zwanzig-jährigen aufpasst?“

„Ja, wieso?“

„Klingt für mich eher, als wärst du verheiratet.“
 

Er warf mit den hässlichen Stoffblumen, allerdings ohne Vase, die auf dem Tisch standen, nach dem Alten.

Natürlich wich dieser mit Leichtigkeit aus, auch wenn er behauptete Rheuma zu haben und nicht mehr so schnell zu sein wie früher.

„Spar dir deine blöden Kommentare.“, knurrte er vor sich hin und steckte sich erneut eine Zigarette an.
 

Das Letzte was er brauchte waren dumme Kommentare seines ehemaligen Ausbilders bezüglich Yong Tae.

Dass seine Beziehung zu dem Jüngeren nicht unbedingt normal war, war sogar ihm aufgefallen, obwohl er in Sachen Zwischenmenschlichkeit nicht unbedingt eine Leuchte war.
 

„Na, aber wenigstens kommt ihr miteinander klar.“, kommentierte der alte Mann und Azrael murrte, was man als Zustimmung oder Verwünschung auslegen konnte, je nachdem, wie es einem gerade beliebte.

Ob man das wirklich 'gut miteinander auskommen' nennen konnte, stand allerdings auf einem anderen Blatt. In erster Linie versuchte er den Jüngeren nicht zu lynchen, wenn dieser wieder etwas verbockte. Und Yong Tae versuchte im Gegenzug, ihm alles recht zu machen.

Was also im Prinzip so eine Art Teufelskreis war.
 

„Aus irgendeinem Grund klebt er an mir und scheint nicht mehr wirklich Angst vor mir zu haben.“, murrte der Blonde vor sich hin, ehe er nach seinem Glas griff und ein paar Schlucke daraus trank.

„Vielleicht sieht er in dir keine Bedrohung.“

„Danke, das schmeichelt mir wirklich sehr.“, kam es sarkastisch über seine Lippen, während er mit den Augen rollte.

Genau das wollte doch ein Auftragskiller hören: Dass man ihn nicht als Bedrohung ansah!
 

„Ich meinte eigentlich damit, dass er dir wohl vertraut. Irgendwas hast du an dir, dass sein Vertrauen gewonnen hat. Vielleicht bist du doch kein hoffnungsloser Fall.“, gab der Alte trocken von sich und Azrael murrte wieder.

Um kein sozialer hoffnungsloser Fall zu sein, kamen die Versuche des Alten ein paar Jahre zu spät, fand er.

Andererseits brauchten wohl auch alte Leute noch irgendwas, das sie anstreben konnten, also hielt er die Klappe und beschloss, die Fantasien des Alten nicht dem Erdboden gleich zu machen.

Lang lebte der vermutlich sowieso nicht mehr, also warum ihn deprimieren?
 

„Du solltest dich von deiner Freundin trennen und was mit ihm anfangen.“

In hohem Bogen spuckte der Blonde den Orangensaft aus, den er gerade im Mund hatte, und hustete erbärmlich, bevor er wieder Luft bekam, und seinem ehemaligen Ausbilder einen Blick schenkte.

Yong Tae wäre vermutlich in die nächste Ecke gesprungen und im Staub gekrochen. Der Alte jedoch grinste bei dem Blick nur und zuckte mit den Schultern.
 

„Du liebst sie doch eh nicht. Du benutzt sie bloß, um an irgendwelche Informationen zu kommen. Und Sex habt ihr auch keinen.“

„Das willst du woher wissen?“

„Du würdest nicht hier sitzen, wenn sie die Flügel schon gesehen hätte.“

Ein Punkt für den Alten, was Azrael zum knurren brachte.
 

„Ernsthaft. Bekomm deine Fantasien unter Kontrolle, oder schmeiß irgendwelche Tabletten dagegen ein. Ist ja abartig.“

„Ihr schlaft in einem Bett.“

„Na und? Es schlafen mehrere Leute auf der Welt in einem Bett, und haben trotzdem nichts miteinander.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„Doch.“
 

Warum er überhaupt so eine sinnlose Diskussion mit dem Barbesitzer führte, wusste er selber nicht genau. Was er aber wusste war, dass die Vorstellungen des alten Sacks echt daneben waren.

„Nein. Es ist schon ziemlich ungewöhnlich, dass du dich verletzen lässt, um irgendjemanden zu beschützen, den du angeblich nicht leiden kannst. Vor allem wenn man bedenkt, dass er lediglich ein 'Auftrag' ist.“

„Ich erledige meine Aufträge immer gründlich.“, murrte er und fluchte, als in genau diesem Moment sein Handy begann zu klingeln.
 

Auch ohne auf das Display zu schauen, erkannte er an dem Lied 'Lucky Strike' von Maroon 5, dass es Yong Tae war, weshalb er das grüne Symbol berührte und ein „Was ist?“, ausstieß.

Er hoffte für den Jüngeren, dass er einen guten Grund hatte ihn anzurufen, und nicht lediglich den, dass er wissen wollte was er zum Abendessen kochen sollte. Sonst würde er ihn lynchen.

Oder ihn zumindest den Pool mit seiner Zahnbürste schrubben lassen.
 

„Kannst du mich abholen?“

Die Augenbraue des Blonden wanderte nach oben, denn er fragte sich gerade, wo er den Jüngeren bitte abholen sollte, wenn dieser zu Hause hockte. Oder es zumindest sollte.

„Wenn du mir jetzt sagst, dass du die Wohnung verlassen hast, obwohl ich dir gesagt habe, das nicht zu tun, bekommst du richtig Ärger.“, knurrte er in das Handy und nahm einen Zug von seiner Zigarette, deren Rauch er in einem Stoß wieder in die Luft beförderte.
 

„Na ja, mir war langweilig und da...bin ich halt zu Yung gegangen.“

„Dann kannst du wohl auch alleine zurückgehen. Ich bin nicht dein Chauffeur.“

Seine Laune sank mit jedem Wort von Yong Tae noch eine Stufe tiefer in den Keller, und er hielt es für keine gute Idee jetzt zurückzufahren, da er dem Jüngeren sonst vermutlich den Hals umdrehen würde.
 

„Es tut mir ja leid.“

„Das ist mir ziemlich egal. Sieh selber zu, wie du zurück kommst.“, kam es etwas aufgebrachter von ihm zurück, ehe er einfach auflegte, ohne den Jungen noch etwas sagen zu lassen.

Sein Handy warf er auf den Tisch, während er mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte und gleichzeitig versuchte, sich zu beruhigen.

Mit eher wenig Erfolg.
 

„Ruf ihn an.“

Sein Blick huschte zu dem Alten und er schnaubte abfällig, ehe er ihm den Vogel zeigte.

„Wieso sollte ich? Soll er gucken, wie er zurück kommt. Er kam ja auch alleine hin.“, fauchte er.

„Du verhältst dich gerade wie eine betrogene Frau.“, konterte der Alte und Azrael begann mit den Zähnen zu knirschen.

Er war verdammt nochmal sauer, und da halfen die dummen Kommentare des alten Sacks nicht gerade, sein Gemüt zu beruhigen.
 

„Du hast gesagt der Junge sei eher zurückhaltend und würde dich nicht oft anrufen.“

Azrael murrte bestätigend.

„Ich denke, dass er dich jetzt anruft, wird schon einen Grund haben. Also nimm jetzt dein verdammtes Gerät da, und ruf zurück.“
 

Er zuckte aufgrund des Tonfalls zusammen und murrte, ehe er langsam nach seinem Handy griff und die Nummer des Jungen wählte.

Dass der befehlende Ton seines ehemaligen Ausbilders immer noch so eine Wirkung auf ihn hatte, missfiel ihm, aber er kommentierte es nicht, sondern schwieg stattdessen, während er darauf wartete, dass am anderen Ende endlich abgenommen wurde.
 

„Was zum Teufel stimmt nicht?“, murrte er, nachdem Yong Tae abgehoben und sich zögerlich gemeldet hatte.

„Wir werden verfolgt.“

„Verdammte Scheiße, wieso sagst du das nicht einfach gleich?“, stieß er sauer aus, während er im gleichen Moment auf die Beine sprang und sich seine Geldbörse sowie die Autoschlüssel schnappte.

„Du klangst sauer.“
 

Azrael verzog das Gesicht und schwor sich, dem Jungen einen Einlauf zu verpassen, den er in seinem ganzen Leben nicht vergessen würde, wenn sie wieder zu Hause waren.

Er sagte nicht, dass er verfolgt wurde, weil er sich sauer anhörte? Er konnte gerne mal rausfinden wie er sich anhörte, wenn er wirklich richtig sauer war, und dazu fehlte nicht mehr viel.
 

„Wo steckt ihr?“

„Im Einkaufszentrum in einer der Toiletten.“

„Was hab ich dir beigebracht?“, murrte er, während er zu dem Alten ging und dieser ihm grinsend die Waffen reichte.

Das Timing der Reparatur war einfach perfekt, und er war froh, dass der Alte gerade jetzt damit fertig wurde. Natürlich hätte er auch andere Waffen nehmen können, aber seine waren ihm dann doch am liebsten.
 

„Bleib in großen Menschenmengen, weil zielen dann schwerer ist?“

„Richtig. Bewegt euch einfach durch die Leute. Ich schreib dir kurz bevor ich da bin, und erst dann schwingt ihr eure Ärsche nach draußen.“, murrte er, bevor er auflegte und das Handy in eine Jackentasche schob, ehe er den Ausgang ansteuerte.
 

„Azrael!“

Als der Alte ihn rief, drehte er sich um, die Autoschlüssel schon in der Hand, und sah ihn fragend an. Er hatte es verdammt nochmal eilig und hatte jetzt wirklich keine Lust auf noch einen dummen Kommentar.
 

„Sei vorsichtig. Da braut sich irgendwas zusammen.“

Er blinzelte, nickte dann langsam und gab ein „Okay.“, von sich, ehe er die Bar verließ und förmlich in seinen Wagen sprang, nur um dann mit quietschenden Reifen los zu fahren.
 

Die Warnung von Ed beunruhigte ihn. Er kannte den alten Mann nun schon ewig, und dieser hatte mit seinen Warnungen bisher immer recht gehabt.

Wenn Ed sagte, da braute sich etwas zusammen und er solle vorsichtig sein, dann sollte er extrem vorsichtig sein. Bei allem was er tat.
 

Er schüttelte das ungute Gefühl ab, und drückte stattdessen aufs Gas, als er auf die Autobahn und Richtung Einkaufszentrum fuhr.

Wie der Junge es schaffte, dauernd irgendwelche finsteren Gestalten anzuziehen, die ihn danach verfolgten, würde ihm auf ewig ein Rätsel bleiben.
 

Bei genauerer Betrachtung wollte er diesem Rätsel auch gar nicht auf den Grund gehen. Bestimmt hatte es irgendwas mit der naiven Ausstrahlung des Jüngeren zu tun, und dagegen war seines Erachtens leider kein Kraut gewachsen.
 

Nachdem er sich eine Zigarette angesteckt hatte, murrte er.

Wegen dem Schwarzhaarigen würde er noch zu einem richtigen Kettenraucher werden, auch wenn man ihn jetzt schon als solchen bezeichnen konnte.

Kurzzeitig kam er auch auf die Idee, das Geld für die Zigaretten dem Boss in Rechnung zu stellen. Immerhin war es dessen Schnapsidee gewesen, ihm den Jungen aufzuhalsen und somit sein psychisches Wohl zu gefährden. Da war es nur recht und billig, ihm die Kosten dafür in Rechnung zu stellen, auch wenn er an Yong Tae nicht gerade schlecht verdiente.
 

Kaum dass er die Stadtgrenze passiert hatte, wühlte Azrael sein Handy aus der Jackentasche und schrieb eine Nachricht an seinen Schützling.

>5 Minuten. Haupteingang.<

You've forgotten who I am

Mit quietschenden Reifen lenkte er den Wagen um die Ecke und trat genau in dem Moment auf die Bremse, als Yong Tae und sein Freund aus dem Haupteingang stürmten.

Vielleicht hätte er dem Jungen am Telefon sagen sollen, er sollte sich nicht anmerken lassen, dass er wusste, dass er verfolgt wurde, aber nun war es auch schon zu spät.

Hinter den beiden Jungs verließen vier Männer in schwarzen Anzügen und getönten Sonnenbrillen ebenfalls mit eiligen Schritten das Gebäude, und Azrael verzog das Gesicht, während er die Zentralverriegelung des Wagens löste.
 

Auffälliger ging es nun wirklich nicht mehr.

Jeder zurückgebliebene Vollidiot würde bemerken, dass er verfolgt wurde, wenn die Verfolger das so offensichtlich zur Schau trugen.

Das peinlichste an der ganzen Sache war allerdings, dass diese Typen selbst tatsächlich dachten, mit ihrer Umgebung verschmelzen zu können, und sie keinem verdächtig vorkamen.

Vermutlich wäre ein Zebra in einer Wildpferdherde anpassungsfähiger, als dieses Gesockse, das jeden vernünftigen Auftragskiller in den Dreck zog, indem sie sich ebenfalls dieser Berufsbezeichnung bedienten.
 

„Du siehst irgendwie nicht erfreut aus.“, wurde er von Yong Tae angesprochen, der die hintere Autotür zuzog und sich anschnallte, ehe er seinen Freund aufforderte dasselbe zu tun.

Warum der Junge sich nach hinten setzte, verstand Azrael nicht so wirklich, aber es missfiel ihm.

Seit ihrem ersten Zusammentreffen hatte sich der Junge vehement geweigert auch nur den kleinsten Teil einer Arschbacke auf der Rückbank zu platzieren.

Und jetzt tat er es freiwillig?

Verstehe einer Studenten, er tat es nicht!
 

„Ich bin auch nicht 'erfreut'.“, murrte er zurück, während er auf das Gaspedal trat und in einem weiten Bogen wendete, um wieder auf die Straße zurückzukommen.

Es wunderte ihn nicht im geringsten, dass die unauffälligen auffälligen Herren ihre Verfolgung in einem schwarzen SUV aufnahmen, und sich dabei ungefähr genauso unauffällig verhielten wie davor, indem sie fast an seiner Stoßstange klebten.
 

„Wow! Eine richtige Verfolgungsjagd! Das ist so cool!“

Die Augenbraue des Blonden wanderte ein Stück nach oben, während er Yong Tae's Freund durch den Rückspiegel betrachtete, und sich insgeheim fragte was mit der heutigen Jugend eigentlich schief lief.

„Haben wir auch Waffen? So richtige zum Schießen?“

„Yung, halt besser den Mund.“, zischte Yong Tae und sah den Blonden durch den Rückspiegel entschuldigend an, während er zeitgleich versuchte seinen Freund zum Schweigen zu bringen.

Azrael war kurz davor ihm seine Hilfe in Form seiner Waffen anzubieten, ließ es dann aber doch bleiben, allein schon damit der Haussegen bei ihm und Yong Tae nicht schief hing.
 

Nach ein paar weiteren Minuten, in denen Yung natürlich nicht den Mund gehalten hatte, lehnte sich Yong Tae nach vorne und legte sein Kinn fast auf Azrael's Schulter, in dem Versuch mit ihm zu reden, ohne dass es der Dritte im Bunde mitbekam.

„Wird das wieder so wie beim letzten Mal?“

„Nein, diesmal pass ich auf den Wagen besser auf.“, entgegnete er unterkühlt und bog an der nächsten Kreuzung ab, wo er sich brav und sittlich in den Berufsverkehr einreihte.

„Scheiß doch auf den Wagen. Du wurdest das letzte Mal verletzt, und einiges davon ist immer noch nicht wieder ganz in Ordnung.“
 

„Sag mir wenn ich falsch liege, aber du studierst Geschichte und Sport auf Lehramt, oder?“, hakte Azrael nach, ohne auf seine Verletzungen einzugehen.

„Was hat das damit zu tun?“

„Solang du nicht im Ansatz einen Doktortitel in deinem Namen hast, halt die Klappe.“

„Ich mach mir doch bloß Sorgen.“, kam es genuschelt von dem Jüngeren und Azrael murrte.
 

„Unnötig.“, murrte er vor sich hin, auch wenn er wusste, dass das den Jungen wohl nicht im geringsten beruhigte.

Solche Schafe wie Yong Tae brauchten überzeugende Argumente gegen etwas, das ihnen Angst machte, und überzeugende Argumente hatte er im Moment nicht zu bieten.
 

„Cool, du magst den echt voll gerne, was?“

Vermutlich war er nicht der Einzige, der den Kommentar von Yung gerade als äußerst störend empfand, sagte dazu aber wieder nichts, weil Yong Tae schon dazu übergegangen war sich die Seele aus dem Leib zu stottern, um das Ganze zu verneinen, was es im Endeffekt nur noch schlimmer machte.
 

„Hey, cool man. 'It's okay to be gay' und so, du verstehst? Ich find das voll schmusig.“, winkte Yung ab.

Yong Tae sagte dazu gar nichts, sondern wechselte lieber die Gesichtsfarbe, weshalb Azrael sich zu den Beiden umdrehte und den Freund seines Schützlings fixierte, als sie an einer Ampel halten mussten.

„Steig aus, lass dich abknallen und tu mir damit einen Gefallen.“, forderte er den Anderen kühl auf.
 

Eine kurze Zeit lang herrschte absolute Stille im Wageninneren, die zuerst von Yung unterbrochen wurde.

„Sorry Bruder, ich wusste nicht, dass du emotional im Tümpel schwimmst. Keine Absicht.“

„Du kannst ihn doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Wir müssen ihn mitnehmen.“, sprang Yong Tae seinem Freund zur Seite und Azrael murrte, bevor er seinen Schützling ins Visier nahm.
 

„Ich bin keine Auffangstation für Studenten in Not. Für dich werd ich wenigstens bezahlt.“

Keine Sekunde später, kaum dass er es ausgesprochen hatte, biss er sich auf die Zunge.

Da hatte er definitiv etwas Falsches gesagt, wenn er sich Yong Tae so ansah.

„Stimmt ja. Irgendwie...hab ich das vergessen.“
 

Noch nie, wirklich niemals, hatte er ein schlechtes Gewissen gehabt, zumindest konnte er ich nicht daran erinnern.

Aber bekanntlich gab es für alles ein erstes Mal, und er stufte dieses nagende und unangenehme Gefühl in seiner Magengegend so ein, dass es ein schlechtes Gewissen sein könnte.

Zumindest fühlte er sich reichlich mies, und das allein kam schon selten genug vor.

Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch der Jüngere winkte nur ab.

„Tut mir leid. Ich dachte nur dass wir...na ja, egal. Tut mir leid.“
 

„Halt die Klappe! Es tut mir leid, okay?“, kam es etwas lauter über seine Lippen, während er seinen Blick wieder nach vorne wandte und die paar Meter weiter rollte, die sich der Verkehr inzwischen bewegt hatte.

„Ich hätte das so nicht sagen sollen. Ist mir raus gerutscht.“, hängte er etwas ruhiger hinten dran, und sah kurz in Rückspiegel, ehe er das Gesicht verzog.

„Und grins nicht so dumm, da wird man ja blind.“, maulte er sofort los, als er einen Blick auf den Jungen erhascht hatte, wobei seine Mundwinkel zuckten.
 

„Sollte ich nicht aussteigen?“, kam es vom Rücksitz, als Azrael wieder Gas gab und knapp vor einem erneuten Rot die Ampel passierte, die ihre Verfolger ausbremste.

„Bleib wo du bist, und halt die Klappe.“, murrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, ehe er die Musik anschaltete und sie lauter drehte.

Zumindest so laut, dass er das sinnfreie Geschwafel von Yung nicht mehr hören musste.
 

Der restliche Weg zu seiner Wohnung verlief zu Azrael's Freude reibungslos. Durch die Musik konnte er das sinnfreie Gerede der Studenten nur noch als Murmeln wahrnehmen, und die Verfolger waren irgendwie verschwunden.

Vermutlich standen sie immer noch an der Ampel, weil sie den ersten Gang nicht reinbrachten, dachte der Blonde gehässig und zeigte ein boshaftes Grinsen,
 


 

„Das ist so cool! Die Bude ist der Hammer! Geil, und du wohnst jetzt hier? Echt jetzt?“

Die Lautstärke mit der Yung sprach, konnte vermutlich auch noch das schwerhörige Ehepaar in der Wohnung gegenüber hören, dachte sich der Blonde, während er sich mit einer Hand das freie Ohr zuhielt und das Handy an das andere presste.
 

„Was ist denn bei dir da los?“

„Ich glaube, ich habe ein Problem.“, kam es trocken über seine Lippen.

Azrael warf einen Blick über seine Schulter und verzog sein Gesicht, während Yong Tae versuchte seinen Freund davon abzuhalten, alle möglichen Schubladen im Wohnzimmer zu durchwühlen und ihn vom Schlafzimmer fern zu halten.
 

„Irgendwie ist mir ein zweiter Student zugelaufen.“, hängte er hinten dran, als das Schweigen am anderen Ende der Leitung ihm zu lange andauerte.

Anstatt einer Antwort, bekam er erst einmal Gelächter, gefolgt von einem fürchterlichen und lang anhaltenden Husten, das vermutlich durch jahrzehntelanges Rauchen ausgelöst wurde.

„Dir ist was zugelaufen?“, kam es immer noch glucksend zurück und er murrte unfreundlich, bevor er sich ins Badezimmer begab und die Türe hinter sich schloss, um in Ruhe telefonieren zu können.
 

So erzählte er Ed, was in der Stunde passiert war, seit er bei ihm losgefahren war, und wie es dazu gekommen war, dass er nun einen zweiten Typen in seiner Wohnung hatte, wo er schon gegen den Ersten gewesen war.

Mit Yong Tae konnte er sich arrangieren, oder zumindest redete er sich das ein, um sich nicht damit herumschlagen zu müssen, dass er den Kleinen doch ganz gerne mochte.

Aber Yung würde er vermutlich aus Versehen nachts erschießen, während er schlafwandelte. Wobei ein Mord an Yung seiner Meinung nach nicht mal ein Mord war, sondern reine Notwehr, um den Versand zu retten.
 

„Wenn ich das jetzt richtig verstehe Junge, dann bist du bei mir losgefahren, um dein Schätzchen abzuholen, ne? Und aus irgendeinem Grund hast du den Freund da auch mitgenommen, obwohl er für die Typen total uninteressant ist und eigentlich nichts zu befürchten hat? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Mitwissende sind immer ein Risiko, das weißt du besser als ich, also wieso hast du den Bengel mitgenommen?“
 

Azrael betrachtete sich im Spiegel und zupfte an ein paar Ponysträhnen herum, während er vor sich hin murrte und mit den Schultern zuckte, auch wenn Ed das nicht sehen konnte.

„Weiß nicht. Vielleicht damit der Haussegen nicht schief hängt. Sagt man doch so, oder?“, nuschelte er dann und zündete sich eine Zigarette an, deren Rauch er gegen den Spiegel blies.
 

„Der Haussegen?“, kam es fast schon fassungslos aus der Leitung und er knurrte, ehe er tief Luft holte.

„Ja man! Was glaubst du wie sauer oder deprimiert Yong Tae sein wird, wenn der Typ den Löffel abgibt. Bestenfalls ist er nur eins davon und nicht beides zusammen. Ich will dann nicht zu Hause sein.“

Azrael runzelte die Stirn, als am anderen Ende nichts zu hören war, außer Stille und gelegentliches Atmen.

„Weißt du, wie du dich gerade anhörst? Wie ich in meiner ersten Ehe.“, entgegnete Ed trocken und der Blonde schwieg.

„Ist gar nicht wahr.“, murrte er zurück und aschte in das Waschbecken, bevor er sich mit der Hüfte dagegen lehnte.
 

„Weswegen ich eigentlich anrufe: Ich brauch einen Babysitter.“, kam er dann endlich auf den Grund seines Anrufes zurück und zog erneut an der Zigarette, während er auf eine Antwort wartete.

„Und da rufst du mich an? Ich bin ein alter Mann und im Ruhestand. Ich bin zu alt, um auf zwanzigjährige Bengel aufzupassen.“, nölte es aus dem Handy, und der Blonde hob interessiert eine Augenbraue.

„Aber du wolltest doch immer Enkelkinder haben. Das ist die Chance, Opa.“

„Nenn mich nicht Opa. Außerdem hab ich mit dir genug Arbeit.“
 

Azrael rollte mit den Augen, bevor er in den Spiegel grinste und sich durch die Haare fuhr.

„Mh, hast recht. Schade...ich weiß echt nicht zu wem ich sie bringen soll, der normale Dinge mit ihnen macht wie...Schach spielen, ins Kino gehen und so.“

„Warte! Die machen so normales Zeug? Auch kochen?“

„Yong Tae liebt kochen.“, schnurre er in das Mobiltelefon und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, während sein Grinsen noch eine Spur breiter wurde.

„Ich bin in zwei Stunden bei dir.“, damit wurde aufgelegt.
 

Azrael schob das Handy in seine hintere Hosentasche und grinste weiter, ehe er vor sich hin pfiff und sich im Spiegel betrachtete.

Vielleicht war es etwas hinterhältig gewesen, sich Ed's Schwäche für Normalität zu Nutze zu machen, aber ihm fiel sonst wirklich niemand ein, der auf die beiden Idioten aufpassen konnte, und dem er genug vertraute, um sie ihm zu überlassen.
 

Mal abgesehen davon hatte er ja nicht einmal gelogen.

Die Bälger waren ja normal und hatten mit Waffen an sich nichts am Hut.

So bekam Ed seine 'Enkelkinder' inklusive Normalität, und er selbst konnte sich um die wirklich wichtigen Dinge im Leben kümmern, ohne ständig das Handy im Blick haben zu müssen.
 

Als er das Badezimmer verließ, fand er das Wohnzimmer verlassen vor, dafür aber drang ein ziemlicher Tumult aus seinem Schlafzimmer, was seine Augenbraue kurz zucken ließ, bevor er sich zu eben jenem Zimmer begab und im Türrahmen stehen blieb.
 

Yong Tae umklammerte Yung mit Armen und Beinen um ihn am Vorwärtskommen zu hindern, während dieser sich auf dem Boden wand wie ein Wurm.

Das ganze sah so lächerlich aus, das Azrael kurzzeitig überlegte, es zu filmen und bei der nächsten 'Firmenfeier' abzuspielen, oder es zumindest auf Youtube zu veröffentlichen.

Aus Gründen des Daten- und Personenschutzes verwarf er den Gedanken.
 

„Ich will sie doch nur mal sehen. Die sind bestimmt voll cool!“

„Auf keinen Fall! Das hier ist Privatsphäre!“, hielt Yong Tae dagegen, und auch wenn der Blonde keine Ahnung hatte worum es ging, gab er seinem Schützling im Stillen einfach mal recht.
 

„Kinder, genug gespielt! Bald kommt Opa und passt auf euch auf, weil Papa mal arbeiten gehen muss.“, warf er in den Raum, und hatte prompt die gesamte Aufmerksamkeit der beiden am Boden Liegenden.

Aus beiden Gesichtern sprach das gleiche Unverständnis, die gleiche Verwirrung und vor allem die gleiche Vermutung, dass er selbst nicht mehr alle Latten am Zaun hatte.
 

Der Erste, der sich aus dieser verstörenden Szene reißen konnte, war Yong Tae, der Yung los ließ und sich aufrichtete, bevor er ihn mit großen Augen ansah.

„Du gehst weg? Wohin?“

Vielleicht war ihre Beziehung in der Zeit doch etwas zu viel des Guten geworden, dachte Azrael, sprach es jedoch nicht aus.

„Arbeiten.“, wiederholte er deswegen, sah den Jungen jedoch nicht an, sondern stattdessen den Freund.
 

Mitwissende waren wirklich nicht gut, das wusste er. Eigentlich wäre es das beste Yung auszuschalten, um jedes größere Risiko zu vermeiden.

Auf der anderen Seite jedoch, stand Yong Tae der absolut dagegen sein würde, und der drohende schiefe Haussegen.

Wie er sich nun also diesem Problem entledigen sollte, war ihm schleierhaft.

Während er sich umdrehte und in die Küche ging, um sich aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser zu holen, versuchte er eine Lösung zu finden.
 

Er könnte Yung genauso wie Yong Tae einfach bei sich behalten und auf ihn achten. Und sobald der Auftrag mit Yong Tae erledigt war, konnte er ihn um die Ecke bringen, damit keine Zeugen zurück blieben. Somit wäre er beide Probleme los, und konnte wieder in allem Frieden und Waffengewalt seinem Leben nachgehen.
 

Im Allgemeinen fand er die Idee nicht schlecht, aber bei dem Gedanken daran mit zwei Kindern auf unbestimmte Zeit seine Wohnung teilen zu müssen, wurde ihm kotzübel.

Rein theoretisch betrachtet, sollte der Auftrag Ende des Sommers erledigt sein. Aber praktisch gesehen konnte keiner wissen, wie lang Yong Tae's Vater brauchen würde, um die Schulden abzubezahlen.
 

Er war schon immer ein Fan von den absurdesten Eventualitäten gewesen und bezog sie in seine Aufträge auch gern mit ein.

Angenommen also, dem Vater wurde alles zu viel und er nahm sich einen Strick, was zur Hölle sollte er dann mit dem Jungen anfangen? Sollte der die Schulden dann fertig bezahlen? Aufgrund der Tatsache, dass dieser immer noch Student war und es vermutlich auch die nächste Zeit bleiben würde, wäre er mit der Tilgung der Schulden, laut Azrael's Berechnungen fertig, wenn er ungefähr vierzig war.

Und nein danke, so lange wollte er nicht mit ihm in einer Wohnung wohnen. Zumal es immer in den Sternen stand, wie lange er aufgrund des Berufsrisikos überhaupt noch lebte.
 

Mit gerunzelter Stirn starrte der Blonde aus dem Fenster, während er die Wasserflasche in seiner Hand hin und wieder drehte und mit den Zähnen seine Unterlippe malträtierte.

Als er Schritte hinter sich hörte, sah er über seine Schulter und direkt in die Gesichter seiner Mitbewohner.

Vermutlich würde er es niemals verkraften, dass es sein Fehler war nun die Mehrzahl benutzen zu müssen.
 

„Wir beide müssen mal reden. Unter vier Augen.“, kam es über Yong Tae's Lippen und er nickte nur ergeben ehe er dem Jungen ins Badezimmer folgte, während Yung im Wohnzimmer zurück blieb.

Warum sein Weg immer im Badezimmer endete, würde er wohl nie verstehen, aber es lag vermutlich daran, dass dieses kein Fenster hatte, und die Tür nach außen aufging, was ein Eintreten unmöglich machte.
 

„Verdammt, was sollen wir ihm denn sagen?“, platzte es aus dem Jüngeren heraus, kaum dass Azrael die Türe abgeschlossen und sich auf den Klodeckel gesetzt hatte.

Im Allgemeinen war das eine ziemlich gute Frage. Die Lüge mit der Schädlingsbekämpfung wäre vermutlich absolut sinnfrei, denn kein Kammerjäger der Welt wurde von Typen verfolgt die aussahen, als wären sie aus einer zweitklassigen Men in Black Verfilmung gestolpert.
 

„Kein Schimmer.“, antwortete der Blonde deswegen wahrheitsgemäß und fischte sich eine Zigarette aus der Schachtel, die er aus seiner Hosentasche gezogen hatte.

„Dass das vorhin eine Verfolgungsjagd war, hat er definitiv begriffen.“, hängte er hinten dran.

Was leider seine Theorie widerlegte, dass Yung dumm wie eine Schale Reis war.
 

„Dass meine Wohnung wegen eines Kurzschlusses explodiert ist, ist ja noch irgendwie logisch. Dass ich hier bei dir wohne immerhin auch, weil du der Sohn von Freunden meiner Eltern bist, und nun mal eine größere Wohnung hast als meine Studentenfreunde. Aber der glaubt uns nie im Leben, dass du ein netter und unschuldiger Bürger bist.“
 

Azrael hob interessiert eine Augenbraue, ehe er seine Augen zu Schlitzen verengte und den Jungen mit Blicken taxierte.

Und sofort wurde dieser nervös und fing an, an seinen Fingern herumzuzupfen.

„Abgesehen davon dass sich kein Kammerjäger solche Autos wie du leisten kann, hat er vorhin dein Waffenarsenal im Kleiderschrank gesehen.“, kam es leise, und Azrael hatte Mühe nicht seine Zigarette fallen zu lassen, während er den Jungen anstarrte.
 

„Ich hab nur kurz nicht hingeschaut und da hat er halt schon alle Schränke aufgerissen. So ist er eben. Ich hab den Schrank zwar schnell wieder zu geschlagen, aber gesehen hat er sie trotzdem kurz.“
 

Das erklärte, warum die beiden am Boden herumgekrochen waren.

Er zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch durch die Nase wieder aus, während er überlegte. Im Prinzip konnten sie sich jetzt jede Ausrede sparen.

„Also heißt das im Endeffekt, er hat zu viel gesehen.“, kam es ruhig über seine Lippen und Yong Tae nickte, ehe er die Augen aufriss.
 

„Warte!“

Noch ehe Yong Tae einen Schritt nach vorne gemacht hatte, war Azrael aufgestanden, und hatte eine seiner Waffen aus den Holstern am Gürtel gezogen, bevor er die Badezimmertüre aufschloss.

„Das kannst du nicht machen!“, stieß der Jüngere aus, und packte ihn am Unterarm, weshalb er inne hielt.
 

Er sah den Schwarzhaarigen über seine Schulter hinweg eisig an und schwieg kurz.

„Wenn er ein Wort darüber verliert, war es das mit der Organisation.“, erwiderte der Blonde monoton, während er seinen Arm aus der Umklammerung wand.

„Das mag dir vielleicht recht gelegen kommen, denn immerhin wärst du dann wieder frei. Aber so weit wird es nicht kommen.“
 

Noch ehe der Andere reagieren konnte, riss Azrael die Badezimmertüre auf und ging ohne Umschweife ins Wohnzimmer, wo Yung sich gerade an seinem Fernseher zu schaffen machte.

Der Junge mit den Dread's blinzelte, als er die Waffe auf ihn richtete und hob langsam die Hände, während er die Fernbedienung fallen ließ.

„Ey, Bruder. Tut mir leid! Ich wusste nicht, dass der Fernseher tabu ist.“
 

So viel Unverständnis hatte nicht einmal er Yung zugetraut, aber er konnte darauf nichts mehr erwidern, da sich seine Nackenhaare aufstellten und er sich in einem Reflex duckte.

Im nächsten Augenblick rauschte eine Vase über seinen Kopf hinweg, und er packte blitzschnell das Handgelenk des Angreifers, an dem er ihn nach vorne zog, und ihm den Ellenbogen des Arms in den Brustkorb rammte, in dessen Hand er auch die Waffe hielt.
 

Ein schmerzerfülltes Keuchen traf sein Gehör, noch während er sich im selben Moment umdrehte und den Hals des Angreifers mit seinem Arm umschloss, während er dessen Kopf an seinen eigenen Oberkörper drückte, und damit die Luftzufuhr des Anderen einengte.
 

Der Angreifer war natürlich Yong Tae gewesen, und er sah nach unten in dessen schmerzverzerrtes Gesicht, während er gleichzeitig mit seiner Waffe auf Yung zielte.

„Du hast in deiner Zutraulichkeit offenbar vergessen, wer ich bin.“, kam es kalt über seine Lippen.
 

Yong Tae's Lippen zitterten leicht, während er versuchte sich aus der Umklammerung, die seinen Hals umschlang, zu befreien, und mit den Händen an Azrael's Unterarm zog.

„Und dass ich dich töten darf, wenn du Mist baust.“, hängte der Killer hinten dran, ehe seine Mundwinkel sich zu einem kühlen Lächeln hoben, und er die Waffe auf den Kopf des Schwarzhaarigen richtete.

Mission Two: Failed!

Als es klingelte, wandte Azrael den Kopf in die Richtung, in der die Haustüre lag, und stieß die Luft aus, bevor er sein Glas auf den Couchtisch stellte und sich erhob.

Noch auf dem Weg zur Tür, zündete er sich eine Zigarette an. Es war die gefühlte hundertste, seit Yong Tae tatsächlich den Mumm aufgebracht hatte, ihn anzugreifen.
 

Mit Schwung riss er die Türe auf und trat zur Seite, um den alten Ed samt Hunde und Koffer hereinzulassen, und die Tür wieder hinter ihm zu schließen, bevor er ohne ein Wort zu sagen wieder ins Wohnzimmer ging und sich auf das weiße Ledersofa fallen ließ.
 

Die beiden Hunde des Alten verloren keine Zeit, um die Wohnung genaustens unter die Lupe zu nehmen, und auch wenn er wirklich keine Tiere in seiner Wohnung mochte, sagte er nichts dagegen.

„Wo sind denn die beiden?“, rief Ed vom Flur aus, und er murrte, weswegen der Alte keine Minute später im Türrahmen stand und ihn mit zusammengezogenen Brauen musterte.
 

„Da.“, antwortete er und der Alte stand keine Minute später im Türrahmen, wo sein Blick zuerst auf den Jungen haftete, ehe er wieder zu Azrael schwang und an ihm kleben blieb.

„Man glaubt es kaum, aber das Balg hatte echt den Mut mich anzugreifen.“, kam es fast schon belustigt über seine Lippen, bevor er an der Zigarette zog und den Rauch in die Luft ausstieß.
 

„Und er hatte sogar Erfolg dabei, mich zu verletzen. Ich bin tatsächlich fast stolz auf ihn.“, grinste der Blonde und hielt seinen rechten Arm in die Höhe, damit Ed die blutverkrustete Bisswunde sehen konnte, bevor er aufstand und die Zigarette im Aschenbecher ausdrückte.
 

„Mach mit ihnen, was du für richtig hältst. Aber schaff sie aus dem Weg, wenn sie ein Risiko darstellen.“, wandte er sich an den Alten und nahm seine Jacke von der Sofalehne, in die er hineinschlüpfte.

„Das musst du deinem alten Ausbilder nun wirklich nicht sagen, Junge!“, murrte Ed und die Mundwinkel des Blonden zuckten.
 

Während er sein Zeug zusammensuchte und in die Hosentaschen schob, humpelte Ed zu den Jungs und riss ihnen mit einem Ruck das Klebeband vom Mund, das er zusammengeknüllt auf den Couchtisch warf.

Nachdem Azrael auch seine Autoschlüssel gefunden hatte, blieb er im Türrahmen stehen und hatte Mühe damit ein 'Bin weg', von sich zu geben, so wie er es sonst immer tat, wenn er ohne Yong Tae das Haus verließ.

Stattdessen wandte er den Kopf und sah dem Jungen in die Augen, der ängstlich zurück sah.

„Zu dumm, dass es nicht geklappt hat. Vielleicht beim nächsten mal.“, kam es stattdessen über seine Lippen, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und die Haustüre ansteuerte.
 

„Az! Warte! Das wollte ich nicht!“, hörte er den Jungen rufen, als er den Türknauf in der Hand hatte, hielt aber nicht inne sondern betrat den Hausflur und zog die Türe hinter sich zu.
 

Auf dem Weg in die Tiefgarage hing er seinen Gedanken nach.

Die Worte des Jungen waren so lächerlich, dass er darüber gelacht hätte, wenn die Situation es zugelassen und er das Bedürfnis danach verspürt hätte.

Stattdessen drehte sich ihm bei den Worten lediglich der Magen um.

So etwas scheinheiliges hatte er schon oft genug zu Gesicht bekommen, und er war froh, dass er diese Eigenschaft nicht aufwies.
 

Zu sagen man wollte das doch nicht, während man versuchte jemanden zu töten, oder es gar geschafft hatte, war so ziemlich das ekelhafteste, das er kannte.

Er selbst war nun wirklich kein Engel und hatte hier und da auch ein paar Identitätskrisen hinter sich, aber er hatte noch nie behauptet es nicht gewollt zu haben, jemanden zu töten.

Vielleicht lag das aber auch an der Erziehung, die unterschiedlicher nicht hätte sein können.
 

Missbilligend schnalzte Azrael mit der Zunge und stieg in seinen Wagen, ehe er den Zündschlüssel ins Schloss steckte und den Motor aufheulen ließ.

Ursprünglich hatte er vorgehabt herauszufinden, wer es auf Yong Tae abgesehen hatte.
 

Die Vermutung, dass er selbst das Ziel sein könnte, hatte er aus diversen Gründen ausgeschlossen.

Erstens machte es keinen Sinn, dass irgendwelche Typen in Yong Tae's Wohnung einbrachen, wenn sie eigentlich ihn haben wollten.

Zweitens, hatten sie sich nicht mehr um ihn gekümmert, als er am Boden der Grube im Wagen gelegen hatte.

Drittens, hatte einer gesagt ihr Boss wolle ihn nicht verletzen, was Töten komplett aussortierte.

Viertens, nur Yong Tae war im Einkaufszentrum gewesen, nicht er.
 

Wieso und weshalb man es auf den Jungen abgesehen hatte, leuchtete ihm allerdings nicht ein. Yong Tae hatte weder brisante Informationen, die für irgendeine Organisation oder Behörde von Bedeutung sein konnten, abgesehen von der, dass er wusste wo Azrael und dessen Boss wohnten und er den Blonden bis ins Detail beschreiben konnte.

Aber diese Information war nicht das Problem. Weder er selbst, noch sein Boss, hingen besonders an der Stadt und konnten sich jederzeit ungesehen aus dem Staub machen.

Über die Organisation selbst wusste Yong Tae nichts, da machte es mehr Sinn, dessen Vater zu verfolgen.
 

Und dann war da noch so ein Gefühl, das Azrael nicht in Ruhe ließ, sondern stattdessen an ihm nagte.

Es war unangenehm und manchmal auch stechend, und war dafür verantwortlich, dass seine inneren Alarmglocken schrillten.

Zwar wusste der Blonde nicht, was genau dieses Gefühl auslöste, aber es verhieß nichts Gutes, was ihn unruhig werden ließ, obwohl er es nicht wollte und auch schon lange nicht mehr gewesen war.
 

Der Wagen schoss auf die Straße, aber anstatt an den Ort des ersten Verbrechens, der verkohlten Wohnung des Jungen, zu fahren, schlug Azrael den Weg zur Stadtgrenze ein.

Er hatte im Moment weder die Ruhe, noch die Geduld, geschweige denn die Nerven sich darum zu kümmern.

Solange sein alter Ausbilder bei den Jungs war, musste er sich darum keine Sorgen machen, weshalb er kurzerhand beschlossen hatte, seinem Boss einen Besuch abzustatten.
 

Mal abgesehen davon, dass er sich schon über längere Zeit nicht mehr bei diesem gemeldet hatte, und mit der Berichterstattung etwas hinterher hing, tat es vielleicht ganz gut, zur Abwechslung mal eine Weile von dem Jungen weg zu kommen.
 

Azrael stellte die Musik an, und verzog augenblicklich das Gesicht, als ihm 'Wherever you will go' von 'The Calling' entgegen schallte.

Das Ganze wurde auch nicht besser, als er den Titel weiter schaltete, da er offensichtlich an dem Punkt seines USB-Sticks angekommen war, an dem die Schnulzen die Herrschaft an sich rissen.
 

Genervt davon wechselte er auf das Radio, wo es mit 'I will always love you' von 'Whitney Houston' nur noch schlimmer anstatt besser wurde.
 

„Das darf doch nicht wahr sein.“, knurrte er und schaltete die Anlage komplett aus, bevor er sich eine Zigarette anzündete und auf die Autobahn abbog, wo er das Gaspedal durchdrückte und an den anderen Autos vorbeirauschte.
 

Während der gesamten restlichen Fahrt weigerte sich Azrael die Anlage wieder anzuschalten. Zu groß war die Befürchtung wieder von einer Welle aus Liebe, Herzschmerz und Depressionen, schön verpackt in einem Song, überrollt zu werden.

Dementsprechend mies gelaunt, fuhr er auch auf das Anwesen, das sein Boss mit seiner Familie bewohnte, und parkte den Wagen auf seinem Parkplatz.
 

Er sog tief die frische Luft in seine Lungen, als er ausstieg und die Wagentüre hinter sich zuknallte. Die Mühe, den Wagen abzuschließen, machte er sich überhaupt nicht.

Das Anwesen seines Bosses glich in Sachen Sicherheit Ford Nox, und nicht einmal eine Küchenschabe schaffte es, ohne Kontrolle das Tor zu passieren.
 

Eher aus Gewohnheit, als aus wirklicher Not, zündete er sich eine Zigarette an, und folgte dem Kiesweg zu seiner Rechten einmal um die gesamte Villa, bis er durch die Terrassentüre glitt, die direkt in das Büro des Oberhaupts der Organisation führte.
 

Azrael's Mundwinkel zuckten kurz, und er stieß den Zigarettenrauch durch die Nase aus, bevor er sich so leise wie möglich weiter schlich, und den Schreibtisch umrundete, um davor stehen zu bleiben.
 

Sein Boss hatte die Ärmel seines hellblauen Hemds bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt, und hing mehr in seinem schwarzen Ledersessel als dass er wirklich saß, während er ab und zu ein leises Schnarchen verlauten ließ.

Natürlich wusste der Blonde, dass sein Boss absolut überarbeitet war und die Ruhe eigentlich bräuchte, aber er selbst war auch überarbeitet und hatte nicht einen Funken Ruhe in seinen eigenen vier Wänden, weshalb er mit der flachen Hand auf die Tischplatte schlug.
 

Sein Boss fuhr schreckhaft in die Höhe und sah sich ein paar Sekunden orientierungslos um, ehe sein Blick auf dem Killer haften blieb, und einen strafenden Ausdruck annahm, was den Jüngeren zum Grinsen brachte.

„Pennen ist nicht. Zeit für die Berichterstattung.“, kommentierte Azrael, und schlenderte durch den Raum, wo er sich eine Flasche Wasser aus der Minibar fischte und sich in einen der herumstehenden Sessel fallen ließ.
 

Der ältere Herr fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht, offenbar in dem Versuch richtig wach zu werden, und murrte unverständliches Zeug vor sich hin, ehe er sich in seinem Sessel zurücklehnte und die Hände über dem Bauch verschränkte.

„Ist es möglich, dass du deine Weckmethoden etwas menschlicher gestaltest?“

„Soll ich dich chauffieren und wach küssen, oder wie stellst du dir das vor?“, stellte der Blonde stattdessen die Gegenfrage und grinste, als sein Boss abwinkte.

„Ich bin dir schon dankbar, dass du keine Warnschüsse mehr abgibst um mich aufzuwecken.“
 

Während der andere Dinge vor sich hinmurmelte, die vermutlich Verwünschungen in seine Richtung waren, entspannte sich der Auftragskiller und nahm ein paar Schlucke aus der Wasserflasche.

Es war ungewöhnlich in Organisationen wie dieser mit dem Boss so vertraut umzugehen.

Ursprünglich wollte er ein freischaffender Auftragskiller bleiben, aber als er bei einem Auftrag in Peru auf seinen Boss traf, kam eins zum anderen, und irgendwie war er hier gelandet und nicht mehr gegangen.
 

Der Boss hatte ihm von Anfang an das Gefühl vermittelt zur Familie zu gehören und ihm sein Vertrauen geschenkt, wofür er ihn auch im Nachhinein immer noch für nicht ganz zurechnungsfähig hielt. Niemand schenkte einem Auftragskiller Vertrauen, den er nicht schon Jahre lang kannte, und auch dieses Vertrauen hielt sich für gewöhnlich in Grenzen.

Sein Boss jedoch versuchte ihn prinzipiell zu allen möglichen Familienfesten zu schleppen. Ob das nun Weihnachten war, die Taufe ihrer jüngsten Tochter, die Beerdigung des Großvaters, Geburtstagsfeiern oder schlicht und ergreifend einfach der Hochzeitstag spielte dabei keine Rolle.

Nach einiger Zeit hatte Azrael trotz seiner fehlenden sozialen Kenntnisse begriffen, dass sein Boss ihn meistens nicht als Mitglied seiner Organisation oder Angestellten betrachtete, sondern als den Sohn, den er vor fast zwölf Jahren verloren hatte.
 

Natürlich hatte er ein bisschen herumgestochert, um das herauszufinden, und er war sich nicht einmal sicher, ob sein Boss davon nicht doch Wind bekommen hatte.

Sollte dem allerdings sein, so hatte er das unkommentiert gelassen, und Azrael hatte auch nicht das Bedürfnis das Gespräch auf das Thema zu lenken.

Er fügte sich einfach, und ließ es sich gefallen, dass er zum Teil manchmal bevormundet wurde.
 

Der Boss hatte ihm sein erstes Auto geschenkt und ihm seine erste eigene Wohnung besorgt, die nach nicht einmal einem Jahr zwar in die Luft geflogen war, aber es zählte immerhin der Wille.

Wenn der Blonde es genau betrachtete, war der Boss tatsächlich so eine Art Vater geworden, auch wenn er niemals an Ed heran reichen würde.

Aber auch dazu sagte Azrael kein Wort, denn er war sich nicht sicher wie sein Boss reagieren würde, wenn er herausfand, dass er immer noch Kontakt zu seinem ehemaligen Ausbilder pflegte und dieser sich nicht nur im Land sondern gleich in derselben Stadt aufhielt.

Im Allgemeinen waren die beiden nicht gut aufeinander zu sprechen, weshalb er gegenüber dem Einen den Anderen nie zur Sprache brachte.
 

„Wie geht es Yong Tae?“

Die Frage riss den Blonden aus seinen Gedanken, und er sah seinen Boss an, der inzwischen in sein Jackett geschlüpft war und sich wieder vorzeige tauglich gemacht hatte.

„Er lebt und atmet. Noch.“, antwortete er deswegen wahrheitsgemäß, und erzählte, wieder leicht entnervt, von Yong Tae's Versuch ihn um die Ecke zu bringen, oder zumindest bewusstlos zu schlagen.
 

„Das ist mein Neffe!“, lachte der Alte los und Azrael murrte.

Toll, wenn sich der Boss so darüber freuen konnte, dass sein Neffe anscheinend doch kein komplettes Weichei war. Er persönlich fand das gerade weniger witzig und hatte nicht übel Lust, dem Kleinen ein zusätzliches Loch im Kopf zu verpassen.
 

„Weswegen bist du jetzt nochmal hier?“

Azrael rollte mit den Augen und murrte kurz, bevor er seinen Blick wieder auf seinen Boss heftete.

„Die Berichterstattung.“, erinnerte er ihn dann, und hob bei dem verständnislosen Blick seines Gegenübers eine Augenbraue.
 

„Ich weiß doch schon, dass ihr wieder angegriffen wurdet. Zuerst die Sache auf dem Baugrundstück und jetzt im Einkaufszentrum. Ich bin ja froh, dass ihr noch lebt. Komisch ist es trotzdem, dass dieser 'Boss' dich nicht verletzen will.“
 

Azrael schwieg und erhob sich, ehe er vor dem Schreibtisch stehen blieb, und auf seinen Boss hinunter sah, während er die Augen zu Schlitzen verengte.

„Woher weißt du das alles?“
 

Die Frage kam leise und bedrohlich über seine Lippen, auch wenn er wusste, dass man sich gegenüber seinem Boss nicht so verhielt.

Auf der anderen Seite kannte sein Boss ihn gut genug, um zu wissen, dass er seinen Job ernst nahm. Hatte er erst einmal einen Auftrag angenommen, führte er diesen auch bis zum bitteren Ende durch, koste es was es wolle.

Und im Moment war es sein Job Yong Tae zu beschützen, weshalb er leicht gereizt reagierte, wenn es um diesen ging.
 

„Deswegen frage ich ja wieso du eigentlich hier bist. Du müsstest doch wissen, dass du mir nicht persönlich Bericht erstatten musst, wenn du Frau Kang schon alles am Telefon durchgibst.“, kam es zurück, und Azrael wurde auf einmal kalt, als wäre die Klimaanlage zu hoch eingestellt.

„Nur eine Frage:“, begann er und stellte die inzwischen leere Wasserflasche auf dem Schreibtisch ab.

„Sollte ich Yong Tae wirklich töten?“
 

„Bist du verrückt? Ich habe das lediglich gesagt, um ihn ruhig zu halten, das hab ich dir doch gesagt.“

„Und du hast deine Meinung nicht geändert?“, hakte der Blonde nach und bekam ein beunruhigtes „NEIN!“, von seinem Boss zurück, ehe dieser ein „Was zur Hölle ist los mit dir?“, hinten dranhängte.
 

„Weil Kang mir das vor zwei Wochen am Telefon ausgerichtet hat. Ich solle ihn ausschalten, wenn er Ärger macht.“

Es herrschte Stille in dem Büro, während Azrael's Zähne aufeinander rieben und sein Boss ihn ansah, als glaubte er sich verhört zu haben.

„Außerdem habe ich ihr nie etwas von den Attentaten erzählt. Ich hab sie nie angerufen.“
 

Damit zog Azrael eine seiner Waffen und setzte sich in Bewegung um das Haus durch die Vordertüre zu verlassen.

„Azrael!“

„Mein Wagen steht direkt vor der Tür, und Yong Tae ist allein zu Hause.“, kommentierte er, während er die Bürotür aufriss und der verlassene Schreibtisch von Frau Kang ihm ins Auge stach, was ihn dazu verleitete einen nicht ganz jugendfreien Fluch auszustoßen.
 

Ohne noch ein Wort mit seinem Boss zu wechseln, rannte der Blonde den Flur entlang, wich den Sicherheitsleuten am Eingang aus, und sprintete zu seinem Wagen, dessen Motor er anließ, noch bevor er die Türe überhaupt geschlossen hatte.

Die Reifen drehten durch und Kies schoss durch die Luft, als er das Gaspedal mit voller Wucht durch trat, ehe der Wagen nach vorne schnellte und zu Höchstleistungen auflief.
 

Das Tor war gerade weit genug offen, dass er nicht die Außenspiegel abfuhr, aber er kümmerte sich nicht darum, sondern bog mit quietschenden Reifen auf die Straße ab, ehe er die Kurzwahltaste für Yong Tae drückte, und hoffte, dass dieser ranging.
 

Natürlich ging der Jüngere nicht an sein Telefon.

Tief in seinem Inneren hoffte Azrael, dass es schlicht und ergreifend daran lag, dass Yong Tae immer noch gefesselt auf dem Sofa hockte, oder gerade auf dem Klo war, auch wenn sein Bauchgefühl ihm etwas ganz anderes sagte.
 

Auf dem Weg in die Stadt versuchte er im Minutentakt seinen Schützling ans Telefon zu bekommen, erfolglos. Und während er das tat, verfluchte er alles und jeden, der ihm gerade in den Sinn kam.

Yung, weil er dessen Nummer nicht hatte. Ed, weil dieser kein Handy besaß. Autofahrer über vierzig, die sich ganz genau an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten, oder sogar noch weniger fuhren. Baustellen, die immer zum ungünstigsten Moment auf der ungünstigsten Strecke lagen. Die Verstopfung von Straßen in Großstädten wie Seoul. Und was ihm eben sonst noch so einfiel.
 

Er kam für seinen Geschmack viel zu langsam voran, was seine Anspannung nicht unbedingt verringerte, sondern eher dafür sorgte, dass er sich fühlte, als müsste er gleich explodieren.

Es wurde nicht besser, als er auf der Seite anhalten musste, um Rettungswagen, Polizei und Feuerwehr vorbei zu lassen, die auf eine Rauchwolke ungefähr zwei Blocks weiter zuhielten.
 

Dass zwei Blocks weiter seine Wohnung lag, beruhigte ihn nicht im geringsten, weshalb er wieder auf das Gas trat, nachdem die Rettungskräfte ihn passiert hatten.

Im Windschatten von Rettungskräften zu fahren hatte den Vorteil, dass niemand ihm sonderlich Beachtung schenkte. Auch keine Streifenwagen oder Radarfallen. Immerhin konnte er ja Zivil sein, und eigentlich dazu gehören.
 

Der Wagen hielt mit quietschenden Reifen, knapp hinter einem der Krankenwagen, und Azrael riss die Autotüre auf, nur um sich auf den Einstieg zu stellen, um besser sehen zu können.

Seine Eingeweide zogen sich zusammen, während seine Zähne sich aufeinander pressten und er die Hände zu Fäusten ballte.
 

Das was dort brannte, war tatsächlich seine eigene Wohnung.

Seine Wohnung mit den ganzen Waffen, der Munition und anderem leicht entzündlichen Zeug, das schnell in die Luft gehen konnte.

Mission Three: Find the herd!

Während die Feuerwehr damit begann Löschvorkehrungen zu treffen, die Polizei die Straße abriegelte und die Sanitäter auf ihren Einsatz warteten, stand er immer noch bei seinem Auto und starrte auf seine brennende Wohnung.
 

Mit einer Erleichterung die er nicht verstand, registrierte er am Rande, dass das alte Ehepaar und der junge, aber erfolglose Schriftsteller, hustend aber soweit unversehrt das Gebäude verließen.

Das junge Ehepaar von oben war sowieso mal wieder auf Geschäftsreise, weshalb er sich darum keine Sorgen machen musste.
 

Nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte, zog er sein Shirt über seine Holster mit den Waffen, und schlich sich zwischen den Autos der Rettungskräfte hindurch zur Rückseite des Gebäudes. Etwas, das er stets bemängelt hatte, kam ihm nun zu Gute: Die unverschlossene Feuertür, die immer sperrangelweit aufstand.
 

Schon auf den Treppen zur Feuertür schlug ihm der Qualm entgegen, und er kniff die Augen zusammen, während er sich den Unterarm über Mund und Nase hielt, um den Qualm nicht auch noch einzuatmen.
 

Der Rauch war so dicht, dass Azrael kaum die Hand vor Augen sah, und sich deshalb an der Wand entlang zu seiner Wohnungstüre tasten musste.

Natürlich war die Wohnungstüre zu, und er trat ein paar Schritte zurück, bevor er mit voller Wucht dagegen trat, und die Tür aus den Angeln krachte und nach innen in den Wohnungsflur fiel.
 

In der Wohnung war der Rauch noch dichter, und auch wenn es ihm nicht gerade behagte, ging er auf Hände und Knie und krabbelte langsam vorwärts.

So konnte er allerdings nicht seine Atemwege schützen, weshalb er nach ein paar Metern schon anfing, erbärmlich zu husten und am liebsten umgedreht wäre.
 

Es lag ihm nicht, sein Leben durch schwachsinnig Aktionen in Gefahr zu bringen. Auf der anderen Seite lag es ihm noch weniger, seine Männer zurück zu lassen.

Dass keiner von ihnen für die Organisation arbeitete, war ihm so herzlich egal. Ed war der Vater für ihn, den er nie gehabt hatte. Yung bedeutete ihm absolut nichts, aber dieser war der beste Freund von Yong Tae, an dem er zu seinem Leidwesen und dem seines Egos doch mehr hing, als er zugeben wollte.

Er wusste nicht einmal, wie er reagieren würde, wenn Ed oder Yong Tae etwas zustoßen sollte. Vermutlich wäre er nicht nur am Boden zerstört, sondern würde auch eine Art Halt in seinem Leben verlieren.
 

Im Wohnzimmer angekommen, robbte er nahe genug zum Sofa um festzustellen, dass dieses leer war. Zwar lagen noch die Kabel herum, die er zum Fesseln von Yong Tae und seinem Freund benutzt hatte, aber von den Beiden fehlte jede Spur.

Nachdem er auf allen Vieren die Hälfte der Wohnung durchsucht hatte, stellte er fest, dass von Ed und seinen Hunden ebenfalls jede Spur fehlte, was ihm die Hoffnung gab, dass der Alte die Jungs aus der Wohnung geschafft hatte, bevor diese angefangen hatte zu brennen.
 

Die Rauchentwicklung war mittlerweile so schlimm, dass es selbst auf dem Boden schwer war Luft zu bekommen. Er hatte inzwischen festgestellt, dass seine Küche, sein Badezimmer und das Gästezimmer in Flammen standen, und der Weg zum Flur war ihm inzwischen auch versperrt.

Zwar konnte Azrael kein Feuer im Flur sehen, da es schwer war überhaupt etwas zu sehen, aber sein Instinkt sagte ihm, dass er den Weg zurück zur Wohnungstüre vermeiden sollte.
 

Also robbte er zu seinem Schlafzimmer, in dem sich zwar auch Rauchschwaden gesammelt hatten, aber in dem wenigstens noch mehr zu sehen war als im Rest der Wohnung.

Er knallte die Türe hinter sich zu und lehnte sich kurz mit dem Rücken dagegen, um etwas Luft zu bekommen, oder zumindest mehr als in den letzten fünf Minuten.

Er war sich ziemlich sicher, dass er inzwischen eine Rauchvergiftung hatte, so sehr wie er husten musste, ohne es unterbinden zu können.
 

Azrael stand auf und wankte zu seinem Kleiderschrank, dessen Tür ganz rechts er aufriss, und die Jacken auf ihren Bügeln wirsch zur Seite schob.

Vor ihm, an der Rückwand des Kleiderschranks, blickte ihm sein Waffenarsenal entgegen, und er griff gezielt hinein, wo er sich sein Scharfschützengewehr, einige Dolche und ein Schrotgewehr herauszog und sie in eine Sporttasche warf, die er ebenfalls aus dem Kleiderschrank zog.
 

Ein ohrenbetäubender Knall ließ ihn herum fahren und einen leisen Fluch ausstoßen.

Durch das ganze Absuchen der Wohnung hatte er vollkommen vergessen, was er im Gästezimmer so lagerte, obwohl er vorhin auf der Straße noch daran gedacht hatte, dass die Wohnung ganz schnell in die Luft fliegen konnte.
 

Er eilte zum Fenster und riss dieses auf, ehe er die Tasche nach unten warf, wo sie im Gebüsch des Gemeinnützigen Gartens landete, ehe er hinterher sprang und sich fragte, warum unter seinem Schlafzimmerfenster unbedingt Rosenbüsche stehen mussten und nicht irgendetwas weicheres, wie zum Beispiel eine stinknormale Hecke.
 

Leise vor sich hin fluchend schob er seine Waffe wieder zurück an ihren Platz und kämpfte sich mit der Tasche einen Weg aus den Büschen, die nicht nur seine Hose und sein Hemd einrissen, sondern auch seine Haut.

Aber er wäre nicht einer der Besten, wenn er sich jetzt darüber Gedanken machen würde, weshalb er erneut um das Gebäude herum eilte, um zu seinem Wagen zu gelangen.
 

Der Weg unentdeckt zurück zu seinem Wagen zu kommen war schwerer, als andersherum.

Manchmal hasste Azrael das schnelle Schalten der Polizei in Seoul, denn diese hatten das Viertel inzwischen abgeriegelt, was ihn mit den Zähnen knirschen ließ.

Jetzt unbemerkt in einer Massenpanik zu flüchten, war unmöglich, da die Massenpanik offensichtlich schon vorbei war.
 

Während er sich hinter das Lenkrad schob, ging er in Gedanken kurz alle Möglichkeiten durch die er hatte, und das waren weiß Gott nicht viele.

Noch ehe er sich allerdings entscheiden konnte, klopfte es an seine Scheibe und er sah sich mit einem Hüter des Gesetzes konfrontiert, weshalb er die Scheibe langsam herunter ließ und versuchte angespannt auszusehen, was im Anbetracht der Situation nicht besonders schwer war.
 

„Was suchen Sie hier? Dieses Gebiet ist gesperrt!“, schnauzte ihn der Beamte an, während er ihn misstrauisch beäugte.

Azrael hatte keine Zeit mehr sich eine Geschichte auszudenken, weshalb er auf die einfachste Lösung zurück griff: Er machte ein noch angespannteres Gesicht.
 

„Nishi, NIS. Ich bin beauftragt dieses Viertel zu untersuchen.“, erklärte er dann mit einem Unterton in der Stimme, den nur die Hüter des Gesetzes, egal in welcher Abteilung, anschlagen konnten.

Der Polizist blinzelte und Azrael hielt ihm seine Dienstmarke vor die Nase, ehe er sie wieder zuklappte und auf den Beifahrersitz warf.

„Was macht der NIS hier? Wegen einem Wohnungsbrand?“

Die Verwirrung war dem Polizisten förmlich anzusehen und Azrael zog die Augenbrauen zusammen, blickte kurz nach rechts und links, ehe er sich verschwörerisch zu dem Beamten neigte.
 

„Azrael.“, flüsterte er, bevor er sich wieder aufrecht hinsetzte, die Hände gut sichtbar auf dem Lenkrad.

Der Schrecken war dem jungen Beamten förmlich ins Gesicht geschrieben, und er sah sich hektisch nach allen Seiten um.

„Der 'Engel-Mörder'?“

„Genau der. Er soll sich hier in der Gegend aufhalten.“

„Wirklich?“

„Angeblich sogar wohnen.“

„Oh mein Gott.“

„Halten sie Augen und Ohren offen, und verhalten Sie sich ganz natürlich, wenn ihnen eine verdächtige Person auffallen sollte.“

„Selbstverständlich Sir!“

„Am besten Sie informieren auch ihre Kollegen darüber. Das Letzte was wir wollen, sind auch noch tote Polizisten, nicht wahr?“

„Natürlich Sir!“
 

Azrael's Mundwinkel zuckten, ehe er leicht lächelte, als der junge Polizist zu seinen Kollegen sprintete, und er langsam anfuhr und mit gemäßigtem Tempo die Straße entlang rollte.

Sein Blick fiel kurz auf die Dienstmarke des NIS, und er zog eine Grimasse, ehe er danach griff und sie in sein Handschuhfach warf.
 

Er hatte nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, die Marke mitgehen gelassen zu haben, auch wenn seine Freundin Mi Hae ihm wochenlang die Ohren damit voll geheult hatte, dass ihr Chef über den Verlust der Marke stinksauer war, sie sich aber nicht erklären könne, wer ihr diese gestohlen haben könnte, oder wofür.
 

Eigentlich war er nicht der Typ dafür, sich mit Frauen abzugeben, was nicht hieß, dass er immer noch jungfräulich war. Aber Frauen waren anstrengend, Nerven raubend und außerdem brauchte man für sie mehr Zeit als für eine Topfpflanze.

Frauen verlangten nach Aufmerksamkeit, Sicherheit, Verständnis, einer Schulter zum ausweinen und was sonst noch, am besten natürlich auch noch alles zeitgleich.
 

Dass er Mi Hae über den Weg gelaufen war, war wirklich purer Zufall gewesen, und hätte beinahe seine Identität auffliegen lassen. Wenn die Kleine nicht so unglaublich blauäugig und naiv, sondern misstrauischer gewesen wäre.

Stattdessen war sie von Anfang an zutraulich wie eine Katze gewesen, und hatte ihm einfach so ihre Nummer zugesteckt.
 

Er war nicht der Typ dafür, der sich mit Frauen abgab. Aber Mi Hae könnte ihm nützlich sein, dachte er damals. Und mehr oder minder war sie das auch.

Sie war ein kleines Plappermaul und plapperte öfter einmal irgendwelche Einzelheiten zu laufenden Ermittlungen bei einem Kaffee vor sich hin, was für ihn eine Art Freifahrtschein war sich durch größere Razzien oder Polizeikontrollen zu bewegen, oder sie gar zu umgehen.

Ihre Dienstmarke war natürlich auch praktisch.
 

„Wenn das Yong Tae wüsste, würde er mir vorhalten, was für ein Arsch ich eigentlich bin.“, murmelte er vor sich hin, während er die Polizeisperre passierte, indem er die Marke erneut aus dem Handschuhfach wühlte und sie an die Fensterscheibe hielt, und somit ohne jegliche Fragen durchgewunken wurde.
 

Sein Weg führte ihn auf die Autobahn, bis zu der heruntergekommenen Bar von Ed, in der natürlich gähnende Leere herrschte.

Um ehrlich zu sein, hatte Azrael auch nicht erwartet den Alten und die Jungs hier anzutreffen. Der einzige Grund, warum er hier hergekommen war, war dass diese Bar sich perfekt als Stützpunkt für die kommenden Schachzüge eignete.

Es kam nie jemand vorbei, und wenn doch wunderte man sich sicherlich nicht, wenn ein Auto vor der Bar stand. Denn immerhin hatte diese vierundzwanzig Stunden geöffnet. Zumindest laut dem Schild, das an der quietschenden Eingangstür hing.
 

Azrael warf die Tasche hinter den Tresen auf den Boden, bevor er die Kühlschranktür aufriss und sich ein kühles Bier heraus fischte, das er gewissenhaft auf seinem Bierdeckel notierte.

Er hätte es nicht getan, wenn er den geringsten Zweifel daran gehabt hätte, dass Ed und die Jungs den Löffel abgegeben hätten.

Aber die fehlenden Leichen, zusammen mit den fehlenden Hunden veranlassten ihn zu der Überzeugung, dass sie noch lebten. Zumal Ed niemals seine Hunde zurücklassen würde, genauso wie umgekehrt.

Zwar hatte die Zeit nicht gereicht, um zu checken ob Ed's Taschen noch in der Wohnung waren, aber im Prinzip spielte das keine Rolle.
 

Er öffnete die Flasche mit seinem Feuerzeug und nahm einen großen Schluck, bevor er eine der Schubladen hinter dem Tresen aufriss, und so lange herumwühlte, bis er die Karte von Seoul und Umgebung gefunden hatte.

Warum Ed überhaupt eine Karte hatte, wo sich doch zu ihm sicher niemand verirrte, um nach dem Weg zu fragen, würde ihm vermutlich nie einleuchten. Zumal heutzutage jeder Vollidiot ein Navigationssystem bedienen konnte. Manche mehr und andere weniger.
 

Den Alten zu finden würde definitiv nicht leicht werden. Ed war ein schlauer Fuchs, und es hatte immerhin seinen Grund, warum die Geheimdienste weltweit ihn in seiner vierzig-jährigen Laufbahn nicht mal ein Haar von ihm fangen konnten.

Zwar war der Alte einer seiner Ausbilder gewesen, aber das hieß noch lange nicht, dass er ihm wirklich alles beigebracht hatte, was er wusste.
 

Ed hatte das so nie gesagt, aber Azrael war selbst lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass man niemandem wirklich alles beibrachte was man wusste, denn dieser Jemand konnte ganz schnell zur Gegenseite wechseln, und dann hatte man den Salat.
 

Mit der Bierflasche in der Hand hing der Blonde über der Karte und versuchte so zu denken wie sein ehemaliger Ausbilder, was nicht wirklich leicht war, aber über ein paar Dinge war er sich im klaren.

Ed würde logischerweise irgendwo untertauchen. Aber nicht irgendwo, sondern an einem Ort an dem auch die Jungs sicher waren. Und da diese keine gefälschten Pässe mit sich herumtrugen, gab es nicht besonders viele Optionen, aber immerhin genug um Azrael's Laune nach unten zu ziehen.
 

Zwar lag es ihm nicht, sich selbst die Schuld an Dingen zu geben, die er für gewöhnlich auch nicht hatte, aber dieses eine Mal machte er eine Ausnahme.

Wäre er nicht Hals über Kopf verschwunden, wüsste er jetzt zumindest wo sie sich aufhielten, und vielleicht wären sie überhaupt nicht angegriffen worden.
 

Dass Frau Kang etwas mit der ganzen Sache zu tun hatte, war klar wie Leitungswasser. Und wenn er annahm, dass sie der Boss hinter dem Ganzen war, war es unwahrscheinlich, dass dieser Angriff stattgefunden hätte, denn der Boss dieser Idioten wollte ihn offensichtlich nicht verletzen. Zumindest wurde das behauptet.

Er selbst war da eher anderer Ansicht. Vielleicht wollte dieser ominöse Boss ihn nicht töten, aber verletzt hatte er ihn schon.
 

Sein Handy klingelte, und er nahm ab, während sein Blick immer noch auf der Landkarte klebte.

„Was ist?“, murrte er verstimmt in den Hörer, als ihm klar wurde, dass es einfach zu viele Optionen gab, wohin Ed mit den Jungs und den Hunden hingegangen sein könnte.

Genauso gut hätte er eine Stecknadel im Heuhaufen suchen können.
 

„Der Wagen von Frau Kang wurde zwei Straßen vom Zentrum entfernt gefunden. Türen offen, Wagen leer, aber dafür unglaublich viel Sprengstoff im Kofferraum.“, meldete sich die Stimme seines Bosses und Azrael knirschte mit den Zähnen.

„Das mit dem Sprengstoff dachte ich mir schon fast.“, murrte er.

„Woher?“

„Meine Wohnung ist vorhin in die Luft geflogen. Könnte allerdings auch mein Zeug gewesen sein.“
 

Die aufgeregten Fragen seines Bosses, die sich auf seine Gesundheit bezogen, blendete der Blonde geschickt aus, und nahm stattdessen noch einen Schluck aus seiner Flasche, ehe er die Karte packte und sie mit einem Messer an die Holzwand hinter sich nagelte.
 

„Ich würde mir an deiner Stelle eher Sorgen um meinen Neffen machen, als um den Auftragskiller, den du gerade an der Strippe hast.“

Azrael war erleichtert, dass sich seine Stimme anhörte wie sonst auch, wenn er über einen Auftrag sprach, und nicht, als würde er tatsächlich an Yong Tae hängen.

Auch wenn dem so war, musste das ja nicht gleich jeder wissen.
 

„Was ist mit ihm?“

„Weg.“

Kurze Zeit herrschte Stille am anderen Ende der Leitung, ehe Azrael das Handy etwas von seinem Ohr weghalten musste.

„Was soll das heißen: 'Weg'? Wie weg? Wo weg?“, brüllte es aus dem Hörer und der Blonde verdrehte aus reiner Gewohnheit gegenüber seines Bosses die Augen.

„Na weg halt. Offensichtlich hat ihn die Explosion nicht erwischt. Zumindest bin ich keinen Leichenteilen begegnet, und da hätten eigentlich einige sein müssen.“, kam es trocken über seine Lippen, während er die Bierflasche in einem Zug leerte.

Gespräche mit seinem Chef führten meistens dazu, dass er sich irgendwann vorkam wie ein Alkoholiker, obwohl er keiner war.
 

Bevor sein Boss ihm allerdings weiter ins Ohr brüllen konnte, erklärte er ihm kurz und in Stichpunkten wie die ganze Katastrophe, an der er gewissermaßen die Schuld trug, zustande gekommen war, und auf welchem Stand sie sich gerade befand.

Als er damit geendet hatte, herrschte am anderen Ende der Leitung eine Stille, die ihn stark an die Ruhe vor einem Sturm erinnerte.
 

„Du willst mir also sagen, dass ein Freund von Yong Tae 'irgendwie' in 'die Sache rein geraten ist' und sich dann 'zufällig' in deiner Wohnung aufgehalten hat, in der sich auch 'zufällig' ein pensionierter Auftragsmörder aufgehalten hat, der dich ebenso 'zufällig' ausgebildet hat, und dessen Namen du 'zufällig' nicht weißt. Und nun ist dieser pensionierte Auftragskiller mit Yong Tae, dessen Freund und zwei Hunden unterwegs und versucht sie zu beschützen, weil du ihn 'aus Versehen' darum gebeten hast. Und 'dummerweise' weißt du auch nicht so genau wo sie sich aufhalten, um genau zu sagen gar nicht. Verstehe ich das richtig?“
 

„Absolut richtig.“, bestätigte der Blonde, und ignorierte gekonnt den zynischen Unterton seines Bosses, den er bei manchen Wörtern anschlug.

„Und das nennst du eine 'kleine' Katastrophe? Das ist die größte Katastrophe, die ich mir vorstellen kann! Wie soll ich meinem Bruder erklären, dass sein Sohn weg ist?“, kam es erbost aus dem Handy und Azrael murrte.
 

„Wie wäre es mit gar nicht? Ich find die schon wieder. Zumal es ja schlimmer sein könnte.“

„Ach ja?“

„Ich hätte Leichenteile finden können.“
 

Wieder kehrte Stille ein und Azrael hob automatisch eine Augenbraue, während er in seiner mitgebrachten Reisetasche wühlte, auf der Suche nach den Ersatzmagazinen für seine Lieblingswaffen.

„Deine Art des positiven Denkens ist der schwärzeste Humor, dem ich je begegnet bin.“

„Danke.“

„Das war kein Kompliment, Azrael!“

„Entspann dich. Ich beschaff die schon wieder. Mir ist noch nie jemand entkommen.“

„Du hast 48 Stunden.“
 

Azrael starrte sein Handy an, als nur noch ein gleichmäßiges Tuten erklang und verzog das Gesicht.

Wenn er etwas hasste, dann war das unter Zeitdruck gesetzt zu werden. Zeitdruck sorgte immer dafür, dass er angespannt und äußerst gereizt war.

Manchmal neigte er in solchen Momenten auch zu Dingen, zu denen er sonst nicht den geringsten Bezug hatte. Wie zum Beispiel seinem Boss eine Kugel in den Kopf zu jagen, während dieser schlief.

Allerdings war das erst einmal vorgekommen.
 

Murrend schnappte er sich die beiden Magazine und seine Autoschlüssel, ehe er die Bar wieder verließ und zu seinem Wagen ging.

Auf halber Strecke drehte er noch einmal um und verschloss die Tür zur Bar, ehe er das 'Geöffnet'-Schild umdrehte und den Laden somit offiziell als geschlossen erklärte.
 

Der Weg zurück in die Stadt kam ihm irgendwie kürzer vor als sonst, aber er schob es darauf, dass er seinen Gedanken nachhing, in denen es sich hauptsächlich um seine Wut über den Zeitdruck drehte.

Es war natürlich kein Ding der Unmöglichkeit, die verlorenen Schafe innerhalb der gesetzten Frist zu finden, aber besonders einfach war es natürlich auch nicht.

Also war das Erste das er tun musste, den Radius einzugrenzen, in dem Ed und Anhang sich aufhalten konnten.
 

Sein Weg führte ihn durch ganz Seoul bis in das Villenviertel im Süden. Er fuhr genau der Geschwindigkeitsbegrenzung entsprechend die ruhigen Straßen mit den gepflegten Vorgärten, den weiß gestrichenen Zäunen mit Stacheldraht und Alarmanlagen, entlang, und verzog automatisch das Gesicht.

Es konnte ja sein, dass manche Menschen davon träumten so zu leben, aber er gehörte definitiv nicht dazu. Jedes Mal wenn er durch gepflegte Vororte oder durch dieses Villenviertel fuhr, hatte er Mühe damit, seinen Brechreiz zu unterdrücken, der bei so viel Perfektion ansprang.
 

Er hielt am Randstein vor einer nicht besonders großen Villa, vermutlich der kleinsten im ganzen Viertel. Sie war tadellos weiß gestrichen, genauso wie der weiße Zaun, an dem Spitzen empor ragten, die einen Einbrecher unter Umständen aufspießen würden, wenn er abrutschte.

Genauso tadellos waren die vier Rottweiler im Garten, die schon am Zaun klebten als er ausstieg, sich jedoch ruhig verhielten, solange er sich außerhalb des Grundstücks befand.
 

Azrael sperrte seinen Wagen mit Hilfe der Zentralverriegelung ab und drückte den Klingelknopf, während er durch den Zaun hindurch den gepflegten Vorgarten betrachtete, in dem Büsche und anderes Grünzeug wuchs, von dem er nicht mal wusste, was genau es war.

Musste er auch nicht, denn er hatte noch nie den Wunsch verspürt, seine Karriere an den Nagel zu hängen und ein Gartencenter zu eröffnen, das aufgrund seines nicht gerade grünen Daumens vermutlich innerhalb des ersten Jahres bankrott wäre.
 

Über sich selbst den Kopf schüttelnd, riss er seinen Blick von dem Vorgarten los, als sich eine Gestalt in schwarzem Anzug, Sonnenbrille und Handschuhen dem Tor näherte und dahinter stehen blieb.

„Sie wünschen?“

So formvollendet die Umgangsformen des Mannes auch sein mochten, Azrael war sofort klar, dass dieser Mensch kein Butler war.
 

Mal abgesehen von dem ungewöhnlichen Erscheinungsbild, strahlte dieser Mann Autorität, Erfahrung und eine Prise Gefahr aus.

Alles andere ließe sich einfach erklären. Unter normalen Umständen hätte dieser Mann auch ein Butler mit ausgeprägter Sonnenallergie und Bindehautentzündung sein können, mit einem Hang zu James Bond Filmen.
 

„Ich will zu Taki.“, erwiderte er dann nicht ganz so formvollendet und schnalzte mit der Zunge, als sein Gegenüber bedauernd den Kopf schüttelte.

„Mister Nagoya ist im Moment nicht zu sprechen.“

Eine Weile schwieg der Blonde und musterte den Mann genau, um die eventuelle Gefahr abzuschätzen, dass dieser ihm gefährlich werden konnte.

„Du solltest mich rein lassen, ansonsten ist hier gleich die Hölle los, und dein werter Boss hat ein paar Körperöffnungen mehr.“, gab er ruhig von sich, und veranlasste den anderen somit dazu, nach seiner Waffe zu greifen.
 

„Nimm die Waffe runter, Jun. Lass ihn rein.“

Azrael's Blick sowie der seines Gegenübers wanderten die Einfahrt hoch, bis zu den Treppen der Veranda, auf denen ein junger Mann in weißem Anzug stand.

Während Azrael durch das Tor, das Jun für ihn geöffnet hatte, und den Weg hinauf zur Villa ging, musterte er den Mann im weißen Anzug und schob seine Hände in die Hosentaschen.
 

Taki war tatsächlich jung, und ziemlich erfolgreich.

Wenn man es als Erfolg bezeichnen konnte, mit gerade einmal fünfundzwanzig Boss eines Drogenrings zu sein, der sich über sämtliche asiatische Inseln und Länder erstreckte.

Rechtschaffende Menschen würden das vermutlich nicht als erfolgreich betiteln, er hingegen schon.

Zudem sah Taki nicht schlecht aus und hatte einen gewissen Charme, der durch sein natürliches Charisma nur verstärkt wurde. Er schaffte es innerhalb von Minuten Menschen um den Finger zu wickeln, und es kostete ihn nicht die geringste Anstrengung, wofür ihn bestimmt ein paar Leute beneideten, zu denen Azrael nicht gehörte.
 

Schweigend folgte er Taki durch die Villa in sein Büro, während ihm Jun fast am Rücken klebte und blieb vor dem schweren Eichenschreibtisch stehen, hinter dem sich Taki in einen breiten, weißen Ledersessel fallen ließ, ehe er die Beine überschlug, sich eine Zigarre anzündete und ihn ansah, ehe er grinste.
 

„Wieder hier, um mich zu töten?“

Azrael spürte wie sich der Sicherheitschef, denn er war sich inzwischen sicher, dass Jun genau das war, hinter ihm verspannte, ignorierte ihn allerdings.

„Wäre ich jemals hier gewesen, um dich zu töten, würdest du nicht hier sitzen. Meine Erfolgsquote ist unschlagbar.“, kommentierte er ruhig und griff nach dem Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch, um ihn sich genauer anzusehen.

Zwar brauchte er keinen, aber dieses hölzerne und lackierte Ding, das aussah wie eine Mischung aus verschiedenen Wesen, war trotzdem ganz hübsch anzusehen.
 

„Halten Sie Abstand!“, kam es von Jun und Azrael hob eine Augenbraue, ehe er sich zu ihm umdrehte und in den Lauf einer Waffe blickte.

Jun stand schätzungsweise zwei Meter von ihm entfernt, richtete die Waffe auf ihn und war angespannt wie eine Bogensehne.
 

„Jun, nimm die Waffe runter.“, mischte sich Taki ein, und erntete sich einen verstörten Blick seines Angestellten, der mit dem Kopf in Richtung Azrael nickte.

„Er droht Ihnen Sie zu töten!“

„Falsch. Ich sagte, würde ich ihn töten wollen, würde er nicht mehr hier sitzen.“, korrigierte ihn Azrael, während er den Briefbeschwerer wieder auf seinen Platz zurückstellte.
 

„Nimm endlich die verdammte Waffe runter! Azrael würde dich innerhalb von ein paar Sekunden erledigen.“, fuhr Taki Jun an, ehe er Azrael einen Platz anbot, indem er auf einen Stuhl deutete.

Mit einem Blick auf den Älteren in der Runde, ließ sich der Blonde auf eben jenen Stuhl fallen, und lehnte sich zurück.
 

„Azrael?“, japste der Ältere, während er die Waffe sinken ließ, und Azrael anstarrte.

„Das ist...?“

„Azrael.“, kam es gleichzeitig aus dem Mund von Taki und Azrael.
 

„Ich nehme an, das hier ist kein Höflichkeitsbesuch, um zu überprüfen ob ich noch lebe.“, stellte Taki fest und nahm einen Zug von seiner Zigarre, nachdem er dazu übergegangen war, das ungläubige und erschütterte Gesicht seines Mitarbeiters zu ignorieren, was Azrael ihm gleich tat.
 

„Um genau zu sein, brauche ich deine Hilfe.“

Road Trip to Northkorea

Azrael nippte an seinem grünen Tee, der ihm in einer feinen weißen Porzellantasse serviert wurde, zusammen mit passendem Unterteller.

Im Stillen fragte er sich, wie man sich nur so ein Service anschaffen konnte. Mal abgesehen davon, dass die Menge, die hineinpasst schon fast lächerlich war, traute man sich nicht einmal mit dem Löffel in der Tasse herumzurühren, aus Angst etwas kaputt zu machen.
 

„Verstehe. Das ist tatsächlich ein Problem, dass du da hast.“

„Wäre es keins, wäre ich nicht hier.“, kommentierte Azrael und stellte mit äußerster Vorsicht die Tasse auf den Unterteller.
 

Jun, der Bodyguard wie sich herausgestellt hatte, saß ihm auf dem Sofa gegenüber und beäugte ihn weiterhin misstrauisch, verhielt sich ansonsten aber ruhig.

„Wie kommst du darauf, dass ich dir helfen könnte?“, wandte sich Taki an Azrael, und er hob eine Augenbraue, ehe ein Grinsen sich auf seine Lippen schlich.

„Weil du besser bist als Google.“
 

Er hätte nur liebend gern behauptet, dass das gelogen war, aber leider war dem nicht so.

Taki war zwar jung und der Boss eines riesigen Drogenrings, aber sein eigentliches Talent lag darin, verlorene Dinge aufzuspüren.

Wobei auch das Wort 'Talent' nicht wirklich passte. Azrael bezeichnete es gern als Gabe. Taki konnte es einfach, genauso wie andere Menschen eben absolut natürlich andere Dinge konnten.
 

Taki lachte, ein Lachen, das zu hell war um zu ihm zu passen, und auf der anderen Seite genau das tat.

„Okay, ich helfe dir.“, kam es immer noch amüsiert und Azrael stieß unbewusst die Luft aus, die er angehalten hatte.

Aus dem Augenwinkel nahm der Blonde wahr, wie Jun aufsprang und begann auf seinen Boss einzureden. Er bekam nicht mit, um was genau es ging, da er seinen Gedanken hinterher hing.
 

Jun war seinem Boss offenbar bedingungslos ergeben, und eigentlich war er der Meinung gewesen, dass dasselbe für ihn galt, aber bei genauerer Betrachtung war dem nicht so.

Eigentlich hätte er deswegen ein schlechtes Gewissen haben müssen, aber auch das blieb aus.

Dafür dass er ständig behauptete seinem Boss treu zu sein, hatte er ziemlich viel Kontakt zu Leuten, die dieser eigentlich tot sehen wollte, und die nur noch deswegen lebten, weil er nicht wusste wo sie sich aufhielten.
 

Taki war dafür das beste Beispiel.

Wie lange sein Boss schon einen Groll gegen den jungen Japaner hegte, stand in den Sternen. Azrael wusste nur, dass dem so war, und er ihn aus dem Weg haben wollte, da Taki zwischen ihm und seinen Geschäften stand.

Um welche Geschäfte es sich dabei genau handelte, war dem Blonden ebenfalls unbekannt.
 

Er schreckte auf, als ihn etwas in die Wange piekte, dass sich als Taki's Zeigefinger herausstellte.

Der junge Japaner hing halb über den riesigen Schreibtisch, und bohrte mit seinem Zeigefinger in Azrael's Wange herum, während er ihn mit einem Gesichtsausdruck musterte, den Azrael ohne zu zögern als 'schmollend' bezeichnet hätte.
 

„Lass das.“, murrte der Blonde und schlug die Hand des anderen weg, bevor er sich über die Wange rieb, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben.

Sein Blick wanderte kurz zu Jun, ehe er den Japaner wieder ins Visier nahm, und fragend eine Augenbraue hob.
 

„Ich habe gesagt, dass ich mich darum kümmere und mich heute Abend bei dir melde.“, wiederholte der Braunhaarige, ehe ein Grinsen seine Züge einnahm.

„Was krieg ich eigentlich für meine Dienste?“

„Du lebst und atmest weiter?“, schlug Azrael vor, während er aufstand und sein Shirt zurecht zupfte.
 

„Das ist ein ganz netter Vorschlag, aber irgendwie nicht ganz meine Vorstellung.“

Während der Bodyguard nach Luft schnappte, rollte der Blonde mit den Augen und sah auf Taki hinunter, der die Ellenbogen auf dem Schreibtisch abgestützt und sein Kinn auf den gefalteten Händen abgestützt hatte, während er zu ihm nach oben sah.
 

„Herrgott, sag mir was du willst.“

„Du gehst mit mir auf eine Dinnerparty.“

Die Augenbraue des Blonden wanderte noch ein Stück höher, während er versuchte sich einzureden, dass er sich verhört hatte.

„Als Bodyguard?“

„Nein, als mein Scheinfreund.“
 

Mit einem kurzen Blick auf Jun vermutete Azrael, dass dieser und er selbst gerade das gleiche dumme Gesicht zur Schau trugen. Schon allein, weil diese Forderung absolut hirnrissig, konfus und verstörend war.

„Bitte was?“

„Es ist die goldene Hochzeit meiner Eltern. So wie ich meine Mutter kenne, sind achtzig Prozent der geladenen Gäste Frauen im heiratsfähigen Alter, und ich habe ihr schon gesagt, dass ich jemanden mitbringen werde.“

„Das kannst du vergessen.“

„Denke ich nicht.“

„Aha?“

„Ansonsten rühre ich keinen Finger.“
 

Azrael's Augenbraue zuckte, während seine Zähne aufeinander rieben. Er konnte Taki natürlich eine seiner Waffen vor die Nase halten und gegebenenfalls abdrücken, aber damit wäre ihm überhaupt nicht geholfen.

Einer der Gründe, warum er Drogenbosse für gewöhnlich mied. Diese Typen hatten weder Ehre, noch Anstand, geschweige denn Manieren.

„Na schön.“, knurrte er deswegen vor sich hin, und nahm die Hand die ihm entgegen gestreckt wurde.
 

„Ich wusste, dass du zusagen würdest.“, lächelte ihm Taki entgegen, und Azrael entzog ihm seine Hand, die er in die Hosentasche schob, während er schnaubte.

„Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich hasse.“, knurrte der Blonde, ehe er auf dem Absatz kehrt machte und das Büro verließ.

Aus Erfahrung wusste er, dass selbst seine Geduld eine weitere Minute mit Taki in einem Raum nicht aushalten würde.
 

„Boss...“

„Dieser Kleine...wie hieß er noch?“

„Yong Tae, Boss.“

„Mh...dieser Yong Tae könnte tatsächlich interessant sein.“

„Warum das?“

Anstatt zu antworten, lächelte Taki lediglich und stand auf, um aus dem Fenster zu sehen.
 

Azrael stieg in seinen Wagen und blickte noch einmal zurück zum Grundstück, während er den Wagen anließ, und die Augenbrauen zusammenzog, als er kurz das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.

Kopfschüttelnd lenkte er den Wagen zurück auf die Straße und folgte ihr, bis er sich wieder auf der Hauptstraße befand, die zurück in Richtung Innenstadt führte.
 

Dass er Taki um Hilfe bitten musste, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Auf der anderen Seite blieb ihm durch die zeitliche Begrenzung nichts anderes übrig.

Zwar war er gut darin Leute aufzuspüren, aber er brauchte dafür ungefähr doppelt so lang wie der Japaner. Was genau dessen Geheimnis war, wollte er gar nicht wissen, fest stand jedoch, dass wenn jemand die Drei finden konnte, es definitiv Taki war.
 

Zumal er sich fragte, was sein Boss mit dieser zeitlichen Begrenzung eigentlich meinte.

Hieß es, dass seine Lebenszeit abgelaufen war, wenn er es nicht schaffte? Oder das andere aus der Organisation darauf angesetzt wurden?

Weder die eine noch die andere Möglichkeit gefielen ihm. Natürlich vertraute er seinem Boss. Vermutlich sogar mehr, als allen vorherigen. Aber sein Boss war nun mal der Boss einer Organisation, der es sich nicht leisten konnte sentimental zu sein, auch wenn ihm das offensichtlich ziemlich schwer fiel. Es war also kein Ding der Unmöglichkeit, dass er nicht doch einen Killer auf ihn ansetzte.

Und die zweite Möglichkeit gefiel Azrael fast noch weniger. Mit der Ersten konnte er getrost leben, immerhin wäre das nicht der erste Versuch in seinem Leben, dass jemand versuchte ihn auszuschalten.

Aber bei dem Gedanken daran, dass ihm irgendwelche Vollidioten in die Quere kamen und vermutlich alles versauten, breitete sich eine Gänsehaut auf seinem Rücken aus.
 


 

Den Nachmittag verbrachte Azrael damit, ein paar Kleidungsstücke und Schuhe im Einkaufszentrum zu besorgen.

Denn nachdem er sich etwas beruhigt hatte, was das Verschwinden von Yong Tae betraf, registrierte sein Gehirn auch endlich, dass er kein Zuhause mehr hatte, und mit der Wohnung zu allem Überfluss auch seine gesamte Garderobe das Zeitliche gesegnet hatte.

Da er aber noch nie wert darauf gelegt hatte, rumzulaufen wie der letzte Penner, war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich auf eine kleine Shoppingtour zu begeben.
 

Und nun saß er in einem Café und versuchte die Zeit totzuschlagen, während er auf den Anruf des Japaners wartete, und dieser ihm hoffentlich mitteilte, dass er die verlorene Herde gefunden hatte.

Während er bei seinem fünften Cappuccino saß, beobachtete er abwechselnd die Leute durch das Fenster an dem er saß oder wühlte sich durch die Galerie auf seinem Handy.
 

An diesem einen Tag im Park, hatte er überhaupt nicht mitbekommen, dass Yong Tae sein Handy offensichtlich als Kamera missbraucht hatte, was ihn missbilligend schnauben ließ.

Kurz darauf hoben sich seine Mundwinkel jedoch, ehe er das Handy zur Seite legte und lieber wieder aus dem Fenster sah, während er an seinem Cappuccino nippte.
 

Vermutlich hätte er Yong Tae nicht mit einer Waffe bedrohen sollen, nachdem dieser versucht hatte ihm eine Vase über den Kopf zu ziehen.

Vielleicht hätte er auch nicht versuchen sollen Yung zu töten, weil dieser zu viel wusste. Bestimmt gab es für alles eine friedliche Lösung.
 

Azrael verzog angewidert über sich selbst das Gesicht. An eine friedliche Lösung glaubte er so oder so nicht, dann schon eher an den Weltfrieden, aber Yong Tae hätte bestimmt eine friedliche Lösung vorgeschlagen.

Leise fluchte der Blonde vor sich hin, stellte die Tasse wieder ab und starrte auf die Tischplatte, während seine Finger sich in seinen Haaren verkrallten.
 

Der Kleine war verdammt nochmal lästig. Seit er diesen Job angenommen hatte, strapazierte der Junge seine Nerven, seine Geduld und sein Gemüt.

Er hatte sich einfach in seiner Wohnung breit gemacht und damit angefangen, ihm ausgewogenes Essen hinzustellen, seine Klamotten zu bügeln und die Bude zu wischen und zu wienern.

Eigentlich sollte er froh sein, dass er endlich weg war, auch wenn seine Wohnung daran glauben hatte müssen.
 

Und doch.

Es nervte, dass keine sinnlosen Anrufe mehr kamen, in denen er gefragt wurde ob er lieber Fisch oder Fleisch zum Abendessen wollte. Dass er nicht mehr nach Hause konnte, nur um fassungslos im Türrahmen stehen zu bleiben, während Yong Tae mit einer pinken Schürze, Kopfhörern und einem Mopp bewaffnet singend und tanzend durch das Wohnzimmer wirbelte.

Am meisten nervte es ihn jedoch, dass niemand ein paar Schritte hinter oder neben ihm klebte und ihn auf eine Weise einengte, die er schon als Belästigung einstufen würde.

Es fühlte sich kalt an.
 

„Scheiße.“, zischte er, bevor er tief durchatmete und sich zurück lehnte und an die Decke starrte.

Er würde den Jungen auf jeden Fall wieder zurück holen. Selbst wenn es das Letzte war, was er tat.

Unter normalen Umständen hätte er darauf gewettet, dass Yong Tae sich bei ihm meldete. Selbst wenn dieser sein Handy in der Wohnung zurücklassen musste, er kannte Azrael's Nummer in und auswendig. Das musste er auch, immerhin hatte der Blonde selbst sie ihm in den Kopf gehämmert, um alle Eventualitäten auszuschließen.
 

Aber nachdem er den Jungen mit seiner Waffe bedroht hatte, und vermutlich Frau Kang sich als Übeltäterin zu erkennen gegeben hatte, musste Yong Tae einfach denken, dass alles ein abgekartetes Spiel war, und ihn die gesamte Organisation aus dem Weg räumen wollte.

Natürlich würde er sich dann nicht bei ihm melden und ihm seinen Aufenthaltsort verraten.
 

Ob Ed dasselbe dachte, wusste der Blonde nicht. Aber er war bestimmt vorsichtig geworden. Selbst wenn der Alte annahm, dass Azrael damit nichts zu tun hatte, würde er sich nicht melden, da er bestimmt den Verdacht hegte, das Handy könnte angezapft sein.

Zwar vermutete er, dass dem nicht so war, aber es war wohl besser, einfach davon auszugehen.
 

Azrael zuckte zusammen, als sein Handy begann zu klingeln und ihm mitteilte, dass er soeben eine Nachricht bekommen hatte.

Es hätte ihn nicht gewundert, wenn die Nummer unbekannt gewesen wäre und darin irgendwelche Forderungen aufgeführt gewesen wären, was er alles tun musste, um Yong Tae zurück zu bekommen.

Aber die Nachricht war lediglich von Taki und war überraschend kurz.
 

>23 Uhr. Flughafen Süd. Parkdeck 13 Parkplatz 210.<
 

Die Augenbraue des Blonden wanderte nach oben, während er wieder an seinem Cappuccino nippte.

Was Taki mitten in der Nacht am Flughafen wollte, war ihm nicht ganz klar. Er hoffte einfach mal stark, dass die Schafe nicht das Land verlassen hatten. Denn dann würde er es nie im Leben schaffen, sie innerhalb der angegebenen Frist wieder einzufangen. Nicht einmal dann, wenn er weltweit relativ gute Kontakte hatte.
 

>Okay.<, schrieb er zurück, nachdem er seine Tasse geleert und das Geld auf den Tisch gelegt hatte.

Er trat aus dem Café und sah in den Himmel, an dem sich dunkle Wolken zusammenzogen, die er automatisch mit seiner Laune assoziierte, was ihn erneut über sich selbst den Kopf schütteln ließ.
 

Auf dem Weg zum Wagen ließ ihn ein Grollen, das vom Himmel kam, das Gesicht verziehen, und er beschleunigte seine Schritte, bevor er sich fast ins Innere des Autos flüchtete und die Tür zuschlug.

Just in diesem Moment fielen die ersten Tropfen auf die Scheibe, und die Leute flüchteten entweder in nahe gelegene Cafés oder in das Einkaufszentrum.
 

Eine Weile blieb er sitzen, und die einzigen Bewegungen dienten dazu, sich eine Zigarette anzustecken und ab und an daran zu ziehen, bis sein Handy klingelte.

Er warf einen Blick darauf und erkannte schon an der Anzeige der Rufumleitung, dass ihn jemand versuchte über sein 'Privathandy' zu erreichen.

Kurz zögerte er, hob dann aber doch ab, ohne etwas zu sagen.
 

„Hey Schatz, wie geht’s dir?“

Natürlich war es Mi Hae. Wie hätte es auch anders sein können?

„Mh. Passt.“

„Na du hörst dich ja super gelaunt an.“
 

Natürlich wusste er, dass er sich nicht super anhörte, und ihr Sarkasmus war auch nicht zu überhören, aber er hatte keine Lust sich zu entschuldigen.

Im Moment ging ihm Mi Hae einfach nur auf die Nerven und störte ihn dabei, in eine Art Selbstmitleid zu versinken, die er bis dahin selbst nicht einmal kannte.

„Kann sein.“

„Stress auf der Arbeit?“

„Stress ist vielleicht etwas untertrieben.“, murrte er und knirschte unbewusst mit den Zähnen.
 

„Sollen wir uns später treffen? Ich komm so um 22 Uhr raus, dann kannst du mir erzählen was los ist, und ich kann dir Neuigkeiten berichten.“

„Geht nicht.“

Mal abgesehen davon, dass es wirklich nicht ging, hatte er absolut keine Lust darauf, einen auf wunderschöne Beziehung zu machen.

„Ich muss geschäftlich ins Ausland.“, hängte er hinten dran, um ihr nicht den Eindruck zu vermitteln, dass sie ihm auf die Nerven ging, auch wenn dem gerade so war.

„Als Buchhalter?“, hakte Mi Hae misstrauisch nach.

„Sogar Buchhalter müssen ab und zu ins Ausland.“, gab er dann doch genervt von sich und zog an seiner Zigarette.
 

„Gut, wenn du nicht willst.“

Eins der Dinge, die er an seiner Freundin abgrundtief hasste, war ihre Zickigkeit. Diese Eigenschaft an ihr konnte keine andere Frau auf der Welt überbieten. Warum er es überhaupt schon fast ein Jahr mit ihr aushielt, lag vermutlich nur daran, dass sie sich relativ wenig sahen und er somit genug Zeit hatte, sich zu erholen.

„Sei nicht sauer. Ich muss in zwei Stunden fliegen. Zumal ich mir das nicht ausgesucht hab.“, murrte er genauso unfreundlich zurück, auch wenn das eigentlich eine Entschuldigung sein sollte.

„Nein, nein, ist schon gut. Dann kann ich wenigstens in Ruhe am 'Engel Mörder'-Fall weiter arbeiten. Kommt mir ganz gelegen.“
 

Azrael's Augen weiteten sich, während er versuchte, das soeben gehörte zu verarbeiten.

„Du tust was?“

„Ist das nicht toll? Mein Chef hat mich in den Fall mit einbezogen, und ich darf das Profil des 'Engel Mörders' erstellen. Das wird mein Durchbruch als Profilerin!“
 

„Das ist ja...toll.“

Das war so überhaupt nicht toll, dass Azrael sich fragte, welches Schicksal er eigentlich verärgert hatte, dass er sich nicht nur um drei verschwundene Leute kümmern musste, und das auch noch mit einem Zeitlimit, sondern warum ihm auch noch seine Freundin im Nacken sitzen musste.

Seine Hoffnung bestand jetzt darin, dass Mi Hae mit dem Profil so was von daneben lag, dass es mehr daneben gar nicht mehr ging.

Was wusste sie auch schon über den 'Engel Mörder'? Vermutlich mehr als über ihn.

Trotzdem ließ ihn diese Eröffnung vorsichtiger werden.
 

„Nicht wahr? Endlich habe ich es geschafft, und kann an einem internationalen Fall mitwirken. Ich hab mit dem Profil auch schon angefangen.“

„Aha?“

„Na ja gut, viel hab ich noch nicht. Der Typ ist ganz schön schwierig und kein 0815 Fall, aber ich werde das schon hinkriegen.“

„Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen, Süße. Aber ich muss jetzt leider los zum Flughafen. Ich melde mich, wenn ich wieder in der Stadt bin.“

„Ist gut. Ach, und Seung?“

„Hm?“

„Ich liebe dich.“
 

Noch bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie auch schon aufgelegt, und er warf das Handy mit einem lauten Fluch auf den Beifahrersitz, ehe er seinen Kopf auf das Lenkrad sinken ließ.

Er hoffte nur, dass Mi Hae nicht so gut in ihrem Job war, wie sie behauptete. Aber das herauszufinden, musste leider warten, da im Moment etwas anderes Priorität hatte. Und zwar die verlorenen Schafe wieder einzusammeln.
 

Nach ein paar Minuten richtete sich der Blonde wieder auf und schob sich erneut eine Zigarette zwischen die Lippen, die er mit seinem Zippo anzündete, bevor er den Rauch tief inhalierte und sich in den Sitz sinken ließ.
 

Die Scheiben beschlugen langsam, während er in seinem Wagen saß und aus der Scheibe starrte, auch wenn er durch den Beschlag nicht mehr viel erkennen konnte.

Er zuckte leicht zusammen, als er sich einbildete Yong Tae's Stimme zu hören, die ihm mit diesem tadelnden Unterton sagte, er solle gefälligst nicht im Auto rauchen, und schon gar nicht bei geschlossenen Fenstern.
 

„Langsam dreh ich wirklich durch.“, kam es leise über seine Lippen, während er sich mit der freien Hand über die Stirn strich.

Er kniff die Augen zusammen und massierte sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger der freien Hand, und stöhnte gequält.

Seit Yong Tae's Verschwinden waren noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden vergangen, und er drehte jetzt schon am Rad.

Wie wurde das denn, wenn es achtundvierzig Stunden oder mehr wurden? Würde er dann komplett durchdrehen und nicht mehr rational und logisch denken können?
 

„Verdammt, warum macht mir das so viel aus?“, stieß er aus und schlug gegen das Lenkrad, wobei er aus Versehen die Hupe mit erwischte, die ein lautes und protestierendes Hupen von sich gab.
 

Natürlich hatte er inzwischen verstanden, dass ihm der Kleine wichtig geworden war, aber dass das Ganze solche Ausmaße hatte, dass er dermaßen unruhig wurde, sobald der Junge nicht in seiner Nähe war und er auch nicht wusste wo sich dieser aufhielt, war ihm nicht klar gewesen.

Außerdem zog sein Magen die ganze Zeit so unangenehm, dass er befürchtete, sich demnächst übergeben zu müssen.
 

Um sich zu beruhigen zog er wieder an seiner Zigarette, während er den Zündschlüssel im Schloss herumdrehte und den Motor aufheulen ließ, bevor er das Licht anschaltete.

Es brachte ihm nichts, wenn er hier im Auto saß und langsam aber sicher verzweifelte, während er eigentlich viel wichtigere Dinge tun konnte.

Wie zum Beispiel zurück zur Kneipe zu fahren, und sich seinen Waffenvorrat zu holen.
 

Er warf die Zigarette aus dem Fenster und rollte vom Parkplatz auf die Straße in Richtung Autobahn, während er die Anlage wieder anschaltete aus der laut und unbarmherzig 'Stronger' von 'Kelly Clarkson' dröhnte.

Zwar kein Song, den er für die Situation ausgewählt hätte, aber immerhin war dieser Song um Längen besser als das Geschnulze, dass er Mittags ertragen musste. Zumindest deprimierte ihn dieser Song nicht, sondern tat sein Bestes, um ihn anzustacheln.
 

Sein Blick fiel auf die Uhr am Armaturenbrett, die inzwischen 21:23 anzeigte.

Die Zeit war gut, und er musste sich noch nicht einmal beeilen, um pünktlich beim vereinbarten Treffpunkt zu sein.

Also eigentlich konnte ihm noch was dazwischenkommen, stellte er mit einem gehässigen Grinsen fest.
 


 

In der Kneipe angekommen, schloss er die Tür auf und bewegte sich langsam vorwärts. Wer auf die grandiose Idee gekommen war den Lichtschalter direkt hinter der Bar anzubringen, anstatt bei der Tür, war vermutlich ein Genie gewesen, dessen Gedankengang er noch nicht so wirklich verstand.
 

Er stieß mit seinem Knie gegen einen der Barhocker und biss sich auf die Zunge, während ein unverständlicher Fluch seine Lippen verließ, ehe er den Lichtschalter ertastete und der Raum endlich hell wurde.
 

Murrend ging Azrael zu dem Kühlschrank und zog sich eine Flasche Cola heraus, die er ebenfalls auf seinem Bierdeckel vermerkte.

Er nahm ein paar große Schlucke, bevor er seine Reisetasche auf den Tresen hievte und den Reißverschluss aufriss.

Er legte die Waffen nebeneinander auf den Tresen, und begann damit alle auf Funktion, Sicherung und Munition zu kontrollieren, denn es gab nichts mieseres in seinem Job, als wenn eine Waffe wegen mangelnder Kontrolle den Geist aufgab, oder gar nicht erst funktionierte.

Aber wie gewohnt waren die Waffen in Ordnung, und er legte auch die letzte auf den Tresen zurück, bevor er seine beiden ständigen Begleiter aus den Holstern an seinem Gürtel zog.
 

Azrael schnallte die Holster ab und warf sie in die Reisetasche, ehe er daraus seine Holster für die Oberschenkel zog und diese anlegte.

Routiniert überprüfte er auch seine beiden Spezialwaffen und steckte sie nach der Kontrolle mit einem zufriedenen Laut in die Holster, wo sich das Gewicht und die Kälte der Waffen vertraut und beruhigend an seine Oberschenkel drückte.
 

Als sein Handy begann zu klingeln, ignorierte er es, da er schon am Klingelton erkannte, dass es sein Boss war.

Unter normalen Umständen wäre er sofort dran gegangen, aber so wie sein Boss bei dem vorherigen Telefonat drauf war, hielt er das jetzt für keine besonders gute Idee.

Zumal er auch nicht wusste, was er ihm berichten sollte. Er hatte nicht die geringste Spur. Zwar hatte Taki vermutlich eine, sonst hätte er ihn nicht zu dem Treffpunkt bestellt, aber seinem Boss gegenüber den Japaner zu erwähnen war ein Ding der Unmöglichkeit.

Abgesehen davon, dass er Taki damit in Gefahr bringen würde, und mit ihm auch die Chance den Jungen zu finden, würde auch herauskommen, dass er seinen Boss schon über zwei Jahre vorenthielt, dass der Japaner sich in Seoul aufhielt.

Und damit wäre auch sein Leben nicht mehr wirklich etwas wert.
 

Er schnaubte, und starrte auf sein Handy, das auch nach zehn Minuten noch unermüdlich weiter klingelte.

Für gewöhnlich beließ sein Boss es bei einem Anruf, in der Annahme das Azrael gerade verhindert, unter der Dusche oder auf der Toilette war, aber heute war er anscheinend darauf aus, ihn unbedingt zu erreichen, als ob er wüsste, dass er direkt neben seinem Handy stand und einfach nur nicht drangehen wollte.
 

Aus Gewohnheit zündete er sich eine Zigarette an, bevor er nach dem Handy griff und widerwillig den grünen Hörer zur Seite wischte.

„Ja?“, meldete er sich, als er das Gerät zu seinem Ohr geführt hatte, und lauschte der Stille am anderen Ende der Leitung.

„Warum hat das so lang gedauert?“, brummte die Stimme des Bosses aus dem Hörer und Azrael verzog unweigerlich das Gesicht zu einer Grimasse.

„Durchfall.“, log er und zog an seiner Zigarette, bevor er ein „Was gibt’s?“, hinterher schob.
 

„Hast du was?“

„Mehr oder weniger.“

„Was genau?“

Sein Blick huschte durch den Schankraum, während er auf seiner Unterlippe herumbiss und versuchte, sich auf die Schnelle eine glaubwürdige Lüge auszudenken.

„Sieht so aus, als wären sie auf dem Weg zur Grenze.“

„Das weißt du woher?“

„Es hat seine Vorteile mit einer NIS Beamtin zusammen zu sein.“
 

Am anderen Ende herrschte wieder Stille und er befürchtete schon, dass sein Boss die Lüge durchschaut hatte, weshalb sich seine Muskeln verspannten.

„Sehr gut. Erstatte sofort Bericht wenn du etwas Neues hast.“

„Jawohl.“

„Und Azrael?“

„Mh?“

„Wenn die achtundvierzig Stunden abgelaufen sind, werde ich 'Steelheart' darauf ansetzen.“
 

Azrael lauschte dem gleichmäßigen Tuten, das aus dem Handy drang, ehe er auf den 'Anruf beenden' Button drückte und das Handy in seine Hosentasche gleiten ließ.

Hatte er vorhin noch gehässig gedanklich einen Witz darüber gemacht, dass ihm noch etwas dazwischen kommen könnte, hatte er nun ein ernsthaftes Problem.

Zwar war dieses Problem im Moment noch nicht präsent, sondern erst wenn die Frist abgelaufen war, aber ein Problem war es trotzdem.
 

'Steelheart' war ein Auftragskiller wie er, und sie spielten beide in derselben Liga. Aber abgesehen davon waren sie grundverschieden.

Nicht nur was das Aussehen und die Statur betraf, sondern auch ihre Arbeitsweise konnte unterschiedlicher nicht sein.

Während Azrael sich an die wichtigste Regeln hielt, die unter den Auftragskillern weltweit galten, waren diese Regeln 'Steelheart' absolut egal.
 

Es existierte nur eine einzige Regel, die von Auftragskillern weltweit eingehalten wurde, und die lautete: Töte keine Kinder!

Wie es zu dieser Regel gekommen war, wusste man schon gar nicht mehr, fest stand jedoch, dass sie ihren Ursprung in Italien hatte.

Jeder Auftragskiller, der sich nicht an diese Regel hielt, war Freiwild für seine 'Kollegen'. In dieser Hinsicht verschmolzen die Killer der unterschiedlichsten Organisationen zu einer Familie, da sie sich einig waren, dass kein Kind etwas tun könnte, womit es seinen Tod verdiente.
 

'Steelheart' hingegen missachtete diese Regel regelmäßig, um nicht zu sagen, dass sie ihm egal war.

Wie viele Kinder er genau auf dem Gewissen hatte, war aufgrund der Dunkelziffer nicht genau bekannt, aber die die bekannt waren, überschritten die fünfzig bei weitem.
 

Sollte 'Steelheart' also darauf angesetzt werden Yong Tae ausfindig zu machen, war es gut möglich, dass er nur mit einer Leiche zurück kam.

Warum sein Boss überhaupt so ein Monster beschäftigte, wollte dem Blonden nicht in den Kopf. Vortex war an sich eine recht saubere Organisation, dafür dass sie regelmäßig Leute um die Ecke brachte und illegale Geschäfte abwickelte.
 

Würde Yong Tae von diesem Monster geschnappt werden, würde er unglaubliche Qualen erleiden müssen, denn nichts machte 'Steelheart' mehr Freude als seine Opfer zu quälen und zu foltern, bis sie beinahe darum bettelten, getötet zu werden und endlich sterben zu dürfen.

Und was mit Yung und Ed passieren würde, war sowieso klar. Sie würden für immer verschwinden, da 'Steelheart' keine Verwendung für sie hatte.
 

Azrael war ihm nur einmal begegnet, aber diese eine Begegnung hatte ihm gereicht, um nie wieder Kontakt zu diesem Kerl haben zu wollen.

Es war keine Angst, die ihn von 'Steelheart' fern hielt, sondern viel mehr Ekel und Abscheu. Er konnte Leuten die wahllos mordeten noch nie etwas abgewinnen, auch wenn er in den Augen der Bevölkerung und der Behörden exakt dasselbe tat.
 

Routiniert packte er die Waffensammlung wieder in die Reisetasche und zog den Reißverschluss zu, bevor er den Rest seiner Cola in einem Zug leerte und das Licht ausschaltete, ehe er sich wieder aus der Kneipe tastete und die Tür hinter sich absperrte.
 

Die Reisetasche warf er auf den Rücksitz seines Wagens, ehe er sich hinter das Lenkrad schob und den Schlüssel herumdrehte.

Er trat das Gas durch, schaltete das Licht an und bog auf die Autobahn ab, während er gar nicht darauf achtete, welches Lied gerade durch den Wagen schallte.
 

Seine Gedanken galten allein und einzig dem Zeitlimit, das er hatte. Es waren nicht einmal mehr achtundvierzig Stunden die er Zeit hatte, bevor er sich mit einem Gegner konfrontiert sah, mit dem selbst er Probleme haben würde.

Wenn er dabei auch noch auf drei verirrte Schafe, einen Drogenboss und dessen Bodyguard aufpassen musste, wäre das nicht nur ein ernsthaftes Problem, sondern so ziemlich das Größte, vor dem er je gestanden hatte.

Natürlich nur im schlimmsten Fall. Vermutlich konnten Ed, Jun und Taki selbst auf sich aufpassen.
 


 

Er war zehn Minuten zu früh am angegebenen Treffpunkt, aber Taki war trotzdem schon da. Der Japaner hatte seinen weißen Anzug gegen helle Cargohosen und ein kurzärmliges weißes Hemd getauscht, zusammen mit Turnschuhen der Marke Puma.
 

Die Augenbraue des Blonden wanderte automatisch aufgrund des ungewohnten Erscheinungsbilds nach oben, ehe er den Motor abstellte und ausstieg.

„Was ist?“, hakte der Japaner nach und hob ebenfalls eine Augenbraue, während er Azrael betrachtete.

„Du siehst ungewohnt aus.“, kommentierte Azrael wahrheitsgemäß, und hängte ein „Gehst du noch Kegeln?“, hinten dran, was den Anderen zum Schnauben brachte.
 

„Nichts da Kegeln. Wir machen einen Roadtrip. Jeder Mensch weiß, dass man dabei keinen Anzug anhaben sollte, weil das unglaubwürdig aussieht.“

„Roadtrip?“, hakte er nach, weil er sich nicht sicher war, ob mit seinen Ohren etwas nicht stimmte, oder ob Taki dieses Wort tatsächlich benutzt hatte.
 

„Natürlich. Ich wette deine reizende Lieblings-Sekretärin hat ihre Spione an jedem erdenklichen Flughafen. Da ist es einfacher mit dem Auto über die Grenze zu kommen. Wir nehmen übrigens deins.“

Taki rollte mit den Augen, als er den Blick des Blonden bemerkte, ehe er schief lächelte und mit den Schultern zuckte.

„Na, wie versprochen hab ich sie gefunden. Sie haben die Grenze nach Nordkorea passiert und befinden sich im Moment in Tuil-Tong. Keine schöne Gegend, aber bekannt für ihr Waffenangebot.“
 

Dass diese Stadt für ihr Waffenangebot bekannt war, wusste Azrael auch, immerhin bezog er hier und da ein paar Waffen von dort, wenn er in der Gegend war.

Was genau Ed in dieser Stadt wollte, war ihm so ungefähr auch klar. Abgesehen von dem ziemlich unübersichtlichen Waffenangebot, war die Stadt am Besten geeignet, um Südkorea zu verlassen und sich zu verstecken, und doch in der Nähe von Seoul zu bleiben.
 

„Du willst doch hoffentlich nicht mit!“, stieß Azrael aus, verlor jedoch im gleichen Moment jegliche Hoffnung auf eine Verneinung, als Taki lediglich breit grinste und auf Jun deutete, der mit zwei Reisetaschen bepackt hinter ihm stand.

„Natürlich. Zu Dritt sucht es sich doch Besser als allein. Außerdem...“

„Hoffst du die goldene Hochzeit deiner Eltern somit zu verpassen.“, beendete Azrael den Satz und rollte mit den Augen, bevor er die Wagentür wieder aufriss und sich hinter das Steuer setzte.
 

Er kannte den Drogenboss lange genug um zu wissen, dass es absolut sinnlos war, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Mal abgesehen davon, dass er ihn wirklich ungern erschossen hätte, war Taki für ihn ziemlich nützlich. Zumindest so lange bis er Yong Tae wiedergefunden hatte, oder etwas anderes verloren ging.
 

Taki setzte sich neben ihn auf den Beifahrersitz, während sein Bodyguard mit beachtlich mieser Laune auf den Rücksitz rutschte.
 

„Wenn wir in Tuil-Tong sind, wie finden wir sie dann?“

Es war das erste Wort seit Beginn der Fahrt vor zwanzig Minuten, das gesprochen wurde, und der Blonde linste aus dem Augenwinkel zu seinem momentan unfreiwilligen Partner hinüber, der es sich mit dem Laptop auf den Knien gemütlich gemacht hatte.
 

„Einer meiner Leute behält sie im Auge, und erstattet uns Bericht wenn sich ihr Aufenthaltsort ändert. Im Moment befinden sie sich allerdings am Stadtrand in einem Motel, das ich gar nicht als solches bezeichnen will.“, antwortete der Japaner und verzog angeekelt das Gesicht, was Azrael unweigerlich zum Lächeln brachte.

„Du bist verzogen.“

„Gar nicht wahr. Wenn's drauf ankommt, kann ich auch im Dreck wühlen.“, murrte es neben ihm, und er beschloss darauf nichts zu sagen.
 

Eine Weile herrschte bis auf die Musik aus der Anlage wieder Stille im Wagen, ehe der Blonde gequält stöhnte.

„Ich fasse es einfach nicht, dass ich ausgerechnet mit dir und diesem Gorilla einen Roadtrip unternehme, um Schafe einzusammeln.“

„Und ich fasse es einfach nicht, dass du Hirte geworden bist.“, kam es trocken zurück, was Azrael schnauben ließ.
 

Wenn sie den Jungen gefunden hatten, würde dieser ziemlich lange und ziemlich viel im Staub kriechen müssen, um die seelischen Qualen die Azrael noch erleiden würde, wettzumachen.

Vorausgesetzt sie lebten dann noch, und hatten bis dahin auch wieder ein Dach über dem Kopf.

Noch so ein Problem, um das er sich bei Gelegenheit kümmern musste.

Aber im Moment hatte das Zeitlimit und das Auffinden der anderen oberste Priorität und alles Andere konnte getrost warten, bis das Problem gelöst war.
 

Azrael drückte das Gaspedal durch, kaum dass die Reifen die Autobahn in Richtung Nordkorea berührten, und tastete mit einer Hand automatisch nach den Waffen, die sich an seine Oberschenkel schmiegten und in dem fahlen Licht der entgegen kommenden Autos und den tief am Himmel hängenden Mond, silbern leuchteten.

Epilog

„Dieser Junge ist ein ernsthaftes Problem.“, murrte der Mann und drehte sich in seinem Sessel zu den Anwesenden vor seinem Schreibtisch herum.

„Leider konnten wir ihn noch nicht finden, Sir.“, gab die ältere der beiden Frauen zerknirscht zu.

Wie sollte sie ihren Fehler nur wieder gut machen, durch den dieser Junge entkommen war.

Wer die anderen Beiden gewesen waren, war ihr egal, denn diese stellten keine Bedrohung dar. Was konnten auch schon ein Student mehr und ein alter Mann ausrichten?

Aber das sie den Jungen verloren hatte, war ein Fehler gewesen, und der Boss war nicht gut auf sie zu sprechen. Würde sie noch einmal einen Fehler begehen, wäre das vermutlich das Letzte was sie getan hatte in ihrem Leben.
 

„Ich verstehe sowieso nicht, warum uns dieser Bengel gefährlich werden könnte. Er ist Student, hat keine herausragenden Eigenschaften und auch nicht besonders viel im Kopf.“, gab der junge Mann, mit schwarzem Haar und Brille von sich, während er seine Krawatte zurecht rückte.
 

Das verstand sie auch nicht. Was an dem Jungen so gefährlich sein sollte, dass man ihn unter allen Umständen erwischen und auslöschen musste.

„Ist doch egal! Ihn zu töten wird eine Freude sein.“, konterte der andere der vier 'Angestellten', ein großer und breitschultriger Mann, ohne Haare, aber dafür mit unzähligen Narben auf dem Kopf.

Seine Erscheinung an sich bereitete ihr schon Unbehagen, aber seine kalten, grauen Augen übertrafen das Ganze bei weitem. Das Einzige das diese Augen wieder spiegelten, war die Lust am Töten und am Leid anderer Menschen.
 

„Azrael ist unberechenbar geworden.“, stieß der Boss der Vier aus, und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich in seinem Sessel nach hinten lehnte.

„Das war er schon immer.“, warf die schöne, junge und blonde Frau ein, die neben ihr stand und die faszinierende Ausstrahlung eines Eisbergs besaß.
 

„Das stimmt schon. Aber inzwischen wird er zu einer ernstzunehmenden Gefahr. Dieser Junge, Yong Tae, hat es irgendwie geschafft, dass er sich noch unberechenbarer verhält als gewöhnlich. Sollte sich das weiter steigern, werden wir Azrael's Schritte nicht mehr vorhersehen können.“, gab der Boss ruhig von sich und sah seine Untergebenen der Reihe nach an.
 

„Boss, ich hätte da eine Idee.“, meldete sie sich zu Wort, und versuchte ruhig zu erscheinen, als die Blicke der Anderen, insbesondere die ihres geliebten Bosses, auf ihr hingen.

„Wieder so eine tolle Idee, wie die Letzte, bevor du den Jungen verloren hast?“, spottete der Brillenträger und sie atmete tief durch, während sie den Kopf schüttelte.
 

„Meine Untersuchungen haben bestätigt, dass Azrael sehr an dem Jungen hängt. Es wäre am einfachsten, ihm zu folgen. Er wird uns zu ihm führen.“

„Und dann? Dann wird er uns gewaltig in die Quere kommen, um den Jungen zu beschützen. Das hatten wir doch schon. Er hat zwei meiner Männer erledigt.“, warf der Brillenträger ein und schnaubte abfällig.

„Du hast Amateure auf ihn angesetzt! Ich habe dir gesagt, dass Azrael mit Vorsicht zu genießen ist!“, hielt sie dagegen, und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Sie hat recht. Es ist sein Auftrag auf den Jungen aufzupassen, bis das Geld wieder eingetrieben ist. Und so lange wird er alles tun, um die Sicherheit des Jungen zu gewährleisten und sein Leben zu schützen. Ihn so offensichtlich anzugreifen konnte nur in die Hose gehen.“, pflichtete ihr die blonde Schönheit bei, und es kehrte Stille im Raum ein.
 

Das Schweigen wurde nach einiger Zeit durch das Räuspern des Bosses unterbrochen, dem sofort alle ihre Aufmerksamkeit schenkten.

Sie wartete angespannt darauf, wie der Befehl lauten würde, und ob sie weiterhin mit dem Auftrag betraut war, oder mit dem verlieren des Jungen ihr Todesurteil unterschrieben hatte.
 

„Tut was ihr für richtig haltet, um den Jungen zu kriegen. Tot oder lebendig ist mir gleich.“
 

Die Vier nickten und wandten sich zum gehen, ehe sie das „Aber:“, ihres Bosses zurück hielt, und sie sich ihm wieder zuwandten.

„Azrael darf unter keinen Umständen getötet oder verletzt werden. Ein paar Schrammen sind in Ordnung, ohne wird es vermutlich nicht gehen. Aber wagt euch nicht, ihn schwerwiegend zu verletzen, verstanden?!“
 

Der scharfe Ton den der Boss angeschlagen hatte, brachte sie alle, inklusive dem Muskelprotz, dazu zu nicken.

„Boss, nur eine Frage.“, meldete sich der Brillenträger erneut und räusperte sich auf das Zeichen hin, das er fragen sollte was er fragen wollte.

„Warum ist Azrael dir so wichtig?“
 

Das Gesicht des Bosses wurde von einem Lächeln erhellt, während er seine Untergebenen betrachtete.

„Ich liebe ihn. Immerhin ist er wie ein Sohn für mich.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von: abgemeldet
2016-04-09T10:02:45+00:00 09.04.2016 12:02
Ich muss Faye_Lefay recht geben du bist gemein *schmoll*
Dachte gerade jetzt wird's richtig spannend und jetzt geht's nicht weiter. *noch mehr schmoll*
Aber das find ich echt cool. Wie gesagt nur Teufel könn so sein :):):):) (Grooooßes Kompliment:))
Antwort von: abgemeldet
09.04.2016 15:35
Du hast jetzt nicht ernsthaft die Story in einem Rutsch durchgelesen? X''DDD
Ja so bin ich. Das Böse schläft nie und so XD
Auf jeden Fall freut es mich das dir der 1. Teil gefallen hat :3 Ich bemühe mich auch wirklich den zweiten noch dieses Jahr zu schreiben, was hoffentlich so funktioniert wie ich will :''D Aber erst mal muss Nightcrawl dran glauben und .... ja. No Timeeee~ :''')
Aber: Es ist definitiv in Planung, es kommt auch wirklich, und die Cover für Teil 2 und 3 sind ja schon fertig, genauso wie der grobe Storyaufbau :'D
Von: abgemeldet
2016-04-09T08:55:45+00:00 09.04.2016 10:55
Die Sendung: Katekyo Hitman Reborn! passt wirklich super dazu. :) Und sowohl Azrael als auch Yong haben mit dem Vergleich recht. :):):):)

Frage darf ich beim Gruppenkuscheln mitmachen *auch raufwerf* ;)
Von: abgemeldet
2015-06-28T08:22:51+00:00 28.06.2015 10:22
Oh ha. Warum machst du hier schon Ende? Das ist so gemein. Und dann bis nächstes Jahr warten. Okay. Die Geduld muss ich wohl oder übel aufbringen. Das ist so fies von dir. Aber trotzdem ein tolles Ende. Die Spannung bleibt und ich vermute mal, das es einer von Azraels früheren Ausbildern ist, der Azrael wie ein Sohn liebt. Frau Kang ist da sicherlich hier nicht gemeint. Oder doch?

Diese Unwissenheit ist echt zum verrückt werden.

Gruß
Neami_Grayham. ^^
Antwort von: abgemeldet
28.06.2015 10:58
Warum? Weil ich ein gemeiner und bösartiger Mensch bin natürlich xD Was denkst du denn?
Na ja, wanns raus kommt steht ja noch in den Sternen. Im Moment arbeite ich an Nightcrawl 2 und Himmlisches Geflügel :p Je nachdem wie schnell die fertig sind, kommt dann Azrael 2 xD Logisch oder?
Tja, wer der Boss im Epilog ist, ist geheim. Aber so viel...er ist männlich, da der Epi aus der Sicht von Frau Kang geschrieben ist xD
Du bist echt so ein treues Leserchen :3 *knuddel*
Antwort von: abgemeldet
28.06.2015 11:03
Ich merke schon, wie gemein und bösartig du bist. Ein Teufelchen in menschlicher Form und Person. ^^
Von: abgemeldet
2015-06-27T08:49:41+00:00 27.06.2015 10:49
Zuerst lädt Taki ihn zu einer Hochzeitsfeier ein und dann begleitet er dann doch lieber Azrael bei der Suche, nur um damit die Hoffnung zu haben, doch nicht zur Hochzeit gehen zu müssen. Und das Mi nun auf ihren Freund angesetzt wurde... Oh, man. Probleme über Probleme. Azrael scheint endlich zu bemerken, wie sehr er seinen nervigen und unliebsamen Mitbewohner doch vermisst. Wenn das kein Zeichen von Liebe ist. ^^
Von: abgemeldet
2015-06-23T18:46:47+00:00 23.06.2015 20:46
Ja, das hat Azrael. Jetzt weiß man auch inwiefern praktisch. Eine Frau vom NIS sollte doch eigentlich etwas mehr misstrauen haben, aber anscheinend ist sie wirklichso naiv und vertraut Azrael. Ich bin ja mal gespannt, ob sie irgendwann herausfindet, mit wem sie da eigentlich wirklich geht.
Von: abgemeldet
2015-06-22T20:29:20+00:00 22.06.2015 22:29
Ich musste so lachen. Da gibt sich Azrael als ein Beamter von NIS aus.^^
Dieser Taki ist noch schlecht einzuschätzen. Mag er auch ein gutaussehender Typ sein, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sein Charakter auch dem enspricht. Da bittet Azrael ihn also um Hilfe. Mal sehen, was daraus wird.
Wenigstens sind keine Leichen in Azraels Wohnung gefunden worden. Doch das der Boss so sauer geworden ist, ist verständlich. ^^
Antwort von: abgemeldet
23.06.2015 17:41
Er hat ja schon mal erwähnt, dass seine Freundin praktisch ist xDD Konnte ja keiner ahnen wie praktisch.
Taki ist...anders....ICh weiß gar nicht wie ich Taki beschreiben sollte o3o
Von: abgemeldet
2015-06-13T18:39:03+00:00 13.06.2015 20:39
Oh verflucht. Frau Kang und eine Spionin. Aber leben die drei noch, oder sind sie doch tot? Und für wen arbeitet Kang dann wirklich? Und die schöne Wohnung von Azrael. Wie gemein. Aber Kang kann sich auf was gefasst machen, wenn Azrael sie in die Finger bekommt. Der Boss ist sicherlich jetzt auch stinksauer. Er hat der falschen Person vertraut.
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 21:01
Haha xDD War das überraschend? Ernsthaft? *-* Wenn ja bin ich mal stolz auf mich xD
Um die Wohnung tuts mir ehrlich gesagt selber leid ;_____; Das war so...meine Traumwohnung. Extra bei Sims3 nachgebaut xDDD
Das nächste Kapitel ist auf jeden Fall schon beim Beta, frage ist nur wann es zurück kommt xD
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 21:19
Das war wirklich überraschend. Ich hatte nie gedacht, dass Frau Kang in Wirklichkeit eine Spionin ist. So kann man sich auch täuschen.
Das es deine Traumwohnung ist, ist nicht verwunderlich. Ich mag ja auch helle Wohnungen und wenn es noch dazu eine Mesonettwohnung ist, um so besser. Aber sich soetwas leisten, dann kann ich bei meinen Gehalt als Altenpflegerin absolut nicht. :-(
Naja. Aber träumen darf man ja immer. ^^
Bei einer fast gänzlich weiß gehaltenden Wohnung würden meine Katzen geradezu mehr Farbe bringen. Mein Kater Montag würde die Wände sicherlich durch sein schwarzes Fell Eckeweise ergrauen und meine Katze Pauline überall ihre Haare verteilen, da sie bei viel Fell immer so haart. Schon nach kürzester Zeit trotz sauber machen der Wohnung, sähe es nicht mehr so sauber weiß am Ende aus. Eine frühere Bekannte von mir hatte mal auch so eine fasr weiße Wohnung und hatte sich eine Katze geholt. Am Ende sah die Wohnung an manchen Stellen trotz jeden Tag sauber machen aus, als hätte man nicht richtig sauber machen können. Was immer nur getäuscht hat. Sie wollte nur nicht immer mit einem Eimer weißer Farbe die Wände einmal im Jahr neu streichen.
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 22:01
Ich fühl mich gerade so...beschwingt xDD
Es freut mich immer so, wenn tatsächlich was unerwartetes in meinen Storys passiert. Die meisten sagen nämich bei mir ist alles so vorhersehbar...was ich nicht kapiere, da ich selber nicht mal weiß wies weiter geht O.o
Ob Azrael sich jetzt freuen sollte, dass seine Wohnung Schrott ist, bevor Eds Hunde sie ruiniert hätten? xDD
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 22:17
Wohl eher nicht. Eds Hunde können aber ja vielleicht Ed gewarnt haben, da sie ja überall alles durchschnüffelt haben. Okay, ich weiß ja nicht, ob Ed seine Hunde überhaupt Bomben riechen können, falls er sie dazu erzogen hat. Aber so kann ich mir jedenfalls gut vorstellen, dass Ed und die anderen dann doch überlebt haben. Nur nicht die wohnung. Aber ich lasse mich überraschen, wie du es machst. Vielleicht kommt es ja auch völlig anders.
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 22:25
Na ja, zuerst einmal kommt ein neuer Chara XDD
Ob man den jetzt mögen sollte oder nicht...dont know. Ich find ihn nicht schlecht, er hat was. Irgendwas schräges xDD Obwohl...ist Azrael eigentlich schräg? Dont know xDD
Ich bin gerade so motiviert, dass ich mich morgen vielleicht sogar schon an Kapitel 15 setze xD
Antwort von: abgemeldet
13.06.2015 22:37
Ich bin gespannt, wer dieser neue Chara sein wird. Ich werde ja lesen und mein Kommentar dazu abgeben.
XD
Von: abgemeldet
2015-06-08T21:56:51+00:00 08.06.2015 23:56
Ich glaube nicht, dass Azrael Yong Tae wirklich umbringen wird, aber Yung hätte er besser wirklich nicht mitnehmen sollen. Dann hätte dieeer auch nicht solche Kommentare abgegeben. Und Yung ist mir eindeutig zu neugierig. Das macht man doch nicht. Einfach die Schubläden zu öffnen, ohne Erlaubnis. Yong tae hätte da besser aufpassen sollen.
Die Fragen stellen sich jetzt natürlich folgendes. Wird Yung jetzt doch umgebracht? Und wenn ja, die Waffen sind ja nicht gerade sehr leise, auch wenn es Spezialanfertigungen sind. Und Yong, wird er von Azrael noch richtig verletzt, oder nicht? Dabei kann Azrael ja der Haussegen völlig egal sein. Falls du doch vor hast, dass Yong Tae stirbt, wie soll Azrael es dann seinem Chef verklickern, was er getan hat? Denn dann gebe es nicht nur kein Druckmittel mehr, wegen den ganzen Schulden, sondern vermutlich mehr als das. Ich kann mir dann gut vorstellen, dass Azrael beim Chef nicht nur unten durch ist, sondern dieser ihn dann auch umbringt für sein Versagen. Alles in allem ist es spannend bald zu erfahren, wie es weiter geht. ^^
Von: abgemeldet
2015-06-03T01:54:20+00:00 03.06.2015 03:54
Es stimmt schon irgendwie, dass Yong und Azrael sich fast wie ein Ehepaar schon verhalten. Aber wer zu faul ist sein Gästezimmer aufzuräumen, braucht sich nicht zu wundern, das man ihm so ein Kommentar sagt.
Das scheinbare Eheleben ist doch schön. *lach* ^^
Antwort von: abgemeldet
03.06.2015 07:44
Du bist so eine fleißige Kommentiererin *__*
Das rührt mich jedes mal. Musste mal gesagt werden <3
Ich freu mich echt, dass wenigstens einer die Story verfolgt und dabei anscheinend auch noch Spaß hat xD

Ja, ja das Ehepaar :p Vielleicht wird Azrael ja noch sozial kompetent xDDD Obwohl das irgendwie eine gruslige Vorstellung ist xD
Antwort von: abgemeldet
03.06.2015 13:01
Ich tue, was ich kann. Wenn mir was wirklich gefällt, kommentiere ich auch. Nur die Zeit hat man nicht immer.
Bei meinen FFs habe ich leider selber kaum viele Interessenten. Und Kommentare sind so gut wie kaum vorhanden. Da ich auch nicht auf Kommentare bestehe, ist es mir persönlich auch egal. Zumindest bei meinen FFs.

Um Himmels Willen! Azrael und Sozial. Das mit Yong ist schon sozial genug. XD
Das wäre zuviel persönliche Veränderung für Azrael. Das wäre echt gruselig.^^
Antwort von: abgemeldet
03.06.2015 22:11
Im Prinzip ist es mir auch egal ob ich Kommentare bekomme oder nicht. In erster Linie schreib ich ja weil ich nicht weiß wohin mit meiner abartigen Fantasie, und zum anderen denk ich mir, die Leute die das Lesen werden schon ihren Spaß haben...oder auch nicht xD
Aber Kommis bauen doch manchmal auf. Wenn ich deprimiert bin les ich mir Kommis durch, während andere Leute Ratgeber lesen xDDD

Er wird dann Kindergärtner xD Oder noch besser: Kassierer in einem Supermarkt...wo er die doch so mag :p
Sein Boss wird sich bedanken xD
Von: abgemeldet
2015-05-27T18:00:18+00:00 27.05.2015 20:00
Yong steht eindeutig auf Azrael. Ist ja echt süß mit den beiden. Yong wird aus ihm einen sozialeren Menschen machen. ganz bestimmt^^


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