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Zwischenwelten

Ereri
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zum 7. Kapitel!

Die Zeit ist für mich schneller vergangen, als ich erwartet hätte. Obwohl ich dieses Kapitel am 22.05.15 abgeschlossen und überprüft hatte, musste ich es jetzt noch einmal durchlesen und ein paar Ausdrücke ändern.

Es tut mir leid, dass das Hauptquartier unserer Polizisten in Paris ist und diese Geschichte eine traurige Aktualität erreicht hat. Aus den im letzten Kapitel genannten Gründen werde ich an dem Standort allerdings nichts mehr ändern.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Äußerungen oder Handlungen der in der Geschichte vorkommenden Personen nicht meine eigene politische, religiöse oder moralische Einstellung widerspiegeln. Es sollte sich von selbst verstehen, dass Erzähler und Autor personenverschieden sind.

Ansonsten wünsche ich viel Spaß bei diesem Kapitel! Komplett anzeigen

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Feuerflüstern

Historia und Ymir hatten sich um halb zwölf höflich zurückgezogen. Das ließ ihn allein mit seinem letzten Schluck Tee in der großen Kantine zurück, in der man sicherlich eine Nadel hätte fallen hören können.
 

Als nach einigen Minuten das Licht flackerte und er die Möglichkeit in Betracht zog, dass jeden Augenblick jemand vorbei kommen und in der vermeintlichen Gewissheit, dass sich hier niemand mehr aufhielt, das Licht ausknipsen könnte, entschied sich Levi das neue Jahr unter der Dusche stehend zu begrüßen.
 

Einsamkeit war ein lähmendes Gift, das sich erst bemerkbar machte, nachdem es sich schleichend im ganzen Körper ausgebreitet hatte.
 

Vielleicht hätte er nicht so störrisch sein und in den sauren Apfel beißen sollen.
 

Silvester in Paris bei einer der schönsten Basiliken der Welt zu verbringen, war nicht die fürchterlichste Idee, die man haben konnte.
 

Er trat gerade aus der Dusche, als die Fenster durch eine unnatürliche Erschütterung in Schwingung versetzt wurden.
 

Einem Gefühl folgend rannte Levi ins Wohnzimmer und riss sein Fenster auf. Er blickte auf die von Laternen beleuchtete Straße, auf der sich keine Menschenseele befand, doch er hörte es. Ein magenumdrehendes Rauschen aus zahllosen Schreien.
 

Er schloss das Fenster und begann sich mit einer routinierten Zügigkeit anzuziehen, die man nur durch den Einsatz in Gefahrsituationen erwarb, sodass er bereits aus der Tür trat, als ihn ein kreidebleicher Polizist aufsuchte.
 

„Sir!“, rief er, als Levi auf den Gang trat.
 

„Was ist passiert?“
 

„Es gab vier Explosionen. Zwei um den Eifelturm, eine beim Arc de Triomphe und eine direkt vor Sacré Cœur“, rief der Polizist, während sie zur Ausrüstungskammer rannten - die Alarmsirenen gingen ebenfalls mit markerschütterndem Lärm los, doch Levi nahm sie durch das Rauschen seiner Ohren kaum wahr.
 

Sacré Cœur.
 

„Es ist noch völlig unklar, wer dafür verantwortlich ist und wie viele Opfer es gibt“, brüllte der Polizist über den Lärm hinweg.
 

„Was du nicht sagst“, grollte Levi und ignorierte das irritierte Gesicht des Kerls, der ihm bedeutete, dass er nichts verstanden hatte.
 

Levi drängte sich in die Ausrüstungskammer und schnallte sich zwei Maschinenpistolen und eine handliche Walther um. Sein Fallschirmjägermesser trug er stets an der Innenseite seines linken Stiefels.
 

„General-Leutnant!“
 

Beim Klang dieser Stimme schnellte Levi zurück. Historia und Ymir standen bereit hinter ihm und drängten nun ebenfalls zu den Waffen.
 

„Beeilt euch, wir fahren nach Sacré Cœur!“
 

„Verstanden“, kam es unisono zurück.
 

„Aber Sir! Es findet zuerst eine Einsatzbesprechung statt“, gab das arme Würstchen von sich.
 

„Nicht für uns. Wir unterstehen der GSG9 ab dem heutigen Tag nicht mehr.“
 

Levi wandte sich ab, sobald seine Frauen in voller Montur heraustraten und rannte mit ihnen zu den Garagen. Er ließ sich von keinem dieser Affen abhalten.
 

Sacré Cœur.
 

Bei allen Mächten dieser vermaledeiten Welt! Das durfte nicht wahr sein!
 

Sie nahmen sich die High-Speed Motorräder aus dem Bestand der SEK und schlängelten sich so schnell wie möglich durch das Chaos von panischen Menschen, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Sicherheitsbeamten.
 

Unter größten Willensanstrengungen verdrängte Levi seine Angst und ignorierte sein schmerzhaft rasendes Herz, als sie nach Montmartre fuhren, wo Rauchschwaden emporstiegen und Sirenen wütend heulten.
 

Levi ließ das Motorrad am Treppenabsatz fallen und sprang die Stufen hinauf, ungeachtet dem blinden Chaos um ihn herum.
 

„General-Leutnant!“
 

Ymir?
 

„General-Leutnant!“
 

Levi wirbelte herum und sprang zur Seite.
 

„Hannah.“ Der Name verließ seine Lippen mit einem erleichterten Seufzer, als er sie zusammen mit Franz, Reiner, Mylius, Mina und Connie in einer kleinen Seitenstraße neben der Treppe am Bordstein sitzen sah. Die anderen lehnten an einer Mauer und soweit er sah, hatten sie nur ein paar Schrammen davongetragen.
 

Ein Blick genügte, um die aufkeimende Hoffnung zu zerschmettern.

„Wo sind Eren, Armin, Berthold, Annie und Thomas?“
 

Wollte er die Antwort hören?
 

Ja, wollte er.
 

„Sie sind weiter oben. Es geht ihnen gut“, erklärte Reiner ihm mit ernstem Gesichtsausdruck. Er hatte Levi etwas zu erzählen, doch das musste vorerst warten.
 

Levi sprang die nächsten Treppen hinauf und bemerkte beiläufig Ymir und Historia bei den anderen ankommen. Er hatte sie in seiner Eile tatsächlich ein gutes Stück hinter sich gelassen.
 

Er erkannte Armins Blondschopf in einer weiteren Seitengasse und fand sich schneller in der Mitte seiner übrigen Kameraden wieder, als sie gucken konnten.
 

„Sir!“, rief Berthold überrascht und starrte ihn mit großen Augen an.
 

Levi beobachtete sich selbst dabei, wie er in Erens Augen starrte als könne er nur mehr atmen, wenn er um dessen Gesundheit wusste.
 

Die seegrünen Augen blickten ihm überrascht entgegen, doch Levi hielt sich nicht lange mit ihnen auf. Sein Blick streifte über Erens zerschrammtes Gesicht, die zerrissene, schmutzige Kleidung und sah, wie Eren mit blutigen Fingern seinen Arm hielt.
 

Levi betrachtete seine restlichen Leute prüfend, die sich um ihn gescharrt hatten. Es ging allen gut.
 

Die Erleichterung erfasste ihn mit taumelnder Überwältigung und sein schmerzhaft pochendes Herz beruhigte sich unverzüglich.
 

„Bist du der einzige Verletzte?“, fragte er Eren nun, dessen Augen sich bei der Frage in wütender Schuld zusammenkniffen.
 

„Es sind viele Menschen gestorben“, sagte Eren mit abgewandtem Blick.
 

Noch bevor Levi ihn für diese an seiner Frage vorbeigehenden Antwort schelten konnte, ergriff Annie unerwartet das Wort.
 

„Er hat uns gerettet.“
 

Levi wandte sich ihr zu, doch sie schien froh, dass Armin ihr die Erklärung abnahm.

„Als die Bomben in der Stadt explodierten hat Eren als Erster die Gefahr erkannt und uns befohlen herunterzurennen. Die Bombe oben ist direkt neben unserem vorherigen Standort hochgegangen - soweit wir das von hier beurteilen können. Eren war der Letzte und ist vom Druck der Detonation einige Stufen herunter geschleudert worden, aber glücklicherweise scheint er nur Kratzer davongetragen zu haben.“
 

Eren schnaubte abfällig und starrte weiterhin mit seinem bösen Blick Löcher in den Boden.
 

„Gut gemacht, Eren“, lobte Levi ihn, obwohl er wusste, dass sich Eren unverdientermaßen gelobt fühlte. Wie erwartet ignorierte Eren ihn und biss sich von Selbstvorwürfen zerfressen auf die Unterlippe.
 

Er würde später mit ihm reden müssen. Jetzt musste sich Levi um anderes kümmern.
 

„Annie, du warst beim Bombeneinsatzkommando.“
 

„Ja, Sir.“
 

Levi nickte.

„Du und Armin kommt mit mir nach oben. Lasst uns sehen, ob wir etwas in Erfahrung bringen können.“
 

Er sah Zweifel in Armins Augen aufblitzen und auch alle außer Annie schienen sich zu fragen, ob es in diesem verzweifelten Chaos richtig war einen Tatort zu inspizieren, statt Verletzte zu versorgen. Doch sie gehorchten und folgten ihm die Treppen hinauf, vorbei an kreischenden Menschen und über Blut und Fleischfetzen.
 

Die Polizisten und Feuerwehrleute erkannten seine GSG9-Uniform und ließen ihn wortlos die Stufen zur Basilika emporsteigen. Schräg unterhalb von Sacré Cœurs Front blieb er stehen und nahm das Bild vor sich auf.
 

Armin neben ihm zischte schockiert und auch Annie betrachtete den Tatort mit gequälter Miene.
 

„Wir wären alle tot“, murmelte sie ungläubig.
 

Erwartungsvoll sah Levi zu Armin, der ihm mit verstörter Mimik erklärte:

„Wir sind vor der untersten Stufe dort seitlich gestanden. Die Bombe hätte uns zerfetzt.“
 

Mehr brachte der junge Mann nicht hervor. Vermutlich war er noch nie in einer solchen Lage gewesen und nur wenn man es gewohnt war dem Tod von der Schippe zu springen, konnte man mit rational geschaffener Ruhe so einer Situation begegnen.
 

Annie hatte als Bombenentschärferin mehr von dieser notgedrungen akzeptierten Gelassenheit.

„Es war eine sehr kleine, kontrollierte Explosion.“
 

„Die Leute im Umkreis von zehn Metern sind geradezu verdampft“, stellte Levi fest.
 

Den Brandspuren nach zu Urteilen war die Bombe rechts unterhalb der Treppe detoniert. Sie hatte die Balustrade zerrissen und das Gestein gesprengt.
 

„Ja, sie wollten mit dieser Bombe nur Angst einjagen ohne die Kirche zu zerstören. Der eigentliche Terrorakt bestand in den Bomben beim Eifelturm.“
 

„Zwei beim Eifelturm und eine am Arc de Triomphe. Ich stimme zu. Es sieht nicht nach blinder Zerstörungswut aus. Ihr habt gesagt, ihr hättet die anderen Explosionen gesehen?“
 

„Ja“, erwachte Armin aus seiner Schockstarre, „Diese Bombe muss zwischen 30 und 60 Sekunden später detoniert sein. Wir konnten die Explosionen in der Stadt wunderbar sehen. Fast wie-“
 

„Ein Theaterstück“, unterbrach Levi ihn bedeutungsschwer.
 

„Ja“, bestätigte Armin, „Die Täter wollten hier vermutlich ein Publikum, das ihr Werk bestaunt, bevor...“ Er konnte den Satz nicht beenden. Sie hätten alle tot sein können. Tot wie diese armen Menschen, von denen nur noch in den Beton gebrannte Asche übrig war.
 

„Annie, ich möchte das du mit Thomas hier bleibst und den Hampelmännern von der Forensik auf die Finger schaust“, beschloss Levi, „Hast du dein Mobiltelefon dabei?“
 

„Ja“, erklärte sie und holte es aus ihrer Jackentasche, um seine Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Alles in Ordnung.
 

„Gut. Ich schicke dir Thomas hoch und werde euch die Freigabebestätigung mailen.“

Ohne Uniform würde man an Annies und Thomas' Autorität zweifeln, sodass Levi ihnen ein Formular über das interne Netzwerk zuschicken würde, das die anderen Sicherheitskräfte und jeden, der es wissen musste, über ihre Kompetenzen und Berechtigungen aufklären konnte.
 

„Ja, Sir!“
 

Levi nickte zufrieden mit Annies Einstellung und wandte sich ab. Geschickt sprang er die Stufen zu seinen Leuten hinab, ohne auf Armin zu warten, der immer noch steif vor Schreck langsamer nachfolgte.
 

Erneut blieb er vor Eren stehen.

„Kannst du gehen?“
 

Eren blinzelte ihn mit aufgewühlten Augen an.

„Ja, kann ich.“
 

Demonstrativ erhob er sich ruckartig und schwankte prompt. Levi trat zu ihm und fasste ihn an den Schultern, doch Eren erholte sich schnell.
 

„Berthold!“, rief Levi den großen Mann, „Hilf Eren beim Weg. Und Thomas!“, wandte er sich jenem zu, „Du gehst zu Annie rauf und kontrollierst mit ihr die Forensiker.“
 

„Ja, Sir!“, riefen sie unisono und führten seine Befehle aus.
 

„Ich brauch keinen Aufpasser“, knurrte Eren, als Berthold zu ihm trat.
 

„Halt die Klappe und komm“, befahl Levi mit einem scharfen Blick und ging die Treppen hinab zum Rest des Trupps.
 

Es hatte keinen Sinn weiterhin hier zu verharren. Erste Hilfe wurde bereits von Sanitätern und Feuerwehrleuten geleistet.

Ihre Aufgabe war es nun Informationen zu sammeln und das war an diesem Ort vorerst nicht zufriedenstellend möglich.
 

Paris war im Ausnahmezustand und trotzdem hatte jemand die Motorräder geklaut. Es überraschte Levi nicht und war ihm im Endeffekt egal. Er musste sowieso erst herumtelefonieren, bis ihn der Sohn der Putzfrau von Shadis' Sekretär mit einem Transporter von der SEK abholte. Der öffentliche Verkehr war zum Erliegen gekommen.
 

Die Straßen waren das reinste Chaos, aber nach fast drei Stunden hatten sie sämtliche Staus, Sperren und Kontrollen hinter sich gelassen und betraten ihr Quartier.
 

„Zieht euch um und kommt in dreißig Minuten in den Besprechungsraum“, befahl Levi, „Eren, du kommst mit mir mit.“
 

„Entschuldigung, aber Sir“, fragte Mylius, „Was sollen wir anziehen?“
 

„Saubere, praktikable Kleidung. Keine Einsatzmontur“, konkretisierte Levi, „Im Moment haben wir es nicht eilig.“
 

Es mochte paradox klingen. Levi hatte jedoch genug Erfahrung mit Chaos und wusste genau, dass es zwecklos war sich in diesem Moment zu hetzen. Wer diesen Terroranschlag geplant hatte, saß nun sicher irgendwo seinen Arsch vor der Glotze platt und bestaunte die brennende Stadt mit triumphierender Grimasse in den Nachrichten.
 

Manche wollen es einfach nur brennen sehen.
 

Er wandte sich um, wurde jedoch von Reiner aufgehalten, der zurückblieb.

„Sir? Kann ich kurz unter vier Augen mit Ihnen sprechen?“
 

Levi nickte, bevor er Eren zum Behandlungsraum vorschickte, der wie ein Häuflein Elend davon schlurfte.
 

Als sie alleine waren, betrachtete Levi ihn abwartend. Reiner sah müde aus. Der bullige Mann stand in sich zusammengefallen vor ihm, gezeichnet von den Ereignissen dieser Nacht.
 

„Wir standen vor Sacré Cœur und haben das Feuerwerk beobachtet“, berichtete Reiner mit gesenkter Stimme und erinnerndem, fernen Blick, „Dann waren da zwei weiße Lichter in der Stadt - als würde Magnesium abbrennen. Wir standen da wie Rehe im Scheinwerferlicht und verstanden nicht, was wir sahen. War es Feuerwerk? Es sah aber ganz anders aus. Komisch.“

Nun blickte er Levi mit intensiven Augen an.

„Dann hat Eren plötzlich geschrieen, ich solle Hannah nehmen und dass wir laufen sollen. Es stand eine solche Not und Dringlichkeit in seinem Gesicht geschrieben, dass er uns alle aus unseren Beobachtungen gerissen hat und wir ihm einfach gehorchten. Am ersten Treppenabsatz wartete er bis wir alle runterliefen, ehe er uns nachfolgte. Vermutlich hat er deshalb noch am meisten von der Schockwelle abbekommen. Er ist einen ganzen Treppenabsatz hinabgestürzt. Es ist ein Wunder, dass er sich nichts gebrochen hat. Er hat uns alle gerettet“, Reiner schnaubte, „Trotzdem macht er sich Vorwürfe, dass er nicht mehr Leute gerettet hat. Verständlich, aber...“
 

Reiner blickte mit gekräuselter Stirn auf den Boden, tief in Gedanken und bei eigenen Selbstvorwürfen.
 

„Danke, Reiner. Ich werde mit ihm reden“, nickte Levi und ging.
 

Der Gang zu dem kleinen Behandlungsraum, der eher eine hauseigene Apotheke mit Bett war, dauerte nicht lang. Doch mit jedem Schritt bemerkte Levi mehr und mehr das bleierne Klopfen seines Herzen und ein seltsam leeres zugleich aufwühlendes Gefühl in seinem Bauch. Er zog gereizt die Augenbrauen zusammen, als könne er so diese Empfindungen verscheuchen. Als er die Tür zum Behandlungsraum öffnete, verdrängte er sie zumindest.
 

Eren hockte geknickt auf dem Bett und stierte vor sich hin. Er raffte sich nur ein wenig zusammen, um Levi dabei zu beobachten, wie er in den Regalen und Schubladen nach Wattepads, Jod und desinfizierender Reinigungsflüssigkeit suchte. Levi merkte sich, wo die Pflaster und Verbände verstaut waren und zog seine Handschuhe aus.
 

Dann gab er etwas von der Reinigungsflüssigkeit in eine sterile Schüssel und tupfte mit der Pinzette eines der Wattepads darin herum. Er blieb bereit vor Eren stehen und sah ihn abwartend an.
 

Nach ein paar Sekunden spürte Eren seinen Blick und schielte zu ihm hoch.
 

Er verkniff sich ein aufgebrachtes Seufzen und befahl trocken: „Zieh dich aus.“
 

Fahrig fummelte Eren an seiner Winterjacke und streifte sie ab. Danach versuchte er dasselbe mit seinem Pullover, blieb jedoch ungeschickt an seinem Kopf hängen. Levi konnte dem hilflosen Gezerre kaum zusehen und stellte die Schüssel etwas grob auf das Tischchen neben dem Bett.
 

Ohne Scheu fasste er den Saum des Pullovers und zog ihn behutsam über Erens Kopf, der ihn mit großen Augen ansah.
 

„Shirt“, sagte Levi mit gelangweilt klingender Stimme.

Auch dabei tat sich Eren am letzten Stück schwer, sodass Levi es ihm auszog.
 

Als er seinen nackten Oberkörper sah, verstand Levi seine Mühe mit den Klamotten.

Erens Arme waren blau und blutig. Man sah, dass er seinen Kopf mit ihnen beim Sturz geschützt hatte. Ein Blick auf den Rücken bestätigte Levis Befürchtungen, dass auch dieser zerkratzt und übersät von Hämatomen war.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken griff er an Erens Seiten, was diesen heftig zusammenzucken ließ.
 

„Ich will nur deine Rippen kontrollieren“, erklärte er, ehe er wieder hinlangte.
 

„Deine Hände sind kalt“, nuschelte Eren, was Levi die Augen verdrehen ließ. Er sparte sich jedoch jeden Kommentar und setzte seine Untersuchung fort. Er fand nichts auffälliges.
 

Anschließend wollte er Erens Kopf auf Verletzungen hin überprüfen und fasste in seine Haare. Er strich kaum durch die braunen Strähnen, da riss Eren schon seinen Kopf nach hinten und griff nach Levis Händen.
 

„Ich habe keine Kopfwunden“, wehrte Eren sein Vorhaben ab und hielt seine Hände weiterhin fest, bis es ihm auffiel und ihn mit einer peinlichen Röte im Gesicht wieder losließ.
 

Erens Griff war sanft und warm. Es erinnerte Levi daran wieder zu atmen.
 

Das kühle Edelstahl der Schüssel ließ Levi dahingegen beinahe frösteln, als er sie wieder aufnahm. Allmählich wurde er wohl müde.
 

Ungeachtet Erens schmerzerfüllten Zischens tupfte er die Wunden an seinen Armen sauber.

Der Moment war gut geeignet, um das Gespräch hinter sich zu bringen.
 

„Reiner hat mir erzählt, was passiert ist. Du hast gute Arbeit geleistet.“
 

„Huh“, machte Eren abfällig und verzog sein Gesicht zu einer missgünstigen Grimasse.
 

„Als ich von dem Anschlag bei Sacré Cœur gehört habe, hatte ich befürchtet, dass ihr alle tot seid. Zwei Jahre Training für'n Arsch. Die erste Europäische Sondereinheit am ersten Arbeitstag ausgelöscht“, Levi schnaubte, „Glücklicherweise hast du sie gerettet.“
 

Eren schwieg und starrte selbstverachtend vor sich hin.
 

„Du weißt, dass du nicht mehr Menschen hättest retten können. Ohne dich wären weitere 14 Menschen tot.“
 

„14?“
 

„Hannahs Baby.“
 

„Ah“, gab Eren apathisch von sich, während Levi sich dem anderen Arm zuwandte.
 

„Bist du dazu in der Lage nachher an der Besprechung teilzunehmen?“, verlangte Levi mit kühler Stimme zu wissen, was Eren endlich in die Realität zurückkatapultierte.
 

„Natürlich!“, rief er, was Levi den Mund verziehen ließ.
 

„Ich bin nicht taub“, mahnte er und füllte die Flüssigkeit nach, um sich dem Rücken widmen zu können.
 

„Entschuldige“, murmelte Eren postwendend.
 

„Sprich mit mir, Eren“, forderte Levi und blickte ihm nachdrücklich in die seegrünen Augen.
 

Der junge Mann atmete tief durch.

„Ich weiß, es ist dumm sich Vorwürfe zu machen, weil ich nicht mehr tun konnte“, erklärte Eren mit leiser Stimme, „Und je mehr ich darüber nachdenke, desto wütender werde ich.“
 

„Wütend auf was?“
 

Eren sah auf, direkt in Levis Augen. Mit all der Entschlossenheit, die Levi an ihm beeindruckte, und heiß glühendem Zorn.

„Ich werde jeden Einzelnen zugrunderichten! Diese feigen Würmer werden für all das Leid büßen und wenn ich es mit meinen eigenen Händen tun muss!“
 

„Hm“, summte Levi gedankenverloren und stellte die Schüssel beiseite. Das Jod konnte er mit einer Pipette problemlos auf den Wunden verteilen.
 

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, ertönte Erens Stimme nach einer Weile leise mit anschuldigendem Unterton.
 

„Ich bin Kriegsveteran“, erwiderte Levi nüchtern, „Und mein Leben vor meiner Militärzeit war auch kein Zuckerschlecken. Ich bin Katastrophen gewöhnt.“
 

Erst als das Starren zu unnachgiebig wurde, begegnete er Erens inquisitorischem Blick erneut.

„Was?“ Er hörte selbst, wie gereizt er plötzlich klang.
 

Verdattert blinzelte Eren, ehe sein Mundwerk in Brechdurchfall ausbrach.

„Es tut mir leid! Ich sitz' hier nutzlos rum und lass mich von dir verarzten, dabei hast du bestimmt viel wichtigeres zu tun und es muss dir auch schwer fallen mir wegen meiner Nutzlosigkeit nicht in den Arsch zu treten!“
 

Levi bohrte seine Augen in Erens und verfehlte damit seine Wirkung nicht, sodass Eren betreten zu Boden blickte.
 

Mit einem leisen Schnauben hob er Erens Kinn mit seinem Zeigefinger an und sah ihm in die verwirrten Augen.

„Ja, ich könnte dich treten“, flüsterte Levi und beugte sich auf Höhe seines Gesichts herunter, „Für den Scheiß, den du hier verzapfst. Muss ich dir die Erkenntnis, dass du heute unsere Einheit gerettet hast, erst einprügeln?“
 

Eren öffnete seinen Mund - sprachlos - und schloss ihn wieder. Eine sanfte Röte überzog seine Wangen.
 

War er endlich zu ihm durchgedrungen?
 

Wie auf einen Schlag wurde Levi ihre Nähe bewusst und sein Herz setzte einen Takt aus.
 

„Hn“, machte Levi und richtete sich, für einen Sekundenbruchteil zerstreut, auf, ehe er ruhig weitersprach, „Ich habe nichts wichtigeres zu tun. Da draußen ist Chaos. Vermutlich können wir uns auch die Besprechung sparen und ein paar Stunden schlafen gehen, bevor wir uns den Kopf zerbrechen.“
 

„Du könntest die Nachrichten und Meldungen checken“, meinte Eren kleinlaut.
 

„Deswegen rette ich die Welt auch keine 15 Minuten schneller.“
 

„Aber wenn du mich verarztest schon?“
 

„Vielleicht“, antwortete er postwendend und begegnete Erens überraschtem Blick.
 

Doch dann machte sich Nachdenklichkeit in Erens Mimik breit.

„Ich werde dich nicht enttäuschen“, versprach er eisern.
 

„Du kannst mich nur enttäuschen, wenn du vergisst, was ich dir über Rache und Entscheidungen erzählt habe.“
 

„Dass ich meine Aufgabe nicht vergessen und nicht der Kcrizott hinterherjagen soll, egal was geschieht.“
 

„Und warum?“
 

„Um Menschen zu beschützen und nicht meine Rache um jeden Preis zu verfolgen.“
 

„Ich frage mich, ob du das auch wirklich verinnerlicht hast.“
 

„Das habe ich!“, sagte Eren mit scharfem Ton und einem überzeugten Ausdruck in den Augen.
 

„Gut“, erwiderte Levi scheinbar unberührt, „Ich verlasse mich auf dich.“
 

„Ja!“ Erens Inbrunst erinnerte Levi an andere grüne Augen, die ihm unzählige Male stur und feurig entgegengeblickt hatten.
 

Die Erinnerung war nicht allzu schmerzvoll, sodass er Erens Kopf amüsiert herunterdrückte.

„Halt dich still, wenn ich deine Wunden desinfiziere, sonst brenn' ich dir mit dem Jod aus Versehen noch die Augen aus.“
 

Die Warnung wirkte. Eren rührte sich keinen Millimeter mehr, als er die Kratzer auf seiner Wange und die aufgeschürfte Augenbraue verarztete.
 

Levi richtete sich wenige Minuten später auf und betrachtete zufrieden die Pflaster und gesäuberten Wunden.

„Zieh dich an.“
 

Er trat zurück, als Eren sich anzog. Plötzlich wurde ihm neben dem intensiven Geruch der Desinfektionsmittel ein anderer gewahr, den er inzwischen gut kannte.
 

Erens Eigengeruch erinnerte ihn an warmen Sand. Warmer Sand am Meer.
 

Sein Magen zog sich schaudernd zusammen.
 

„Ich komme gleich wieder“, erklärte Levi distanziert, „Zieh deine Hose aus. Du scheinst am Schienbein zu bluten.“
 

Eren sah ihn fragend an, als sein Kopf aus dem Pullikragen auftauchte.
 

Levi drehte sich um und ging in das winzige Bad, das direkt an diesen Raum anschloss und setzte sich auf den geschlossenen Klodeckel. Gejagt von seinen eigenen Dämonen saß er mit auf den Mund geschlagener Hand gebückt in diesem kalten weißen Raum. Trotzdem wurde ihm auf einmal heiß und übel von dem Kribbeln in seinem Bauch. Allerdings hatte er noch nie gehört, dass man Schmetterlinge kotzen konnte.
 

Schmetterlinge.
 

Ja, er kannte dieses Gefühl. Er kannte und fürchtete es.
 

Und wieder war es ihm ein Rätsel, woher diese unpassenden Gefühle kamen und warum sie ihn anscheinend liebend gern unangekündigt zu denkbar beschissenen Zeitpunkten aus dem Nichts wie eine Abrissbirne um mähten.
 

Warum? Warum zum Teufel?
 

Damals existierte bereits keine Antwort darauf, warum sollte es denn nun eine darauf geben? Er musste es herunterschlucken und seine verdammte Arbeit tun. Vielleicht würde es diesmal anders sein und diese unsäglichen Gefühle hatten einen anderen als den befürchteten Ursprung.
 

Levi riss sich zusammen und stand auf. Unschlüssig starrte er in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing und bereute es sogleich. Er sah müde aus. Seine Augenringe hatten sich tief eingekerbt und seine fahle Haut ließ ihn mehr tot als lebendig erscheinen. Ein Maskenbildner würde kein geeigneteres Ausgangsmaterial für einen Zombie zwischen die Finger kriegen als ihn in diesem Moment. Ruhelose Unzufriedenheit stieg in ihm auf und das einzige Auslassventil, das er kannte war Händewaschen.
 

Wie vergiftet seifte er sie ein und rubbelte sie sauber, obwohl er seine Handschuhe erst zum Verarzten von Eren ausgezogen hatte und sie ohnehin sauber gewesen waren. Aber auch das Händewaschen konnte letztlich die Leere in seiner Brust nicht vertreiben. Das hatte noch nie funktioniert.
 

Er wollte gar nicht wissen, wie viel Zeit er verplempert hatte, als er zurück in den Behandlungsraum trat.
 

Er fand Eren in eng anliegenden Shorts vor, einen Anblick, den er vom Schwimmen her kannte, und beim kläglichen Versuch sich selbst einen Verband vernünftig ums Knie zu wickeln.
 

Jeglicher sarkastischer Kommentar verging Levi jedoch, als er die Hämatome an seinen Schienbeinen und Knien sah.
 

„Fuck! Das sieht übel aus.“
 

Eren sah ihn leicht betreten an und ließ sich die Bandage bereitwillig abnehmen, als sich Levi vor ihn kniete, um den Verband selbst anzulegen.
 

Erens rechtes Knie war geschwollen und blau und die Haut an seinem Schienbein fehlte gut dreißig Zentimeter. Es war nicht schlimm, aber schmerzhaft.

„Du hast echt Schwein gehabt, dass du dich nicht schlimmer verletzt hast. Trotzdem wirst du dich einige Tage schonen müssen.“
 

„Es gibt doch Spritzen, die Hämatome auflösen und die Heilung der Blutgefäße fördern.“
 

„Ja, im Krankenhaus. Bis du da hinkommst, musst du dich trotzdem zusammenreißen“, befahl Levi, während er den Verband gekonnt um sein Bein wickelte, „Hast du Anzeichen einer Gehirnerschütterung?“
 

„Nein, es geht meinem Kopf erstaunlich gut. Ich bin wohl eher mit der Seite die Treppen heruntergekugelt.“
 

„Trotzdem solltest du auch das untersuchen lassen. Aber solange du keine weiteren Beschwerden hast, würde ich dich erst im Laufe des Tages zum Arzt schicken.“
 

„Das ist mir nur recht“, murmelte Eren wieder in Gedanken, ehe er daraus aufschreckte, als Levi aufstand.
 

„Ich werde dir ein paar Schmerztabletten und Schwellungshemmer raussuchen.“
 

„Danke. Für alles“, lächelte Eren leicht mit gutherzigem Welpenblick.
 

Levi winkte ab.

„Schon in Ordnung. Zieh dich an. Die anderen warten bestimmt schon.“
 

*~*
 

Sie hatten sich in Rekordgeschwindigkeit umgezogen und waren allesamt zu früh im Besprechungsraum angekommen. Sie saßen stumm und bedrückt an dem langen alten Holztisch und starrten auf die Bildschirme ihrer Smartphones.
 

Die internen Nachrichten gaben auch nicht viel mehr Aufschluss über die Terroranschläge als die öffentlichen Nachrichtensender, dennoch genügten die wenigen neuen Informationen, um ihnen allen schlecht werden zu lassen.
 

Sie waren so konzentriert auf die Nachrichten, dass sie zusammenzuckten, als General-Leutnant Rivaille mit Eren im Schlepptau geschlagene zehn Minuten nach der verabredeten Zeit in den Raum trat.
 

Kaum war die Tür zu, wollte Connie ihm alle neuen Erkenntnisse mitteilen, doch eine herrische Handbewegung Levis ließ ihn schweigen.
 

Connie schien diese Reaktion nicht so recht zu begreifen, doch Armin verstand es.
 

Levi legte sein eigenes Smartphone auf den Tisch und informierte sich, während Eren sich angeschlagen die Schläfen rieb.
 

Mitfühlend legte Armin vorsichtig seine Hand auf Erens Schulter, was ihm ein müdes Lächeln einbrachte. Vermutlich hatte das Adrenalin nun komplett nachgelassen und er begann unter seinen Verletzungen zu leiden. Eren war schon immer ein wilder Kerl gewesen, aber solche Dinge forderten früher oder später ihren Preis.
 

„Okay“, begann Levi und aller Aufmerksamkeit ruhte auf ihm, „Es gab Terroranschläge in allen Hauptstädten der europäischen Bundesstaaten, aber nur in Paris, Berlin und Budapest sind mehrere Bomben detoniert. Alle mit demselben grellen Licht und einer vaporisierenden Hitze. Das Ziel war überall die Zivilbevölkerung. Soweit Erwins Informationen reichen wurden keine signifikanten Persönlichkeiten bei den Anschlägen verletzt - genauso wenig wie Bauwerke. Die wollten Silvester nutzen, um einfach so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Zu den Anschlägen hat sich noch keiner bekannt, aber Erwin geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis sich die Täter des historisch größten geplanten Terroranschlags zu Wort melden.“
 

Armin sah wie Eren vor Wut und Erschöpfung bebte und strich mit seiner Hand über den Rücken seines Freundes, während er das Wort ergriff.

„Sie wollen Europa von innen heraus zerfressen. Einen Anschlag auf irgendwelche bekannten Persönlichkeiten oder wichtige Bauwerke hätte jeder noch verstanden, aber auf völlig gewöhnliche Leute? Das erzeugt eine ganz andere Dimension aus Angst und Zorn. Der perfekte Nährboden für Aufstände und radikale Gruppierungen.“
 

„Wir können diese Auswirkungen auch nicht verhindern, außer wir liefern dem Volk ihre Sündenböcke“, warf Jean ein.
 

„Dafür sind wir doch da“, grummelte Connie neben ihm.
 

„Ach ja?“, fuhr Jean ihn an, „Und welcher Spur sollen wir folgen? Selbst wenn wir den Namen der Organisation erfahren, wo fangen wir an? Es hat ja noch nicht mal jemand gemerkt, dass so ein riesengroßes Unterfangen auf dem Weg ist!“
 

„Beruhig dich, Jean“, unterbrach Levi die aufkommende Diskussion gefasst und kühl wie eh und je.
 

Es brachte zumindest alle zum Schweigen.
 

„Dann werden wir eben mit guter alter Polizeiarbeit die Herkunft der Materialien von den Bomben ermitteln und alle schwarzen Schafe verfolgen, die uns bekannt sind“, sprach Armin seine Überlegungen laut aus.
 

„Es gibt auch Videoaufnahmen von allen Straßen und Plätzen. Wir müssen die Aufnahmen analysieren und auswerten. Bestenfalls können wir die Bombenleger identifizieren“, merkte Historia an und erntete verstehendes oder zustimmendes Nicken.
 

Allmählich konnten sie wieder alle klar denken.
 

„Als nächstes gehen wir alle schlafen“, bestimmte Levi, „Vor 12:00 Uhr will ich keinen von euch außerhalb eurer Zimmer sehen. Dann werden wir unsere Ausrüstung zusammenkratzen und alles an Informationen und Videomaterial, was wir in die Finger kriegen, verarbeiten und einen Aktionsplan aufstellen.“
 

Sie nickten geschlagen und starrten auf die Tischplatte. Das war die vernünftigste Alternative, egal wie schlecht sich ihr momentanes Nichtstun anfühlte.
 

„Wie hast du so schnell erkannt, dass es eine Bombe war?“
 

Armin spürte wie sich Eren auf Reiners Frage hin unter seiner Hand verkrampfte.
 

Eren blickte seine Freunde an, die ihm alle neugierig entgegenblickten.

„Ich habe es nicht erkannt“, begann Eren zögerlich, „Als ich das grelle Licht gesehen habe, hatte ich plötzlich so eine fürchterliche Vorahnung. Es war wie damals, kurz bevor meine Eltern von der Bombe eines Selbstmordattentäters getötet wurden. Ich wartete auf sie vor dem Haupteingang des UN-Krankenhauses. Ich sah wie ein schwitzender Mann mit Weste ins Krankenhaus ging und wunderte mich noch über seine viel zu warme Kleidung. Auch da hatte mich auf einmal so eine erstickende Panik befallen, aber ich blieb stehen wo ich war und schalt mich einen Idioten. Keine Sekunde später explodierte die Bombe und tötete 17 Menschen. Ich hatte heute dasselbe Gefühl und habe einfach gehandelt.“
 

„Du hast uns gerettet“, ergriff Franz als Erstes das Wort, „Ich werde dir ewig dafür dankbar sein.“
 

„Vielen Dank, Eren!“, lächelte Hannah, die Franz' Hand hielt und mit der anderen Hand schützend über ihren Babybauch strich.
 

Sasha sah ihn mit großen Augen an.

„Auf jeden Fall fantastische Reaktion!“
 

„Gut gemacht, Mann!“, grinste Connie.
 

„Gut, dass wir dich im Team haben!“, nickte Mylius anerkennend.
 

„Mist!“, fluchte Jean mit zerknitterter Mimik, „Jetzt steh' ich in deiner Schuld, was?“
 

Armin beobachtete Erens ungläubigen Ausdruck mit einem leichten Lächeln, während sich alle bei ihm bedankten.
 

Eren fehlten die Worte. Er lief rot an und schlug sich vor Rührung die Hand auf den Mund, was die anderen zum Kichern brachte.
 

„Gut“, verkündete Levi und stand auf, „Alle ab unter die Dusche und ins Bett. Wir sehen uns um halb eins wieder hier.“
 

Die Stühle knirschten über den Boden, als sie alle aufstanden.
 

*~*
 

Eine neue terroristische Organisation namens Revoluzzer hatte sich für die Anschläge schuldig bekannt. Sie hatte ganz altmodisch einen Brief an die Regierung in Brüssel geschickt, in dem sie die Zusammensetzung der Bomben erklärte und schrieb, dass eine Revolution die Dekadenz Europas beenden würde. Keine weiteren Drohungen, nichts.
 

Levi war klar, dass Armin recht hatte. Nichts war so verzehrend wie das lodernde Feuer des völkischen Zorns. Die Menschen hatten Angst und verlangten Antworten. Ohne diese würden sie sich auf den nächstbesten Sündenbock werfen und Hetzer konnten dieses Potenzial ausnutzen und für ihre Zwecke lenken. So konnten Bürgerkriege entfacht werden.
 

Also mussten sie liefern, Ergebnisse erzielen. Doch auch am 03. Januar hatten sie noch nicht spürbare Fortschritte erzielt.
 

Annie und Thomas fanden zwar die Hersteller der verschiedenen Materialien und konnten die im Brief genannte Zusammensetzung der Bomben bestätigen, doch die Terroristen hatten weiträumig eingekauft. Sie fanden keine Hinweise auf organisierte Kriminalität, nicht mal irgendwelche Ordnungswidrigkeiten.
 

Armin, Historia und Hannah - die schlichtweg nicht von der Arbeit abzuhalten war - durchforsteten das Videomaterial, doch es war uferlos. Die Bomben wurden in allen Städten entweder an sehr schwer einsehbaren Stellen positioniert oder an Touristenmagneten, wo es nicht auffallen würde, wenn sich mal jemand kurz bückt oder etwas fallen lässt. Letztendlich konnte man nicht einmal sicher sagen, ob es sich nicht um Selbstmordattentäter handelte. Die Bomben explodierten so heiß, dass sich nicht mehr feststellen ließe, ob eines der verbrannten Opfer ein Täter gewesen war. Abgesehen davon hatten sie nicht einmal eine Vorstellung davon, in welchem Zeitraum die Bomben angebracht worden sein könnten.
 

Der Rest seiner Leute half bei allem was anfiel und ermittelte alle Personen mit einschlägiger Vergangenheit.
 

„Wir haben 103 Verdächtige, von denen 87 in Frage kommen. Die anderen 16 sind invalide“, berichtete Berthold.
 

„Auch Invalide können Straftaten begehen. Sind welche davon geistig völlig im Eimer und können nur noch sabbernd an die Decke starren?“, hakte Levi nach.
 

Berthold sah auf sein Tablet.

„Zwei, Sir!“
 

„Also haben wir 101 Verdächtige“, schloss er und Berthold nickte.
 

„Sollen wir sie nicht aufsuchen, Sir?“, fragte Sasha mit einem halben Muffin im Mund.
 

Levi sparte sich jede Kritik bezüglich ihrer Essmanieren. Er hatte gelernt, dass sie sowieso wie im Treibsand versank.

„Natürlich“, bestätigte Levi und erhob die Stimme, um die Aufmerksamkeit aller seiner Leute zu erregen, „Da uns die Auswertung des Videomaterials nicht weiterbringt, möchte ich, dass ihr diese Aufgabe den Kräften der SEK weitergebt. Wir haben 101 Verdächtige, die wir zuerst beobachten und dann eventuell festsetzen werden. Ich möchte, dass sich jeder von euch sechs Verdächtige vornimmt und einen Einsatzplan für jeden erstellt. Danach werden alle Einsatzpläne präsentiert und diskutiert.“
 

„Bis wann sollen wir das schaffen?“ Nicht nur Thomas starrte ihn mit großen Augen an. Es war eine wahnsinnig umfangreiche Aufgabe für so wenig Leute.
 

Levi schaute auf seine altmodische Armbanduhr.

03.01.2123 - 11: 37 Uhr.
 

„Bis morgen Abend, 20:00 Uhr. Ich möchte am 05. Januar los.“
 

Kollektives Schnaufen.
 

Levi zog sein Handy hervor und drehte sich um.

„Bevor ihr anfangt, könnt ihr bis 12:00 Uhr Mittagspause machen.“
 

Er musste mit Erwin telefonieren. Wenn jemand an den politischen Quellen saß, dann er.
 

Levi schlenderte den Gang entlang, während es am anderen Ende klingelte. Es war ein ganz eigentümliches Klingeln, sehr tief und summend, das eine sichere Leitung signalisierte.
 

„Levi!“, begrüßte ihn Erwin leicht außer Atem nach dem gefühlt hundertsten Klingeln.
 

„Hab ich dich aus einer deiner X sinnlosen Konferenzen gescheucht?“

„Richtig“, bestätigte er leicht abgeschlagen, „Es wurden mittlerweile 13.654 Tote bestätigt. Es werden in den nächsten Tagen sicherlich noch mehr.“
 

„Scheiße!“
 

„Es hätten noch mehr sein können. Allein in Berlin haben 2,6 Millionen Menschen vorm Brandenburger Tor Silvester gefeiert. Erstaunlich viele wurden nur schwer verletzt und genau das war das Ziel der Terroristen. Die Analyse der Bomben ergab, dass bei ihrer Explosion alles im Radius von ca. 15 Meter verdampfte, die Temperatur aber nach weiteren 27 Metern bei nur mehr 100 °C lag und exponentiell pro Meter weiter sank.“
 

„Ein wahres Teufelszeug.“
 

„Das kannst du laut sagen, Levi“, seufzte Erwin und Levi brauchte ihn nicht zu sehen, um seine Erschöpfung erraten zu können, „Die Medien machen uns die Hölle heiß. Es wird bereits wild spekuliert und viele haben Angst um ihr Amt. Wenn du mich fragst, bewirken Versammlungsverbot, Sperrstunden und die Einstellung des öffentlichen Verkehrs nicht das Intendierte. Die Leute bekommen bloß mehr Panik und sehen unsere Maßnahmen als Zeichen von Inkompetenz und Hilflosigkeit.“
 

„Diese Terroristen wollen Europa brennen sehen. Wenn wir Stabilität vorgaukeln wird es vermutlich weitere Anschläge geben.“ Levi kannte diese Denkweise nur zu gut und auch Erwin hatte genug Erfahrung in dieser Richtung sammeln dürfen. Ihre Kriegsvergangenheit desillusionierte sie und schützte sie vor der Naivität zu glauben, dass alles einen Sinn ergeben musste.
 

„Das befürchte ich auch. Habt ihr was herausgefunden?“
 

„101 Verdächtige, denen wir uns widmen werden“, berichtete Levi, „Aber nichts zu den Tatorten an sich. Es ist uferlos.“
 

„Ich setze mein vollstes Vertrauen in dich und deine Leute“, betonte Erwin beinahe inbrünstig.
 

„Wir tun, was wir können“, schnaubte Levi leise, bevor ihm etwas anderes einfiel, „Hast du noch was von Hanji und Mike gehört?“
 

„Retten Menschenleben. Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Hanji hat mich nach Eren gefragt. Geht es ihm wieder gut?“
 

„Ja ja, die Spritzen wirken und er nervt wie immer mit seinem Tatendrang.“
 

„Gut. Viel Erfolg, Levi. Ich muss wieder zurück“, Erwin atmete tief durch.
 

„Danke, dir auch bei was auch immer ihr Wichser in eurem Elfenbeinturm ausheckt.“
 

Erwin schmunzelte.

„Mach's gut.“
 

Er legte auf, bevor Levi etwas erwidern konnte.

„Captain Eyebrows.“
 

Mit einem tiefen Atemzug machte sich Levi auf den Rückweg zu ihrem zugewiesenen Einsatzbesprechungsraum. In diesem Wust an Aufgaben und frustrierter, ungeduldiger Jungspünde musste er den Überblick behalten. Als Erwin ihm die Leitung der ESE übertrug, hatte er mit vielem gerechnet, aber ehrlich gesagt nicht mit dem Worst-Case-Szenario vor dem sie nun standen. Doch Jammern brachte nichts, also kniff Levi die Arschbacken zusammen und erstellte ebenfalls Einsatzpläne und half den anderen bei den ihrigen.
 

*~*
 

Rhasgard blickte auf den Mann vor sich wie auf ein widerliches Insekt. Der stämmige, vernarbte Mann kniete vorgebeugt und wimmernd zwischen seinen Männern und Rhas empfand bei diesem unwürdigen Anblick Zorn und Abscheu, die ihm wie Galle auf der Zunge lagen.
 

„Antworte dem Führer, du elendiges Stück Scheiße!“, brüllte einer seiner Männer den Mann an und trat ihm kräftig in die Seite, sodass dieser Wurm japsend und hustend mit der Stirn am Boden lag.
 

Als sein Mann erneut zutreten wollte, hob Rhas die Hand. Seine Männer gingen einen Schritt zurück.
 

Er atmete tief durch und massierte seine pochenden Schläfen, bevor er sich von seinem Schreibtisch erhob und beherrscht zu diesem Jammerlappen schritt.
 

Dieser zuckte zusammen und sah mit panisch geweiteten Augen zu ihm auf, als Rhas sich vor den nach Angst und Pisse stinkenden Mann hockte.

„Erkläre mir das bitte noch einmal, Xavier. Eine Fotze hat zehn meiner Männer angeschossen, sie wurden von einem „Spezialkommando“ festgenommen. Und dann haben sie mein schönes Haus gefilzt, die Knarren beschlagnahmt und - was mir an deiner kleinen Geschichte am besten gefällt - dich entkommen lassen?“
 

Rhas hörte seine eigene Stimme süßlich und tödlich wie durch dicke Watte klingen.
 

Schlotternd vor Angst brachte der Mann vor ihm zwischen klappernden Zähnen hervor:

„S-S-Sie haben mich nicht ges-s-sehen.“
 

„Richtig. Sie haben dich nicht gesehen“, lächelte Rhas und stand schwungvoll auf, was dieses jämmerliche Stück Dreck heftig zucken ließ.

„Während mir irgendwelche Regierungsmarionetten eines meiner Häuser wegnehmen, hast du beschlossen wie ein feiger Hund zu fliehen. Und was geschieht mit feigen Hunden?“, fragte er an seine Männer gewandt.
 

Sie grinsten und öffneten die Schnallen ihrer Gürtel und zogen die Gürtel von ihren Hosen. Ohne weiteres Kommando traten sie zu dem am Boden kauernden Mann und schlugen mit den Gürteln auf ihn ein.
 

Rhas blendete das widerwärtige Geschrei aus und horchte auf den beruhigenden Klang von durch die Luft fauchendem Leder. Erst als Rhas wieder auf seinem Schreibtischstuhl saß, beendete er das Konzert.
 

Desinteressiert begutachtete er seine Finger. Er hatte sich ärgerlicherweise einen Nagel eingerissen.

„Warum bist du geflohen?“
 

Erst als einer seiner Männer dem Mann an den Kopf trat und die Frage wiederholte, bekam Rhas endlich eine Antwort.

„S-s-sie w-war-ren zu g-gut“, mühevoll schilderte der Mann die einzige Szene, die sich ihm in den Kopf gebrannt hatte, „Ein kl-kleiner Mann f-führte s-s-sie an. Ri-i-vai.“
 

Rhas ließ seine Hände auf den Tisch fallen und starrte den blutigen Mann an.

„Rivaille. Ein kleiner Mann namens Rivaille?“
 

„Ja.“ Unsägliche Hoffnung.
 

„Wie sah er aus?“
 

„E-er hatte e-eine Uniform an. Konnte nix s-s-sehen. Er wa-ar kl-klein, tiefe St-stimme, autoritär, s-se-selbstsicher, sehr sch-schnell.“
 

Rhas überschlug mit aufkommend manischer Euphorie seine Beine und bettete sein Kinn genüsslich auf seinen verschränkten Fingern.

„Dieser Name ist äußerst interessant. Ich werde mich mit ihm befassen. Hmm, mal sehen. Was bringt dir diese Information denn nun?“
 

Gleichgültig streifte er mit seinem Blick durch den Raum. Da kam ihm die Idee.

„Hm, ursprünglich wollte ich dich tot prügeln lassen wie den feigen Hund, der du bist. Aber ich mag den Namen, den du genannt hast“, er lächelte zufrieden, „Deswegen erlaube ich dir stattdessen weiterzuleben.“
 

Voll lächerlicher Hoffnung starrte der Mann zu ihm hoch. Nachsichtig neigte Rhas seinen Kopf, ehe er mit einer wegwerfenden Handbewegung seinen Männern befahl:

„Zunge ab, kastriert ihn und lasst ihn laufen. Vielleicht ist er schneller als die Hunde.“
 

Als sie den zeternden Mann aus seinem Büro schafften, öffnete Rhas eine Schreibtischschublade und holte eine Nagelfeile hervor. Gemächlich korrigierte er seinen Nagel, ehe er zu seinem Mobiltelefon griff.
 

Als am anderen Ende abgenommen wurde, grinste er mit vor Vorfreude strahlenden Augen.

„Du wirst es nicht glauben, aber es sieht ganz so aus als wäre der Drachentöter aus seiner Versenkung aufgetaucht.“
 

*~*
 

„Verdammt nochmal!“, brüllte Reiner und schlug mit den Händen auf den weißen Tisch.
 

Sie beobachteten wie er den Verdächtigen verhörte, ihn taxierte wie ein Raubtier eine angeschossene Gazelle. Leider zermürbten Reiners Worte und Handlungen den Mann herzlich wenig.
 

Theatralisch ausatmend warf sich Reiner leger auf den Stuhl gegenüber und legte die Stiefel auf den Tisch.

„Wenn du nicht reden magst, gut“, sagte Reiner desinteressiert, „Ist nicht mein Arsch, der ohne Aussicht auf Strafmilderung im Knast rangenommen wird.“
 

„Ich habe Durst.“
 

Levi schnaubte. Sie standen auf der anderen Seite des Spiegels neben dem Verhörraum und obwohl Reiner die vorherigen Verdächtigen sehr professionell verhört hatte, war er nun zu müde und der Brocken vor ihm hart und stur. So kamen sie im Moment nicht weiter.
 

„Mach Schluss und stell’ dem Wichser einen Becher Wasser hin“, befahl Levi via Mikro direkt an Reiners Ohrmikrofon gerichtet.
 

Dieser ließ sich vor dem Verdächtigen nichts von den geänderten Umständen anmerken.
 

Levi wartete nicht bis Reiner sich geordnet zurückzog und verließ den Raum in Richtung Waschraum. Ihm fehlte die Geduld für diese Spiele. Das war der Nachteil, wenn man sich nicht offiziell im Kriegszustand befand. Das Recht wurde zum Hindernis ihres Fortschritts.
 

„Sir?“, rief Sasha ihm hinterher und fuhr fort, als er vor dem Waschraum innehielt, „Die Anwälte sind da.“
 

Levi blickte in Sashas Augen. Ihr zerknitterter Anblick verriet, dass die Anwälte über sie hergefallen sein mussten wie die Geier über ein Stück Aas.

„Lass sie rein.“
 

Tief durchatmend stellte sich Levi vor das Waschbecken und betrachtete sein müdes Gesicht im Spiegel. Die letzten Tage zerrten an ihm und seinen Leuten und der entscheidende Durchbruch lag fern.
 

Levi hielt die Hände unter den Wasserhahn, der automatisch anging und wusch sie sich gründlich, ehe er sein Gesicht mit dem eisigen Wasser erfrischte.
 

Es ärgerte ihn, dass er sich das mutmaßliche Alphatier nicht auf die gute alte Art vornehmen konnte. So gut und wichtig gesetzliche Regeln im Umgang mit Verdächtigen waren, es hatte auch etwas für sich, wenn es gestattet war mit Drohungen und leichter körperlicher Züchtigung zu arbeiten.
 

Aber sie waren nicht im Krieg und nicht in irgendeinem Kanaken-Staat, er musste sich mit den wenigen Methoden zur Informationsgewinnung abfinden, die ihm die Gesetze übrig ließen.
 

Als Levi aus dem Waschraum trat, wurde er von Gezeter und Aufruhr begrüßt.
 

„Was zum Teufel ist hier los?“, grollte er und der Mop vor ihm wurde umgehend still und nahm eine entspanntere Haltung ein. Alle bis auf eine schmutzigblonde Frau in teurem Kostüm und einer derartig arroganten Fresse, dass Levi die Lust verging überhaupt ein Wort an die Anwältin zu richten.
 

Diese Aufgabe wurde ihm abgenommen, als die Frau sich ihm mit zornigem Blick zuwandte.

„Sie müssen Leutnant Rivaille sein? Sagen Sie Ihren Affen, dass sie ihren Job machen und mich beschützen sollen, wenn ich mit einem Terroristen in einen Raum gesperrt werde.“
 

Levi atmete unmerklich tief durch und inhalierte dabei versehentlich den Duft eines süßen Parfüms, das besser zu einer Verabredung in einer schicken Bar als an den Arbeitsplatz gehörte. Besonnen und nonchalant mit vor der Brust verschränkten Armen betrachtete er die an sich gut aussehende Frau, die am linken Kiefer sichtlich gerötet von einem vermeintlich gestreiften Fausthieb war. Der Ausdruck in den Augen von Jean, Marco, Reiner, Armin, Connie und Sasha sprach Bände.
 

Die Frau wollte auf sein Schweigen hin schon wieder die Klappe aufreißen, als Levi sich mit stechendem Blick an sie wandte.
 

„Diese Affen sind hochqualifizierte Polizisten, die ihren Job tadellos machen, wenn man sie lässt. Anders als Sie, scheint es, wenn Sie als Verteidigerin Ihres Mandanten vor uns herumkeifen und ihn als Terroristen bezeichnen, obwohl bis dato keine Beweise für neue Straftaten vorliegen. Falls Sie also Schutz benötigen, dann vor sich selbst. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein stoischer Verdächtiger mit zwei Polizisten im Raum nach Ihnen schlagen konnte. Abgesehen davon ist es ungehobelt jemanden ohne sich vorzustellen mit falschem Titel anzumotzen. Sie sollten sich eventuell überlegen, ob Ihr Temperament mit Ihrem Beruf vereinbar ist.“
 

Es war ulkig anzusehen, wie sich das Gesicht der Frau von Überraschung und Unglaube über Empörung zu aufgebrachter Wut verzerrte, während Levis Leute sich mühsam ihr Grinsen verkneifen mussten.
 

Die Frau überwand ihre beleidigte Sprachlosigkeit und imitierte seinen gelangweilten Stand mit einem aufmüpfigen Blick und schnippischen Tonfall. Es täuschte Levi nicht über ihren brodelnden Zorn hinweg.

„Ich bin Hitch Dreyse und arbeite für Macintosh. Ich hatte gerade mit meinem Mandantengespräch begonnen, als Herr Muck mich angriff und diese Beiden“, sie deutete auf Marco und Connie, „fast zu langsam waren, um Schlimmeres zu verhindern.“
 

Levi sah Marco in die Augen, der die Aufforderung sofort verstand.

„Herr Muck reagierte plötzlich und heftig auf Frau Dreyse. Wir konnten ihn festhalten und zur Sicherheit haben wir ihn mit Handschellen am Tisch fixiert.“
 

„Was war der Auslöser?“
 

„Das Geschlecht und das Betragen der Anwältin schienen ihn zu reizen.“
 

„Bitte?“, echauffierte sich Dreyse schäumend, „Ich habe mich vorgestellt und ihn sachlich über seine Rechte aufgeklärt und nachgehakt, ob irgendwelche zweifelhaften Verhörmethoden angewandt wurden. Er ist dann plötzlich auf mich losgegangen! Sie hätten mich über die Gefährlichkeit meines Mandanten aufklären oder ihn rechtzeitig fixieren müssen!“
 

Bevor Marco etwas erwidern konnte, mischte sich Reiner ein.

„Es gab keinen Anlass eine erhöhte Gefährlichkeit anzunehmen. Im Gegenteil!“
 

„Es reicht!“, unterbrach Levi den aufkommenden Streit und fuhr ruhig fort, „Frau Dreyse, wollen Sie Ihren Mandanten weiterhin vertreten oder müssen wir einen neuen Anwalt herbestellen?“
 

Sie durchbohrte Levi mit ihrem Blick. Er sah deutlich ihre Zwickmühle. Vermutlich konnte sie es sich nicht leisten das Mandat abzulehnen.
 

„Natürlich nicht!“, schnappte sie, „Aber ich verlange einen besseren Schutz als Sommersprosse und Mönchi hier.“
 

Connie zeigte indigniert auf sich, während Marco irritiert blinzelte.
 

„Reiner, hol' mir Berthold und schick ihn noch zusätzlich rein“, befahl Levi, woraufhin Reiner mit einem knappen „Jawohl, Sir“ abzog.
 

„Ich werde Ihr Gespräch von draußen beobachten, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls es zu Spannungen kommt“, erklärte Levi und ließ es dabei klingen, als schmiere er ihr Honig ums Maul. Es war Spott in seiner reinsten Form.
 

Sie nickte knapp und reckte ihren Hals dabei wie eine Schlange, die zum Biss ausholen wollte.
 

Für Levi war damit die Angelegenheit erledigt. Ohne weiteres Wort ging er in den Nebenraum des Verhörraums, in dem sich ihr wichtigster Verdächtige aufhielt. Durch die Spiegelwand beobachtete er, wie Dreyse wieder in den Raum trat und mit selbstbewussten Schritten wie ein Storch an ihrem Mandanten vorbeiging, um sich ihm mit knallendem Aktenkoffer gegenüberzusetzen.
 

Levi wunderte sich bei diesem zickigen Verhalten über ihr Fachgebiet. So eine Juristin gehörte nicht ins Strafrecht beziehungsweise zur Strafverteidigung. Juristen von diesem Schlag bliesen wohlhabenden Leuten mit offen gehaltener Hand in Wirtschaftskanzleien ihre guten Ratschläge in den Arsch.
 

„Was halten Sie von der?“, fragte Jean unerwartet neben ihm.
 

Levi erwiderte die Frage mit einem vielsagenden Blick, was Jean schalkhaft grinsen ließ. Ein Grund mehr für Levi ihn zweifelnd anzusehen.
 

„Ich kenne Hitch aus meiner SEK-Zeit“, erklärte Jean bereitwillig, „Sie war mit einem Kollegen zusammen und ihre Art, Leute auf die Palme zu bringen, ist legendär. Als ich sie sah, dachte ich mir, dass sie unseren Stoiker hier schon aus der Reserve locken würde.“
 

Diese Frau hatte echt ihren Beruf verfehlt, dachte sich Levi, hakte jedoch nach:

„Was versprichst du dir davon? Glaubst du etwa, dass er plötzlich Namen ausspuckt?“
 

Jean zuckte mit den Schultern.

„Unter Umständen können wir dieselben Knöpfe drücken wie sie, wenn wir ihn verhören.“
 

Es war zumindest eine Idee.
 

Levi nickte und beobachtete gespannt, ob er Schwächen bei ihrem Verdächtigen fand, die er ausnutzen konnte. Auf legalem Wege.
 

***
 

Siegfried Muck betonte mehrmals, dass er einen neuen Anwalt wünsche, sodass ihnen nichts anderes übrig blieb, als ihm einen anderen zu stellen. Levi war nicht explizit genervt deswegen, da er mittlerweile eine Vorstellung davon hatte, wie er den Verdächtigen aus der Reserve würde locken können.
 

Marlo Freudenberg stellte sich als trotteliger Gutmensch heraus, dessen Torheit an seinem flammenden Gerechtigkeitssinn lag.
 

Wenn man Levi fragen würde, hätte dieser junge Mann besser Philosoph als Jurist werden sollen, denn Gerechtigkeit ließe sich in der Philosophie eher finden als in der Praxis der Rechtswissenschaften.
 

Mit Freudenberg kooperierte Muck und machte am nächsten Morgen eine weitere Vernehmung mit anwaltlichem Beistand möglich.
 

Allerdings ließ Levi diesmal statt sich selbst nicht Reiner, sondern Annie die Vernehmung durchführen.
 

Eine Anweisung, die bei der abendlichen Besprechung tags zuvor auf Überraschung gestoßen war, denn Annie hatte viele herausragende Fähigkeiten. Vernehmungen gehörten nicht dazu. Sie war unzugänglich, kühl und rhetorisch so spitzfindig wie ein Maulwurf. Genau was Levi brauchte.
 

Marlo Freudenberg saß neben seinem mit Handschellen an den Tisch fixierten Mandanten, sichtlich wild entschlossen jedem Menschen die Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen.
 

Als Annie in ihrer tadellosen Uniform und einer dicken Arbeitsmappe den Raum betrat, lächelte Freudenberg die ihm unbekannte Polizistin höflich an. Die Mimik seines Mandanten verfinsterte sich hingegen zusehends.
 

Reiner und Berthold standen links und rechts draußen vor der Tür, bereit jederzeit einzugreifen, wenn Levi es ihnen befahl. Der Rest seiner Einheit hatte sich gespannt um ihn gescharrt, um der Vernehmung hinter dem Spiegel zu folgen.
 

„Annie Leonhardt“, stellte sie sich mit monotoner Stimme und gelangweiltem Blick vor und setzte sich vor den Verdächtigen hin, ohne auf Freudenbergs Versuch, ihr die Hand zur Begrüßung zu reichen, einzugehen oder den Verdächtigen anzusehen.
 

„Dr. Marlo Freudenberg“, stellte er sich ungelenk, ob der unfreundlichen Abweisung, vor und lächelte leicht verunsichert. Was für ein Depp.
 

Annie ignorierte ihre Gesellschaft völlig und begann konzentriert in der dicken Arbeitsmappe zu blättern, als suche sie etwas. Wie abgesprochen nahm sie sich viel Zeit, um die beiden Männer zu entnerven und als jedes Umblättern laut und schneidend durch den Raum hallte, begann sich Muck langsam zu regen. Seine Mimik verdüsterte sich zu einer unheilvollen Fratze und seine großen Hände ballten sich zu Fäusten.
 

Freudenberg schien die sichtliche Anspannung seines Mandanten genug zu beunruhigen, um sich verhalten zu räuspern.

„Haben Sie denn was sie brauchen?“
 

Abrupt hielt Annie inne und konzentrierte sich auf ein Schriftstück, als hätte sie genau dieses die ganze Zeit über gesucht. Ihr ausdrucksloses Gesicht verzog sich zu einer genervten Grimasse, als sie wieder weiter blätterte.
 

Muck wurde zunehmend unruhig und fing an die Kette, mit der seine Hände am Tisch fixiert waren, über die Tischplatte zu ziehen.
 

Links. Rechts. Links. Rechts. Links.
 

In der Stille war es eine Tortur, doch bis auf einen unbehaglichen Seitenblick von Freudenberg löste es keinerlei Reaktionen aus. Annie blieb stoisch und studierte weiterhin das ein oder andere Schriftstück.
 

Die Anspannung wurde Freudenberg allmählich zu viel.

„Frau Leonhardt“, begann er mit überraschend selbstbewusster Stimme und einem entschlossenen Ausdruck in den kleinen, dunklen Augen, „Wenn Sie nicht vorbereitet sind, würde ich die Vernehmung auf einen anderen Zeitpunkt verlegen.“
 

Diesmal reagierte Annie und blickte dem Anwalt gelangweilt direkt in die Augen wie eine satte Löwin. Freudenberg erwiderte den Blick tapfer, doch als sie die Arbeitsmappe mit einem Knall zuschlug, zuckte er dennoch zusammen.
 

Sie ließ sich gelassen in ihren Stuhl zurücksinken und wandte sich zum ersten Mal ihrem Verdächtigen zu, der wie ein mordlüsterner Vielfraß mit vorgezogenen Schultern und abwartend gesenktem Kopf zu ihr auflauerte. Seine verwaschen blauen Augen blitzten scharf und gefährlich aus dem gebräunten, unrasierten Gesicht hervor.
 

Annie betrachtete ihn und reckte ihren Hals dabei stolz wie ein Raubvogel, der skeptisch seine Beute betrachtete, die sich bereits unter seinen Krallen wand.
 

Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
 

„Beschissene Fotze“, knurrte Muck angewidert und zog seine Schultern noch weiter hoch, als Freudenberg seinen Namen mahnend zischte.
 

Betont langsam lehnte sich Annie vor und stützte ihren rechten Ellenbogen auf dem Tisch ab.

„Was haben Sie in dem alten Lagerhaus gemacht?“, fragte Annie gelangweilt, doch ihre Augen zogen sich drohend zusammen.
 

„Hat dir schon mal einer die Fotze geleckt?“, zischte Muck und warf ihr einen obszönen Blick zu.
 

„Ihre Leute haben ausgesagt, dass Sie dort auf Anordnungen für weitere „Aktionen“ gewartet haben. Wer sollte diese Anordnungen geben?“ Das war ein Bluff. Nichts wussten sie.
 

„Du dreckige Fotze hast ja keinen Schimmer“, grollte er und wurde erneut von Freudenberg ermahnt. Es schien an Muck komplett vorbei zu gehen.
 

„Wie lange haben Sie sich in diesem heruntergekommenen Lagerhaus versteckt?“
 

Muck brummte erzürnt, deutliche Verachtung triefte aus seinen Augen.
 

„Wieso hat man Sie uns dort wie auf einem Präsentierteller serviert?“
 

Etwas flackerte in seinen Augen.
 

„Warum ausgerechnet ein altbekannter Drogenumschlagplatz? Wollten Ihre Anführer Sie loswerden?“
 

„Elendige Misthure.“ Mucks wutverzerrtes Gesicht nahm eine tiefrote Farbe an.
 

„Haben Sie es versaut? Haben Sie bei der letzten „Aktion“ versagt? Wollte man Sie deshalb so einfach an uns ausliefern?“
 

Alles geschah auf einmal.
 

Es war wie ein Polterschlag, als Muck seine Fäuste auf den Tisch schlug und vom Stuhl aufsprang. Freudenberg hechtete erschrocken zur Seite, doch Levi befahl Reiner und Berthold noch im selben Augenblick draußen zu bleiben, als all seine Kameraden um ihn herum vorm Spiegel zusammenzuckten.
 

Annie rührte sich keinen Millimeter, als Muck über den Tisch vorgebeugt keine zwanzig Zentimeter vor ihrem Gesicht drohte.

„Warte nur ab bis sie an die Macht kommen. So Schlampen wie dich werden sie mit ihren Fotzen auf die Fahnenmasten spießen.“
 

Annie zuckte bei all der Bosheit ihr gegenüber nicht einmal mit der Wimper und entgegnete Mucks Blick mit selbstsicherer Kälte.
 

Ein brodelndes Hochgefühl überkam Levi, ehe er mit Annie per Ohrmikro Kontakt aufnahm.

„Beende die Vernehmung und komm in den Besprechungsraum.“
 

Levi ignorierte die Verwunderung seiner Kameraden, als er den Raum verließ. Er war davon überzeugt, dass Annie das Verhör ebenso souverän beenden würde, wie sie es geführt hatte.
 

Schweigend folgten ihm seine Leute in den einzigen Raum, von dem Levi sich sicher war, dass sie keiner abhören konnte.
 

Zielstrebig setzte er sich ans Kopfende und wartete bis sich seine schweigenden Kameraden gesetzt hatten. Alle außer einem.
 

„Kann ich jemandem was zu trinken holen?“, fragte Marco und durfte daraufhin die enthusiastischen und vielfältigen Bestellungen seiner zwölf Kameraden aufnehmen, was den gutherzigen Mann schier überforderte.
 

Levi ignorierte das Theater geflissentlich, stellte mit Genugtuung jedoch fest, dass Marco ihm eine Tasse Earl Grey brachte, während er mithilfe von Reiner und Berthold eine Trage Wasser und eine Trage Apfelsaft auf den Tisch stellte.
 

Als wieder Ruhe eingekehrt und Annie ebenfalls zu ihnen gestoßen war, begann ihre Besprechung.
 

„Was hältst du von der Vernehmung, Annie“, eröffnete Levi das Gespräch und betrachtete die blonde Polizistin mit unmerklicher Neugierde.
 

Unzufrieden lehnte sie sich zurück und reckte den Hals.

„Es hat geklappt ihn zu reizen und wie du es vermutet hast, scheint er frauenfeindlich eingestellt zu sein - zumindest hat allein mein Anblick ihn schon über die Maße verärgert. Allerdings hat es nicht gereicht, um ihm brauchbare Informationen zu entlocken.“
 

„Hat jemand darüber hinausgehend eine Meinung?“, wandte sich Levi an die anderen und sah lediglich blanke oder grübelnde Gesichter. An einem blieb er hängen.
 

Armin bemerkte seine unausgesprochene Nachfrage.

„Der Verdächtige sagte, dass wir nur warten sollen bis sie an die Macht kämen. Möglicherweise streben die Terroristen nicht nur danach Chaos zu verbreiten, sondern mittels der damit geschürten Angst einen politischen Machtwechsel herbeizuführen. Wir müssten uns also fragen, wer beziehungsweise welche Gruppierungen und Parteien von dieser Situation am meisten profitieren.“
 

Zufrieden nickte Levi und ließ seinen Blick erneut durch die Runde schweifen.
 

„Die radikalen Parteien profitieren“, warf Hannah ein, „Sowohl links als auch rechts.“
 

„Wir sollten aber nicht nur die Parteien berücksichtigen. Es könnte auch eine Irreführung sein“, gab Mylius zu bedenken.
 

„Genau. Vielleicht wollen die Terroristen uns extra auf diese Fährte locken“, sprang Sasha darauf an.
 

Jean zuckte mit den Schultern.

„Dann müssen wir uns eben auch alle Sekten und sonstigen Gruppierungen ansehen, die davon profitieren.“
 

„Auch in den großen Parteien und Organisationen gibt es radikale Lager“, wandte Thomas ein.
 

„Uff“, stöhnte Connie, „Das artet wieder aus.“
 

Levi hob die Hand, ehe eine Debatte über die Auswahl der möglichen Verdächtigen stattfand.

„Ist jemandem noch etwas aufgefallen?“
 

Alle blickten ihn fragend an.
 

„Außer seiner vulgären Sprache...“, murmelte Mina und blickte ratlos zu Mylius, der den Kopf schüttelte.
 

„Was haben wir übersehen? Vielleicht wenn wir uns die Aufnahme nochmal anhören“, überlegte Marco.
 

„Das brauchen wir nicht. Seine letzten Worte haben uns genug Informationen geliefert und mehr bekommen wir aus dem legal sowieso nicht mehr heraus“, ergriff Levi das Wort.

Blutrot erhebt sich der Staat aus der Asche der Unwürdigen und die Entarteten bluten auf unseren Fahnenmasten. Das war ein geflügelter Spruch der neokommunistischen Fanatiker, die sich mit der Volksrepublik China solidarisiert hatten, als diese in den Krieg gezogen ist. Nachdem China den Krieg verloren hat, sind die „Königstreuen“ abgetaucht und haben sich in Nordafrika neu formiert. Die führenden Gruppierungen sind die Raknatz, Isurumi, Nardotza und Kcrizott. Sie zeichnen sich durch ihre strategische, skrupellose Vorgehensweise und europafeindlichen Haltung aus. Die Gruppierung, mit der wir es nun zu tun haben, scheint in dieselbe Kerbe zu schlagen.“
 

„Aber reichen die Worte des Verdächtigen wirklich für diesen Schluss aus?“, sinnierte Armin mit nachdenklich nach unten gerichtetem Blick.
 

„Es ist der einzige Hinweis, den wir bisher haben und mehr bekommen wir so schnell nicht“, schloss Levi und betrachtete seine Leute mit verborgenem Interesse.
 

„Ich erinnere mich daran, wie mein Vater von gepfählten Menschen gesprochen hat.“

Alle Blicke richteten sich auf Eren.
 

Dieser sah mit einem zornerfüllten Funkeln in den Augen auf. Levis Magen zog sich unwillkürlich zusammen, als ihn dieser eiserne Blick traf.

„Die Kcrizott hat vor zwanzig Jahren Ägypten durch Entführungen und Bombenattentaten ins Chaos gestürzt. Die Entführten spießten sie lebendig auf Pfählen auf, die sie langsam und qualvoll umbrachten. Es ergibt also Sinn, dass er Annie mit so etwas gedroht hat.“
 

Sie unterbrachen den Blickkontakt nicht.

Unheilvoll.

Unheilvoll bohrten sich Erens expressive Augen in die seinen.
 

Sie erinnerten Levi deutlich an Hanjis Warnung. Dieser Mann suchte Rache. Und es war an Levi ihn unter Kontrolle zu halten, ihn zu führen.

Eine nachdrückliche Erinnerung.
 

„Wir haben eh nichts besseres, also können wir genauso gut dieser Spur folgen“, durchbrach Jeans nonchalante Stimme die aufgebaute Anspannung im Raum.
 

Levi wandte sich von Eren ab und sah zu Reiner, der automatisch aufmerkte.

„Reiner, du gehst zu Serbanescu und übergibst ihm die Verantwortung für alle Verdächtigen. Soll sich die SEK weiter mit ihnen herumärgern.“
 

Reiner nickte ernst und stand auf.
 

„Und was machen wir?“, fragte Connie irritiert, „Die Verdächtigen einfach so weiterzureichen...“

Als er Levis Blick bemerkte verstummte Connie etwas betreten.
 

„Historia, Hannah, Armin, Thomas und Annie werden alles über die einschlägigen Gruppierungen recherchieren und der Rest kommt mit mir und überprüft nochmal das Lager.“
 

Connie nickte kleinlaut.
 

„Los!“, befahl Levi und alle erhoben sich, begleitet vom lauten Scharren der Stuhlbeine auf dem alten Holzboden.
 

*~*
 

„Das war alles für die Katz'!“
 

„Eren! Nicht so laut“, zischte Armin, bevor er ihre Appartementtür behutsam schloss.
 

„Wieso? Schläft doch eh noch keiner in dem Stockwerk“, schnaubte Eren frustriert und kickte sich grob die Schuhe von den Füßen.
 

Die erneute Untersuchung des Lagers hatte natürlich nichts Neues ergeben.
 

„Trotzdem musst du nicht durch den Gang brüllen“, ermahnte ihn Armin wie ein trotziges Kind.
 

Eren sparte sich eine Erwiderung und ging schnurstracks ins Bad. Er war selbstbeherrscht genug, um seinen Frust nicht an Armin auszulassen, der nichts für ihre stagnierende Arbeit konnte.

Keiner konnte etwas dafür. Es war der 14. Januar und mehr war in zwei Wochen einfach nicht zu holen gewesen. Sie hatten rund um die Uhr gearbeitet und jeder gab sich erdenklich große Mühe.
 

Als er sein Spiegelbild betrachtete, atmete er tief durch und begann sich auszuziehen. Es war bereits ein Uhr morgens und eine heiße Dusche war mit Sicherheit das einzige, das ihn einigermaßen wieder runterbringen konnte.
 

Er trat in die Duschkabine und genoss seufzend wie das heiße Wasser an seinem Körper herabrann.
 

Allmählich entspannten sich seine Nacken- und Rückenmuskeln und seine Gedanken schweiften wieder ab. Diesmal jedoch zu seinen Kameraden und der guten Arbeit, die sie geleistet hatten. Dahingegen fühlte er sich ziemlich nutzlos.
 

Was konnte er schon?

Er war gut im Nahkampf, schnell und nicht dämlich.

Aber er hatte keine einzige spezielle Begabung.

Er war kein Bombenspezialist wie Annie oder Thomas oder Scharfschütze wie Sasha oder Mylius.

Als IT-Spezialist oder Analyst wie Armin, Historia oder Hannah war er auch nicht zu gebrauchen.

Er konnte auch keine 13 Sprachen wie Mina, hatte kein fotografisches Gedächtnis wie Franz oder war sonderlich geschickt beim Führen von Verhandlungen wie Marco oder gar Reiner.

Aber selbst jene ohne besondere Zusatzqualifikationen wirkten viel sicherer und begabter.

Als gehörten sie hier hin. Eren fühlte sich dahingegen seltsam fremd.
 

Erschrocken keuchte er auf und wand sich aus dem Wasserstrahl, als das Wasser plötzlich eiskalt wurde.
 

Grimmig schaltete er das Wasser aus und stieg fröstelnd aus der Dusche, mit den Gedanken bereits bei Armin, der womöglich in der Küche das Wasser angestellt hatte, um ihn aus dem Bad zu schmeißen. Das Gebäude war antik, da funktionierten solche Späße noch, wie sie festgestellt hatten.
 

Mies gelaunt stürmte Eren aus dem Bad, doch Armin war nicht in der Küche und grinste ihn unschuldig an.

„Armin?“
 

Er ging zu seinem Zimmer, aus dem Armin keine Sekunde später hinaustrat.

„Kann ich rein?“
 

„Ja“, antwortete Eren leicht neben der Spur, „Ich dachte, du bist in der Küche.“
 

„Eh, nein“, lächelte Armin müde und ging zum Badezimmer.
 

Irritiert schüttelte Eren den Kopf und ging in sein eigenes Zimmer. Er war völlig übermüdet und in diesem Augenblick unheimlich froh, dass sie erst um 10:00 Uhr mit der Arbeit anfangen würden.

Auf Mahlzeiten und einigermaßen Schlafzeiten achtete Levi penibel, obwohl sie ackerten wie die Schweine.
 

Levi.
 

Gerade wollte sich Eren erschlagen im Bett zusammenrollen, da hörte er Armin aufgebracht nach ihm rufen.
 

Wie auf Kommando schoss Eren aus dem Bett hoch und zu seinem Freund.
 

„Was ist passiert?“ Verwirrt sah er Armin im Bad stehen, das Gesicht Richtung Dusche gewandt.
 

„Da!“, sagte er und zeigte auf die obere linke Ecke der Duschkabine.
 

Mit zusammengezogenen Augenbrauen folgte er seinem Blick und entdeckte sofort was Armin meinte.
 

„Ach du scheiße!“ Die Wand in der Ecke färbte sich langsam gelb.
 

„Ich glaube, wir müssen den Hausmeister rufen“, erwiderte Armin ernüchtert.
 

***
 

„Ein Wasserrohrbruch.“
 

„Ja, unglücklicherweise müssen deswegen die betreffenden Appartements in den beiden Stockwerken für die Zeit der Reparatur geräumt werden. Normalerweise würde wegen dem Alter der Gemäuer die Reparatur eine Woche dauern, allerdings sind wir auf Grund der Beschädigungen durch die Anschläge völlig ausgebucht. Das heißt wir werden den Schaden vorerst nur eindämmen und in zwei Wochen dann beheben“, erklärte der Handwerker ihnen trocken.
 

„Soll das heißen, dass wir drei Wochen lang nicht in unsere Wohnung können?“, hakte Eren ungläubig nach.
 

Der Handwerker nickte.
 

„Reicht es nicht nur, wenn wir kein Wasser benutzen?“, wollte Armin genauer wissen.
 

„Wir können den Schaden vorerst nur eindämmen, das heißt wir verhindern eine Ausbreitung des Schadens.“
 

„Wir sind nicht dumm“, funkte Jean grantig dazwischen.
 

Unbeirrt fuhr der Handwerker fort.

„Es ist aus gesundheitlichen und praktischen Gründen zu empfehlen die Appartements bis zur Behebung des Schadens nicht mehr zu bewohnen.“
 

„Was heißt hier praktische Gründe?“ Verständnislos verschränkte Eren die Arme vor der Brust.
 

„Er hat Angst, dass du es schlimmer machst, Idiot.“
 

Wütenden Blickes wandte sich Eren zu Jean, der ihn postwendend dumm angrinste.
 

Levi, der zuvor geschwiegen hatte, beendete das Gespräch.

„Ist das alles?“
 

„Meinerseits schon“, nickte der Handwerker und verabschiedete sich auf Levis entlassende Handbewegung hin mit einem weiteren Nicken in die Runde.
 

Es war vier Uhr morgens und sie standen mit Jean und Marco im Pyjama auf dem Flur des dritten Stockwerkes.

Da Jean und Marco das Appartement unter ihnen hatten, waren sie ebenso vom Wasserrohrbruch betroffen, was die Situation nur noch verdrießlicher machte.
 

„Und wo sollen wir jetzt schlafen?“, fragte Marco schlaftrunken in die Runde.
 

Ihre Blicke richteten sich auf Levi, der ebenfalls leger mit Trainingshose und T-Shirt dastand und ziemlich angepisst dreinschaute.
 

„Da die Wohnung sowohl von Ymir und Historia als auch von Sasha und Connie zu klein sind und es für Hannah und Franz nicht zumutbar ist, bleiben nur drei Wohnungen, in denen genug Platz für eine dritte Person ist. Also macht es euch aus, wer wohin geht.“
 

„Ich geh zu Reiner und Berthold!“, rief Jean, während Marco sich gleichzeitig für „Mylius und Thomas!“ aussprach.
 

„Dann bleiben nur noch Annie und Mina“, stellte Eren blinzelnd fest und sah fragend zu Armin.
 

„Ich habe auch noch Platz, also kann einer von euch bei mir wohnen“, erklärte Levi sichtlich nicht begeistert.
 

Enthusiastisch hob Armin den Arm.

„Annie und Mina!“
 

Eren betrachtete seinen Freund erst verwirrt, bevor ihm dämmerte, was er gerade getan hatte.

„Du-!“, fing Eren mit aufgerissenen Augen an, wurde jedoch jäh von einer strengen Stimme unterbrochen.
 

„Los, Jäger. Ich hab nicht ewig Lust mir hier den Arsch abzufrieren.“
 

„Ja!“, brachte Eren überfordert heraus und eilte Levi nach. Als er sich nochmal sauer zu Armin und den anderen umwandte, kicherten diese wie Schuljungen leise vor sich hin und das gehauchte „Sorry“ von Armin konnte sich dieser, was Eren anging, gerne sonst wo hinschieben.
 

Levis Appartement lag im ersten Stock und war genauso groß, allerdings hatte es neben Wohnküche, Abstellkammer und Bad nur ein Schlafzimmer. Dummerweise konnte man das Bad auch nur vom Schlafzimmer aus betreten.
 

Im Moment war das jedoch gleich, denn Levi suchte schweigend aus seinem Wandschrank eine dicke Decke und ein zweites Kissen, welche er auf die große Stoffcouch im Wohnzimmer legte.
 

Eren beobachtete ihn still dabei und wagte es kaum zu atmen. Die Situation war alles andere als ideal und er war viel zu müde, um etwas zu sagen.
 

„Ich habe kein Laken“, erklärte Levi ihm, nachdem er die Sachen auf die Couch gelegt hatte, „Wir kümmern uns morgen um den Rest.“
 

„Ja, danke“, lächelte Eren, doch Levi reagierte nicht darauf und verließ ihn mit einem „Hm“.
 

Eren sparte sich jegliche Gute Nacht-Wünsche und begann vielmehr die Decke aufzuschlagen und sich alles zurecht zu zupfen.
 

Die Couch war kein Vergleich zu seinem Bett, aber Eren war zu erschöpft, um sich darüber weiter Gedanken zu machen und schlief fast umgehend ein.
 

***
 

Das Geräusch von kochendem Wasser weckte ihn wieder auf.
 

Es war nur ein leises Gluckern, doch es genügte, um ihm den ziehenden Schmerz verspannter Muskeln bewusst werden zu lassen.
 

Stöhnend drehte er sich um und rutschte dabei prompt mit einem überraschten Schnaufen von der Couch.
 

„Fuck!“

Missmutig stemmte sich Eren mit den Armen hoch und rieb sich leise vor sich hin grummelnd den Nacken. Er konnte ihn kaum drehen, ohne vor Schmerzen aufzustöhnen.
 

Wie ein alter Mann erhob er sich stöhnend vom Boden. Erst dann bemerkte er Levis Blick auf sich ruhen.
 

Etwas verschämt lächelte Eren ihn an.

„Guten Morgen!“
 

„Hm.“ Ohne eines weiteren Blickes drehte sich Levi um und entfernte das Teesieb aus der großen Teekanne.
 

Eren störte sich nicht an der Schweigsamkeit und schlenderte verschlafen zum Bad. Da Levi ihn mehr oder weniger freiwillig aufgenommen hatte, machte er sich keine Gedanken darüber ihn zu fragen, ob er durch sein Schlafzimmer latschen durfte.
 

Alles war ordentlich und quietschsauber. So sauber, dass Eren sich beinahe unwohl fühlte den Wasserhahn des Waschbeckens anzufassen. Zwar waren die Oberflächen wasser- und schmutzabweisend, aber seine Fingerabdrücke sah man trotzdem leicht am Hahn, sodass Eren sich genötigt fühlte diese mit Klopapier wegzuwischen.
 

Eren begann sich schlecht zu fühlen, dass er die Couch nicht zurechtgemacht hatte...
 

Als er wieder ins Wohnzimmer trat, saß Levi auf einem Barstuhl am Tresen, welcher Küche und Wohnzimmer voneinander abtrennte, trank Tee und las etwas auf seinem Tablet.
 

Schnell ordnete Eren seine Decke, faltete sie und legte das Kissen darauf.
 

Als er den Kopf hob, begegnete er Levis sturmgrauen Augen.
 

„Ähm, ich hol dann mal meine Sachen. Wo soll ich sie derweil hintun?“
 

„Dir wird bestimmt etwas einfallen.“
 

„Oookay“, dehnte Eren mit gerunzelter Stirn und wandte sich um.
 

Da war ja einer ganz toll gelaunt. Eren hoffte, dass Levi entweder wider Erwarten ein Morgenmuffel war und es nichts mit seiner Anwesenheit per se zu tun hatte.
 

Lustlos ging Eren die Treppen bis in den vierten Stock hoch und in sein und Armins Appartement, um sich eine Tasche mit den nötigsten Dingen zu packen und umzuziehen. Er sah immer noch nicht ein, dass er die Wohnung komplett räumen musste, aber er fand sich damit ab.
 

Er packte Waschzeug, Klamotten, sein Tablet und Taschenspieler ein. Als er auf sein Smartphone sah, stöhnte er auf.

„Was zum? Halb sieben?“
 

Entsprechend gelaunt warf sich Eren die Tasche um und trottete wieder in den ersten Stock zurück. Kein Wunder, dass er noch so müde war und kein Laut auf die Gänge drang. Sie mussten erst um 10:00 Uhr parat stehen, das hieß vor neun stand kein Schwein auf.
 

Warum zum Teufel war Levi schon wach?
 

Als Eren an der Tür seines Vorgesetzten klopfte, um sein Eintreten anzumelden, war Levi nicht mehr in der Küche. Auf dem Tresen lag ein Zettel mit Levis ordentlicher Schrift und der Nachricht „Bin bis halb neun im Fitnessraum. Mach was du willst.“
 

Diese Nachricht passte für Eren perfekt zu diesem bescheidenen Morgen.
 

Seufzend machte Eren genau das, was er wollte und suchte sich aus Levis Schränken etwas zu essen. Er fand Müsli und frische Milch.
 

Nach dem Frühstück stellte er sich eine gefühlte Stunde unter die heiße Dusche und dämmerte vor sich hin, bevor er sich in Boxershorts und einem normalen schwarzen T-Shirt wieder auf diese schrecklich unbequeme Couch legte und weiter döste. Das Geräusch von Levis Rückkehr ignorierte er geflissentlich. Er würde schon mitkriegen, wenn es Zeit wurde aufzustehen.
 

Er spürte sie, bevor er Levis Präsens direkt vor seiner Couch hörte. Mit schlechter Vorahnung schielte er zu der über ihm lauernden Gestalt und machte sich innerlich für den gelangweilt-irritierten Blick bereit.
 

„Um das klarzustellen“, begann auch schon die Predigt, „ich lege viel Wert auf Ordnung.“
 

Ach, ne.
 

„Wenn du duscht, möchte ich, dass du die Oberflächen anschließend mit dem Lappen abtrocknest, den du unter der Spüle findest. Egal, ob ich nach dir dusche. Wenn du abspülst, dann lass die Schüssel nicht stehen, sondern trockne sie ab und räum’ sie dahin zurück, wo du sie gefunden hast.“
 

Eren betrachtete ihn ausdruckslos, innerlich genervt. Doch als er etwas abwartendes durch die harten Augen blitzen sah, wurde ihm klar, dass Levi eine Diskussion erwartete. Darauf hatte Eren keine Lust und was soll’s, dann bemühte er sich halt dieses sterile Appartement möglichst unberührt zu lassen.
 

„Okay.“
 

Ein kurzes erstauntes Flackern in den sturmgrauen Augen ließ Eren leicht schmunzeln.
 

„Okay“, nickte Levi und ging ins Schlafzimmer.
 

Durchatmend drehte sich Eren um, stöhnte dabei schmerzerfüllt und massierte sich zaghaft den Nacken.
 

Scheiß Couch.
 

Scheiß Tag.
 

***
 

„Du bist ein gemeiner Verräter!“, beschuldigte Eren seinen Freund, kaum nachdem Marco und Reiner die Gemeinschaftsküche verließen, in der sie sich zu viert niedergelassen hatten.
 

„Ach, komm schon. Ich war einfach schneller“, hatte Armin die Frechheit ihn unverfroren anzugrinsen, als er von seinem Tablet aufsah.
 

Eren hatte das Bedürfnis ihm den dürren Hals umzudrehen.
 

„Was ist denn?“, merkte Armin auf, „Hattest du Ärger mit ihm?“
 

Missmutig verzog Eren den Mund zu einem genervten Schmollen.

„Nicht direkt.“
 

„Ich hab mich für Annie und Mina entschieden, weil du dich viel besser mit Levi verstehst als ich. Was ist also in den wenigen Stunden passiert, dass du so ein Gesicht machst, Eren?“
 

Er zuckte mit den Schultern.

„Es war immer ein auf und ab, aber jetzt ist es als stünde eine Mauer zwischen uns. Warum lachst du??“ Beleidigt starrte Eren seinen besten Freund an, der abwinkte.
 

„Eren, hast du mal daran gedacht, dass Levi vielleicht auch gestresst ist?“
 

„Worauf willst du hinaus? Natürlich weiß ich das!“
 

Lautlos seufzend fuhr sich Armin durch die Haare.

„Die ESE existiert seit zwei Wochen. Wir haben es mit dem schlimmsten Terrorakt auf europäischem Boden seit der Gründung der Vereinigten Staaten Europas zu tun. Die ESE wurde zur Vorbeugung eines solchen Falles gegründet und nun haben wir es mit dem Worst-Case-Szenario zu tun. Du hast doch gesehen wie viele Telefonate Levi ständig führt und obwohl wir lächerlich wenig über ihn wissen, dürfte klar sein, dass Levi die Leitung dieser Einheit mehr aus einem Gefallen gegenüber General Smith heraus übernommen hat als aus eigener Ambition.“

Durchatmend fixierten ihn Armins Augen mit diesem selbstbewussten Glanz, den Eren an dem sonst eher sich selbst unterschätzenden Mann so bewunderte.

„Von Levi wird erwartet, dass er die Schuldigen vor den wachsamen Augen der Welt zum Schafott führt, am besten vorgestern. Wir können uns den Druck gar nicht vorstellen, der auf seinen Schultern lastet.“
 

Eren wandte den Blick ab. Zurück auf sein eigenes Tablet, auf dem er alle bisher recherchierten Ergebnisse zu den terroristischen Gruppierungen durchzugehen hatte, bevor sie sich in einer knappen Stunde zu einer erneuten Besprechung treffen würden.
 

All diese Informationen waren ihm bekannt. Sie hatten bisher keinen echten Anknüpfungspunkt.
 

Armin hatte selbstverständlich Recht und das machte Eren wütend. Nicht wegen des ungeheuren Drucks, dem sich Levi als Verantwortlicher ausgesetzt sah, sondern wegen der Tatsache, dass er diesen Job nicht aus eigener Überzeugung machen könnte.
 

Ja, warum machte Levi das alles eigentlich? Warum tat er sich das an?
 

Nie hatte sich Eren diese Frage gestellt.
 

*~*
 

Die nächste Phase wurde eingeleitet.
 

+++


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wollte ein längeres Kapitel schreiben, aber es sollte einfach nicht sein.
Ihr habt mich nun quasi "eingeholt". Trotz dem langen Update-Zyklus schreibe ich momentan erst am 8. Kapitel. Es hat aber bereits 14.280 Worte und da kommen schätzungsweise nochmal 2.000-5.000 Worte dazu.
Das 7. Kapitel ist mir wirklich schwer gefallen und es würde mich interessieren, ob euch das aufgefallen ist?
Ich hatte eine fast dreimonatige Schreibblockade nach Rhasgards Auftritt und Reiners Vernehmung. Sein Fluch sprach mir in diesem Fall aus der Seele xD
Die Szenen mit Eren und Levi wollen mir leichter gelingen, aber es soll ja nicht "bloß" eine Romanze sein.
Apropos, es war überhaupt nicht geplant, dass Levi sich so "schnell" verguckt. Aber manchmal machen die Charaktere eben was sie wollen xD Anfangs fand ich es etwas störend, aber mittlerweile passt das schon:D

Ich würde mich wirklich sehr über Feedback freuen!

35 Leute haben diese Geschichte als Favorit eingetragen. Davon kommentiert nur ein Bruchteil die Kapitel, deswegen wüsste ich gerne, wer dieses Kapitel wirklich liest und wer die Geschichte für einen späteren Zeitpunkt vermerkt hat.
Der Kommentar kann gerne auch ein Einzeiler sein! Es muss nichts besonderes drin stehen, ich freue mich auch über ein "Hi, das Kapitel gefällt mir/gefällt mir nicht/ist mittelmäßig, bye".
Ich möchte nicht "ins Leere" schreiben. Dafür muss ich keine Geschichte veröffentlichen und mich um regelmäßige Updates bemühen. Dafür reicht es auch nur für mich zu schreiben, ohne dass es jemand anderes liest.
Kommentare sind eine immense Motivation, denn dann weiß ich, dass es jemanden gibt, der sich über ein neues Kapitel freut und bemühe mich darum schneller zu schreiben - eben gerade auch wenn ich eigentlich keine Zeit dafür habe.
Aber gut, genug davon:) Das 8. Kapitel will ich bis März fertig haben, um es rechtzeitig im gewohnten Rhythmus hochladen zu können:)

Ich wünsche euch schöne Feiertage und einen guten Rutsch! Auf ein glückliches, erfolgreiches und gesundes Jahr 2016!

Bye

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  AnimaGeen
2016-03-06T12:09:31+00:00 06.03.2016 13:09
Hey ;)
Da du so süß um Kommis gebeten hast, gebe ich dir eins!
Erst einmal, die Story ist der Hammer! Ich liebe den Plot - auch wenn ich normalerweise Geschichten im Zusammenhang mit Terrororganisationen etc. überhaupt nicht leiden kann. Ich hasse Charaktertode und sad endings und hoffe, dass dies bei dir nicht auftauchen wird, denn ich weiß nicht ob ich Levis oder Erens Tod verkraften könnte.
Habe heute mit dem Lesen angefangen und konnte nicht mehr aufhören! Sie hat mich echt gefesselt und die Charakterverknüpfung ist dir sehr gut gelungen und lehnt auch für mich sehr an den Anime an.
Ich lese normalerweise viel kürzere Fanfiktions - vor allem weil nicht alle sich so sehr Mühe geben wie du es dir machst ;) <3 Ich liebe die langsame und stetige Entwicklung von Erens und Levis Beziehung, man kann sie sehr gut nachvollziehen und ich freue mich jedes Mal, wenn die beiden ihre "speziellen Momente" mittels Augenkontakt etc. haben
Allerdings kam ich dann bei Kapitel 6 und 7 langsam in den Modus, jetzt sollte schon etwas mehr passieren. Ich würde mir ein bisschen mehr Ereri-Momente wünschen, in denen man sehen kann, was für eine Romanze sich entwickelt und beide auch bemerken, dass ihre Gefühle füreinander etwas mehr über Freundschaft hinausgeht. Du hast dies ja schon mit dem "Schmetterlingsmoment" mit Levi angedeutet, welcher mir aber leider etwas zu detaillos in Bezug auf Emotionen vorkam. Aber ich bin mir sicher bzw. ich hoffe, du arbeitest gerade an dem nächsten Kapitel und lässt die Beziehung etwas expandieren. Oder auch nicht. Gerade sind alle ja sehr beschäftigt mit den vergangenen Terroranschlägen und dessen Aufklärung. Möglich, dass dabei nicht so viel Raum für Gefühle ist. Ist nur ein Wunsch meinerseits, ich bin einer von wenigen Lesern, also musst du meine Kritik nicht gleich in deinen nächsten Kapis verbauen.
Freuen würde ich mich allerdings sehr :D
Und bitte, BITTE schreibe weiter und lade so schnell es geht neues zum Lesen hoch. Ich würde mich fast schon als süchtig bezeichnen, was das Pair Ereri angeht und liebe gute Fanfiktions!
Ich habe bisher sehr viele gelesen, ich kann sagen, - mit vollem Wissen, dass sich das anhört als hätte ich nichts anderes zu tun - dass ich schon ein paar viele Tausend Fanfiktions gelesen habe. Nicht alle natürlich über SnK und Ereri (leider)
Aaber diese Story hat mich erschlagen, mit der Länge der Kapitel (was ich sehr bewundernswert finde), mit deiner Eloquenz und wie du mich dazu gebracht hast dümmlich vor mich hinzugrinsen, sobald die Rede von Levi und Eren war.
Dass Hanji so sexsüchtig oder eher "untervögelt" ist und agiert, hat mich am Anfang etwas irritiert und gestört, aber wo ich darüber nachdenke passt es zu Hanji und ihrer verrückten Ader und ich finde es lustig
Also, alles in allem ich liebe die Geschichte und wenn du bald neue Kapitel für mich zum Lesen hast, werde ich dich knutschen ;) also verbal natürlich ^:^
Bis dann Alina

Von:  kleinYugi5000
2016-01-19T23:17:06+00:00 20.01.2016 00:17
Hallo
bin so happy das das Kapitel endlich da ist^^
Das Lesen hat sich nur etwas verzögert weil ich gerade meine BAarbeit geschrieben haben

Ich finde das Kapitel ganz toll....von deiner Schreibblockade merke ich nix
Ich finde des herrlich das Levi und Eren jetzt zusammen wohnen...od so ähnlich XD
das wird bestimmt und lustig....und ich finde nicht das Levi sich zu schnell verliebt hat...immer hin geht die Geschichte ja schon ne Weile und es hatte sich ja schon angedeutet das ihm Eren wichtiger wird.
Und den Spruch das man Schmetterlinge leider nicht rauskotzen kann fand ich genial! So habe ich mich auch schon manchmal gefühlt

Also mach weiter so
Ich freue mich ganz doll auf das nächste Kapitel

LG Soph-chan
Von:  jasmina15497
2015-12-26T00:55:51+00:00 26.12.2015 01:55
Hi, ich habe glaube ich noch nie so auf ein Kapitel von einer FF gewartet, wie hier. Aber ich kann nur sagen, dass es sich lohnt. Ich liebe diese FF und auch das so langsam die Gefühle zwischen Eren und Levi erwachen 😍 Ich hoffe.... Nein Bete dafür, dass du nicht aufhörst dieses FF zu schreiben. Das wär echt sehr sehr schade. Ich hoffe ich konnte dich mit meinen Worten etwas mehr noch Motivieren weiter zuschreiben 👍🏻 ich freue mich schon jetzt wie verrückt auf das nächste Kapitel
LG Leandra
Von:  Kemonomimi
2015-12-26T00:11:20+00:00 26.12.2015 01:11
nachdem ich darüber informiert wurde, dass das neue Kapitel online is hab ich mir extra die Nacht im Urlaub um die Ohren geschlagen, um in Ruhe zu lesen sobald mein Gastgeber schläft :'D
war auf jeden Fall die richtige Entscheidung!
Cooles Kapitel! Die Spannung steigt, sodass der März schnell kommen soll.

Schöne Feiertage und auf das dich die Muse nicht verlasse! :D
Von:  Lin_Uchiha
2015-12-25T23:29:32+00:00 26.12.2015 00:29
Hey :)
Nach deiner Ankündigung, dass das neue Kapitel an Weihnachten kommt hab ich schon seit gestern ständig darauf gehofft das es endlich da ist!! Und ich wurde nicht enttäuscht. Ich liebe deine Fanfiction und bin schon wieder ganz aufgeregt wie es weiter geht. Ich persönlich fand es eine schöne und passende Stelle um Levi seiner "Schmetterlinge" bewusst zu werden. Ich freu mich schon das nächste Kapitel zu lesen.
Dir auch frohe Feiertage und einen guten Rutsch
Lg Lin~

Von:  Lucy18
2015-12-25T19:56:09+00:00 25.12.2015 20:56
Mir hat das Kapitel echt gut gefallen und ich freu mich schon auf das nächste! (Ps: ich feuer dich beim schreiben an und schwenke die fahne für dich! ^^)
Antwort von:  Minerva_Noctua
25.12.2015 22:48
Hi!

Danke für deinen Kommentar!
Ich freue mich sehr darüber:)

Liebe Grüße,

Minerva
Von:  Cester
2015-12-25T17:05:33+00:00 25.12.2015 18:05
Oh mein gott es ist endlich online!
Ich warte schon einen Monat, gespannt und aufgeregt wie es weitergehen könnte .
Ich habe die restlichen Kapitel in einer Nacht verschlungen und dieses Kapitel hat mich nicht enttäuscht!
Ich freue mich schon das 8te zu lesen und bin wirklich hibbelig!
Ich wollte noch etwas fragen wo ich dich gerne mal privat mit nerven wollte, was die ff angeht . Ich hoffe es ist ok >\\<!
Liebe grüße!♡


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