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Die Legende von Shikon No Yosei

Das Schicksal einer Elementarmagierin
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wenn man eine Serie suchtet, liegt eine FF nicht allzu fern ...

Diese Geschichte spielt in der Welt der Mortal Instruments- beziehungsweise Shadowhunters-Reihe von Cassandra Claire. Die Handlung jedoch ist der Fantasie von Ami Diana Saphira Mercury entsprungen.
»Wahre Liebe kann nicht sterben« – doch wie sieht die Situation aus, wenn einer der beiden Liebenden sterblich ist … und der andere unsterblich? Beziehungen zwischen verschiedenen Völkern und unterschiedlichen Rassen sind seit jeher kompliziert, anstrengend. Doch wäre es nicht das erste Mal, dass Shiko Yosogawa und Ohtah Shadowdragon eine Lösung für ein unmögliches Problem finden …
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Fanfiction 03: Die Legende von Engeln und Dämonen

Feuer gegen Feuer

Hinter der Fassade des normalen Lebens verbirgt sich noch eine andere Welt … jene, in der alle Geschichten über Engel, Dämonen und Monster real waren. Legenden über Hexenmeister und Vampire oder Werwölfe, Elfen und Feen sowie Zombies, sogenannt Forsaken. Ebenso wie die Hüter des Friedens … die Shadowhunters – halb Engel, halb Mensch beschützen sie die Mundi, die Bewohner der Menschenwelt seit Jahrhunderten aus dem Verborgenen heraus. Als Kinder des Erzengels Raziel mit dessen Runen ausgestattet und Waffen aus Adamant, welche dämonische Energien auslöschen konnten.

So stand in unserer Zeit in der ehemaligen Hauptstadt Japans eines der berüchtigten Institute der ganzen Welt, getarnt durch Zauberglanz als einsturzgefährdete Tempelruine. In Wahrheit stand das Gebäude vollkommen unversehrt auf geweihtem Boden. In Kyoto war man es gewohnt, dass Mundi häufiger von übernatürlichen Erlebnissen berichteten – denn hier waren die Grenzen zwischen der Unterwelt und den Sterblichen seit jeher dünn, manchmal beinahe durchscheinend gewesen … was unweigerlich mehr Arbeit für die Shadowhunters bedeutete. So wie nun da ein mächtiger, höherer Dämon direkten Kurs auf die Stadt nahm – die Sensoren hatten ihn bereits aus hundert Kilometern Entfernung registriert. Zeit genug, damit sich das Team für den Außendienst wappnen konnte; eine Nachricht an die nächstliegenden Institute ging auch bereits raus. Nach Möglichkeit wollten sie ihn jedoch noch außerhalb abfangen und zurück in die Hölle verbannen, bevor er das Leben der Tausenden von unschuldigen Seelen unnötig bedrohte.

Der braunhaarige Shadowhunter fluchte und steckte die Seraph-Dolche zurück in die Holster an seinem Gürtel, nachdem er vergeblich auf die Feuerwand eingestochen hatte. Nun zog er eine Handvoll Wurfpfeile aus einem Säckchen. Mit Hilfe seiner Geschicklichkeitsrune vollführte er einen Stunt, welcher ihn hoch in die Luft beförderte, und holte bereits zum Wurf aus, da schlug ihn eine Druckwelle gegen den nächsten Baum. Krachend kam Ohtah Shadowdragon auf dem Boden auf.

„Das kommt von deinen ständigen Alleingängen!“, schimpfte eine junge Frau mit ihm.

Kopfschüttelnd aktivierte sie mit ihrer Stele seine Iratze, die Heilungsrune.

Etwas mürrisch kam Ohtah wieder auf die Beine und meinte: „Irgendwie hätte ich das schon hinbekommen, Seiketsu.“

Bevor Genannte protestieren konnte, traf ein dritter Shadowhunter am Kampfplatz ein. Sein Name lautete Klerus Shadowdragon – er war der jüngere Bruder von Ohtah und dessen Parabatai, sein runenverbundener Kampfgefährte.

„So viel zum Thema wir würden zusammen kämpfen, Ohtah-nii.“, rügte auch er den Braunhaarigen, „Also jemand einen Vorschlag? Sei-chan?"

Ohtah Shadowdragon grinste. Und so versuchten sie gemeinsam eine Breche zu schlagen und an den Dämon heranzukommen. Vergeblich – das Feuer schien unüberwindbar. Die Ausgeburt der Hölle rückte weiter vor … und prallte plötzlich zurück. Verwundert brüllte er auf, als seine Flammen zurückwichen. Daher gab er seinen Vormarsch erst einmal auf.

„Wenigstens halten die Barrieren der Schutzzauber. Los, Rückzug ins Institut!“, befahl Seiketsu, was ihr ein Grummeln ihrer Teamkameraden einbrachte.
 

„Wir brauchen einen Hexenmeister …“, stellte der Braunhaarige missmutig fest.

Es passte ihm überhaupt nicht, fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Er hatte bei weitem nichts gegen Unterweltler – es war seine Aufgabe auch sie zu beschützen. Zu versagen … damit kam er nicht klar, denn genau das bedeutete die heutige Niederlage für ihn.

Sein Bruder pflichtete ihm dennoch bei: „Und zwar nicht irgendeinen – Feuerzauberzauber dieser Art sind jedermanns Sache.“

„Dann setz´ ich mich mal an die Kartei; irgendwo in Japan muss es doch einen Meister auf diesem Gebiet geben.“, erklärte die Shadowhunter und widme sich direkt dem hochmodernen Bildschirm.

Die Männer nutzten die Zeit, um zu trainieren. Ein typisches Verhalten – jedes Problem, das nicht sofort gelöst werden konnte, verlangte, sämtlichen Frust an einem der Boxsäcke abzulassen. Als Parabatai war es nicht nötig, dass sie einander ihre Gefühle mitteilten – der andere konnte sie spüren. Sie teilten Gedanken, Instinkte; sie waren ein Teil des jeweils anderen. Auf der ganzen Welt gab es niemand, der Ohtah besser kannte … selbst wenn sie keine leiblichen Geschwister gewesen wären.

„Hat nicht so gut geklappt, Seiketsu zu beeindrucken, nicht wahr?“, meinte Ohtah herausfordernd, um sich abzulenken.

Sofort schoss seinem Bruder das Blut in die Wangen, während er stotterte: „Ach, das … das hatte ich doch gar nicht vor. Ich … Sei-chan ist … also …“

Der Ältere lachte und Klerus fiel mit ein. Wie gesagt, es hatte überhaupt keinen Sinn, ihn anzulügen.

Stunden später war es Seiketsu schließlich gelungen: „Ich hab´ sie! Shiko Yosogawa, Alter unbekannt … Zeichen unbekannt … aktueller Wohnort Haus auf dem Berg Ontake … Genau, hier steht es – Spezialität Elementarzauber, besonders für ihre mächtigen Flammen bekannt.“

„Perfekt, Sei-chan! Ich wusste, du würdest eine Lösung finden.“, lobte der Blonde ihre Bemühungen.

In Anlehnung an ihre vorangegangene Unterhaltung gab Ohtah seinem Bruder einen Klaps auf die Schulter und meinte: „Ja, ja, genug geflirtet. Wir sollten uns lieber auf den Weg machen, Klerus.“

Die Zauberin lebte auf einem kleinen Anwesen auf dem zweithöchsten Vulkan des Landes, in den japanischen Nordalpen, an der Grenze der Präfekturen Nagona und Gifu. Sollte es wirklich eine Überraschung sein, dass ausgerechnet eine »Feuerhexe« sich ein derart glühendes Heim gewählt hatte? Es war nicht gerade ein Spaziergang – viele pilgerten zum dortigen Schrein am Gipfel –, jedoch für Shadowhunter auch nicht gerade ein große Herausforderung. Vor dem hiesigen Bannkreis hielten die beiden Männer inne; er sollte all jene fern halten, die mit bösen Absichten eindringen wollten – da sie diese nicht hatten, konnten sie ungehindert passieren.

Allerdings wurde Shiko dadurch über ihren unangekündigten Besuch informiert und so erwartete sie die Shadowhunter bereits an ihrer Haustür: „Wie komme ich denn zu dieser zweifelhaften Ehre, Hantā no Kage-san (Schattenjäger)?“

„Yosogawa-dono, wir kommen vom Kyoter Institut und möchten Ihre Hilfe erbitten.“, erklärte Klerus in einer tiefen, respektvollen Verbeugung.

Er warf einen Seitenblick zu seinem Parapatai, der sich nicht mehr zu regen schien. Also stieß er ihn knapp mit dem Ellenbogen an. Sofort erwachte Ohtah aus seiner Starre, welche jedoch nicht auf etwaige Magie zurückging …

Er ahmte die Geste nach und stellte sich vor: „Mein Name ist Ohtah Shadowdragon – mein Bruder Klerus und ich freuen uns, Sie kennenzulernen.“

Shiko lächelte etwas verhalten. Es war ihr nicht entgangen, wie er junge, braunhaarige Nephelim den Atem angehalten hatte, als er sie erblickt hatte … Wäre sie eine Vampirin gewesen, hätte sein schlagendes Herz in ihren Ohren gedröhnt. Eigentlich seltsam … wo Shadowhunter doch für ihren kühlen Kopf und Nerven wie Drahtseile bekannt waren.

„Nun gut, kommt herein und berichtet mir, worum es genau geht.“, gab die Hexenmeisterin nach und führte ihre Gäste in den Wohnraum, welcher traditionell japanisch eingerichtet war.

Als sie auf den Kissen Platz genommen hatte, schnippte Shiko mit den Finger und drei dampfende Tassen grünen Tees sowie ein Teller mit Gebäck erschienen auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen. Klerus wunderte sich über das Verhalten seines Bruders; für gewöhnlich preschte Ohtah nicht nur im Kampf nach vorne. Da er aktuell jedoch partout nicht mit der Sprache rausrücken wollte, berichtete er Shiko von der Gefahr, in der Kyoto und anschließend der Rest des Landes sich aktuell befanden. Besonders schmerzlich war es, eingestehen zu müssen, wie nutzlos ihre sonst so hochgeschätzten Adamant-Waffen gewesen waren …

Kurz zeichnete sich Schrecken auf dem Gesicht seiner Gegenüber ab, die schlussendlich entgegnete: „Das ist sehr ungewöhnlich … oder zumindest sehr selten. Es ist Jahrhunderte her, seit ich zum letzten Mal vom Erscheinen eines elementaren Dämonen gehört habe. Sie stammen aus der tiefsten Dimension der Hölle … Einst waren sie Cherubim, die vom Himmel fielen – ebenso wie ihre damaligen Flügel repräsentiert nun je einer von ihnen eines der vier Elemente.“

Vor Shiko´s innerem Auge erschien eine Gestalt, die ihr eine Gänsehaut bescherte. Wenn dieses widerliche Ding tatsächlich auf seinen Befehl hin in Kyoto einfallen sollte, war er ihrer Spur näher gekommen … Anscheinend war die Zeit des Versteckens damit endgültig zu Ende – die Shadowhunters hatten recht getan, sie aufzusuchen, und wussten dabei gar nicht, wer sie in Wirklichkeit war. Denn sollte er noch immer hinter ihr sein, wäre nicht nur eine einzelne Stadt, geschweige denn dieses Land in Gefahr …

„Ich werde mich darum kümmern – das ist so gut, wie erledigt.“, sprach die Zauberin einfach weiter, nachdem sie minutenlang geschwiegen hatte, „Ach und was die Bezahlung angeht … Ihr spendet den üblichen Betrag anonym einer Mundi-Einrichtung für bedürftige Kinder in Kyoto, haben wir uns verstanden?“

Die Shadowhunters sahen sich verwirrt an, nicken jedoch – mehr aus Reflex.

Mit einem Handwink erschuf sie ein Portal und meinte beinahe spöttisch: „Nach den Herrschaften.“

Innerhalb weniger Sekunden standen die drei vor den Toren des Instituts, aus denen eine besorgt wirkende Seiketsu eilte.

„Na endlich – lange halten die Schutzzauber nicht mehr!“, erklärte sie und wies auf das gesamte Areal.

Ohne sie anzusehen entgegnete Shiko: „Ich werde sie gleich wieder in Ordnung bringen, wenn ich diese lästige Angelegenheit hinter mich gebracht habe. Entschuldigt mich – dieser Dämon muss dringend zum Highway zur Hölle.“

Die Arroganz überdeckte ihre eigene Sorge … Wieder erschuf sie ein Portal, welches diesmal außerhalb der Stadt endete. Kaum vorstellbar, dass Kreaturen der Verdammnis unter Langeweile litten, doch schien es, als hätte er nur auf neue Gesellschaft gewartet. Seine einst annähernd menschliche Gestalt war kaum mehr erkennbar – eher wirkte er, wie aus einem Klumpen heißer Lava geformt und anstelle von Flügeln zeugten zwei spitze Hörner von seiner Herkunft.

„Sieh´ an … Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet seiner Tochter hier begegnen würde? Nun, Prinzessin – oder lieber >Hime-sama<, in Eurer Muttersprache –, Ihr wollt Euch doch nicht etwa mir in den Weg stellen? Schließlich bin ich Eures Vaters treuer Diener.“, begrüßte er sie mit einer provozierenden Verbeugung.

Feuer erwachte in Shiko´s Handflächen, als sie entschieden erwiderte: „Ich wüsste nicht, warum mich dieser Umstand aufhalten sollte – im Gegenteil … das ist erst recht ein Grund, dich zurück zu schicken!“

Sie murmelte einige Zaubernformeln – das Element gehorchte sofort und fesselte seinen einstigen Herrn, der sich brüllend versuchte, zu befreien. Das wabernde Feuer gab allerdings keinen Deut nach. Ein Riss öffnete sich unter ihm – tief hinein in das verfluchte Höllenreich, wo er die nächsten Jahrhunderte damit zubringen konnte, ihren Zauber zu lösen. Kaum war der Dämon in der Erdspalte verschwunden, verschloss sie sich wieder, als wäre sie nie da gewesen. Shiko starrte noch lange auf die Stelle. Einen höheren Dämon zu binden und zu verbannen war ein leichtes; ein Großdämon oder gar ein Dämonenfürst wäre schon etwas ganz anderes … von ihrem Vater ganz zu schweigen. Einst hatte sie den Kampf gegen ihn gescheut, war geflohen … Doch sollte es ernsthaft jemandem geben, der ihm auch nur mit dem Hauch einer Chance entgegen treten konnte, wäre sie wohl die einzige – zumindest auf der Erde. Und dann noch »Prinzessin« … dieses Wort verfolgte sie in manchen Nächten noch heute, so hatte er sie genannt – nicht »Kind«, nicht »Tochter«. Jemand, der an seiner Seite herrschte, wäre sein Begehren gewesen … deshalb war sie geboren worden. Aber sein Plan schlug fehl – unter keinen Umständen der Welt hätte sie sich auf seine Seite geschlagen! Ein ungutes Gefühl legte sich über die Gedanken der Zauberin. Feuer war das Element, welchem ihm selbst gebührte … sollte dieses scheitern, konnte er immer noch drei weitere seiner Vertrauten aussenden. Nein … es gab sogar einen weiteren Gefallenen Engel, der noch höher in seinen Gunsten stand. All das konnte kein Zufall sein – er wusste, dass sie seine Untergebenen nicht ungeschoren davonkommen lassen.
 

Das erste, was Shiko auffiel, als sie das Institut betrat, war Ohtah´s erleichterter Gesichtsausdruck bei ihrem Anblick … nur eine Sekunde später hatte sie bereits mit den Fingern geschnippt, um die Schutzzauber aufzurufen – oder besser gesagt die kaum mehr vorhandenen Schutzzauber. Also stimmte ihre Theorie … der Angriff sollte sie herauslocken. Nachdem die Zauberin mit ihren Armen ein paar eindrucksvolle Bögen in der Luft beschrieben und die Barrieren um ein hundertfaches verstärkt hatte, setzten sich alle Involvierten zu einem Kriegsrat zusammen. Die Shadowhunters befürchteten ebenfalls, dass die Grenzlinien nicht nur hier geschwächt worden waren, sondern in der ganzen Umgebung rund um Kyoto.

„Wir sollten uns mit dem Hohen Hexenmeister von Kansai um Hilfe bitten.“, schlug Seiketsu vor.

Ein hämisches Lachen entfuhr Shiko: „Argo mischt sich nicht in Angelegenheiten, die ihn nicht interessieren … Glaubt mir, ein einzelner hoher Dämonen-Angriff wird ihn nicht überzeugen – davon abgesehen arbeiten wir nicht zusammen.“

Die Braunhaarige wollte widersprechen, Klerus hielt sie jedoch zurück: „Was wäre Euer Vorschlag, Yosogawa-dono?“

„Zuerst einmal, da diese Unternehmung noch mehr Zeit in Anspruch nehmen wird … ich kann diesen Namen nicht mehr hören – nennt mich einfach >Shiko<, das reicht vollkommen.“, erklärte die Hexenmeisterin ungehalten, „Die Schutzzauber müssen besonders auf elementare Abwehr konfiguriert werden. Wenn Eure Kartei vollständig ist, solltet Ihr bereits wissen, dass dies mein Spezialgebiet ist – ach, stimmt ja, deshalb habt Ihr mich ja überhaupt erst aufgesucht.“

Der Blick von des Braunhaarigen schien sie beinahe zu durchbohren. Er wusste, was in ihr vorging – woher konnte sie nicht sagen oder gar, worüber er noch alles Kenntnis besaß. Ohtah kannte dieses Verhaltensmuster nur zu gut … von sich selbst. Bereits beim ersten Mal, da er in ihre Augen geblickt hatte, hatte er ihre Seele erkannt, die hinter einer Maske verborgen lag – sie spielte eine Rolle, um niemanden an sich heranzulassen. Und das machte sie unendlich einsam …

„So ist es … Und es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, dass der Schutz der Mundi gewährleistet ist – daher werde ich Euch begleiten.“, erklärte der Braunhaarige entschieden.

Schon zu einem Widerwort ansetzend, besann sich Shiko. Sie respektierte die Position der Nephilim und wollte ihren teils schlechten Ruf bei den Unterweltlern nicht noch befeuern. Widerwillig nickte sie also. Zumindest tat die schöne Zauberin so – denn irgendwo tief in ihr drinnen, freute sie sich über seinen Einsatz. Ein Gefühl, welches schnellstmöglich zum Schweigen gebracht werden musste, sobald diese Geschichte erledigt wäre …

Während die anderen weiteres besprachen, zog sich Shiko zurück, um sich schon mal die Barrieren des Instituts genauer anzusehen. Die Zauberformeln waren ein wahres Meisterstück im Schutz gegen Dämonen – allerdings nicht gegen Gefallene Engel … wie die meisten Schutzzauber. Es existierte kaum mehr als eine Handvoll von ihnen, welche die Jahrtausende überdauert hatten und die Hölle überhaupt verlassen konnten. Shiko hielt sich ihre Präsenz genau vor Augen. Neue magische Zeichen fügten sich in die bestehende Formel ein. Nachdem sie einige Schritte zurückgegangen war, schleuderte sie probehalber einen kleinen Feuerball darauf – der wie erhofft verpuffte und das Verteidigungssystem in Alarmbereitschaft versetzte.

„Eure Kräfte sind wirklich unglaublich … Shiko.“, lobte Ohtah ihre Arbeit mit einer deutlichen Verneigung, „Ich wollte Euch Euer Quartier zeigen, wenn Ihr denn soweit seid.“

Anders als etwa in Amerika gab es hier keine Regeln oder Protokolle, welchen Unterweltlern den Aufenthalt verboten – im Gegenteil, selbst die Shadowhunters folgten der japanischen Etikette der Höflichkeit und Gastfreundschaft. So folgte Shiko ihm zum Wohntrakt und betrat das schlicht eingerichtete Zimmer.

„Frühstück gibt es von sechs bis neun Uhr und hinter der Tür dort ist Euer Badezimmer. Wenn … wenn noch irgendetwas sein sollte, mein Zimmer ist links am Ende des Ganges. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.“, erklärte er.

Anschließend ließ er sie allein. Die Hexenmeisterin setzte sich auf die niedrige Futonliege und sah aus dem Fenster. Egal, wie charmant oder gut aussehend er auch war – sie durfte keineswegs ihren Schwur vergessen! Ihr Herz würde für immer und ewig unter Verschluss bleiben …

Genauso wie Shiko über ihn nachgrübelte, ging sie Ohtah nicht aus dem Kopf – es war fast ein Wunder, dass er sein Zimmer nicht zerlegte. Die innere Unruhe übertrug sich durch ihr Band auch auf Klerus und daher klopfte dieser wenig später bei seinem Bruder an – wahrscheinlich gerade noch rechtzeitig.

„Was ist los mit dir? Hat dir Yosogawa-dono so den Kopf verdreht?“, begrüßte der Jüngere ihn im Scherz, ohne zu ahnen, wie genau, er damit ins Schwarze getroffen hatte.

Leise grummelte der Dolchmeister: „Shiko …“

„Ihr Wunsch war, sie so anzusprechen, ja – aber ich muss sie nicht so nennen, wenn ich über sie rede.“, meinte Klerus und grinste, „Aber so wie du ihren Namen sagst, geht es wirklich um sie.“

Ohtah ließ sich auf das Bett fallen, starrte an die Decke und antwortete dann: „Na schön, du hast gewonnen. Ja … es erscheint mir, als würde ich sie schon mein ganzes Leben lang kennen und … na ja, es ist ein bisschen wie mit dir, meinem Parabatai – als wäre ich mit ihr vollständig.“

„Bei den Engeln – dich hat es ja wirklich schlimm erwischt!“, rief der Blonde verwundert aus.

Der Shadowhunter war nie jemand gewesen, der seine Gefühlen in die Welt hinaus trug – gerade deshalb verstand er sich ja nicht recht mit Seiketsu. Manche ihrer Kollegen hatten hinter seinem Rücken behauptet, Ohtah hätte überhaupt kein Herz … Klerus wusste es natürlich besser – sein älterer Bruder glaubte an den Kampf und dass Konzentration beziehungsweise Ablenkung den Unterschied zwischen leben oder sterben ausmachten. Und dennoch war es nicht zu übersehen gewesen, wie gefesselt er auf dem Berg Ontake von ihr gewesen war …

„Wirst du es ihr sagen?“, fragte Klerus schließlich.

Genau diese Frage stellte sich Ohtah selbst bereits. Er wusste es nicht – Shiko war … anders. Es gab einen geheimen Grund, warum sie sich vor der Welt verschloss. Etwas lauerte wie unheimlicher Schatten, gar einem Damoklesschwert gleich über ihr. Und genau davon wollte er sie befreien!
 

Die Tage verflogen, während sich Ohtah und Shiko systematisch durch die Stadt arbeiteten – ohne Störung seines weiteren Höllenbotens. Immer wieder ließ der Shadowhunter ein Kompliment über sie fallen oder schenkte ihr beispielsweise eine Blume, die ihnen unterwegs begegnete. Ihre Fortbewegung via Motorrad machte ihre vergeblichen Versuche, sich ihm entziehen zu wollen, nur umso schwerer.

Als sie endlich am Rande von Kyoto angelangt waren, richtete Ohtah seinen Blick direkt auf Shiko und sprach: „>Ich fühle deine / Hitze in mir lodernd heiß, / doch Regen fällt.<“

Es war ein Haiku, ein japanisches Gedicht, welches die reale Schönheit eines Augenblicks einfangen sollte. Wieso nur konnte der Braunhaarige sie so gut verstehen? Wo die Zauberin sich doch solche Mühe gab, ihn von sich zu stoßen … In all den Jahrhunderten hatte es Männer gegeben, die ihr Avancen gemacht hatten – ohne ihr Herz auch nur ein Stück weit zu berühren. Der Nephilim war … anders. Etwas an ihm wirkte so vertraut …

Ein Brennen erfüllte ihre Augen, ruckartig wandte sich Shiko von ihm ab und sagte traurig: „Ich habe mir geschworen, mich niemals zu verlieben – nicht wie meine Mutter. Sie hat … meinen Vater so sehr verehrt und mir immer von ihm vorgeschwärmt. Als ich alt genug war, um zu begreifen, was ich bin … kam er zu uns. Meine Mutter stürzte mit Tränen der Freude in seine Arme und redete unaufhörlich davon, wie großartige ich doch sei … dass sie ihm ein weiteres Kind schenken würde. Da hat er ihr das Genick gebrochen – es ging so schnell, dass sie mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben ist. Er wollte mich mit sich nehmen, aber mit Hilfe meiner Magie konnte ich fliehen … Seitdem verstecke ich mich vor ihm. Shiro-sama … so hat meine Mutter ihn genannt … Und mich Shiko-chan, seine Tochter … die Tochter des leibhaftigen Todes. Verstehst du das, Ohtah?“

Ehe sein Verstand restlos begriffen hatte, wen sie meinte, brachen zwei schwarz gefiederte Engelsflügel aus ihrem Rücken – ihr Hexenmeisterzeichen. Nun war es offensichtlich … es gab nur ein einziges Wesen in allen sieben Hölle, welches ihr diese Schwingen hätte vererben können.

Sie drehte den Kopf zur Seite, um seine Reaktion zu sehen und bestätigte seinen Verdacht: „Ja, richtig … Satan höchstpersönlich ist mein Vater. Deshalb kann … darf ich keine Gefühle für dich empfinden!“

„Und du glaubst, das würde irgendetwas an meiner Liebe zu dir ändern?“, widersprach Ohtah ihr energisch.

Nun war es an der Rothaarigen ihn verwirrt anzusehen. Wie nur konnte er so etwas sagen? Ihr Vater, Luzifer war einst Gottes liebste Schöpfung gewesen … sein Morgenstern. Bis er Adam, den ersten Menschen erschaffen hatte und von ihm verlangte, diesem zu dienen. Daraufhin war Streit zwischen Gott und Luzifer ausgebrochen, der sich dem Befehl verweigert hatte. Das Himmelsreich spaltete sich in zwei Lager auf – ein furchtbarer Krieg brach aus. Zuletzt gelang es dem Erzengel Michael seinen älteren Bruder mit dem Schwert Glorius zu besiegen. Der Cherub und seine Anhänger stürzten in die Hölle hinab. Unzählige starben dabei – gerade einmal fünf weitere einstige Himmelsboten überlebten und büßten dafür ihr engelhaftes Erscheinungsbild ein. Einzig die beiden Flügelpaare Luzifer´s zeichneten ihn mit ihrer schwarz verkohlten Farbe als höchsten unter ihnen aus. Er wurde zu Satan, dem Herrscher über die Hölle, Vater aller Dämonen und Gegenspieler Gottes …

„Shiko, ich liebe dich – ganz egal, wessen Kind du bist. Du spürst es doch auch, das weiß ich … wir sind mit einander verbunden, wir gehören zusammen!“, beharrte der Shadowhunter und trat dichter an sie heran.

Ein Zittern durchlief ihren Körper, als er sanft ihr Kinn anhob und ihren Mund mit seinen Lippen berührte. Die finsteren Insignien sackten in sich zusammen – Shiko´s Widerstand war gebrochen und sie erwiderte seinen Kuss.
 

Es lag nicht allein an Ohtah, dass Shiko trotz beendeter Mission weiterhin in Kyoto verweilte – zu sehr fürchtete sie sich davor, die Invasion könnte doch beginnen, ohne dass sie rechtzeitig vor Ort wäre … So durfte die Hexenmeisterin noch etwas länger im Institut verweilen, dessen Bewohner allerdings nicht wussten, was zwischen ihr und dem Braunhaarigen geschehen war – selbst Klerus gegenüber ließ er nur eine wage Ahnung zu. Daher übernachtete Shiko beispielsweise weiterhin in ihrem Gästezimmer. Allerdings beschlich sie in dieser Nacht ein Traum der anderen Art …

Das schwarze Obsidian unter ihren Füßen schimmerte bedrohlich, als könnte jeden Moment erneut Lava daraus hervorbrechen. Shiko lächelte hämisch. Es war unglaublich, wie dieser Ort ihre Macht speiste – die stete Präsenz des Feuers um sie herum erfüllte all ihre Zellen. Am liebsten hätte sie laut aufgelacht.

„Gefällt dir dein neues Zuhause, meine Prinzessin?“, wollte eine Stimme aus Richtung des steinernen Throns wissen.

Die Zauberin wandte sich dem Mann zu, der dort saß und jeden ihrer Schritte genau verfolgte: „Natürlich. Es ist unglaublich – hätte ich doch nur schon viel früher auf dich gehört! Danke … Vater.“

Der Gefallene Engel winkte sie zu sich, während er sie beinahe scherzhaft ermahnte: „Aber, aber, Liebste, wie sollst du mich denn ansprechen? Schließlich wirst du bald meine Frau … und damit die Königin der sieben Höllendimensionen sein!“

Shiko erwachte mit einem schrillen Schrei. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, klebte an ihrem Rücken. Ihr Atem ging keuchend und ihr Herz raste. Nein, nein und nochmals nein – so etwas würde sie niemals wollen, nicht einmal ansatzweise! Wobei ganz stimmte das nicht … einen echten Vater hatte sie sich unzählige Male gewünscht und natürlich sehnte sie sich nach Liebe …

Die Tür wurde aufgerissen – vor ihr Stand ein ebenso atemloser Ohtah mit gezückten Seraph-Dolchen. Klirrend fielen die Waffen zu Boden. Bevor sie sich wehren konnte, hatte er Shiko bereits in seine Arme geschlossen, hielt sie fest. Es war neu für die schöne Rothaarige, dass ihr jemand zur Seite stand … Langsam beruhigten sich ihre angespannten Nerven. Und sie wurde sich schlagartig bewusst, wie nah der Shadowhunter ihr war. Sofort machte sie sich von ihm los, was er wortlos geschehen ließ. Nur seine Augen ruhten weiterhin auf ihr.

„Ein harmloser Alptraum – kein Grund zur Aufregung.“, spielte Shiko die Sache herunter, „Du kannst ruhig wieder schlafen gehen.“

Nachdem er seine Klingen aufgehoben hatte, verweilte er nur kurz im Türrahmen und sagte, ohne sich dabei umzudrehen: „Wir haben alle unsere Dämonen …“

„Warte, Ohtah!“, hielt Shiko ihn auf, bevor der Nephilim die Schiebetür geschlossen hatte, woraufhin sie einen verwunderten Ausdruck kassierte, „Ich … Danke.“

Ohtah grinste schief und nickte. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück. Shiko lauschte auf seine Schritte. Ein Teil von ihr hatte sich gewünscht, er würde bei ihr bleiben … aber die Bitte war ihr einfach nicht über die Lippen gekommen. Erschöpft sank sie wieder auf die Matratze und starrte an die Decke. Zeit … für sie hatte die Zeit kaum eine Rolle gespielt – sie war unsterblich; ebenso ihr Vater … War dies der Grund, warum noch nichts weiter geschehen war? Ohtah dagegen besaß selbst als Shadowhunter nur ein sterbliches Leben … dennoch drängte er sie nicht.
 

Mit den weiteren Wochen, die ins Land zogen, übernahm Shiko weitere Aufträge für das Institut – allerdings zog sie doch noch in ein Hotel um. Es gehörte sich nicht, höfliche Gastfreundlichkeit länger als notwendig zu strapazieren. Allerdings kam es das ein ums andere Mal vor, dass Ohtah ihr auch Gesellschaft leistete – jedenfalls wenn er nicht gerade auf Patrouille musste, wie etwa in der heutigen Nacht. Shiko lag derweil wach und dachte nach. Langsam wurde dies schon zur Gewohnheit … Der Shadowhunter hatte gewartet, bis die nächste Annäherung von ihr ausging. Der Kuss bestätigte ihre beider Gefühle … Irgendwie war es ihm tatsächlich gelungen, sich in ihr Herz zu schleichen – mit ihm fühlte sich die Hexenmeisterin nicht länger »verdorben«, sondern als hätte sie wahrhaft eine Berechtigung auf dieser Welt zu leben.

Gerade, da sie die Augen schließen wollte, erschien wie aus dem Nichts eine Feuernachricht, auf der stand nur ein einziges Wort: „Notfall!“

Klerus´ Handschrift war beinahe nicht auszumachen – ein Experte hätte sie wohl auf einen Schockzustand hin gedeutet, ebenso Shiko. Via Magie wechselte sie ihre Kleidung und sprang regelrecht durch das Portal. Einer der Wachen brachte sie zur Krankenstation. Dort lag auf einer sterilen Liege und an mehrere Maschinen angeschlossen Ohtah.

Seiketsu hielt seine Hand und schluchzte: „Wa-Was ist mit ihm? Klerus-kun?“

Der Blonde schüttelte den Kopf: „Es ist, als wäre er … unendlich weit weg.“

„Weil es so ist …“, meinte Shiko, woraufhin sich die beiden Nephilim zu ihr umdrehten, „Er … Ein Dämon hat seine Seele gestohlen.“

Sie hatte es gewusst, kaum da sie ihn erblickt hatte. Doch mehr noch spürte die Rothaarige, dass vor ihnen nur ein seelenloser Leib lag.

„A-aber wie? Ich meine, die Runen sollten uns doch vor so etwas bewahren!“, meinte die Shadowhunter den Tränen nah, „Und wie verdammt nochmal bekommen wir ihn zurück?“

Shiko kannte die Antwort, jedoch kam sie ihr nicht über die Lippen. Sie war wahrlich verflucht – hätte sie sich nur an ihren Schwur und von Ohtah fern gehalten! Dies war nicht das Werk eines gewöhnlichen Dämonen … Zwar vergnügten sich die Höllenwesen auf vielerlei Arten mit den Seelen der Verdammten – eine solche Entführung rührte meist von der Absicht einer Erpressung.

„Wann hat ein Plan jemals reibungslos funktioniert? Einfach immer bricht Chaos aus! Ohtah-nii … Wir können sein Leben nicht riskieren – was auch immer wir unternehmen, es muss einfach funktionieren!“, rief der Parabatai aus, was Shiko auf ihren Gedanken riss.

Ihr Vater hatte seinen Zug gemacht … nun lag es an ihr. Weder Klerus noch Seiketsu könnten ihm etwas bieten. Nach einem letzten Blick auf Ohtah verließ Shiko den Raum. Im Institut konnte sie ihr Vorhaben nicht durchführen – jeder einzelne Raum wurde per Videoaufzeichnung überwacht und dem Hotel wollte sie diese Umstände ebenfalls nicht zumuten, also kehrte die Zauberin stattdessen in die Berge zu ihrem Haus zurück. Während sie einen Teil ihrer Kräfte nutzte, um einige Gegenstände zu packen, streute sie mit Asche ein Pentagramm auf den Boden. Anschließend schrieb sie mit Kreide Symbole für die vier Elemente in je einen Zacken des Sterns … zuletzt noch jenes für dunkle Energie. Luzifer wäre bei einer solchen nicht selbst in Aktion getreten – für solche Angelegenheiten hatte er seine rechte Hand. Ihr war ja früher bereits der Gedanke gekommen, Luzifer könne ihn damit beauftragen. Ein Fingerschnippen aktivierte die magische Formel, setzte sie in Brand. Es dauerte, bis eine finstere Silhouette in den Flammen erschien.

„Man lässt eine Dame nicht warten – habt ihr wirklich alle keinen Anstand?“, begrüßte sie ihn schnippisch, während er dich weiter manifestierte, „Sag´ mir, was du willst, Rien. Sollst du mich zu ihm bringen?“

Ein hämisches Lachen kam von dem hochgewachsen Mann mit den vollkommen schwarzen Augen: „Ach, Prinzesschen, ich kann nicht mehr sagen, wie lange es bereits her ist, da er sich deine Gesellschaft gewünscht hätte – inzwischen will er nur noch deine Macht! Und bei den schönen Augen, die du diesem mickrigen Nephilim gemacht hast, wirst du mir sicher deine schnuckeligen Flügelchen freiwillig übergeben, nicht wahr?“

Ihre Magie in seinen Händen könnte die Welt ins Verderben stürzen … Unschuldige würden sterben, die Qualen der Verdammnis zu spüren bekommen … und es wäre allein ihre Schuld – schon wieder. Sie hätte nie geglaubt, dass der grenzenlose Egoismus der Menschen auch in ihr existierte – es war ihr vollkommen gleichgültig, solange Ohtah dadurch gerettet wäre!

„>Caritas omnia potest – Caritas omnia tolerant …< (Die Liebe vermag alles – die Liebe erträgt alles ...) Selbst, wenn es sich dabei um den Herrscher über alle sieben Höllen handelt!“, entgegnete Shiko und breitete ihre Schwingen aus.

Rien streckte die Hände nach ihnen aus, griff nach ihrer Macht. In einem Schmerzensschrei sank Shiko zu Boden – fast schien es, als hätte der Dämon ihr die Flügel ausgerissen, die sich in einer schwarzen Kugel bündelten. Augenblicklich erlosch die Beschwörungsformel.

„Nun … nun gib´ mir … seine Seele …“, hauchte sie schwach.

Er ging in die Hocke, um ihr Gesicht zu packen, und sagte: „Hätte dein Vater es mir nicht ausdrücklich verboten, dich zu betrügen oder … dass ich mich mit dir noch etwas vergnüge, würde ich den kleinen Nephilim ja gern noch eine Weile behalten … Es ist ziemlich amüsant, wie seine Seele versucht, auszubrechen. Sei es drum, muss ich mir eben ein neues Opfer suchen …“

Er ließ das genaue Pendant zu seiner Beute fallen in ihre Arme fallen. Dann verschwand er. Und damit Shiko´s Kräfte – sie war nun nichts anderes, als eine Mundi …

„Also dieses Drama ist selbst für eine uralte Hexenmeisterin etwas zu viel, findest du nicht?“, ertönte plötzlich eine Stimme, dessen Besitzer gerade durch ein Portal hereinspazierte.

Shiko brauchte einen Moment, bis sie die Laute herausbrachte: „A-Argo … was machst du … hier?“

„Ich konnte es kaum glauben, als deine Aura spurlos verpufft ist … Shiko-chan, Shiko-chan … Was hast du dir nur dabei gedacht? Ausgerechnet für einen Sterblichen … Ehrlich mal, ich verstehe bis heute nicht, warum du mich abgewiesen.“, philosophierte er vor sich hin und hob sie schließlich vom Boden hoch, „Sei es, wie es sei … dieses eine Mal will ich dir helfen. Von mir aus schreib´ es ruhig dem Aufgabenbereich des Hohen Hexenmeisters – selbst wenn du nicht mehr zu uns gehörst, wäre es als Mann von Ehre eine Schande, dich hier einfach liegen zu lassen.“

„Danke … Bitte, hilf´ ihm …“, antwortete die schöne Rothaarige, ehe sie vollends das Bewusstsein verlor.

Ein kleiner Wink änderte das Ziel des temporären Durchgangs. Argo seufzte tief. Hätte man ihm nach ihrer letzten Abfuhr hiervon berichtet, hätte er den Boten vermutlich in eine Schildkröte verwandelt. Doch als die mächtigste, magische Präsenz sich sozusagen in Luft aufgelöst hatte, konnte er nicht anders. Das war vermutlich das Problem mit de Unsterblichkeit – man lebte zwar ewig, war allerdings nicht gegen seine Gefühle gefeilt.
 

Schwärze erfüllte Shiko´s Gedanken. Alles an ihr fühlte sich taub und schwer an. Ob dies der Tod sein mochte? Vielleicht eine Art Vorstufe, während über die Seele entschieden wurde … Konnte beziehungsweise durfte ein ehemaliges halb dämonisches Wesen überhaupt den Himmel betreten oder blieb ihr nur die Hölle? Bis ans Ende aller Zeiten gequält von Rien´s Folter – verlockende Aussicht … Sollte es so sein, würde sie ihre Entscheidung dennoch nicht bereuen. Argo hatte sich sicher um ihn gekümmert … Eigentlich vollkommen irrational – der Hohe Hexenmeister und sie hatten durch die verschiedenen Jahrhunderte mehrere Liebschaften miteinander geführt; zumindest von ihr aus war es nie ernst gewesen … er wollte mehr und so hatte sie ihn vor über hundert Jahren endgültig abserviert. Seitdem gingen die beiden sich aus dem Weg, selbst was die Arbeit betraf. Wie merkwürdig, dass er ihr trotzdem zu Hilfe gekommen war …

„Er wird wieder zu sich kommen, hörst du? Deshalb musst du ebenfalls aufwachen, Shiko … Ich weiß, dass er dich braucht. Es tut mir so schrecklich leid, wie gemein ich zu dir gewesen bin … dabei wolltest du uns alle nur beschützen.“, sprach eine Stimme zu ihr, die sie zunächst nicht zuordnen konnte.

Doch die Erinnerung an die Geschehnisse weckten etwas in ihr. Die Rothaarige spürte, dass sie auf etwas weichem lag, auch ein dumpfes Licht konnte sie nun wahrnehmen sowie ein nervtötendes Piepen. Zaghaft bewegte sie ihre Finger, ehe sie versuchte ihre Augen zu öffnen. Als sich ihre Sicht geklärt hatte, schwebte das besorgte Gesicht von Seiketsu über ihr. Sie half ihr sich aufzurichten und hantierte kurz an den Maschinen.

„Wie geht es dir? Soll ich dir irgendwas bringen?“, wollte die Shadowhunter wissen.

Shiko kämpfte den Schwindel nieder, während sie antwortete: „Was … was ist mit … Ohtah?“

Ein Lächeln spielte um ihre Züge: „Argo-dono hat ihm seine Seele wieder eingesetzt – laut ihm wird er sich vollständig erholen.“

„Ich muss zu ihm …“, gab Shiko immer noch geschwächt von sich.

Seiketsu nickte und rief Klerus zu Hilfe, gemeinsam stützten beide sie beim Laufen. Shiko setzte sich an sein Bett, nahm seine Hand. Als hätte diese Berührung, ihm neues Leben eingehaucht, kam Ohtah ebenfalls wieder zu sich. Seinen Freunde kamen stumm die Tränen.

„Shiko … Klerus … selbst du, Seiketsu … Was ist passiert? Mein Kopf … Ws ist alles verschwommen.“, meinte der Braunhaarig mitgenommen.

In aller Ausführlichkeit berichtete ihm die einstige Zauberin von seiner Entführung, dem Preis seiner Rettung und Argo's Rolle in der ganzen Geschichte.

„Shiko, du … Aber deine Magie, deine Unsterblichkeit-“, rief er aus.

Aber sie schüttelte lächelnd den Kopf: „Das ist egal. Hier bei euch habe ich mein Zuhause gefunden. Ich habe so viele Zeitalter lang ohne Liebe gelebt … nichts wäre schmerzhafter, als dich zu verlieren. Ich will gar nichts anderes, als dieses eine Leben mit dir – ich liebe dich, Ohtah, von ganzem Herzen! Das ist das stärkste und das schönste Feuer, das es auf der Welt gibt …“

In diesem Moment fühlte Shiko nicht nur die Hitze des Kusses – Feuer flutete wieder durch ihre Adern. Keine Unsterblichkeit, keine richtige Magie … und sie würde niemals erfahren, dass es ausgerechnet Ihr Vater gewesen war, welcher ihr diesen ihrer Kräfte zurückgegeben hatte – schließlich wollte er ihren Schutz nicht nur einem einfachen Nephilim überlassen …
 

Selbst in einer Welt, in der alle Geschichten wahr sind, können Überlieferungen über die Jahrhunderte hinweg, verfälscht werden – zwar stimmte selbstverständlich, dass Luzifer und Gott im heftigen Streit auseinander gegangen waren und Michael seinen Bruder in die Hölle hinabgestoßen hatte … jedoch nur, um ihm die Möglichkeit einer unabhängigen Position zu gewähren. Luzifer, der sich im Himmel stets eingesperrt gefühlt hatte, konnte nun sogar auf Erden wandeln … Und selbst wenn er diese eine Menschenfrau nur benutzt hatte, so erwuchs in seinem sonst vielleicht kalten Herzen wahre Liebe zu seiner Tochter. Letztendlich ging er denselben Weg, wie sein eigener Vater – er verletzte sein Kind, um es glücklich zu machen.

Seine Tochter führte ebenso einen Kampf … nicht jenen gegen ihren Vater, nein, in ihrem Herz wütete ein Krieg. Ihre Gedanken wurden von Gefühlen beherrscht, die sie nicht wahrhaben wollte … weil sie die Dunkelheit ihrer Herkunft verabscheute. Doch all das ward im Grunde nichtig – sollte eines Tages trotzdem erneut der Moment kommen, da Shiko an sich zweifelte, würde sie daran zurückdenken, wie sie ihn beinahe verloren hätte … und was sie durch Ohtah, Seiketsu und Klerus gewonnen hatte – eine Familie!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein paar kleine Easter Eggs konnte ich mir natürlich nicht verkneifen - warum will Argo jemanden in eine Schildkröte verwandeln? Weil er in seinem ersten Leben zum Schildkröten-Clan der Luxon gehört! Komplett anzeigen

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