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Dunkler König

Wichtelgeschichte für ChocolateChip
von

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Mein Vater erzählte mir die Geschichte von dem Dunklen König, als ich noch ein kleines Kind war. Aber natürlich kannte ich den König schon vorher. Denn, ich meine, wer kennt nicht das manifestierte Böse, das seit mehreren Generationen unser sonst so friedfertiges Königreich Oliva von seiner dunklen Burgruine Sepultura aus bedroht?

Hach ja, Sepultura. Eine gewaltige Festung aus schwarzem Marmor im Zentrum einer längst verfallenen Stadt, in der noch immer die Schatten der verdorbenen Vergangenheit hausen.

Man jagte uns Kindern früher immer damit Angst ein, dass Boten des Dunklen Königs kommen und uns dorthin entführen würden, wenn wir nicht brav wären. Und, man kann es sich eigentlich denken, da der König immer wieder Horden seiner Kreaturen an die Landesgrenze schickte, um dem Volk Angst einzujagen, wirkte diese Erzählung natürlich sehr gut.

Doch trotz der Furcht vor dem Dunklen Herrscher, haben sich immer wieder kleine Gruppen von Helden zusammengefunden, die dem Bösen die Stirn bieten wollten.Ob sie Erfolg hatten? Sieh dich doch um. Noch immer bedroht der König unsere Ländereien. Was heißt das? Genau, keiner hatte ihn bisher je besiegen können.

Angeblich sei er sogar unsterblich. Denn, wie schon gesagt, er lebt schon seit vielen Generationen, Jahrhunderten.

Er ist das Böse. Der Schrecken der in den Schatten haust. Er wird eines Tages unser aller Nemesis sein. Er ist der Dunkle König.
 

Das Wasser in dem hölzernen Eimer war kalt und abgestanden. Ja, es roch auch so, als hätte man es einfach mehrere Monate lang in einem Fass vor sich hin modern lassen. Es schwappte bei der kleinsten Bewegung des Holzeimers hin und her und drohte somit, über den Rand zu fließen und damit die Robe seines Trägers zu benetzen.

Cosario wusste sehr gut um seine Aufgaben und Pflichten Bescheid. Auch um diese, die ihn die von nur wenigen Fackeln beleuchtete Treppe hinunter in den Kerker der Festung führten. Und er hatte es schon immer getan, ohne sich auch nur ein einziges Mal darüber zu beschweren. Warum auch? Irgendwer musste diese Arbeit schließlich erledigen.

Seine dunkle, purpurfarbene Robe war mit verschiedenen Stickereien aus Goldfäden verziert. Über den Schultern trug er ein nachtblaues Phelonion, das entfernt an einen Poncho erinnerte, auf das mit dunklerem Garn heilige Schriftzeichen gestickt wurden. Obwohl er seine weiße Maske trug, die bis auf zwei Sehschlitze keinerlei Merkmale besaß, konnte man seinen Bart erahnen, wenn man die Stoppeln auf seinen Wangen erblickte.

Die Treppe führte immer tiefer in das dunkle Gemäuer hinab. Da es hier nicht mal ein Fenster gab, sondern nur sehr wenige Belüftungsschächte, die bei einer Flaute den für sie erdachten Dienst nicht nachkommen konnten, wurde die Luft mit der Zeit unangenehm stickig und der Geruch von Verwesung und Darmentleerung konnte nicht richtig abziehen.

Das war so eine Sache, an die sich Cosario nach all den Jahren noch nicht so wirklich gewöhnt hatte. Zwar kam es ihm nach und nach immer weniger schlimm vor, doch nur der Gedanke an den Ursprung der Gerüche schnürte ihm die Kehle bereits zu.

Als er den Fuß der Treppe erreichte und den langen, schmalen Gang entlang ging, kam in ihm die Erinnerung an seinen ersten Marsch hier durch wieder hoch.

Damals war er keine zehn Jahre alt gewesen, als sein Vater ihn in die Pflichten der rechten Hand des Dunklen Königs eingewiesen hatte. Er erinnerte sich an die Schreie der Gefangenen, die versuchte hatten seinen Herrscher zu ermorden, um damit seinen Machenschaften ein Ende zu bereiten.

Cosario seufzte melancholisch und wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, wenn er nicht besser aufgepasst hätte. Das wäre besonders deswegen ärgerlich gewesen, da er die ganze Treppe noch einmal hochgehen und einen neuen Eimer voller abgestandene Wasser hätte holen müssen. Darauf hatte er nun wirklich keine Lust.

Als er eine massive Holztür erreichte, die einen kleinen vergitterten Durchlass auf Kopfhöhe besaß, damit man die Zelle auch von außen betrachten konnte, kramte er in seiner Tasche nach den dicken Bleischlüsseln, die bestimmt schon mehr Jahre als sein eigener Großvater auf dem Buckel hatten. Er schloss die schwere Tür auf und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, damit sie sich öffnete, aber immer darauf bedacht, dass er ja keinen einzigen Tropfen des Wassers verschüttete.

Nachdem er die Holztür erfolgreich geöffnet hatte, nahm er eine Fackel aus ihrer Halterung, die an der Wand angebracht worden war, und trat in dem Raum mit der Zelle.

Die Gitterstäbe, die Cosario von den Gefangenen trennten, waren dick wie ein Unterarm und bestanden aus massiven Blei. Mehrere schwere Ketten waren beinahe über den gesamten Boden des Raumes gespannt worden und fixierten somit die vier Helden; wie sie sich selbst wohl nannten;damit diese sich kaum noch rühren konnten.

"Aufstehen", flötete Cosario laut, ehe er den Holzeimer mit der stinkenden Brühe den Gefangenen über die Köpfe schüttete. "Die Sonne lacht bereits."

Zwei der Helden schraken wie erwartet auf, während einer seinen Kopf nur langsam, mit viel Gemurmel, erhob. Jedoch der vierte rührte sich nicht im Geringsten, was den Maskenträger kurz stutzig werden ließ.

Da der noch Bewusstlose an den Gitterstäben gelehnt lag, trat Cosario ihm einmal Kräftig gegen den Schädel. "Wach schon auf."

"Lass ihn!", rief die rothaarige Frau aus, der man die Strapazen ihrer Reise direkt ansah.

"Die Kammerzofe der Prinzessin, richtig?"

Ihr Name war Geneviève Arrebol und in ihren Aufgabenbereich fiel weitaus mehr, als nur dafür zu sorgen, dass die Prinzessin ein sauberes Gemach besaß und ordentlich angezogen war. In erster Linie war sie Leibwächter und eine Meisterin im Umgang mit dem Speer und Schwert. Für gewöhnlich trug sie einen Lederharnisch und dazu passendes Beinkleid und Handschuhe, doch diese waren durch ein paar schmutzige Lumpen ersetzt worden.

An ihre Ketten gefesselt, saß ein junger Mann und blickte Cosario mit seinen glasigen blauen Augen finster an. AlberichClaror hieß er und hatte seinen zwanzigsten Geburtstag noch vor sich gehabt. Er hatte sich scheinbar länger nicht mehr rasieren können, denn sein noch jugendlicher Flaum spross wie wildes Gras in alle Richtungen und war auch, vermutlich von dem Blut, das er während der Kampfes gespuckt hatte, und dem Dreck hier unten, völlig verschmutzt gewesen.

Geneviève zerrte an ihren Fesseln und ließ die Kettenglieder somit laut rasseln. "Ihr verdammten Monster! Ich bringe euch alle eigenhändig um!" Der Zorn stand ihr ins Gesicht geschrieben und sie hätte sich bestimmt auch selbst die Hände abgerissen, um somit frei zu kommen, wenn sie noch die Kraft dazu gehabt hätte.

"Aber, meine werte Dame." Cosario ging langsam vor ihr in die Hocke und blickte sie durch seine Maske an. "Eine schöne Frau wie Ihr sollte sich nun wirklich nicht in der Weltgeschichte rumtreiben und Jagd auf böse Monster machen", sagte er forsch und machte dabei mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. "Wie alt seid Ihr? Ende zwanzig? Ich war bereits acht Jahre alt, als meine Mutter in Eurem Alter war."

Alberichs jugendlicher Mut nahm überhand und er setzte ein freches Grinsen auf. "Ich wusste gar nicht, dass es unter Monstern auch Huren gibt."

Der maskierte Mann fackelte nicht lange, griff zwischen die Gitterstangen, packte den Burschen am Schopf und zog mit aller Kraft, so dass dessen Kopf gegen die Bleistäbe krachte. "Hüte deine Zunge, wenn du sie behalten willst", zischte Cosario wütend und ließ erst los, nachdem er noch einmal kräftig gezogen hatte.

"Warum?" Die heisere Stimme des Mannes; der vom Alter her durchaus Genevièves Vater hätte sein können; erklang, während er sich langsam aufrappelte. "Warum tut ihr solche Abscheulichkeiten?" Er lag zu weit hinten, als dass Cosario ihn hätte greifen können, wie den Jungen eben.

In der Tür erschien ein massiger Schatten und mit schweren Schritten trat die schwarze Gestalt ein. "So wie ihr alle euch auf die Reise gemacht habt, um mich zum Fall zu bringen, so tun wir nur unsere Pflicht."

Die drei Helden, die noch bei Bewusstsein waren, erstarrten förmlich vor Angst, als der Dunkle König den Zellenraum betrat.

"Du bist...", Geneviève schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. "Ihr seid der Dunkle König?" Bis eben noch war sie voller Tatendrang gewesen. Doch nun, im Angesicht des manifestierten Schreckens, brach ihr kalter Schweiß aus und sie merkte wie die Furcht in ihr aufkeimte.

Jourdain Polvo, so hieß der alte Mann, hatte auf seinen vielen Reisen schon vieles gesehen und noch schrecklicheres erlebt. Doch das alles war Nichts im Vergleich zu dem finsteren Herrscher gewesen, der nun nur wenige Schritte vor ihm stand.

Der König trug einen mit zwei riesigen Bullenhörnern gekrönten Helm auf dem Kopf und in der winzigen Öffnung, durch die man normalerweise das Gesicht des Trägers hätte sehen können, war nichts als wabernde Dunkelheit. Seine Schulterplatten stellten links und rechts je ein menschliches Gesicht dar. Das eine war eine weinende oder wohl doch eher leidende Frau, während das andere eine von Hass und Zorn verzerrte Visage darstellte. Brustpanzer, Handschuhe und Beinschienen bestanden aus dunklem Stahl und waren von silbernen Gravuren verziert worden, während sein nachtschwarzer Umhang jegliches Licht, dass auf seinen Körper strahlte, zu verschlucken schien.

"Cosario", sprach der König langsam, im vertrauten Tonfall. "Wie ich sehe, hast du unsere Gäste aufgeweckt."

Der maskierte Mann nickte schwach. "Na ja, drei von vier, wenn man es so sagen möchte. Der hier scheint es hinter sich zu haben." Er stupste durch die Gitterstangen den leblosen Körper des Mannes an und stand dann langsam wieder auf, als dieser sich noch immer nicht rührte.

"Irrelevant." Der Herrscher griff nach den Ketten auf der Brusthöhe von Geneviève und riss die Frau in die Höhe. Dass dabei Alberich beinahe der Arm gebrochen wurde, da dieser noch immer an die rothaarige Frau gekettet war, störte ihn nur wenig. Er führte sein Gesicht langsam an das ihre heran und die Schatten in seinem Helm versuchten bereits mit dünnen Fäden nach ihr zu greifen.

"Bitte", zitterte sie mit gebrochener Stimme, während sie die Kontrolle über ihre Blase verlor und sich somit selbst benetzte. "Was willst du?"

Der König lachte ein wenig verbittert, da er Geneviève kannte. Er wusste von ihrem Mut und ihrer Kraft im Kampf. Sie, eine so starke Persönlichkeit, in so einem Zustand zu sehen, ließ ihn beinahe etwas wie Mitleid spüren - aber nur beinahe. "Was ist das hier, wenn ich fragen darf? Es wurde bei deinen Sachen gefunden." Er holte mit der freien Hand eine handgefertigte Puppe hervor und hielt sie der Frau unter die Nase.

"Das... das ist ein Geschenk..."

"Lass mich dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen", drohte er und näherte sich ihr ein wenig mehr.

Geneviève spürte nun, wie die kalten Schattenfäden ihre Haut berührten und sie wie neugierige Kinderhände langsam abtasteten. "Für Prinzessin Gracia. Ich habe ihr versprochen, ihr ein Geschenk mitzubringen, nachdem wir..."

"Nachdem wir dich getötet haben!", beendete Alberich ihren Satz. Zähneknirschend blickte er den König an und versuchte dabei sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen.

Cosario griff unter seinen Phelonion und holte ein Stück Pergament aus einer Innentasche hervor. "Claror, Alberich." Er blickte den jungen Mann an. "Vater: Claror, Laurent ist verstorben. Mutter: Claror, Henriette arbeitet in den Gassen als eine Hure. Geschwister: Claror, Wael, älterer Bruder, wird vermisst."

Der Dunkle König ließ die Kette los und die rothaarige Frau fiel unsanft auf den Kerkerboden. "Wael? Der Name sagt mir was."

Alberich stieß mit dem Kopf gegen die Bleistäbe. "Das sollte er auch! Er sollte dich vor fünf Jahren umbringen!"

"Ach, wirklich?"

"Und du hast ihn umgebracht!"

Langsam wandte sich der finstere Herrscher von den Gefangenen ab. "Bursche, ich kann mir nicht jeden merken, der mich in den letzten hundert Jahren umbringen wollte. Sei froh, dass ich mir diesen Namen überhaupt gemerkt habe."

"Du elender-!" Doch bevor Alberich enden konnte, schlug Cosario ihm kräftig ins Gesicht, so dass dessen Nase geräuschvoll brach. Benommen von dem Treffer stützte er den Kopf an den Gitterstäben ab und sah dabei zu, wie das Blut aus seiner Nase tropfte.

"Sieh sie dir nur an." Der Dunkle König drehte seinen gehörnten Helm noch einmal zu der Zelle und deren Insassen um. "Einer ist von Anfang an tot. Der andere ein alter Mann, der die Sprache verloren hat. Der dritte Kerl hat bestimmt noch nicht einmal die Freuden mit einer Frau erfahren. Und das einzige Weib unter ihnen hat sich bereits aufgegeben."

Der maskierte Mann nickte und trat neben seinen Fürsten. "In der Tat. Lachhaft."

In seinen Händen hielt der König noch immer die von Geneviève angefertigte Puppe und hielt sie hoch, um sie im dämmrigen Licht der Fackel besser betrachten zu können. "Weißt du was, ich habe eine Idee."

"Die da wäre, Euer Hoheit?"

"Es wäre doch wirklich traurig, wenn die kleine Prinzessin nie ihr Püppchen bekommen würde, nicht wahr?"

Cosario lachte sich ins Fäustchen. Das war immer der Moment gewesen, den er an seiner Arbeit am aller meisten liebte, auch wenn er es wohl nie offen zugab: der Tritt auf einem am Boden liegenden Gegner.

"Lass uns zu der kleinen Gracia gehen und ihr dieses wundervolle Geschenk überreichen."

"Nein!" Geneviève war hellhörig geworden und presste sich an die Bleistangen. "Ich flehe Euch an, bitte lasst die Prinzessin aus dem Spiel!"

Der König gluckste und spielte mit der Puppe in seinen Händen. "Ich werde zu ihr gehen und sie in den Arm nehmen."

"Hör auf!"

"Dann werde ich sie zu Bett bringen, eine schöne Geschichte vorlesen und zum Schluss einen Gutenachtkuss auf die Stirn geben."

Die rothaarige Frau brach in Tränen aus. Verzweifelt zerrte sie an den Fesseln, bis ihre Handgelenke wund wurden. "Du Monster! Ich... Ich werde...", sie gab auf und brach zusammen. Selbst wenn sie frei kommen würde, sie hatte weder die Kraft, noch die Ausrüstung, um es mit dem Dunklen König aufnehmen zu können.

"Komm, wir haben noch viel zu tun", endete er schlussendlich und trat mit gepanzerten Schritten aus dem Kerker heraus.

Cosario drehte sich noch einmal um, ehe er den Gefangenen ein letztes Lächeln schenkte, was diese aufgrund der Maske natürlich nicht sehen konnten. "Genießt euren Aufenthalt." Er schnippte mit den Fingern und die hintere Zellenwand tat sich langsam auf.

Tiefes Knurren und schabende Geräusche auf dem steinernen Boden drangen aus dem dunklen Spalt. Schemenhafte Gestalten näherten sich langsam und die Gier nach Fraß spiegelte sich in ihren roten Augen wieder.

"Auch wenn ihr nicht lange bleiben werdet", endete er dann und zog mit aller Körperkraft die massive Holztür zu. Als er den Schlüssel zum letzten Mal umdrehte, war das Geschrei bereits verstummt und schmatzenden Lauten und wildem Zanken gewichen.

Der Weg die Treppe hinauf war merkwürdigerweise nie so anstrengend, wie der hinunter gewesen. Dabei sollte es doch eigentlich immer umgedreht sein, oder nicht?

Cosario löschte jede Fackel, an der er vorbei ging, und sammelte die Holzscheite in dem Eimer ein, um sie mit rauf zu nehmen. Auf dem obersten Treppensatz fiel Licht durch die halb offene Tür und leuchtete ihm somit den restlichen Weg. Als er die die hölzerne Tür schloss, die mindestens genauso viel wog wie die der Zelle, hatte der Dunkle König bereits seine Handschuhe ausgezogen.

"Ihr habt Euch heute sehr kurz gehalten." Cosario trat an seinen Fürsten heran und nahm ihm den nachtschwarzen Umhang von den Schultern. "Das sieht Euch nicht ähnlich."

Der König seufzte und zog sich den Helm vom Kopf. Er strich sich mit der Hand durch den dichten rotbraunen Bart und drehte sich zu dem maskierten Mann um. "Ich weiß. Es ist nur", er brach ab und in seinen grünen Augen spiegelte sich Trauer wieder.

Cosario nahm die weiße Maske ab, ehe er sein Phelonion über den Kopf auszog. "Geneviève war eine gute Frau." Er strich sich die fingerlangen Haare aus dem Gesicht und legte beides beiseite.

"Das war sie wirklich. Aber was soll ich nur Gracia erzählen?" Er setzte sich auf eine schwereTruhe mit Goldornamenten und besah sich noch einmal die Puppe. "Die beiden waren wie Schwestern."

"Es war ihr gutes Recht gewesen sich freiwillig zu melden, um den Dunklen König zu töten."

Langsam nickte er nicht mehr ganz so finster wirkende Herrscher und zog nach und nach den Rest seiner Rüstung aus.

Cosario legte die die gesamte Ausrüstung seines Königs in die drei massiven Holztruhen zurück. Er reichte ihm eine Schale mit Wasser und einem Stück Stoff, mit dem er sich den Schweiß abwaschen konnte.

"Ich habe eine Bitte an dich, alter Freund." Der König wischte sich mit dem feuchten Lappen über die Stirn und den Nacken entlang. "Warte noch ein oder zwei Monate länger, bis du die Nachricht über das Ableben unserer vier Helden in die Welt setzt."

"Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit."Cosario nahm eine Schale, die mit Rosenwasser gefüllt war, von dem runden Tisch und benetzte dann mit einem feuchten Tuch den Körper seines Königs, um somit den Gestank des Kerkers ein wenig zu übertünchen.

Nachdem sie ihre Alltagskleidung angelegt hatten; einen Königsmantel für den Fürsten und eine wallende Robe für seinen Adjutanten; betätigte er einen geheimen Mechanismus in der solide aussehenden Steinwand, in dem er gezielt gegen zwei bestimmte Ziegel drückte.

Fast geräuschlos glitt die Mauer auseinander und führte in einen etwas größeren Raum, der sich jedoch nicht viel von dem vorhergehenden unterschied. Auch hier standen mehrere schwere Truhen, in denen aber Gold, Schmuck, Edelsteine und andere wertvolle Stoffe gelagert wurden.

Dies hatte den Zweck, dass, wenn jemand diesen versteckten Raum jemals finden sollte, wohl kaum auf die Idee kommen würde, dass es dahinter noch ein weiteres Zimmer gab. Eines mit einer Treppe, die zu einem finsteren Geheimnis führen würde.

Durch einen Druck auf den Schalter, der hinter einem riesigen Gemälde, das das Schloss von Oliva in all seiner Pracht während der Dämmerung zeigte, versteckt lag, glitt auch die Wand zu der verborgenen Schatzkammer zu.

Während sie nebeneinander hergingen und die ab und an vorbeilaufenden Bediensteten sich zum Gruß kurz verbeugten, während Wachen militärisch salutierten, ergriff Cosario das Wort. "Wollt Ihr einen Moment alleine sein?", flüsterte er, so dass es niemand anderes als der König hören konnte.

"Nein. Es ist wie es ist. Den Toten nachzutrauern hät-"

"Papa!" Eine Mädchenstimme unterbrach den Herrscher und das Kind warf sich seinem Vater an das Bein. "Papa! Papa!"

Der König beugte sich langsam herunter und nahm seine sechsjährige Tochter auf den Arm. Noch würde er sie tragen können, aber wenn sie erstmal größer werden würde und er älter, dann wäre dies sicher nicht mehr so leicht wie in diesem Moment. "Aber, Gracia, du sollst doch nicht so herumbrüllen." Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange und lächelte mild.

"Au! Papa, dein Bart piekst!"

"Entschuldige bitte, Liebes." Er strich ihr sanft über durch das Haar und legte den Kopf spielerisch schief. "Also? Was kann dein Papa für dich tun?"

"Mama hat nach dir gesucht", flötete Gracia und drehte sah sich nach links und rechts um. Erst als Cosario sich hustend abwandte, damit sie den Eindruck hatte, er könne sich nicht hören, fuhr sie fort. "Hast du schon etwas von Geneviève gehört?", nuschelte sie ihm ins Ohr.

"Nein, noch nicht." Er setzte sie wieder vorsichtig auf den Teppich ab, der auf dem sonst so kalten Steinboden ausgelegt war, und drückte ihr einen weiteren Kuss auf die Stirn. "Aber ich bin mir sicher, dass es bald was neues zu hören gibt."

"Wirklich?"

"Wirklich." Das war etwas, das ihn mehr Schmerzen im Herz verursachte als alles andere - seine geliebte Tochter mitten ins Gesicht zu lügen und ihr somit noch falsche Hoffnungen zu machen. Er wusste, dass er der Tag kommen würde, an dem das Versagen der Heldengruppe bekannt werden würde. An diesem Tag - und gewiss noch an vielen weiteren - würde er sie weinen sehen. Er hasste sich dafür.

Gracia schien etwas Interessantes gefunden zu haben und zog es aus der Manteltasche ihres Vaters heraus. "Was ist das?" Sie hielt die von Geneviève angefertigte Puppe in den Händen und betrachtete sie mit strahlenden Kinderaugen.

"Das?" Der König blickte kurz zu Cosario und suchte Beistand.

Dieser trat neben die Prinzessin und lächelte väterlich. "Ein Zimmermädchen hat sie beim Aufräumen von Arrebols Gemächern gefunden."

"Geneviève?", fragte Gracia hoffnungsvoll.

Cosario nickte bestätigend. "Genau. Sie wollte sie Euch wohl noch vor ihrer Abreise geben. Scheinbar hatte sie es wohl in der Eile vergessen."

Das dunkelblonde Mädchen drückte dass Püppchen fest an sich, beinahe so, als würde sie sie nie wieder loslassen wollen. "Danke."

Der König ging vor seiner Tochter in die Hocke und umarmte sie. "Weißt du was? Heute Abend wird dir nicht Nadine eine Gutenachtgeschichte vorlesen, sondern ich werde es tun."

"Wirklich?"

"Wirklich." Er drückte sein Gesicht an das ihre und musste gegen die Tränen ankämpfen, die in ihm hochstiegen.

"Papa! Dein Bart!"

Lachend stand der Herrscher wieder auf. "Na, los. Geh und spiel mit deiner neuen Freundin." Er wandte sich zu Cosario um und klopfte ihm auf die Schulter. "Würdest du Gracia bitte in den Rosengarten bringen? Ich muss vorher noch zu Reina. Ich möchte sie in ihrem Zustand nicht unnötig Stress aussetzen."

Lange musste der König nicht nach seiner Ehefrau suchen, denn sie erwartete ihn in ihren Gemächern. Ein paar Bedienstete halfen ihr gerade in ein großes weißes Gewand, als er durch die Tür schritt.

"Deber, mein Geliebter", Barfuß trat die Königin an ihren Gemahl heran und zog seinen Kopf zu sich, um ihn auf die Lippen küssen zu können. "Ich habe nach dir suchen lassen. Wo warst du nur?"

Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, strich mit seiner Hand durch ihr langes aschblondes Haar und wickelte spielerisch eine Strähne um seinen Finger. "Es tut mir wirklich sehr leid, Liebes. Cosario und ich hatten wichtige Dinge zu besprechen."

Reina seufzte missmutig und blickte ihren Gatten in die Augen. "Ich weiß, dass dich Gracia heute bestimmt schon gefragt hat, aber gibt es Neuigkeiten von Geneviève?"

"Nein, es gibt leider nichts zu berichten", log er sie an.
 

Mein Vater erzählte mir die Geschichte von dem Dunklen König, als ich noch ein kleines Kind war. Er erzählte mir aber andere Dinge, als die in den ganzen Erzählungen, die die Bediensteten und das Bauernvolk verbreiteten. Es waren keine Horrorgeschichten, mit denen man mir Angst einjagen wollte. Nein. Es war die Wahrheit. Der Dunkle König wurde gebraucht, damit die Bevölkerung von Oliva in Frieden leben konnte.
 

Deber half seiner Ehefrau in ein paar weiche Pantoffeln aus Seide und führte sie mit ruhigen Schritten aus dem Gemach und die Treppe hinunter. Er wollte sie zum großen Balkon bringen, unter dem sich der wunderschöne Rosengarten erstreckte, in dem sie so gerne ihre Zeit verbrachte.
 

Ja, ich kann mir durchaus denken, was dir gerade durch Kopf geht. Es ist ironisch und klingt absurd. Aber denk doch mal bitte nach. Ein Volk, das in reinem Wohlstand lebt und auch wirklich nichts zu befürchten hat, verlangt irgendwann nach mehr. Sie wollen mehr Geld für sich haben und weniger Steuern bezahlen müssen. Sie verlangen sofortige Hilfe bei jedem noch so unwichtigen Belangen.

Doch das geht nicht! Nein. Woher soll die Königsfamilie auch das Geld für mehr Wachen, neue Häuser und Straßen nehmen, wenn niemand mehr Steuern zahlen will?

Verstehst du langsam, auf was ich hier versuche dir zu erklären?
 

Gracia saß auf einer ausgebreiteten, bunten Decke im Schatten des weißen Marmor-Pavillon und stellte ihre neuste Freundin gerade den anderen Stoffpuppen vor.

Unweit neben ihr hatte es sich Cosario auf einem Hocker bequem gemacht und durchblätterte verschiedene Unterlagen. Ab und an tauchte er seine Schreibfeder in das gefüllte Tintenglas und schrieb sich diverse Notizen auf. Er sah dabei immer so ruhig aus, als würde diese lästige Arbeit ihn sogar entspannen.
 

Der Dunkle König vereint die Bevölkerung von Oliva schon seit Jahrhunderten unter der Krone. Er scheucht sie zusammen wie Hirtenhunde die Schafe und sichert somit die Herrschaft der Königsfamilie.

Auch wenn sein Terror schon mehrere Generationen andauert, unsterblich ist er gewiss nicht. Sein Leben wirkt nicht länger als das deine oder das meinige. Er ist kein Teufel, kein Monster oder gar gefallener Gott. Er ist ein Mensch. Ein Ehemann und Vater. Und wie bei der Thronfolge, tritt auch der erstgeborene Sohn in die Fußstapfen des Dunklen Königs.
 

Deber beugte sich zu seiner Frau vor und berührte vorsichtig ihren Bauch. Er fühlte einen Tritt des noch ungeborenen Kindes, weswegen er sich ein überglückliches Grinsen nicht verkneifen konnte.

"Der Knabe wird hoffentlich genau so stark wie du, Liebster." Reina suchte einen Stuhl, um sich hinsetzen zu können. Ihre Füße schmerzten und ihr Rücken fühlte sich auch an, als wäre eine Kutsche mehr als nur einmal darüber hinweg gefahren.

Der König küsste den Bauch seiner hochschwangeren Frau und ließ einen ruhigen Moment vergehen, ehe er ihr in die Augen sah. "Das wird er. In der Tat."
 

Zum Wohle der Bewohner und des Friedens in unserem Land - es muss immer einen Dunklen König geben. Daran führt kein Weg vorbei. Es ist eine Frage des Gleichgewichtes.
 

Aber... Jetzt verstehst du es wohl auch, oder? Du und deine Freunde hier, ihr seid auf mein Geheiß losgezogen, um den Dunklen König zu töten. Doch nun bist du ein Gefangener und wirst gewiss nicht mehr den nächsten Morgen erleben. Glaube aber bitte nicht, dass du deine Pflicht nicht erfüllt hast. Nein. Denn zu sterben, durch den Dunklen König zu sterben... Ja, genau. Das war die deine von mir gegebene Aufgabe. Und nun, erfülle diese Pflicht und Frieden wird auch weiterhin in unserem schönen Land herrschen. Für Oliva.
 

Ich bin das Böse. Der Schrecken der in den Schatten haust. Ich werde eines Tages euer aller Nemesis sein. Ich bin der Dunkle König.
 


 


 

Ende
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MrBlackSweeper
2014-06-24T21:05:08+00:00 24.06.2014 23:05
Mir hat die Geschichte sehr gut Gefallen. Ich finde die Details sind sehr gut beschrieben ich konnte mir den Dunklen König und seinen Diener Bildlich sehr gut vorstelellen. Die Charaktervorstellungen allgemein sind sehr gut gelungen z.B. das neben Häftlingskleidung der gewöhnliche Kleidungstil eines Charakters erläutert wird.

Zur Ortsbeschriebung ist zu sagen dass ich das Verließ sehr gut beschrieben finde, es viel mir jedoch schwer ein Bild des Schlosses von Olivia vorzustellen. Ich hätte mir auch gewünscht etwas mehr über das Land zu erfahren z.B. ob es dort viele Gewässer, Bewaldete Gebiete oder Steppenlandschafen gibt.

Die Botschaft die Hinter der Geschichte steckt, dass Ying nicht ohne Yang existieren sollte um das Gleichgewicht zu wahren finde ich einfach nur Genial.

Alles in Allem eine sehr schöne FF die jede der 10 Seiten lesenswert ist ein großes Lob an den autor.

Liebe Grüße
MrBlacksweeper



Antwort von:  Caliburn
25.06.2014 09:28
Vielen Dank für dein Kommi. Schön, dass dir die Fic gefallen hat.
Das mit der mangelnden Beschreibung gegen Ende schiebe ich einfach mal auf die Deadline und nicht meine Faulheit. Meh! .____.
Von:  Shizana
2014-06-13T11:32:17+00:00 13.06.2014 13:32
Wow, eine wirklich sehr schöne Geschichte. Wieso hat die noch niemand bis auf Eri kommentiert, nicht einmal dein Wichtelkind? Das ist traurig, sehr traurig.
Die Geschichte ist sofort fesselnd. Den Dunklen Herrscher hast du genau so dargestellt, wie man ihn sich vorstellen würde. Terror sticht durch die Kerkerszene hindurch und alles in einem wirkt es sehr atmosphärisch wie stimmig.
Die Beschreibungen sind passend, die Darstellung der Charaktere sowie die Kulissen, in die du den Leser einlädst. Mir war ganz schaurig.
Die Wendung war für mich unerwartet. Und am Ende hat sich die Geschichte in genau das entpuppt, was ich so unendlich liebe: Eine Moral. Eine Kulisse, die hinter dem Scheinwerferlicht liegt und wahr spricht, woran vermutlich kaum einer bis niemand denkt. Ich war im ersten Moment ganz überrumpelt, aber durch den eingeflossenen Erzähler machte es so nach und nach Klick. Ich bin wirklich überaus angetan von dieser Geschichte.

Vom Erzählten her definitiv ein verdientes YUAL. Kulissen, Tempo, Charaktere, Entwicklung - alles passt und lädt den Leser auf eine spannende Reise ein, die seinen Horizont ein Stück mehr erweitern wird. Definitiv lesenswert!
Aber mein Lieber, sei doch bitte so gut und geh noch einmal selbst über den Text. Besonders je näher du dem Ende kamst, haben sich mehr und mehr Fehler, Wiederholungen und Satzwendungen eingeschlichen. Ich habe ausnahmsweise darauf verzichtet, auf Fehlersuche zu gehen und alles im Kommentar zu präsentieren, wie man es normalerweise von mir gewohnt ist, aber ich meine es ernst: Tu dir und deiner Geschichte bitte selbst den Gefallen. Sie ist es wert!

Mich hast du überzeugt. Künftig werde ich zweimal bedenken, wie ich zum Bösen stehen werde.


Alles Liebe
Shizana
Antwort von:  Caliburn
16.06.2014 08:02
Hey, danke für dein Kommentar und das große Lob.
Es freut mich tierisch, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat.
Die Fehler werde ich bei Gelegenheit ausbessern. Versprochen. ;)
Von:  Erenya
2014-06-01T10:51:20+00:00 01.06.2014 12:51
Ach Verdammt, ich schreib dir nun doch ein Kommi. Die FF ist verdammt gut, auch wenn die vier Gefangenen etwas blasser in ihrer Darstellung sind als die anderen, aber gerade den dunklen König und seine rechte Hand hast du gut ausgearbeitet.
Die Geschichte könnte zwar ab nen gewissen Punkt Klischeehaft wirken, aber die Umsetzung ist einfach nur super gemacht. Es kommt richtig schön die passende Atmosphäre auf und am Schluss hatte ich schon einen Kloß im Hals, weil das ganze doch bedrückend wirkt. Es ist ein gutes Spiel von Licht und Dunkelheit geworden und könnte als Interpretation unser Welt, eben dass es kein Schwarz Weiß, sondern nur ein Grau gibt.
Antwort von:  Caliburn
01.06.2014 13:01
Oh, danke dir vielmals. :D
Ja, die Gefangenen waren so eine Sache. Auf der einen Art wäre es sicher irgendwie interessant gewesen, wenn jeder mehr Persönlichkeit bekommen hätte. Allerdings wäre dann wohl der Effekt flöten gegangen, dass die Menschen eben nichts weiter als ein Mittel zum Zweck sind. - Vielleicht täusche ich mich ja diesbezüglich, aber so waren meine Gedankengänge. xD"


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