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Aeravia

von

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Bestätigung

Aeravia
 

Kapitel 2: Bestätigung
 

Die Menge jubelte und jauchzte. „Lang lebe der König!...Lang lebe die Königin!“, schrien einige, andere hörte ich meinen Namen rufen, Geburtstagswünsche und Fetzen des ein oder anderen Geburtstagsliedes gelangten an mein Ohr. Ich lächelte zögerlich und winkte der Menge zu. Gleichzeitig bemühte ich mich darum Haltung zu bewahren. Meine Mutter warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Ich sah Überraschung und eine Spur von Scham in ihren Augen. Schnell wandte ich meinen Blick wieder der Menge zu und machte einen kleinen Diener, um ihnen meine Dankbarkeit für die Glückwünsche auszudrücken. Die Menge jubelte nur noch mehr.
 

Langsam zog meine Familie sich wieder zurück.

Ich sagte nichts, sondern wandte mich direkt zur Tür, bevor mich einer von ihnen aufhalten konnte. Für scheinheilige Entschuldigungen stand mir jetzt nicht der Sinn.

Ich wollte meine Ruhe.

Schnell schlüpfte ich durch die Tür und ging mit zügigen Schritten den Gang entlang zu den Privatgemächern unserer Familie. Ich wandte mich zu meinem Zimmer und schwang die Tür hinter mir lauthals zu.

Ich seufzte leise und lehnte mich mit geschlossenen Augen gegen die Tür. Alle Anspannung wich aus meinem Körper und ich spürte wie Müdigkeit sich in mir ausbreitete.

Es nützt nichts ihnen böse zu sein, dachte ich bei mir und stieß mich schließlich von der Tür ab und ließ mich kurzerhand ins Bett fallen um mich kurz auszuruhen, bevor der nächste Punkt auf der Tagesordnung anstand.

Tris klopfte an der Tür der Dienstboteneinganges und öffnete sie, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Mit wenigen Schritten war er an meinem Bett angekommen und setzte sich zaghaft auf die Bettkante.

Schweigend betrachtete er mein müdes Gesicht.

Schließlich fragte er leise: „Sie haben ihn komplett vergessen, oder?“

Ich schloss die Augen und nickte nur.

Er wusste, dass ich meinen Geburtstag verabscheute und er wusste auch warum.

Warum sollte man auch den Tag seiner Geburt lieben und feiern, wenn selbst die eigene Familie sich nicht darum scherte?

Er legte mir eine Hand auf die Schulter zum Zeichen seines Mitgefühls.

Ich griff nach ihr, drückte sie kurz und sah ihm einen Moment in die Augen.

„Tust du mir einen gefallen, Tris?“, fragte ich ihn.

Er nickte lächelnd.

„Würdest du mir meine Familie und jeden anderen für eine halbe Stunde vom Hals schaffen. Ich bin müde. Und will keine Entschuldigungen hören. Zumindest für ein paar Minuten.“

„Natürlich John. Doch sollte der König vor der Tür stehen, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als ihm zutritt zu gewähren.“, gab er zu bedenken.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Er ist so beschäftigt heute, er wird kaum die Zeit finden um mich aufzusuchen.“

Tris schien nicht überzeugt, nickte jedoch nur und stand auf, um vor der Tür Stellung zu beziehen. Nur wenige Minuten später vernahm ich Stimmen vor der Tür. Meine Schwester schien mit Tris zu diskutieren. Schließlich wurde es wieder ruhiger.

Ich schlüpfte aus meinen Stiefeln legte mich dann richtig ins Bett und schloss die Augen. Nach wenigen Sekunden war ich eingeschlafen.
 

„Lass mich durch! Das ist ein Befehl!“, hörte die die aufgebrachte Stimme meines Vaters auf der anderen Seite der Tür.

Müde rieb ich mir über die Augen und setzte mich dann auf. Ich sollte schnell eingreifen, bevor Tris der Kopf abgerissen wurde. Mit schnellen Schritten ging ich zur Tür und öffnete sie schwungvoll.

„Lass ihn, Vater. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht gestört werden will. Er kann nichts dafür.“

Tatsächlich hatte mein Vater Tris bereits am Kragen gepackt und wild geschüttelt.

Als er mich entdeckte, ließ er ihn los. Tris stolperte ein paar Schritte zurück und griff sich unauffällig an den Hals.

Ich seufzte leise auf und trat einen Schritt zur Seite um meinen Vater einzulassen.

Ungeduldig schritt er an mir vorbei. Sobald ich die Tür geschlossen hatte, drehte er sich zu mir um, die Arme wütend an den Seiten abgestützt und sah mich aus leicht zusammen gekniffenen Augen an.

„Warum hast du nichts gesagt?“, fragte er.

Ich las nicht nur Wut sondern auf Enttäuschung in seinem Blick.

Ich senkte den Blick und schwieg einen Moment.

Dann sah ich ihm wieder in die Augen.

„Was hätte ich tun sollen, Vater? Mir ein Banner und den Bauch binden, wo drauf steht: Hallo, ich habe heute Geburtstag? Du weißt doch, dass ich diesen Tag nicht als besonders wichtig erachte, also spielt es doch auch keine Rolle, ob ihr es wisst, oder nicht.“, erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Es spielt sehr wohl eine Rolle, ob deine eigene Familie an deinen Geburtstag denkt, oder nicht.“, erwiderte er zornig.

Dann löste er sich aus seiner Position und schritt unruhig im Zimmer auf und ab.

„Du musst doch deinen Mund aufmachen. Jeder andere hätte doch auch schon vor ein paar Tagen etwas gesagt, selbst wenn es nur um ein Geschenk gegangen wäre!“, klagte er an und verschränkte nun auch die Arme vor der Brust.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich bin nicht jeder andere, Vater. Und ich will kein Geschenk von euch!“

Kopfschüttelnd sah er mich an.

„Warum, Jonathan? Warum bist du so anders, als alle anderen? Deine Geschwister lieben Kleidung, Schmuck und teure Geschenke. Doch du? Du stolziert herum in deiner einfachen Kleidung, sodass man dich fast mit einem Diener verwechseln könnte und sagst nicht ein mal, dass du Geburtstag hast. Du hast mich beschämt. Das weißt du, oder? Die Menge jubelte dir zu und deine eigene Familie hatte den wichtigsten Tag deines Lebens vergessen. Ich weiß nicht, was ich mit dir anfangen soll...“

Die Wut war verraucht. Jetzt las ich nur noch die Enttäuschung und auch ein wenig Angst und Scham in den Augen meines Vaters.

Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Langsam schlug ich die Augen nieder und griff nach seinem Arm.

„Vater...nichts liegt mir ferner, als euch zu enttäuschen. Es tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe, doch ich wollte diesen Tag nicht stören. Ich weiß, dass ihr es nicht absichtlich vergessen habt, es ist schon okay.“

Natürlich war es nicht okay. Aber ich mochte es nicht, wenn mein Vater so enttäuscht von mir war.

Ich sah ihm in die Augen und versuchte zu lesen, was in ihm vorging.

Schließlich nickte er.

„Ich weiß, dass du das nicht mit böser Absicht verschwiegen hast. Natürlich erinnerst du uns nicht an deinen eigenen Geburtstag. Ich glaube ich bin einfach geschockt...das jeder von uns mit seinen Gedanken ganz wo anders war. Jedenfalls...alles Gute zum Geburtstag, mein Sohn.“

Er lächelte mich liebevoll an und schloss mich in seine Arme.

Ich lächelte ebenfalls und genoss dieses kurze Eingeständnis väterlicher Liebe.

Lange hielt er mich fest, dann löste er sich von mir und hielt mich eine Armeslänge von sich entfernt.

„Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Ich wollte dich nicht beleidigen. Doch es ist schwer, dich zu verstehen. Deine Geschwister sagen mir schon Monate vorher, was sie sich zum Geburtstag wünschen und tragen jeden Tag die neueste Mode und die schönsten Roben. Und du...du bist so schlicht.“

Ich nickte verstehend.

„Ich mache mir nichts aus Prunk. Ich mag es nicht, wie mein großer Bruder das Geld verprasst, oder wie sich meine Schwester jeden Tag ein neues Kleid kauft. Ich bin nicht so wie sie. Ich sehe den Wert des Geldes. Sehe die Armut auf den Straßen. Ich will mein Geld nicht sinnlos verprassen, solange es immer noch Menschen gibt in diesem Land die verhungern.“

Mein Vater brauchte einen Moment, meine Worte zu verstehen und den tiefen Sinn dahinter zu erkennen.

„Vater..ich will mich nicht verdrehen, nicht so tun als wäre ich ein anderer Mensch. Ich möchte authentisch sein, allein schon um unseren Bürgern nichts vorzuspielen. Ich will keine Maske tragen, Vater. Deshalb bin ich, wie ich bin.“

Kurz ließ er sich die Worte von mir durch den Kopf gehen.

Schließlich nickte er verstehend.

„Du hast Recht mein Sohn. Sich zu verstellen ist der falsche Weg. Und deine Einstellung macht dich sehr erwachsen. Wahrscheinlich ist es das, was mich so verwundert. Betrachte ich dich, sehe ich mich in jüngeren Jahren hier stehen. Dein Bruder hingegen ist immer noch wie ein kleiner Junge. Immer auf der Suche nach Ärger und dem Nächsten Streit.“

Er lächelte mich an und und ich erwiderte sein Lächeln aus tiefstem Herzen.

Dann drehte er sich um und ging mit langen Schritten zur Tür.

„Jetzt lass uns gehen, Jonathan. Der Umzug beginnt in einer Stunde und ich muss noch eine Rede halten. Du wirst mich begleiten und dem Umzug beiwohnen.“

Ich nickte und sah kurz an mir herunter. „Ich denke ich werde mich noch kurz umziehen, Vater. Ich treffe dich in zehn Minuten am Haupttor, okay?“

Er nickte und verschwand dann aus dem Zimmer.

Schnell ging ich zu meinen Truhen und suchte ein neues Hemd heraus, welches nicht so verknittert war, wie mein jetziges und zog mich um.

Tris trat ins Zimmer und lächelte mich wissend an.

Ich sah zu ihm auf und erwiderte sein Lächeln.

„Das Gespräch scheint gut verlaufen zu sein?!“, fragte er leise.

Ich nickte.

Ja das war es.
 

Die Rede, die mein Vater ausgearbeitet hatte, kam sehr gut bei den Bürgern an. Sie jubelten ihm zu, voll freudiger Erwartung. Alle waren gespannt auf die Schausteller und ihre Kunststücke. Es konnte sich jetzt nur noch um Minuten handeln, bis die Show beginnen würde.

Mein Vater legte mir für einen Moment die Hand auf die Schulter.

„Möchtest du den Startschuss geben?“ fragte er mich und grinste schadenfroh, als er mein erschrockenes Gesicht bemerkte.

„Was...ich?“ fragte ich verdutzt.

Es war mir etwas unangenehm, dass mein Vater mir diese Ehre zuteil kommen lassen würde. Ich hatte sowieso nicht verstanden, weshalb ich ihn begleiten sollte und nicht mein großer Bruder. Normalerweise war der rechte Platz meines Vaters immer Jarrald vorenthalten gewesen. Doch dieser vertrieb sich die Zeit auf der Wiese vor dem Palast, um ein paar Schaukämpfen beizuwohnen.

Schließlich nickte ich zaghaft.

„Wenn du es wünscht, Vater, dann natürlich gerne.“

Er nickte zufrieden und suchte mit seinen Augen den Platz ab, um auf das Zeichen seines Untergebenen zu warten, welcher die Aufsicht über die Schaustellerwägen hatte und die Reihenfolge koordinierte. Sobald die einzelnen Wägen bereit waren, würden wir den Startschuss geben.

Nach wenigen Minuten kam schließlich das Okay und mein Vater gab mir ein Zeichen beginnen zu können. Ich trat nach vorne auf das kleine Podest und hob die Rechte um mir unter dem Volk Gehör zu verschaffen.

Als die Bürger und Bürgerinnen mich entdeckten, jubelten sie mir zu und wieder erklangen Glückwünsche zum Geburtstag. Ich lächelte und hob die Hand etwas höher.

„Danke! Ich danke euch alle für die Glückwünsche. Vielen Dank! Heute ist der Tag an dem unsere Herrscherdynastie das vierhundertsiebzigste Jahr mit euch feiern darf. Und ich danke euch dafür, dass ihr zu Ehren dieses Festes alle so zahlreich erschienen seid. Und nun...lasst uns dem Umzug den Startschuss erteilen.“ Ich griff nach der vorgefertigten Pistole, die neben mir auf einem kleinen Tischchen lag und hob sie mit beiden Händen gen Himmel und feuerte einen Schuss ab. Die Menschen jubelten mir zu und schließlich setzte der erste Wagen sich in Bewegung.

Mein Vater trat zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter. Stolz lächelte er mich an und nickte anerkennend.

„Sehr gut, Jonathan. Dann lass uns den Umzug mal genießen.“

Beide wandten wir uns den Menschenmassen zu und ließen unseren Blick über die Schaustellerwägen gleiten.

Meine Schwester gesellte sich zu uns und lächelte mich ebenfalls an.

Dann nahm sie meine Hand und drückte sie leicht.

„Alles Gute zum Geburtstag, John.“, sagte sie leise zu mir und wandte ihren Blick dann zurück zum Umzug.

„Danke...!, erwiderte ich ebenso leise und drückte ihre Hand ebenfalls.
 

Gedankenverloren sah ich den Gauklern, Tänzerinnen und Magiern zu, wie sie ihre Kunststücke aufführten und dachte über den bisherigen Tag nach. Er hatte sich ganz anders entwickelt, als gedacht. Mein Vater, der sich bei mir entschuldigte, meine Mutter, die meinen Geburtstag vergaß. Die Ehre, den Umzug ankündigen zu dürfen...bisher war dieser Tag absolut nicht nach meinem Vorstellungen verlaufen.

Als ich gerade über die Feierlichkeiten des Abends nachdachte und überlegte, mit wie vielen Damen ich anstandshalber Tanzen sollte, blieb meine Aufmerksamkeit plötzlich auf einem ganz bestimmt Fuhrwerk hängen, dessen Wappen mir irgendwie bekannt vor kam. Doch woher.

Ich runzelte die Stirn und stieß meine Schwester neben mir an und zeigte gleichzeitig auf das Fuhrwerk. „Kennst du das Wappen?“ fragte ich sie.

Kurz dachte sie nach, dann schüttelte sie langsam den Kopf.

„Nein...ich habe keine Ahnung.“

„Hm...“

Irgendetwas an diesen Gauklern stimmte nicht. Ich hatte ein ungutes Gefühl.

Der Schausteller, welcher anscheinend der Anführer war, sah sich immer wieder um, als suche er etwas bestimmtes. Dann blieb sein Blick am Palast, oder irgendetwas in dieser Richtung, hängen und er stieß seinen Kumpanen neben sich an die Schulter um ihn darauf aufmerksam zu machen. Ich folgte seinem Blick, konnte jedoch nichts außergewöhnliches entdecken. Auch die anderen Schausteller dieses Wagens, waren eigenartig. Egal welchen Trick sie versuchten, er misslang ihnen. Nicht einmal das Jonglieren mit vier Bällen schien ihnen zu gelingen, was selbst ich beherrschte.

Misstrauisch behielt ich den Wagen so lange im Blick, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden war. Kurz überlegte ich meinen Vater davon zu unterrichten, was ich beobachtet hatte, doch dann schalt ich mich einen Narren. Nur weil ich ein ungutes Gefühl hatte, hieß das noch lange nicht, dass von diesen Menschen eine Bedrohung ausgehen würde.

Ich sollte mir nicht so viele Gedanken machen, dachte ich bei mir und schüttelte leicht den Kopf. Dann wandte ich mich den anderen Schaustellerwägen zu und versuchte dem Treiben zu folgen.
 

Als es an der Tür klopfte, war ich gerade dabei meine einfache Weste gegen eine dunkelgrüne auszutauschen, mit goldenen Ornamenten und aus feinstem Tuch.

„Herein!“, rief ich über die Schulter hinweg, und wandte mich noch mal zum Spiegel um den Kragen meines weißen Hemdes zu überprüfen.

Meine Mutter betrat das Zimmer, schloss die Tür leise hinter sich und kam dann auf mich zu. Sie hatte ein dunkelrotes Ungetüm von einem Kleid an, welches ihre Schmale Taille unterstrich und in alle Richtungen weit fiel.

Ein letztes Mal überprüfte ich mein Äußeres im Spiegel und drehte mich dann zu ihr um.

„Mutter.“, sagte ich leise und machte einen kleinen Diener. „Du siehst wunderschön aus. Die Farbe steht dir gut.“

Sie lächelte gütig und winkte dann ab. „Ach du Charmeur, schmeichle mir nicht. Ich bin hier um mich bei dir zu entschuldigen.“, sagte sie und Strich mir über die Brust und schloss den vorletzten Knopf des Hemdes, das ich trug auch noch.

Ich ergriff ihre Hände und hielt sie mit den meinen fest.

„Das brauchst du nicht, Mutter. Du beschämst mich nur damit.“

Energisch schüttelte sie mit dem Kopf.

„Unsinn! Ich bin beschämt. Wie konnte ich nur den wichtigsten Tag im Leben meines zweitältesten Sohnes einfach so vergessen? Es tut mir leid, John. Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gut machen soll. Du musst uns für schrecklich gefühlskalt halten. Dass selbst mein Gedächtnis mich einfach so im Stich lässt Dabei muss ich es ja am besten wissen. Schließlich habe ich dich auf die Welt gebracht.“

Traurigkeit schlich sich in ihr wunderschönes Gesicht.

Mir wurde unbehaglich zumute.

Ich mochte es nicht, meine Mutter so zu sehen.

„Ist schon gut, Mutter. Du weißt doch das der Tag mir nichts bedeutet.“

Sie hob eine Hand und strich mir liebevoll über die Wange.

„Das sollte es aber. Der Tag der Geburt ist so wichtig im Leben eines Jeden von uns.“

Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Ach John...es tut mir so leid, dass wir alle jedes Jahr so gedankenlos sind. Ich weiß, dass es für dich in den letzten Jahren nicht sehr leicht war. Die Feierlichkeiten und die Verantwortung gegenüber unserem Volk, und auf der anderen Seite dein Geburtstag, der eigentlich im Mittelpunkt all unserer Gedanken sein sollte.“, sagte sie traurig und eine einsame Träne rann ihre Wange runter.

Erschrocken hob ich meine Hand und wischte sie mit meinem Daumen sanft weg.

„Nicht, Mutter! Bitte. Lass uns das ganze einfach vergessen, ja? Ich bin euch nicht böse deswegen.“

Unsicher sah sie mir in die Augen und versuchte zu lesen, ob es mein ernst war.

„Sicher?“

Ich nickte.

„Ja, sicher!“

Schließlich schlang sie beide Arme um mich und drückte sich fest an meine Brust. Ich erwiderte die Umarmung vorsichtig, um ihre Frisur nicht zu zerstören und schließlich löste sie sich von mir mit einem Lächeln.

„Danke, Jonathan. Du bist ein solcher Segen für uns. Ich liebe dich!“

Ich erwiderte ihr lächeln. „Ich liebe dich auch, Mutter.“

Schließlich wandte sie sich ab und verließ mein Zimmer.

Seufzend setzte ich mich einen Moment an die Bettkante.

Wie sehr wünschte ich mich jetzt in diesem Augenblick an einen anderen Ort. Doch ich konnte meine Herkunft und meine Familie nicht einfach ändern oder leugnen. Und der Ball würde in wenigen Minuten beginnen.

Ich wusste, mein Vater zählte auf mich. Genauso wie auf meine Geschwister. Wir hatten unseren Platz an seiner Seite.

Also stand ich auf, sah ein letztes Mal an mir herunter, betrachtete die dunkelgrüne Stoffhose und das dazu passende Wams und lächelte schließlich. Es war zwar nicht meine bevorzugte Kleidung, doch es war immer noch besser, als als ausstaffiertes Hühnchen auf dem Ball aufzutauchen, so wie es mein großer Bruder sicherlich machen würde.

Ich richtete mich wieder auf, straffte die Schultern und ging erhobenen Hauptes zur Tür.
 

Ich hatte recht gehabt. Mein Bruder war der bunteste Vogel im ganzen Ballsaal und stach sofort aus der Menge heraus. Ich grinste wider willen und bahnte mir einen Weg zu meinen Eltern, die auf ihren Stühlen im Thronsaal saßen und darauf warteten, dass die Gäste sich langsam einfanden.

Ich nickte meinen Vater lächelnd zu, der bei meinem Anblick erfreut und zugleich sehr zufrieden wirkte und stellte mich dann hinter meine Mutter neben meine Schwester, die in ihrem Goldenen Ballkleid einfach umwerfend aussah.

Als ich ihr diesbezüglich ein Kompliment ins Ohr flüsterte, lächelte sie mich warm an und griff nach den Rand meiner Weste und fühlte sie zwischen den Fingern.

„Sehr schönes Material und gut gearbeitet. Ich hätte nicht gedacht dich heute einmal so fein zu sehen, Bruderherz.“, sagte sie mit einem Augenzwinkern und ließ von mir ab.

Ich zuckte nur leicht mit den Schultern.

„Ich dachte mir, an so einem Denkwürdigen Tag könnte ich ausnahmsweise eine Ausnahme machen.“, erklärte ich ebenfalls mit einem kleinen Augenzwinkern.

Sie nickte zufrieden und schließlich erhob sich mein Vater, um mit einer kurzen Rede das Fest zu eröffnen. Die Gäste applaudierten begeistert und schließlich setzte die Musik ein.

Meine Schwester sah mich fragend an.

Ich erwiderte den Blick wissend und hielt ihr meine linke Hand hin.

„Wollen wir, Madame?“, fragte ich und sie nickte huldvoll.

„Sehr gerne, der Herr.“
 

Nach dem Tanz mit meiner Schwester, wagte ich mich in die Menge um meinen Dienst als zweitältester Sohn der ältesten Herrscherdynastie unseres Landes Aeravia zu tun.

Ich schüttelte ein paar Hände hier, plauderte mit den Gästen dort und tanzte mit den wichtigsten Damen des Adelskreises. Alle waren ganz aus dem Häuschen und überschütteten mich mit Glückwünschen und versuchten sich beliebt zu machen, bei mir.

Doch ich blieb zurückhaltend und lächelte nur hier und da ein bisschen. Ich hatte nicht vor eine der Damen in diesem Raum zu heiraten. Meinen Vater hätte eine Verbindung zu der ein oder anderen Familie zwar sicherlich gut gefallen, doch wusste er genau, dass das für mich keine Option war. Ich würde nicht heiraten, so lange keine Liebe mit im Spiel war. Und wenn, dann käme für mich so wie so nur eine Königsfamilie in Frage. Eines der benachbarten Länder zum Beispiel.

Doch mit solcherlei Gedanken beschäftigte ich mich aktuell noch nicht. Solange meine Eltern mich zu nichts drängten, hatte ich auch nicht vor mich meiner Freiheit zu entledigen.
 

Plötzlich entdeckte ich am anderen Ende des Thronsaales eine Person, mit der ich hier nicht gerechnet hatte. Der Verdächtige von den Schaustellern, stellte ich verwundert fest.

Ich entschuldigte mich bei der Dame, mit der ich gerade getanzt hatte und wandte mich zu dem Unbekannten und trat langsam auf ihn zu. Doch er bemerkte meinen Blick, wandte sich schnell ab und verschwand in der Menge.

Verwirrt sah ich ihm nach. Das war er gewesen, ich war mir ganz sicher.

Kurz überlegte ich, was er wohl hier zu suchen hatte, doch dann kam mir ein böser Verdacht. Direkt neben dem Platz, an dem der Unbekannte gerade noch gestanden hatte, stand unser Schatzmeister, tief versunken in ein angeregtes Gespräch mit unserem obersten Kommandanten der königlichen Truppen.

Schnell wandte ich den Kopf Richtung Ausgang und ließ meinen Blick suchend über die Personen dort gleiten. Dann entdeckte ich den jungen Mann wieder.

Da war er! Er verließ gerade den Thronsaal.

Ohne weiter darüber nachzudenken folgte ich ihm.



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