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Gefährliche Leidenschaft

von

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My fears

Die letzten Wochen hatte er seine Haare wieder wachsen lassen dürfen, sodass er nicht mehr mit einem Igelschnitt herumlaufen musste. Sein Herz klopfte wie wild. Er lag in den letzten Stunden seiner Haftstrafe. Es ging nur noch um die Formalien. Nun durfte er sich umziehen und übergab dann die Anstaltskleidung an den zuständigen Wärter. Ein Abschlussgespräch mit dem Leiter, die Rückgabe des Heftes mit den Regeln, dann bekam er seine persönlichen Sachen wieder. Ob man ihn abholen würde? Oder müsste er sich selber bis nach Tokyo durchschlagen?

Zero hatte Glück. Als er aus dem Gefängnis trat, sah er schon den schwarzen Mercedes an den sein Bruder und auch Hizumi gelehnt standen. Das Bedürfnis sich noch einmal umzudrehen hatte er nicht, schnurstracks lief er zu Tsukasa, drückte diesen an sich. Ein Knoten löste sich in ihm und er konnte nicht verhindern, dass er ein paar Freudentränen vergoss. Endlich konnte er wieder nach Hause. Es war vorbei.

Im Auto kuschelte er sich in die weichen Polster auf der Rückbank. Sie wollten etwas Essen gehen und dann den Heimweg antreten, die Fahrt wäre lang. Aber schon auf dem Weg ins Restaurant konnte er seine Augen nicht mehr offen halten. Endlich fühlte Zero sich wieder sicher, sodass all der Schlaf, der ihm die Jahre über geraubt wurde, übermannte.

Das Tsukasa und Hizumi versuchten ihn zu wecken, bekam er gar nicht mit. Er schlief tief und fest.

Als er wach wurde, ging die Sonne wohl gerade unter und sie waren auf der Schnellstraße. Verschlafen sah er sich um. Hizumi lehnte, scheinbar schlafend, an seinem Bruder während dieser auf seinem Handy herum tippte.

„Na, wieder wach?“, meinte Tsukasa lächelnd und reichte ihm eine Tüte. „Sind zwar nur ein paar Lunchboxen, aber besser als nichts. Wir haben dich einfach nicht wach bekommen. Iss aber nicht alle auf einmal, das verträgt dein Körper sonst nicht“, belehrte der Ältere ihn und er nickte. Neugierig sah er in die Tüte. Reisbällchen und Lunchboxen. Sollte er das mit Gyoza oder mit Hühnchen nehmen? Allein bei dem Anblick tropfte ihm schon der Zahn. Nach dem langweiligen Essen im Knast, schmeckte sicherlich alles hervorragend.

Begeistert fing er an zu essen, er hatte sich für Gyoza entschieden, und sah zu seinem Bruder. „Du und Hizu also?“

Es erstaunte ihn, dass selbst sein sonst so eiskalter Bruder verlegen wurde.

„Ja,… ich konnte seinem Charme irgendwann einfach nicht mehr widerstehen. Außerdem ist er mit einer der wenigen, die mich nicht mit allem durchkommen lassen. Der Clan weiß auch Bescheid. Kiyota hat nur gelacht und gemeint, dass er schon viel früher damit gerechnet hätte. Ich hab nicht gedacht, dass er es so locker aufnimmt“, erklärte Tsukasa und streichelte seinem Freund dabei sanft über den Kopf.

Mit Kiyota hatten sie wirklich ein gutes Oberhaupt, bisher hatte dieser für so ziemlich alles Verständnis gehabt. Tsukasa legte sein Handy beiseite.

„Hast du die 10 Jahre einigermaßen unbeschadet überstanden?“, wollte der Ältere nun wissen.

Da er sich gerade einen großen Berg Reis in den Mund geschoben hatte, kaute und schluckte er diesen erst runter, bevor er antwortete. So hatte er auch gleichzeitig eine Pause um nachzudenken.

„Wie man es nimmt. Ich bin unfreiwillig zum Nichtraucher geworden und das Essen da ist die Hölle. Das Wort Gewürze kennen die ehrlich nicht. Meine Arbeit war okay, da gab es echt nicht viel zu meckern. Nur wirklich schlafen konnte ich nie, ständig sind die vor den Zellen auf und abgelaufen. Jeden verdammten Schritt konnte man dabei hören. Außerdem hat mein letzter Zellenkollege geschnarcht wie Sau.“ Er wollte Tsukasa einfach nicht davon erzählen, dass er regelmäßig vergewaltigt worden war und fast schon mehr in der Einzelhaft gesessen hatte als alles andere. „Du hast mir Hizumi geschickt, richtig? Also damals…“, murmelte er und trank etwas Wasser.

Sein Bruder nickte. „Ja, meine acht Jahre damals waren auch nicht rosig und gerade als es zum Ende hinging wurde ich immer depressiver. Du hast mir damals auch am Ende einen Besuch abgestattet und das hat mir geholfen. Eigentlich wäre ich gerne mitgekommen, aber mich hat man nicht gelassen.“ Es schien fast so als würde der Ältere deswegen schmollen.

„Du bist zwar mein Bruder, aber eben auch Yakuza und letzteres hat für die eben überwogen. Auf alle Fälle bin ich dir dankbar, du hast ihn mir zum richtigen Zeitpunkt geschickt. Danke, Kasa!“

Tsukasa schüttelte den Kopf. „Ich kann dich doch nicht im Stich lassen. Jetzt iss auf und schlaf noch etwas. Jetzt muss ich dich nämlich wieder aufpäppeln! Du bist wirklich ziemlich abgemagert.“

Bei dem Fraß, den er die letzten 10 Jahre bekommen hatte, blieb ihm wirklich nichts anderes übrig als abzumagern. Aber er nickte nur und kam der Aufforderung nach. Seine Jacke stopfte er sich als Kopfkissen gegen die Tür und versuchte dann noch etwas zu schlafen.
 

Als er wieder aufwachte, hatte der Wagen gerade auf dem Anwesen des Kiyota-Clans gehalten. Er war also wieder Zuhause. Noch ganz verschlafen, wuschelte er sich durch die Haare. Er hatte geträumt, dass er geweckt wurde und Karyu dann bei ihm war. Der Größere hatte sich kaum verändert gehabt, nur die Haare etwas kürzer als damals. Zero hatte das Gefühl, den sanften Kuss, den Karyu ihm gegeben hatte, auch in der Realität auf seinen Lippen zu spüren. Seufzend schloss er wieder die Augen und wollte noch einmal zurück in diesen Traum, aber es klappte nicht.

Die letzten Jahre hatte er gar nicht mehr geträumt, während er noch zu Beginn seiner Haft ständig von Karyu geträumt hatte. Er hatte gehofft, dass er über den Größeren hinweg gewesen sei, aber scheinbar hatte er sich geirrt. Dabei wusste er nicht einmal, worauf er hoffte. Karyu hatte ihn sicherlich schon vergessen.

„Willst du da Wurzeln schlagen? Steh auf und komm rein“, hörte er Tsukasa sagen, weshalb er wieder seine Augen öffnete. Gemächlich stieg Zero aus dem Auto und folgte Hizumi und seinem Bruder in das Haus. An der Tür warteten die niederen Yakuza und begrüßten sie.

Takeru kam um die Ecke und nahm ihn gleich einmal in den Arm. „Da bist du ja wieder. Du hast uns ganz schön warten lassen“, lachte der Yakuza und rieb ihm mit der Faust über den Kopf. Er versuchte sich aus dessen Umarmung zu befreien, damit er der Begrüßung entgehen könnte, mit nur mäßigem Erfolg. „Der Chef ist gerade unterwegs. Ich soll dir aber ausrichten, dass du dich heute richtig ausruhen sollst und er sich dann morgen mit dir unterhält.“

Mit einem Lächeln bedankte er sich und nahm seine Sachen. „Ist mein Zimmer noch immer da, wo es vorher war?“, erkundigte Zero sich. Tsukasa legte einen Arm um die Schultern seines Bruders. „Natürlich! Komm, ich bring dich hin, gib mir die Sachen!“

Zero war wirklich froh wieder hier zu sein, alle waren nett zu ihm. Glücklich darüber folgte er seinem Bruder. Sein Zimmer war noch immer so wie vorher und komplett sauber.

„Wir haben letztens extra eine Putzfrau durchgejagt, damit du dich wieder wohlfühlst“, erklärte Tsukasa und holte dann eine Tüte unter dem Bett hervor. „Ich wusste nicht, ob ich sie wegwerfen soll.“

Verwirrt nahm Zero die Tüte und schüttete den Inhalt auf das Bett. Seine alte Verkleidung. Er musste kurz schlucken und war überrascht als Tsukasa ihm eine Perücke hinhielt.

„Was?“

„Eure alte Wohnung gibt es noch. Vielleicht willst du sie dir ja ansehen… Ob Karyu allerdings da ist, weiß ich nicht. Du solltest ihm sagen, dass du wieder da bist.“ Zero war wirklich überrascht. Seit wann unterstützte sein Bruder ihn in dieser Angelegenheit? Vor allem wusste dieser doch, warum er gegangen war. Wenn er jetzt wieder damit anfangen würde, wäre alles für die Katz gewesen. Zögernd nahm er die Perücke an sich. „Ich denke drüber nach. Danke.“

Der Ältere nickte und drückte seinen Bruder noch einmal an sich. „Schön, das du wieder da bist!“ Mit diesen Worten verließ Tsukasa das Zimmer und ließ ihn alleine.

Kurz betrachtete er noch einmal die Sachen. Das Oberteil, die Leggins und die Stiefel… Fast schon panisch schüttelte er den Kopf, um die aufkommenden Gedanken zu vertreiben. Es war vorbei! Die Sachen würden an ihm sowieso nicht mehr so sitzen wie früher und es gab keinen Grund sich wieder so zu kleiden. Schnell stopfte er alles zurück in die Tüte und verbannte diese in den Kleiderschrank.
 

Zero war jetzt schon fast einen Monat wieder zurück und wurde merklich von seinem Bruder verwöhnt. Manchmal meinte er sogar ein bisschen Eifersucht bei Hizumi zu erkennen, weil dieser sich vernachlässigt fühlte. Dabei versuchte er sich schon etwas abzukapseln, die meiste Zeit verbrachte er sowieso immer in seiner Traumwelt. Im Gefängnis hatte ihm diese die meiste Zeit geholfen und jetzt kam er von ihr nicht mehr los.

Aber er genoss seine Freiheit in vollen Zügen. Morgens ging er meistens im Yoyogi-Park joggen. Das hätte er schon viel früher machen sollen, es war einfach nur angenehm. Über seinen mp3-player hörte er dabei Musik. Es waren auch nie viele Leute im Park, sodass er sich nicht in seiner Einsamkeit gestört fühlte.

Am Vorplatz zum Meiji-Schrein machte er Pause und dehnte seine Muskeln etwas. Sollte er noch eine kleine Runde laufen oder lieber schon nach Hause? Neugierig sah er auf, als an der Straße ein dunkler Wagen hielt und eine hübsche Frau mit einem Mädchen ausstieg. Das Kind musste circa fünf Jahre alt sein. Die beiden gaben ein harmonisches Bild ab, weshalb er unbewusst lächelte. Vielleicht sollte er sich auch langsam um eine Familie bemühen.

Überraschend lief das kleine Mädchen plötzlich los und rief begeistert „Papa, Papa!“ Auch Zeros Neugier war geweckt und er folgte mit seinem Blick dem kleinen Mädchen, als er erstarrte. Aus dem Wald zum Meiji-Schrein kam niemand anderes als Karyu umringt von einer Gruppe Männer. Alle waren in Anzügen gekleidet und es war offensichtlich, dass es alle samt Angehörige der Yakuza waren.

Der Größere sah gut aus, die Haare waren etwas kürzer, so wie in seinem Traum. Schmerzlich biss er sich in die Unterlippe, löste sich so aus seiner Starre. Ohne weiter auf die Gruppe zu achten lief er los. Vorbei an dem Auto mit der Frau, vorbei an all den anderen Menschen, die sich langsam auf die Straßen drängten. Er wollte weg. Aus dem Augenwinkel hatte er noch gesehen, wie das Kind sich in Karyus Arme geworfen hatte. Es war gerade einfach alles zu viel für ihn.

Wieder Zuhause, ging er sofort ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Während das warme Wasser über seinen Körper rann, hämmerte er wütend auf die Fliesen ein. Was hatte er denn erwartet? Karyu war glücklich und deswegen war er auch damals gegangen. Er hatte aus dem Leben des Größeren verschwinden wollen. Jetzt da er wusste, dass Karyu wirklich glücklich war und sich scheinbar nicht mehr an ihn dachte, schmerzte es ihn? War er denn vollkommen bescheuert? Warum konnte er ihn einfach nicht vergessen?

Wütend auf sich selbst, stapfte er nach der Dusche in sein Zimmer. Er würde jetzt ein doch noch einmal zu dieser Wohnung fahren und danach nie wieder. Er würde seinen Schlüssel hinterlassen und danach diese Klamotten verbrennen. Das war für ihn die einzige Lösung, um damit abzuschließen.

Da Tsukasa ihn aufpäppelte, hatte er auch wieder etwas zugenommen. Zwar waren die Sachen alles andere als enganliegend wie früher, aber so konnte er es wenigstens einigermaßen tragen, nur die Perücke juckte. Wie früher schlich er sich über die Feuerleiter raus und machte sich auf den Weg zu der Wohnung. Wahrscheinlich würde er nur meterhohe Staubschichten finden, aber er wollte damit abschließen.

Als er die Wohnung betrat, war er überrascht. Es roch angenehm frisch und alles war sauber. Seine Hausschuhe standen für ihn bereit wie es auch früher der Fall gewesen war. Leise durchstreifte er die Wohnung. Er war alleine.

Warum war alles in einem so hervorragenden Zustand? Hatte Tsukasa dafür gesorgt? Neugierig durchsuchte er den Kühlschrank, welcher gut gefüllt war. Er nahm sich einen grünen Tee heraus und trank einen Schluck. War er wirklich in der richtigen Wohnung? Vorsichtig öffnete er die Tür zum Schlafzimmer. Im Schrank lagen noch ein paar von seinen Sachen, was ihn aber irritierte war das Bett. Auf seiner Seite lag ein Foto von ihm auf dem Kopfkissen. Was hatte das zu bedeuten?

Zero zuckte zusammen als er die Eingangstür hörte. Verdammt, er hätte nicht bleiben sollen!

Für einen Moment war alles ruhig, dann hörte er schnelle Schritte, begleitet von einem „Zero?“. Es war eindeutig Karyus Stimme. Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?

Es gab noch nicht einmal eine verdammte Versteckmöglichkeit, also stand er wie angewachsen im Schlafzimmer, als Karyu auftauchte.

Für einen Moment starrte der Größere ihn nur an, dann kam dieser langsam auf ihn zu. „Warum bist du erst jetzt gekommen? Ich hab dich vermisst“, murmelte Karyu und nahm sein Gesicht zwischen die Hände. Eine angenehme Wärme durchflutete seinen Körper und er blieb ruhig, beobachtete, wie sich Karyus Lippen langsam senkten. Erst als er die warmen Kusspolster wieder auf seinen spürte, schlossen sich seine Augen. Zero spürte wie der Blonde ihm langsam die Perücke dabei auszog und ihn näher an sich presste. Doch im nächsten Moment stieß er Karyu fort.

„Hör auf, wir sollten nicht wieder damit anfangen. Du hast deine Verpflichtungen und deine Familie. Ich steh dir nur im Weg, Karyu“, murmelte der Kleinere und drückte sich an dem Blonden vorbei ins Wohnzimmer.

„Ich hab auf dich gewartet, Zero.“

„Und dabei ein Kind gezeugt. Karyu, es ist in Ordnung. Früher oder später musste es sowieso so kommen. Du bist jetzt Clanoberhaupt und trägst sehr viel Verantwortung, du bist verheiratet und Vater. Es gibt keinen Platz für mich in deinem Leben und sind wir ehrlich, den gab es nie.“ Bei den Worten lächelte er und wollte nach der Perücke greifen, doch Karyu zog die Hand weg.

„Ich bin geschieden und meine Tochter war auch nicht geplant… Wenn du damals gewartet hättest, wie dein Bruder es gewollt hatte, wäre das auch alles nicht passiert. Ich war damals bereit zu euch zu kommen und Tsukasa hätte mir geholfen. Es hätte alles anders laufen können, aber ist es nicht. In den zehn Jahren ist viel passiert, aber ich liebe dich noch immer. Wir finden sicherlich eine Möglichkeit, wie wir wieder zusammen sein können. Komm schon Zero! Oder liebst du mich nicht mehr?“ Karyus Worte schlugen ein wie eine Bombe.

Es hätte anders kommen können? Er hätte nur etwas länger warten müssen?

„Ich war damals auch im Gericht und am liebsten hätte ich dich von der Anklagebank gezerrt, dich entführt und niemals wieder weggelassen“, murmelte der Größere, weshalb er schluckte.

Dann hatte er sich das doch nicht nur eingebildet, Karyu war wirklich da gewesen? Aber was war er denn noch Wert? Nichts! Sein Körper war nicht mehr der von früher. Er war nicht mehr der von früher!

„Sag Zero, liebst du mich noch?“, drängte der Größere und kam auf ihn zu. Am liebsten hätte er ihm ein ‚Ja, verdammt‘ entgegen geschrien, aber er konnte nicht. Etwas in ihm ließ ihn verstummen. Es war die Schande, die Schande, dass sein Körper wieder und wieder gegen seinen Willen missbraucht worden war, dass er es irgendwann einfach nur noch über sich hatte ergehen lassen. Dreck haftete an ihm und eigentlich empfand er selbst nur noch Ekel für sich.

„Zero!?“

Verschreckt sah er zu Karyu auf, weil dieser ihm über die Wange streichelte. Warum musste dieser ihn auch mit diesen großen, lieben Augen ansehen? Er durfte nicht nachgeben, er musste es beenden.

„Karyu, ich denke nicht, dass aus uns noch einmal etwas werden kann“, stammelte er und sah zu Seite.

„Das beantwortet nicht meine Frage. Wovor hast du Angst? Dich bedrückt doch etwas, sag es mir!“

Er schüttelte nur den Kopf und drehte sich um, versuchte Karyus Nähe zu entgehen, auch wenn sich alles in ihm danach sehnte, sein ganzes Wesen fast schon magnetisch von dem Größeren angezogen wurde.

„Zero, ich weiß, was dir passiert ist. Ich weiß, was dir angetan wurde. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen, ich…“

„Was? Woher?“, platzte er dazwischen und entfernte sich noch weiter von Karyu. Woher sollte Karyu das wissen? Niemand wusste das!

„Zero bleib ruhig. Setz dich, ich erzähle es dir. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen“, versuchte der Blonde ihn zu beruhigen. Doch es drängte ihn eher davon zu laufen, sich zu verstecken. Da sich sicherlich kein Loch im Boden auftat, in welches er hinein springen könnte.

„Wenn du es wusstest, hättest du mir doch helfen können. Oder war das deine Rache, weil ich gegangen bin?“

„Gott, nein, so etwas hätte ich dir niemals antun können. Ich liebe dich! Zero all die Jahre habe ich auf dich gewartet! In meiner ganzen Ehe habe ich nur ein einziges Mal mit meiner Exfrau geschlafen und das nur, weil sie mich betrunken gemacht hat. Die ganze Zeit konnte ich nur an dich denken! Mein Cousin arbeitet in dem Gefängnis als Putzkraft und hat mir gesagt, was vor sich ging. Er hat versucht so häufig wie möglich in der Nähe zu sein, weil die Übergriffe nur dann waren, wenn die Wächter sich alleine gefühlt haben. Er hat selbst die anderen Putzkräfte um Hilfe gebeten, damit du etwas mehr Ruhe hattest. Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte!“ Karyu zog ihn an sich, umklammerte ihn und hielt ihn fest, dabei versuchte sich der Kleinere zu wehren, sich loszumachen. Er wollte das nicht, er wollte das nicht hören, nicht noch mehr daran erinnert werden, er wollte das alles einfach nur vergessen.

Seine Gegenwehr ließ nach und er krallte sich in Karyus Anzug fest. „Ich kann das nicht mehr, ich will nicht mehr. Verstehst du das denn nicht? Ich will mich nicht wieder verkleiden müssen, ich will nicht mehr darauf warten müssen, dass du Zeit für mich hast. Und selbst wenn das alles gegeben wäre, wüsste ich nicht einmal mehr, ob ich jemals wieder so sehr vertrauen kann.“ Er löste eine Hand aus dem weichen Stoff und schlug damit leicht gegen die Brust des Größeren. „Ich hab Angst! Ich hab Angst, wenn man mich berührt, ich hab Angst, wenn man mich komisch ansieht. Verdammt noch mal ich bekomme sogar Panik, wenn mir manchmal schon jemand zu dicht kommt. Auch jetzt habe ich Angst, Karyu! Ich kann dich einfach nicht mehr glücklich machen!“, wimmerte er leise und konnte nicht verhindern, dass die Emotionen ihn überrannten, dass Tränen über seine Wangen rollten. Er wollte von Karyu berührt werden, wollte sich gegen die Hand an seiner Wange schmiegen, Küsse erhalten, aber gleichzeitig wollte er auch weglaufen.

„Zero, glaub mir, du musst keine Angst haben. Wenn du nicht willst, dass ich dich berühre, warte ich bis du dich traust. Ich habe zehn Jahre gewartet, ich kann auch noch länger auf dich warten. Und was uns betrifft, so hätte ich auch dafür schon eine Lösung. Aber ich denke, das überfordert dich gerade.“ Karyu lächelte ihn an und setzte ihm die Perücke auf, strich die Tränen von seinen Wangen.

„Es wird alles gut, Zero. Wenn du mich noch liebst und mit mir zusammen sein möchtest, dann komm wieder hierher. Ich bin jeden Tag ab 18 Uhr hier. Du hast alle Zeit der Welt, ich lasse dir die freie Wahl. Egal wie du dich entscheiden wirst, ich werde es akzeptieren. Ich verspreche dir aber, dass du es nicht bereuen würdest, wenn du dich für mich entscheidest. Jetzt fahr nach Hause, Tsukasa wartet sicher schon unten auf dich“, hauchte der Größere und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Stirn.

Noch ganz aufgelöst und perplex nickte Zero und ging in den Flur, wo er sich die Stiefel wieder anzog. An der Tür drehte er sich noch einmal um. Karyu stand am anderen Ende, lächelte ihn an und winkte ihm. Zögerlich erwiderte er das Winken und verließ dann die Wohnung. Sein Geist konnte das alles gerade einfach nicht verarbeiten.

Wie Karyu es schon gesagt hatte, wartete unten tatsächlich Tsukasa. Dieser hielt ihm die Autotür auf und lächelte nur.

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, murmelte er im Auto und zog sich die Perücke vom Kopf.

„Du bist nicht mehr so leise wie früher mit der Feuerleiter. Außerdem dachte ich mir, dass du jemanden zum Reden brauchst. Ich hab Wechselsachen für dich dabei, falls du magst.“

Unbewusst schüttelte er den Kopf. „Noch nicht, aber können wir nach Yokohama fahren?“

„An deinen Lieblingsort?“, vermutete sein Bruder und lag damit ganz richtig.

Bis sie da waren und er auf die Yokohama Baybridge sehen konnte, schwieg der Kleinere.

Tsukasa legte ihm sein Jackett über die Schultern, da der Wind doch etwas stärker war. Dankbar kuschelte er sich in den warmen Stoff.

„Karyu hat gesagt, dass er damals zu uns kommen wollte und das du helfen wolltest. Stimmt das?“

„Ja, er und ich hatten das besprochen. Er wollte seinen Clan verlassen und zu uns kommen. Als ich Kiyota deswegen anrufen wollte, hat Hizumi mitgeteilt, dass du schon los bist. Es waren unglückliche Zufälle.“

Nachdenklich nickte Zero. „Es ist ungewohnt, dass du dich mit Karyu jetzt scheinbar gut verstehst…“, murmelte der Jüngere und sah auf das Meer hinaus.

„Karyu hat mir gezeigt, dass er dich wirklich liebt und da möchte ich ihn eben unterstützen. Ich will, dass du glücklich wirst und bei ihm warst du bisher immer glücklich. … Zero, was ist im Knast vorgefallen? Du suchst nahezu die Einsamkeit und des Nachts, schreist du gelegentlich in deinen Träumen. Was haben sie dir angetan?“ Tsukasa klang besorgt und sah ihn auch so an.

Er drehte sich um und lehnte sich an das Geländer. „Die Wärter haben mich jahrelang vergewaltigt und anderweitig schikaniert… Wahrscheinlich als zusätzliche Strafe, da ich sozusagen einen Kollegen von ihnen ermordet hab“, wisperte er ganz leise und schlug die Augen nieder. Sein Herz raste jedes Mal panisch, wenn er auch nur daran dachte. Automatisch zuckte er zusammen, als sein Bruder ihn in die Arme nahm. Die überraschende Geste war einfach nichts für seine Psyche im Moment.

„Warum hast du denn nichts gesagt?“, hauchte sein Bruder ihm sanft ins Ohr, so wie früher als sie noch Kinder waren. „Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin. Wenn du willst, suchen wir dir einen guten Therapeuten, der dir bei der Verarbeitung hilft“, fügte Tsukasa noch hinzu und streichelte ihm durch die Haare.

Zero fühlte sich wirklich wieder wie früher, als es nur sie zwei gab, weshalb er sich an seinen Bruder schmiegte und die Augen schloss.

„Es ist so eine Schande, ich will einfach nicht, dass es jemand erfährt. Ich werde es sicherlich schaffen, wieder normal zu werden. Es braucht sicher nur … Zeit…“ Zeit… Zeit, die Karyu ihm geben wollte. Aber wie lange würde Karyu bereit sein zu warten?

„Es ist keine Schande! Aber ich kann dich nicht zwingen. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du immer zu mir kommen. Ich bin dein großer Bruder und werde immer versuchen dir zu helfen. Verstanden?“

Leicht nickte er und schmunzelte dann. „Du riechst wirklich wie eine Bonbontüte. Hizumi hatte Recht“, gluckste er und schnüffelte noch etwas mehr an Tsukasas Hals.

„Nicht, das kitzelt!“, beschwerte sich der Ältere, wuschelte ihm aber nur durch die Haare. „Da fällt mir ein, ich hab noch etwas für dich. Vorhin kam ein Brief für dich an. Als Absender steht irgendein Giru drauf. Kennst du den?“

Schnell nickte er und ließ sich den Brief aushändigen, überflog die Zeilen.

„Wer ist das denn?“, wollte sein Bruder wissen und versuchte in den Brief zu schielen.

„Giru war die ersten Jahre mein Zellengenosse, damals als ich noch sicher war. Er ist auch ein Yakuza und fragt, ob ich ihn nicht besuchen möchte. Sein Oberhaupt würde gerne eine gute Beziehung zu unserem Clan aufbauen.“

„Willst du denn hin?“

Kurz musste er darüber nachdenken, nickte dann aber. „Ich glaube schon, es wäre sicher eine gute Gelegenheit. So kann ich auch über die Sache mit Karyu noch einmal nachdenken“, erklärte er und seufzte schwer. Irgendwie kam er einfach nicht zur Ruhe.



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