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Leuchtende Schatten

von

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Die Annäherung

Ciel
 


 

„Hast du Hunger?“, fragt er mich und lächelt freundlich.
 

So sehr ich mich auch bemühe, ich finde in seinem Blick nichts Verschlagenes, nichts Hinterlistiges.

Er hat mir erst vor wenigen Minuten gesagt, dass er am liebsten über mich herfallen würde und mich damit fast zu Tode erschreckt, aber anscheinend hat er das nicht ernst gemeint, denn gerade macht er auf mich schon fast einen brüderlichen Eindruck.

Er hat nichts mehr mit dem Mann gemeinsam, der mir vor drei Tagen in meinem Zimmer gegenübergesessen, mich mit seinen Augen fast verschlungen, und mein Herz vor Angst beinahe zum Stillstand gebracht hat.
 

Der Park hat eine unglaublich entspannende Wirkung auf mich. Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern jemals hier gewesen zu sein, umso schöner finde ich es, dass ich in meinen letzten Tagen die Gelegenheit habe, einen solch wundervollen Ort zu besuchen.
 

„Hunger direkt nicht… aber ich könnte schon etwas essen…“, erwidere ich. Ich will ihn nicht anlügen, aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Ich habe nicht erwartet, dass wir das Bordell verlassen und extra vorhin schon eine Kleinigkeit gegessen, damit ich mich ganz auf unsere ‚Studien‘ konzentrieren kann und nicht von einem knurrenden Magen abgelenkt werde.
 

Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass sich in dem großen Korb allerlei Köstlichkeiten verstecken, und ich bin schon etwas neugierig, was er mir wohl mitgebracht hat.
 

„Nun, wie wäre es dann mit etwas Obst?“, fragt er, öffnet den Deckel und zieht eine Traube herrlich praller, roter Weintrauben heraus.
 

Ich habe sofort ein Bild davon im Kopf, wie er von mir verlangt sie ihm aus der Hand zu naschen, oder von seinen Lippen zu pflücken, sie mit ihm zu teilen, aber dann fällt mir wieder ein, dass wir uns hier mitten in der Öffentlichkeit befinden und er hat außerdem gesagt, dass er heute keine sexuell angehauchten Handlungen an mir vollziehen will.
 

Ob mich das jetzt erleichtert oder enttäuscht, kann ich merkwürdigerweise nicht sagen.
 

„Was machst du denn für ein Gesicht Ciel?“, fragt er lächelnd, streckt eine Hand nach mir aus und streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn, die aber fast sofort wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückrutscht.
 

Eine Sekunde werde ich stocksteif, aber als er sich wieder zurückzieht entspannen sich meine Schultern und ich stoße erleichtert meinen Atem aus. Das hat er also gemeint.

Nun, damit kann ich umgehen… denke ich…
 

„Es ist nichts Herr“, antworte ich und zwinge meine Lippen in ein heiteres Lächeln.
 

„Na, na, na! Wir hatten doch ausgemacht, dass wir ehrlich zueinander sind, oder?“
 

Erschrocken blinzle ich über den ungehaltenen Ausdruck in seinem Blick.
 

„Ich… es tut mir leid Herr, das kommt ganz automatisch“, rechtfertige ich mich und weiß nicht wohin ich schauen soll.
 

Es ist gar nicht so einfach sich natürlich zu verhalten, wenn man sechs Jahre lang ein falsches Lächeln zur Schau getragen hat.
 

„Schon gut, mach dir keine Gedanken. Das wird schon noch“, sagt er dann und ich merke erst als er seine Hand zurückzieht, dass er mir seine Finger beschwichtigend auf den Unterarm gelegt hat.
 

Fasziniert starre ich auf die Stelle wo er mich gerade angefasst hat, ohne dass ich es wirklich bemerkt habe. Erstaunlich!
 

„Danke…“
 

Lächelnd halte ich ihm meine Hand entgegen, damit er mir von den Trauben geben kann. Unsere Hände haben sich jetzt schon öfters berührt, das macht mir auch nicht so viel aus, aber als er jetzt eine Handvoll der kleinen blauroten Früchte in meine Handfläche legt und seine Fingerspitzen hauchzart meine Haut berühren, durchfährt mich ein wohliger Schauer.

Was war das?
 

„Stimmt etwas nicht Ciel?“
 

Es ist fast unheimlich wie aufmerksam er ist. Seine rostroten Augen verfolgen jede meiner Bewegungen aber ich empfinde es erstaunlicherweise nicht als bedrohlich. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass er auf mich aufpasst und mich beschützt.

Wovor weiß ich allerdings selbst nicht.
 

„Nein, es ist alles in Ordnung.“
 

Diesmal ist mein Lächeln echt und er grinst zufrieden.

Mein Herz macht einen kleinen Sprung und kommt aus dem Takt.

Dieser Mann verwirrt mich. Er bringt mich so durcheinander, wie ich es noch nie erlebt habe.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken rücke ich noch etwas näher zu ihm hin, bis mein Knie beinahe seine Hose streift, lehne mich mit dem Rücken gegen den breiten, rauen Stamm des Baumes und schiebe mir immer wieder eine der köstlichen Trauben in den Mund.
 

Ein bisschen traurig bin ich schon.
 

Da sitze ich hier, genieße das Leben, wenn auch nur für wenige Stunden und in nicht einmal einer Woche soll alles vorbei sein. Warum kann es nicht einfach so bleiben?
 

„Warte, du hast da etwas Beerensaft an deiner Wange“, fällt Sebastian unvermittelt in meine Gedanken ein.
 

Er lässt mir gar keine Zeit für irgendeine Reaktion, da hat er auch schon seine Hand nach meinem Gesicht ausgestreckt und den Tropfen mit seinem Finger von meiner Wange gewischt.

Er hat vollkommen recht mit dem, was er vorhin in der Kutsche gesagt hat. Ich bin hier viel entspannter, viel gelöster und es macht mir tatsächlich weniger aus hier von ihm berührt zu werden.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er den Saft auf seinem Handschuh fixiert. Kurz habe ich den Eindruck, als würde er ihn ablecken wollen. Ein angenehmes Kribbeln breitet sich in meinem Magen aus als ich mir vorstelle, wie seine Zunge über das weiche Leder streicht, den Tropfen aufnimmt, der kurz zuvor noch meine Haut geküsst hat.

Dann ist der Moment vorbei und er wischt seinen Handschuh an der weichen Decke neben sich ab. Schade…
 

„Herr, warum tut Ihr das?“
 

„Was meinst du?“
 

Die Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben.
 

„Warum seid Ihr so freundlich zu mir? Ich bin beschädigte Ware. Was habt Ihr davon mir zu helfen?“
 

„Ciel, das Thema hatten wir doch schon“, versucht er mich abzuwimmeln, aber ich will wissen, was hinter all dem steckt. Er kann mir nicht weißmachen, dass alles was er von mir will mein Vertrauen ist.
 

„Gut, dann sagt mir was Ihr damit meintet, dass Ihr mich verletzten werdet. Ich weiß, dass Ihr mich wollt. Ihr habt es mir offen gesagt und ich muss zugeben, dass mir der Gedanke nicht behagt und ich nicht weiß, wie ich mich Euch gegenüber verhalten soll. In der einen Sekunde seid Ihr so freundlich zu zuvorkommend zu mir, und dann sagt Ihr mir, dass Ihr mir wehtun werdet und über mich herfallen wollt.“
 

Mein Magen zieht sich bei meinen eigenen Worten zusammen und ich spüre wie mir heiß wird. Was ist mit diesem Mann, dass ich mich so zu ihm hingezogen fühle, obwohl ich weiß, dass er nicht gut für mich ist?
 

„Es ist noch nicht die Zeit gekommen dir das zu offenbaren, Ciel. Zuerst müssen wir uns darum kümmern, dass wir deine Ängste besiegen. Alles andere ist für den Moment unwichtig“, entgegnet er mit mildem Tadel in der Stimme und ich senke beschämt und unzufrieden den Blick.
 

Er hat für mich bezahlt. Ich habe nicht das Recht ihm Vorhaltungen zu machen.

Allerdings hat er auch gesagt, ich soll ehrlich zu ihm sein und so mache ich mir nicht die Mühe ihn freundlich anzulächeln, denn gerade eben ist mir eher danach meine Arme zu verschränken und mich von ihm abzuwenden. So viel Freiheit kann ich mich mir zwar unmöglich herausnehmen, aber ich kann ihm trotzdem zeigen, dass ich mit dem Verlauf des Gesprächs nicht einverstanden bin.

Stumm starre ich ihn an und warte gespannt, wie er darauf reagiert.
 

„Das wird doch nicht tatsächlich eine ehrliche Reaktion gewesen sein?“
 

Er lacht.

Er lacht mich aus! Ist das zu fassen?

Ich spüre wie ich langsam wütend werde. Was fällt ihm ein mich dafür auszulachen, dass ich-
 

„Hört auf zu lachen!“, verlange ich und schupse ihn. Damit haben weder er noch ich gerechnet und so sehe ich schockiert dabei zu, wie er immer noch lachend zur Seite kippt. Ich rechne schon damit, dass er wutschnaubend auf die Füße springt und mich zurechtweist, aber er lacht einfach weiter.

Was für ein grotesker Anblick!

Da liegt der schönste Mann von ganz London in seinem Anzug auf einer dünnen Decke in der Wiese und hält sich den Bauch vor Lachen.

Ich spüre, wie ein Lächeln an meinen Mundwinkeln zupft. Eigentlich ist es absolut lächerlich. Aber ich bin immer noch wütend. Denke ich… „Ich habe gesagt, Ihr sollt aufhören zu lachen!“, wiederhole ich und schüttle ihn an der Schulter, aber das scheint ihn gar nicht zu interessieren. Selbst schon halb lachend beuge ich mich über ihn und rüttle immer heftiger an ihm, bis ich auf einmal das Gleichgewicht verliere und über ihn kullere.

Plötzlich packt er mich. Ich habe kurz Angst, dass er mich gleich auf den Rücken wirft und mich unter sich einsperrt, und öffne schon den Mund um zu protestieren, als er sich selbst auf den Rücken dreht, mich auf seine Brust zieht und mich dann anfängt zu kitzeln.
 

Oh verdammt! Ich wusste nicht einmal, dass ich kitzlig bin!

Kichernd winde ich mich über ihm und versuche seine Hände wegzuschieben, die plötzlich überall auf meinem Körper sind. Es fühlt sich nicht an wie eine Bedrohung, zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, als ich dann langsam denke, dass mein Bauch gleich platzt vor lauter Lachen.
 

„Hast du genug?“, fragt er mich grinsend und schiebt mich von sich auf die Decke, wo ich keuchend auf der Seite liegenbleibe und erschöpft nach Luft ringe. „Ich wusste gar nicht, dass man so kitzlig sein kann!“ Ich höre das Grinsen in seiner Stimme, kann aber nicht antworten. Mein Bauch tut weh und meine Lungen schreien nach Sauerstoff. Mein ganzer Körper glüht an den Stellen wo er mich berührt hat, aber ich kann nicht behaupten, dass es mir unangenehm wäre.
 

Schockiert stelle ich fest: Ich gewöhne mich langsam an ihn.

Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass ich eine andere Art von Berührung von ihm so einfach wegstecken kann. Würde er jetzt dasselbe tun wie vor drei Tagen, wäre das Ergebnis wahrscheinlich das Gleiche, aber jetzt gerade, jetzt in diesem Moment, fühle ich mich einfach nur wohl. Sicher.
 

Der Nachmittag vergeht wie im Flug. Die Zeit rennt viel zu schnell dahin und nur allzu bald ist es an der Zeit den Rückweg anzutreten.
 

„Ich hatte viel Spaß heute Mr. Michaelis, ich danke Euch“, sage ich und lächle ihn aufrichtig an. Diese paar Stunden haben einerseits nicht viel geändert und doch eine ganze Menge.
 

Er hat mich im Lauf des Nachmittages wirklich immer wieder mal berührt, aber jedes Mal war es weniger irritierend für mich und als er jetzt seine Hand auf meinen Kopf legt, empfinde ich es nicht als unangenehm und wundere mich über das leise Bedauern, als er seine Finger wieder zurückzieht.
 

„Es hat mir auch sehr viel Freude bereitet meine Zeit mit dir zu verbringen. Übermorgen werde ich wiederkommen und dann werden wir die nächsten Schritte einleiten.“
 

Ich spüre wie meine Handflächen feucht werden bei diesen Worten. Natürlich ist mir klar, dass wir nicht ewig so weitermachen können, denn unser Ziel ist ja ein gänzlich anderes, aber es war schön sich in diese Illusion von Freundschaft zu flüchten. Wenn auch nur für einen halben Tag.
 


 

TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  JK_Michaelis
2014-11-12T05:58:41+00:00 12.11.2014 06:58
Hey wann gehts weiter...? *wartedolledrauf*

:)
Von:  Yamis-Lady
2014-11-02T13:15:09+00:00 02.11.2014 14:15
Oooh wie gemein... Durchgekitzelt zu werden ist nicht schön OAO
Aber für alle anderen is es lustig... XDD

Hach, schönes Kapitel!
Ich freue mich auf das nächste *______*
Von:  Syo
2014-10-06T17:56:41+00:00 06.10.2014 19:56
awesome *-*
Antwort von:  ReWeJuIs
06.10.2014 19:59
Dankii!^^
Antwort von:  Syo
06.10.2014 20:01
schreib bitte schnell weiter !!!!


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