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Geheimnisse eines Stars

von

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Akt 4.2

London, 06. November

Es war bereits später Vormittag, als Lucas wach wurde. Er blinzelte in Richtung Fenster und schloss die Augen mit einem Seufzen wieder - es regnete. Nach einer Weile rappelte er sich auf, ging ins Bad und holte sich danach in der Küche etwas Obst und eine Schale Cornflakes. Während er sich die Apfelstücke in den Mund schob, fuhr er den Laptop hoch und sah nach seinen Mails.

Was will denn Mary von mir? Er öffnete die Mail seiner Arbeitskollegin und musste lachen, als er sie las.

 

Date: 06 Nov 201x  10:02:12

From: mary.mary@london.com

To: lucas.holmes@london.com

Subject: Nächstes Mal nimmst du mich mit!

 

Wenn du an Karten für solche Veranstaltungen kommst, warum besorgst du mir dann keine? Siehst echt toll aus. Wer hätte gedacht, dass man dich auf einer Party entdeckt?!

 

Liebe Grüße, Mary

 

 

Es war noch ein Link angefügt, der auf die offizielle Website der AIDS Foundation führte, die Fotos der gestrigen Gala zeigte. Sie haben uns im richtigen Moment erwischt. Judy hatte mich grad zum Lachen gebracht und ich hatte sie dafür zum Tanzen aufgefordert. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte Lucas an den Abend.

 

 

„Wie kommt es eigentlich, dass du mich gefragt hast, ob ich dich begleite? Hatten deine Verehrer schon etwas vor?“

„Lucas, ich hätte mit jedem hier sein können, aber ich wollte, dass du mitkommst. Wir haben uns seit meiner Geburtstagsfeier nicht mehr gesehen und ich wollte einfach wissen, was bei dir so los ist. Und warum nicht einen festlichen Anlass dafür nutzen?“

„Du bist wirklich einmalig!“

„Danke!“, sagte sie und lachte. „Also, was hast du seit August getrieben? Und jetzt erzähl mir nicht, du warst arbeiten!“

„Natürlich war ich nicht nur arbeiten. Ende August war ich zum Beispiel für ein paar Tage in New York. Meine Mutter spielt zurzeit in einem Broadway-Stück mit und hatte mich eingeladen. Zudem habe ich dort deine Lieblingsband wiedergetroffen.“

„Echt jetzt? Du hast Laverna getroffen?“, fragte Judy mit einem Glitzern in den Augen.

„Ja, ich hatte im Internet gelesen, dass sie in der Stadt sind, um ihr neues Album aufzunehmen und ich bin einfach zum Tonstudio.“

„Du bist von dir aus zu ihnen? Und die haben dich da rein gelassen?“

„Was soll ich sagen - ja. Ich wollte...“, für einen kurzen Moment hielt er inne und versuchte den Schmerz zu verdrängen, „Ada so gern wiedersehen.“

„Stimmt ja, du hattest dich auf meiner Party mit ihr unterhalten.“

„Ich hatte gedacht, dass sie mich gar nicht sehen will und auch meine Einladung ablehnt, doch sie hat zugesagt und am Abend sind wir gemeinsam in dem Stück meiner Mutter gewesen.“

„Du warst mit Ada Richardson aus?!“, Judys Stimme war eine Oktave höher als sonst und sie packte ihn am Arm. „Du musst mir alles über sie erzählen!“

„Ich glaube, du weißt schon so ziemlich alles über sie. Sie ist herzlich, humorvoll und einfach liebenswert. Ich hatte mich bereits auf deinem Geburtstag in sie verliebt.“

„Oh mein Gott, Lucas!“

„Sie war noch zwei Abende in New York und wir waren an beiden aus...“ Er erzählte von ihren Verabredungen und dass er geglaubt hatte, sie würden sich nie wiedersehen. „Und dann stand sie an einem Abend plötzlich in meiner Wohnung.“

„In deiner Wohnung? In der Wohnung, in der ich dich vor einer Stunde abgeholt habe? In der Wohnung, die nie aufgeräumt ist?“

„Genau in der“, antwortete Lucas und lachte, bevor er weiter berichtete. „Na ja, und im letzten Monat habe ich etwas herausgefunden, das mein Bild von ihr zerstörte. Ich kann dir leider nicht sagen, worum es sich handelt, aber ich konnte die Beziehung nicht weiterführen.“

„Lucas, es tut mir leid. Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet, ich hätte dich doch versucht zu trösten“, sagte Judy und nahm ihn in den Arm.

„Das ist lieb von dir, das zu sagen, aber mir kann nichts helfen. Ein gebrochenes Herz ist ein gebrochenes Herz. Egal, wie kitschig das gerade klingt.“

„Und es gab keine Möglichkeit, euch zu einigen?“

„Leider nicht.“

„Und hast du danach noch einmal mit ihr gesprochen?“

„Nein, sie schreibt mir zwar Mails und SMS, aber ich habe sie nicht beantwortet geschweige denn überhaupt gelesen.“

„Ach Lucas...“

„Ich weiß, vielleicht sollten wir uns noch einmal treffen und uns aussprechen, aber ich kann es nicht - sie hat mich damit zu sehr verletzt.“

„Na ja, das wird schon wieder. ... Und sieh es mal so, du hast sie kennen gelernt, als du auf meiner Party warst. Heute bist du wieder mit mir unterwegs - das kann doch nur gut ausgehen, oder?“, meinte Judy und lachte.

Lucas blieb gar nichts anderes übrig, als in ihr herzerwärmendes Lachen mit einzustimmen.

„Ja, es kann nur gut ausgehen. ... Lass uns tanzen gehen!“

Er schob seinen Stuhl zurück, stand auf und reichte ihr seine Hand. Lächelnd legte sie ihre Hand in die seine.

„Miss Monroe, ein Foto bitte!“

Ein Reporter war auf die beiden zugetreten und nachdem Judy zustimmend genickt hatte, posierten sie gemeinsam für das Foto.

 

 

Jakarta, 03. Dezember

Die Werbekampagne in Asien war so erfolgreich verlaufen wie geplant und aus diesem Grund fand auch direkt im Anschluss die Konzerttour statt. Tokio, Osaka, Hongkong, Shanghai, Singapur, Jakarta, Mumbai, alle großen Städte Asiens standen auf der Liste. Der Band blieb keine Pause zum Verschnaufen, doch Ada war froh darüber.

Die ersten Tage hat sie immer wieder versucht, ihn anzurufen, hatte ihm Kurzmitteilungen geschrieben, Mails. Doch alles blieb unbeantwortet und sie begann, aufzugeben. Mit der Arbeit lenkte sie sich ab, ständig waren sie unterwegs, ständig mussten sie Interviews geben, ständig gaben sie Konzerte vor begeisterten Fans.

„Gehen wir heute nach dem Konzert noch etwas Trinken?“

„Gern“, meinte Rachel.

„Ada?“

„Ich glaube nicht, dass ich mitkomme. Irgendwie geht es mir nicht so gut“, antwortete sie.

„Ach komm schon! In den letzten Wochen machst du gar nichts mehr mit uns. Von den Bandterminen mal abgesehen.“

„Ich… ich werde darüber nachdenken. … Entschuldigt mich bitte.“ Sie lächelte und lief dann in Richtung Garderobe. Ihre Freundinnen sahen ihr betrübt hinterher.

„Meinst du, sie ist noch wegen diesem Typen traurig?“

„Denke schon.“

„Noch fünf Minuten bis zum Auftritt!“, rief eine Stimme durch den Raum und die beiden begaben sich auf ihre Positionen. Kurz bevor der Vorhang sich öffnete, kam Ada auf ihren Platz gelaufen. Das Konzert verlief wie erwartet, sie mussten sogar zwei Zugaben geben.

Noch bevor Rachel und Anna sich umgezogen hatten, war Ada bereits weg. Sie hatte sich ein Taxi genommen und war in ein Vorstadtviertel gefahren. Es war viel zu tun, auch neben dem Singen. In fast jeder Stadt gab es einen neuen Auftrag für sie. Sie musste sich konzentrieren, den ganzen Tag über, nur nachts, wenn sie allein in ihrem Hotelzimmer lag, überfiel der Kummer sie. Jede Nacht war das Kopfkissen tränennass, jede Nacht weinte sie sich in den Schlaf.

 

 

Tokio, 11.Dezember

„In einer Stunde werden wir den Flughafen von Tokio erreichen“, sagte der Kapitän des Flugzeugs durch. „Das Wetter ist freundlich, wenn auch kalt.“

„Warum bist du gestern eigentlich so schnell verschwunden?“

„Entschuldigt, mir ging es wirklich nicht so gut“, antwortete Ada.

„Dann hättest du uns das ruhig sagen können. Wir hätten dich doch ins Hotel begleitet.“

„Der Taxifahrer war sehr nett, er hat mich bis zur Lobby begleitet. … Wie sieht eigentlich unser Ablauf für heute aus?“

Anna und Rachel sahen sich an. Sonst wusste Ada doch immer alles auf die Minute genau.

„Nach der Ankunft fahren wir ins Hotel, haben kurz Zeit uns umzuziehen und geben dann gleich eine Pressekonferenz. Im Anschluss gibt es einen kleinen Imbiss, bevor wir zu einem Radiointerview müssen. Um 17 Uhr ist Soundcheck und 20 Uhr beginnt das Konzert.“

„Okay. Danke.“

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, warum nicht?“

„Du wirkst in letzter Zeit nur so abwesend und nicht bei der Sache. Schläfst du nachts überhaupt?“, wollte Anna wissen.

„Ja, mir geht es gut. Was sollen diese ganzen Fragen?“

„Schon gut, wir machen uns nur Sorgen“, warf Rachel ein.

„Braucht ihr aber nicht.“

Den restlichen Flug über schwiegen die Drei, auch auf dem Weg zum Hotel sagten sie nichts. Erst zu der Pressekonferenz, die im großen Saal des Hotels stattfand, mussten sie wieder reden. Die Reporter machten unzählig viele Fotos, während sie Fragen über Fragen stellten.

„Ada, Sie wirken in letzter Zeit so abgespannt. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe? Was sollen ständig diese Fragen? Ich will doch nur für mich allein sein mit meinem Schmerz.

„Es sind einfach nur viele Auftritte gewesen in den letzten Wochen. Ich glaube, nach dieser Tour brauchen wir einen längeren Urlaub“, antwortete sie. „Das ist schon alles.“ Sie lächelte ihr erfrischendes Lächeln, doch ihr war überhaupt nicht danach zumute.

Nach der Pressekonferenz ging Ada auf ihr Zimmer, während sich die anderen auf den Weg zum Mittagessen machten. Sie setzte sich an den Schreibtisch, fuhr ihren Laptop hoch und öffnete das E-Mail-Programm.

 

Date: 11 Dec 201x  14:49:22

From: ada.richardson@laverna.com

To: lucas.holmes@london.com

Subject: Goodbye

 

Ich liebe dich. Jede Nacht liege ich wach und weine. Ich vermisse dich so unglaublich, doch du meldest dich einfach nicht. Ich kann das nicht mehr. Ich will dich so gern wiedersehen, dich küssen, mit dir zusammen sein, aber du scheinst es nicht zu wollen. Deshalb werde ich dich in Ruhe lassen. Ich werde dir nicht mehr schreiben, dich nicht mehr anrufen. Ich werde einfach versuchen, dich zu vergessen. Ich lass dich los… für immer. Und doch wirst du für immer in meinem Herzen sein.

 

Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie auf Senden klickte. Ich liebe dich für immer. Sie schloss das Programm, schaltete den Computer aus und machte sich im Bad frisch. Niemand sollte sehen, dass sie geweint hatte. Den restlichen Tag nahm sie wie in Trance wahr. Über allem lag eine Art Schleier, es wirkte wie in einem Traum. Man bekommt alles mit, ist aber doch nicht anwesend.

Das Konzert war fast zu Ende. Der Vorhang war bereits einmal gefallen, jetzt stand nur noch die Zugabe an. Neben den Zugabe-Rufen konnte man auch immer wieder Stay the night hören.

„Lasst uns doch Stay the night singen. Wenn die Fans den Song gern hören wollen“, meinte Rachel.

„Von mir aus.“

Sie sagten dem Musikverantwortlichen Bescheid und dann öffnete sich der Vorhang erneut. Die ersten Klänge des Songs ertönten und die Fans begannen noch lauter zu kreischen.

 
 

Ich habe gehört,
 

dass Liebe alles vergibt.
 

Ich habe gehört,
 

dass Liebe alles vergisst.
 

So please don’t go,
 

don’t let me alone.
 

Please turn around
 

And stay, stay the night.
 

 

Normalerweise sang Ada einfach nur den Text, er war ihr schon in Fleisch und Blut über gegangen, sie achtete überhaupt nicht mehr auf die Worte. Doch heute, heute war etwas anders. Während sie sang, wurde ihr bewusst, wovon sie eigentlich sang. Ihre Stimme brach weg und ohne, dass sie es wollte, liefen Tränen über ihre Wangen. Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr. Sie ließ das Mikrofon fallen, sank zu Boden und weinte. Die Maske, die sie die letzten Wochen aufgesetzt hatte, war abgefallen. Sie zeigte ihr wahres Gesicht, sie zeigte ihre Trauer, ihre Verletzbarkeit.

 

 

London, 12.Dezember

Lucas setzte sich während der Mittagspause zu seinen Kollegen in den Pausenraum. Üblicherweise machte er keine Pause, doch an diesem Tag war ihm nach etwas Abwechslung zumute. Vor gut acht Wochen hatte er seinem Vorgesetzten den Bericht über die Einbrüche überreicht, doch bis heute hatte es keine Festnahme oder anderweitige Schritte gegeben. Das Warten zermürbte ihn, denn selbst der neue Fall konnte ihn nicht ablenken. Er wollte endlich wissen, wie der Fall seinen Abschluss finden würde. Er wollte wissen, was aus ihr wurde.

Auf dem Tisch lagen die einzelnen Teile der Tageszeitung verteilt, die Schlagzeile des Kulturteils fiel Lucas jedoch sofort ins Auge. Sofort griff er nach der Zeitung und überflog den Artikel.

 

Ada Richardson – Zusammenbruch während Live-Show

Gestern Abend brach Ada Richardson (25), Mitglied der Band Laverna, während eines Konzerts in Tokio auf der Bühne zusammen. Die Band performte gerade ihren Nummer-1-Song „Stay the night“, als die Sängerin in Tränen ausbrach und auf der Bühne zusammensank. Crew-Mitglieder brachten sie in den Backstage-Bereich, während Rachel Adams und Anna Cooper das Konzert fortsetzten. Das Management dementierte Fragen nach einem Nervenzusammenbruch oder einem Burnout, obwohl Ada in ein Krankenhaus gebracht wurde. Den Grund für Adas Zusammenbruch nannten sie allerdings nicht.

Jedoch scheint ein Nervenzusammenbruch wahrscheinlich. Bereits in den letzten Wochen wirkte sie bei den Auftritten und Interviews müde und ausgelaugt. Die Augen waren meist verquollen, als ob sie geweint hätte. Was ist der Grund für ihre Traurigkeit? Was lässt sie nachts nicht mehr schlafen? Ist es Liebeskummer? Ein Crewmitglied berichtete, dass Ada von ihrem Freund, den sie der Öffentlichkeit vorenthalten hatte, verlassen wurde. Oder ist es doch nur der Stress der Asien-Tour?Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.


 

 

Oh mein Gott! Hoffentlich geht es ihr gut. Er betrachtete das Foto, das von ihr abgebildet war. Sie wirkt wie ein Schatten ihrer selbst. Soll das wirklich wegen mir sein? Soll ich ihr so viel bedeutet haben? Ich muss sie unbedingt anrufen. Lucas riss den Artikel aus der Zeitung und ging zurück in sein Büro. Unter den verstreuten Akten auf seinem Schreibtisch suchte und fand er sein Handy und wählte ihre Nummer.

„Der gewünschte Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.“

Enttäuscht legte er auf. Verdammt!



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