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Bullum Solare

von

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Ein Tag im Leben der Makoto Kino

„Habt ihr schließlich Freunde außerhalb des ehrwürdigen Kreises der Kriegerinnen?“

Obwohl sie schon oft beleidigend war, war dieser der Satz, der mich am meisten getroffen hat. Und er lässt mich seit Tagen nicht los. Mit der großartigen Folge, dass ich noch häufiger Kimikos Gesicht vor meinen Augen sehe. Die gesunde Kimiko, die meinetwegen noch nicht ihr Leben im Krankenbett fristete unfähig ihre Umgebung wahrzunehmen.

Kimiko war die erste, zu der ich eine engere Beziehung außerhalb des Sailorkreises wagte. Obwohl kein Feind in Sicht war, scheute ich mich vor neuen Freundschaften. Klar, ich bin mit dem Jungen aus der Kochschule ausgegangen, aber ernst wurde es nie – zu oft sind meine Schwämerein schon in Gefahr geraten, sodass ich aus schlechtem Gewissen den Kontakt nicht aufrecht gehalten habe. Wer sagt, dass nicht bald wieder eine unheimliche Kreatur um die Ecke gesprungen kommt und unschuldige verletzt. Zu oft sind wir schon überrascht worden. Am besten es gar nicht riskieren.

Doch bei Kimiko konnte ich nicht anders als mich ihr anzunähern... und was ist passiert?

Ob die Scheu bei anderen auch so ausgeprägt ist, wie bei mir?

Reis Geburtstagsparty. Fast dreißig Gäste. Acht von ihnen Kriegerinnen. Reis Vater und Großvater. Einige Studienfreunde, Reis Mikus, zwei alte Schulfreundinnen. Minako hat Koyko Asakawa mitgenommen. Es waren doch zwanzig der anwesenden normale Menschen... mit denen ich kaum über Konversationen über das Wetter herausgekommen bin, weil ich Angst hatte mich zu gut mit ihnen zu verstehen und sie in Gefahr zu bringen. Bloß Motoki und Yuichiro waren alte Gesichter, die ich kannte, die sich jedoch ein anderes soziales Umfeld gesucht hatten. Mit ihnen zu sprechen, war kein Problem, schließlich würden sie nach diesem Abend wieder aus meinem Umfeld verschwinden. Motoki war in die USA gegangen und zufällig in Tokio gewesen, weil auch seine Mutter in dieser Woche Geburtstag hatte. Und Yuichiro hatte vor zwei Jahren aufgehört Rei hinterhezulaufen und war verheiratet mit einer Kindergärtnerin, die inzwischem im sechsten Monat schwanger ist.

Heiraten, Kinder. Ob ich es je verantworten kann, Kinder zu haben?

Nein, die anderen haben keine Scheu. Minako hat Kyoko und einige andere ihrer Schauspielkollegen... Ami hat ihren Boss (auch wenn sie es nicht zuegeben möchte)... Rei hat ihre Mikus und Studienkolleginnen... Doch sowohl Reis Mikus als auch Amis Umfeld SIND schon in Gefahr geraten, nur nicht mit so drastischen Folgen wie bei Kimiko.

Und bei diesen Gedankengängen bin ich froh, dass ich keine Eltern mehr habe und meine Großeltern in Kyoto wohnen. Ich muss nur daran zurückdenken, dass Usagis Tante und Cousine ewige Narben aus ihrer Bekanntschaft mit den Feinden tragen werden.

Ich habe keine Familie in unmittelbarer Nähe, die ich in Gefahr bringen kann.

Heiraten, Kinder... ich habe wohl in nächster Zeit nicht vor, eine Familie zu gründen, auch wenn es eigentlich mein größter Wunsch ist mit meinem Traumprinzen vor dem Altar zu stehen.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir zwar die Retter der Erde sind, aber die Verderbnisbringer unserer Freunde.

Akane Tayo hat schon Recht, wenn sie sich dezidiert gegen „normale“ Freunde entscheidet.

Und trotz all dem, habe ich das Gefühl, dass ich den Kontakt zur Realität verliere, wenn ich mich nur auf eine Freundschaft mit den Sailorkriegerinnen beschränke. In normalen Zeiten war unsere übernatürliche Kraft kein Thema und wirkte sich nicht auf unseren Alltag aus. Aber jetzt gibt es nichts anderes mehr, selbst bei Reis Party in Anwesenheit anderer wurde das Thema angeschnitten.

Ich würde so gerne wieder ein normales Gespräch führen und mich jemandem anvertrauen, der nicht gegen übernatürliche Wesen kämpfen muss, der einen bodenständigen, „normalen“ Blick auf die Welt hat.

Wenn ich es nur verantworten könnte.

Denn da ist schon Zimmer 15.07, in welchem Kimiko seit Monaten im Koma liegt.

Kimiko, meine Mentorin, meine Förderin. Eine der Frauen, wie ich sie mir immer zum Vorbild nehme. Erfolgreich, klug, schön, elegant, und obwohl es vom Alter her unmöglich ist, ich habe mir gewünscht, sie wäre meine Mutter.

Jetzt liegt sie da regungslos. Weil sie mit mir Kontakt hatte. Es ist meine Schuld.

Makoto setzte sicht und nahm vorsichtig Kimikos Hand. Sie war kalt. Ihr Gesicht zeigte keine Regungen. Die Schläuche, die durch ihre Nase gingen, verbargen die Eleganz, die sie einmal ausgestrahlt hatte. Makoto wusste gar nicht, warum sie ihn brauchte, oder wozu er gut war. Die Ärzte weigerten sich Auskünfte zu geben, weil sie keine Verwandte war. Sie wusste auch nicht, ob Kimoko bald, nach einigen Jahren, oder überhaupt aufwachen würde. Sie kannte keine konkrete Diagnose.

„Ich weiß noch immer nicht, ob es rührend oder traurig ist, Sie hier jeden Tag zu sehen.“

Makoto zuckte zusammen und drehte sich um. Der Schreck verging bald und sie seufzte. „Müssen Sie sich immer von hinten anschleichen, Herr Ito?“

„Sie sitzen nun mal immer mit dem Rücken zur Tür. Wenn ich diese laut auftrete, erschecken Sie sich genau so.“ Herr Ito stelle ihr einen Kaffeebecher hin. „Für Sie.“

„Danke, aber ich trinke keinen Kaffee.“

„Jeder arbeitende Mensch trinkt Kaffe.“ Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben Makoto. Kaum einie Sekunde später, spürte sie ein Kribbeln im Bauch.

Während Makoto ihren Blick weiterhin gebannt auf Kimiko hielt, um ja es nicht zu verpassen, wenn es eine Regung geben sollte, äugte Herr Ito Makoto. „Ich darf Ihnen so viel verraten, sie ist weit entfernt vom Hirntod.“ Makoto schnaufte, es war nicht die Art von Auskunft, die sie hören wollte.

Sasuke Ito war einundzwanzig und Krankenpfleger. Noch nicht lange in diesem Job tätig, wusste nur wenig über die konkreten Diagnosen seiner Patienten und man vertraute ihm so wenig wie möglich an, hatte er sich vor kurzem vor ihr beklagt. Daher hielt sie diese Information nicht allzu vertrauenswürdig. Sie sah ihn daher nicht an.

„Was machen Sie in ihrer Freizeit?“, fragte er. Makoto wandte sich zu ihm. „Ich sehe Sie so oft und weiß eigentlich nur, dass sie Kimikos Schülerin sind. Und, dass sie neunzehn sind.“ Sie schwieg. „Also, dann verrate ich etwas von mir um das Eis zu brechen. Ich besitze eine rieisge Sammlung Mangas, von denen ich aber nur die Hälfte gelesen habe, weil ich dann doch lieber ein Buch verschlinge. Und ich besitze mehr Bücher, als ich gelesen habe. Jetzt Sie.“

Makoto lächelte. Herr Ito war ein wenig seltsam. Auf der einen Seite sah er gut aus, denn er war groß, hatte schöne dunkle Augen, aber helles Haar, vielleicht konnte man jedoch kritisieren, dass er ein wenig zu schlacksig war. Auf der anderen Seite hatte er einige seltsame Charaktereigenschaften, die ihn aber liebenswürdig machten. So hatte es ewig gedaurt, bis er es wagte, Makoto überhaupt zu grüßen, doch dann hörte er fast nicht mehr auf die reden. Er trug unter seinem Krankenpflegerkittel immer ein witziges T-Shirt, das durch die weiße Uniform duchzusehen war. Heute trug eines mit zwei raufenden Katzen.

„Ich koche auch in meiner Freizeit gerne und versuche mich als Floristin.“

„Sie sehen mir auch wie jemand aus, der einen grünen Daumen hat.“ Herr Ito fummelt an den Geräten herum, an denen Kimiko angeschlossen war, doch ließ Makoto dabei aber nicht aus den Augen. „Bei mir sterben sogar Kakteen nach einer Woche.“ Als er über seine eigene Aussage lachte, verschüttete er fast seinen Kaffee über Kimiko. Makoto knurrte. „Aber meinen Patienten, denen geht es immer gut! Menschen kann ich am Leben erhalten!“

Sie kicherte. Er war lustig. Seltsam aber lustig.

Sasuke Ito kicherte mit: „Ich würd ja gerne mal probieren, was sie so hinterm Küchenherd zaubern. Stört es Sie, wenn ich heute Abend zum Essen vorbeikomme.“

„WIE BITTE!“, schrie Makoto.

Dann herrschte einige Sekunden Stille.

Herr Ito seufzte: „Ich hab’s grad versaut, oder?“

Makoto sagte nichts.

Herr Ito stand auf und im Gehen murmelte er vor sich hin: „Mann, ich hätte nicht auf meinen Bruder hören sollen. Was hat der schon für ne Ahnung von Frauen. Null Komma Nix.“

Erst als sie seine Stimme nicht mehr hören konnte, realisierte Makoto, was gerade geschehen war. Sie sprang auf und lief Herrn Ito auf den Krankenhausgang nach. Er war nicht mehr zu sehen. Sie rief seinen Namen, er reagierte nicht. Wahrscheinlich war er in einem der Krankenzimmer verschwunden.

Makoto seufzte. Sie hatte ihn nicht enttäuschen wollen. Auch wenn seine Anmache ungeschickt war, sobald die erste Überraschung vorbei war, hätte sie ihn wohl wirklich zu sich eingeladen. Aber dieser Dummkopf war einfach verschwunden, ohne eine konkrete Anwort zu erhalten.

Sie wollte nicht mehr hier bleiben. Sie ging in Kimikos Krankenzimmer um ihre Handtasche zu holen.

Makato sah auf ihre Freundin im Koma.

Herr Ito glaubte, er hätte seine Chancen bei ihr vespielt und wahrscheinlich war es auch besser so.
 

Eigentlich müsste es Ami genau so gehen wie ihr. Schließlich waren auch ihre Chefs von einem Monster angefallen worden. Allerdings hatte es weniger die Personen als das Gebäude getroffen. Ihe Vorgesetzte war schon seit langem aus dem Krankenhaus entlassen worden und ein Psychiater hatte ihr einreden können, die unheimliche Begegnung sei eine adrenalininduzierte Einbildung gewesen, auch wenn sie – nachdem seit dem Vorfall im Kino die Öffentlichkeit wieder zu vermuten anfing, dass eine überirdische Gefahr drohte – sie daran zu zweifeln begann. Doch es gab keinen langfristigen, psychischen Schaden, physisch sowieso nicht. Und in dem Labor konnte nach dreimonatiger Stillegung wegen Wiederaufbau wieder der Betrieb aufgenommen werden. Ami erzählte von ihrer Arbeit und benutze Vokabel, von denen Makoto noch nie gehört hatte. Unterbrochen wurde die Fachsimpelei nur, wenn Ami von ihrem Boss redete.

„Er gefällt dir, nicht wahr?“

Ami hättte fast ihr Eis fallen lassen. „Ja, aber da bin ich nicht die einzige. Er ist ein richtiger Traummann. Keiner verübelt mir, dass ich mich ein wenig in ihn verguckt habe. Und ich bin Realisten, ich betrachte meine Chancen als sehr gering.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie einen Abstand von fünf Millimetern.

Makoto war verwundert. Minako und sie zogen Ami schon seit langem damit auf, dass sie romantische Gefühle für ihren Boss – der um einiges älter war als sie - hatte, und immer blockte sie ab. Es war das erste Mal, dass sie derartiges zugab. Und daher fand sie es umso bedauernswerter, dass Ami ihre Chancen als so gering einstufte, dass sie eigentlich aufgab. Hatte Ami schon einmal einen Freund gehabt? War sie überhaupt schon einmal verliebt gewesen?

Makoto dachte an Kimiko. Wahrscheilich besser so.

„Wie sieht es bei dir aus? Gibt es bei dir im Moment jemanden?“

Die Mädchen saßen im Park und genossen das erste Eis der Saison. Makoto genoss die Farben der Blumen, die langsam zu sprießen begannen, und das Grün der Bäume. Als Ami ihr die Frage stellte, betrachtete sie ausgerechnet einen Rosenbusch.

„Ich bin heute angebaggert worden.“

„Wirklich! Wo denn?“ Wie viel es wohl Ami kostete, über so ein Thema zu reden, Jungs waren kein Thema, über das sie gerne sprach. Aber sie gab sich Mühe nicht allzu verklemmt zu wirken und Makoto sprach weiter.

„Im Krankenhaus, einer von Kimikos Pflegern.“

„Und? Was hast du gesagt?“

„Ehrlich gesagt, er hat sich so ungeschickt benommen, dass er geflüchtet ist, ehe ich etwas sagen konnte.“

„Hm... vielleicht versucht er es noch einmal.“ Pause. „Was hättest du denn gesagt?“

Makoto überlegte kurz. Romantisch wie sie war, tendierte das erste Bauchgefühl zu ja, allerdings bekam sie ja auch seit neuestem Magenschmerzen, wenn sie sich ihren Traumprinzen ausmalte. „Weißt du, er ist lieb, aber eigentlich hab ich im Moment keine Lust auf eine Beziehung.“

Ami ließ wieder fast ihr Eis fallen. „Du und keine Lust auf Beziehung? Soll ich dich daran erinnern, dass du dich fast jede Woche in einen anderen verguckst.“

„Jetzt übertreib nicht.“

„Ich übertreibe nicht. Ich kann dir unseren SMS-Verkehr vorlesen.“ Ami holte ihr Handy hervor. „„Wieder haben sie ’nen neuen süßen Kellner eingestellt.“ „Hey, kann ich die Nummer von diesem Studienkollegen von dir haben, der ist ur fesch.“ „Hab grad ’nen Typen im Restaurant getroffen, der sieht aus wie mein Ex-Freund. Ich werde ihn auf ein Dessert einladen.“ „Heute...““

„Das reicht, Ami. Ich hab’s verstanden.“ Sie hatte sich noch nie als so flatterhaft wahrgenommen. War das ein Resultat ihrer Ängste, anderer bei langfristiger Beziehung in Gefahr zu bringen?

Ami packte kichernd das Handy weg. Ja, sie hatte auch einmal das Recht jemanden aufzuziehen, wo sie doch meistens das Opfer war, aber Makoto war heute nicht in der Stimmung dafür auf den Arm genommen zu werden.

„Weißt du, ich hab nachgedacht. Der große Erfolg der letzten Zeit war toll. Ich bin lieber eine Karrierefrau und eröffene eine Luxus-Restaurant-Kette als Hausfrau zu sein. Heiraten und Kinder bekommen ist nicht so mein Ding. Das behindert mich nur.“

„Es gibt genug Frauen, die schaffen beides. Vor allem mit einem guten Mann.“ Sie sah Makoto länger an und redete weiter, als sie nichts erwiderte. „Wieso der Sinneswandel?“ Keine Antwort. „Seit Reis Party wirkst du überhaupt verändert.“

Makoto seufzte: „Es ist wegen Kimiko. Ihr Zustand wird nicht besser.“

Ami verstand es in diesem Moment. „Und du gibst dir die Schuld.“ Makoto schluchzte und Ami legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Es kann immer und überall passieren. Jedem. Es lag nicht an dir.“

Makoto konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten: „Aber... sie war ja nur dort, weil sie mich abholte. Hätte sie mich nicht kennengelernt, dann wäre sie nicht angegriffen worden und läge jetzt nicht im Koma.“ Sie schniefte. „Es ist... ich habe das Gefühl, es ist wirklich besser, von anderen Menschen einfach fern zu bleiben. So viele unserer Freunde wurden schon verletzt, ich will nicht noch mehr Leute in Gefahr bringen.“

„Aber... du hast ja die Kraft sie zu retten.“

„Ich hätte lieber die Kraft sie gar nicht in Gefahr zu bringen.“

Ami wirkte überfordert. Es fiel ihr schwer auf Emotionen anderer einzugehen. Doch sie gab sich weiter Mühe, und stellte sich besser an, als manch stark empathische Menschen: „Dann denk daran, dass wir damals noch weit davon entfernt waren uns mit den Gegnern anlegen zu können. Denk an die Macht, die wir jetzt haben, mit der wir sicher viel mehr erreichen können, als je zuvor.“

Makoto wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie musste Ami Recht geben, doch Seelenfrieden brachte ihr diese Erkenntnis noch lange nicht.

Ami lächelte: „Weißt du, Tayo hat was Kluges auf Reis Geburtstagsparty gesagt.“

„Komm mir nicht mit der.“ Wegen Akane Tayo saß Makoto überhaupt in der Sinneskrise. „Was kann sie mit ihrem Alkoholspiegel schon für kluge Sachen gesagt haben?“

„Selbstmitleid ist kontraproduktiv und von Was-Wäre-Wenn-Szenarien wird man nur verrückt.“ Pause. „Und, dass man die Gelegenheiten stets beim Schopf packen soll, immer gegen alle Widrigkeiten ankämpfen und sich nicht aufgeben soll. Kopfzerbrechen bringt nichts. In jedem Versagen soll man eine neue Chance erkennen. Und Gaben soll man nicht verfluchen, denn dann werden sie wirklich zum Fluch.“

Makoto sah Ami skeptisch an. Sie hatte zu dick aufgetragen. „Den Großteil hast du erfunden.“

Ami kicherte: „Nicht ganz. Einen Teil hat mir Usagi einmal gesagt.“

Sie schwiegen. Makoto dachte nach. Es war schon seltsam, dass man sich von einem dämlichen Satz so unterkriegen lassen konnte und all seine Träume aufgab, während die vielen Motivationssprüche Amis kaum Linderung brachten. Hingegen schien die Erwähnung Usagis Wirkung zu zeigen. Nicht einen Funken von Zweifel schien zu haben, obwohl ihre große Liebe sie nicht mehr sehen wollte, ihre Cousine und ihre Tante schwer verletzt worden waren und ihre Macht viel Verderben gebracht hatte. Im Gegensatz dazu, schien Makotos Problem gar klein.

Sie kaute auf ihren Lippen. Die Magenschmerzen waren zwar noch immer da, wenn sie an ein Date mit Sasuke Ito dachte, doch eine leise Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie Gelegenheit beim Schopf packen musste.

Die Stille wurde von Amis schrillem Handyklingelton unterbrochen. „Das war meine Erinnerung. Ich muss los, sonst komme ich zu spät auf die Uni.“ Den Rest des Eis warf sie in eine Mülltonne und packte ihren Rucksack mit Laptop und Büchern darin, ihren Aktenkoffer mit Notizen und Ausdrucken, und den Plastiksack, indem sich noch weitere Bücher befanden. „Mach’s gut.“ Ami lief los.

„Warte kurz!“, rief Makoto ihr nach.

Ami blieb stehen. „Was ist denn noch?“

„Ich werde ihn anquatschen. Versprich mir, dass du deine eigenen Ratschläge befolgst.“

Es schien nicht, dass Ami wusste, worauf Makoto hinauswollte.
 

Eine Stunde später befand sie sich wieder im Krankenhaus, allerdings nicht wegen Kimiko, sondern wegen Sasuke Ito. Zwar konnte sie nicht umhin einen kurzen Blick auf ihre Chefin zu werfen (vielleicht hatte sich ihr Zustand inzwischen verbessert), doch in erster Linie strebte sie das Pflegerzimmer an.

Man hatte ihr gesagt, Herr Ito sei gerade mit Patienten beschäftigt, sie solle vor dem Aufenthaltsraum auf ihn warten, denn der erste Weg, den er nach getaner Arbeit erledigte, war zur Kaffeemaschine. Makoto dachte, wenn sie ihn zum Essen bei sich einlud, musste sie vorher unbedingt Kaffee kaufen.

Sie war der nervös. Das war sie zwar immer, wenn sie einen Jungen ansprach, doch der Grund war, dass sie nie wusste, ob der, den sie ansprach, sich auch für sie interessierte, und sie Angst vor einer Abfuhr hatte. Bei Herrn Ito wusste sie, dass sie auf der sicheren Seite war, schließlich hatte er den ersten tolpatischigen Schritt gemacht. Es waren die Zweifel, ob sie das Richtige tat, ob sie ihn nicht in Gefahr brachte, wenn sie sich ihm näherte.

„Sie sind schon wieder hier?“, erklang plötzlich seine Stimme. Makoto erschrak. Sasuke Ito sah deprimiert aus. „Wenn Sie über mich Beschwerde einlegen wollen, können Sie das beim Personalchef tun. Der sitzt im ersten Stock, Tür Nummer drei.“

Makoto holte tief Luft und lächelte. „Wissen Sie, heute Abend ist schlecht, ich habe kaum Zutaten zu hause. Wann haben Sie morgen Feierabend?“

Herr Ito sah sie verwirrt an.

„Und wagen Sie es nicht, abzulehnen. Zu meinen Hobbys gehört auch Karate.“

Sasuke Ito grinste von einem Ohr bis zu anderen.
 

Sie hatte das richtige getan, redete sie sich ein. Es war richtig.

Eben hatte sie das Gebäude verlassen. Makoto wollte Ami eine SMS schreiben, als ein Anruf einging. „Hey, Usagi.“

„Mako, hör mal, Minako“, sobald Minakos Name fiel, hörte man sie laut im Hintergrund Hallo rufen, „hat zwei Karten für die Fernsehpreisverleihung morgen übrig. Sie hat sie mir gegeben, weil ich ihre beste Freundin bin, aber sie kann sich nicht entscheiden, wen sie sonst mitnehmen soll. Du wirkst im Moment, als ob du Ablenkung brauchen könntest.“

Ami hatte ähnliches angedeutet. Hatte man ihr wirklich so gut angesehen, dass ihr gerade sehr viele ernste Themen durch den Kopf gingen?

Sie seufzte. Bei allen Problemen, die sie selber hatte, wollte Usagi immer für einen da sein. Und sie würde nicht böse sein, wenn sie absagte:„Ich kann leider nicht. Ich habe ein Date.“

Es folgte ein Fragenschwall, dem Makoto kaum folgen konnte. Also beschloss sie einfach alles zu erzählen, musste aber immer wieder unterbrechen, weil Minako auch sofort Bescheid bekommen wollte. Es folgten mehrere Glückwünsche. Makoto wusste nicht, ob das wirklich angebracht war in Anbetracht ihrer Zweifel. Würde sie Herrn Ito das Leben retten können, wenn etwas passierte?

Makoto blieb der Atem stehen. Sie spürte es.

„Usagi, ich ruf dich später zurück.“

„Was... was ist los? Mako?“

„Ich bin beim Krankenhaus und etwas stimmt hier nicht. Melde mich später.“ Sie legte auf, sonst würde Usagi ihr noch mehr Löcher in den Bauch fragen.

Makoto rannte zurück ins Gebäude und in die erste Toilette, die sie fand. Einmal hatte sie den Stab nicht mitgehabt. Und es war Kimikos Verderben gewesen. Ein solcher Fehler würde ihr nie wieder unterkommen, dachte sie und zog den Verwandlungsstab aus ihrer Handtasche. Doch würde sie fähig sein, so viele Menschen zu retten?

„MACHT DER JUPITERNEBEL, MACH AUF!“

Wie dreist war das eigentlich? Ein Krankenhaus. Ein Bau, wo kranke und schwache Menschen lagen, die sich noch weniger wehren konnte. Sie erinnerte sich nicht daran, dass irgendein Feind schon einmal gewagt hatte, einen solchen Ort anzugreifen. Einen, wo schon jemand lag, den sie fast umgebracht hätten.

Makoto lief los und drängte sich an den Leuten vorbei, wobei einige Schnappschüssen von der berühmten Sailor Jupiter machten. Irgendwie regte sie das auf, doch sie ignorierte es gekonnt, bis sich ein junges Mädchen ihr tatsächlich in den Weg stellte.

„Aus dem Weg!“ Es reagierte nicht und sie stieß es grob weg.

Die Zeit drängte. Bald würde es da sein. Es kam unter der Erde, die leichten Vibrationen des Bodens hatte sie schon unter der Erde gespürt. Was auch immer sein Ziel war, es suchte etwas im Krankenhaus. Es war nicht sie. Aber sie würde es schon auf sich aufmerksam machen.

Und dann war es direkt unter ihr, kurz vorm Eingang. Makoto blieb stehen. „BLITZ DES JUPITER!“, sie zielte Richtung Boden, „SIEG.“ Der Blitzschlag traf so gezielt, wie es ihr noch nie gelungen war, hinterließ nur ein kleines Einschlagloch und drang nach unten. Es war das erste Mal, dass Sailor Jupiter das Ausmaß ihrer neuen Macht spürte. Und der Blitz traf das Wesen. Sie hörte das nicht definierbare Brüllen der Kreatur.

„Was ist denn hier los?“

Jupiter drehte sich entsetzt um. Bei den Treppen sah sie Herrn Ito.

„Macht, dass ihr weg kommt,“ schrie sie. Und in dem Moment barst der Boden auf und das Monster brach hervor, eine pervertierte Version eines Wurms.

Es ging zu schnell, als dass die Menschen flüchten konnten. Und sie musste noch schneller handeln.

„BLITZ DES JUPITER, SIEG!“, rief sie wieder. Und sofort schlugen die Blitze auf den Kopf des Wurms ein. Einmal schrie das Ungetüm noch, ehe es sich in Rauch auflöste.

Sie hatte ihre eigene Macht gespürt, doch sie konnte es dennoch kaum glauben. Hatte sie gerade das Monster ohne Hilfe besiegt, ohne auch nur einen Schweißtropfen zu vergießen.

Aber wir haben die Kraft andere zu beschützen, hat Ami gesagt. . Denk an die Macht, die wir jetzt haben, mit der wir sicher viel mehr erreichen können, als je zuvor.

Jupiter drehte sich um. Keiner war verletzt. Einige zitterten, doch die Angst würde vergehen. Ihr Blick fiel auf Herrn Ito, der mit einer Mischung aus Furcht und Begeisterung auf sie schaute. Sie lächelte ihm zu, doch er merkte es nicht.

Vielleicht hatte sie nicht die Macht, andere nicht in Gefahr zu bringen, aber sie hatte die Macht andere zu beschützen. Davon war sie überzeugt. Jupiter hatte immer schon viel Wert auf Kraft gelegt und es war das erste Mal, dass sie wirklich das Gefühl hatte, diese zu besitzen. Und irgendwie schien dies ihre Magenschmerzen zu beruhigen.

„Jupiter,“ hörte sie jemanden rufen. Sie sah Sailor Moon und Sailor Venus auf sie zukommen. „Bist du in Ordnung?“, fragten sie gleichzeitig.

Sailor Jupiter lächelte: „So gut ging es mir schon lange nicht mehr.“

„Sie hat das Monster mit nur einem Schlag besiegt,“ jauchzte das Mädchen, das sich Jupiter zuvor in den Weg gestellt hatte. „Sie hat uns alle gerettet. Sie ist eine Hel...“

„Gehen wir,“ unterbrach Jupiter. Wenn sie noch mehr von den lobenden Worten hörte, würde sie noch anfangen zu heulen. Trotzdem drehte sie sich noch einmal zu Herrn Ito um, der ein weinendes Kind beruhigte, und dachte: Bis morgen.



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