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Der Wolf in mir

von

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Bestimmung?

Lindsey glaubte ihr Schädel würde platzen, so sehr pochte ihr Kopf, als sie allmählich aufwachte. Ihr Blick war verschwommen und sie musste mehrmals die Augen zusammenkneifen, weil sie der Schein der Kerzen blendete. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an das Licht gewöhnte und ihre Umgebung genauer betrachten konnte. Ein stetiges Tropfen war zu hören, wie das in einer Höhle, wo Wasser von der Decke tropft. Sie konnte ihren Kopf nicht richtig drehen, um den ganzen Raum in Augenschein zu nehmen, weil ihr Nacken total verspannt und steif war. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Hände, über ihrem Kopf zusammengebunden waren und sie von der Decke hing. Ein Modergeruch stieg in ihrer Nase auf und wurde immer stärker, je wacher sie wurde. Wo war sie nur wieder gelandet? Es stank eindeutig nach Verwesung. Das Mädchen glaubte erneut kotzen zu müssen. Doch sie unterdrückte den Würgereiz und überlegte, wie sie von der Decke kommen sollte. Sie musste wieder zurück auf den Boden. Zurück zu den Anderen. Der Irre lief immer noch herum und würde nicht aufgeben, bis er das Artefakt wieder hatte.

Die meisten Waffen, die sie bei sich gehabt hatte, waren ihr weggenommen worden, doch vielleicht hatte man den Dolch in dem Schuhversteck nicht gefunden. Unter großen Anstrengungen hievte Lin ihre Beine nach oben zu ihren Händen. Der Schmerz durchzuckte ihren ganzen Körper und ließ sie schmerzhafte Laute ausstoßen, doch sie riss sich zusammen und schrie nicht. Wenn sie das tun würde, wäre diese Aktion umsonst. Doch sie hatte Glück.

Das Messer von Tamara, war noch da. Geduldig und Stück für Stück, schnitt die Assassine das Seil durch, an dem sie von der Decke hing. Aus mindestens gut ein Meter Höhe, fiel sie nach unten, wo sie nur der Schmerz ihrer Rippe begrüßte, sie sich aber ansonsten nichts getan hatte.

Eine Weile verharrte sie auf dem Boden und lauschte jedem Geräusch, das an ihr Ohr drang, doch da war nichts – zu ihrer Erleichterung. Langsam schlich sie sich durch den Raum, achtete dabei darauf wohin sie trat. Sie war erneut in einem Raum, fast wie der vorherige, in dem es von Leichen und Knochen nur so wimmelte. Wie krank musste ein Mensch sein, um so etwas tun zu können? Diesmal war es eine große Halle, die an einen Festsaal oder ähnlichem erinnerte, nur wurde er jetzt als Leichenhaus verwendet. Mit Mühe bekam Lin die große schwere Holzflügeltür auf und zwängte sich hindurch. Um die Ecke fand sie ihre restlichen Waffen und die Tasche, die sie mitgenommen hatte. Schnell hatte sie alles wieder beisammen und machte sich auf den Weg den Ausgang zu suchen. Sie wollte schleunigst da raus.

Die Gänge waren mit Fackeln ausgeleuchtet, sodass es der Assassine diesmal erspart blieb im Dunkeln umherzuirren. Es war viel zu still ihrer Meinung nach und in ihr war die Hoffnung, dass der Verrückte vielleicht schon die Flucht ergriffen oder Tamara ihn umgebracht hatte. Dennoch ging sie kein Risiko ein und verhielt sich so ruhig, wie nur irgend möglich.

Jeder neue Gang, jede Abzweigung, führte sie in einen neuen Teil des Tempels, der ihr bisher erspart geblieben war. Und hinter jeder Tür hoffte sie einen Ausgang zu finden, doch jedes Mal wurde sie enttäuscht. Es war entweder nur wieder eine Treppe nach unten oder ein Raum, der darauf wartete erkundet zu werden. Aber sie ließ es bleiben, auch wenn ihre Neugier noch so groß war.

Nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit versuchte das Tageslicht wiederzufinden und in unzähligen Gängen umhergeirrt war, kam sie in einen runden Raum, der nur spärlich beleuchtet war. Ein Loch, das in der Decke prangte, ließ das Licht von draußen hereinfallen und tauchten alles in einen leicht blau-weißen Schein.

Draußen war es schon Nacht.

Es sah so aus, als wäre dieses Loch nicht zufällig entstanden. Zumindest machte es nicht den Eindruck, denn dafür waren die Kanten viel zu sauber in die Decke eingehauen. Die Ränder waren nicht uneben und der Durchmesser schien exakt berechnet worden zu sein. Genau unter diesem Loch befand sich ein kleines Podest, um den in gleichen Abständen Spiegel angebracht waren, die alle in einem gleichen Winkel zur Wand zeigten.

Lindsey trat in die Mitte des kleinen Podestes und schaute nach oben. Durch das Loch sah sie den Himmel, der mit Sternen übersät war, nur der Mond war von einer Wolke überdeckt. Er schien noch nicht lange aufgegangen zu sein, denn er war noch in nordöstlicher Position, doch würde nicht mehr lange brauchen, bis er den Zenit erreicht hatte.

Unten auf dem Boden des Podests war etwas eingraviert. Schriftzeichen einer Sprache die Lindsey vorher noch nie gesehen oder gelesen hatte. Wie sollte sie wissen was da stand, wenn sie es nicht mal lesen konnte? Aber vielleicht kann es etwas anderes.

Das Mädchen begann in ihrer Tasche zu kramen. Irgendwo müssen sie doch sein. Wenige Sekunden später hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte. Der Lederbeutel mit den Artefakten. Sie war so froh darüber, dass der verrückte Typ sie nicht in ihren Sachen gefunden hatte, sonst hätte er sie womöglich noch behalten und ihre ganzen bisherigen Bemühungen wären umsonst gewesen.

Diesmal griff sie nicht nach dem Artefakt, welches ihr Visionen brachte und in die Vergangenheit blicken ließ, sondern nahm das andere Stück heraus. Dieses hatte sie in Havanna einem Handelsmann abgenommen und ihn dabei getötet. Doch das war auch gut so. Sie weiß auch noch genau, was dieser Teil mit dem Mann angestellt hat, wenn er es benutzte. Es nimmt einem Stück für Stück die Sehkraft. Aber auch auf die Gefahr hin, dass Lindsey nicht mehr so gut sehen würde, war die Neugierde der Assassine einfach zu groß. Sie wusste genau, dass in diesem Stein etwas Wichtiges eingraviert war – es war so ein Buchgefühl.

Nervös umfasste sie mit beiden Händen das Artefakt. Es war das erste Mal, dass sie es benutzte und sie wusste nicht, wie groß die Konsequenzen für diese Fähigkeit ausfallen würden. Mit einem Mal fing der unförmige Körper in ihrer Hand an zu leuchten und wurde immer heller, sodass die Assassine die Augen zusammenkneifen musste. Als sie sie dann wieder öffnete und auf den Boden zu den eingravierten Zeichen blickte, konnte sie auf einmal verstehen, was da in den Stein eingemeißelt war.
 

Das Licht des Vollmondes am Firmament,

an dem Tag des Sommers, den nur die eine kennt,

hinab fällt wenn es seinen höchsten Punkt erreicht,

dein Schicksal du erfährst, wenn du nicht von der Stelle weichst.
 

„Also entweder haben die Leute gerne gedichtet oder hatten alle einen Dachschaden.“ murmelte das Mädchen leicht belustigt und las sich den Vers von neuem durch. Wer war mit 'die eine' gemeint? War das eine bestimmte Frau? Und nur sie sollte den 'Tag des Sommers' kennen. „Das klingt für mich alles, wie Zauberei.“ meinte Lindsey und ein Klang von Spott war in ihrer Stimme zu hören. Doch wie immer wenn sie dies tat, war diesmal keiner hier, der mit den Augen rollte oder sie auf Grund ihrer Bemerkung tadelte.

„Bis der Vollmond seinen höchsten Punkt erreicht.“ nachdenklich murmelte sie diese Passage vor sich hin. „Damit ist bestimmt der Zenit gemeint, wenn der Mond genau an dem Punkt steht, wo die Sonne mittags ist – also Mitternacht.“ Ihr Blick wanderte gen Himmel und sie konnte anhand des hellen Scheins die Position des Mondes ausmachen. Er wurde zwar noch von ein paar Wolken bedeckt, aber die müssten in ein paar Minuten verschwunden sein. Doch bis dahin würde sie wohl warten müssen.

Sie löste die Verbindung mit dem Artefakt und bekam zugleich einen Schreck. Ihre Sicht war vollkommen verschwommen, sie konnte kaum noch etwas richtig sehen. Alles war unscharf und abwechselnd wurde ihr Gesamtbild mal dunkel und dann wieder hell. Es brauchte eine ganze Weile bis sich die verschwommene Sicht aufgeklärte hatte und sie wieder richtig sehen konnte.

Währenddessen war der Mond ein ganzes Stück weiter gewandert und war dem höchsten Stand schon ganz schön nahe. Als er dann endlich seine richtige Position erreicht hatte, glaubte die Assassine vor Aufregung und Neugierde zu sterben.

Das Mondlicht fiel genau durch das Loch in der Decke und hüllte das Mädchen in einen Schein aus weiß und blau ein. Das Licht das auf die Spiegel um sie herum traf, wurde an die Wand reflektiert und von da, durch weitere versteckte Spiegel, auf einen Punkt auf den Boden geworfen. Vorsichtig schritt die Assassine auf den gebündelten Lichtstrahl zu und ging in die Hocke, um genauer sehen zu können, was da so interessantes auf dem Boden war, das es extra vom Mondlicht beschienen werden musste, um es zu entdecken.

Sie sah lauter quadratische Steine, die jeweils eine Form oder Linie auf ihrer Oberfläche eingehauen hatten. Alle waren unterschiedlich, aber man sah eine Verbindung zwischen allen. Wenn man die Steine herausgenommen und richtig angeordnet hätte, dann wäre vermutlich ein Muster entstanden. Doch das war nicht möglich, weil sie alle fest im Boden verankert waren.

Aber so wie es schien, war nur der eine Stein von Wichtigkeit. Lindsey sah ihn sich genau an, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken, weshalb sie einfach aus reinem Instinkt vorsichtig den Stein in den Boden eindrückte. Er ließ sich tatsächlich widerstandslos bewegen. Aber es passierte nichts. Lin konnte so viele Male den Stein in den Boden eindrücke wie sie wollte, doch er kam, ohne das etwas passierte, wieder nach oben.

Ihr war bewusst, dass sie nicht viel Zeit haben würde, denn der Mond blieb nicht lange an einer Stelle. Sie überlegte und schaute sich die Musterungen noch einmal genau an. Der Stein auf den das Licht fiel, passte nicht zu denen, die um ihn herum lagen. Es waren die einzigen von den vielen, die zueinander passten und deren Muster sich gegenseitig ergänzten.

Erneut drückte sie den Stein in den Boden und drehte ihn so, dass er zu den anderen passte. Mit einem lauten Klacken und einem darauffolgenden Rattern, wie von Zahnrädern, rastete das Quadrat ein und wie von Geisterhand, schienen sich die restlichen Steine auf dem Boden dem Muster zu fügen. Kaum war es komplett, begann es zu leuchten und erhellte den ganzen Raum in ein gold-weißes Licht.
 

„Kind.“ Langsam öffnete Lindsey ihre Augen und kniff sie gleich daraufhin wieder zusammen. Es war viel zu hell. Alles schien zu leuchten und zu strahlen. Der Raum, in dem sie vorher noch gestanden hatte, war auf einmal verschwunden. Es dauerte ihr viel zu lange, um sehen zu können, wer zu ihr sprach. Also rief sie in den Raum: „Wer ist da?“

„Du bist also endlich gekommen.“

„Wer bist du?“

„Du trägst Fragen in dir, dessen Antworten du suchst, nicht wahr? Willst einen Blick in die Zukunft werfen und wissen was das Leben noch von dir verlangen wird.“

„Ich habe keine Ahnung wovon du redest. Wer oder was bist du?“ Langsam konnte die Assassine in das gleißende Licht blicken und stellte fest, dass sie nicht mehr in dem runden Raum war.

Die Erscheinung stand vor ihr und war in ein weißes Gewand gehüllt, das ihr bis zu den Füßen reichte. An einer Schulter wurde es getragen und ließ deshalb die andere frei. Hinter sich her zog sie eine kurze Schleppe, als sie langsam begann Lindsey zu umkreisen und ihr in die Augen schaute. Irgendetwas Spezielles sah Lindsey in ihnen, was sie nicht so recht zu deuten wusste. Nicht das Aussehen war anders, sondern der Blick, der der Assassine zugeworfen wurde. Geheimnis lag darin, doch auch etwas Hochmütiges. Dinge, die Lindsey das Auftauchen dieser Erscheinung noch weniger verstehen ließen. War sie gekommen, um ihr zu helfen oder ihr Angst zu machen?

„Wer bist du?“ wiederholte Lindsey dann noch einmal, als sie ihren Blick von der Frau lösen konnte.

„Ich gehöre schon lange zu dieser Welt, einen Namen wie meinen wirst du deshalb nicht auf bald wieder hören. Ich bin Nyxea.“

„Und weshalb bist du hier?“

„Ich bin nicht wirklich hier. Es ist nur ein Teil von einem Ganzen, mit dem du sprichst. Dieser Teil wurde an diesen Ort gebunden, um Fragen zu beantworten und Schicksale mit Leben zu verbinden. Doch was ist dein Begehr an diesem Ort?“

Die Erscheinung kam näher zu Lindsey und hielt eine Hand über Lins Kopf und nach einigen Sekunden schien es so, als könnte sie ihre Gedanken hören. Die Assassine schloss die Augen um sich darauf zu konzentrieren, als alle Geräusche um sie herum, wie das Tropfen des Wassers von der Decke und ihr eigener Atem, einfach verstummten.
 

Wenn die Vergangenheit auf die Zukunft trifft,

Schicksal auf Bestimmung und sich die Macht aus fremden Händen bewegt,

wird es zu spät sein, zu handeln.

Gleichwohl bedeutet es nicht das Ende.

Eine die Zerstreuten

Eine das Vergessene, das Unauffindbare, das Verlorene, das Entfallene.

Aus vier Teilen mach ein Ganzes

und die dunkle Hand wird Erlösung bringen.

Wenn die Kraft die fleischliche Hülle durchfließt,

wird die Macht mit ihr verschmelzen, wachsen, bis es Rettung bringt.

Stärke blüht auf und das Wesen wird sich als freie Kreatur beweisen,

doch ein Licht scheint zu schlussendlich zu verglimmen.

Dennoch wird das Schicksal, die Bestimmung in auserwählte Hände gelegt,

um zu retten was schützenswert ist.

Das Herz aus Hoffnung leuchtet wie tausend Lichter,

um das Leben zu geben, was es einst im Chaos versank.

Der Wunsch von Frieden wird am Ende erstrahlen,

die Geister werden vom Leid befreit

und die Zerstörung des irdischen Wesens wird aufgehalten.

Alles wir bestehen bleiben – bestehen wie in alter Zeit.

Das erste Schicksal erfüllt, das Zweite geboren.

Gefahr, schon seit Jahrtausenden da, wird erweckt und verändert die Zeit.

Fehler die verhindert wurden, werden wieder begangen,

bis letztendlich die Kugel wird die Macht erlangen.

Das Leid, die Feindschaft – alles wird enden,

mit dem letzten Teil löscht es euch aus,

der Träger, wird der letzte sein auf Erden,

die Schlüssel dieser Sagung bis zum Tod mit ihm verbunden.

Doch die Reinheit der Menschen sei uns bekannt.

Gefunden ist ein Weg der Rettung für die Erde und Welt.

Das Blut beobachtet, bis in ferne Gezeiten,

wird es nur Einer sein, der annimmt sein Schicksal.

Drei Erscheinungen werden ihm begegnen.

Ihn prüfen, ihn quälen, ihn zerreißen,

doch so grausam es sei, werden sie ihm helfen,

die Schlüssel zu erhalten und das Geheimnis zu finden.

Eine große Macht ruht weit in dieser noch jungen Welt,

wird sie gefunden, bleibt nicht mehr viel Zeit.

Die Waffe wird das Ende bringen

und es wird kommen der Tod mit weiten Schwingen.

Begleiter des Leidens, Hüter der Macht – Erschaffer, Zerstörer; Freund, Feind

werden die Letzten sein, die sein Leben mit ihm beschreiten.

Schuld und Zweifel kommen in ihn auf,

Schuld aller Jahrhunderte hinter ihm, sollte er versagen.

Fügung des Geistes, Heilung und Zerstörung,

werden eins, um zu erhalten das letzte Stück.

Energie wird es erwecken oder zerstören,

der Wille ist der, der es sagen muss.

Erfüllt sei diese Bürde, wenn die Gefahr verklingt.

Nie mehr wird sich dieses Leid vermehren,

Nie mehr wird es zerstören.

Ein letztes Leben wird verglühen, bis es letztendlich hat ein Ende.

Lindsey verstand nichts von dem was diese Frau sagte. Es war wie ein großes Rätsel, mit vielen verwirrenden Worten und Sätzen. Wie sollte sie diese Botschaft verstehen?

„Ich verstehe nicht was du meinst.“

„Wenn die Zeit gekommen ist und alles sich zusammenfügt wirst du die Prophezeiung verstehen. Trage sie hütend in deinem Herzen und bewahre sie, bis der Tag heran gekommen ist und dein Schicksal mehr von dir verlangt. Doch sei gewarnt. Nicht alles wird sich nach diesen Sternen richten und dir deine Aufgabe leicht machen.“

Auf einmal ging alles in einem gleißenden Licht über und wenige Sekunden später, stand das Mädchen wieder allein in dem runden Raum. Eine Weile stand sie einfach nur so da und dachte über das nach, was gerade passiert war.

Verwirrend.

Genau das war es gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Schlicht weg, einfach verwirrend.

Ein Blick durch das Loch in der Wand, zeigte dem Mädchen, dass es schon Morgen war und die Sonne begann aufzugehen. Da hoch würde sie nie im Leben kommen, das wusste sie, also musste sie einen anderen Ausgang finden. Und wieder hieß es: Finde den Ausgang des Labyrinths!
 

Erleichtert zwängte sich Lin durch die engen Spalte, hinaus ins Licht. Draußen. Sie hatte es endlich geschafft! Endlich war sie dem ewigen Labyrinth entkommen und konnte nun endlich wieder die frische Luft genießen.

Tief holte sie Luft, ließ die warme Sonne auf ihre Haut scheinen und genoss den leichten Wind in ihren Haaren. Wie sehr hatte ihr das Tageslicht gefehlt und die Wärme. Die Sonnenstrahlen, die sie vor ein paar Tagen noch kritisiert hatte, weil ihr Montur sonst immer so unerträglich heiß wurde, konnte sie jetzt genießen.

Langsam aber sicher trat die Assassine den Weg zum Eingang des Tempels an, wobei sie ein ganzes Stück hinaufklettern musste. Über Bäume, Steine und anderen Grünzeug, gelangte sie schließlich an ihr Ziel, wo sie zu ihrer Überraschung den Rest ihrer Truppe vorfand – der Verrückte gefesselt im Schlepptau. Im Sonnenlicht sah er noch schlimmer aus. Man konnte alles ganz genau sehen. Der abgemagerte Körper, die langen Fingernägel, das fettige wirre Haar und die rissige, helle, bleiche Haut mit den vielen Kratzern, Beulen und Verletzungen. Er saß mit angewinkelten Beinen da, hatte das Kinn auf die Knie gestützt und murmelte etwas vor sich hin, während er seinen Körper vor und zurück wiegte.

„Ah, Lindsey, du hast es also doch noch geschafft. Na ein Glück, ich wollte gerade los und dich suchen gehen.“ begrüßte Tamara sie.

„Danke das ihr überhaupt noch an mich gedacht habt.“ scherzte sie. „Also hat alles geklappt wie es scheint.“

„Ja, das hat es und du hast gute Arbeit geleistet.“ Stolz zeigte Tamara ihr das Artefakt. „Ist alles in Ordnung mit dir, er hat dir doch nichts getan?“ fragte sie besorgt und zog die Fesseln des Gefangenen noch ein Stück fester.

„Mehr oder weniger.“ gab Lin zurück. „Ich bin einfach nur wahnsinnig müde und habe Hunger. Wie geht es Anthony?“ Ihr alter Freund lag auf dem Boden und sah so aus, als ob er schliefe.

„Er schläft. Ich hab ihm was gegen die Schmerzen gegeben, aber er wird es ganz sicher schaffen.“

„Das ist gut.“ Sachte strich sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Tamara schien die Geste bemerkt zu haben und Lindsey hätte sich selber Ohrfeigen können. Warum tat sie das? Sie wusste genau, dass beide mehr für einander zu empfinden schienen. Darum durfte sie nicht mehr so oft in Anthonys Nähe sein und nicht mehr so an ihm hängen. Sie ist nun ein großes Mädchen und kann auch alleine klar kommen.

„Ich…ähm…ich geh dann mal Bartolomeo und die anderen holen, damit sie uns hier helfen.“
 

***

„Und was machst du wenn du wieder in Havanna bist?“ fragte das Mädchen die ältere Assassine, als sie beide an Deck herumspazierten und die frische Luft genossen.

„Ich werde eine Nachricht an meinen Meister schicken und mich dann um Anthonys Gesundheit kümmern.“ erklärte Tamara ihr Vorhaben.

„Oh, du willst ihn also in Havanna gleich da behalten?“

„Nein, nein. In Havanna schicke ich nur eine Nachricht an meinen Meister. Um Anthony werde ich mich dann in dem Heim unsrer Bruderschaft kümmern. Es ist gar nicht weit von New Orleans.“

„Schön.“ meinte Lindsey nur. „Und wirst du auch den…“ sie versuchte ihren Tonfall so geschickt zu wählen, dass man erahnen konnte, auf wenn sie hinaus wollte.

„Da mach dir mal keine Sorgen, wir werden ihn auch mitnehmen. Vielleicht können wir es schaffen seinen Verstand zu heilen und Informationen über das Artefakt und den Tempel der Inka herausfinden.“

„Ja das wäre toll.“
 

„So junges Fräulein da wären wir.“ Das Handelsschiff legte in der kleinen Bucht in Davenport an.

„Danke Bartolomeo, das wär doch nicht nötig gewesen.“

„Für euch würde ich alles tun. Das war das mindeste.“ Der Händler machte eine Verbeugung.

„Ach bitte, ich bin wirklich nicht so besonders, das ihr euch so viel Mühe für mich geben müsst.“

„Ahhh ihr versucht es auch immer wieder. Aber euer Tun ist vergebens, ich werde euch auch in Zukunft nicht anders betrachten.“

„Na dann denke ich ist es zwecklos. Danke trotzdem.“

„Bitte, für euch immer gerne.“



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