Die Spinne
Spinnen. Eigentlich sind sie kein Grund, Angst zu haben. Sie können weder beißen, noch stechen oder vergiften. Sind federleicht, bestehen aus fast nichts. Zumindest solche wie diese hier.
Aber trotzdem läuft es mir bebend und kalt den Rücken runter, dann ein fast schmerzhafter Blitz in meinem Kopf, als ich die langbeinige, schwarze Kellerspinne entdecke, die direkt über meinem Bett in der Ecke zwischen Decke und Wand sitzt. Ein schwarzes Gespenst, das sich im Schatten an die dunkelgraue, nackte Mauer hängt.
Ich hasse Spinnen. Hab sie schon immer gehasst.
Ihre Art, sich zu bewegen, widert mich einfach an. Wie sie mit ihren langen Beinen auf diese bestimmte Weise in ihrem unsichtbaren Netz herunstochern und du nie weißt, wann sie sich abseilen! Und wenn man fast blind ist, nur weiß, da ist so ein Viech, aber man kann es nicht sehen, das ist noch schlimmer. Der Gedanke, dass gerade eine Spinne in meiner Nähe sein könnte und ich sie nicht mal sehen kann, lässt mir oft keine Ruhe.
Sogar ihre abgeworfenen Häute machen mir Angst. Ihre hässliche Form und die Tatsache, dass darin eines dieser ekelhaften Tiere gesteckt hat. Spinnen sind unberechenbar, auf eine Weise, die mir einfach überhaupt nicht passt.
Nicht viele Leute wissen, wie sehr ich Spinnen verabscheue. Nur Konan. Und Sasuke, noch von früher.
Der starke Itachi Uchiha, Nuke-Nin und hochbegabter Eliteninja, hat doch keine Angst vor so kleinen, dünnen Tierchen!
Doch, habe ich. Ist so. Jeder Mensch hat seine kleinen Ängste und meine sind eben Injektionsnadeln und Spinnen. Ich bin sensibel, war es schon immer und werde es auch immer sein. Auch, wenn ich es nicht zeigen darf.
Spinnen sind die einzigen Gegner, gegen die ich mich kaum wehren kann. Ich kann Kisame die Nase brechen, Orochimaru eine Hand abschlagen und jeden bekämpfen, der meinem kleinen Bruder zu nahe kommt.
Aber gegen diese fiesen, kleinen Ungeheuer komme ich nicht an. Weil ich, sobald ich eine sehe, vor Schreck erstarre und mich nicht mehr konzentrieren kann. Nicht auf meine Sharingan und schon gar nicht auf irgendein Jutsu!
Langsam stehe ich auf, den Blick immer auf die Spinne gerichtet. Hoffe inständig, dass sie sich nicht bewegt.
Ruhig bleiben, Itachi! Es ist nur eine Spinne. Und du bist ein ehemaliger Anbu!
Verdammt, warum jagen mir diese kleinen Tiere so eine Angst ein? Ich sollte endlich mit dieser Phobie aufräumen. Eine wäre dann ja immer noch übrig: die Hohlnadeln. Um die kann ich mich immer noch kümmern.
Plötzlich fest entschlossen, drehe ich mich ganz zu dem kleinen, schwarzen Biest an der Wand um. Ich habe keine Angst mehr, sondern spüre Hass. Hass ist stark, keine Flucht mehr, sondern ein Angriff. Sasukes Hass bringt mich täglich ein wenig mehr um, aber das bedeutet nicht, dass ich selbst nicht auch etwas hassen kann.
Ich brauche längst keine Fingerzeichen mehr für die Phönixblume. Nur die Sharingan.
Langsam hebe ich die Hand zum Mund und spüre schon die Hitze des Feuerchakras aufsteigen.
"Zsccch..."
Die Spinne ist weg. Eine winzige Flamme hat ausgereicht, um dieses ekelhafte Tier für immer verschwinden zu lassen. Zum ersten Mal in meinen zwanzig Lebensjahren habe ich gegen meinen heimlichen Feind, die schwarze Kellerspinne, gekämpft und gesiegt!
Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Ein kurzer Moment, in dem es mir gut geht.
Ich verlasse mein Zimmer, draußen wartet Kisame. Die Dunkelheit umfängt mich, tut ein wenig weh, wie immer. Aber mein Sieg über die Spinne sorgt dafür, dass sich mein Leben ein paar Augenblicke länger gut anfühlt als sonst. Wenigstens einen Feind konnte ich besiegen.
"Itachi, warum lächelst du denn so?", fragt Kisame.
Ich will nicht antworten, muss auch gar nicht, weil einer meiner Blicke wie üblich ausreicht, damit dieser verdammte Haifisch seine unwissende Klappe hält. Ich mag keine Haie. Aber ab heute macht mir kein Tier mehr Angst. Keine Spinnen, keine Haie und auch keine Schlangen.