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Dreißig Nächte

30 Nächte-Challenge
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
~ Schleichwerbung ~

Wer das Raikou-Special aus den Pokémon Chronicles mit Bashou und Buson noch nicht gesehen hat, der sollte dies unbedingt nachholen! Es ist sehr empfehlenswert.
Versucht es bitte auf Japanisch zu erwischen, denn im Dub wird Bashou/Hun als Frau dargestellt – weswegen auch immer. :( Als dürfe es keine gleichgeschlechtlichen Teams geben oder als würde er sooo~ weiblich aussehen... ist klar, ne.

~ Schleichwerbung Ende ~ Komplett anzeigen

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Von Bodyguards und Mädchen (Steelshipping)

„… und dann würde es einmal richtig BÄMM machen und wir würden alle blöd in die Röhre gucken. Das wär‘ doch was?“

Mit einem leisen Klacken wurde der Türknauf betätigt und die Tür geöffnet. Ein stämmiger, blondhaariger Mann trat als Erster in den Raum ein, auf wenig Abstand gefolgt von seinem weißhaarigen Partner, welcher die Tür hinter sich zurück ins Schloss drückte. Der schmächtige Kollege ging wortlos an ihm vorbei, wohingegen das Muskelpaket mitten im Raum stehen blieb, seine schwarze Gepäcktasche achtlos neben sich zu Boden fallen ließ und sich in dem spärlich eingerichteten Zimmer umblickte. Seine Begeisterung hielt sich deutlich in Grenzen.

„Das wäre auf jeden Fall spannender als das Ding auf Droge zu setzen, damit es keine Mucken macht. Ich hätte nichts gegen ein wenig Action einzuwenden. … Und, was machen wir nun?“ In einer flüchtigen Geste schob er sich seine Sonnenbrille weiter auf die Nase.

„Abwarten“, war die trockene Antwort des Kollegen.

Buson stöhnte theatralisch, stemmte die Hände in die Hüften und ließ die breiten Schultern nach vorn fallen. Dabei schüttelte er betont den Kopf. „Klingt nicht sehr spannend.“

Er erhielt keine Antwort.

„Und für wie lange? ‚Bleibt auf Abruf!‘ – Meine Fresse, was sind wir denn? So was wie Sitter? Callboys?“

„Es ist Teil unserer Mission“, erklärte Bashou unbeeindruckt von dem Gejammer seines Partners und erwählte sich kurzerhand das untere des Doppelstockbettes als sein Eigen, indem er dort seine Tasche ablegte. Mit einem dumpfen Ritsch-Geräusch zog er den Reißverschluss auf und machte sich daran, seine wenigen Habseligkeiten auf der Decke auszubreiten, um sie anschließend in dem gemeinsamen Kleiderschrank einzusortieren. „Das hast du immer noch nicht verstanden. Es ist nicht nur damit getan, ein Pokémon einzufangen und sicher auszuhändigen.“

„Es ist aber mit Abstand der interessanteste Teil dieser Arbeit.“ Ein lautes Klatschen folgte diesen Worten, als sich das Muskelpaket die Faust in die offene Handfläche schlug. Sein Gesicht zierte ein breites Grinsen. „Stell dir nur vor, wenn ich nicht dieses geschickte Ausweichmanöver gemacht hätte. Nur eine Sekunde später, und wir wären jetzt nicht mehr als ein Häufchen Asche, das in der Ozonschicht herumgewirbelt wird. Ah, wenn ich nur daran denke…! Nur mit einem richtigen Schub Adrenalin weiß man noch, dass man lebt! Das ist es, wofür ‘s sich zu leben lohnt!“

Wieder erhielt er keine Antwort. Nur das leise Tappen auf hölzernem Parkettfußboden begleitete die Schritte des Kollegen, als dieser seine Kleider einzusortieren begann.

„Aber das hier“, ein missbilligendes Schnauben begleitete diese Worte des Blonden. „Ich bin einfach nicht geschaffen für diese Art von Job.“

„Dann geh.“

„Das wäre genauso bescheiden.“ Ein weiteres Schnauben folgte, dann setzte sich das Muskelpaket in Bewegung. Er ging hinüber zu seinem Kollegen, stellte sich abseits von ihm und beobachtete ihn mit eher halbherzigem Interesse, wie dieser sein Hab und Gut feinsäuberlich und akkurat in dem altmodernen Holzschrank einsortierte. „Ich meine, Rayquaza aufzuspüren, war ja noch einigermaßen lustig gewesen. Es einzufangen, war phänomenal. Es zum Prof zu bringen, war auch noch ganz interessant, und ihm zuzusehen, wie er das Monstrum verkabelt und so. Aber jetzt einfach nichts zu tun…“

Kein Kommentar seitens des Kollegen. Er würdigte ihm nicht einmal eines Blickes, als er zu seinem Bett ging, um mit seinem Waschzeug fortzufahren. Während er auf das kleine Badezimmer zusteuerte, folgten ihm die Schritte des Kräftigeren und dessen Mitteilungsbedarf. „Ich meine, auf was sollen wir warten? Dass unser Prinzesschen vielleicht zufällig aus seinem Schlaf erwacht und alles in Schutt und Asche legen will? Wen beschützen wir dann eigentlich, den Prof oder das Biest?“

Wie immer beanspruchte Bashou die linke Seite des Waschtisches für sich. Aus reiner Gewohnheit säuberte er die helle Marmorplatte mit seiner wahllosen, schwarzen Musterung und desinfizierte sie zusätzlich, ehe er seine Sachen dort geordnet ablegte. Bei der Gelegenheit wusch er sich noch gleich die Hände, trocknete sie an seinem persönlichen Handtuch ab, ehe er in das gemeinsame Zimmer zurückkehrte. Schwerfällige, schlurfende Schritte folgten ihm.

„Bodyguards, hm? Bodyguards in einem goldenen Käfig oder so. Wenn wir dafür nicht bezahlt werden würden… Ich hoffe ja, dass wir noch ‘n wenig von diesem legendären Drachen zu sehen bekommen.“

An den Fenstern angekommen, blieben sie stehen. Weiterhin schweigend klappte Bashou eines davon an, um noch ein wenig der frischen Abendluft in das Zimmer hereinzulassen. Er hasste es, in einem stickigen Raum schlafen zu müssen.

„Vielleicht hat sich der Prof ja vertan und die Dosierung zu gering verabreicht. Oder die Technik versagt kurz. Es wäre doch jammerschade, wenn–“

„Buson.“ Dieses einfache Wort reichte, um die Quasselstrippe zum Schweigen zu bringen. Es bedurfte nicht einmal einer aufwendigen Betonung. Zum Glück.

Der schmächtigere der beiden Rocket-Agenten wandte sich zur Seite ab, um an dem Kollegen vorbeizugehen. Er würdigte ihm keines einzigen Blickes, nur eines trockenen „Du nervst“.

Ungläubig blickte Buson seinem Partner nach. Für einen Moment schien es, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Dem war es aber nicht für lang, schon kehrte sein breites Grinsen zurück und er folgte dem Kollegen abermals auf dem Fuße. „Was denn, was denn? Sind wir mit dem falschen Fuß aufgestanden, Prinzessin? Du bist schon den ganzen Tag so pissig.“

„Hör auf, mir nachzulaufen.“

Nachzulaufen?“ Buson stieß einen gedehnten Pfiff aus. „Eine interessante Wortwahl.“

Bashou atmete einmal tief durch, was sich nur anhand des kurzen Hebens seiner Schultern erkennen ließ. Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit auf das schmale Bücherregal, welches direkt neben dem Schreibtisch an der hellen, bilderlosen Wand gegenüber den Betten aufgestellt worden war. Seine Augen glitten flüchtig über die vielen verschiedenfarbigen Buchrücken, prüften die Titel, bis er ein hellblaues Exemplar herauszog und willkürlich aufschlug, um sich in die Zeilen einzulesen. Ein Krimi mit physikalischen Elementen, wie er dem Dialog des augenscheinlichen Ermittlers in der Geschichte entnahm.

„Da fällt mir ein“, drang Busons Stimme an ihn heran und er spürte, wie sich zwei Arme von hinten um seinen Bauch legten. Zudem bemerkte er ein Gewicht auf seiner rechten Schulter, als sein Partner ihm den Kopf aufgelegt hatte, um dicht an seinem Ohr zu sprechen. „Als ich dir das erste Mal begegnet bin, dachte ich, du seist ein Mädchen. Erinnerst du dich?“

Er antwortete ihm nicht.

„Du warst so klein und zierlich. Blasse Haut, blaue Augen… nur das rosa Blümchenkleid hat gefehlt. Und ‘n bunter Blumenkranz im Haar.“ Dabei gab der Blonde ein leises Lachen von sich, was eine Vibration an Bashous Rücken auslöste. Dann spürte er, wie eine warme Hand einige seiner Haarsträhnen an seinem Hals zur Seite strich, als wolle er über ihn spotten. „Du hast dich kaum verändert, nur deine Haare sind länger geworden. Ba-chan.“

„Ich habe dir schon damals gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst.“ Damit schlug er die Hand an seiner Wange unsanft zurück und wand sich zugleich scheinbar mühelos aus der Umarmung des Kräftigeren heraus.

„Oh, wäre dir ‚Baka‘ lieber? Ba-ka-chan?“ Wieder stieß der Blonde sein belustigtes Lachen aus, doch er war der Einzige im Raum, dem die ganze Sache Spaß zu bereiten schien.

Bashou schlug das Buch in seinen Händen zu und trat entschieden von seinem Partner weg. Trotz der Sticheleien würdigte er ihn weiterhin keines Blickes. „Ich wiederhole mich: Nenn mich richtig beim Namen oder lass es bleiben. Das ist so albern.“

„Da, siehst du? Genau das mein‘ ich.“

Glaubte sich Bashou eben noch in Freiheit, hatte Buson ihn auch schon am Handgelenk gepackt und drehte ihn zu sich. Noch halb in der Drehung trieb er ihn zwei Schritte zurück, bis Bashou die Wand unnachgiebig in seinem Rücken spürte. Mit einem lauten Poltern fiel das Buch zu Boden, als die kräftigen Hände des Größeren seine Handgelenke gegen den hellen Putz nagelten.

Er könnte fluchen, könnte zetern. Er könnte mit Beschimpfungen um sich werfen und sich gegen den Griff seines Partners wehren. – Doch er tat es nicht.

Auf dem Gesicht des Größeren spielte ein Grinsen. „Du bist noch immer dieselbe Diva wie damals. Und eine Zicke noch dazu, durch und durch“, sprach er amüsiert, senkte dann die Stimme und hauchte ein weiteres, beinah betont-zärtliches „Ba-chan“.

 Bashous Mundwinkel zuckte. Offensichtlich wollte er etwas darauf erwidern, doch er verkniff sich seinen Kommentar und blieb stumm. Er wusste, es war effektiver, seinen Partner mit Schweigen zu strafen als auf seine kindischen Sticheleien einzugehen. Das war es doch, was er wollte. Genau das, und nichts anderes; er wusste es.

Tatsächlich zeigte sein Schweigen Wirkung und Busons Grinsen wich einer beleidigten Miene. – Ziel erreicht. Jetzt musste dieser Protz ihn nur noch los und in Ruhe lassen, wenn er endlich begriffen hatte, dass er nicht der richtige Spielball für seine halbstarken Scherze war. Nur noch etwas länger.

„Du hast nichts dazu zu sagen?“

‚Nein.‘ Er blieb standhaft.

Als wolle er ihn testen, kam Buson näher an ihn heran und beugte sich zu ihm vor. Nur wenige Millimeter trennten sie davon, dass sich ihre Nasenspitzen berührten, so dicht neigte er sein Gesicht an das des Weißhaarigen. Die dunkle Sonnenbrille rutschte ihm dabei ein Stück von der Nase, sodass braune Augen über den Rand hinweg geradewegs in das kühle Blau Bashous blickten.

Doch nichts geschah. Der Weißhaarige rührte sich nicht und zeigte auch sonst nicht die geringste Regung, was die Nähe des anderen in ihm auslösen mochte. Sein Blick hielt dem des Kollegen stand, er war wie ein Fels in der Brandung – unbeugsam und gänzlich unbeeindruckt der Wellen, welche gegen ihn schlagen mochten.

Mit einem leisen „Tze“ unterbrach Buson den intensiven Blickkontakt nur kurz darauf und ließ auch von den schmalen Handgelenken des Kollegen ab. Er trat einen Schritt zurück, schüttelte einmal mit dem Kopf, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte und seinem Partner einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. „Wie langweilig. Weißt du, du hast auch schon mal mehr Kampfgeist gezeigt“, schnippte er hörbar beleidigt.

„Wenigstens lernt einer von uns mit der Zeit dazu.“ Damit drückte sich Bashou von der Wand weg, rieb sich nur flüchtig die Handgelenke, und bückte sich anschließend, um das Buch wieder aufzuheben, welches er dank der groben Aktion seines Partners verloren hatte. Dessen wieder bemächtigt, wandte er sich schließlich ab, um es sich auf einem der Stühle nahe den Fenstern bequem zu machen. Für heute hatte er nichts mehr von dem Kollegen zu befürchten, dessen war er sich sicher.

„Weißt du, ‘n richtiges Mädchen wäre zumindest rot geworden.“

„Ich gratuliere dir zu deiner Erkenntnis“, kam es halbherzig zurück, gefolgt von einem leisen Blätterrascheln. Daraufhin wurde es still aus Bashous Richtung.

Auch Buson übte sich zur Abwechslung im Schweigen, während er seinen Partner eine Zeit lang beobachtete, wie dieser bereits in seinem Krimi versunken war. Bis er sich nach nicht einmal einer Minute eingestehen musste, dass er einfach nicht der Typ für solch Passivität war, und dies in einem lauten Stöhnen kund tat.

„Was für eine Vergeudung. Ich wüsste Besseres mit meiner freien Zeit anzufangen.“

Nichts. Keine Reaktion von dem Weißhaarigen.

Unschlüssig, was er mit seinem Partner und nicht zuletzt mit sich selbst anfangen sollte, kratze er sich am Hinterkopf. Er fühlte sich fehl in dieser Stille und dieser Ödnis, die in diesem kleinen Zimmer herrschten. Tatsache war, dass er es fürs Erste abhaken konnte, noch irgendein Gespräch mit Bashou zu beginnen; es würde nicht von langer Dauer und vermutlich auch sehr einseitig sein. Aber nur dumm in der Gegend herumstehen, konnte er immerhin auch nicht.

Kurzerhand ging er die wenigen Schritte hinüber zum Bücherregal und tat, was auch sein Partner kurz zuvor getan hatte. Sein Blick huschte über die Titel, bis er probehalber nach einem Buch mit grünlichem Band griff. Eine Abenteuerkomödie, wie er der Beschreibung auf dem Buchrücken entnahm, damit stellte er das Buch an seinen Platz zurück. Nein, hier wurde er nicht fündig. Noch weniger, je länger er darüber nachdachte, über eine längere Zeit hinweg still und ruhig sitzen zu müssen, um irgendwelchen Textzeilen zu folgen. Still… nein, das war definitiv nicht sein Ding.

Vielleicht fernsehen? Das zeugte zwar auch nicht von sehr viel mehr aktivem Zeitvertreib, aber es war zumindest nicht mit nervtötender Stille verbunden und sorgte für etwas Unterhaltung.

Eher skeptisch gegenüber diesem Gedanken ging er zu dem TV-Gerät – sofern man diese Miniausgabe, die kaum breiter als er selbst war, denn so bezeichnen konnte –, schaltete es ein und setzte sich mit der klumpigen Kleinfernbedienung auf den Stuhl seines stummen Partners gegenüber. Der voreingestellte Sender ließ einen betagten Herren die Nachrichten des Tages herunterleiern, zumindest bis Buson ihn für einen nachfolgenden Dokumentationssender weggedrückt hatte. Vierundzwanzig Sender exakt zappte er durch, doch nichts konnte ihn länger als fünf Sekunden bannen. Auch bei seinem zweiten Durchlauf durch die Senderauswahl tat sich nicht viel bei ihm, er gab lediglich dem armen, alten Kerl von Nachrichtensprecher eine kleine Chance. Leider interessierten ihn die Vorbereitungen für die nächste Pokémon-Liga in Hoenn nicht sonderlich, also sagte er dem Mediengerät Lebewohl und schaltete es mit einem leisen Zupp wieder aus.

Toll, große Klasse. Exakt fünf Minuten hatte er so totschlagen können. Gebracht hatte es ihm allerdings nichts. – Und was jetzt?

„Mann, ist das ätzend“, murrte er griesgrämig und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bis er auf den Hinterbeinen kippelte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte er nun buchstäblich Löcher in die Luft. „Ich weiß echt nicht, wie du damit klarkommst.“

Ein kurzes Blätterrascheln. Dann wieder Stille.

„Hey, Bashou, lass uns etwas machen. Ich geh‘ ein hier, ich mein‘s ernst!“

„Ich mache etwas“, entgegnete Angesprochener, gänzlich unbeeindruckt und ohne zu seinem Partner aufzublicken. „Ich lese. Solltest du auch hin und wieder einmal versuchen.“

„Habe ich, vorhin erst.“

„Mhm.“

„Ernsthaft jetzt!“

Nichts, keine weitere Reaktion von dem Weißhaarigen. Das Buch musste ja wirklich wahnsinnig spannend sein oder er war einfach nur sehr genügsam mit dem, was er zur Verfügung hatte. Dessen war sich Buson nicht ganz schlüssig.

Wie auch immer, es ging ihm jedenfalls gehörig auf den Sack.

Von einem lauten Quietschen begleitet, schob er seinen Stuhl zurück und erhob sich. Er fluchte noch irgendetwas Unverständliches, während er die wenigen Schritte durch den Raum lief bis zu der Stelle, wo seine schwarze Reisetasche noch immer unbeachtet auf dem Boden lag. Kurzerhand schulterte er diese, trug sie hinüber zu dem Doppelstockbett, nur um sie am Fußende des Gestells erneut mit einem Poltern fallen zu lassen. Ein schnelles, beinahe grobes Zipp-Geräusch folgte, als er den Reißverschluss aufzog, dann folgten schlurfende Schritte, als er zu dem gemeinsamen Kleiderschrank hinübertrottete.

Nach dem leisen Knarzen der alten Holztür folgte ein anerkennender Pfiff von dem Muskelpaket. „Ordentlich wie eh und je, was, Ba-chan?“, kommentierte er mit einer unüberhörbaren Belustigung in der Stimme.

Keine Antwort. Buson hatte auch nichts anderes erwartet.

Nachdem er den Schrank kurz inspiziert hatte, ging er zurück zu seiner Tasche. So wie sie gepackt war, langte er einmal mit beiden Armen hinein und lud sich so alles auf, was er an Inhalt zu fassen bekam. Ein paar Sockenbündel kullerten ihm dabei von dem Klamottenberg, wessen er sich nicht weiter kümmerte, und so beladen kehrte er zu dem Kleiderschrank zurück. Einen kurzen Moment schätze er noch die freien Ablagen ab und wählte dann jene mit dem meisten Platz aus. Dort schob er seine Ladung ab, zwängte diese bis sie gerade so passte, dann war seine Notwendigkeit erfüllt und er stemmte stolz die Arme in die Hüften.

Es war ein Bild wie so meist: Ordnung neben Chaos, Sorgfalt neben Schluderei. Es war unverkennbar, welche Seite wem gehörte.

„Als würde Mann bei Frau einziehen“, grinste er in sich hinein, während er sich dieses Bild betrachtete. Dann wandte er sich über die Schulter seinem Partner zu: „Hey, Bashou! Und du bist dir sicher, dass an dir nicht doch ‘n Mädchen verloren gegangen ist?“

„Sprach das Muntier“, war die halbherzige Antwort des Lesenden, der sich nicht einmal die Mühe machte, von den Textzeilen aufzublicken.

„Autsch.“ In einem zischenden Laut zog er scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, um die Dramatik in dieser Aussage zu vertiefen. Noch einmal besah er sich die gegensätzliche Einsortierung ihrer Habseligkeiten und verzog dabei nachdenklich die Augenbrauen. „Die Prinzessin und der Affe, hm? So wie in King Kong? Du weißt, dass du mich damit zum Tode verurteilst?“

„Sie war keine Prinzessin.“

„Wie auch immer“, damit zog er die Schranktür mit einem weiteren Knarzen zu. „Hey, wenn du das nächste Mal duschen gehst, sag mir vorher Bescheid. Dass ich zu wenig Haare auf dem Körper für einen Affen habe, ist offensichtlich. Aber bei dir sollten wir uns vielleicht doch nochmal vergewissern.“

„Hör mal.“

„Hm?“

Bashou schlug gerade die nächste Seite um, als er fortfuhr: „Wenn du nur Mädchen im Kopf hast, dann such dir doch eines. Solange du gerade die Möglichkeit dazu hast. Du bist wirklich unerträglich, wenn dir offensichtlich dein Testosteron zu Kopf steigt.“

Daraufhin wurde es still zwischen ihnen. Der eine las unbekümmert fort, während der andere ihm regelrecht Löcher in den Rücken starrte. Es schien Bashou nicht zu kümmern, die seltene Sprachlosigkeit seines Partners war wie ein Segen.

Zumindest so lange, bis Buson seine Sprache wiederfand.

„Nicht nötig“, erklärte er mit milder Stimme, aus der ein leises Schmunzeln herauszuhören war. Er wandte sich daraufhin hörbar um, wobei er weitersprach: „Ich hab‘s schon gefunden, vor langer Zeit. Aber dummerweise zeigt sie mir immer nur die kalte Schulter.“

Ein leises Rascheln folgte aus der Richtung des Kräftigen, welches Bashou noch ignorierte. Als er nur kurz darauf ein Klacken vernahm, welches unverkennbar der Tür zuzuordnen war, erregte es doch seine Aufmerksamkeit und er blickte von seinem Buch auf. Fragend drehte er sich auf seinem Stuhl in die Richtung seines Partners, welcher mit seiner geschulterten Jacke im Begriff war, das Zimmer zu verlassen.

„Wo willst du hin?“

„Ich schnapp‘ mir jemanden und frag‘ mal, ob es nicht noch irgendetwas Interessantes hier gibt. ‘nen Trainingsraum vielleicht oder wenigstens ‘ne Rundführung. Wenn das nicht ist, mal sehen, dann dreh‘ ich mit Panzaeron ‘ne Runde ums Haus oder so.“

Prüfend ließ der Weißhaarige seinen Blick zu dem Wecker gleiten, welcher vor ihm auf dem Tisch stand. Die Zeiger vermittelten ihm eine Uhrzeit kurz vor neun, abends. „Um diese Uhrzeit?“

„Hast du’s nicht eben selbst noch gesagt? Ich muss Testosteron abbauen. Und du willst wohl kaum, dass ich das an dir tue?“

Der Witz verfehlte seine Wirkung, das merkte Buson offensichtlich selbst, als er in das regungslose Gesicht seines Partners blickte. Er versuchte es stattdessen mit einem beschwichtigenden Grinsen und streckte den Daumen vor sich in die Höhe. „Bleib locker. Du weißt ja: Fiffyen, die bellen, beißen nicht. Bei ‘nem Magnayen wäre ich mir aber nicht mehr so sicher.“

„Scherzkeks.“

„Ach ja“, warf der Blonde noch schnell ein, gerade als er im Begriff gewesen war, durch die Tür zu gehen. „Verriegel die Tür nicht, ja? Ich bin nicht scharf darauf, ‘ne neue bezahlen zu müssen, weil ich sie eintreten musste. Und vor der Tür zu schlafen, bekommt meinem Rücken nicht.“

„Dann sei besser nicht zu spät.“

„Ja, ja, schon klar.“ Daraufhin folgte ein beiläufiges Winken von dem Kraftpaket, dann war er auch schon verschwunden und zog die Tür hinter sich zu. In dem Zimmer kehrte Stille ein.

 

Einen Moment lang starrte Bashou noch auf die weiße Zimmertür. Erst als auch von dem Flur dahinter nichts mehr zu hören war, drehte er sich wieder auf seinem Stuhl herum und rückte sich in eine bequeme Position zurecht.

„Irrglaube“, murmelte er leise vor sich hin und schüttelte dabei den Kopf. „Sport senkt nicht den Testosteronspiegel, das solltest du als Kerl wissen.“

Er versuchte sich wieder auf die Handlung des Buches zu konzentrieren, doch die plötzliche Stille im Raum war ungewohnt. Ohne das pausenlose und zumeist unnütze Gerede des Kollegen fehlte etwas. Welch Ironie, wo er doch eigentlich froh sein müsste, endlich ein wenig Ruhe zu haben.

‚Ein Mädchen, hm?‘, drifteten seine Gedanken unwillkürlich ab. Busons Worte hallten in seinem Kopf nach, und als Bashou merkte, dass seine Konzentration unter dieser Tatsache litt, legte er das Buch aufgeschlagen zur Seite. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stützte die Ellenbogen vor sich auf den Tisch, die Finger ineinander verschränkend, und lehnte das Kinn darauf, um der Sache einen Moment der Überlegung zu widmen.

Ein Mädchen, das es länger mit diesem Holzkopf aushalten würde – wie dürfte so jemand wohl aussehen?

Sie müsste auf jeden Fall Nerven aus Stahl haben, wie Drahtseile. Sie müsste wohl entweder ebenso gesprächig sein wie er oder zumindest ausdauernd genug, seinem ständigen Geplapper nicht schon nach fünf Minuten leid zu werden. Kontra sollte sie ihm geben können, sonst würde ihr der Kerl nur auf der Nase herumtanzen. Zudem müsste sie genug Courage haben, seiner draufgängerischen Art standzuhalten und stets den Überblick zu behalten, wo die Grenzen liegen. Diese sollte sie ihm klar setzen können, damit wenigstens ein wenig Ordnung in ihrer Beziehung vorhanden sein konnte. Und apropos Ordnung, darüber sollte sie sich stets im Klaren sein, dass es so etwas bei dem werten Herrn nicht gab. Vermutlich existierte dieses Wort nicht einmal in seinem Wortschatz.

Es war schwer vorstellbar. Bashou konnte sich nicht vorstellen, dass ein solches Mädchen existierte. Natürlich bezog er in seinen Erwägungen mit ein, dass die Welt groß war, aber einem solchen Mädchen rechnete er keine großen Überlebenschancen in der Gesellschaft ein. Vielleicht gab es eines, das seinen Vorstellungen entspräche, aber es war fraglich, dass sie diesen Werten auch auf die Dauer die Treue halten könnte. Selbst wenn sie es wollte.

Aber selbst des sehr unwahrscheinlichen Falles, es gäbe solch ein Mädchen – irgendwo – und Buson würde ihr begegnen: Wie konnte man sich solch eine Beziehung vorstellen?

Wollte er ihr verschweigen, dass er ein Mitglied von Team Rocket war? Der größten und gefürchtetsten Kriminalorganisation in ganz Kanto, Johto, und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch bald Hoenn? Wie wollte er auf die Dauer verbergen, dass er ein Spezialagent in dieser Organisation war, der Tag um Tag sein Leben dafür aufs Spiel setzte, nicht ganz ungefährliche legendäre Pokémon einzufangen? Gemessen an der Tatsache, dass er kaum Zeit für sie haben würde oder gar bei ihr sein könnte. Sie müsste schon Team Rocket beitreten, damit das funktionieren könnte. … Oder er müsste aussteigen.

‚Unwahrscheinlich‘, kommentierte er diesen Gedanken mit absoluter Sicherheit und schloss die Augen.

Jenes Mädchen müsste ihm wirklich sehr viel wert sein, dass er so weit für sie gehen würde. Buson hatte ihm oft gepredigt, dass er die Arbeit bei Team Rocket deswegen so sehr liebte, weil sie „fernab dieser Langweiler da draußen“ war und weil „ihm bei dieser Arbeit das Blut koche“. Er brauchte das, alles andere würde ihm auf die Dauer zu eintönig werden. Zu langweilig. Ohne großartige Herausforderung und ohne genug Anspruch an ihn und seine bestmöglichsten, überwiegend körperlichen Leistungen. Er selbst hatte dies immer wieder und wieder gesagt, dass er die Worte seines Partners derweil im Schlaf aufsagen konnte.

Doch wenn er sagte, er habe sie schon gefunden… Bashou fragte sich, was sie wohl für ein Mädchen sein mochte.

Mit einem entschiedenen Kopfschütteln wälzte er diesen Gedanken ab.

Was kümmerte es ihn? Es war ihm egal. Sollte es so sein, dann war das Busons private Angelegenheit. Er hatte damit nichts am Hut und dabei wollte er es auch belassen.

… Aber dummerweise zeigt sie mir immer nur die kalte Schulter“, hörte er noch die Worte des Blonden in seinem Kopf widerhallen, dann griff er zu seinem Buch und schlug es auf zuletzt gelesener Seite auf.

Es wunderte ihn nicht. Bei dem, wie sich der Kerl hin und wieder gern verhielt – insbesondere dank seiner großen, vorlauten Klappe, die einfach nie stillstehen konnte, außer sie waren gerade in einer Mission unterwegs oder er schlief –, war es zumeist das Klügste, ihn einfach zu ignorieren und reden zu lassen. Wenn man das nur lang genug durchhielt, lösten sich die meisten Probleme ganz von selbst und es lebte sich sehr viel ruhiger mit ihm.

Unter diesem Aspekt betrachtet: Wer immer dieses Mädchen sein mochte, Bashou war sich sicher, dass sie zumindest eine Sache schon einmal richtig machte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2013-05-10T20:23:38+00:00 10.05.2013 22:23
Es ist einfach zu herrlich wie Buson Bashou die ganze Zeit zulabert. Auch deren Interaktion, sofern sich Bashou mal herablässt etwas zu sagen, ist sehr amüsant. Und Bashous Präzision in allem was er tut! Sehr gut eingefangen. Man merkt wirklich wie viel Wert er darauf legt im Gegensatz zu Buson, der nun wahrlich das komplette Gegenteil ist. Du hast das sehr stark in deinem OS betont und ich finde das macht die beiden gerade so interessant. Ich habe mich fast die ganze Zeit gefragt wie Bashou es nur mit dem unordentlichen, ständig plappernden Buson aushalten kann. xD Und genau das war ja auch Sinn des ganzen, nech? ;D
Ich habe an der Darstellung und Umsetzung beider Charaktere nichts zu bemängeln. Auch Busons Sprechart passt und unterstreicht nochmal seinen Charakter.
Ich liebe das Ende so sehr. Bashous Überlegungen und die Tatsache das er nicht darauf kommt das er gemeint war. Einfach genial.
Ich liebe deinen Steel-OS! Er ist einfach perfekt, von vorne bis hinten. Deswegen bedauere ich es auch so sehr, dass er nur so kurz ist. Ich hätte wirklich sehr gerne mehr gelesen.

Mach auf jedenfall weiter so! :)
Antwort von:  Shizana
10.05.2013 22:29
Ich, ähm, weiß nicht, was ich sagen soll. ///D Ich bin etwas sprachlos und glaube, ich würde mich eh nur wiederholen, haha.
Eine längere Steel-FF, das behalte ich mir auf jeden Fall im Hinterkopf. Ich würde sehr, sehr gern noch einmal etwas zu ihnen schreiben. Hoffentlich schaffe ich das noch irgendwann. <3
Ein sehr schönes Feedback, ich danke dir. Ich freue mich sehr, dass dir der OS und meine Charakterwiedergabe von Buson und Bashou so gut gefallen haben. <3


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