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Nur eine Nacht

von

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Kapitel 2
 

Der nächste Morgen begann für David mit Verwirrung. Die Bestandsaufnahme zeigte: Er war nackt, allein, wund und eigenartigerweise enttäuscht.Nur warum?

Sein Bett roch nach dem Aftershave einer anderen Person und siedendheiß fiel ihm alles wieder ein.

Malte. Der hatte ihm doch glatt das Gehirn rausgevögelt, anders konnte er sich seine Orientierungslosigkeit nämlich nicht erklären. Er sank wieder zurück in die weichen Kissen und sog den Duft noch einmal tief ein. Gefährlich, denn dieser Geruch hatte Suchtpotenzial. Dass Malte nicht mehr da war, sprach schließlich Bände. Wenn er mehr als nur ein One-Night-Stand gewesen wäre, dann wäre Malte nicht klammheimlich mitten in der Nacht abgehauen. Zähneknirschend fand er sich mit der Wahrheit ab. Er hatte so etwas noch nie gemacht und nun wusste er auch warum. Danach fühlte man sich beschissen und vor allem benutzt.

Wirklich scheiße.

Er schlug mit der Faust auf sein Kissen und hinterließ einen tiefen Abdruck. Doch sein minimaler Wutausbruch besänftigte ihn nicht.

„Scheiße.“ Warum war es ihm nicht egal? Einfach weitermachen und die Sache als das abhaken, was es war: Ein einmaliger Ausrutscher. Ein schöner, den er jedoch nicht wiederholen würde.

Er quälte sich aus dem Bett und stieg frustriert unter die Dusche. Alle Spuren der Nacht würden davon gewaschen werden und am liebsten hätte er sein Gehirn gleich mit durch die Mangel genommen, denn sein Erinnerungsvermögen zeigte ihm aufregende Bilder von einem durchtrainierten Körper.

Zum Glück war es Samstag. Da konnte er sich viel Zeit lassen und versuchen, das Ganze zu vergessen und sich ein wenig in Selbstmitleid zu baden.

Eigentlich war es ganz gut, dass es schon gestern Abend passiert war, so konnte er sich bis zum Nachmittag wieder beruhigen. Auf keinen Fall wollte er Lina merken lassen, wie sehr ihn der Vorfall mitgenommen hatte. Er würde einfach so tun, als wäre das nie geschehen.

Lina wollte heute unbedingt mit ihm ins Kino gehen, obwohl sie genau wusste, dass die popcornfutternde Menschenmenge ihn abschreckte.

Er riss den Staubsauger brutal durch die kleine Wohnung und dachte mit Schaudern an seine letzten Kinoerlebnisse zurück. Heulende Kinder, knackendes Popcorn, stark riechende Chips, klingende Bierflaschen, „flüsternde“ Mädchen - Kichererbsen allesamt - grölende notgeile Kerle. Nein, er wusste schon, warum er es nicht mochte. Wenigstens war es kein Schnulzenfilm, sondern Action-Science-Fiction, sonst hätte ihn auch alles Betteln und Flehen nicht dazubekommen. Nachdem er sich dreimal den Zeh am gleichen Hocker gestoßen hatte, ging er in den nächsten Raum.

Sein Schlafzimmer sah erstaunlich sauber aus, dafür, was er in der Nacht mit Malte angestellt hatte. Bei dem Gedanken merkte er, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Schwungvoll zog er das dunkelblaue Bettzeug ab, das ihm seine Mutter ungefragt geschenkt hatte und stopfte alles in die Waschmaschine. Nur schade, dass es danach nicht mehr nach Malte riechen würde. David schüttelte über sich selbst den schwarzen Schopf. Die Haare ringelten sich in seinem Nacken in kleine schwarze Löckchen und er hasste es. Seine Mutter sagte immer wieder, wie niedlich sie das fand und er musste jedes Mal ein Augenverdrehen unterdrücken. Um nichts in der Welt würde er seine Mutter kränken wollen, denn von ihr hatte er diese unseligen schwarzen Locken geerbt.

Maltes Haare waren hellbraun und glatt gewesen, soweit er das beurteilen konnte, denn er hatte hauptsächlich auf das Gesicht geachtet und die Haare waren nach hinten gestrichen gewesen. Das hatte seine Züge nur hervorgehoben und David war dadurch auf ihn aufmerksam geworden.

Verdammt. Er ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte den Typen doch erst vor einem Tag kennen gelernt, mit ihm geschlafen und nun benahm er sich, wie ein verliebtes Schulmädchen und das in seinem reifen Alter von 28 Jahren. Wie alt Malte wohl war?

Er musste aufhören, an ihn zu denken! Ab in die Schublade „Vergessen“ und den Schlüssel verschluckt!
 

Lina wartete schon ungeduldig auf ihn. Sie hatte schwarze Boots an, die ihre dürren Beine, noch dünner erscheinen ließen und tippte ungeduldig mit den Füßen auf den schwarzen Asphalt. Die langen Beine steckten in knallgrünen Strumpfhosen und sie hatte wieder ihren Lieblingskarorock in Lila an. Dazu ein überdimensionaler dunkelgrüner Pullover und ein violetter Schal rundete das Bild ab. Die dunklen Haare hatte sie in einen auf ihrem Kopf thronenden unordentlichen Dutt gebändigt, der ihr herzförmiges Gesicht betonte. An jeder anderen hätte diese Kombination lächerlich ausgesehen, aber Lina scherte sich nicht um die Meinung von anderen und tat das, was ihr gefiel.

„David, die Vorstellung beginnt gleich! Ich hab die Karten schon geholt, also rein jetzt. Na los, na los!!!“

„Ähm, danke.“, konnte er noch unter der erdrückenden Umarmung hervorquetschen, die sie ihm bei jeder Begegnung angedeihen ließ.

„Danke kannst du später noch sagen! Die Werbung ist bestimmt schon vorbei und wegen dir verpassen wir den Anfang!“

Mit diesen Worten schob sie ihn vorwärts und hinein in das völlig überfüllte Kino. Ihr Saal war natürlich ganz oben, im größten und dementsprechend vollsten. David unterdrückte ein unwilliges Stöhnen. Als sie oben an der Esstheke vorbeikamen, blieb ihm fast das Herz stehen. Da stand Malte, lächelte seine Kundschaft strahlend an und sah einfach nur verboten gut aus. Er durfte nicht merken, dass David hier war, aber es war schon zu spät, denn ihre Blicke hatten sich eindeutig gekreuzt. In Maltes Blick flammte sofortiges Wiedererkennen auf und David war in diesem Moment zum ersten Mal in seinem Leben froh, dass Lina unempfänglich für solche Schwingungen war und ihn hinter sich her zog. Malte entlockte das nur ein Hochziehen seiner Augenbrauen.

Im Saal hatten David und Lina schnell ihre Plätze gefunden. Das Murren, der bereits Sitzenden ließ David peinlich bewusst werden, wie spät sie schon dran waren. Der Film fing tatsächlich an, kaum, dass sie sich gesetzt hatten. Doch David hatte Mühe der Handlung zu folgen, weil seine Gedanken immer wieder zu Malte abschweiften und anscheinend ein Eigenleben entwickelt hatten. Ob er jedes Wochenende hier arbeitete? Dann würde David dieses Kino ab sofort wie die Pest meiden. Sollte nicht allzu schwer werden, als Kinoverachter.

Ob er sich mit diesem Job etwas dazuverdiente? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Malte hier hauptberuflich arbeitete. Die hellbraunen Haare hatte er etwas kürzer in Erinnerung gehabt, aber anscheinend hatte er sie gestern Abend nur gegelt. Jetzt fielen sie ihm leicht in die Augen und er hatte sie immer wieder nach oben geschoben. Bestimmt störten sie ihn beim Arbeiten. Dadurch hatte sein Gesicht noch markanter ausgesehen und David unterdrückte ein Seufzen. Wenn er nicht so verdammt gut aussehen würde. Dann hätte er nicht mit ihm geschlafen und müsste sich nun nicht zwingen, ihn zu vergessen. In dieser Hinsicht war er ein wenig oberflächlich und vermisste selbst den Tiefgang. Es war immer erst das Äußere, dass ihn zu jemandem hinzog und danach kamen die inneren Werte. Darauf war er nicht stolz, aber es ließ sich nicht ändern. Er sah ja, was er davon hatte.

David selbst befand sein eigenes Äußeres als leidlich akzeptabel.

Seiner Meinung nach waren seine Augen einen Tick zu groß, ein bisschen zu hellgrün und sein Mund eine Spur zu breit. Davon abgesehen konnte man auch heute noch erkennen, dass er als Kind Segelohren gehabt hatte. Das Anlegen hatte das nie wirklich verbergen können. Doch Malte schien das nicht gestört zu haben. Der war gestern ganz fasziniert von seinen Ohrläppchen gewesen. Ein Schauer überfiel ihn und er sank tiefer in seinen Sitz. Wie peinlich! Anstatt sich auf seinen Film zu konzentrieren, für den er teuer bezahlt hatte, phantasierte er von einem Mann, den er sicher nicht noch einmal aus der Nähe sehen würde.

„Hey David! Guckst du überhaupt hin?“, zischte ihn Lina an.

„Mh, ja klar.“ War glatt gelogen, er hatte null Ahnung, worum es in dem Film gerade ging.

„Ach, hör auf. Du schaust wie ein liebeskranker Dackel.“ Belustigt zog sie in der Dunkelheit beide Augenbrauen hoch, was sehr eigenartig aussah. Er errötete bis unter die Haarwurzeln und war dankbar, dass es im Kino dunkel war.

„Also bitte, sehe ich aus, wie ein Vierbeiner?“, empörte sich David.

„Wenn du schon so fragst… Und jetzt sei leise! Auch wenn du den Film anscheinend nicht sehen willst, ich will es.“ David wollte soeben einwenden, dass sie zuerst auf ihn eingeredet hatte, unterließ es aber, da Widerspruch sowieso zwecklos war. Frauen!

Für ganze fünf Minuten konnte er dem Streifen dann doch noch folgen, nur um dann völlig davon überrascht zu werden, dass er für eine viertelstündige Pause unterbrochen wurde.

Da er sich nicht mit all den verrückten Menschen Richtung Popcorntheke oder Toiletten drängen wollte, saß er nun allein auf seinem Platz. Lina hatte den Kampf hingegen aufgenommen, sich durch das Gedränge zu wühlen. Da würde Malte jetzt ordentlich zu tun haben, doch sein Mitleid hielt sich in Grenzen.

Nachdem fast die gesamten fünfzehn Minuten abgelaufen waren, hatte sich der Saal wieder gut gefüllt und Lina ließ sich mit einem genervten Plumpsen auf ihren Sitz fallen.

„Mein Gott! Warum müssen alle Frauen immer gleichzeitig auf’s Klo? Und nicht, um zu pinkeln, sondern um zu quatschen und sich zu schminken. Bei mindestens 90% ist das eh verschwendete Zeit.“ Wenn Lina einmal in Fahrt war, war niemand vor ihrem Lästermaul sicher.

„Ich wusste schon immer, dass Frauen einen Grund haben, zu zweit dorthin zu gehen.“, murmelte er leise zustimmend. Frauen waren ein Rätsel, das er lieber nicht ergründen wollte.

„Möchte jemand ein Eis?“ Verdammt, diese Stimme erregte ihn auch bei so einem harmlosen Satz. Er kroch in seinen Sitz und da auf Lina Verlass war, schoss in diesem Moment ihre Hand in die Höhe. Tja, diese Zuckersüchtige hatte er leider nicht unter Kontrolle.

„Was hätten Sie denn gern?“ Er lächelte zwar sie an, aber seine volle Aufmerksamkeit galt eigentlich David.

„Das mit Schokolade!“ Er kassierte und wandte sich nun ganz ihm zu. Zielstrebig griff er in seinen Korb und zauberte sein Lieblingseis hervor. Allein bei dem Anblick – in mehr als einer Hinsicht – lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

„Geht auf’s Haus, Kleiner.“ Damit zwinkerte er ihm zu und David spürte, wie ihm die Röte in das Gesicht schoss.

Eigentlich hätte er ablehnen sollen. Eigentlich hätte er ihn ignorieren sollen. Eigentlich hätte er ihn nicht immer noch heiß finden sollen. Stattdessen, bedankte er sich artig.

Malte warf kurz einen irritierten Blick auf Lina, die ihn jedoch strahlend anlächelte und viel sagend die Augenbrauen hoch und runter bewegte.

Schön, dass die beiden sich auf Anhieb an, verstanden…

Die Lichter verdunkelten sich und mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf David, verschwand Malte wieder Richtung Ausgang.

Genüsslich packte Malte sein Eis aus, nachdem der andere gegangen war. Mhmmmm, köstlich!

Dafür war er ihm was schuldig. Oder war das seine Art, sich für seinen gestrigen Abgang zu entschuldigen?

Das Eispapier ließ sich erstaunlich leicht lösen und verwundert zog David einen kleinen zusammengefalteten Zettel hervor, der zwischen die Schutzschicht geklemmt war.

Seine Augen weiteten sich überrascht und mit zitternden Händen faltete er ihn auseinander.
 

» Heute um 22:00 Uhr bei mir! Dann ist meine Schicht vorbei und dein Film auch.
 

Helgensbecker Allee 20
 

Ich erwarte dich! Malte «



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