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Hell called Home

von

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Nur für eine Nacht...

Als Aryn schließlich in ihr Zimmer kam, hatte ich mich bereits beruhigt und umgezogen, auch Alec hatte das Badezimmer verlassen und kein Wort über meine Reaktion verloren, dafür war ich ihm dankbar. Erneut. Er lag neben mir auf dem Bett und fand immer neue Sternbilder, erzählte von irgendwelchen Ländern, die er mit seinen Eltern bereist hatte oder schwieg mit mir. Meine beste Freundin gesellte sich nach einer Dusche ebenfalls zu uns.

So wurde es eine lustige Runde, während wir die Kekse mampften und Tee tranken, den ich neu aufgesetzt hatte, in weiser Voraussicht. Ich bemerkte, wie Aryn durch die warme Dusche und den heißen Tee müde wurde und bald einschlief, dicht an mich gekuschelt. Eine Weile lauschte ich Aryns gleichmäßigen Atem nah an meinem Ohr und schwieg, doch ich war zu aufgekratzt, als dass ich hätte schlafen können. Denn mich beschäftigte noch immer der Gedanke und die roten Narben, die Alecs Arme fast vollständig bedeckten.

Es war für mich kein unbekanntes Thema.

Aber das Vertrauen, das er mir entgegenbrachte, schon. Er hatte mir so vieles anvertraut, ohne jemals eine Gegenleistung zu erwarten, er näherte sich mir immer und ließ es über sich ergehen, wenn ich ihn wegstieß. Schlau wurde ich aus ihm nicht, doch in mir machte sich das Gefühl breit, dass ich einen Schritt auf ihn zugehen sollte, dass ich es ihm schuldig war.

Alec schien genauso aufgekratzt wie ich zu sein, denn er summte kaum hörbar vor sich hin.

Spring.

Ich vertraute Aryn, doch diesmal war es Alec, der unten wartete, blaue Augen, nicht grüne und dunkelbraune Haare, die hätten blau sein müssen. Die Frage war nicht, ob ich ihr vertraute, sondern ob ich Alec vertrauen konnte. Die Antwort hingegen war gleich.

Zumindest für diese eine Nacht.

So vorsichtig wie möglich, damit Aryn nicht aufwachte, löste ich mich von ihr und stand auf. Alec stoppte mit seinem Summen und sah mich fragend an. Ich machte ihm einfach ein Zeichen, mir zu folgen und trat in den begehbaren Kleiderschrank meiner besten Freundin. Wenig später schloss sich die Tür und Alec setzte sich neben mir auf den Boden, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Ich schwieg und ordnete zunächst meine Gedanken, während ich aus dem kleinen Fenster zum Himmel sah.

"Wo soll ich anfangen? Meine Kindheit war nie schön, meine erste Erinnerung war der Tod meiner Großeltern, die zweite ihre Beerdigung. Meine Mutter war Einzelkind, mein Vater auch und so blieben von unserer Familie nur meine Eltern, meine Schwester und ich übrig. Meine Schwester hieß Jua, das ist Suaheli für Sonnenaufgang, und das war sie für meine Eltern. Egal wann sie auftauchte, was sie gemacht hatte, für meine Eltern ging die Sonne auf. Ich war immer ihr Sorgenkind gewesen, ein Fehler in ihrem sonst makellosen Leben. Aber ich habe Jua nie gehasst, im Gegenteil, sie war für mich ebenfalls die Sonne, denn ich war ihre kleine Schwester, unzertrennlich, und ich habe sie immer für ihre Stärke bewundert."

Meine Stimme brach, als die Erinnerungen sich so frisch vor meinen Augen abspielte, dass ich wieder all die Jahre zurückgeworfen wurde. Ich war erneut das kleine Mädchen, aber die Schmerzen blieben. Alter Schmerz und neuer wurde zu einer Flutwelle, die über meinen Kopf zusammenschlug. Nur gedämpft und seltsam schwach bemerkte ich, wie ich mich an Alec kuschelte, der einen Arm um mich legte und mit leiser Stimme flüsterte: "Du musst es mir nicht sagen. Hör einfach auf."

Nein.

Jetzt konnte ich nicht mehr.

Freier Fall.

"Dabei war sie körperlich sehr angeschlagen, aber ihr Geist war immer stark gewesen. Trotz all den OP's, die ewigen schlechten Nachrichten der Ärzte und der Krankheit, hat sie nie aufgegeben. Niemals. Aber ohne Körper nutzte ihr ihr starker Wille auch nichts mehr. Es war Nacht, ich war vier Jahre alt, meine Schwester neun, unsere Eltern schliefen. Ich konnte nicht schlafen und schlich mich in das Zimmer meiner Schwester...in jener Nacht ging es ihr besonders schlecht, doch sie hörte sich meine Ängste an und tröstete mich. Ihre Worte gingen in einem Hustenanfall unter, sie richtete sich auf und hielt sich die Hand vor den Mund, während sie immer weiter hustete. Als sie sie wieder zurückzog, war sie rot. Panisch rief ich nach unseren Eltern, die sofort ins Zimmer stürzten. Meine Mutter kauerte sich neben Jua, mein Vater schrie mich währenddessen an und schlug mich immer und immer wieder, aber ich konnte den Blick nicht von meiner Schwester lösen, die sich von meiner Mutter losmachte und zu mir kam, um mich vor den Schlägen meines Vaters zu schützen. Sie hustete und hustete und weinte und schrie, ich weiß es nicht mehr. Irgendwann hörten wir alle auf und es war still. Mein weißes Nachthemd war voller Blut...die Hände meines Vaters, die meiner Mutter und meine....voller Blut."

Ich stoppte und kuschelte mich dichter an Alec, der geduldig geschwiegen und mir über den Rücken gestreichelt hatte. Die Bilder sollten verblassen, sollten nicht mehr schmerzen und dennoch war es, als wäre das alles erst gestern passiert, so klar, so klar leuchtete das Blut vor meinem inneren Augen, so deutlich sah ich die Szene, ohne Ende, ohne Halt. Mit einem tiefen Atemzug schloss ich die Augen, ließ mich endgültig fallen und konzentrierte mich auf die warme Berührung von Alec, der weiter schwieg. Es gab auch nichts zu sagen.

Ich war menschlich, hatte Gefühle und brauchte Nähe.

Für diese eine Nacht ließ ich es zu.

Nur für eine Nacht.



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