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Ein ungewöhnlicher Mitbewohner

von
Koautor:  Caracola

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5. Kapitel

Die Vibration an seinem Oberschenkel weckte ihn. Leicht verwirrt, richtete sich Adrian auf. Er war doch nur kurz eingenickt, oder?

Während er das Handy aus seiner Hosentasche zog, sah er sich um. Emily war weg, er hatte sich auf der ganzen Couch breit gemacht und das Sonnenlicht drang durch die Fenster herein. Ein Blick auf sein Display teilte ihm mit, dass dieses lästige Vibrieren sein Handywecker war. Er hatte ihn sich gestern zur Sicherheit gestellt, da er heute ausnahmsweise einmal schon Vormittags zur Arbeit musste. Immerhin war Montag LadysNight, was immer wieder ein großes Event im Club darstellte. Er musste bei seiner Choreographie noch ein paar letzte Feinschliffe machen und erst wenn die Proben erfolgreich abgeschlossen waren, würde er nach Hause gehen können. Er hatte also einen langen Tag vor sich. Aber darauf freute er sich trotzdem.

Da es noch sehr früh am Morgen war, schlich er leise durch die Wohnung, um kurz zu duschen, sich die Zähne zu putzen und sich für die Arbeit fertig zu machen. Er nahm auch noch gleich den kleinen Zettel, der an der Kühlschranktür hing, mit, auf den Emilys Bankverbindung stand, um die Überweisung gleich im Anschluss zu erledigen.

Auf dem Weg zur Tür schnappte er sich noch einen Apfel aus der Obstschüssel und steckte ihn sich dann zwischen die Zähne, während er die Tür hinter sich absperrte. In Gedanken war er schon ganz wo anders, als er in den Bus einstieg, um in den Club zu fahren.

Wie immer würde sein Arbeitsplatz am Tage ein seltsames Bild auf ihn machen. Keine Zuschauer, leere Bühnen, Tische, Stangen und Käfige. Der Barkeeper durfte sicher noch etwas länger schlafen, immerhin war Sonntag und vor allem war der ganze Club einmal in ein weniger diffuses Licht getaucht. Ein sehr seltener Anblick, den Adrian sicherlich nicht vermisste. Er liebte die bunten Lichter, die hämmernden Beats und allen voran die tobende Stimmung der wogenden Masse.
 

***
 

Nachdem sie geduscht und sich fertig gemacht hatte, kochte Emily erst einmal Tee. Den Sonntagmorgen ließ sie normalerweise sehr gemütlich angehen. Mit einem späten Frühstück und einem Magazin. Heute war es eine Monatszeitschrift des Museums. Ein Artikel betraf die neuen Anschaffungen. Unter Anderem war von dem Kauf eines Dinosaurierskeletts für die Empfangshalle die Rede. Das würde Emily sehr gefallen. Sie mochte Dinosaurier. Als Kind hatte sie viele Bücher über die Urzeitechsen gehabt und sogar kleine Plastikausführungen.

Als das Telefon klingelte sprang sie mehr als hoffnungsvoll auf. Vielleicht war es Zach. Auch wenn es ungewöhnlich gewesen wäre, dass er sie auf dem Festnetz anrief.

Ihr Gesichtsausdruck war relativ enttäuscht, als sie die Stimme ihrer Schwester erkannte.

„Hey, Mona.“

„Hey, Schwesterchen. Was machst du heute?“

„Eigentlich nichts, warum?“ Es stimmte leider. Auf ihrem Handy war keine neue Nachricht eingegangen. Zwar hatte Emily vorgehabt auf eine Sms oder einen Anruf zu warten. Aber wenn ihre Schwester etwas vorhatte, würde sie zusagen. Sie hatte keine Lust mehr zu warten.

„Ich wollte mit Mario in den Zoo. Willst du mitkommen? Danach könntest du noch zu uns zum Essen bleiben.“

Emily dachte kurz nach. Sie liebte es, in den Zoo zu gehen. Und sie mochte ihre Schwester. Genauso wie ihren Mann. Aber auch bei den beiden hatte sie immer das Gefühl das fünfte Rad am Wagen zu sein. Sie wirkten trotz drei Jahren Ehe noch so verliebt und glücklich… Aber ein Tag im Zoo war verführerisch, also sagte sie zu.

Sie zog sich einen hellen Rock, Stiefel und einen dicken grünen Pulli an. Das Wetter war wesentlich besser als gestern, aber noch nicht wirklich warm.

Als sie im Zoo ankam, warteten Mona und Mario bereits auf sie. Umarmungen wurden ausgetauscht und sie kauften sich die Tickets. Emily freute sich besonders auf die Robben und Pinguine. Mona hatte schon immer besonders die Löwen gemocht, die Emily total langweilig fand. Es war ein schöner Nachmittag, mit vielen Geschichten, Lachen und den üblichen Pommes Frites zur Pause.

„Ein Besuch im Zoo läuft doch immer gleich ab“, meinte Mona, als sich Emily gerade einen Pommes in den Mund steckte.

„Ja, du hast Recht. Auch heute will ich mir einen Pinguin mit nach Hause nehmen und du wirst mich das wie immer nicht tun lassen.“

Die beiden Schwestern lachten herzlich und Mario strich Mona zärtlich über den Rücken.
 

Der Tag war so lang gewesen, wie er anstrengend war. Schon beim Betreten des Clubs hatte sein Chef ihn in Beschlag genommen und ihm mehr als zwei Stunden lang haarklein erklärt, wie er sich Adrians Auftritt vorstellte. Als dieser endlich einmal zu Wort kommen konnte, wiederlegte er diverse Vorschläge mit ziemlich guten Argumenten, woraufhin sie weitere kostbare Zeit mit dem Versuch verschwendeten, sich einig zu werden. Als Adrian glaubte, sie hätte endlich einen Mittelweg gefunden, fiel seinem Boss erst jetzt ein, ihm zu sagen, dass er die Hauptattraktion des morgigen Abends sein würde, was Adrian erst einmal zum Verstummen brachte.

Ja, er stand gerne auf der Bühne. Ja, er tanzte auch gerne vor anderen Menschen, aber das hier war einfach so viel größer. Leider konnte er seinen Chef nicht umstimmen, und so blieb er die Nummer eins des morgigen Abends. Zumindest, solange er den Auftritt nicht versaute.

Als sie nach drei Stunden endlich alles Choreographische durchgesprochen hatte, ging ein noch längeres Gespräch über sein Kostüm los. Für gewöhnlich hatte Adrian nichts gegen schwarzes Leder, schwere Stiefel und ein halbdurchsichtiges Muskelshirt, aber was noch darum herum zum Showeffekt beitragen sollte, machte ihn etwas misslaunig. Andererseits versuchte er die Situation in einem ganz anderen Licht zu sehen.

Da bot sich ihm wieder einmal die Möglichkeit in eine vollkommen andersartige Rolle zu schlüpfen, die er vor unglaublich vielen Frauen ausleben konnte, dafür aber niemals auch nur einen Gedanken in seinem Privatleben daran verschwenden würde. Er war schließlich damit einverstanden und somit konnte er zusammen mit dem DJ und LJ endlich zu Üben beginnen, damit morgen Abend um Punkt Mitternacht alles perfekt sein würde.
 

***
 

Emily hatte ihr Handy in der Handtasche fast vergessen. Es hatte erst beim Abendessen geklingelt. Unter dem strafenden Blick ihrer großen Schwester hatte Emily das Gespräch entgegen genommen und sich für später verabredet.

Zach stand um zehn Uhr abends – eine Stunde, nach der Uhrzeit, die sie verabredet hatten - vor ihrer Tür. Sie redeten ein wenig, tranken ein oder zwei Bier und saßen dann in ihrem Zimmer. Als es Zeit war ins Bett zu gehen, zog Zach Emily an sich und küsste sie zum ersten Mal an diesem Abend.

Der Sex war langweilig, obwohl er so schnell vorbei war. Kein Vorspiel, kein Erfolg für Emily und Zach schlief mehr oder weniger direkt auf ihrem Bauch ein.

Diesmal war das Gefühl in ihrem Bauch noch schlechter als am Abend zuvor. Sie konnte das hier nicht mehr. Sie schob Zach von sich herunter, der das nur mit einem mürrischen Brummen quittierte und weiter schlief.
 

Kaum zu glauben, dass er erst weit nach elf Uhr abends heim kam. Ausnahmsweise war er einmal körperlich vollkommen ausgelaugt, da seine Nummer ganz schön viele körperliche Herausforderungen beinhaltete, die alle wenig mit Ausziehen zu tun hatten, sondern sich viel mehr damit beschäftigten, seine halbe Nacktheit noch besser zur Schau zu stellen. Aber immerhin war es doch genau das, worauf die meisten Zuschauer scharf waren. Dennoch war es anstrengend gewesen, die Nummer immer und immer wieder zu üben, bis alles perfekt saß.

Adrian warf seine Schlüssel auf das kleine Tischchen im Flur, zog sich die Jacke aus, während er sich die Schuhe von den Füßen streifte und anschließend in die Küche schlurfte, um sich einen Mitternachtssnack zu gönnen. Er hatte heute kaum etwas essen können. Wenigstens hatte er die Sache mit der Miete bereits vor seiner Arbeit erledigt.

Als er zwei Bier auf der Anrichte stehen sah, wurde Adrian zum ersten Mal wieder aufmerksam. Er lugte kurz in den Flur, wo er ein fremdes Paar männlicher Schuhe entdecken konnte. Hatte Emily etwa Besuch?

Auch wenn ihn das absolut nicht zu interessieren brauchte, lauschte er in die Stille hinein, doch da war nichts zu hören. Sie mussten wohl schon schlafen.

Also machte er sich selbst daran, Rühreier in die Pfanne zu hauen, sie gut zu würzen und mit Käse zu bestreuen.
 

Emily hatte Zach eine Weile ins Gesicht gesehen und versucht die Gefühle herauf zu beschwören, die sie für ihn hegen sollte. Verliebtheit, sogar echte Liebe. Aber da war nichts. Sie fühlte sich nicht wohl mit ihm. Eigentlich wollte sie nicht einmal neben ihm schlafen, aber es war einfach nicht ihre Art, ihn nun aufzuwecken und aus ihrer Wohnung zu werfen. Also versuchte sie einzuschlafen.

Nach einer Weile hörte sie Adrian nach Hause kommen und sah auf die Uhr. Er war sehr viel früher dran als das letzte Mal. Dafür war er auch den ganzen Tag weg gewesen. Sie hörte ihn noch in der Küche herumwerkeln.

Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte sich eine Weile mit ihm unterhalten. Nur um dieser deprimierenden Situation zu entkommen. Aber es würde ebenfalls nichts helfen. Sie musste noch diese Nacht durchstehen und sich dann endlich befreien. Es war Zeit. Eigentlich war es mehr als das.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie über den Punkt an dem das Ende hätte stehen sollen, schon lange vorbei geschrappt war.

Sie wickelte sich in ihre Decke und drehte Zach den Rücken zu. An Schlaf war nicht zu denken, aber irgendwann überkam er sie doch und sie sank in einen traumlosen Schlaf.
 


 

***
 

Der nächste Morgen war genauso schrecklich wie die Nacht zuvor. Emily wachte auf und konnte Zach nicht einmal berühren, der neben ihr die Augen aufschlug und sie ansah. Er stand auf und stieg in seine weiten Jeans. Sein schwarzes Shirt mit dem roten Drachen zog er sich über und stieg dann in weiße Tennissocken.

Erst als er angezogen vor ihr stand, brachte Emily ein Wort heraus. „Zach… Ich kann das hier nicht mehr.“

Die Diskussion lief leise ab. Zumindest von Emilys Seite. Zach regte sich furchtbar auf. Dabei war er es gewesen, der nie eine Beziehung mit ihr hatte eingehen wollen. Jetzt warf er ihr Beleidigungen an den Kopf und stürmte aus ihrem Zimmer und der Wohnung. Emily hatte offensichtlich sein Ego verletzt. Sie hatte ihm noch im Schlafanzug die Tür aufgeschlossen und er schob sie unsanft zur Seite und rannte polternd die Treppe hinunter. Erst als Emily die Holztür geschlossen hatte, liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie versuchte sie hinunter zu schlucken, aber es funktionierte nicht.

Der nächste Raum war das Bad, also verzog sie sich darin und setzte sich auf die kalten Fliesen direkt neben den Klorollenspender und putzte sich das Gesicht ab. Sie musste kurz darüber lachen, dass sie es praktisch fand, die benutzten Tücher gleich in die Toilette werfen zu können.
 

Adrian schlief so fest, dass er erst wach wurde, als er eine Männerstimme fluchen hörte und das nicht unweit von ihm entfernt. Zu nah, als dass es hätte von draußen vor dem Fenster kommen können. Da er noch im Halbschlaf wa, begriff er nicht, was ihm diese Information sagen wollte. Weswegen er sich kurzerhand wieder herum drehte und die Augen schloss. Dann allerdings hörte er Fußgetrampel vor seiner Tür vorbei laufen, den Flur entlang bis zur Haustür, die sich kurz darauf sehr leise wieder schloss.

Jetzt saß er aufrecht. Die Tür zum Bad war das nächste Geräusch, dass zu ihm vordrang. Mann, diese Wände waren echt nicht gerade schallisoliert, zum Glück schlief er in den meisten Fällen wie ein Stein. Aber das ungute Gefühl im Magen zwang ihn dann doch dazu, aufzustehen und nachzusehen, ob mit Emily alles in Ordnung war. Immerhin hatte sich die Männerstimme nicht gerade zärtlich angehört. Ganz im Gegenteil, wäre sie noch lauter geworden, wäre er gleich aus dem Bett gesprungen.

Rasch zog er sich eine Short an, weil er schon wieder nur mit einem Handtuch bekleidet eingeschlafen war und verließ sein Zimmer. Vor der Badezimmertür lauschte er kurz, da er aber wusste, dass Emily ihn sicherlich gehört hatte, klopfte er sachte an.

„Emily? Ist alles in Ordnung bei dir?“ Er horchte.
 

Emily schrak zusammen, als sie Adrians Zimmertür hörte. Sie biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen in der Hoffnung, dass er nicht zum Bad kommen würde. Natürlich umsonst.

„Nein!“, fluchte sie tonlos und rappelte sich so schnell sie konnte vom Fußboden hoch.

Ihr Stimme klang brüchig vom Weinen und unnatürlich hoch, als sie versuchte, überzeugend zu klingen. „Ja, alles in Ordnung.“

Sie drehte das kalte Wasser an und spritze sich ein paar Hände voll ins Gesicht, bevor sie die Tür einen Spalt breit öffnete.

„Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht wecken. Es tut mir leid…“

Ihre Unterlippe fing wieder an zu zittern und ihr war klar, dass sie gleich erneut in Tränen ausbrechen würde. Diesmal, weil es ihr so unglaublich leid tat, dass sie Adrian mit ihrer Szene aufgeweckt hatte.

„Geh’ wieder schlafen. Ich…“ Sie sah auf die Uhr über dem Spiegel an der Wand und fluchte diesmal laut. „Ich muss in einer halben Stunde zur Arbeit.“

Er sah skeptisch aus, aber sie schloss mit einem weiteren Sturm an Entschuldigungen die Tür.
 

Ach du heilige Scheiße! Sie hatte geweint und stand definitiv davor, gleich wieder damit loszulegen. Damit hatte Adrian wirklich nicht gerechnet, als sie schließlich die Tür öffnete. Sofort drangen zwei gänzlich unterschiedliche Gefühle durch seinen ganzen Körper. Zum Einen war da plötzlich kochende Wut auf diesen Scheißkerl, der sie zum Weinen gebracht hatte und zum Anderen war da der Drang, sie zu trösten. Er konnte Frauen noch nie weinen sehen, ohne dass sich bei ihm gleich der Beschützerinstinkt einschaltete. Allerdings schob sie dem gleich einen Riegel vor, als sie sich unnötigerweise bei ihm entschuldigte und ihm gleich daraufhin die Tür vor der Nase zu machte.

Eigentlich wollte er etwas sagen, aber dann ließ er diesen Entschluss doch fallen. Stattdessen ging er schnurstracks in die Küche, stellte Wasser für den Kaffee auf und warf Speck mit Eiern in die Pfanne. Wenn er schon sonst nichts für sie tun konnte, sollte sie wenigstens nicht mit leerem Magen zur Arbeit gehen müssen.

Während er darauf wartete, dass der Kaffee endlich fertig wurde, lehnte er mit dem Rücken zur Tür an der Theke und wippte nervös mit dem Fuß. Gedeckt hatte er bereits, obwohl er nicht einmal wusste, ob sie morgens etwas aß. Egal. Zur Not konnte er immer noch selbst das Essen hinunter würgen, obwohl ihm gerade ganz und gar nicht danach war.

War das ihr Freund gewesen? Hatte der Penner sie schon öfters so behandelt? War jetzt Schluss oder war das der normale Tagesablauf dieser beiden „Liebenden“? Gott, wie er solche Typen hasste! Man konnte doch wohl über alles ganz normal reden und selbst wenn einmal ein Streit anstand, flüchtete man nicht gleich davor. Es sei denn, er hatte sich für immer verpisst, was Adrian schwer für den Kerl hoffte.

Warum regte er sich eigentlich so auf? Das ging ihn verdammt noch mal nichts an!
 

Unter der lauwarmen Dusche versuchte sie sich zu beruhigen. Es war gut so, wie es war. Das Gefühl gestern Nacht hatte sie nicht trügen können. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sich endlich und vor allem endgültig von ihm zu trennen.

Aber es war genauso wahr, dass sie einmal sehr verliebt in ihn gewesen war. Und dieses Gefühl versuchte sie jetzt davon zu überzeugen, dass sie übertrieben hatte. Aber diesmal würde sie stärker sein. Zachs Reaktion war doch wohl Grund genug, sich ihrer Sache mehr als sicher zu sein. Natürlich verstand sie, dass sie ihn verletzt hatte, aber deswegen musste er sich nicht so aufführen. Wenn sie ihm etwas bedeutete, hätte er mit ihr reden können.

Emily legte ein wenig Make-up auf, um die roten, gefleckten Wangen zu überdecken und rannte dann in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Ein ordentliches, dunkelgrünes Kostüm und eine schwarze Bluse. So dunkel und unauffällig wie möglich. Außerdem band sie ihre Haare in einen strengen Knoten zurück und legte keinen Schmuck an.

Mit ihrer Tasche in der Hand ging sie in die Küche, weil es schon im Flur sehr gut nach Eiern und Speck roch.

Als sie schließlich in der Küche ankam sah sie, dass Adrian Frühstück gemacht und den Tisch gedeckt hatte. Sie sah ihn völlig verblüfft an und wäre beinahe wieder in Tränen ausgebrochen. Er war so süß!

Völlig unüberlegt ging sie zu ihm hinüber zur Küchentheke und drückte ihn kurz. „Vielen Dank. Das ist wirklich süß von dir.“

Eigentlich hatte sie kaum noch Zeit, aber dass er sie mit seiner aufmerksamen Art beinahe geschafft hatte, war Grund genug noch hier zu bleiben. Es würde den Pharao nicht umbringen, wenn sie eine halbe Stunde später anfing die Farben aufzufrischen. Immerhin war er schon tot.

Völlig fertig ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und hibbelte darauf herum. Dann sah sie Adrian in die blauen Augen. „Nochmal Entschuldigung, dass wir dich geweckt haben. Ich hätte nicht gedacht…“ Mit einem tiefen Seufzer sah sie auf ihre Finger, die sich zusammen krampften. „Ich hab schlussgemacht. Er hat’s nicht gut aufgenommen.“
 

Es überraschte ihn doch mehr, als er zugeben wollte, dass sie ihn so plötzlich umarmte. Aber schon aus reinem Reflex, drückte er sie kurz, ehe sie sich wieder von ihm löste. Ja, das Wort „süß“ hatte er schon oft im gleichen Zusammenhang mit seiner Person gehört. Das und mehr. Dennoch brachte es ihn zum Lächeln, während er das Essen auftischte und frischen Kaffee einschenkte.

Während sie ihm erzählte, dass sie mit Kerl schlussgemacht hatte, betrachtete er Emily kurz. Man sah ihr nicht mehr an, dass sie geweint hatte, allerdings wollte dieses strenge Aussehen nicht wirklich zu der netten Art passen, die er bisher von ihr kennen gelernt hatte. Irgendwie wirkte sie … geduckt. Als wolle sie absichtlich möglichst unauffällig sein. Warum nur? Hatte sie denn angst, den Menschen zu zeigen, was für ein Mensch sie war? Außerdem vermisste er es, wenn sie offene Haare hatte. So wie gerade eben noch, als er einen Blick auf sie und ihren Pyjama hatte werfen können.

„Emily, du brauchst dich wirklich nicht dafür zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil. Ich bin sehr zufrieden mit dir.“ Er lächelte sie über den Rand seines Kaffeebechers an und nahm dann einen Schluck. „Wenn der Kerl auch nur annähernd so war, wie ich ihn mir vorstelle, war das die einzig richtige Entscheidung in meinen Augen. Du hast es wirklich nicht nötig, dich mit sowas abzugeben.“

Bestimmt hatte er sie nur fürs Bett ausgenutzt. „Typen wie der wollen doch alle nur das eine ohne Rücksicht auf Verluste.“ Oh ja, davon konnte er nur ein Lied singen, auch wenn er selbst ein Kerl war und er damit so einige Frauen in seinem Leben meinte.

„Das solltest du dir nicht antun.“, fügte er noch hinzu, ehe er zu essen begann. Das er hier den schwulen Mitbewohner spielen musste, kam ihm in diesem Fall sehr entgegen. Immerhin konnte er so ganz unverfänglich mit ihr über solche brisanten Themen sprechen, ohne gleich schräg angesehen zu werden. Für Gewöhnlich hatte er ohnehin keine Probleme damit, offen zu reden, aber mit großer Wahrscheinlichkeit Emily, weswegen er sich auch noch halbwegs zurückhielt. Er hätte es auch ganz anders ausdrücken können.
 

„Danke.“

Sie wollte nur allzu gern daran glauben, dass Adrian Recht hatte. Denn das würde bedeuten, dass sie auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen hatte. Aber sein Kommentar, den sie durchaus verstand, verletzte sie ein wenig. Ihre Gabel blieb mitten in der Luft hängen.

Es war ein ziemlich schlimmer Gedanke, dass Zach sie wirklich nur für Sex ausgenutzt hatte. Noch dazu wenn sie bedachte, wie schlecht der Sex gewesen war. Zach war völlig egoistisch gewesen. Was für Adrians Theorie sprach und Emily einen dicken Kloß ihm Magen bescherte.

Nachdem sie ungefähr die Hälfte ihrer Portion gegessen hatte, warf sie einen nervösen Blick auf ihre Armbanduhr. Mehr als eine halbe Stunde wollte sie nicht zu spät kommen. Also sprang sie auf, stellte ihren Teller neben die Spüle und drehte sich zu Adrian um, der noch am Tisch saß.

„Vielen Dank für’s Frühstück und für’s Zuhören.“ Sie brachte sogar ein Lächeln zustande, auch wenn es nicht sonderlich überzeugend war.

„Tschüss!“
 

Seufzend sah er ihr hinter her, wie sie die Wohnung verließ. Adrian blieb noch sehr lange am Frühstückstisch sitzen, während der Rest seines Essens unangerührt kalt wurde und der Kaffee schließlich das gleiche tat.

Gerne hätte er Emily geholfen, aber wie gesagt, es ging ihn eigentlich nichts an und um ihr wirklich helfen zu dürfen, kannten sie sich noch nicht genug. Er war noch ein Fremder für sie und sie für ihn.

Wieder entkam ihm ein Seufzen, bis er sich schließlich dazu aufraffte, das Geschirr zu spülen, das restliche Essen auf den Kompost zu werfen und dann etwas die Wohnung aufzuräumen. Viel war nicht zu tun, immerhin waren sowohl Emily als auch er ziemlich sauber im Umgang mit ihrer Wohnung. Also legte er nur die Decken ordentlich auf die Couch, machte dann sein Bett und versuchte sich den Rest des Tages gedanklich auf seinen Auftritt vorzubereiten, der immer näher rückte. Eigentlich hätte er nicht so nervös sein sollen, aber er war es. Weswegen er lange genug völlig sinnlos durch die Wohnung tigerte und immer wieder auf die Uhr starrte, bis er sich zur Ordnung rief und erst einmal eine heiße Dusche nahm.
 


 

***
 

Julie rief sie während der Arbeit an und erzählte ihr erst einmal von ihrem ‚phantastischen’ Wochenende mit Luke. Als Emily endlich zu Wort kam, erzählte sie Julie was am Morgen vorgefallen war.

„Oh Gott, Süße! Das tut mir leid. Und da ist gar nichts mehr dran zu ändern?“

Emily biss sich kurz auf die Zunge und schluckte das traurige Gefühl herunter, dass sich in ihrer Brust sammeln wollte.

„Nein, ich glaube nicht.“

„Dann hör aber mal. Wir gehen heute Nacht ins Shadow und du trinkst was. Luke kann uns fahren. Und keine Widerrede.“

Emily versuchte sich herauszureden, aber Julie ließ nicht locker. Also würde sie eben heute ins Shadow gehen. Na toll, das hieß sich aufzustylen, ein Hauch von Nichts anzuziehen und sich zur Schau zu stellen. Obwohl … es war Ladysnight. Also würde niemand auf sie achten. Vielleicht war das doch keine so schlechte Idee.
 

Als Adrian endlich zur Arbeit fuhr, war Emily noch nicht zu Hause, aber er musste ohnehin früher im Club sein, um sich fertig zu machen und um sich vor allem schon mal auf die Atmosphäre einzustimmen, die heute sicher noch geladener war, als ohnehin schon. Immerhin heizten seine Kollegen die Menge bestimmt schon einmal ordentlich ein, bevor er dran kam.



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