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Ein ungewöhnlicher Mitbewohner

von
Koautor:  Caracola

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4. Kapitel

Nach einem kurzen Zwischenstopp im Supermarkt flitzten sie in Emilys Mini zurück nach Hause. Die Couch sollte in einer Stunde geliefert werden und bevor sie eintraf wollten sie noch den Couchtisch zusammenbauen.

Das gestaltete sich nicht so einfach, denn die Beschreibung war nur auf Französisch. Fast wie in schlechten Geschichten. Aber die Bilder halfen ihnen so weit, dass irgendwann eine annehmbare Version ihres neuen Tisches vor ihnen in dem leeren Wohnzimmer stand.

„Gute Entscheidung. Hier gefällt er mir besser als im Möbelhaus.“

Als die Möbelpacker das Monster von Couch in den dritten Stock schleppen mussten, taten sie Emily wirklich leid. Es war ein wirklich harter Job. Noch dazu bei diesem Wetter.

Aber als die Couch dann in der Mitte des großen Raumes stand, freute sich Emily fast ein Loch in den Bauch. Das Teil war schon verdammt riesig, aber passte genauso gut zu den dunklen Dielen, wie sie vermutet hatte.

Kaum dass die Männer draußen waren, ließ Emily sich auf die Couch fallen und zog den Couchtisch, den sie mit Adrian zusammengebaut hatte, in Position.

„Perfekt.“

Leider standen der Fernseher und der DVD-Player immer noch auf dem Fußboden. Aber er war groß genug, dass sie das Bild ohne Probleme von ihrem neuen Sofa aus sehen konnten.
 

Nachdem er die Einkäufe im Kühlschrank verstaut hatte, half er seiner Mitbewohnerin dabei, den Couchtisch zusammenzubauen. Die Beschreibung war auf Französisch, was eigentlich kein Problem für ihn darstellte, immerhin hatte er diese Sprache einmal lernen müssen und konnte sie auch jetzt noch recht fließend, aber das gehörte definitiv in den Bereich seines anderen Jobs und somit trennte er das strickt von seinem Privatleben.

Also stellte er sich dumm, prüfte dafür aber genau die Bilder, bis sie den Kampf gegen das gläserne Ungetüm gewonnen hatten und auch schon die Möbelpacker herbei rückten. Er beneidete sie wirklich nicht um den Job, weswegen er ihnen auch ein Trinkgeld zusteckte, als er sie zur Tür begleitete.

Zufrieden mit dem Ergebnis des heutigen Tages, setzte er sich kurz zu Emily, die noch ein letztes Mal den Couchtisch verschob, so dass er nun absolut am richtigen Platz stand.

„Dem kann ich nur zustimmen. Wie wär’s, du machst Popcorn und ich lege schon mal die DVD ein?“ Er lächelte sie zufrieden an, ehe er auch schon aufstand.

Erst aber zog er sich bequemere Sachen an. Eine kurze Hose die ihm nur knapp über die Knie ging und ein schlabber Shirt, das ausnahmsweise einmal nicht eng an seinem Körper anlag. Danach suchte er Terminator Teil 1 heraus und legte ihn ein. Mit der Fernbedienung in der Hand ließ er sich am einen Ende der Couch nieder und schaltete auf Pause, als der Film gerade am Anfang begann, bis seine Mitbewohnerin sich zu ihm gesetzt hatte.
 

Emily machte eine große Schüssel voll Popcorn und eine Kanne Tee, die sie auf den neuen Couchtisch stellte. Zur Sicherheit legte sie einen Korkuntersetzer darunter, damit sie nicht gleich ein paar Stunden nach dem Einkauf einen Sprung in die Glasplatte machte. Mit den Tassen verfuhr sie genauso und stellte noch die Schüssel mit Popcorn daneben, bevor sie noch einmal in ihr Zimmer lief, um ein Kissen und eine große Decke zu holen und sich umzuziehen.

Wieder zog sie die schwarze Leinenhose an und ein Shirt. Allerdings dicke Socken dazu, weil ihr sonst schnell kalt werden würde. Die Decke brachte sie nicht grundlos mit ins Wohnzimmer.

Sie hatten den Film wirklich schon ewig nicht mehr gesehen. Vor allem die Eingangsszene gefiel ihr, in der beide Besucher nackt in dieser Energiekugel ankamen.

„Arnold Schwarzenegger ist doch nichts im Vergleich zu dem Guten.“ Es war nicht wirklich eine Frage, aber es war ihre Meinung. Emily mochte muskelbepackte Männer nicht, die vor Steroiden kaum mehr laufen konnten. Sie hatte das Poster gesehen, dass Adrian sich im Möbelhaus gekauft hatte. Wenn das sein Typ war, würden sie sich bestimmt nie in den Weg kommen. Noch nicht einmal, wenn es um einen Schwarm ging. Emily konnte mit dunkelhaarigen Latino-Verschnitten nichts anfangen. Männer durften für sie nicht zu glatt sein, um ihr Interesse zu erregen.
 

„Ja, da hast du recht. Kyle Reese find ich fiel schärfer, vor allem mit der Frisur. Ich kann mir echt nicht vorstellen, wie das damals In sein konnte.“ Außerdem mochte er diese Muskelberge auch nicht. Ein Grund wieso er es mit dem Training bei sich selbst nicht übertrieb. Ein paar gut gebaute Konturen ja, aber keine überzüchteten Berge. Darauf konnte er getrost verzichten. Allerdings gefiel ihm in diesem Film Sara Conner am Besten. Doch das sprach er natürlich nicht laut aus. Denn vor allem in der Intimszene zwischen den beiden, kam sie wirklich gut rüber.

Aber schließlich war der Film vorbei, der sexy Vater von John Connor tot und die Maschine zu Schrott verarbeitet. Da läutete bei Emily auch schon ihr Handy und er stellte den Fernseher auf lautlos, ehe er schließlich einfach gleich aufstand und die DVD heraus holte.
 

Als der Held im Sterben lag knabberte Emily das Popcorn in sich hinein. Die Geschichte mit dem Photo hatte sie schon oft zu Tränen gerührt. Aber diesmal konnte sie sich zusammenreißen. Immerhin wollte sie vor Adrian nicht anfangen zu heulen. Noch dazu bei einem Film wie Terminator.

Plötzlich klingelte ihr Handy auf dem Boden, wo sie es an das Ladekabel angeschlossen hatte. Es war auf lautlos geschaltet, aber Emily sah das Licht angehen und das Gerät nervös auf den Dielen hüpfen.

Sie entschuldigte sich kurz, aber der Film war sowieso zu Ende. Adrian drehte netterweise die Abspannmusik herunter, als Emily den Anruf entgegen nahm.

Ihre Gesprächsführung war genauso kurz gehalten wie seine. Nur ein paar Bestätigungen, ein Blick aus dem Fenster. Es schüttete immer noch. Außerdem war es gemütlich in der Wohnung und sie hatten noch viele DVDs zur Auswahl.

“Kannst du nicht einfach herkommen? ... In ein paar Stunden wäre auch ok. Ich kann auf dich warten…“ Mit enttäuschtem Gesichtsausdruck legte sie auf. Anstatt allerdings das Handy wieder auf den Boden zu legen, zog sie das Kabel heraus und legte es neben sich auf die Couch. Dann sah sie Adrian mit einem kleinen Seufzer an.

„Hast du Lust auf Wein?“
 

„Gerne. Willst du dir den zweiten Teil anschauen, oder hast du etwas anderes im Sinn?“, fragte er sie mit einem Kopfnicken auf die DVD in der Hand.

Was ihn aber eigentlich interessierte, war der Anruf. Irgendwie hatte sie nicht gerade glücklich gewirkt und auch jetzt schwebte da eine undefinierbare Schwingung in der Luft. Ob das dieser Kerl gewesen war, den er nicht verprügeln durfte, wenn der an sein Essen wollte?
 

Emily sah ihn mit einem halbherzigen Lächeln an.

„Nein, ich hab nichts Anderes vor. Hat sich wohl gerade erledigt.“, sagte sie etwas kleinlaut und ging dann in die Küche, um den Wein und zwei Gläser zu holen. Sie hatte nur Weißwein da, deshalb konnte sie Adrian leider nicht die Wahl lassen.

Noch bevor sie am Couchtisch einschenkte, warf sie einen Seitenblick auf ihr Handy. Als hätte in dieser kurzen Zeit, in der sie in der Küche gewesen war, eine Sms oder ein weiterer Anruf kommen können.

Zach war mit Kumpels unterwegs und hatte Emily angerufen, ob sie nicht später noch zu ihm kommen wollte. Er wohnte nur ein paar Straßen entfernt. Sie hätte den Bus nehmen können. Aber bei dem Wetter wollte sie eigentlich nicht. Außerdem war er sowieso unterwegs, er hätte einfach auf dem Heimweg vorbei kommen und bei ihr übernachten können. Er hatte gesagt, er würde sich melden.

Das hieß wieder einmal warten. Wie Emily es doch hasste. Warum tat sie sich das eigentlich an? Bloß weil Zach einmal gesagt hatte er sei verliebt in sie? Und wenn er eine Beziehung haben wollte, dann nur mit ihr? Aber im Moment wollte er keine Beziehung. Bloß ein wenig Zuneigung. Oder was er eben darunter verstand. Die ganze … Nicht-Beziehung beruhte also nur auf Warten.

Emily wartete geduldig darauf, dass Zach ihr irgendwann doch sagte, dass er mit ihr zusammen sein wollte, offiziell. Und eigentlich war ihr klar, dass es so weit nie kommen würde.

Mit einem kleinen Seufzer verdrängte sie die Gedanken und sah Adrian an. Sie lächelte und reichte ihm ein Glas Weißwein, bevor sie ihr eigenes hob. „Auf unser Wohnzimmer.“
 

Lächelnd nahm Adrian das Weinglas entgegen. Rotwein wäre ihm zwar lieber gewesen, aber er war heute Abend nicht wählerisch. Also hob er ebenfalls das Glas und sah Emily tief und ernsthaft in die Augen: „Auf ein gutes Zusammenleben.“ Und natürlich auch ein Hoch auf die neue Wohnzimmereinrichtung. Als Nächstes wäre die Küche fällig.

Nachdem sie angestoßen hatten, trank er einen Schluck zum Probieren, roch aber vorher erst einmal an dem Wein, um dessen Bukett zu verinnerlichen. Als ihm das Getränk über die Zunge glitt und sich all seine Geschmacksknospen mit verschiedenen Informationen meldeten, beschloss er bereits, dass es ein recht guter Wein war, noch ehe er ihn hinunter geschluckt hatte. Zwar keiner aus der Luxusausführung, aber das musste ohnehin nicht sein. Schmecken sollte er. Das war wichtig.

Adrian packte schließlich noch den Himbeerkuchen in der Küche aus, schnitt ihn in kleine Appetithäppchen und stellte ihn dann zum restlichen Popcorn auf den Couchtisch. Da sie sich noch nicht für einen neuen Film entschieden hatten, könnten sie doch auch einfach einmal gepflegt Konversation führen. Immerhin kannten sie sich erst seit Kurzem, da gab es sicher noch Gesprächsthemen, die sich dafür eigneten.

„Was machst du eigentlich gerne so in deiner Freizeit?“, fing Adrian einmal ganz unverfänglich an und zog seine Beine angewinkelt auf die Couch. Dabei fuhr er sich über die nackten, glatten Unterschenkel und befand, dass es sicher als äußerst schwul galt, sich als Mann die Beine zu rasieren – in seinem Fall entwachsen - , auch wenn sich das schon langsam auch bei Heteromännern durchzusetzen begann. Immerhin hatte es schon etwas für sich. Selbst wenn Adrian das nicht wegen seines Berufs machen müsste.
 

Glücklicherweise lenkte Adrian sie von ihren trüben Gedanken ab. Ein Film hätte sie jetzt vielleicht noch mehr in diese halb-traurige Stimmung geschoben, aber einem Gespräch musste sie sich mit voller Aufmerksamkeit widmen.

Sie nahm noch einen Schluck Weißwein und überlegte, was sie ihm sagen sollte.

„Also, um ganz ehrlich zu sein, mache ich gern so was hier. Mit Freunden auf der Couch sitzen, DVD gucken und quatschen. Früher habe ich auch ganz gern Spieleabende gemacht, aber irgendwie hat sich die Gruppe zerschlagen.“ Sie zuckte mit den Schultern, bevor sie weiter sprach. „Oder wir sind zu alt für so was geworden.“

Als Adrian seine Beine aufs Sofa zog konnte sie seine nicht vorhandene Körperbehaarung sehen. In ihren Augen sah das seltsam aus. Vielleicht fühlte es sich gut an. Für ihn oder für denjenigen, der ihn berührte, aber Emily war da wohl wirklich prüde und traditionell. Bei ihr sollten Männer noch wie Männer aussehen und dazu gehörte eben auch Körperbehaarung an den richtigen Stellen.

„Außerdem gehe ich gern ins Museum.“, führte sie die Unterhaltung weiter. „Obwohl ich in einem arbeite, finde ich es immer noch faszinierend. Wobei ich mit Bildern nicht so viel anfangen kann. Dazu habe ich keinen wirklichen Draht.“
 

„Was genau arbeitest du im Museum?“ Ehrlich gesagt, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie dort Wächterin wäre. Vielleicht eine der Damen die Touristen durch die Galerien führten. Oder Kassiererin. Irgendetwas in dieser Art.

Adrian schnappte sich eines der Himbeertortenstückchen und schob es sich Stückchenweise in den Mund. Er kaute bedächtig, während er sich überlegte, was wohl alles zu seinen Freizeitaktivitäten gehörte. Erst als er hinuntergeschluckt hatte, sah er Emily wieder an.
 

Emily lächelte ihn wieder an. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er zu erraten versuchte, was genau ihr Job war. Er schätzte sie bestimmt auf Kassiererin oder Führerin ein. Das hatte sie früher gemacht, als Aushilfsjob, bevor sie sich für die Ausbildung entschieden hatte.

„Ich bin Restauratorin. Im Moment kümmere ich mich um die Farben eines alten Sarkophags. Er soll wieder ganz hergestellt werden. Es ist ziemlich schwierig, weil die Farben nicht nur verblassen, sondern abblättern. Ich muss jedes kleine Teilchen wieder befestigen. Das macht einfach mehr Sinn als mit neuer Farbe darüber zu pinseln. Sobald ich mit den Farben fertig bin, kann ich mit dem Blattgold anfangen. Am Ende wird er eines der besten Ausstellungsstücke in der Ägyptensammlung sein.“

Sie merkte, dass sie wieder einmal zu viel über ihre Arbeit redete. Bei diesem Thema hörte sie nicht so schnell auf, wenn man sie nicht dazu veranlasste. Aber Adrian wollte sie nicht gleich überfordern. Außerdem sah sie, wie er an dem Anhänger um seinen Hals herumspielte. Vielleicht langweilte sie ihn.

„Entschuldige, ich mag meine Arbeit. Ich spreche gern darüber. Bei diesem Thema musst du mich stoppen, bevor ich dir ein Loch in den Bauch rede.“

Wieder nippte sie an ihrem Weißwein, der wirklich gut schmeckte, und sah ihn über den Glasrand an. „Und was sind so deine Hobbys?“
 

Adrian sah sie mit größer werdenden Augen an.

„Wow. Restauratorin. Das ist sicher kein leichter Job. Immerhin muss man da sicher wahnsinnig viel Geduld und vor allem sehr ruhige Hände haben. Also absolut nichts für mich.“

Er zwinkerte ihr zu und bemerkte erst jetzt, dass er an seiner Halskette herumfummelte, also legte er die Hand auf der Lehne der Couch ab und versuchte sich ruhig zu verhalten. Eine Nacht lang nicht zu tanzen, spürte er sofort im ganzen Körper. Er war süchtig danach.

„Sag mir bescheid, wenn der Sarkophag zum Anschauen frei gestellt wurde. Mich hat schon früher vieles von Ägypten fasziniert. Da muss ich mir den unbedingt ansehen.“ Ob sie auch Mumien restaurierte?

„Und mach dir keine Sorgen deswegen. Es ist schön, wenn man einen Job hat, der einem Spaß macht. Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas zu tun, was mir keine Freude bereitet. Also keine Sorge. Ich finde das ohnehin interessant. So schnell wirst du mir also kein Loch in den Bauch reden können.“

Er hörte ihr immerhin gerne zu. Tyson war kein Typ mit dem man lange und vor allem solch tiefschürfende Gespräche führen konnte. Der Kerl war nur auf drei Dinge aus: Schlampen, Sex und Alkohol. Alles ließ sich wunderbar mit einander verbinden. Warum der Kerl also sein bester Freund war, verstand Adrian bis heute nicht. Vielleicht, weil sie sich schon seit der Zeit im Sandkasten kannten.

„Ich jogge gerne und gehe ein paar Mal in der Woche ins Fitnesscenter. Darüber hinaus, liebe ich gepflegtes Essen in einem schönen Restaurant mit Stil. Wenn sich dafür keine Gelegenheit bietet, zerrt mich Tyson – mein bester Freund – meistens in irgendwelche Clubs zum Tanzen. Ich meine, ich beherrsche auch einige traditionelle Tänze, aber mit Clubs meine ich Discos, Bars und solcherlei Lokalitäten. Falls ich dann noch einmal Zeit habe, freue ich mich sehr über einen Abend wie diesen. Einfach einmal in gemütlichen Klamotten auf der Couch sitzen und nichts tun, außer entspannen. Sollte ich dann wirklich einmal noch einen Überfluss an Zeit haben, versuche ich so viel zu lesen, wie es geht. Ich liebe allerlei Sience Fiction Romane.“ Nur hatte er selten für so etwas Zeit. Sehr selten. Eigentlich so gut wie nie. Erst recht nicht mit seinen beiden Einkommensquellen. Früher, als er noch nicht volljährig gewesen war, hätte er alles darum gegeben, so viel Arbeit wie jetzt zu haben, anstatt sinnlos Trübsal zu blasen, weil er mit seinem Leben nicht klar kam. Zum Glück hatten sich die Zeiten geändert.

„Also alles in allem, bin ich nicht sehr oft zuhause. Umso schöner ist es dann, heimzukommen, um sich auszuruhen. Danke noch mal, dass du mich doch genommen hast. Diese Wohnung ist einfach wunderschön.“ Er lächelte ihr zu, ehe er nach den vielen Worten einen großen Schluck von seinem Wein trank.
 

Überrascht sah sie Adrian an, als er von seinen Hobbys berichtete. „Du tanzt also gern? Das ist aber selten. Ich treffe immer nur Männer, die sich strickt weigern und dann langweilig am Rande der Tanzfläche herumstehen.“

Er war also nicht oft zu Hause? Das fand Emily in diesem Augenblick richtig schade. Denn sie verstand sich scheinbar wirklich gut mit Adrian. Er war nett und nicht aufdringlich. Sie konnten sich unterhalten oder auch einfach einen Film ansehen. Er war ihr sympathisch.

„Oh, das ist sehr gern geschehen. Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber bis jetzt denke ich, dass ich mit dir Glück hatte.“ Sie grinste und stieß noch einmal mit ihm an.

Dann vibrierte ihr Handy neben ihrem Fuß und sie schreckte kurz hoch.

-- Hey Babe! Gehe noch mit in die nächste Bar. Anderes Ende der Stadt. Komm später zu mir, ok? --

Missbilligend sah Emily auf das kleine rote Telefon in ihrer Hand.

„Oh Mann…“ Sie gab nicht sofort eine Antwort ein, sondern sah Adrian an. Am liebsten hätte sie ihm ein wenig erzählt, was los war, aber sie wollte ihn ja nicht gleich nerven.
 

„Ich frage mich, wie man Tanzen nicht mögen kann. Gerade Gelegenheiten wie Bälle, Galas oder Bankette laden doch regelrecht dazu ein, sich einmal fein heraus zu putzen und dementsprechend auch einmal zu tanzen. Wenn es wegen der Nervosität ist, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Ein paar Stunden zusammen mit der richtigen Menge Alkohol und kein Mensch sieht dir mehr zu, was du da auf der Tanzfläche fabrizierst.“ Er schmunzelte. Adrian hatte Tanzen schon immer geliebt. Das war das einzig Schöne an seinem Elternhaus gewesen, da seine Eltern oft feine Anlässe gegeben hatten, wo er seiner heimlichen Leidenschaft freien Lauf lassen konnte.

Als Emily noch einmal mit ihm anstieß und ihm sagte, sie wäre bisher recht zufrieden mit ihm, fühlte er sich schuldig. Zwar lächelte er immer noch, aber er war sich nur zu deutlich bewusst, dass seine ganze Anwesenheit hier eine einzige Lüge war.

Zum Glück bekam sie gerade eine SMS, so dass sein leicht verrutschtes Lächeln nicht weiter auffiel.

„Gibt’s Probleme?“, fragte er schließlich sanft und nicht übertrieben neugierig, so als würde er sich eher fragen, ob er etwas für sie tun konnte. „Du siehst nicht gerade glücklich über den Inhalt der Nachricht aus.“ Auch wenn er nicht wusste, um was es ging.
 

Emily drehte das kleine rote Handy in ihren Händen hin und her. Der Anhänger, der daran baumelte klingelte leise, als er von ihrer Handfläche fiel.

„Eigentlich keine Probleme.“ Sie sah Adrian mit einem winzigen Lächeln an.

„Das war mein … Freund. Er ist auf Sauftour mit seinen Kumpels und will, dass ich nachher noch zu ihm komme. Sobald er zu Hause ankommt.“

Kurz warf sie das Handy hoch, um es gleich wieder aufzufangen.

„Ich habe keine Lust bei dem Wetter rauszugehen und mitten in der Nacht zu ihm zu fahren. Er ist doch sowieso unterwegs. Aber … wir sehen uns so selten…“

Es war eine Ausrede. Um das zu erkennen musste Adrian sie wahrscheinlich noch nicht einmal kennen. Emily war nur zu schwach, um endlich einzusehen, dass sie allein besser dran war. Sie klammerte sich an Zach, weil sie sich selbst nicht zutraute, dass jemand Besseres sich nur ansatzweise für sie interessieren könnte.

Sie schob das Handy nun doch auf und gab eine kurze Nachricht ein.

Auf einmal fühlte sie sich ein wenig mutig. Zumindest für ihre Verhältnisse. Sie konnte die Nacht auch ohne Zach aushalten, wenn sie es musste. Heute Nacht und bei diesem Regen würde sie ihm nicht hinterher laufen.

-- Hallo! Du bist doch sowieso unterwegs. Kann dich nicht jemand fahren? Dann wird keiner von uns beiden nass. Bis später! Freu mich! Emily --

Bereits einen Sekundenbruchteil nachdem sie den ‚senden’-Button gedrückt hatte, tat es ihr leid. Er würde nicht herkommen, so sehr sie es auch hoffte.
 

Adrian hörte ihr aufmerksam zu. Jedes Wort analysierte er genauso wie ihren Gesichtsausdruck dabei und ihre unbewussten Gesten. Ihm war gleich klar, dass sie nicht sehr glücklich mit dem Kerl sein musste, wenn sie so seltsam darauf reagierte. Außerdem hätte er an ihrer Stelle sofort abgesagt. Allein die Tatsache, dass der Kerl sie nach einer offensichtlich langen Sauftour sehen wollte und das bei diesem Wetter, ließ nur auf eines schließen. Er wollte Sex und dann seinen Rausch ausschlafen. Vermutlich wäre es ihm sogar egal gewesen, wenn es eine andere außer Emily wäre, die dem ganzen Abend noch ein Sahnehäubchen aufsetzte. Das war einfach nur noch widerlich.

Adrian würde nichts sagen, wenn beide Partnerteile etwas beschwipst oder vielleicht schon leicht zugesoffen ins Bett stiegen, um sich in den Laken zu wälzen, aber doch nicht, wenn man sich absolut nicht mehr unter Kontrolle hatte. Was aber noch eine schlimmere Kombination darstellte, war die Tatsache, wenn einer nüchtern und der andere sturzbetrunken war. Das konnte nur in einem Fiasko enden und sicherlich nicht glücklich machen.

„Wenn ich einmal ganz ehrlich sein darf, dann würde ich dir raten, heute Abend zuhause zu bleiben. Auch wenn du ihn nicht so oft siehst, muss es doch nicht in solch einem…“ Er suchte nach dem richtigen Wort. „…Rahmen stattfinden. Ich nehme doch an, dass er nach dieser Tour ziemlich betrunken sein wird.“

Außerdem hatte sie sicher Besseres verdient, als einen Kerl der erst ohne sie weg ging und sie dann nur als Bettwärmer benutzte.

Gut, er kannte nicht die näheren Hintergrunddetails und auch nicht den Charakter dieses Mannes, aber er war schon vielen Männern begegnet, um genau solche Situationen ziemlich gut beurteilen zu können.
 

Wieder seufzte Emily nach Adrians Kommentar. Natürlich hatte er recht.

Wenn sie ehrlich war, wollte sie Zach gar nicht sehen, wenn er sturzbetrunken war. Er war ein lieber Kerl und eigentlich ganz clever, aber betrunken war er anders. Nüchtern liebte sie ihn, betrunken machte er ihr Angst. Warum tat sie sich das also überhaupt an?

„Ja, stimmt. Ich will auch hier bleiben.“

Diesmal war ihr Lächeln strahlend.

„Unsere Couch ist viel zu gemütlich und deine DVD-Auswahl zu gut, um noch mal da rauszugehen.“

Mit einem Nicken in Richtung Fenster und einem Klaps auf den Fliederbezug setzte sich Emily noch gemütlicher hin. Sie schnappte sich die Decke und wickelte sich darin ein. Sie war weiß mit bunten Fransen an den schmaleren Enden. Die Farben waren vielleicht ein bisschen zu knallig für die Couch, aber trotzdem gefiel Emily die Kombination.

„Brauchst du auch eine Decke? Ich habe noch eine.“ An Decken und Kissen fehlte es bei ihr nicht. Wenn sie in kurzen Hosen dagesessen hätte wie Adrian, wäre sie sicher schon erfroren. Es zog ein wenig durch die alten Fenster. Das war ein Nachteil des Stils, aber durchaus zu ertragen, solange die Temperatur nicht zu sehr unter Null fiel.

„Und?“ Ihr Lächeln verblasste kein Stück, als sie sich eine Hand voll Popcorn nahm und es sich in den Mund steckte.

„Teil 2?“ Natürlich meinte sie die DVD. Sie mochte es, sich mit Adrian zu unterhalten. Aber da sie den Film beide kannten, konnten sie sich ebenso gut über Arnolds übertriebene Muskeln oder seinen lustigen Akzent im Englischen unterhalten.
 

So wie es aussah, würde sie also hier bei ihm und Arnold bleiben. Das war gut. Wäre sie unentschlossen gewesen, doch noch zu gehen, hätte er härtere Argumente dagegen eingebracht. Zwar ging es ihn im Grunde nichts an, aber er hätte es einfach nicht richtig gefunden, zu schweigen, während Emily sich da vielleicht etwas antat, was ihr diesen schönen Abend wieder versauen würde.

Also lächelte er sie zufrieden an. „Na Logo. Sara Connor die den harten Kerl raushängen lässt, kann ich doch einfach nicht widerstehen.“ Er zwinkerte und stand auf.

„Und ja, bitte für mich auch eine Decke.“ Das würde heute sicherlich noch so richtig gemütlich werden. Vor allem weil der Wein sich bereits wärmend in seinem Magen ausbreitete. Spätestens wenn sie die Flasche geleert hätten, würde aus dieser Wärme auch noch ein einlullendes Körpergefühl werden. Zumindest war das bei ihm immer so.

Während er die DVD einlegte, beschaffte seine Mitbewohnerin ihm eine Decke. Danach startete er den Film, kuschelte sich in den warmen Stoff, trank sein Glas leer, schenkte sich beiden noch einmal nach und konzentrierte sich dann auf den Terminator.

Adrian musste zugeben, dass der Auftritt von Arni im zweiten Teil des Filmes wesentlich besser war, als der Erste. Aber nichts gegen den dritten Teil. Das erinnerte ihn doch immer sehr an seine Arbeit. Nur, dass er niemals so schwul daher reden würde, wie der Stripper dem er die Klamotten klaute.

Während John Connor immer wieder um sein Leben fürchten musste und sie versuchten das unausweichliche Schicksal zu ändern, trank Adrian sein zweites Glas Wein leer und wurde dabei immer müder und erschöpfter. Er hatte heute nicht viel geschlafen, darum kuschelte er sich auf seine Seite der Couch. Seine Augenlider wurden erst nur merklich schwerer, dann aber schienen sie Gewichte aus Blei daran hängen zu haben, bis sie ihm ganz zu fielen. Das Letzte, woran sich Adrian noch bewusst erinnern konnte, war, wie Arnie sich die Haut vom Arm schnitt, um das Metallskelett darunter vorzuführen.
 

Emily und Adrian sahen sich den Film schweigend an, bis auf ein paar Kommentare hier und da. Der Film reizte nun mal dazu, sich ab und zu lustig zu machen. So sah Emily das auf jeden Fall.

Sie bemerkte gar nicht, dass Adrian neben ihr auf der Couch einschlief. Erst als der Film zu Ende war und auch sie ihr zweites Glas Wein geleert hatte, sah sie zu ihm hinüber. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie wusste nicht genau, ob sie ihn aufwecken sollte. Das Sofa war eigentlich groß genug, dass er gemütlich darauf schlafen konnte.

Also legte sie ihm ihre Decke noch zusätzlich auf die Beine und schaltete DVD-Player und Fernseher aus. Die Gläser klimperten ein wenig aneinander, als Emily sie nahm und in die Küche brachte. Aber Adrian wachte nicht davon auf, was sie dazu veranlasste, auch die restlichen Sachen aufzuräumen und noch abzuwaschen.

Anschließend holte sie noch ihr Handy, bevor sie das Licht ausschaltete und die Wohnzimmertür anlehnte. Erst dann sah sie noch kurz auf das kleine Display.

-- Komm rüber. Ich bin zu Hause. --

Es war kurz nach Mitternacht. Emily ging in ihr Zimmer und stellte sich ans Fenster. Das Wetter war keinen Deut besser geworden. Sie wollte nicht da raus gehen. Außerdem kannte sie Zach. Wahrscheinlich war er nicht einmal mehr wach, wenn sie bei seiner Wohnung ankam.

-- Bist du noch wach, wenn ich rüber komme? Ich will nicht vor deiner Tür stehen und du hörst das Klingeln nicht… --

Das war Emily schon einmal passiert. Zach schlief verdammt tief. Vor allem, wenn er einen in der Krone hatte. Bei der nächsten Nachricht biss sie sich auf die Lippen und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

-- Ok, bleib da. Ich geh jetzt schlafen. --

Jetzt war er also auch noch sauer. Emily wusste, dass Zach am nächsten Tag frei hatte. Beinahe verzweifelt tippte sie eine neue Sms ein.

-- Dann schlaf gut. Sehen wir uns Morgen? --

-- Nacht. --

Das war alles, was sie als Antwort bekam. Sie fühlte sich schlecht. Vielleicht hätte sie doch zu ihm rüber gehen sollen. Sie stellte sich vielleicht dumm an. So schlecht war das Wetter auch nicht. Sie konnte doch noch mit dem Bus fahren.

Später lag sie im Bett und starrte kurz auf ihr Handy. Sie hatte nicht noch einmal geschrieben. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass Zach, wenn er wieder nüchtern war, sich bei ihr melden würde und sie ein wenig Zeit mit einander verbrachten.

Mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend schlief sie schließlich ein.



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