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Voll erwischt

von

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Leider diesmal nur ein kurzes. Ich hoffe, ihr seid nicht allzu traurig. Viel Spaß beim Lesen!
 

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Kapitel 11
 

„Hi, Jona. Warum sitzt du denn hier im Dunkeln?“ Ich zuckte mit den Schulter, obwohl ich wusste, dass sie es nicht sehen konnte.

„Was ist los?“ Sammy setzte sich zu mir auf das Bett und nahm mich in den Arm. Dabei hatte ich doch noch großkotzig gesagt, dass ich sie trösten wollte und nun war es umgekehrt.

„Willst du darüber reden?“ Ich wollte den Kopf schütteln, machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Es würde nicht besser werden, wenn ich es in mich reinfraß,. Aber Sammy hatte genug eigene Probleme. Sollte ich sie wirklich noch mit meinen belasten?

„Jona. Rede mit mir. Du weißt, dass ich immer für dich da bin.“ Ihre sanfte Stimme verstärkte nur meinen Entschluss, ihr nicht zu erzählen, wie mies ich mich gerade fühlte. Diesmal wollte ich derjenige sein, der für sie da war und ihr eine Schulter zum Ausweinen hinhielt.

„Wie geht es Ben?“ Meine Stimme klang verhältnismäßig normal, auch wenn ich meine innere Aufgewühltheit nicht ganz daraus verbannen konnte.

„Der … spricht immer noch nicht mit mir.“ Ihre Stimme klang so traurig, dass ich mich beinahe vergessen und doch losgeheult hätte. Reiß dich zusammen. Sie kann jetzt kein Mitleid gebrauchen, sondern Unterstützung. Also sag was Aufmunterndes.

„Konstantin hat da was angedeutet und ich wollte dich fragen, ob du was gemerkt hast. Was genau hast du ihm eigentlich in der Nacht erzählt? Hast du ihm denn gesagt, dass du ihn liebst?“

„Oh nein, wo denkst du hin? Das hätte das Maß wahrscheinlich gänzlich voll gemacht. Immerhin habe ich ja ständig versucht, ihn mit anderen zu verkuppeln. Er hätte mir doch niemals geglaubt. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich will, dass er glücklich ist und das Ganze nicht böse gemeint war. Er hat gedacht, ich will mich über ihn lustig machen. Kannst du das glauben? Dass er mir solch eine Abscheulichkeit zutraut? Er lamentierte, dass seine Gefühle für diese andere Zicke immer noch nicht verraucht wären und das ich überhaupt nicht nachvollziehen könnte, wie es wäre unglücklich verliebt zu sein.“ Oh je, das musste ihr wirklich wehgetan haben.

Ärgerlich wischte sie sich Tränen aus den Augenwinkeln, was ich im Halbdunklen jedoch nur verschwommen erkennen konnte.

„Was hat Konstantin denn gesagt?“, ein leichtes Schniefen begleitete ihre Frage.

„Er meinte, Ben würde dich anders ansehen, deshalb dachte ich, du hättest ihm gesagt, dass du ihn liebst. Ich bin immer noch der Meinung, dass das der beste Weg wäre. Jedes Mal, wenn er eine neue Freundin hat, bricht es dir doch das Herz. Glaub nicht, dass wir das nicht mitbekommen hätten. Du kannst mir noch so oft erzählen, dass du nur willst, dass er glücklich ist, aber du hast ihm ja noch nicht die Chance gegeben, auf deine Gefühle zu reagieren.“ Gut machst du das, Jona. Ich war richtiggehend stolz auf meine Worte.

„Aber er sieht mich immer noch so vernichtend an. Sonst hat es ihn doch auch nie gestört, wenn ich anderen Mädchen seine Nummer gegeben habe.“ Resigniert zuckte sie die Schultern. Wir kuschelten uns als ein Knäuel auf dem Bett zusammen. Sie wusste zwar nicht, dass sie mir damit gleichzeitig auch Trost spendete, aber es tat gut.

„Vielleicht fühlte er sich in seiner Männlichkeit gekränkt? Gerade weil er so emotional darauf reagiert, glaube ich ja, dass mehr dahintersteckt.“ Ich hatte eher mit mir selbst gesprochen, aber Sammy antwortete verwirrt darauf.

„Hat er denn jemals etwas angedeutet? Meinst du, ich hätte eine reelle Chance?“ Meine Güte, meine beste Freundin hatte so gar kein Selbstvertrauen, das war ja unglaublich!

„Hey Kleine. Du bist süß und hast eine tolle Persönlichkeit. Warum sollte er dir keine Chance geben? Ihr seid schon solange befreundet, da kennt er schon alle deine Macken und kann keine negative Überraschung mehr erleben und er weiß hoffentlich deine positiven Vorzüge zu schätzen. Du kannst prima zuhören und bist oft der Kummerkasten für uns alle. Das kommt nicht einfach so, es ist einfach, wenn man mit dir über seine Probleme gesprochen hat, dann ist es, als ob man nicht mehr allein damit dasteht, sondern du nimmst einen Teil der Last auf dich und verlangst absolut nichts dafür. Ich glaube, manchmal haben wir das auch schon ganz schön ausgenutzt, nicht wahr? Abgesehen davon gibst du gute Ratschläge, nur wenn es um dich geht, dann weißt du keinen Ausweg. Das finde ich süß und es macht dich umso liebenswerter, dass du auch nicht immer sofort auf alles eine Antwort parat hast.“ Ich holte tief Luft. Ich merkte, wie sie mich aus kugelrunden Augen ungläubig ansah. Aber alles, was ich gesagt hatte, meinte ich ehrlich.

„Wenn es darum geht, ein Geheimnis zu bewahren, dann kann man sicher sein, dass du es mit ins Grab nimmst und mit dir kann man Pferde stehlen. Du bist die beste Freundin, die ich je hatte und Ben wäre dämlich, wenn er dich nicht nehmen würde.“ Jetzt schniefte sie doch los.

„Oh, Jona! Das war das Liebste, was du je zu mir gesagt hast! Hast du...hick...denn wirklich so ein tolles Bild von mir? Dabei mach ich doch gar nichts Besonderes.“ Ich zog sie weiter in meine Arme.

„Deine Bescheidenheit zeigt ziemlich offensichtlich, wie lieb du wirklich bist. Immer versuchst du allen zu helfen und nie fragt dich einer von uns, wie es dir geht. Das tut mir übrigens Leid. Ich meine, dass wir dich schon so oft dazu benutzt haben, unseren Kummer loszuwerden und es als...selbstverständlich betrachtet haben.“ Mir war das eben erst wirklich klar geworden. Immer kamen wir, sowohl Dom, Ben, als auch ich zu Sammy, immer in der Hoffnung, dass sie einen Rat parat hatte oder einfach nur Trost spendete.

„Ich mach das doch gerne. Ich kann nicht mit ansehen, wenn ihr traurig seid. Ich hab dich lieb Jona. Du bist wirklich ein toller Kumpel.“ Ich war geschmeichelt. Ich sollte ihr vielleicht öfter sagen, dass ich eine sehr hohe Meinung von ihr hatte.

„Ich hab dich auch lieb, Sammy. Ich sage das viel zu selten. Aber ich hoffe, du weißt es trotzdem.“

Wieder schnüffte sie und ich kramte in meinem Nachtschrank nach Taschentüchern.

„Hier bitte.“ Ich reichte ihr die Packung und hörte in der Dunkelheit das leise Knistern.

„Danke. Darf ich...darf ich heute hier schlafen?“ So verschüchtert hatte ich sie noch nie reden gehört. Sonst war sie immer gut drauf und brachte genau wie Dom immer alle zum Lachen.

„Na klar, Kleine.“ Ich lieh ihr ein T-Shirt von mir und wir schliefen schnell ein. Allein ihre Gegenwart ließ meine Sorgen vorerst verblassen und ich konnte die Nacht einigermaßen gut schlafen.
 

Doch der nächste Morgen kam natürlich mit Brachialgewalt. Und das meine ich wörtlich. Gegen meine Zimmertür rummste es und ich dachte schon, dass sie gleich aus den Angeln fliegen würde.

„Und das soll ich dir glauben?“, diese höhnische Stimme gehörte anscheinend Philipp. Ich hätte nie geglaubt, dass er so kalt sprechen könnte. In diesem Moment klang er genau wie Konstantin an dem Tag, dass ich unwillkürlich erstarrte. Nicht daran denken!

„Wieso denn nicht? Welchen Grund habe ich dir denn gegeben, es nicht zu tun?“ Dieses hysterische Japsen kannte ich auch nur zu gut. Dom war fuchsteufelswild. Wenn er sich in seine Wut hineinsteigerte, dann bekam er keine Luft mehr. Ich konnte dann nicht mehr richtig atmen und ich hatte jedesmal Angst um ihn.

„Raus hier! Verschwinde. Ich will dich eine Weile nicht sehen. Wenn du jetzt nicht gehst, dann weiß ich nicht, was ich mache.“ Flach und gepresst drangen die Worte durch meine Zimmertür. Sie mussten direkt davor stehen und sich streiten.

„Gut, ich gehe. Aber ich weiß, dass es nicht stimmt und ich werde es dir beweisen. Das ist alles nur Kevins Schuld! Wenn ich den in die Finger bekomme, dann kann er was erleben!“

„Ach, du kennst du den Kerl auch noch?“

„Ja, natürlich! Ach verdammt, in dem Zustand kann man eh nicht mit dir reden.“ Ich hörte die Haustür knallen und seufzte leise. Anscheinend lief momentan so Einiges schief.

„Philipp! Sei nicht so laut. Könnt ihr euch vielleicht woanders streiten?“ Na toll, der Grund meiner miesen Laune war also auch anwesend. War ja auch klar, immerhin hatten wir Sonntag.

„Ach halt doch die Klappe. Er ist sowieso längst weg. Scheiße, wie konnte ich nur darauf reinfallen?“ Der letzte Satz ergab für mich keinen Zusammenhang, aber die beiden rauften sich bestimmt wieder zusammen. Jetzt musste ich erstmal Sammy wach bekommen. Es war mir ein Rätsel, wie sie bei dem Krach hatte weiterschlafen können.

„Sammy, komm aufstehen.“ Ich rüttelte leicht an ihrem Arm. Es war bereits nach elf und ich hatte keine Lust, allein in die Küche zu gehen.

„Mh... noch fünf Minu...WA!? Wo ..ich? Ach so, bei dir.“ Was für ein Kauderwelsch.

„Komm, anziehen! Wir gehen frühstücken.“ Ich zog die Jalousien herauf und ließ ihr die Mittagssonne genau ins Gesicht scheinen.

„Uff, wie gemein. Ich geh ja schon... du gönnst mir aber auch gar nichts.“ Morgenmuffel Sammy war erwacht. Ich ging ins Badezimmer, um ihr genug Zeit zu geben, sich anzuziehen.
 

Wir gingen hinunter und ich war mehr als überrascht sowohl Konstantin und Philipp in der Küche anzutreffen. Zumindest einer davon war doch sonst immer schon mit dem ersten Sonnenstrahl wach.

„Morgen.“ Verhalten wurde ich von den beiden gegrüßt.

Verdammt, eigentlich hatte ich gerade null Bock auf solch eine Begegnung, aber wenn wir etwas etwas wollten, dann musste ich da wohl oder übel durch. Sammy kam hinter mir hergeschlurft.

„Guten Morgen! Stört es euch, wenn wir mit euch frühstücken?“ Konstantin beachtete sie kaum, sondern starrte mich kalt und undurchsichtig an. Daran musste ich mich wohl gewöhnen. Der Blick, den er Sammy ganze zwei Sekunden gönnte, verriet auch nicht viel, aber ich glaubte, für eine Nanosekunde Eifersucht aufblitzen zu sehen. Ja klar, Jona. Innerlich verdrehte ich die Augen angesichts solch einer haarsträubenden Vermutung.

„Nein.“, brummte Philipp. Es war das erste Mal, dass ich ihn mit schlechter Laune sah.

Noch nie war der Frühstückstisch so ruhig gewesen. Sammy und Philipp hatten ein kurzes Gespräch über das Wetter geführt, aber danach hatte sich Schweigen über unsere Runde gelegt. Es war wirklich merkwürdig und ich fühlte mich unwohl.

„Habt ihr eigentlich schon die Treppe repariert? Ich würde mir zu gern mal den Dachboden ansehen.“ fragte Sammy in die Stille hinein. Ich schreckte auf, denn ich hatte soeben noch einmal an den Streit mit meiner Mutter gedacht.

„Ähm...keine Ahnung? Kon...Konstantin?“ Verdammt, dieses Gestotter zeigte ja mehr als deutlich, dass ich mich momentan in seiner Gegenwart unwohl fühlte. Er machte es auch nicht besser, denn anstatt mich zu ignorieren, was ich erwartet hätte, starrte er mich an. Und ihr könnt mir glauben, dass machte mich wahnsinnig.

„Bin noch nicht dazu gekommen. Jona wollte mir ja helfen. Ich hoffe, das Angebot steht noch.“ Was? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Tat er jetzt so, als ob nie etwas geschehen wäre? Aber es klang irgendwie...anders.

„Mh, ja klar.“ Wenn du mit mir zusammen arbeiten wolltest, dann würdest du auch genau das bekommen. Ich hatte den kalten Blick noch nicht vergessen, nachdem er mich geküsst hatte und ich ihn abgewiesen.

„Dann können wir das ja eigentlich nach dem Frühstück anfangen.“ Es war keine Frage, aber ich nickte.

„Sehr schön, dann schau ich mir den Dachboden an, wenn ich euch das nächste Mal besuche.“ Sammy hatte es plötzlich sehr eilig aufzubrechen. Aus den Augenwinkeln hatte ich nur wahrgenommen, dass ihr sie eine Sms bekommen hatte. Ihrem Gesichtsausdruck nach war diese von Ben. Sie wusste offensichtlich nicht, ob sie sich freuen sollte oder Trübsal blasen.

„Ich muss los. Danke für das Frühstück. Bis zum nächsten Mal!“ Ich brachte sie noch bis zur Tür und war nun mit den beiden Miesepetern allein im Haus. Eigentlich wollte ich lieber für mich sein, um nachzudenken. Aber nachdem ich Konstantin gerade so leichtfertig zugesagt hatte, konnte ich schlecht einen Rückzieher machen.

Als ich in die Küche zurückging, hatten die zwei schon den Tisch abgedeckt und aufgeräumt. Es gab also kein Zurück.

„Wollen wir? Wir müssen noch ein bisschen Holz, Leim, Lasur und Nägel holen.“

„Okay.“ Ich trottete ihm hinterher. Auf dem ganzen Weg sprach er kein Wort mit mir. Es war komisch, dass ich mich deswegen mies fühlte. Immerhin hatte er vorher auch nicht viel gesagt, aber diesmal wusste ich, dass er es mit Absicht machte.

Er gab mir die Holzlasur und Pinsel in die Hand, von denen ich in etwa eine Ahnung hatte, was man damit machte. Dann schleppten wir noch Holzbretter, die die alten Dielen ersetzen sollten. Wieder oben, entfernte er am Fuß der Treppe, die Bretter, die an der Seite waren. Anscheinend konnte man so darunter gelangen und besser die beschädigten Dielen austauschen.

„Wir entfernen jetzt die alten Holzbretter und befestigen die neuen, indem wir sie mit Holzklötzern an den Außenkanten verschrauben. Das sollte eine Weile halten. Danach tragen wir noch die Lasur auf. Alles klar.“ Die Erklärung hatte ich verstanden, aber ich fragte mich, warum er mich dabei so intensiv musterte.

„Kannst du dann bitte die Taschenlampe halten? Ich muss die alten Nägel und Schrauben entfernen.“ Wieder nickte ich nur. Wenn er die ganze Zeit mir auf diese Art sprach, dann hatte ich kein Problem mehr damit ihm zu helfen. So wie es aussah, ging er vollständig auf Abstand und besprach mit mir nur noch das Nötigste. Warum störte mich das? Ich hatte ihn doch abgewiesen. Aber ich wollte, dass unser Verhältnis so wie vorher war. Als wir zumindest so etwas wie Freunde gewesen waren.

Aber das war wohl nicht möglich. Er war gekränkt und ich nicht bereit, mich auf etwas anderes einzulassen. Nur, dass der grundlegende Faktor, eine Freundschaft nicht zu zerstören, nicht mehr gegeben war. Er schien mich nun nur noch wie einen normalen Mitbewohner zu behandeln. Scheiße. Ich wollte das nicht! Zumindest nicht so.

„Sag, wenn ich dir helfen soll.“ Ich leuchtete in die kleine Kammer und ging hinter ihm rein, da er sonst bei dem schwachen Licht nichts gesehen hätte. Zwischen uns waren nur ein paar Zentimeter Platz und diese intime Nähe ließ mein Herz verräterisch laut schlagen. Natürlich war die Anziehungskraft ungebrochen. Da konnte er noch so eklig zu mir sein. Nur das Ziehen in der Magengrube war neu. Es passte mir nicht, dass er nicht mit mir redete. Es passte mir nicht, dass wir nicht mehr ungezwungen miteinander umgehen konnten. Eigentlich passte mir die ganze verdammte Situation nicht und ich war der Einzige, der etwas daran ändern konnte. Ich glaubte nämlich nicht, dass Konstantin von sich aus noch einmal auf mich zukommen würde.

„Komm mal ein bisschen näher, ich bekomme diesen Nagel nicht zu fassen, der ist irgendwie verbogen.“ Also trat ich noch näher und konnte seinen Duft riechen. Ein kurzen Moment wurde mir schwindelig und die Taschenlampe zitterte leicht in meiner Hand.

„Gut so. Da ich hab ihn. Jetzt muss ich das Brett noch nach oben drücken, dann haben wir das erste.“ Gesagt, getan. Das Licht der Deckenlampe drang durch den entstandenen Spalt und ich hatte nichts Besseres zu tun, als Konstantin anzugaffen, der seine muskulösen Arme durchgedrückt hatte, um das Holzbrett zu entfernen.

Die anderen Bretter folgten und wir arbeiteten schweigend weiter. Auch wenn ich mir wie ein Handlanger vorkam. Bis auf ihm die Sachen zu reichen, die er brauchte und die Taschenlampe zu halten, hatte ich nämlich nicht viel zu tun. Die ganze Zeit war ich mir nur zu deutlich seiner Nähe bewusst. Dieser Raum war viel zu klein. Es war, als ob die Wände auf mich zukommen würden und nur noch Platz für mich und Konstantin lassen würden. So nah war ich ihm noch nie gewesen, außer das eine Mal und das hatte ich ja grandios versaut. Wenigstens musste ich jetzt nicht mehr krampfhaft verstecken, wie anziehend ich ihn fand. Im Halbdunkel konnte er das sowieso nicht erkennen und ich war einigermaßen sicher. Als er die neuen Bretter festmachte, rieselten Staub und kleine Späne auf meine Nase. Sie juckte fürchterlich und ich konnte nur mir Mühe ein Niesen unterdrücken.

„Fertig.“ Er drehte sich zu mir und bevor ich aus der kleinen Kammer heraustreten konnte, hatte er mich schon gestreift. Die ganze Zeit hatte er halb gebückt dagestanden, weil er viel zu groß für den kleinen Raum war. Auch ich merkte, dass mein Rücken wegen der unnatürlichen Position protestierte. In dem Moment, als er mich berührte, zuckte ich zusammen. Er hatte hoffentlich nicht gemerkt, welche Gefühle er in mir weckte. Das würde all meine Aussagen Lügen strafen und das konnte ich momentan wirklich nicht gebrauchen. Mein Leben war auch so schon kompliziert genug.

„Jona. Du bist ganz weiß im Gesicht.“ Aber anstatt, dass ich mich im Bad säuberte, hob er die Hand und fuhr mir über die Nase und Wangen. Sanft entfernte er den Schmutz und ich konnte nicht anders, als stillzustehen. Diese Zärtlichkeit hatte ich nicht verdient. Nicht nachdem ich ihn abgewiesen hatte. Als ich das dachte, trat ich schleunigst den Rückzug an.

„Ich geh mir mal kurz das Gesicht waschen.“ Gepresst entkamen diese Worte meinem Mund und ich flüchtete. Im Bad sank ich gegen die Tür. Wie sollte ich das nur aushalten? Mein Herz schlug hart in meiner Brust. Ich fühlte mich genauso von ihm angezogen, wie in der ersten Minute. Warum konnte ich diese Gefühle nicht einfach abstellen? Wenn er mich dann jetzt auch wieder nett behandelte, dann konnte ich alle meine Vorsätze vergessen. Dann wäre es mir irgendwann egal, dass wir beide Männer waren. Eigentlich sollte es mir schon egal sein, denn ändern konnte ich daran sowieso nichts. Eingetrichterte Verhaltensregeln lassen sich aber nicht so schnell überwinden. Wenn ich genau darüber nachdachte, war das auch von meiner Mutter ausgegangen. Wenn ich als kind geweint hatte, dann hatte sie mich nicht getröstet, sondern immer nur gesagt: „Echte Männer weinen nicht. Wenn du deine Gefühle so offen zeigst, dann wirst du von den anderen Jungs nicht ernst genommen.“ So ein Quatsch. Ich wusste es, doch ich wollte meiner Mutter gefallen und hatte die Tränen unterdrückt. So hatte sie mich mein ganzes Leben geprägt und die Erkenntnis, dass ich auf Männer stand, war nicht nur zutiefst verstörend für mich gewesen, sondern auch unmöglich. Ich hatte mich selbst darauf getrimmt, dass ich das nicht wollte. Ich wollte „normal“ sein. Und warum? Um meiner Mutter zu gefallen? Tja, der Zug war wohl abgefahren. Warum hörte ich immer noch auf ihre Stimme in mir? Warum sollte ich nicht glücklich sein und zwar so, wie ich war? Was war so falsch daran, einen Mann zu lieben und nicht eine Frau? Ich hatte es probiert und war ein Desaster. Sie sprachen keine Seite in mir an. Nicht so wie Konstantin, dessen Faszination mich von der ersten Sekunde an gefesselt hatte. Sollte ich ihm nicht doch eine Chance geben? Sollte ich es nicht darauf ankommen lassen? Meine Eltern dachten sowieso schon, ich hätte einen Freund. Warum sollte ich daraus keine Wahrheit machen?

Was sollte ich tun? Nachdem ich Konstantin so von mir gestoßen hatte, konnte ich schlecht behaupten, dass ich es mir anders überlegt hatte. Es würde sicherlich schwierig werden. Immerhin war ich soeben auch vor einer harmlosen Berührung von ihm geflüchtet. Am liebsten wäre ich jetzt in mein Zimmer gegangen und hätte in aller Ruhe darüber nachgedacht, aber ich wollte Konstantin ja helfen, die Treppe fertig zu reparieren. Also wusch ich mir das Gesicht. Gegen den Staub in meinen Haaren würde ich erst nachher was unternehmen.

„Da bin ich wieder. Sorry, für eben. Ich wollte nicht weglaufen.“ E registrierte meine Aussage mit einem leichten Nicken. Er wollte sich anscheinend nicht zu meinem eigenartigen Verhalten äußern.

„Was soll ich machen?“ Die neuen Bretter sahen zumindest stabil aus. Dann konnte sich hier wenigstens niemand mehr verletzen.

„Nimm die Holzlasur und dann pinselst du entlang der Maserung.“ Wir saßen nebeneinander. Er pinselte die oberen Bretter und ich die unteren. Ich versuchte ein lockeres Gespräch anzufangen, aber er reagierte nur verschlossen. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden. Als wir fertig waren, hatte ich mehr von der Holzlasur auf mir, als auf dem Brett, aber ich war stolz auf mein Werk.

„Ich werde duschen gehen. Ich fühle mich ganz schon schmutzig.“, sagte ich zu Konstantin. Ich wollte noch über meinen Sinneswandel nachdenken und das konnte ich am Besten allein.
 


 

Na, gefällt euch Jonas Sinneswandel? xD



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sanisa
2012-08-05T16:03:39+00:00 05.08.2012 18:03
huhu so endlich schaffe ich es mal deine Story weiter zu verfolgen :),
und der arme Jona die Scene am see ohh mein Gott da hatte er doch das was er wollte und dann steht er sich selbst im weg.

Was ich richtig gelungen fand,
ob wohl es für Jona ja eher ein Alptraum gewesen mit war das auf einander treffen mit seiner Ma ^^ wer so was zur Mutter hat ist gestrafft fürs Leben.

Aber jetzt scheinen sich die beiden ja wider näher zu kommen [ oh man ich leide richtig mit dem armen Kerl ^^].

so wünsch dir was ganz liebe grüße Ivonne
Von:  tenshi_90
2012-07-30T18:40:30+00:00 30.07.2012 20:40
Sehr schönes Kapitel :)

Und Jona erlebt ja eine totale Achterbahnfahrt der Gefühle.. Kann einem echt leid tun, der Arme ;)

Ich bin mal gespannt, ob die beiden wieder zueinander finden :)

LG


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