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Voll erwischt

von

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Kapitel 9
 

Ich hatte den Freitag vor Sandrines Geburtstag mit elenden Kopfschmerzen hinter mich gebracht. Jeder normale Student hatte den letzten Tag der Woche frei, nur ich nicht und die vierzig anderen Mitglieder meines Kurses. Aber ich fühlte mich trotzdem ungerecht behandelt. Ich lief mit dem Strom der anderen Studenten, die eilig zur Bahn oder zum Bus liefen, um zu ihren Familien oder zu ihrem wohlverdienten Wochenende zu kommen. Konnte die Zeit nicht stehenbleiben?

Ich gruselte mich vor morgen. Warum musste ich da hingehen? Warum war es mir wichtig, mir einzureden, dass wenigstens ein paar Leute meiner Familie mich mochten?

Meine Füße wurden immer schwerer je mehr ich mich der Bahn näherte. Er fuhr auch um diese Uhrzeit zurück. Ich hatte ihn vorhin kurz in der Caféteria gesehen und ignoriert. Ich war ja soo beschäftigt. Die ganze Woche war ich ihm aus dem Weg gegangen, hatte normal mit ihm geredet, aber nichts Tiefschürfendes. Philipp hielt sich glücklicherweise zurück, aber ich war mir nicht sicher, ob er sich nicht irgendwann mit Domenik zusammentat und das war es dann für mich. Natürlich hatte ich darauf geachtet, wie sich Konstantin mir gegenüber verhielt. Fazit: Freund. Er benahm sich wie ein Freund. Klar, er war lieb und aufmerksam, aber mehr war da nicht. Er dachte immer ans uns, wenn er beim Bäcker vorbeikam und brachte leckere Kuchen mit. Er kochte jeden Morgen Kaffee für alle und manchmal frühstückten wir auch gleichzeitig. Aber das schien in seiner Natur zu liegen. Er war einfach nett. Nicht das „Nett“, das ihr jetzt denkt, sondern nett. Philipp musste sich das einbilden. War mein Leben gerade nicht kompliziert genug? Morgen würde es unter Garantie wieder Krach geben und ich hatte null Bock darauf. Nicht hingehen? Keine Option, weil meine große Schwester sonst unter allen Sticheleien zu leiden hätte. Dann sollten sie doch lieber mich als Rammbock benutzen. So tun, als ob es das Gespräch mit meiner Mutter nicht gegeben hätte. Ging nicht. Sie hatte mich zu tief verletzt. Das vergaß ich nicht so schnell.

Wie kam ich darum herum, mich zu Konstantin zu setzen? Gar nicht. Wenn ich das machen würde, dann wüsste er, dass was im Busch ist und genau das sollte er nicht merken. Ich war echt in einer Zwickmühle. Mein Zug fuhr ein. Wieder setzte ich mich wie gewohnt auf meinem Stammplatz und Konstantin mir gegenüber. Zum Glück stand er nicht auf Smalltalk und ich konnte Musik hören, ohne, dass er sich daran gestört hätte. Damit meine Augen nicht wieder ein Eigenleben entwickelten, beschäftigte ich mich damit, andere Leute zu beobachten. Gab schließlich noch andere interessante Personen, außer ihm. Menschen verschiedenster Art und ich hatte immer nur Augen für einen. Das würde ich zumindest heute ändern.

Auf der anderen Seite saß zum Beispiel ein Mädchen mit stark gelockten schwarzen Haaren. Ein bisschen wie Sammy, nur viel zerzauster. Sie kaute Kaugummi und produzierte damit eklige Blasen. Erheiternd fand ich, dass sie während sie Musik über ihre überdimensionalen Kopfhörer hörte, lautlos mitsang und mit den Füßen den Takt mitwippte.

Auf der Sitzbank dahinter saß ein alter Mann, der in ein Buch schrieb. Er hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einem Buchhalter. Wie auch immer solche Leute aussahen. Das Gesicht irgendwie…wie eine ängstliche Maus. Kurz trafen sich unsere Augen und ich sah schnell woanders hin. Peinlich, wenn der andere bemerkt, dass er beobachtet wird. Aus seinen Augen hatte eine unglaubliche Intelligenz gesprochen. Von wegen ängstliche Maus, diese Einschätzung musste ich ganz schnell wieder revidieren. Obwohl ich mich zwingen wollte, eine andere Person anzusehen, wurde mein Blick doch von etwas anderem wie magisch angezogen. Dieser Füllfederhalter sah genauso aus, wie der, den Konstantin benutzte. Er war auch alt und sah sehr gebraucht aus. Faszinierend war auch diese wunderschöne verschnörkelte Schrift, welche wohl nur noch die ältere Generation beherrschte. So konnte er zumindest sichergehen, dass niemand sonst, das Geschriebene lesen konnte. Wir wurden auch mit alten Handschriften gequält, es war wirklich mühsam, diese teils krakeligen Hieroglyphen zu entziffern, die manche früher zustande gebracht hatten. Aber die Schrift war trotzdem hübsch. Konstantins Handschrift war auch schön, wenn auch ganz anders. Klar und definiert, ohne Verschnörkelungen. Aargh, ich wollte mich doch ablenken. Weiter geht’s.

Neben mir senkte sich der Sitz und es dröhnte ohrenbetäubender Bass an mein Gehör. Dieser blonde, leicht gedrungene, junge Mann wurde wohl bald den Ohrenarzt aufsuchen müssen. Das war auch eine schöne Sache bei den Brüdern. Wir mochten, bis auf Klassik, die gleiche Musik und keiner von uns war hörgeschädigt. Früher hatte ich immer Nachbarn gehabt, die dachten, sie wohnten alleine in dem Mietshaus. Nichts gegen Musik, aber bitte in einer angemessenen Lautstärke und nicht, dass die Bilder in meinem Zimmer wackeln.

Gegenüber knisterte eine Tüte und der verführerische Duft frisch gebackener Brötchen wehte mir um die Nase. Das erinnerte mich daran, dass ich heute schon wieder zu wenig gegessen hatte. Vorhin in der Caféteria hatte es nur für eine Brezel gereicht und einen Kaffee. Wenn Konstantin nicht daran denken würde, dass Menschen auch frühstücken müssen, dann würde ich das wahrscheinlich immer vergessen.

„Willst du eins abhaben? Oder auch zwei? Ich habe zu viel gekauft, weil Philipp mir wieder mal erst in letzter Minute geschrieben hat, dass er heute bei Domenik übernachtet.“ Dankbar nahm ich mir ein Brötchen aus der Tüte und versuchte, nicht bei der Berührung seiner Finger zu zittern.

„Danke, du bist mein Lebensretter.“, sagte ich und mein Magen knurrte laut zustimmend.

„Die Brezel vorhin war wohl doch ein bisschen zu wenig.“ Ich hatte immer noch seine volle Aufmerksamkeit also war ich nun gezwungen, das Gespräch weiterzuführen.

„Wollen wir heute Abend was zusammen kochen? Dann esse ich mal wieder etwas Ordentliches und nicht nur Fastfood.“ Er nickte zustimmend. Es gab nur ein Problem, keiner von uns konnte kochen, also würde es etwas Einfaches werden. Schnitzel mit Pommes bekam ich vielleicht noch hin. Für Konstantin mussten wir dann noch Grünfutter besorgen, er war zwar kein Vegetarier, aber er aß auch nicht sonderlich viel Fleisch.

„Schnitzel mit Pommes und Salat hätte ich im Angebot?“ Zweifelnd sah ich ihn an, aber wieder schien er mit meinem Vorschlag einverstanden zu sein. Gut. Also heute Abend kochen zu zweit mit Konstantin. Alles kein Problem. Rein auf freundschaftlicher Basis und nicht…

Bevor ich den Gedanken weiterspinnen konnte, setzte sich eine sehr alte Dame neben Konstantin und fragte mit brüchiger Stimme:

„Wissen Sie wie lange der Zug bis zur Station Möckernsee fährt?“ Der Stock der Großmutter stampfte kurz auf dem Boden auf und sie sah mich erwartungsvoll an.

„Noch fünf Stationen. Das sind noch ungefähr fünfundvierzig Minuten.“

„Wie bitte? Könnten Sie das bitte wiederholen? Sie sprechen so leise.“

Ich wiederholte meine Antwort lauter und wieder das gleiche Spiel. Anscheinend hatte sie ihr Hörgerät vergessen und war so gut wie taub.

„Junger Mann, sie müssen lauter reden! Ich verstehe kein Wort.“ Wieder kam ihr Stock meinen Zehen gefährlich nahe, als sie ihn auf den Boden stieß.

„Okay, noch einmal. Fünf Stationen.“ Ich untermalte es mit meinen Fingern.

„Fünf Minuten? Oh schön, dann bin ich ja gleich da.“ Ich verdrehte verzweifelt die Augen.

„Nein! Fünf Stationen!“ Bevor ich mich gänzlich zum Deppen machte, griff Konstantin ein. Mit einer Stimme, die mir tief unter die Haut ging, wiederholte er das Gesagte zum vierten Mal.

„Ach so. Fünf Stationen! Fünfundvierzig Minuten, so lange noch? Vielen Dank, junger Mann. Sie sollte ihrem Freund mal sagen, dass er nicht so nuscheln soll. Das versteht ja kein Mensch.“ WAS!

Konstantin lachte sich ins Fäustchen und funkelte mich vergnügt an. Was war daran bitteschön witzig? Ich fand das gar nicht komisch, besonders weil ich immer noch Gänsehaut von seiner Stimme hatte. Ich wollte lieber nicht erleben, wenn er mal wütend wurde.

Zum Glück plapperte die alte Frau uns nicht voll und bald darauf mussten wir auch schon aussteigen. Das war auch gut so, denn meine heiß geliebte Schülergruppe hatte gerade Schulschluss und war eingestiegen. Sie wollten anscheinend in die Innenstadt und etwas feiern. Ja genau, kippt euch die Birne zu und vernichtet den Rest eures Verstandes. Nicht, dass es viel gewesen wäre.
 

Konstantin und ich gingen noch einkaufen und ich verwüstete anschließend die Küche. Wer hatte sich ausgedacht, dass man das Fleisch in die Eier und Semmelbrösel tunken sollte? Das ergab, zumindest bei mir, eine Riesenschweinerei. Mit mehr Bröseln auf mir, als auf dem Fleisch, schaffte ich es dennoch, ein einigermaßen genießbares Essen zuzubereiten. Zwar ein bisschen verkokelt und die Pommes versalzen, aber essbar. Konstantin hatte in der Zwischenzeit seinen Salat geschnippelt. Warum hatte ich ihm die einfachere Aufgabe gegeben? Weil er mich mit einem Brötchen vor dem Hungertod gerettet hatte.

„Wie siehst du denn aus?“ Schmunzelnd sah er mich an.

„Ist die neueste Mode. Willst du was abhaben?“ Grinsend trat ich näher zu ihm.

„Lass mal, sonst setz ich dich in die Pfanne und du landest auch als Schnitzel auf meinem Teller. Obwohl ja nicht viel an dir dran ist.“ Solch freche Antworten war ich von ihm gar nicht gewöhnt.

„Versuch es doch! Ich bin mit Ei und Semmelbröseln bewaffnet!“ Spielerisch schnappte ich mir ein Ei und tat so, als ob ich ihn damit bewerfen wollte. Glücklicherweise hatte ich mich vorhin umgezogen, denn die Sachen konnte nach dieser Kochaktion bestimmt wegwerfen.

„Wenn du das machst, dann schwöre ich dir, wirst du es bereuen.“ Na klar.

„Willst du mir etwa drohen? Wie willst du mich denn aufhalten? Ich habe eindeutig die besseren Karten.“ Irgendwie hatte ich nicht mit Gegenwehr gerechnet, eher mit „Mit dem Essen spielt man nicht“. Aber das hier war auch lustig und um Längen besser. Frech grinsend ließ ich meine Eierbombe auf ihn zufliegen, aber er duckte sich schnell und das Geschoss landete an der Küchentür. Verdammt! Daneben! Schnell ein neues Ei und zweiter Versuch. Aber auch dieser streifte ihn nur und landete auf dem Fußboden.

„Du solltest besser zielen lernen.“ Höhnisch verschränkte er die Arme vor der Brust. Na warte! Ich ergriff die Tüte mit dem Paniermehl und ließ es auf ihn niederregnen.

„Ha! Erwischt! Damit hast du nicht gerechnet…Was hast du vor?“ Oje, ich sollte jetzt rennen. Der Blick gefiel mir überhaupt nicht. Aber er sah zu komisch aus. Ich kringelte mich vor Lachen. Das Mehl hing in seinen dunklen Haaren und ließ ihn, wie einen alten Mann erscheinen. Selbst die Augenbrauen hatte ich erwischt und es rieselte immer wieder etwas davon herunter.

„Du siehst zum Brüllen…hahaha…komisch aus.“ Mein Fluchtinstinkt versagte kläglich, denn bevor ich bemerkte, was geschah, befand ich mich schon in einer festen Umarmung und wurde ebenfalls bestäubt.

„So und nun?“ Ich wand mich in dem Klammergriff, hatte aber keine Chance gegen ihn. Er war einfach stärker. Außerdem war ich mir nicht so sicher, ob ich mich überhaupt befreien wollte. Denk nach!

„Aber ich hab immer noch die Trumpfkarte!“ Damit drehte ich mich um und umarmte ihn. Voll mit Ei. Ich wollte eben triumphierend zu ihm aufsehen, als ich warme feste Lippen an meinen spürte.

Schachmatt! Game over! Er spielte eindeutig unfair!

„Gewonnen.“ Zart knabberte er mir und es war, als ob ich nicht anders könnte, als völlig paralysiert stillzustehen. Mach was! Konstantin küsst dich und du stehst da wie versteinert. Zaghaft presste ich meinen Mund auf seinen. Das schien er als Zustimmung zu sehen, denn nun wurde sein Kuss forscher. Seine Finger fuhren mein Rückgrat entlang und ich beugte den Rücken leicht durch. Das war wie Himmel und Hölle gleichzeitig. Leicht stupste er mit seiner Zunge meine Lippen an und bat um Einlass. Ich öffnete meinen Mund einen Spalt breit und spürte, wie er ihn eroberte. Benommen erwiderte ich seine Zärtlichkeiten, ohne so recht zu wissen, was von mir erwartet wurde. Wenn ich mich voll darauf einließ, dann würde das heißen, meine Gefühle einzugestehen und eventuell eine Freundschaft aufs Spiel zu setzen, die noch gar nicht richtig begonnen hatte. Eigentlich war ich noch nicht so weit.

„Konstantin?“ Er küsste meinen Mundwinkel.

„Ich kann das nicht.“ Wieder lagen seine Lippen auf meinen, allerdings nun brutal, als ob er jeden weiteren Laut ersticken wollte. Ich drückte ihn leicht von mir und er wich zurück, als ob er sich verbrannt hätte.

„Du meinst, du willst nicht.“ Keine Frage. Ich nickte traurig.

„Es tut mir…“

„Sag es nicht.“ Hart. Ich hatte seine Stimme noch nie so kalt und emotionslos gehört.

„Wir sollten essen. Es wird kalt.“

„Mir ist der Appetit vergangen.“ Damit drehte er sich um und ließ mich mit dem Chaos in der Küche und in mir zurück. Ich hatte auch jeglichen Hunger verloren und beschloss, das Fleisch einzufrieren und die Pommes landeten in der Tonne. Waren eh versalzen. Betäubt säuberte ich die Küche und ging danach duschen. Konstantin hatte anscheinend die Gunst der Stunde genutzt und war vor mir im Bad gewesen. Es roch nach seinem Duschbad und ich atmete tief durch. Warum? Warum war ich so ein Feigling. Jetzt hatte ich doch die Gewissheit. Konstantin schien auch etwas für mich zu empfinden. Und wenn alles nur eine Phase ist? Wenn er nur mal ausprobieren wollte? Das würde ich nicht überleben.

Sein Kuss brannte immer noch auf meinen Lippen. Aber nicht der zärtliche, sondern der letzte wütende. Sekundenlang hatte ich sehen können, dass ihn meine Abfuhr verletzt hatte. Wahrscheinlich konnte ich mir nun wirklich eine neue Wohnung suchen. Dieser kalte Blick ließ nicht darauf hoffen, dass er normal mit mir zusammenleben konnte.

Ich schlurfte frisch geduscht und von jeglichen Eiresten gesäubert in mein Zimmer und hörte Musik. Die Nacht würde nicht entspannend werden. Und da hatte ich Recht.
 

Ich saß allein auf einem Spielplatz. Ich war wieder ein Kind, allerdings mit dem Verstand eines Erwachsenen. Ich wusste genau, dass es unsinnig war, Angst zu haben, nur weil ich allein hier saß. Um mich herum war tief dunkler Wald. Ein Spielplatz mitten im Wald? Ich fühlte mich von ihm eingeengt und hatte mich auf die höchste Ecke verkrochen. In der Ferne hörte ich Wölfe heulen. Ich kauerte mich noch enger zusammen. Mein Verstand sagte mir, dass ich keine Angst haben brauchte. Es gab in der Gegend keine Wölfe und die hatten, wenn dann mehr Angst vor mir, als umgekehrt. Aber da siegte das Kind in mir. Aus dem Wald kam eine Person, erst nur verschwommen und dann besser zu sehen. Es war meine Mutter. Ich wollte ihr zurufen, dass sie sich in Sicherheit bringen sollte, aber meine Stimme funktionierte einfach nicht. Egal, wie sehr ich es auch versuchte, es kam nur ein Röcheln heraus. Also winkte ich, fuchtelte mit den Armen, dass sie abhauen sollte. Was machte sie hier überhaupt? Wie hatte sie mich gefunden? Mein Gehör war noch voll intakt, denn ich hörte Zweige knacken. Panisch versuchte ich ihr zu verstehen zu geben, dass dort draußen Wölfe waren. Egal, wie sehr ich mit meiner Mutter im Clinch lag, ich wollte dennoch nicht, dass sie gefressen wurde. Völlig irrational sagte mir mein Verstand, aber mein Unterbewusstsein im Traum befand die Situation als extrem bedrohlich. Aber es waren keine Wölfe, die da aus dem Dickicht traten. Zu meinem Entsetzen war es Konstantin und weder er, noch meine Mutter schienen mich zu hören. Doch anstatt meinen sicheren Platz auf dem Klettergerüst zu verlassen, starrte ich nur auf die Szenerie. Was sagte das über mich aus? War ich zu feige, um sie zu retten? Um sie zu mir auf mein schützendes Gerüst zu holen? Wieder ertönte das Heulen, doch diesmal viel näher. Dazu ein furchterregendes Knurren, das aus dutzenden Kehlen gleichzeitig zu kommen schien. Ich schrie sie lautlos an, dass sie weglaufen sollten. Mittlerweile liefen mir die Tränen über das Gesicht, weil ich wusste, dass sie es nicht schaffen würden. Ich sah den Schatten einer Pfote aus dem Wald treten.
 

„Nein!“, ich wachte erschreckt von meiner eigenen wimmernden Stimme auf. Mein Herz wummerte schnell und hart gegen meinen Brustkorb. Ich hasste diesen Traum. Immer wieder zeigte er mir meine eigene Unzulänglichkeit. Ich wusste genau, was geschehen würde und nie unternahm ich etwas. Ich hatte auch niemals weiter, als bis zu dieser Stelle geträumt, was die Sache nicht besser machte. Diese Gewissheit, die ich am Ende immer hatte, dass es nicht gut ausgehen würde, fraß mich innerlich auf. Ich war feige. Ich rannte davon. Ich hatte Angst Menschen zu verlieren, die mir etwas bedeuteten. Oft war es meine Mutter, die in dem Traum vorkam, aber die Personen wechselten. Jetzt war es das erste Mal, dass auch Konstantin dabei gewesen war. Sollte das eine Warnung sein? Ich wusste, dass der Traum besonders oft kam, wenn ich innerlich aufgewühlt war.

Ich drehte mich im Bett um und stellte fest, dass ich fror. In meiner Panik hatte ich die Bettdecke auf den Boden getreten und hangelte nun mit der Hand danach. Fest zugedeckt, fühlte ich mich ruhiger. Der Schrecken klang langsam ab und ich konnte wieder rational über den Traum nachdenken. Das half eigentlich immer. Ich schloss die Augen und versuchte erneut einzuschlafen. Aber den Rest der Nacht war es eher unruhiges hin und her wälzen, als schlafen.

Mein Wecker piepte mit ohrenbetäubender Lautstärke. Wo war das Mistding?

„Halt die Klappe!“ Mit voller Wucht schlug ich darauf ein. Dabei hatte ich vergessen, ihn auszustellen. Mit dröhnendem Schädel drehte ich mich auf die andere Seite. Ich hatte wahnsinnigen Durst, aber ich wollte nicht in die Küche. Selbst um diese Uhrzeit war Konstantin am Wochenende schon wach und ich wollte ihm noch nicht begegnen. Das würde noch früh genug kommen.

Heute stand sowieso der Gang vor das Schafott an. Nach dem Traum hatte ich noch weniger Lust auf meine Mutter, als sowieso schon. Immer wieder fragte ich mich nämlich, ob sie mich nicht hören konnte oder wollte. Der Durst wurde immer schlimmer und nun musste ich auch noch aufs Klo. Verdammt!

Wie gerädert setzte ich mich auf. Die Bettdecke hatte sich um meine Beine gewickelt und ich musste mich erst einmal befreien, bevor ich irgendwo hinkam. Auf Samtpfoten schlich ich die Treppe hinunter. Ich ließ bewusst die Stufen aus, die knarrten, aber anscheinend brauchte ich überhaupt nicht so leise zu sein. Das Haus wirkte wie ausgestorben. Gut so. Egal, wo Konstantin war, ich wollte ihm heute nicht begegnen. Also schnell ins Bad. Ich erledigte schnell das Nötigste und wandte mich dann man meinem nächstem Problem zu, dem Hunger und Durst. Besonders Letzterem. Meine Kehle war wie ausgedörrt. Ich hamsterte in der Küche alles, was ich finden konnte. Ich wollte nicht länger als nötig an dem Schauplatz meiner Feigheit bleiben. Wieder oben angekommen, breitete ich meine Beute aus meinem Bett aus und schaltete den Laptop an. Ich wollte mich wenigstens noch ein bisschen ablenken, bevor ich mich in die Höhle des Löwen begab.
 


 

Geschafft. Ich weiß, die Kussszene ist nicht so toll. Ich geb mir später mehr Mühe. Und es tut mir leid, für alle, die Konstantin mögen *sich duckt*



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Evilsmile
2012-07-10T18:20:52+00:00 10.07.2012 20:20
Das ist ja echt blöd ausgegangen, für beide...
Jona ist einfach ein übervorsichtiger, ewiggrübelnder Zeitgenosse, der lieber aus der Distanz heraus beobachtet, wodurch ich mich so gut mit ihm identifizieren kann.
Und Konstantin, der sich jetzt "die Finger verbrannt" hat, kann ja nicht ahnen, was in ihm vorgeht. Aber ich frag mich - WAS ist mit Konstantin passiert, dass er plötzlich eine Essenschlacht anfängt, als ernster, ruhiger, erwachsener Mensch XD

Die Spannung in deiner Geschichte steigt von Kapitel zu Kapitel! *mitfieber*
Hat die Oma im Zug wirklich DAS gemeint oder interpretieren sie da beide was rein? XDD Haha, man hört immer nur das was man hören will.
Von:  Yumiko-Chan
2012-07-09T13:44:05+00:00 09.07.2012 15:44
Ist Jona echt so blöd oder einfach nur schwer von Begriff??
Da macht Konstantin erst einmal eine Andeutung bei dem Gespräch über "Sammy und Ben", dann sagt Philipp es ihm noch einmal und dann kommt der Kuss, der eindeutig von Konstantin ausgeht und was macht Jona?!
Er ist sich immer noch unsicher!!!! Jona, wie doof bist du ???!!!
Du liebst Konstantin, Konstantin liebt dich, er hat dich geküsst, du hast den Kuss erwidert, wo liegt dein verf****** Problem?!?!?!! -.-''
Bevor Jona sich sicher ist, dass Konstantin ihn WIRKLICH liebt, hat man schon drei angebliche Weltuntergänge beobachtet.
Der Trottel hat den Kuss zuerst erwidert, Konstantin dann abgewiesen und behauptet, dass er das nicht wollte und dann macht er sich Sorgen darüber, dass er sich wahrscheinlich eine neue Wohnung suchen muss?!
Der ist so unsensibel. >=/
Man, ich bekomme hier gleich einen Anfall. >=I
Menschenskinners, ich könnte ihn köpfen.
Hoffentlich wird er auf dem Geburtstag seiner Schwester richtig gequält, das hätte er verdient, nachdem was er Konstantin angetan hat >=)
Nya. Die Szene war echt total süß :3, bis Jona alles zerstören musste.
Sry, aber ich bin jetzt leicht sauer. -.-'
Hoffentlich merkt er bald, dass Konstantin ihn wirklich liebt und das nicht nur eine Phase, sInbildung oder sonst was ist.
Freu mich schon aufs nächste chap. ^^

GLG Yumiko-chan
Von:  tenshi_90
2012-07-09T10:41:06+00:00 09.07.2012 12:41
Schade, dass die Szene in der Küche so ein komisches Ende genommen hat... =/

Ich bin mal gespannt, wie das nächste Aufeinandertreffen der beiden ablaufen wird.. sicher herrscht da jetzt erstmal Eiszeit...

Schreib bitte schnell weiter ^^

LG


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