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Dark Night's Kiss

von

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50. Kapitel

Der Entschluss, die Firma nicht untergehen zu lassen, stand dem Entschluss, weniger zu arbeiten und mehr Zeit für Emma zu haben, deutlich im Weg. Sie beide hatten nach dieser ersten gemeinsamen Nacht, seit er aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, keine Gelegenheit dazu gehabt, auch nur für ein paar Minuten im Bett liegen zu bleiben und noch etwas zu kuscheln. Obwohl er Emma nicht hetzte, war Cayden doch sofort aufgestanden, kurz unter die Dusche gestiegen und hatte sich rasch angezogen. Das Frühstück hatte er einfach ausgelassen, und obwohl er immer noch ein eher mulmiges Gefühl im Bauch hatte, wenn er den Gang zu seinem Büro entlang schritt, so zögerte er doch keinen Moment, um sich erneut ins Chaos zu werfen und dagegen anzukämpfen, kaum dass die Bürotür hinter ihm geschlossen war.

Dennoch musste er sich ein paar Augenblicke zugestehen, in denen er einfach nur dastand und seinen neuen Bürosessel ansah. Der alte war inzwischen weggeräumt und durch ein neues Gegenstück ersetzt worden. Auf dem Fußboden, dort wo Emma ihren Dolch hineingebohrt hatte, war ebenfalls nichts mehr zu sehen. Dafür sorgte ein moderner, zu seiner Einrichtung passender Teppich.

Irgendwie fiel es Cayden schwer, zu realisieren, dass Emma erst gestern hinter sein Geheimnis gekommen war. Sie … Noch nie hatte so schnell jemand damit umgehen können. Kein einziger Mensch, dem er sich anvertraut hatte, war so locker damit umgegangen, nachdem die erste Überraschung vorüber war. Andererseits … genau genommen war Emma eine Hexe. Also war sie mit übernatürlichen Dingen aufgewachsen. Wie hätte sie den Tatsachen daher nicht so schnell glauben können, wo sie doch von Geburt an mehr Weitblick besessen haben musste als andere Menschen?

Cayden musste sich in seinen noch eher unangepassten Sessel setzen, als er nur zu deutlich von den Eindrücken überflutet wurde, die am gestrigen Tag noch stattgefunden hatten.

Die Vertrautheit zwischen ihr und ihm war sofort wieder da gewesen, nachdem die große Distanz zwischen ihnen einmal überwunden worden war. Zumindest erging es ihm so und Emma hätte sich bestimmt nicht von ihm beißen lassen, wenn es ihr anders ergangen wäre.

So im Nachhinein betrachtet war es einfach unfassbar, dass sie ihm das erlaubt hatte. Schließlich waren sie genau genommen Feinde, auch wenn er nicht das kleinste negative Gefühl für Emma empfand, nur weil sie eine Hexe war. Für ihn war diese ganze Feindschaft zwischen ihren Arten ohnehin meist unverständlich gewesen. Er mochte zwar noch nicht auf der Welt gewesen sein, als diese Feindschaft begonnen hatte, aber er hatte im Laufe der Jahrhunderte durchaus mitbekommen, dass es keine biologische, sondern eine äußerst 'menschliche' Feindschaft war, die da schon so lange tobte. Irgendjemand von ihnen bekriegte sich immer und schürte somit weiter den Hass. Zumindest war das seine Ansicht der Dinge, weshalb er Emma von Anfang an nicht hätte hassen können, nur weil sie eine Hexe war. Sie war nun einmal, was sie war und mit ihm verhielt es sich nicht anders. Dennoch fragte sich Cayden unweigerlich, ob sie ihm irgendwann noch einmal gestatten würde, von ihr zu trinken.

Das Klingeln des Telefons hielt ihn zum Glück davon ab, sich noch einmal alle Einzelheiten dieses viel zu kurzen Augenblicks ins Gedächtnis zu rufen. Es hätte ihn ohnehin nur auf die eine oder andere Art gequält.

„Cayden Calmaro, was kann –“ Cayden rieb sich kurz unterhalb der Brillengläser über die Augen und lehnte sich dann mit einem lautlosen Seufzen zurück, während er dem Anrufer wortlos zuhörte, der – sollte er ihn nicht noch irgendwie überreden können – vermutlich ebenfalls zu einem Springer wurde.

Verdammt! Er hatte schon zu viele Kunden verloren.

 

Es war ein merkwürdiges Gefühl. Als Emma die Augen aufgeschlagen und Cayden neben sich gesehen hatte, war Freude über sie hinweg geschwappt. Aber als er dann so abgeklärt aufgestanden war, geduscht und sich angezogen hatte, war es ihr ein wenig anders geworden. Sie hatte sich kurz so gefühlt, als wäre sie fehl am Platz und sollte sich schnell in ihre Klamotten werfen und verschwinden.

Als sie allerdings ihre Zähne geputzt und sich angezogen hatte, kam Emma wieder zu Verstand. Sie fuhr zwar nach Hause, aber nur, um ebenfalls kurz zu duschen, in frische Kleider zu wechseln und dann ins Büro weiter zu fahren.

Als sie dort ankam, lief bereits die Telefonleitung heiß und vor ihrem Empfangstisch standen sogar zwei Leute, die Cayden persönlich sehen wollten, um über ihre Gelder in der Firma zu sprechen. Stella schien alles so weit im Griff zu haben, dass Emma nicht einfach ihre Jacke fallen ließ, sondern ihre Sachen in der Garderobe unterbrachte, bevor sie ihrer Kollegin helfend zur Seite sprang und die etwas schwierigeren Kunden übernahm, damit Stella ein bisschen Stress abbauen konnte. Dass Emma dafür so manche schlechte Laune abbekam, machte ihr wenig aus. Was sie wurmte, war der Grund für die Gewitterwolke über der Firma und die Aussicht, dass nur wenige Sterne am Horizont standen. Sie hatte wirklich keine Ahnung, wie man das alles wieder ins richtige Licht rücken und wieder geradebiegen konnte.

 

Im Laufe des verdammt langen Vormittags, überkam Cayden nicht nur einmal der Drang, mit der Stirn gegen die Glasscheibe in seinem Rücken zu donnern, bis sie zerbrach, sondern gleich mehrmals, während er die Anrufe und auch persönlichen Gespräche von Angesicht zu Angesicht immer wieder auf Geschäftsniveau zurückzubringen versuchte. Es waren mühselige Gespräche, die alle nur um ein Thema zu kreisen versuchten – seiner Verhaftung und was nun wirklich an der Sache dran sei.

Da das nicht viel mit dem Geschäft, aber sehr wohl mit dem Vertrauen seiner Kunden in ihn zu tun hatte, konnte er das Thema nicht vollkommen abblocken, aber es brachte ihn innerlich immer mehr und mehr auf und kostete ihn zudem immense Kraft, um seine ruhige Fassade aufrechtzuerhalten, anstatt einfach seine Meinung zu dem ganzen in den Raum zu brüllen, damit es endlich alle kapierten.

So war er auch nach seinem letzten Gespräch immer noch höflich und zuvorkommend, als er Antony Dawn – einen der ihm erhalten gebliebenen Bandmanager – aus seinem Büro führte und sich mit einem kräftigen Händeschütteln verabschiedete.

„Und danke für Ihr Vertrauen“, schickte er dem Kerl noch hinterher, obwohl er beinahe an den Worten erstickte. Schließlich hatte Cayden jahrelang bewiesen, dass man ihm vertrauen konnte und es war verletzend, dass er sich nun den Mund fusselig reden musste, um diesen Status wieder herzustellen.

Cayden ging wieder in sein Büro, doch ehe er die Türe ganz hinter sich schließen konnte, drehte er sich noch einmal zu Emma um, die er gerade noch so im Blick hatte, und wartete kurz, bis ihre Blicke sich begegneten. Wie viel Kraft er aus einem einzigen Blick von ihr zog, könnte er ihr nie erklären, aber er sandte ihr wortlos mit den Lippen ein „Ich liebe dich“, ehe er die Tür wieder hinter sich schloss und zu seinem Telefon hinüber ging, wo bereits wieder ein Anrufer zu ihm durchgestellt worden war.

Die Hoffnung auf positive Nachrichten hatte er schon längst aufgegeben.

 
 

***

 

Kurz vor seiner Mittagspause hatte er ein paar Minuten lang Luft, weshalb Cayden schließlich nach langem Überlegen Emma zu sich herein bat, um mit ihr über das zu sprechen, was ihm in den letzten Stunden immer wieder durch den Kopf gegangen war und sich auch nicht so einfach verdrängen ließ. Es ging um sein Image, also auch um PR und das brachte ihn unweigerlich auf den Grund dieses angerichteten Schadens – Vanessa.

Nun da alle Karten offen auf dem Tisch lagen, sah er keinen Grund mehr, Emma aus diesem Thema herauszulassen. Ganz im Gegenteil. Er wäre dankbar, wenn er mit dieser Bürde nicht alleine dastehen würde.

 

Vor Emma wiederholte sich leider immer wieder das gleiche Schauspiel: Sie gingen wütend hinein und kamen nur weniger wütend wieder heraus. Die schlechte Stimmung und die sich anbahnende Verzweiflung waren jedes Mal zu spüren, wenn sie in Caydens Büro ging, den Gästen Kaffee anbot und sich dann wieder leise zurückzog. Die Männer schienen sie kaum zu bemerken, redeten sich weiter in Rage und prügelten verbal auf Cayden ein, dass Emma am liebsten eingeschritten wäre. Aber die Firma war seine Verantwortung. Sein Baby. Emma war klar, wie gut sich Cayden auskannte und wie genau er das Maß des Schadens bestimmt erfasst hatte, das es zu reparieren gab.

Bloß wenn sie sich eine Auszeit zum Durchatmen in der Kaffeeküche nahm, sich zwei Atemzüge gönnte, wurde ihr ganz eng ums Herz. Ja, es war Caydens Firma und er wusste, was er zu tun hatte. Emma vertraute darauf. Und dennoch hätte sie am liebsten jeden erdenklichen Zauber um sich geschleudert, um ihm auch nur ein wenig helfen zu können.

Das schien auch Stella irgendwie zu spüren, denn als Emma wieder an ihren Schreibtisch ging und sich steif auf ihrem Stuhl niederließ, schenkte ihre Kollegin ihr ein aufmunterndes, aber schiefes Lächeln. Emma wusste, was das bedeuten sollte. Aber sie zweifelte trotzdem daran: Es würde nicht so einfach wieder alles gut werden.

Als schließlich eine Nachricht von Cayden auf ihrem Bildschirm landete, dass er sie sprechen wollte, hüpfte ihr Herz schmerzhaft in Emmas Brust. Sie wusste auch noch nicht, was sie sagen sollte, als sie an die Bürotür klopfte und schließlich vorsichtig in das riesige Büro und vor seinen Schreibtisch trat.

 

Als Emma die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand Cayden wortlos von seinem neuen Bürosessel auf, ging um den Schreibtisch herum und zog sie einfach in die Arme, um sie festzuhalten. Er drückte seine Nase in ihr Haar, selbst auf die Gefahr hin, dass Emma ihre Frisur danach wieder etwas richten musste. Aber im Augenblick war ihm das herzlich egal. Denn sobald er ihren vertrauten Duft tief in seine Lungen gesogen hatte, fiel ein Teil seiner bisherigen Anspannung von ihm ab und zu gleich war es ihm nun absolut unmöglich, seine Fänge länger im Zaum zu halten.

Die Wut hatten sie schon mehrmals herauslocken wollen, doch letztendlich war es Emmas Duft, der seinen Widerstand brach. Aber das war egal. Vor ihr musste er sich zum Glück nicht länger verstecken, so neu und ungewohnt dieses Gefühl für ihn auch noch war.

Erst nachdem Cayden ihr auch einen flüchtigen Kuss von den Lippen gestohlen hatte, ließ er etwas von ihr ab, damit er ihr in die Augen sehen konnte.

„Ich muss mit dir reden. Aber erst will ich wissen, wie es dort draußen aussieht. Kommst du zurecht?“ Die Sorge stand ihm in fetten Buchstaben auf die Stirn geschrieben.

 

Bei Stella und ihr sah es wahrscheinlich nicht besser oder schlechter aus, als bei ihm hier drinnen. Aber Emma wollte Cayden nicht noch zusätzlich Sorgen bereiten, deshalb lächelte sie und meinte nur: „Etwas chaotischer als sonst, aber man ist ja als persönliche Assistentin Einiges gewohnt.“ Um ihm zu bedeuten, dass sie das nicht böse meinte, streichelte sie ihm sanft über den Arm und lächelte wieder. Diesmal etwas wärmer.

„Bei dir alles in Ordnung? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ... anstrengend das alles ist.“ Das konnte sie wirklich nicht. Was bei ihr im Vorzimmer ankam, waren nur die Ausläufer dessen, was sich hier drinnen abspielen musste. Hinter verschlossenen Türen machten die wütenden und vor allem verunsicherten Kunden, die ihr Geld in Caydens Firma gesteckt hatten, sicher noch mehr Wirbel. Nicht ganz zu Unrecht, wenn man bedachte, wie die ganze Sache mit Caydens ... Frau nach außen hin wirken musste.

Emma schüttelte sich leicht, als sie an Vanessa dachte. Aus einer neutraleren Position heraus hätte wahrscheinlich auch Emma eine ziemlich schlechte Meinung von Cayden. Immerhin war er nicht der erste wohlhabende Mann, der angeblich seine Frau verprügelte. Schon gruselig, wenn man es so betrachtete.

 

„Es gibt Schlimmeres.“ Zwar fühlte es sich in den Momenten, wo es besonders hart war, nicht so an, aber eigentlich stimmte es. Er musste sich nur immer mal wieder daran erinnern.

Cayden bot Emma den Platz vor seinem Schreibtisch an und lehnte sich selbst gegen die Kante. Er fischte noch nach der Mineralwasserflasche und dem Glas, ehe er es bis zum Rand füllte und ebenso schnell wieder leerte. Endlich kam er einmal dazu, etwas zu trinken, aber seinen Durst löschte es natürlich nicht wirklich.

Er hatte gestern zwar einen Schluck von Emmas Blut getrunken, aber das war mehr ein Aperitif als eine Mahlzeit gewesen und nach dem ganzen Stress in letzter Zeit war dessen positive Wirkung schon längst verbraucht. Aber daran konnte und wollte er im Augenblick nicht denken.

„Ich weiß, dass die PR-Abteilung sich gerade die Köpfe zerbricht und vermutlich alles an Können aufbietet, das sie aufbringen kann, aber nach den wenigen Stunden heute, bin ich mir sicher, dass das nicht reichen wird“, begann er schließlich zu erzählen, was ihm keine Ruhe mehr ließ.

„Nicht die Firma steht schlecht da, sondern ich und daran ist leider nicht zu rütteln.“ Er seufzte schwer und starrte auf den letzten Schluck Wasser am Boden seines Glases. „Ich will es zwar nicht, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso unweigerlicher komme ich zu dem Schluss, dass ich Vanessa im Krankenhaus besuchen muss.“

Ganz ruhig stellte er das Glas zur Seite, stieß sich vom Schreibtisch ab und ging um ihn herum, um mit verschränkten Armen aus dem Fenster zu sehen. Das alles fiel ihm verdammt schwer zu sagen. „Laut ihr und den Medien bin ich zwar von den Vorwürfen freigesprochen worden, was den Überfall auf sie angeht, aber sie hat noch immer nicht berichtigt, dass es zwischen uns tatsächlich nie häusliche Gewalt gegeben hat und genau diese Tatsache wird auch weiterhin gründlich von der Presse ausgeweidet. Zudem verhalte ich mich nicht wie ein sorgender Ehemann, den keine Schuld trifft.“

Cayden blickte auf seine Hand herab, dort wo so lange der goldene Ring seinen Platz gehabt hatte und ihn nun nicht mehr fesseln konnte. Aber seine Entscheidung hatte Folgen. Nun mehr den je.

„Die Medien werden sich wie ausgehungerte Wölfe darauf stürzen, sobald sie von der geplanten Scheidung erfahren.“ Was ihn in ein noch schlechteres Licht rückte, aber das konnte er ertragen. Schließlich ging es dabei auch um Emma und ihre gemeinsame Zukunft. Sie sollte nur wissen, worauf auch sie sich da einließ.

 

Wenn es ihr vorhin schon gegen den Strich gegangen war, an Vanessa zu denken, stellten sich Emma jetzt sämtliche Nackenhärchen auf und ein fester Ball formte sich in ihrer Magengegend, als sie daran dachte, Cayden könnte diese Frau wiedersehen. Und das sogar freiwillig.

Gut, wenn sie ehrlich war, ergab es Sinn, dass er Vanessa besuchte. Würde er es nicht tun, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass alles vollkommen aus dem Ruder lief und er im Endeffekt nichts mehr dagegen tun konnte. Trotzdem fühlte es sich schrecklich an. Emma konnte sich gar nicht vorstellen, ihn gehen zu lassen. In die Gegenwart dieser Frau zurück, die so viel Schuld an seiner derzeitigen Situation trug.

„Ich bin nicht begeistert davon“, sagte sie allerdings nur schlicht, um nicht mit ihrer wirklichen, vollständigen Meinung herauszuplatzen und wie ein eifersüchtiges Mädchen auszusehen. Er trug den Ring nicht mehr. Emma hatte eigentlich gedacht, das war schon sehr viel verlangt gewesen. Aber jetzt wurde ihr klar, dass sie noch sehr viel mehr wollte. Vanessa sollte aus Caydens Leben verschwinden.

 

„Ich bin ganz deiner Meinung“, stimmte er ihr zu. Etwas anderes hatte Cayden nicht erwartet. Aber ob nun er oder sie es wollten oder nicht wollten, er musste es tun. Vanessa war einer seiner wunden Punkte und noch dazu lag es in ihrer Hand, dort direkt den Finger draufzulegen und noch fester zu bohren, als sie es ohnehin schon getan hatte. Wenn er das mit ihr nicht bald regelte, würde er die Firma nur noch retten können, in dem er sie entweder verkaufte, oder die Mehrheit seiner Stimmrechte an einen der anderen Vorstände abtrat. Allerdings gab es dort niemandem, den er diesen Posten zutraute, weshalb er auch schon vorher nicht in Betracht gezogen hatte, die Leitung der Firma einem dieser Männer zu überlassen.

Aber so oder so würde er sich Unterstützung suchen müssen, denn Cayden hatte nicht vor, sich noch länger von der Arbeit auffressen zu lassen und keine Zeit mehr für Emma und ihr Kind zu haben. Was das anging, hatte er nicht vor, irgendetwas an seinen Plänen zu ändern. Hier ging es lediglich darum, Arbeitsplätze von guten Mitarbeitern zu sichern, die ihm all die Jahre über treu zur Seite gestanden hatten. Er würde sie auf keinen Fall in Stich lassen, obwohl er das einfach so könnte, wenn er wollte. An Geld mangelte es ihm schließlich nicht.

„Es ist dennoch unvermeidlich.“ Cayden drehte sich um und ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken. Er betrachtete nachdenklich Emmas Gesicht und wünschte sich, er könnte ihr irgendetwas geben, damit sie nicht auch noch von dem Gift, das Vanessa selbst jetzt noch so gut versprühte, angegriffen wurde.

„Heute Nachmittag steht noch ein Vorstandstreffen an, aber danach könnte ich es hinter mich bringen. Ich muss einfach herausfinden, was sie will.“ Wieder ein Seufzen. „Sie weiß einfach zu viel.“

 

Heute Nachmittag schon? Beinahe wären ihr die Worte herausgerutscht und an ihrem Gesicht musste Cayden wohl erkannt haben, dass sie seine Aussage nicht nur überraschte, sondern sogar traf. Zumindest sah er so aus, als würde er mitbekommen, wie schwer das Gewicht in ihrem Magen wurde. Emma würde es nicht verhindern können. Cayden musste mit Vanessa sprechen und das alles irgendwie gerade rücken.

Den Blick auf ihre Knie gewandt, wagte Emma nicht zu mutmaßen, wie dieses Zurechtrücken aussehen könnte. Sie konnte sich nur allzu gut an Vanessas Auftreten und deren Arroganz erinnern. Emma konnte sich nicht einmal vorstellen, dass diese Frau Cayden einfach aufgeben würde, wenn sie noch irgendeine andere Möglichkeit sah.

Ihre Finger verhakten sich in ihrem Schoß so fest miteinander, dass die Knöchel weiß hervor traten. Aber mit einem tiefen Atemzug beruhigte sich Emma wieder. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie würde dem Ganzen seinen freien Lauf lassen müssen. Das war Caydens Sache und sie würde ... ihm vertrauen.

 

Oh ja, er sah es genau. So lange hatte er Emma dort draußen vor seiner Tür sitzen sehen. So lange hatte er sie beobachten und studieren können, da er schon länger, als sein Herz es zugeben wollte, Interesse an ihr bekundet hatte. Zunächst war es Neugierde und Vorsicht gewesen, weil er gewusst hatte, was sie war. Aber das hatte sich geändert. Nicht jedoch die Fähigkeit, selbst die subtilste Veränderung an ihr aufzunehmen. Ob er sie deuten konnte oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Cayden bekam es mit und konnte sich damit auseinandersetzen, wenn es die Zeit zuließ. Im Augenblick war das allerdings nicht nötig.

„Em …“ Er lehnte sich weiter vor und suchte ihren Blick. „Einmal davon abgesehen, wie schwer mir die Frau zusetzt, würde ich doch gerne wissen, was du darüber denkst. Was macht dir Sorgen?“ Denn das tat es. Er sah es ihr an, wie wenig sie von seinem Vorhaben hielt, auch wenn er es deshalb trotzdem nicht einfach so fallenlassen konnte.

 

Sie sah auf, hob dabei allerdings nicht den Kopf. Unter ihren Haaren hervor blinzelte Emma, überrascht von der Frage, die so sehr ins Schwarze getroffen hatte. Sie wollte ihm nicht sagen, was sie darüber dachte. Denn ihre Gefühle diesbezüglich waren ihr zu peinlich. Da kochte sie lieber vor sich hin und schluckte ihre Eifersucht hinunter, bis sie davon platzte.

Nach einer Weile, die sich Caydens Blick nur starr ertragen hatte, schüttelte ein Seufzen Emma einmal vollkommen durch.

„Du kannst dir denken, was ich davon halte. Und um ganz ehrlich zu sein, habe ich keine Lust, es auszusprechen. Ich kenne ... deine Frau nur von der schlechten Seite, die sie mir gegenüber und auch im Bezug auf dich gezeigt hat. Dass du zu ihr gehst und sie ...“ Wieder ein Seufzen. Diesmal allerdings eher genervt, als betroffen. „Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll.“

Eine weite Geste umfasste alles, was zu diesem ganzen, verworrenen Gebilde gehörte. Vanessa, Cayden, deren Ehe, Emma, das Baby und diese ganze Täuschungsaktion, um Cayden und seine Firma in den Ruin zu treiben. „Ich weiß nicht, welche Gefühle nur zu mir und welche zu uns gehören. Es ist ... verdammt schwierig. Und doch sehe ich ein, dass du mit ihr sprechen musst.“ Es machte sie nur vollkommen fertig, dass er sie dabei auch noch persönlich besuchen würde.

 

Cayden dachte eine Weile über Emmas Worte nach, während sein Blick auf dem blinkenden Licht des Telefons lag, da offenbar jemand in der Leitung war. Egal. Er ignorierte es einfach und konzentrierte sich lieber wieder auf Emma.

Was genau sie meinte, verstand er trotzdem nicht. Ihm war zwar klar, dass Emma Vanessa kein Bisschen mochte und er das nur allzu sehr nachvollziehen konnte, aber darüber hinaus … Nein, er kam nicht drauf, was sie sonst noch wurmte. Vielleicht dass Vanessa durchaus in der Lage war, alles noch schlimmer zu machen und da das natürlich am Ende auch Emma betraf, war die Sorge verständlich. Aber wenn Cayden eines mit Sicherheit wusste, dann das, dass er niemals zulassen würde, dass Vanessa oder jemand anderes Emma oder dem Baby schaden konnte. Beide waren nun sein Herz und sein Leben. Es gab nichts, was er nicht für sie tun würde, sollte es die Situation erfordern.

Bevor allerdings etwas von den finsteren Gedanken auch in seinem Gesicht zu lesen war, sah Cayden wieder hoch und schenkte Emma ein warmes Lächeln. „Kann ich nach dem Treffen zu dir kommen?“

Wie dringend nötig danach wohl Emmas Nähe für ihn sein würde, verschwieg er lieber, aber auch so wäre es ihm ein Bedürfnis, auch diese Nacht wieder bei ihr zu sein. Die Frage war nur, ob Emma das gerade wegen all der Ereignisse in letzter Zeit ebenfalls so sah.

 

Sie musste lachen. In der nächsten Sekunde war es ihr peinlich und Farbe schoss in ihre Wangen. Aber sie konnte einfach nicht anders. Die Frage war so überraschend und unzusammenhängend aus Caydens Mund gekommen, dass Emma im ersten Moment nicht gewusst hatte, ob er sie ernst meinte. Aber das tat er. Es war so offensichtlich, erleichternd und befreiend, dass ihr Körper einfach ohne nachzufragen darauf reagiert hatte. Mit herzlichem Lachen.

Immer noch ein wenig peinlich berührt, drückte Emma ihre Fingerspitzen gegen ihre Lippen, sah kurz weg und dann wieder Cayden an, bevor sie zwischen den Fingern hervor murmelte: „Sehr gerne.“

Er konnte sich bestimmt gar nicht vorstellen, wie merkwürdig sich die Frage für Emma angefühlt hatte. Zumindest sah Cayden so aus, als wäre die Frage das Natürlichste der Welt.

 

Obwohl Cayden sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, da Emmas Lachen einfach ansteckend war, war doch auch seine Augenbraue fragend in die Höhe gewandert. Allerdings war er klug genug, nicht nachzufragen, sondern es einfach hinzunehmen und sich darüber zu freuen, dass sie auf diese Art reagiert hatte, als auf eine ganz und gar andere Art, die vielleicht nicht besonders positiv ausgefallen wäre.

Da das geklärt wäre, gab es eigentlich nur noch eines zu tun und dafür erhob sich Cayden wieder aus seinem Sessel, umrundete seinen Schreibtisch und hockte sich so vor Emma hin, dass er leicht zu ihr aufsehen musste. Er gab keine Erklärungen dazu ab, sondern berührte mit einer Hand ihren Nacken, während er die Augen schloss und sich mit der anderen die Brille von der Nase zog.

Seine Hand schob ihm Emma etwas weiter entgegen, beim Rest musste er sich auf seinen Tastsinn und ihre Teilnahme verlassen, da er nichts sehen konnte. Aber es war unnötig. Ihre Lippen würde er wohl immer wieder selbst in der finstersten Nacht finden und dieses Mal beließ er es nicht bei einem flüchtigen Kuss. Schließlich hatte er schon seit einigen Minuten Mittagspause, also alle Zeit der Welt, um die Frau ausgiebig zu küssen, die er über alles liebte.

 

Emma fand es im ersten Moment befremdlich, dass er die Brille abnahm, sie sich an seine Hemdtasche steckte und sich dann mit geschlossenen Augen zu ihr lehnte. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis Emma sich daran gewöhnte, dass Cayden ... anders war, als jeder andere, den sie bis jetzt in ihrem Leben kennengelernt hatte. Und mit einem weiteren Schmunzeln stellte sie fest, dass das nicht bei seinen Augen aufhörte.

Weiter lächelnd versank sie in dem Kuss, den er ihr schenkte und versuchte die Gedanken an alle Vanessas der Welt und vor allem an eine bestimmte aus ihrem Kopf zu verdrängen. Diese Frau hatte zwischen Cayden und Emma nichts zu suchen. Weder in Gedanken noch in der Realität.

Die Arme um Caydens Körper geschlungen, kuschelte sie sich an ihn, drückte bald ihre Nase an seinen Hals und schmiegte sich an seine Halsbeuge, um für einen Moment die Augen zu schließen. Es wäre so schön, das alles vergessen und einfach vor sich hinleben zu können. Sich auf das Baby freuen, sich Gedanken darüber machen, wie das Kinderzimmer irgendwann aussehen würde ...

Hätte Emma nicht so viel Angst vor dieser Zukunft, sie hätte sich bestimmt gefreut. Aber noch schien so vieles andere wichtiger zu sein, dass sie sich selbst gar keine Zeit dafür ließ. Wahrscheinlich war es besser so.

„Hast du ein paar Minuten Zeit, um etwas zu essen?“, wollte sie leise wissen, bevor sie Cayden auf sein Ohrläppchen küsste.

 

Obwohl Cayden froh war, dass er einfach nicht genug von Emma bekommen konnte, so war sich sein rasendes Herz dadurch erst recht bewusst, wie schnell er sie hätte verlieren können und immer noch verlieren konnte. An Gerüchte, an den Unterschied ihrer Rassen und vielleicht, wenn das Leben es gut mit ihm meinte, würde letztendlich nur noch das Alter zwischen ihnen stehen. Aber so oder so, er war glücklich darüber, sie jetzt bei sich zu haben und festhalten zu können, weshalb es ihm auch umso schwerer fiel, sie wieder loszulassen. Zum Glück musste er das noch nicht.

Caydens Hände streichelten über Emmas Rücken, während er einfach ihre Nähe genoss und immer wieder ihren herrlichen Duft in sich einsog. Er rührte sich noch nicht einmal, als sie ihn an seinen leeren Magen erinnerte, der bestimmt schon während des Vormittags mehrmals vor sich hin gerumpelt hatte, aber ignoriert worden war.

Er seufzte tief und wohlig. „Nur wenn du mir Gesellschaft leistest.“

 

„Natürlich.“ Nichts würde sie lieber tun. Emma drückte Cayden noch einmal, bevor sie sich von ihm losmachte und ihm dann lächelnd ins Gesicht sah.

„Etwas ... Nachhaltigeres als Salat mit Putenbruststreifen?“ Bevor er fragend doch noch die Augen öffnen konnte, nahm Emma die Brille aus seiner Tasche und setzte sie ihm vorsichtig auf.

„Ich hab Lust auf Curry. Hinter dem Bucket Fountain ist ein guter Inder. Wie sieht’s aus?“ Sie lächelte noch herzlicher, jetzt da er sie wieder sehen konnte, und schob seine Brille noch ein bisschen zurecht. Allerdings mehr als Ausrede, ihm danach noch kurz über die Wange streicheln zu können, als es wegen der Brille wirklich nötig gewesen wäre.

 

„Mhmm Curry … Da kommen gute Erinnerungen auf.“ Cayden lächelte Emma nun wieder mit herzlichem Blick an und strich ihre Haare zurecht, die er ein bisschen in Unordnung gebracht hatte. Er fand die kleinen Gesten von ihr unheimlich schön, vor allem weil er sich dadurch wohler in ihrer Nähe fühlte, was seine andere Seite betraf. Er tat es zwar immer noch instinktiv, aber wenn das so weiter ging, würde er sich bald überhaupt nicht mehr vor Emma verstecken. Ein wirklich erstrebenswertes Ziel, wenn man ihre Hingabe bedachte.

„Lass uns gehen.“ Solange sie noch Zeit für sich alleine hatten, sollten sie das ausnützen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-10-11T18:43:21+00:00 11.10.2012 20:43
juhuuuu ein neues kapi <3
ich danke euch :) *tausendherzchenschenk*
die geschichte ist nun einmal eben einfach nur toll und genial punt!!! was anderes kann ich gar nicht sagen ..cayden is sooo cooool ^^
....
schööön weiter schreiben ;) *hihi*

liebe grüße :)


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