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Dark Night's Kiss

von

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48. Kapitel

Ein simples Abendessen, mit einer noch simpleren Pizza hatte Cayden natürlich nicht im Sinne gehabt. Schokoeis war vorrätig im Kühlschrank, also musste er sich nur um die Hauptspeise kümmern, und dafür hatte er ebenfalls alle Zutaten und Gerätschaften in seiner Küche.

Da Kochen zu zweit mehr Spaß machte und zugleich Emmas und seine Gedanken mit etwas Banalem wie Gemüseschneiden und Teigkneten ablenkte, spannte auch er sie fleißig ein und genoss es zusehends, auf diese Art mit Emma Zeit verbringen zu können.

Bisher waren solche Momente viel zu selten und kostbar gewesen, und er würde sie auch immer zu schätzen wissen. Aber er wollte definitiv noch mehr davon. Da Emma nun die Wahrheit wusste, erst recht.

„Ich finde, wir können uns gratulieren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, stellte Cayden schließlich fest, als sie die dampfende Pizza mit verschiedensten Belagecken vor sich auf dem Couchtisch stehen hatten.

Cayden hatte inzwischen wieder Feuer im Kamin gemacht, und da er selbst Pizza grundsätzlich mit den Händen aß, war es ihm lieber, als an der Frühstückstheke zu essen.

 

Da Cayden sich um die heiße Pizza kümmerte, trug Emma die Getränke hinter ihm her und stellte sie auf dem Couchtisch ab, bevor sie sich auf das Sofa fallenließ und ihr gemeinsames Werk zufrieden betrachtete.

„Oh lecker. Mir läuft schon seit einer halben Stunde das Wasser im Mund zusammen.“

Mit einem gierigen Blick schnappte sie sich einen Teller, besann sich dann aber doch ihrer Kinderstube und fragte Cayden, welches Stück er gerne hätte. Erst als sie beide das Gewünschte auf dem Teller hatten, zog Emma ein Bein auf die Couch und biss herzhaft in das Stück Pizza.

Allerdings bloß, um sofort den Mund wieder weit aufzusperren und mit leichten Tränen in den Augen zu hecheln.

„Heiß!“

Das passierte eben, wenn man so ungeduldig war. Aber beim nächsten Bissen wurde eben gepustet und dann konnte richtig mit Genuss gegessen werden. Dabei sah Emma immer wieder mit einem breiten Lächeln zu Cayden und konnte gar nicht glauben, wie gut es sich anfühlte, hier neben ihm zu sitzen. Ohne irgendwelche Geheimnisse zwischen ihnen und mit den Tatsachen, die nun von beiden Seiten offen auf dem Tisch lagen.

Erst nach einer Weile, als Emma ihren gröbsten Hunger gestillt hatte und sich eine Olive von einem unberührten Stück Pizza stibitzte, sah sie sich Caydens Teller an.

„Darf ich dich was fragen?“

Es war sofort klar, dass es um das Thema gehen würde, das er ihr so vehement vorenthalten hatte. Wäre es etwas anderes, hätte Emma gar nicht um die Erlaubnis gebeten, ihn etwas fragen zu dürfen.

 

Mit aller Mühe musste sich Cayden ein Grinsen verkneifen, als er Emma dabei beobachtete, wie sie voller Genuss in ihr erstes Pizzastück biss und daraufhin sofort seinen Erwartungen zufolge, reagierte.

Natürlich war das Stück noch zu heiß gewesen.

Er selbst ging es langsam an, obwohl er Hunger hatte. Da er aber nie eine so große Menge verdrücken könnte, wie man es seinem Geschlecht zutraute, aß er langsam und genussvoll, damit keiner von ihnen beiden dem anderen zusehen musste, während man selbst schon längst satt war. Zudem war die Pizza wirklich köstlich, was auch auf alle Fälle an der angenehmen Gesellschaft lag. Mit Emma aß er tatsächlich am liebsten.

„Darf ich dich was fragen?“, meinte sie schließlich in diesem Tonfall, bei dem sich alle seine Härchen auf den Armen aufstellen wollten. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken, sondern legte stattdessen langsam den Pizzarand auf seinen Teller zurück. Er liebte den Pizzarand, aber das hier war wichtiger.

„Natürlich. Vorausgesetzt du willst die Antwort darauf wirklich wissen.“

Cayden hatte sie in diese Richtung schon einmal gewarnt und war auch fest entschlossen ihr dennoch alles zu sagen, was sie von ihm wissen wollte. Es war ein Risiko. Für sie beide. Aber er ging es gerne ein.

„Also, was möchtest du wissen?“ Er lächelte ihr aufmunternd zu.

 

Das Lächeln, das sie ihm schenkte, geriet etwas schief. Allerdings nur, weil Emma sich wirklich ziemlich sicher war, dass sie die Antwort wissen wollte. Und weil ihr klar war, dass sie nicht gleich mit extrem schwierigen Fragen beginnen wollte.

„Isst du gern?“

Sie deutete auf seinen leeren Teller und nahm sich dann doch noch ein kleines Stück Pizza. Es roch einfach zu köstlich, um sich von einem vollen Magen aufhalten zu lassen.

„Bringt es dir denn etwas, wenn du normale Nahrung zu dir nimmst? Oder ist das nur ein gesellschaftliches Entgegenkommen zur Tarnung oder sowas?“

 

Bei Emmas Frage hob sich eine seiner Augenbrauen vor Verblüffung, da es eine recht banale Frage war. Dann musste er grinsen, während er einmal nickte.

„Ja. Ja, ich esse gerne. Sogar sehr gerne. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich täte, wenn ich nicht diese ganzen Geschmäcker genießen könnte.“

Er meinte es ernst. Schließlich hatte er auch schon Zeiten erlebt, wo er kaum etwas zu Essen gehabt hatte, und wenn, dann nichts, was auch nur annähernd an dieses Essen vor ihnen herangekommen wäre. Gewürze waren wirklich etwas Großartiges und dass man sie nun so einfach in jedem Supermarkt kaufen konnte.

„Aber zugegeben, so gerne ich esse, bekomme ich doch nicht so viel hinunter wie ein Mensch. Höchstens die Portion eines Kindes. Und sollte es wirklich einmal hart auf hart kommen, könnte ich Tage, wenn nicht sogar Wochen ganz darauf verzichten. Obwohl es natürlich kein Zustand ist, den man anstreben möchte. Glaub mir. Ich brauche Essen ebenso wie du. Nur nicht in solchen Mengen und mit solcher Dringlichkeit.“

 

„Okay ...“

Das erklärte, wie er so wenig essen konnte und trotzdem nie so ausgesehen hatte, als würde ihn das irgendwie beeinträchtigen. Emma dachte an die paar Gelegenheiten, bei denen sie zusammen gegessen hatten. Caydens Portion war immer kleiner gewesen als ihre eigene. Auch, wenn das nicht so stark aufgefallen war, weil er sehr langsam aß.

„Du bist also der Traum einer jeden Frau, die ein paar Pfunde verlieren will“, meinte sie mit einem Grinsen.

„Wenn man immer versucht, nicht mehr zu essen als du, wird man unweigerlich schlank.“ Oder fiel vom Fleisch, wenn man es genau nahm.

„Ist das dann mit dem Schlafen genauso? Oder war es wirklich jedes Mal die Arbeit, die dich so spät ins Bett und so früh wieder heraus gescheucht hat?“

 

„Solange du nicht zu diesen Frauen gehörst, okay. Ich mag zufälligerweise deine sinnlichen Kurven. Also halte dich bloß nicht an meinen Essensplan. Davon wird ein Mensch nur krank.“

Cayden schenkte ihr ein warmes, ehrliches Lächeln, ehe er wieder den Pizzarand zur Hand nahm und ein bisschen daran knabberte.

Bei ihrer nächsten Frage musste er kurz überlegen, weil er schon lange nicht mehr rein nach seinem Schlafbedürfnis geschlafen hatte.

„Ich denke, ich brauche ungefähr genauso viel Schlaf wie Menschen, aber es macht mir nicht so viel aus, wenn es nicht so ist. Höchstens, dass ich ein bisschen reizbar werde.“

 

„Vielen Dank. Da schmeckt die Pizza doch gleich noch besser.“

Ein kleiner Kuss auf seine Lippen und Emma ließ ihn über ihre zweite Frage nachdenken, die er zwar beantwortete, aber Emma dafür etwas ungläubig zurückließ.

„Reizbar? Du?“ Sie hob ehrlich skeptisch eine Augenbraue und legte sogar den Kopf etwas schief, um ihn eingehend zu betrachten.

„Seit ich dich kenne und von Anfang an hätte ich dich immer für die Ruhe selbst erklärt. Immer ausgeglichen, höflich und bedacht. Naja, einmal von Spendengalas abgesehen, wo du den Leuten am liebsten ins Gesicht gesagt hättest, was sie für oberflächliche Geldsäcke sind.“ Bei dem Gedanken daran musste sie leise lachen und schüttelte den Kopf.

„Aber das heißt ja nur, dass du diese Emotionen sehr gut verbergen kannst. Nicht, dass sie nicht vorhanden sind.“

Als sie sich noch eine Olive von ihrem Pizzastück pflückte und sie genüsslich kaute, fiel ihr die nächste Frage ein. Da sie sich damit allerdings in ein Gebiet vorwagen würde, das wesentlich komplizierter sein würde als die Themen bisher, zögerte Emma und überlegte sich genau, was sie sagen wollte.

„Du hast gesagt, dass du gut ohne Essen auskommst. Und mit wenig Schlaf. Aber ... ohne Blut geht es nicht, richtig?“

Sie sah ihn offen an und fügte sofort hinzu, bevor er antworten konnte oder das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. „Das war keine wirkliche Frage. Wenn ihr das könntet, wäre einiges in der Geschichte anders verlaufen und vieles wäre einfacher. Das sollte auch bestimmt kein Vorwurf sein. Aber ... Ich meine ... Wie ... machen wir das?“

 

„Zugegeben, ich brauchte sehr lange, um das mit meiner Maske zu üben. Aber natürlich habe ich Gefühle. Ziemlich viele sogar, wenn man in einer Gesellschaft wie deiner ist.“

Wieder ein Lächeln, das aber mehr von ihrem Kuss herrührte. Es wärmte ihm das Herz.

„Leider musste ich im Laufe der Zeit lernen, manche Gefühle gar nicht erst zu zeigen, weil sie einem nicht helfen, sondern viel mehr verraten. Schwäche zum Beispiel. Das ist wie bei einem Pokerspiel. Es kann davon abhängen, ob man gewinnt oder verliert. In Zeiten wie diesen auch sehr praktisch bei Geschäftsabschlüssen.“

Cayden studierte Emmas Gesichtszüge, während sie nachdenklich wurde. Sofort spannte sich etwas in seinem Inneren an, doch er ließ sich nichts anmerken, sondern aß seinen Pizzarand fertig und stellte dann den Teller weg, um sein Trinkglas zwischen die Finger zu nehmen. Allein, um sich irgendwo festhalten zu können.

Natürlich war das nächste Thema sehr viel heikler. Er hatte es geahnt, und obwohl es ihm etwas … unangenehm war, mit Emma darüber zu sprechen, da sie so vorbelastet war, was die Geschichte der Vampire anging, war das doch auch die Chance, sie richtig aufzuklären. Weshalb Cayden seine Worte auch weise wählte.

„Nein, wir können nicht darauf verzichten. Wenn wir es tun, macht es uns krank. Du weißt, was ich meine. Du hast es schon einmal erlebt. Ich hatte damals keine Grippe oder so etwas in der Art, sondern wahnsinnigen Durst. Und wenn wir nicht trinken, beginnt unser Körper sich langsam selbst aufzuzehren. Kein angenehmer Vorgang. Weshalb sich ein Vampir meistens davor absichert, nicht zu lange auf dem trockenen zu sitzen. Außerdem … werden wir dann gefährlich.“ Das musste er sagen. Alles andere wäre eine Lüge. Weshalb er Emma auch offen anblickte. Er hatte nichts mehr zu verbergen.

„Aber selbst wenn wir total ausgehungert sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass wir einen Menschen aussaugen. Schließlich kann unser Magen schon nicht das normale Volumen einer erwachsenen Menschenportion an Nahrung aufnehmen. Stell dir vor, wie viel Liter wir auf einmal trinken müssten, um einen Menschen wirklich zu töten, wenn er gesund und kräftig ist.“ Was anderes wäre es, wenn man es auf Tage hinaus zog, aber das wäre dann reine Quälerei und kein Überlebenstrieb mehr.

„Und was uns beide angeht … mach dir keine Sorgen. Ich würde dich nie zu etwas zwingen, oder dich einfach anfallen. Lieber beiße ich in irgendeinen ungewaschenen Hals in der Gosse und vergelte es mit Geld. Es wäre nicht das erste Mal.“

 

Emmas Augenbrauen zogen sich zusammen und eine kleine Falte entstand über ihrer Nasenwurzel, als sie Cayden zuhörte. Sie verstand, was er sagte und konnte ihm gut folgen. Was allerdings zur Folge hatte, dass sie sich über den zeitlichen Ablauf der letzten Woche ihre Gedanken machte.

Ja, sie hatte gesehen, dass es ihm schlecht ging. Er war krank gewesen, was – wie er sagte – auf seinen Blutdurst zurückzuführen war. Dann war der Donnerstag gekommen. Er hatte sich mit Vanessa getroffen und war danach zu Emma gekommen. Zu diesem Zeitpunkt ... war er wieder vollkommen in Ordnung gewesen ...

Die kleine Falte wurde tiefer, und Emmas Mund kräuselte sich, als sie Cayden ansah. Ihre Stimme war ernst und sie versuchte, so wenig Emotion wie möglich hineinzulegen.

„An diesem Donnerstag, als du zu Vanessa gefahren bist. Wolltest du da zu ihr, um ... ihr Blut zu bekommen? Oder um dich von ihr zu trennen?“

Eigentlich machte es im Endeffekt keinen Unterschied, aber ... Was, wenn sie ihm das Blut verweigert hatte? War er ... so verzweifelt gewesen? So wütend?

Man hatte Bissspuren an ihr gefunden ...

 

Caydens Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Auch sein Herz schlug nicht weniger schnell als jetzt, oder fing zu rasen an. Nein, nichts wies daraufhin, dass er sich irgendetwas zu Schulden hatte kommen lassen, was Emma anging, weshalb er auch keine Probleme hatte, ihr ruhig und offen zu antworten.

„Ich bin zu ihr gefahren, um die Abmachung in unserem Vertrag einzufordern. Wie wir es schon oft getan haben. Aber zu dem Zeitpunkt war mir schon oft durch den Kopf gegangen, dass ich nicht mehr bei ihr bleiben will. Nicht einmal wegen ihres Blutes.“

Er nippte kurz überlegend an seinem Glas, wollte er doch nichts Falsches sagen.

„Ich will keine andere Frau neben dir“, begann er schließlich. „Selbst wenn Vanessa schon sehr lange nicht mehr das für mich gewesen war, was man … eine Ehefrau nennt und ich nicht vorhatte, daran etwas zu ändern, war sie trotzdem immer irgendwie im Weg. Allein wegen dieses Rings, der dir keine Ruhe ließ.“

Er sah sie wissend an. Ihm wäre es umgekehrt nicht anders ergangen.

„Darum war schon längst beschlossen, dass ich sie verlassen will, doch vorerst wollte ich keine Gefahr mehr für irgendjemanden darstellen. Also hatte ich vor, erst von ihr zu trinken und sie dann zu verlassen. Nur … hat sie sich nicht ganz an unsere Abmachungen gehalten. Zum einen hat sie mich mehr als zwei Wochen lang warten lassen und zum anderen, hatte sie vor unserem Treffen etwas getrunken. Nicht viel, aber es reicht vollkommen.

Alkohol pur getrunken macht uns kaum etwas aus. Nicht einmal in großen Mengen. Aber wenn es sich im menschlichen Blut befindet und wir davon trinken … wird das eine lustige Party.“

Sein Tonfall war vollkommen nüchtern. Nichts daran war scherzhaft gemeint.

„Also ja, ich habe sie gebissen, aber kaum, dass ich den Alkohol in ihrem Blut schmeckte, habe ich wieder von ihr abgelassen. Wie schwierig das für mich war, kannst du dir nicht vorstellen, aber es gibt Dinge und Regeln, an die halte ich mich, wenn es mir möglich ist.

Danach war der Streit. Dann bin ich gegangen, um wo anders meinen Durst zu stillen.“

 

Emma ließ sich mit einem unterdrückten Seufzen in die Kissen des Sofas fallen und betrachtete die Brösel auf dem Teller, den sie immer noch in der Hand hielt.

„Zum Glück hat sie das nicht der Polizei gesagt.“

Wobei Emma das wiederum wunderte. Vanessa hätte doch etwas gegen Cayden in der Hand. Sie könnte ihm drohen, ihn an die Öffentlichkeit zu verraten. Damit sie noch mehr Geld von ihm bekam. Oder regelmäßig sein Blut.

„Ich verstehe sie einfach nicht ...“

Eigentlich hatte Emma auch gar nicht den Anspruch, Caydens Exfrau irgendwie zu verstehen oder ihre Beweggründe nachvollziehen, aber es stieß ihr sauer auf, dass Vanessa überhaupt den Spielraum besaß, Cayden noch irgendwie in der Hand zu haben. Trotz allem hielt Emma diese Frau nicht für dumm. Selbst wenn sie es gern getan hätte. Das hätte alles sehr viel einfacher gemacht. So aber drehten sich Emmas Gedanken um die andere Frau, das, was an diesem Donnerstag passiert war ... und schließlich kam sie wieder auf die Frage zurück, die sie Cayden eigentlich ursprünglich gestellt hatte.

Diesmal konnte sie ihn nicht direkt ansehen, sondern richtete ihren Blick auf seine schlanken Finger. „Dann ... ist es schon wieder über eine halbe Woche her.“

Eigentlich schon sehr viel näher an einer Woche, als an einer halben.

Jetzt wagte Emma doch, in seine Augen zu sehen. Es war ja nicht so ... dass sie Angst vor ihm hätte. Aber wenn er ... Das würde bestimmt wehtun.

 

„Sie wäre verrückt, wenn sie es der Polizei gesagt hätte“, merkte Cayden nebenbei an, während er verschwieg, dass Vanessa sehr wohl wusste, zu was er fähig war, sollte sie ihn auf diese Art verraten. Und selbst wenn nicht er sie früher oder später zum Schweigen brachte, täten es andere seiner Art. Sie lebten schließlich nicht umsonst so lange unerkannt unter den Menschen. Für eine Offenbarung war es noch viel zu früh, und vielleicht würde es sogar nie dazu kommen. Keiner von ihnen wollte das riskieren.

„Aber wenn es dich beruhigt: Ich verstehe sie ebenfalls nicht.“ Er lächelte freudlos. Mit dieser Frau hatte er sich wirklich ziemlichen Ärger eingehandelt.

Während Emma ihren Gedanken nachhing, ging er den seinen nach. Das war das Angenehme an ihrer Art und in ihrer Nähe zu sein. Schweigen zwischen ihnen war nie unangenehm, sofern keine dicke Luft herrschte.

„Dann … ist es schon wieder über eine halbe Woche her.“

Emmas Feststellung holte ihn wieder aus seinen eigenen Gedanken, und er sah vom Feuer hoch direkt in ihr Gesicht. Da sie nicht weitersprach, blieb es an ihm, das Thema fortzuführen. Allerdings wusste er nicht genau, wie.

„Ja, das ist es“, bestätigte er schließlich und musterte Emmas Augen gründlich.

„Em, was versuchst du mir zu sagen? Ist das eine reine Feststellung, oder … denkst du darüber nach, es einmal … zu probieren?“

Dass er die Frage kaum stellen wollte, hörte man wohl nur zu deutlich an seinem Zögern. Aber zugleich breitete sich auch ein unglaubliches Kribbeln in seinem Bauch aus, und zu seiner Schande kamen seine Fänge zum Vorschein allein wegen dieses Gedankens.

Er schloss den Mund, ehe sie etwas davon sehen konnte.

 

Emma lachte. Allerdings war es mehr ein Zeichen ihrer Anspannung, als das Gegenteil.

„Herrje, das ist ja wie vor dem ersten Mal Sex.“

Ja, das war es wirklich. Wenn sie darüber nachdachte, hatte es sich wirklich genauso angefühlt. Sie hatte Angst, ihr Herz flatterte, weil sie genau wusste, dass es wehtun würde. Dass der Mann, den sie liebte, sie verletzen würde. Wenn auch nicht schwerwiegend. Und trotzdem ... war Emma klar, dass sie es versuchen wollte.

Es war viel zu spannend, viel zu ... außergewöhnlich, um es nicht auszuprobieren. Und wenn sie sich zurückerinnerte, wie schlecht es Cayden gegangen war, als er kein Blut bekommen hatte ... Wie ausgezehrt er gewirkt hatte, wie fiebrig ...

Emma nickte. „Ja, ich ... denke schon.“

Sie sah ihn offen an, wusste aber nicht, was sie als nächstes tun sollte. Ihm ... ihr Handgelenk hinhalten?

 

Caydens Fänge begannen zu pochen, als Emma ihm mehr oder weniger ihre Zustimmung gab, während er es selbst nicht mal wirklich glauben konnte.

Ihr Vergleich mit dem ersten Mal war gar nicht übel. Eigentlich wurde er langsam tatsächlich so nervös, als wäre es sein erstes Mal. Vor allem, weil es da noch etwas gab, das er zuvor tun musste.

Cayden war klar, dass er es nicht tun sollte, aber sein Pflichtgefühl … zwang ihn förmlich dazu und auch sein schlechtes Gewissen.

„Okay, Em. Aber … vorher solltest du noch etwas wissen … Nur gibt es keine schonende Methode, um es dir beizubringen.“ Er versuchte ihrem Blick standzuhalten, was enorm viel Überwindung kostete. Dann ließ er die Bombe platzen.

„Ich … habe schon einmal von dir getrunken. In dieser verrückten Nacht in Tokio …“

 

Zuerst sah sie ihn weiter nur so an, als würde sie auf etwas warten. Die Augenbrauen ein wenig fragend angehoben, die Finger um den Teller in ihrem Schoß gelegt, blinzelte Emma zweimal etwas verwirrt ... bevor ihr die Kinnlade herunter fiel. Zwar nur im übertragenen Sinn, denn ihre Lippen blieben geschlossen, aber ihre Augen rundeten sich, und sie starrte Cayden an, als hätte er ...

„Wie bitte?“

Sie zwinkerte noch ein paar Mal, konnte aber nicht verhindern, dass einzelne Bilder vor ihrem inneren Auge aufblitzten. Szenenausschnitte aus jener Nacht. Wie sie in sein Zimmer getorkelt waren ... Wie Cayden sie auf den Tisch gelegt hatte... Wie ...

Emma sog fast erschrocken die Luft ein und sah eine neue Bilderfolge vor sich.

Sich selbst am nächsten Morgen vor dem Spiegel. Die Male an ihrem Hals und an der Innenseite ihres Oberschenkels. Cayden am Frühstückstisch ...

„...“ Sie hatte den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, das an Bedeutung etwa 'Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?' entsprach, brachte aber kein Wort heraus.

Nach einer Weile klappte Emma ihren Mund wieder zu und ordnete ihre Hirn-zu-Mund-Verbindung.

„Scheiße.“ Mit Schwung stellte sie den Teller auf den Couchtisch und sank dann wieder in die Kissen, bevor sie Cayden ehrlich und mit einem seltsamen Ausdruck in Gesicht ansah.

„Ehrlich. Wenn du mich an dem Abend gefragt hättest, hätte ich vermutlich zu mehr als nur ein bisschen Blut trinken 'ja' gesagt.“

 

Cayden blieb vollkommen reglos sitzen, während er die Botschaft in Emma richtig ankommen ließ.

Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie sie reagieren könnte. Ob das jetzt ein gewaltiger Fehler gewesen war, oder zumindest keine kluge Entscheidung. Er harrte aus. Schließlich wollte er sich nicht in Emmas Gedanken einmischen.

Als sie dann den Teller etwas ruppig abstellte und sich wieder in die Kissen sinken ließ, hielt er voller Spannung den Atem an.

Ja, das, was er getan hatte, war scheiße. Da stimmte er ihr voll und ganz zu.

„Ehrlich. Wenn du mich an dem Abend gefragt hättest, hätte ich vermutlich zu mehr als nur ein bisschen Blut trinken 'ja' gesagt.“

Einen Moment sah er Emma verblüfft an. Dann musste er unwillkürlich leise lachen. Wie immer traf sie den Nagel genau auf den Kopf.

„Und wenn du es von mir damals verlangt hättest, hätte ich mir die Beine enthaart und auf dem Tisch in einem Baströckchen Hula getanzt. Em, es tut mir wirklich leid, dass ich dich damals ungefragt gebissen habe. Aber ich hatte mich selbst keine Sekunde mehr unter Kontrolle. Ich denke … wir beide nicht.“

 

„Mhm ... Interessante Vorstellung.“ Vor allem, wenn er sich vorher nichts weiter unter das Baströckchen angezogen hätte.

Emma grinste und kicherte albern, bevor sie sich wieder fing und sich ein Stück weiter zu Cayden hinüber setzte. Ihre Knie berührten sich, und Emma legte ihre Hand so auf Caydens Oberschenkel, dass er seine Finger mit ihren verschlingen konnte.

„Lass uns das mit dem Biss einfach vergessen. Wir waren beide nicht wirklich wir selbst.“

Die japanische Luft musste die Cocktails wirklich zu wahren Höllendrinks gemacht haben. Denn Emma konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, dass Caydens Biss außerordentlich wehgetan hatte.

„Für einen Kuss verzeihe ich dir vollkommen.“

 

Cayden war erleichtert, dass es Emma am Ende doch nicht so eng sah. Bei Gott, er war wirklich verdammt betrunken gewesen, und nach dem ersten Schluck an der Innenseite ihres Oberschenkels, war es dann endgültig um ihn geschehen gewesen.

Sehr deutlich erinnerte er sich noch an diese Nacht, doch dieser Abend hier war trotz allem besser. Vertrauter und wärmer in einem Sinne, der nichts rein Körperliches meinte.

Als Emma näher kam und ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte, nahm er sie sofort, um seine Finger mit ihr zu verschlingen, und da sie ihm schon einen so leichten Ausweg aus seiner Schuld anbot, würde er natürlich nicht nein sagen.

Cayden beugte sich zu Emma hinüber, strich langsam mit seinen Lippen über ihren Mund, ehe er diesen verlangend in Beschlag nahm. Durch das intensive Gefühl und das immer noch vorhandene, sogar kräftiger gewordene Kribbeln in seinem Bauch, pochten seine Fänge umso intensiver, und das spürte man auch in seinem Kuss. Er war nicht unschuldig, sondern fordernd. Wenn auch mit der Option ihn ablehnen zu können.

Schließlich löste er sich langsam von ihr und sah sie mit glühenden Augen an.

„Verziehen?“, fragte er etwas heiser.

 

Diesmal ... glaube Emma sie zu spüren. Caydens Kuss war so fest und intensiv, dass Emma ihre freie Hand auf seine Seite legen musste, um nicht rückwärts auf die Couch zu fallen. Sie hielt sich an ihm fest und hatte wirklich ganz kurz das Gefühl, seine Fangzähne hinter Caydens Lippen zu spüren. Nein, sie erahnte sie nur. Weil sie annahm, dass sie vorhanden waren. Gesehen hatte sie die Reißzähne nicht wirklich. Aber ... naja, jetzt machte sie sich eben doch mehr Gedanken darüber als zu dem Zeitpunkt, als sie noch gar nichts davon wusste.

Als Emma allerdings den Blick in Caydens Augen sah, dieses Glimmen, das ihr den Atem raubte und ihre Wangen heiß werden ließ, war alles Nachdenken wie weggewischt.

Sie lächelte und nickte nur sanft zur Zustimmung, während sich ihre Hand aber immer noch an seiner Seite festhielt und Emma die Aufregung spürte, die ihr Herz hatte schon vorhin flattern lassen. Würde er oder ... würde er nicht?

 

Sie hatte ihm also verziehen. Gott sei Dank. Vor Erleichterung hätte er fast geseufzt, doch stattdessen rückte er näher an Emma heran und küsste sie erneut.

Er merkte sofort den Unterschied.

Da er nicht mehr aufpassen musste, dass sie hinter sein Geheimnis kam, weil sie es nun wusste, konnte er sich nun auch beim Küssen tief fallenlassen.

Seine Arme umschlangen Emma, während er den Kuss intensiver gestaltete. Sich ihr auf eine Weise öffnete, wie er es bisher noch nie getan hatte. Natürlich immer noch mit Vorsicht, aber er würde es ihr schon mitteilen, wenn sie zu nahe daran war, sich wehzutun.

 

Diesmal warf er sie wirklich fast um, als Cayden sich mit Leidenschaft in den nächsten Kuss stürzte. Was wohl hieß, dass ihr ’Erstes Mal' für eine Weile vertagt wurde und erst einmal Knutschen auf dem Programm stand. Etwas, das Emma sofort mehr Sicherheit gab. Immerhin war das etwas, mit dem sie sich auskannte. Und das sie in vollen Zügen genoss, wenn sie es mit Cayden tun konnte.

Vorsichtig und sich der vermeintlichen Gefahr bewusst, sog Emma an seiner Oberlippe, küsste sich über seinen warmen, weichen Mund und rieb ihre Nasenspitze an seiner. Ihre Wimpern streiften über seine Haut, als sie sich so nahe kamen und ein kleiner heißer Schauer lief Emmas Rücken hinunter.

Es war so ... unwirklich. Aber auch gleichzeitig so wunderbar, dass Emma das akzeptieren konnte. Sie küsste einen Vampir.

Grinsend kicherte sie kurz in den Kuss, bevor sie ihre Arme um Cayden schlang und sich so an ihn kuschelte, dass kein Blatt Papier mehr zwischen ihre Körper gepasst hätte. Sie hatte ... ihn so vermisst!

 

Oh Gott. Er wollte sie nie wieder loslasse, stattdessen stundenlang weiter so in den Armen halten. Sie küssen, von ihr geküsst werden und die Zeit vollkommen vergessen.

Seine Hände streichelten so viel, wie er von ihrem Körper ertasten konnte, und mit einem Genuss, der nur langem Entzug folgen konnte.

„Ich liebe dich“, seufzte er an ihre Lippen, ehe er sie erneut tief in Beschlag nahm.

Er knabberte an ihr, leckte sanft über ihre Unterlippe, sog und küsste sie. Rang zwischendurch nach Atem und rieb dabei seine Wange an ihrer.

Nach und nach fanden Caydens Finger einen Weg unter Emmas Oberteil, um auch etwas von ihrer warmen Haut erhaschen zu können. Er liebte es, sie auf diese Weise zu necken, sie zu liebkosen und ihre weichen Rundungen zu erforschen.

Es war schon so lange her, dass er sie auf diese Weise hatte fühlen können und es erschien ihm noch länger, weil er gar nicht darauf gehofft hatte, dass sie ihn so bald wieder so nahe an sich heranließ. Eigentlich hätte er gedacht, er würde sehr viel länger alleine bleiben müssen.

 

Emmas Herz schlug kräftig und warm in ihrer Brust. Glücksgefühle tanzten in ihrem Körper und sie hatte das Gefühl, dass es schon ewig her war, seit sie sich so wohl gefühlt hatte. Es tat so gut, sich in Caydens Arme sicher zu fühlen, geborgen und ... auch so, dass sie auf unanständige Gedanken kam, als sie seine Hände unter ihrem Oberteil spürte.

Schließlich, nachdem sie sowieso schon seit der ersten Berührung ihrer Lippen das Bedürfnis gehabt hatte, ließ Emma sich wirklich nach hinten auf das Sofa fallen und zog Cayden sanft mit sich, sodass er halb auf ihr zu liegen kam.

„Ich glaube, dein Sofa war ganz einsam ohne uns ...“, scherzte sie leise, bevor sie ihre Hände in Caydens Nacken legte und ihn wieder zu einem intensiven Kuss an sich heranzog. Ihre Finger vergruben sich in seinem Haar, und Emma war sich sicher, dass das strahlende Lächeln nicht wieder aus ihrem Gesicht verschwinden würde, solange Cayden bei ihr war. Nie wieder ...

 

„Mein Sofa … Meine Küche … Mein Bett …“

Er lachte leise in den Kuss, ehe er mit seiner Nasenspitze sanft die von Emma anstupste.

„Oh, und wie einsam mein Bett war“, schnurrte er weiter.

Cayden hatte sich sofort bereitwillig mit auf das Sofa ziehenlassen und war nun richtig selig, dass er halb zwischen ihren Beinen lag, halb auf seinen Ellenbogen abgestützt, während seine Finger sich ungeniert unter ihrem Oberteil ausließen.

Er hatte es so wahnsinnig vermisst, sie zu streicheln. Sie zu schmecken und zu riechen. Aber für seinen Geschmack hatte sie momentan viel zu viel an. Schwer, da richtig auf Erkundungstour zu gehen. Trotzdem gab er sich redliche Mühe, dieses Defizit auszugleichen, in dem er sie immer wieder so lange küsste, bis ihm selbst vor Sauerstoffentzug ganz schwindlig wurde.

Sein Hunger nach dem Geschmack von Emmas Haut trieb ihn schließlich weiter.

Mit Küssen arbeitete er sich ihr Kinn hinab, bedeckte jeden Quadratzentimeter ihrer Haut mit seinen Lippen, leckte über die Sehnen an ihrem Hals und sog sachte und neckisch an ihr, während er von unten herauf anfing, langsam einen Knopf nach dem anderen, von ihrer Bluse zu öffnen, um mehr Platz für weitere Streicheleinheiten zu schaffen.

 

Mit tief ausholenden Atemzügen schnappte Emma nach Luft, als Cayden von ihren Lippen abließ und stattdessen anfing, sich einen Weg in Richtung ihres Ausschnitts zu küssen.

Es war bestimmt nicht so, dass sie etwas dagegen gehabt hätte. Ganz im Gegenteil fühlte sie, wie sich bereits ihre Brustwarzen allein bei der Vorstellung, sie könnten von ihm berührt werden, heftig gegen die Spitze von Emmas BH drückten. Cayden durfte sie so lange und so ausgiebig küssen, wie er wollte. Auch gern an anderen Körperstellen als ihrem Mund. Aber Emma hatte in diesem Moment trotzdem einen oder zwei Gründe, seine Hand unter ihrer Bluse zu stoppen und auch auf seine Wange eine ihrer Hände zu legen und ihn damit zu bitten, zu ihr aufzusehen.

„Sollen wir vielleicht kurz unter die Dusche springen und uns dann ... um dein armes, einsames Bett kümmern?“

In ihrem Lächeln lag ein zweideutiges Augenzwinkern und Emma küsste Cayden nun von sich aus leidenschaftlich, bevor sie ihn noch einmal fragend ansah.

 

Cayden brauchte einen Moment, bis er Emmas Worte richtig begriff. Dann fing er zu lächeln an, und zwar auf sehr verschmitzte Art und Weise. „Aber wirklich nur kurz. Sonst weiß ich nicht, ob wir es bis in das arme, einsame Bett schaffen.“

Er küsste Emmas Lippen noch einmal bewusst intensiv, ehe er sich langsam von ihr löste.

„Und ich darf dir den Rücken waschen“, war noch eine Forderung an sie. Nun, eigentlich wohl eher eine Bitte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Leros
2012-03-14T07:50:48+00:00 14.03.2012 08:50
*schnüff schnüff**traurig guck*

"Bitte?"


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