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Poison

von

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Dem Wind davonlaufen

Tiefe Dunkelheit umgibt ihn. Nicht die Art von Dunkelheit, die ihn sonst jede Nacht versteckt und geschützt hat, sondern diese Art, die kalt und eisig ist. Selbst, als er die Augen öffnet -glaubt, sie zu öffnen- sieht er nichts außer seiner eigenen Gestalt auf einem unsichtbaren Boden liegen. Als er sich abtastet, ist da keine Wunde, nur dieses unerträgliche Gefühl von Leere im Kopf.
 

"Anata.."
 

Es ist diese Stimme, die ihn sich geschockt und ruckartig umdrehen und in das Antlitz von jemandem sehen lässt, der Himuras Herz sich schmerzhaft in der Brust zusammenziehen lässt.

"Tomoe.."
 

Da steht sie, eingehüllt in ein weißes Gewand, die Hände artig vor dem Körper zusammen, den Kopf zum Gruß gesenkt, ehe sie aufschaut, ihn mit diesen pechschwarzen Augen geradezu vorwurfsvoll anblickt.

"Anata.. was tust du hier? Dies ist die Grenze zum Jenseits. Du solltest nicht hier sein!"

"Und du? Du bist schon seit.."

"Ich warte hier auf jemand anderes. Bitte geh zurück, man braucht dich noch!"

"... niemand braucht mich."

"Red nicht so! Hörst du nicht die vielen Menschen, die sich nach Frieden sehnen?"

Und tatsächlich; in diesem Moment stürmen plötzlich unzählige laute Stimmen auf den geplagten Hitokiri ein. Verzweifelte Stimmen, alte Stimmen, junge Stimmen, Stimmen von Kriegern und Bürgern, von Frauen und Männern, alle vermischt zu einem lauten Getöse. Und leise, fast wie von weit weg, hört er auch seinen Kommandanten rufen. Als alles letztendlich -endlich!- verstummt, meldet Tomoe sich abermals zu Wort.

"Verstehst du? Die Welt braucht dich. Geh zurück und hilf ihr." Während sie dies sagt, ziert ein leises Lächeln ihr bleiches Gesicht, wandelt sich jedoch in ein beinahe bereuendes. "Das wird jetzt vielleicht etwas wehtun..."
 

Noch ehe Himura ganz verarbeitet hat, was Tomoe da gerade gesagt hat, durchbohrt ein heißer Schmerz seine Körpermitte und er reißt -diesmal wirklich- die Augen nach Luft schnappend auf, sitzt prompt kerzengerade, sackt aber sofort wieder auf die Seite zurück, hechelt den Schwindel weg. Zunächst erkennt er, dass er nicht tot ist, und stuft dies erstmal als gut ein. Erst danach bemerkt er, dass jemand neben ihm sitzt. Die Ki desjenigen verrät starke Verunsicherung, ja fast sogar Angst. Doch keine Todesangst oder Angst vor eigenen Wunden, sondern die Art von Angst, die man um jemand anderes hat. Es ist Katsura.

"Schön, dass du dich entschlossen hast, wieder unter den Lebenden zu weilen, Himura..", kommt von diesem, halb im Scherz, halb Ernst. "Bleib liegen, sonst kommt die Blutung nicht zum Stehen.."

Himura gehorcht. Nicht, dass er eine Wahl hätte! Zerschlagen fühlt er sich, schwächer als ihm lieb ist und er hört wie durch Watte. Einzig ein dumpfes Rauschen pocht in seinen Ohren einen gleichmäßigen Puls. Ein einlullendes Schlaflied, das seine Wirkung nicht verfehlt.
 

Katsura seufzt leise und betrachtet die ruhig daliegende Silhuette des Jungen. Die gefühlten Stunden hatten seine Augen für die Dunkelheit geschärft und ließen ihn klarer sehen, wenn vermutlich auch nicht so gut wie sein Zellgenosse. Seine Arme fühlen sich steif an und an seine Händen sind klebrig und riechen nach Blut. Die ganze Zeit über hatte er kräftig Druck auf die Stelle im Rücken seines Hitokiris ausgeübt, wo zuvor dieser räudige Wolf seinen Fangzahn reingestoßen hatte, und hinterher seinen Gi ausgezogen und fest um Himuras Taille gebunden. Nun steht die Blutung zwar, aber ihm ist kalt. Doch das zuzugeben würde ihm nichts nützen, also bewahrt er alle Ruhe und blickt von dem schlafenden Jungen zur Wand.
 

Die Stille ist es schließlich, die auch den Patriotenanführer ins Land der Träume schickt. Nach Hause... "Ikumatsu..", flüstert er, kurz bevor er einschläft.

Das Erste, das beide nach einer langen Weile absoluter Stille hören, ist das ohrenbetäubende Knarren der Kerkertür. Dann leise Trippelschritte auf dem harten Boden vor der Zelle. Die Silhuette vor den Gittern wirkt schmächtig und klein wie die eines Kindes. Und als die Person zu sprechen beginnt, wird klar, sie nicht älter sein kann.

"Wegen euch machen die Alten so einen Aufwasch? Ein Kind und ein alter Mann, wer von euch ist der 'Battousai'?", fragt die Stimme eines vielleicht 11-Jährigen in den Raum, erhält keine Antwort. Nur ein gutmütiges Schnauben von Katsura und ein misstrauischer Blick von Himura, der sich in dem Moment aufsetzt. Sogleich fährt das Kind fort.

"Du? Ich hatte mir den Dämon der Ishin-Shishi anders vorgestellt. Wirkst fast wie ein Mädchen.", spricht das Kind und nähert sich der Zelltür, steckt etwas ins Schloss, welches erst knarrt und die Tür dann aufspringen lässt.

"Ich will mit dir kämpfen und Papa beweisen, dass er sich umsonst aufregt. Aber wenn du mich tötest, schneidet Papa dir die Arme ab."

"... du weißt nicht, was du da redest, Kleiner. Wie sollen wir kämpfen? Ich bin unbewaffnet.", kommt die heisere Antwort Himuras, welche offenbar nachhaltig von seinem Gegenüber bedacht wird, denn dessen Worte folgen spät und schleppend.

"Na schön. Dann... hole ich Waffen. ... Wartet hier."
 

Die Zelltür fällt wieder zu, die Silhuette verschwindet aus dem Kerker und es wird nach dem lauten Ins-Schloss-Fallen der Kerkertür wieder dunkel. Als die Stille zurückgekehrt ist, meldet sich Katsura nun endlich zu Wort, klingt dabei fast belustigt, so, als müsse er ein unpässliches Kichern mit Mühe unterdrücken.

"Was war das denn?"

"Ein lebensmüdes Wölfchen..."

"Wirst du den Jungen töten..?"

"Katsura-san..."

"Ich weiß..."
 

Nicht lange währt diese Ruhe. Wie der Kleine es geschafft hat, zwei Bokken an den Wachen vorbei in den Kerker zu schmuggeln wird vermutlich für immer sein Geheimnis bleiben. Als er zurückkehrt, sind ihm jedenfalls Erstaunen und fast sowas wie Ansehen sicher. Stattdessen empfängt ihn nur Schweigen, als er den Kerker still und heimlich wieder betritt.
 

"Hallo?"
 

Die Luft will ihm einfach nicht antworten und so wird der junge Wolf etwas forscher. "Ich weiß, dass du da bist, Battousai! Ich habe Bokken mitgebracht! Kämpfe gegen mich!"

Es ist dieser Moment, in dem der Knirps merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Hektisch dreht er sich um und wäre fast vor Schreck auf seinen vier Buchstaben gelandet, als ihm ein Paar goldfarbener Augen aus dem Dunkel entgegenblitzt. Doch der Schreck währt nicht lange. Noch merkt er die Handkante in seinem Nacken, da gehen schon die Lichter aus.
 

Katsura, der das Ganze zwar ruhig aber auch teils voll Mitleid für den überrumpelten Jungen beobachtet hatte -soweit man in dieser Finsternis von 'beobachten' sprechen kann- tritt hinter Himura aus der Zelle.

"Manchmal machst du mir Angst, Himura..."

"Warum..?"

"Du hast das Schloss ohne Probleme geknackt"
 

"Was ist dabei...?"

"Diese Dinger sind eigentlich nicht dafür vorgesehen, geknackt zu werden"

"Sollten wir nicht lieber fliehen, statt über unwichtiges zu sprechen?"

"Ja, du hast ganz Recht. Geh bitte vor."

"Wa..?"

"Du erkennst Gefahren weit bevor sie uns treffen."

"Aber.."

"Das ist keine Anregung sondern ein Befehl."

"Hai.."

Eigentlich hatte Katsura nicht so einen barschen Ton anschlagen wollen. Aber um die Sturheit dieses Jungen wissend, sieht er eine Notwendigkeit darin. ~Womöglich bleibt er sonst zurück, damit ich fliehen kann..~, beendet er seinen Gedankengang und folgt dem Rotschopf aus dem Kerker.
 

Entgegen den Erwartungen des Hitokiris stehen allerdings vor dem Kerker keine Wachen, was jedoch erklärt, wie der Knirps zuvor überhaupt hatte reinkommen können! Selbst als er seine Sinne weit ausstreckt, kann er keine versteckten Wachposten entdecken. Eine Falle?

"Katsura-san... wenn es gefährlich wird, halte ich sie auf und Ihr bringt Euch in Sicherheit.", spricht er, als er den Konflikt nicht zu lösen vermag. Der Angesprochene nickt stillschweigend, als Himura sich halb zu ihm umdreht. Er hatte es sich gedacht, hält eine Diskussion jetzt aber für unklug und fügt sich. All das hatte der Rothaarige aus dieser einfachen Bewegung lesen können und gibt sich damit zufrieden. Für's Erste. Er wendet sich wieder um und folgt, dicht an die Wand gepresst, selbiger. Katsura tut es ihm gleich und so pirschen beide voran.

Jede Kurve wird misstrauisch umrundet, immer bereit, in eine der Abteilungen zu laufen oder von einem Wachposten entdeckt und lautstark gemeldet zu werden. Doch die wenigen, denen sie begegnen, sind kaum lang genug wach, um Laut zu geben. Ein gezielter Handkantenschlag ins Genick befördert sie schnell ins Reich der Träume und so gelangen die Flüchtenden bald in Sichtweite des Ausgangs.

Draußen ist es bereits dunkel und niemand scheint mehr wach zu sein, vielleicht ein Grund für den geringen Betrieb. Eine günstige Gelegenheit, welche genutzt wird. Der Hitokiri und sein Kommandant huschen ungesehen nach draußen...
 

"Wo willst du denn hin, Battousai?", erklingt so plötzlich jemandes Stimme aus dem Schatten der großen Außenmauer heraus, dass Himura reflexartig -und vielleicht sogar etwas erschrocken- zurückspringt und Katsura dabei fast umreißt. Fast. Ein wolfsgelbes Paar Augen funkelt aus den Schatten hervor und tritt als Saito Hajime hervor. Ein großgewachsener Kerl mit Schlitzaugen, einem zähnebleckenden Grinsen und in voller blauweißer Uniform tritt auf seine Gegenüber zu.

"Also?"

"..."

"Keine Antwort, Battousai?"

"... ..."

"Es hängt von mir ab, ob ihr weiterkommt oder nicht."

"... ... Du würdest uns doch nichtmal rauslassen, wenn wir dich bezahlen würden.."

"Du kannst einen Hund mit Futter zähmen..."- Hierbei tritt er einen Schritt vorwärts. - "... oder einen Menschen mit Geld..." - Wieder ein Schritt - "... aber niemand kann einen Wolf von Mibu zähmen!"

Der letzte Satz wird nur von dem Klirren seines gezogen werdenden Schwertes begleitet, als er er zum Gatotsu ansetzt, dem Stoß des Fangs, seiner Lieblingstechnik, deren Spitze stets auf den Gegner zielt. Himura schweigt nur, oft hat er schon mit Saito gekämpft und weiß um die zerstörerische Kraft von dessen Attacken. Kaum auf diese Distanz hörbar flüstert er Katsura zu "... es war schön, der Sache gedient zu haben. Habt Dank" und stürmt dann mit einem Kampfschrei auf den Lippen auf den Mibuwolf zu. Katsura, kreidebleich, weiß zunächst nicht, was er tun soll. Dann jedoch gewinnt er seine Fassung wieder und er weiß, was zu tun ist. Und er läuft.



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