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Private Practice

First Encounter
von

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Tag 1: Freitag - Abend (früh)

4. Kapitel - Erinnerungen an vergangenes Glück - Narben der Seele
 

Als Karyu zusammen mit Zero hinunter zum Strand ging, machte er sich schon keine Gedanken mehr wegen der Badehose, die er trug.

‚Nun sei nicht so ein Mädchen, Karyu. Die ist doch völlig in Ordnung.’, hatte Zero versucht ihn zu beruhigen. Die Wahl war auf eine rot-weiß gemusterte Badehose gefallen. Sie war zwar etwas kurz, aber immerhin nicht enganliegend, was Karyu eindeutig als schwul empfunden hätte. Und einfach unansehnlich. Da hätte er sonst ja gleich ein Ganzkörperkondom anziehen können. Zero, zu seiner Erleichterung, hatte ebenfalls eine normale, dunkelgrüne Badehose an. Keiner musste sich schämen. Für Karyu hörte der Spaß bei der Kleidung dann doch auf. Da passte er auf, dass das ordentlich aussah, nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei Anderen hatte er ein Auge drauf. Ab und an war dann auch mal Fremdschämen nötig. Aber nicht heute.

Kaum dass Karyu Sand fühlen konnte, war er nicht mehr zu halten: sofort rannte er dem Meer entgegen, lief, von lautem Platschen und spritzendem Wasser begleitet, ins Nass und sprang schlussendlich hinein. Unter Wasser schwamm er ein paar Züge, dann tauchte er auf und seufzte wohlig. Das kühle Nass tat gut nach einem heißen Tag. Erfrischt schaute er sich blinzelnd nach Zero um, der immer noch am Strand stand statt ins Wasser zu gehen. Karyu schwamm etwas zurück und sah ihn fragend an. „Zero…? Komm rein“, rief er ihm zu und winkte kurz, aber der Schwarzhaarige bewegte sich nicht wirklich, sondern schien nur unwillig auf das Wasser zu starren und hielt einen Zeh hinein. „Was machst du denn da? Willst du da stehen bleiben?“ Verwirrt schwamm Karyu noch einen Meter ran und konnte wieder stehen, sodass er auf Zero zuging.

„…das Wasser ist so kalt.“, murmelte der Schwarzhaarige schließlich, weswegen Karyu eine Augenbraue hob und stehen blieb.

„Ja…und? Genau das ist doch das Schöne“, lachte er und schüttelte verständnislos den Kopf. „Jetzt sei nicht so ein Mädchen“, wiederholte er grinsend den Satz, den Zero ihm kurz zuvor selbst noch an den Kopf geworfen hatte. „Komm schon rein…“

Zögerlich machte Zero ein paar Schritte, bis er knöcheltief im Wasser stand, doch dann schüttelte er sich und rieb sich mit den Händen über die Arme. „Wie konntest du da einfach so rein springen?“, wollte er ungläubig wissen und sah Karyu an. „Das ist wirklich eiskalt das Wasser…“

„Nun übertreib nicht“, erwiderte Karyu amüsiert und spritzte dem Anderen kurzerhand etwas Wasser an den Körper, weswegen Zero quietschend zurück sprang. „Schocktherapie hilft immer“, lachte Karyu, „also komm schon rein. Es ist angenehm, wirklich.“

Bösen Blickes wurde er von Zero gemustert, doch schließlich traute er sich tatsächlich ins erfrischende Nass. Wortlos und mit Schmollmund glitt er ins Wasser, und ohne Karyu noch mal anzuschauen schwamm er an ihm vorbei, weswegen der Blonde sich nun doch Gedanken machte, ob er es nicht zu weit getrieben hatte. Aber so richtig traute er sich auch wieder nicht, den Anderen darauf anzusprechen oder sich zu entschuldigen. Augenblicklich überkam ihn ein schlechtes Gewissen und nachdenklich schwamm er hinter Zero her. Was sollte er jetzt nur machen…? Ob Zero ihm jetzt sehr sauer war? Er starrte ihm ein Loch in den Rücken, welcher unter Wasseroberfläche hell durchschimmerte.

Unvermittelt drehte Zero sich zu ihm um – mit einem Lächeln im Gesicht. „Du hast Recht, es ist doch ganz angenehm“, sagte er, woraufhin Karyu erleichtert seufzte – aber nur innerlich, schließlich wollte er Zero das nicht gleich erklären müssen. Stattdessen nickte er nur. „Na siehst du“, nuschelte er und hielt sich mit weiteren Kommentaren zurück, denn er hatte Angst, doch etwas Falsches zu sagen. Zero schien aber nichts zu merken, und so schwammen sie eine Weile nebeneinander her. Als Karyu sich auf den Rücken drehte und sich treiben ließ, fiel ihm auf, dass der Strand relativ leer war. „Es sind kaum Leute hier…dabei ist der Strand so verführerisch~“, meinte er schwärmerisch und warf Zero einen kurzen Blick zu, der daraufhin nur lächelte.

„An diesen Strand kann auch nicht jeder. Der ist abgesperrt und nur für Bewohner der Häuserzeile zu betreten“, erklärte er, woraufhin Karyus Augen groß wurden.

„Du…musst WIRKLICH ein guter Architekt sein…“ Schließlich war das hier dann wohl ein Privatstrand.

Zero, der sich mittlerweile auch auf dem Rücken liegend im Wasser treiben ließ, lachte gen Himmel. „Warum klang das grad so ungläubig?“, grinste er und sah Karyu kurz an, der den Blick schmunzelnd erwiderte.

„Na die rot-violett-gestreiften Wände im Gästezimmer, schon vergessen?“

„Ah ja…“ Amüsiert schwamm der Schwarzhaarige langsam zurück in die flache Ebene. „Aber ich hab doch gesagt, Jugendsünde…mein restliches Haus sieht doch ganz nett eingerichtet aus, oder?“, wollte er wissen und sah erwartungsvoll zu Karyu, welcher nickte.

„Ja, stimmt. Du hast es dir sehr gemütlich eingerichtet.“, stimmte er brav zu. Abgesehen davon, dass er es sich nicht mit Zero verscherzen wollte, meinte er das ernst. Er schwamm Zero hinterher, welcher langsam aus dem Wasser watete und sich schließlich mit nachdenklichem Gesicht umwandte, dem Horizont entgegen blickte.

„…die Sonne geht schon unter…“

Karyu, der nun ebenfalls aus dem Wasser lief, warf einen Blick über die Schulter und nickte nur, bevor er sich neben Zero in den Sand nah am Wasser setzte. Es war relativ still um sie herum, und bei Sonnenuntergängen wurde Karyu immer ganz melancholisch. Manchmal dachte er dann, wie hart und ungerecht das Leben war, manchmal dachte er eher, dass es doch eigentlich auch ganz schön sein konnte. Und in diesem Moment fand er das Leben recht angenehm und vor allem erträglich. Nicht zuletzt, weil er hier mit Zero war, und nicht allein.

Verträumt lächelte er der Sonne entgegen, die nicht mehr blendete oder die Erde in tropischer Hitze brutzeln ließ. Sie würde schon bald hinter dem Horizont verschwunden sein. Als Zero nichts sagte und es still blieb, sah er ihn verstohlen von der Seite an – und blieb an dessen bekümmerten Gesichtsausdruck hängen. Unsicher knabberte Karyu auf seiner Unterlippe herum. Was mochte jetzt nur in Zeros Kopf vorgehen? Bevor er sich entscheiden konnte, ob er ihn darauf ansprechen sollte, wandte der Schwarzhaarige ihm plötzlich den Kopf zu und lächelte leicht. „Ich hab schon überlegt, was wir am Wochenende machen könnten…Also morgen soll es nicht so heiß werden und..da dachte ich mir, wir könnten ein Picknick machen. Was hältst du davon?“, wollte er wissen und grinste leicht. „Und sag jetzt bitte nicht, dass sich das schwul anhört.“

Karyu musste schmunzeln. „Mh na gut. Aber es wäre die Wahrheit.“, wagte er es nun doch zu sagen, aber wie erwartet lachte Zero kurz auf. „Kann gut sein. Weißt du, du solltest eine Liste beginnen, was alles an mir schwul ist“, grinste er, doch Karyu schüttelte den Kopf.

„Nein, das werd ich sicher nicht. So gemein bin ich nicht.“, meinte er verlegen lächelnd.

„Ach was, ist doch nicht gemein. Dann weiß ich, was ich ändern muss. Davon abgesehen, dass ich schwul BIN, möchte ich eben nicht, dass man mir was anmerkt. Sonst erfüll ich noch irgendwelche Klischees, darauf hab ich keine Lust…“ Sein Gesichtsausdruck wurde ernster. „Ich will einfach nicht, dass man mir gleich was ‚anmerkt’“, gab er zu. „Und dann werd ich abgestempelt…“ Er machte eine kurze Pause und wandte den Blick von Karyu ab. „Weißt du…viele andere würden jetzt wohl sagen, wie schwach ich doch bin und dass ich lieber dazu stehen sollte, dass ich schwul bin.“ Lustlos zuckte er mit den Schultern. „Aber so ein Geheimnis mach ich ja nun auch nicht drum. Es ist nur…mir sind schon zu oft Menschen begegnet, die meinten, mir was Pinkes in die Hand drücken zu müssen. Oder sie haben erwartet, dass sie ständig von mir mit Kuchen und Keksen begrüßt werden…was weiß ich. Die ganzen Vorurteile hatte ich schon einmal durch, obwohl ich nicht so bin oder so was mache. Jetzt hab ich die Schnauze voll davon…“

Beschämt biss Karyu sich auf die Unterlippe. Hätte er mal vorhin lieber nichts gesagt! Schließlich war er Zero zu Beginn noch damit entgegen getreten, was alles an ihm doch eher schwul war… Es war so rüber gekommen, als wenn der Schwarzhaarige recht locker damit umging, dass er vom andern Ufer war, aber Karyu sollte wohl doch etwas vorsichtiger mit dem Thema umgehen, auch wenn Zero immer so gelassen tat.

Er nickte nur auf Zeros Erklärung und räusperte sich. „Verstehe…“

„Warum schaust du denn nun so traurig? Du hast doch nichts falsch gemacht“, sagte der Schwarzhaarige und musterte ihn. Karyu lächelte nur verlegen und erwiderte den Blick, während er mit den Schultern zuckte. Ein mildes Lächeln legte sich auf Zeros Lippen, bevor er wieder auf das Meer starrte. Die Sonne war schon zur Hälfte hinter dem Horizont verschwunden. Von weitem hörte man noch ein Kind rufen und eine junge Frau lachte. Karyu hatte den Blick von Zero abgewandt, schaute beiseite um nach der Familie zu sehen, welche er auch schnell einige hundert Meter entfernt entdeckte. Das Kind planschte noch im Wasser, Vater und Mutter standen am Ufer und winkten ihm zu, doch endlich aus dem Meer zu kommen.

Rasch sah Karyu woanders hin. Glückliche Familien zu sehen, machte ihn melancholisch. Leise seufzte er in sich hinein und wandte sich lieber wieder Zero zu. Aber dieser schien nicht bessere Laune zu haben. Erneut schaute dieser so bekümmert drein. Diesmal hielt Karyu sich nicht zurück, etwas zu sagen.

„Wollen wir…lieber gehen?“, fragte er zögernd, woraufhin Zero ihn überrascht ansah und schließlich langsam den Kopf schüttelte.

„Was…?“ Irrte er sich, oder lächelte der Schwarzhaarige nun wehmütig…? „Nein…“, antwortete er nur auf die Karyus ausgesprochene Frage.

Doch überzeugt war der Blonde nicht. „Dich scheint das hier doch aber traurig zu machen…“, sagte er leise und betrachtete den Anderen, welcher den Blick wieder hob.

„Ach na ja…es ist nur, ich war natürlich oft mit meinem Ex-Freund hier unten und…er hat diese Sonnenuntergänge geliebt“, murmelte er. „Er stand auf solch romantischen Kitsch…“ Ein schwaches Lächeln huschte über Zeros Lippen, während er Karyu einen kurzen Blick zuwarf, diesen dann jedoch verlegen senkte und irgendwelche Muster mit der Fingerspitze in den warmen Sand zeichnete. Mit großen Augen schaute Karyu den Schwarzhaarigen an. Wow…Zero konnte auch ein bisschen verlegen sein? Bis jetzt war er ihm so stark vorgekommen…so cool einfach, als würde er sich aus den wenigsten Angelegenheiten ernsthaft etwas machen.

Nur leicht, aber sanft begann Karyu zu lächeln. Der Schwarzhaarige war eben auch nur ein Mensch mit Gefühlen. „Hmm…du musst jetzt immer an ihn denken, wenn du hier unten bist, oder?“, fragte er leise nach, woraufhin Zero nickte und den Blick hob.

„Genau…ich kann einfach nicht anders. Er fand das immer wunderschön…ich natürlich auch, aber…wenn ich hier sitze, dann muss ich an ihn denken und dann daran, dass wir…nicht mehr zusammen sind…“, murmelte er traurig und seufzte. „Das tut weh…ich werd die Erinnerungen und damit den Schmerz..einfach nicht los…“

Verständnisvoll nickte Karyu. Am liebsten hätte er Zero in den Arm genommen, aber er traute sich nicht so recht. Noch nicht. Worte würden erstmal reichen müssen.

„Ich kann das nachvollziehen“, sagte er schließlich leise. „Mit bestimmten Orten verbindet man eben ganz konkrete Erinnerungen…die waren vielleicht mal schön, aber jetzt…jetzt wo alles vorbei ist, da schmerzt es nur noch. Aber leider kann man nichts dagegen machen…man wird nie vergessen können, was an welchem Ort geschehen ist…“

Zero seufzte zustimmend. „So ist es… Es ist nur wirklich nicht schön, weißt du…wenn ich hier unten bin, und dann kann ich es nicht genießen…ich sehe diesen wunderschönen Sonnenuntergang, aber statt mich über den Anblick zu freuen oder ihn einfach nur zu genießen, muss ich daran denken, was ich hier mit meinem Ex erlebt habe und…dass wir uns getrennt haben…“ Bekümmert senkte Zero den Kopf, während Karyu ihn traurig und mitfühlend betrachtete. „Weißt du…ich hab sogar schon ab und an daran gedacht, vielleicht umzuziehen…“

Karyu legte den Kopf schief. „Umziehen…? Überleg dir das gut…“

Der Schwarzhaarige sah ihn müde lächelnd an. „Ja, ich hab die Idee schon wieder verworfen. Ich meine es nicht ernst. Aber ab und an, weißt du, da hab ich Momente, in denen mir das als erstrebenswerte Lösung vorkommt. Allerdings will ich mein Haus, den Strand, die Menschen hier, nicht aufgeben…nur wegen dieser Erinnerungen. Und die meisten sind ja auch gut…warum also davor weglaufen? Das würde vermutlich eh nichts bringen…“

„Ja…Erinnerungen folgen einem überall hin… Der Ort hier ist wirklich schön. Das aufzugeben wäre ein Fehler“, meinte Karyu leise, woraufhin Zero nickte.

„Genau…so was find ich nie wieder…“ Kurz sah er Karyu an. „Lass mich nur noch…1 Minute lang etwas melancholisch und betrübt sein, okay…?“, sagte er leise und lächelte schwach.

Mitfühlend und ebenso bekümmert nickte Karyu stumm. Er konnte ja nachvollziehen, wie Zero sich fühlen musste. So deprimiert. Verloren. Ihn so zu sehen und zu erleben, das erinnerte ihn einfach nur an sich selbst. Und er war irgendwo ein bisschen erleichtert, dass er nicht der Einzige war, dem es so ging. Da war noch jemand…

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch, als er etwas an seiner Schulter spürte: Zero hatte sich an ihn gelehnt.

„Ich hoffe, es stört dich nicht…“, wisperte er leise, mit erschöpfter Stimme. Milde lächelnd schaute Karyu auf den dunklen Haarschopf neben sich hinab.

„Nein, keineswegs“, antwortete er sanft und knabberte sich unschlüssig auf der Lippe herum, denn er überlegte, ob er dem Anderem nicht vielleicht einen Arm um die Schultern legen sollte, aber wieder zögerte er. Vielleicht war es dafür einfach noch zu früh.

Und so wandte er den Blick ab, sah genau wie Zero zum Horizont, hinter den die Sonne bereits fast gänzlich gesunken war. Er kam sich so hilflos und schlecht vor. Er wünschte sich, Zero mehr helfen zu können. Aber mehr als einfach nur da sein würde er wohl nicht können. Einzig konnte Karyu hoffen, dass das reichte.

Und auch, wenn da noch sein eigener Schmerz war: nun war Zero da. Und geteiltes Leid war halbes Leid.
 

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tbc~
 

Ich hab ab diesen Monat Uni...deswegen kann es mit dem Kapitel hochladen sogar noch länger dauern als normalerweise QQ



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  -Zero-chan-
2011-10-26T22:26:27+00:00 27.10.2011 00:26
Sehr schön beschrieben dieser Moment, als säße man dabei.
Schön auch, dass Karyu noch eher zurückhaltend auf Zero reagiert und ihn nicht gleich freundschaftlich oder wie einen alten Bekannten behandelt. Es ist eben doch spürbar, dass sie sich zum ersten Mal sehen.
Sehr realitätsnah, wie ich finde.

Wobei ich schon so meine Gedanken hatte, an was genau Zero so dachte, wenn er an seinen Verflossenen erinnert wurde XP (Aber das hat hier nichts verloren, deswegen überles den Satz einfach XD)
Von: abgemeldet
2011-10-20T18:58:21+00:00 20.10.2011 20:58
Wieder ein sehr schön geschriebenes Kapitel!!!!
HAb mich richtig beim lesen darüber gefreut!!!
Es ist wieder richtig super geworden!!!!
Schreib wieter so!!
Lg Duski
Von: abgemeldet
2011-10-19T23:34:50+00:00 20.10.2011 01:34
ich mag dieses kapitel... irgendwie...
... ;)

...das meer macht mich auch immer ganz melancholisch...

..aber ich bin optimistisch, dass die beiden es schaffen, die traurigen erinnerungen mit schöneren verblassen zu lassen ;)


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