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Familienbande

von

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Am Spielfeldrand

XVI. Am Spielfeldrand
 

Gus wand sich aufgeregt auf der Rückbank von Justins Klapperkiste.
 

Brians Corvette garantierte zwar einen deutlich aufsehenerregenderen Auftritt, war aber für den Transport eines kleinen Jungen zu seiner ersten Trainingsstunde nur mäßig geeignet. Justin hatte kein Wort gesagt, als ihm Brian die Schlüssel des Oldtimers in die Hand gedrückt hatte, als dieser sich anschickte, hinüber zu Debbie und Emmet für einen Videoabend zu fahren. Hoffentlich tratschten die beiden Justins Hirn nicht zu Brei. Wahrscheinlich hatten sie sich schon die Fingernägel darüber blutig geknabbert vor Gier über die Details seiner kleinen Wette. Justin könnte sie nonchalant auflaufen lassen – oder aber mit nur ein paar kurzen Andeutungen noch einmal ordentlich Benzin ins Feuer gießen. Leider war ihm beides zuzutrauen. Andererseits blieb so für Langeweile kein Raum.
 

Brian steuerte das röhrende Gefährt durch den Stadtverkehr und bekam eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich ein Bauer aus dem Mittleren Westen in der großen weiten Stadt so in etwa fühlen musste. Das Ding – Auto mochte er es nicht wirklich nennen – hatte immerhin Gangschaltung, was die Sache zumindest etwas interessanter machte.
 

„Wann sind wir da, Papa?“ löcherte ihn Gus, der vor Spannung kaum auf dem Sitz bleiben mochte.
 

„Genau… jetzt!“ sagte Brian, während er ächzend kurbelnd den Wagen einparkte. Gus riss schon von Innen an der verriegelten Tür, während er noch die Sportsachen aus dem Laderaum holte. Er befreite Gus, der sofort seine Hand umklammerte und sich tatendurstig umschaute.
 

Gemeinsam traten sie in den Eingangsbereich der großen Turnhalle. Der nahegelegene Sportplatz war mit einer dünnen Schicht des ersten Schnees überzogen. Brian studierte die Anzeigetafel, dann steuerte er die Sektion an, in der die Fußballgruppe für Kinder sich treffen sollte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein, den vertrauten Geruch einer Sportanlage zu riechen, entfernt das dumpfe Aufprallen der Bälle zu hören. So viele Jahre war dies sein Alltag gewesen. Es war fast so, als gehöre diese Erinnerung zu einem anderen Leben.
 

Sie fanden rasch ihre Gruppe, in der mehrere Jungen und auch ein paar Mädchen in Gus‘ Alter mit ihren Eltern, vornehmlich wohl den Vätern, sich versammelt hatten. Brian schluckte. Willkommen im Hetenland. Sie wurden freundlich nickend begrüßt, die Kinder beäugten einander neugierig.
 

Schließlich trat ein untersetzter Mann Anfang Fünfzig in einem blauen Trainingsanzug an sie heran, stellte sich als Coach Williams vor und hieß sie willkommen. Er hakte rasch seine Anmeldungsliste ab, dann führte er sie durch die Räumlichkeiten. Gus hing an Brians Arm und sog alles in sich hinein. Aber Brian konnte ihm ansehen, dass er es kaum erwarten konnte, dass es endlich wirklich losging.
 

Am Ende ihrer Tour standen die Umkleideräume, wo sie kurz entlassen wurden, damit die Kinder sich ihre Sportkleidung anziehen konnten, um sich dann mit ihrem Trainer in der Halle zu treffen. Den Eltern wurde angeboten, die erste Stunde entweder von der Zuschauertribüne zu verfolgen oder derweil im angeschlossenen Vereinshaus einen Kaffee zu trinken. Brian entschloss sich für ersteres. Er sah zu, wie Gus und den anderen Kindern beigebracht wurde, wie man sich richtig aufwärmt. Dann durften sie ein paar einfache Ballübungen machen, damit Williams ihren Leistungsstand einschätzen konnte. Brian lächelte. Sicher hatte er mit Gus zuhause trainiert – aber sein Sohn hatte von sich aus Talent und vor allem Begeisterung. Er sah, wie der Trainer anerkennend nickte, als er Gus‘ Bewegungen folgte. Er war so versunken in den Anblick, dass er zunächst nicht reagierte, als ihm jemand auf die Schulter klopfte.
 

„Brian? Brian Kinney?“ sagte eine weibliche Stimme.
 

Er wandte sich um und schaute hinauf. Vor ihm stand eine ziemlich stark geschminkte Frau mit blondierten Haaren und derart pink lackierten Fingernägeln, dass Debbie vor Neid erblasst wäre. Um ihre farbenfroh überschatteten Augen zeichneten sich Lachfältchen ab. Sie kam ihm dumpf bekannt vor. Sein Hirn ratterte, dann kam er darauf: „Annabelle? Annabelle Summerbourgh?“
 

„Die einzig Wahre!“ lachte sie und schüttelte seine Hand.
 

„Na sowas…“, sagte Brian, immer noch seine Erinnerungen sortierend. Annabelle? War sie nicht die Homecoming Queen oder so etwas gewesen, damals in der Schule?
 

„Das ist tatsächlich eine Überraschung! Wie geht es dir?“ fragte Annabelle, immer noch bis zu den Ohren strahlend und pflanzte sich neben ihn.
 

„Ganz gut. Und dir?“ fragte Brian vorsichtig.
 

„Ach naja, habe mich scheiden lassen… Blöder Hurenbock von Spencer, du kennst ihn ja auch… Heirate niemals den Quarterback aus Schulzeiten… Und seitdem zwinge ich meinen Sohn zum Fußballtraining, um am Spielfeldrand einsame Väter abzuschleppen“, sagte sie, immer noch grinsend.
 

„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, falls du damit mich meinen solltest – ich bin nicht alleinstehend“, stellte Brian klar und musterte sie düster.
 

„Brian, das war ein Witz! Du hast doch gerade geheiratet, stand doch in der Zeitung, nicht wahr?“
 

Ach verflixt, die Anzeige. Die alten Leichen im Keller lasen ja auch die Zeitung – sofern sie es geschafft hatten, in zwölf Jahren Schule lesen zu lernen. Aber Annabelle war nicht blöde gewesen, das wusste er noch.
 

„Ja, im August“, antwortete er knapp.
 

„Weißt du, wie erleichtert ich war?“
 

„Wie bitte?“
 

„Ich habe dich damals gefragt, ob du mit mir zum Abschlussball kommen wolltest. Aber du hast nur gesagt, dass du generell nicht kommen würdest. Und das mir. Mein Jungmädchenstolz war völlig im Eimer. Aber vor dem Licht der neuen Erkenntnis ist mein angeknacktes Ego wieder rückwirkend gesundet.“
 

„Das freut mich aber für dich…“, sagte Brian leicht säuerlich und spähte nach Gus, der den nun an ihn gerichteten komplexeren Aufgaben des Trainers folgte.
 

„Na, mach mal halblang. Ich find’s gut. Einfach ab in die Zeitung damit ohne viel Brimbamborium, Rechtfertigungen oder Erklärungen. So soll’s doch sein. Mögen diese Kleingeister denken, was sie wollen. Aber diese Leute aus eurer irisch-katholischen Gemeinde sind wahrscheinlich aus den Socken gekippt“, stellte sie fest.
 

„Kann sein, keine Ahnung, ist mir auch egal“, erwiderte Brian. Annabelle war immer schon eine Tratschtante gewesen.
 

Annabelle bemerkte die zunehmende Unwilligkeit ihres Gesprächspartners und wechselte das Thema: „Und was treibst du hier? Spielst du immer noch?“ Sie nickte hinüber zu den verschiedenen Gruppen, die über die Halle verteilt ihren Übungen nachgingen.
 

„Nein, habe vor Ewigkeiten aufgehört. Mein Sohn ist da unten und hat seine erste Stunde.“
 

„Schade, du warst super, aber ich kann’s verstehen. Dein Sohn, sagtest du? Habt ihr adoptiert?“
 

„Jein. Gus ist mein leiblicher Sohn“, erklärte Brian, der, was seinen Sprössling anging, deutlich mitteilungsbereiter wurde.
 

Annabelle bekam große Augen: „Wie das denn…?“
 

„Wunder der Medizin. Seine Mutter und ihre Frau hatten sich ein Kind gewünscht. Die beiden sind vor ein paar Monaten ums Leben gekommen und jetzt habe ich zusammen meinem Mann das Sorgerecht.“
 

„Mann, Brian, das tut mir leid. Zeig mal, welcher ist es denn – ach was, der Kleine da, um den der Trainer gerade sowas wie einen Freudentanz verrichtet, muss es sein“, stellte sie neugierig über die Brüstung spähend fest.
 

Brian wurde von einer Woge Vaterstolzes überrollt, die ihm fast peinlich war.
 

„Der sieht dir aber ziemlich ähnlich. Und das mit dem Ball hat er wohl auch von dir, ich wünschte, mein Sohn hätte etwas dergleichen abbekommen“, streute sie weiter Salz in die Wunde.
 

„Wo ist denn dein Sohn?“ fragte Brian und biss sich rückwirkend auf die Zunge. Toll, jetzt führte er schon Mein-Sohn-dein-Sohn-Gespräche am Spielfeldrand – und das schon in der ersten Stunde.
 

„Da drüben“, sagte sie und wies ans andere Hallenende. „Er hat ja schon das nicht besonders dankbare Alter der Pubertät erreicht. Sei dankbar, solange sie klein und niedlich sind, das ändert sich schneller, als du schauen kannst.“
 

Brian schauderte. Daran wollte er jetzt noch lieber nicht denken. Wenn er so an sich in der Pubertät dachte… Aber Gus hatte ja auch keine Eltern wie die seinen, vielleicht wurde es ja dann nicht so schlimm?
 

„Du hast ihn ganz alleine groß gezogen?“ fragte er, inzwischen etwas neugieriger geworden.
 

„So ziemlich. Spencer hat sich mit einer anderen aus dem Staube gemacht, da war Bill drei Jahre alt.“
 

„Kommt Spencer auch manchmal mit zum Training?“ fragte Brian. Nicht, dass er Wert auf diesen alten Idioten gelegt hätte, aber es interessierte ihn, wie andere Väter sich so schlugen in dieser Welt am Rande des Spielfeldes.
 

Annabelle lachte auf, aber es klang eher bitter: „Spencer ist gegangen, weil er sich zu jung fühlte, an Frau und Kind gefesselt zu sein. Was meinst du wohl, wie sehr ihn sein Sohn interessiert? Ich glaube, Bill hat ihn vor fünf Jahren das letzte Mal zu Gesicht bekommen. Das letzte, was ich von ihm gehört habe, war ein Antrag seines Anwalt auf eine Einstellung der Unterhaltszahlungen für sein Kind.“
 

Brian schüttelte sich. Vielleicht gab es sogar noch beschissenere Eltern als seine. Wie konnte man sein Kind einfach so im Stich lassen? Er hatte sich damals keine wirklichen Gedanken darüber gemacht, was auf ihn zukommen würde. Aber als Gus erst mal da gewesen war… Okay, er war auch nicht gerade ohne Fehl und Tadel gewesen – aber sowas?
 

„So ein Haufen Scheiße“, sagte er nur.
 

Annabelle seufzte nur tief und antwortete: „Wem sagst du das? Hinterher ist man immer schlauer. Aber für Bill ist es schrecklich. Aber lass uns über etwas Angenehmeres reden: Was machst Du denn mittlerweile beruflich?“
 

„Wird das jetzt so eine Highschool-Klassentreffen-Unterhaltung?“
 

„Haargenau!“ lachte sie wieder. „Nun erzähl schon!“
 

Letztendlich war die restliche Stunde wie im Fluge vergangen. Brian war es zwar ziemlich schnurzegal, was aus den Nieten geworden war, mit denen er und Mikey sie Schulbank gedrückt hatten, aber Annabelle hatte ihre Katastrophen ziemlich humorig erzählt. Sie mochte eine Klatschtante sein – aber sie war eine gute Klatschtante, die mit Nichtigkeiten zu unterhalten vermochte.
 

Schließlich verabschiedeten sie sich und Brian wartete in der Eingangshalle auf Gus, der ihm völlig ausgepowert aber auch hochgradig begeistert entgegen gestürzt kam.
 

„Hast du mich gesehen? Hast du mich gesehen?!“ schrie er, während er an Brian hochsprang.
 

„Klar habe ich das, Sonnyboy“, lachte Brian und schnappte ihn an den Schultern, um ihn ein wenig zur Ruhe zu bringen.
 

„Trainer Williams hat gesagt, dass ich richtig gut sei!“ brüstete sich Gus strahlend.
 

„Sicher bist du das“, strahlte Brian zurück. Jack hatte ihm nach jeder Stunde verpuhlt, was er besser machen konnte. Auch Gus war natürlich nicht perfekt. Aber es musste noch andere Wege geben…
 

„Was meinst du Gus, Morgen ist Samstag, da haben wir Zeit… gibt es etwas, was du gerne weiter üben würdest?“
 

Gus überlegte, dann sagte er es ihm.
 

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Als John aus der Umkleidekabine kam und Richtung Ausgang lief, erstarrte er plötzlich im Lauf. Das war doch einfach unmöglich…? Er kniff die Augen zusammen. Da stand sein perverser Onkel freudestrahlend, als würde er hierher gehören. Das war Fußball, da hatten Tunten nichts zu suchen! Andererseits… auf dem Speicher standen immer noch Brians alte Pokale…
 

Ein kleiner Junge streckte die Arme nach ihm aus und fragte: „Wann ist wieder Training, Papa?“
 

Papa? Das war wohl Gus. Sein verfluchter Cousin.
 

John musterte ihn. Sechs Jahre alt war er, hatte Oma Joan gesagt. Dafür war der aber ganz schön groß. Sein Vater war ja auch eine ziemliche Bohnenstange.
 

Aber wahrscheinlich war die kleine Missgeburt schon in den Startlöchern genau so ein Arschficker zu werden wie sein Alter.
 

Was zum Teufel trieben die hier?
 

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„Nun erzähl schon, Justin, du hast Brian gesagt, er sei süß?“ bohrte Debbie und servierte ihre selbstgemachten Kekse.
 

Justin grinste verhalten: „Ist er doch auch…“
 

„Durch deine rosa Brille gesehen vielleicht!“ warf Emmet ein.
 

Justin lachte nur und zog die Schultern andeutend hoch.
 

„Und er hat dich als Wetteinsatz benutzt, das ist doch echt unglaublich!“ wunderte sich Debbie.
 

„Ach, soll er doch auch Mal seinen Spaß haben“, erwiderte Justin nur.
 

„Der fiese Sack aus alten Tagen braucht ab und an Auslauf?“
 

„So in etwa.“
 

„Schön, dass du das so gelassen siehst.“
 

„Eigentlich fand ich es ganz lustig“, sagte Justin und schnappte nach den Keksen. Das Gute an Debbies Rezepten waren die Qualitäten lecker, viel und Schokolade.
 

„Wenn Carl mit mir sowas veranstalten würde, würde ich ihm einen Arschtritt verpassen, dass er bis zur Venus fliegt!“
 

„Daran kein Zweifel… Aber ich habe ja auch Brian geheiratet – und nicht Carl.“
 

„Er wäre ohne Zweifel geschmeichelt über deinen Antrag gewesen… Aber du hast Recht, wenn einer mit Brian zu Recht kommt, dann du.“
 

„Ihr tut ja so, als sei Brian ein feuerspeiender zwölfköpfiger Drachen, der menschliche Knochen als Zahnstocher benutzt!“
 

„Es gibt durchaus Leute, die dieser Beschreibung zustimmen würden.“
 

„Ach was“, sagte Justin nur kopfschüttelnd, „ich sagte doch schon: Er ist echt süß.“ Er musste wieder grinsen.
 

„Brian hat echt so ein Schweineglück, dass er wahrscheinlich die einzige Person auf dem ganzen Planeten aufgetan hat, die ihn kennt und die das trotzdem sagt – und erschreckenderweise auch so meint“, kommentierte Emmet nur.
 

„Ja, und das weiß er auch“, ergänzte Debbie.
 

Justin schlug die Augen nieder. Dann sagte er: „Ja, das weiß er. Aber all das gilt auch umgekehrt, das wiederum weiß ich. Wollen wir nicht endlich mit dem Film anfangen? Was habt ihr denn ausgesucht?“
 

„A Chorus Line!“ sagte Emmet.
 

“Harry und Sally!” fuhr ihm Debbie dazwischen.
 

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Craig stolperte und konnte sich mit letzter Not am soliden Ständer einer Anzeigentafel festhalten, bevor er inmitten des Einkaufszentrums auf die Nase fiel. Vorsichtig, immer noch leich taumelnd, spähte er erneut über die Balustrade ins Untergeschoss.
 

Er hatte es sich wirklich nicht eingebildet. Dort unten lief Jennifer, fröhlich lachend Hand in Hand mit einem Mann in Motoradkluft, der gut und gern fünfzehn Jahre jünger als sie war. Er hatte das Gefühl, dass jemand einen eiskalten Dolch durch ihn bohrte. Sicher war ihm klar gewesen, dass seine Exfrau gewiss nicht vorhatte, den Rest ihres Lebens als Nonne zu leben. Wenn sie wegen Molly miteinander zu tun hatten, war eine mögliche neue Beziehung nie ein Thema gewesen. Er hatte es auch nicht wirklich wissen wollen. Sie war irgendwie immer, trotz allem… seine Jennifer gewesen. Und jetzt grabbelte dieser Möchtegernrocker an ihr herum und sie kicherte wie eine angesäuselte High School Prom Queen.
 

Das konnte doch nicht ihr Ernst sein!
 

Kurzzeitig war Craig versucht, einen der Blumentöpfe aus der Auslage des nahegelegenen Floristen auf die Rübe dieses billigen Gigolos krachen zu lassen, dann zwang er sich, sich zu beruhigen.
 

Jennifer konnte tun und lassen, was sie wollte, schließlich waren sie nicht mehr verheiratet. Aber es auf theoretischer Ebene zu wissen war dennoch etwas ganz anderes, als es zu sehen.
 

Nimm die Pfoten von meiner… von Jennifer, du Arschgeige, dachte er, Tucker niederstarrend.
 

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Draußen tobte ein Schneegestöber, als Justin endlich die nicht gerade wintertaugliche Corvette unbeschadet in der Garage geparkt hatte. Als er ausstieg, atmete er erleichtert auf. Die Straßen waren verflucht rutschig gewesen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Brian auf eine noch so mikroskopisch kleine Schramme in seinem Fetisch reagieren würde… Der Oldtimer war dank der Witterung zwar arg verdreckt, aber – hoffentlich – unbeschadet. Justin klapperte mit den Zähnen. Eine wirklich funktionierende Heizung würde Brians Flitzer durchaus guttun.
 

Bibbernd schloss er die Haustür auf. Wohlige Wärme drang ihm entgegen. Brian musste den Kamin angemacht haben, denn es lag der angenehme Duft brennenden Holzes in der Luft. Er schälte sich aus seiner Jacke, stellte seine Sneaker zum Trocknen auf die Fußmatte und trat ins Wohnzimmer. Brian lag lang ausgestreckt auf dem Sofa und schlief. Auf seinem Bauch lagen lose irgendwelche Blätter, wahrscheinlich Unterlagen von Kinnetic, die ihm aus der Hand geglitten waren, als er weggedöst war. Die Lesebrille war ihm halb von der Nase gerutscht. Er sah so friedlich aus, dass Justin versucht war, ihn einfach weiterschlafen zu lassen. Aber er wusste, dass Brian es hasste, in seinen Kleidern und ungeduscht aufzuwachen.
 

Justin trat leise zu ihm hinüber, den Anblick in sich aufsaugend. Früher war Brian immer rastlos gewesen, hatte sich kaum Ruhe oder Muße gegönnt. Seine grundlegende Dynamik, sein unerschöpflicher Tatendrang, die Justin so an ihm liebte, waren nach wie vor ungetrübt. Aber mit derselben Absolutheit hatte Brian es nach und nach gelernt, sich auch mal zu entspannen. Er lag dort nicht, zuhause, auf dem Sofa beim Schein des Kaminfeuers, weil er sich an ein Leben gekettet hatte, das nicht ihm sondern den Bedürfnissen anderer galt. Nein, er lag da und schlief, weil es sein Leben war, das er mit Justin und Gus teilte und das es ihm erlaubte. Keine Entschuldigungen, kein Bedauern, auch hier nicht.
 

Justin hockte sich neben den Schlafenden und strich sanft über das leicht zerzauste Haar, die von einem leichten Bartschatten etwas verdunkelten Wangen, bis Brian begann sich zu regen.
 

„Justin?“ murmelte er schlaftrunken.
 

„Nein, Ted“, antwortete Justin und musste kichern, als Brian kurz zusammen fuhr. Er konnte ja nicht ahnen, dass Ted Brian monatelang auf dem Sofa von Kinnetic geweckt hatte. Allerdings nicht unbedingt, indem er seinen Boss kraulte.
 

„Ahhh… Teddilein, was für ein Glück“, schnurrte Brian mit geschlossenen Augen, „mein Alter ist grad außer Sichtweite, eine gute Gelegenheit, unseren geheimen Sehnsüchten zu gehorchen…“
 

Justin musste auflachen und flüsterte dann ihn Brians Ohr: „Chance verpasst, dein Alter ist leider schon wieder da.“
 

„Oh verdammt! Dann muss ich wohl mit dir vorlieb nehmen…“, sagte Brian und schlug die Augen auf. Er gähnte ausgiebig und setzte sich auf, das Zettelchaos auf sich bändigend.
 

„Ich befürchte auch, du Ärmster! Gus schläft schon?“ fragte Justin, sich neben den anderen auf die Polster setzend, die von Brians Körper angenehm vorgewärmt waren.
 

„Ja, habe ihn vorhin schon ins Bettchen gebracht. Nach dem Fußball ist er ziemlich fix müde geworden“, antwortete Brian und streckte sich.
 

„Das glaube ich gerne. Wie war es denn überhaupt?“
 

„Gus ist begeistert. Und ich habe derweil wie ein guter Spielerpapa auf der Tribüne gesessen und bin den Klatschkünsten einer ehemaligen Homecoming Queen zum Opfer gefallen.“
 

„Oh“, bemerkte Justin amüsiert, „die Damenwelt hat sich auf die gestürzt? Ein Nachmittag auf dem Fußballplatz und schon an der Grenze zur Heterosexualität?“
 

„Igitt! Schon der Gedanke, einer Möse zu nahe zu kommen, pulverisiert jede unkeusche Idee in meinem Kopf zu Feinstaub!“
 

„Dann höre sofort auf damit!“
 

„Schon geschehen. Nein, Annabelle ist eine Mitschülerin von Mikey und mir gewesen. Und dank meiner kongenialen Hochzeitsanzeige ist sie auch gar nicht erst auf den Gedanken verfallen, mir unziemliche Angebote zu unterbreiten. Jetzt weiß ich, dass die Luschen von früher exakt das geworden sind, was ich ihnen immer gewünscht habe: fette, ihres Haupthaars verlustig gehende Totalversager.“
 

„Dann hattest du ja auch deinen Spaß, nicht nur Gus.“
 

„Es war… erträglich. Und du hast auch deinen Teil an Tratschtanten abbekommen?“
 

„Klar. Ich habe ihnen natürlich jedes noch so schmutzige Detail unseres Privatlebens brühwarm unter die Nase gerieben.“
 

„Oh Gott!“ fuhr Brian gespielt auf.
 

„Ach Quatsch. Natürlich habe ich nur dein Loblied gesungen. Dass du der liebste, tollste und süßeste…“
 

„Jaja, bohr ruhig weiter in der Wunde.“
 

„Bist du aber“, grinste Justin und drückte Brian einen Kuss auf die Wange.
 

„Wird wohl Zeit, dass ich dich an ein paar andere Qualitäten meinerseits erinnere…“
 

„Soso… Es ist spät, soll ich dich ins Bettchen bringen?“
 

„Ich bestehe darauf!“
 

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John konnte nicht schlafen. Das Bild seines Onkels, der lachend seinen kleinen Sohn auf dem Arm gehalten hatte, ließ ihn nicht los. Wenn er da an seinen Vater dachte…
 

Aber sein Vater war immerhin ein richtiger Mann, nicht so eine verweichlichte Missgeburt wie Onkel Brian.
 

Und der kleine Junge, sein… Cousin. Er hatte kein Recht darauf, glücklich zu sein, wo doch sein ganzes Leben… falsch war. Wie konnte man zwei Väter haben? Die sich obendrein noch gegenseitig in den Arsch fickten?! Wie konnte er sich erdreisten, beim Fußball aufzutauchen, da war für sowas kein Platz. Fußball war etwas für richtige Männer – wie ihn oder vielmehr, wie er es bald sein würde, wenn die verdammten Pickel verschwänden und die Mädchen mit ihm ausgehen wollten.
 

Und dieses miese kleine Perversen-Kind hatte die Frechheit froh und heiter durch die Gegend zu laufen, statt sich in Grund und Boden zu schämen! Der Rotzlöffel wohnte in einer fetten Villa mit Pool und sonstwas und bekam das ganze Geld, das ihm, John, zustand, in den Hintern geblasen. Und er selbst durfte zusammen mit seinem Bruder in Brians altem Kinderzimmer eingepfercht wohnen.
 

Das war so unfair!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  brandzess
2011-08-25T18:03:00+00:00 25.08.2011 20:03
oh wie ich John hasse! dieser kleine bastard! wie kann er es wagen nur so über Gus zu reden! wenn das Brian und/oder Justin hören, die häuten, grillen und vierteilen den! mindestens! aber bei so ner mutter muss man sich nicht wundern das das kind solche ansichten hat! die ist genauso intollerant! und warum sollte ihm Brians geld zustehen? wenn er einen schuldigen sucht dann sollte er bei seiner mutter anfangen! schließlich hat die sich durch die gegend gevögelt und schwängern lassen (wie es nathalie jetzt ausgedrückt hätte^^) während Brian sich einen namen gemacht und eine karriere aufgebaut hat! und Vlaire ist nir neidisch weil ihr leben so verkorkst ist! und sie keinen ehemann hat der ihr den arsch rettet wenn sie in der scheiße sitzt (anspielung an die sache mit dem armband und den vorwürfen seitens John an Brian^^)! gott dieses kind regt mich vllt was auch >.< *knurr*
(aber tolles kapi^^)


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