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Nimm mich an der Hand und geh mit mir ins Licht

...denn ich weiß, dass du die Richtige bist.
von

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___ Schrei


 

♥ ____ Schrei
 

„Nimm das zurück, verdammt! Niemand, NIEMAND hat das Recht so mit ihr zu reden, verstanden? NIEMAND!“
 

„Ich bin niemand, schon vergessen? Mich gibt es gar nicht. Da draußen bin ich nicht ich. Ich bin du, hast du‘s immer noch nicht geschnallt?“
 

Stille. Kevin blickte zur Seite. Er hatte recht. Es gab ihn nicht. Offiziell zumindest, denn seit Jahren war er hier eingesperrt und durfte nicht raus, außer, er gab sich als Kevin aus. Und wieso das Ganze? Wegen der Tradition. Wegen den Normen, die die Familie Cadwallader schon seit Generationen hatte und einfach nicht locker lassen konnte, nicht locker lassen wollte. Ein Schnauben entfuhr ihm und er wandte sich um. „Angeschlagenes Ego, hm?“, murmelte er und zuckte mit den Schultern. Genau das war das Letzte, was er noch hervorbrachte, denn plötzlich riss hin etwas herum, er sah nur das Gesicht seines Zwillingsbruders, seines damals zehnjährigen Zwillingsbruders, ehe ein stechender Schmerz seinen Köper durchzuckte. Er hörte Klirren, lautes Zerbersten von Glas und sah Glassplitter. Dann wurde alles schwarz. Einfach nur noch schwarz.
 

„Kevin? Kevin, geht’s dir gut? KEVIN sag was, bitte!“
 

Langsam öffnete er die Augen und blinzelte, als das grelle Licht in seine Pupillen drang. Es blendete und fast hätte er die Augen wieder geschlossen, aber als er das besorgte Gesicht von Sethmin sah, das auf ihn blickte, konnte er sie nicht mehr schließen. „Hmm?“
 

„Du hast geschrien.“, damit richtete sie sich wieder auf und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Man sah ihr deutlich an, dass sie wohl Angst gehabt hatte und sich für einen Moment zumindest sehr hilflos gefühlt haben musste. „Du hast den Namen deines Bruders geschrien. Ethans….“, sie brach ab. Offenbar hatte ihre Stimme nach dem Namen verzagt, aus welchem Grund auch immer. Träge richtete sich der Siebzehnjährige auf und blickte sie direkt an. Es bedarf weder Hellseherei noch einer guten Menschenkenntnis, um ihr anzusehen, dass es ihr nicht gut ging. Ihr ging es schlecht, wohl sogar sehr schlecht, denn ihre Lippen bebten, und ihre Augen waren glasig. Und doch blickte er sie einfach nur an, wortlos, nicht wissend, was er sagen sollte. Plötzlich wandte sie sich ab und stürmte aus dem Zimmer, schlug die Türe fest zu. Es hatte ihr weh getan. Er hatte ihr weh getan.
 

Ich glaube, dass ich nicht der Richtige für sie bin. Immer, wenn sie mich ansieht, glaube ich, dass sie unglücklicher kaum sein kann. Sie ringt mit sich und weiß nicht, was sie tun soll. Und ich weiß es auch nicht, und das, obwohl ich mir nichts mehr wünsche, als dass es ihr gut geht und sie sich keine Sorgen mehr machen braucht. Nicht um mich und auch nicht um meine oder ihre Vergangenheit. Nur, was macht ein Mensch, wenn er einfach nicht abschließen kann…?
 

„Es tut mir leid.“
 

Sie saß auf ihrem Bett und starrte auf das nebenliegende Fenster. Sie regte sich nicht, als das leise Brummen Kevins durch den Raum hallte. Nur eine Träne lockerte sich aus ihren Augenwinkeln und rann die Wange hinab. Es tat weh, sie so zu sehen und gleichzeitig war es gut, unheimlich gut zu wissen, dass er ihr nicht egal sein konnte. Es knatterte leise, als Kevin näher trat und vor dem Bett stehen blieb. Wieso waren die Dinge nur alle so kompliziert und er wusste nicht, wie er mit all dem umgehen sollte? Was sollte er ihr sagen? Kevin schluckte, und verstaute seine Hände in den Hosentaschen. „Ich hab über uns nachgedacht.“
 

Keine Reaktion. Sie blickte noch nicht einmal auf, sondern verharrte in ihrer starren Position. Etwa zwei Minuten, zwei verdammte Minuten, in denen niemand etwas sagte, sich nicht bewegte, nur verharrte und wartete. Darauf, dass etwas passierte. Dass ein Wunder passierte. Aber es passierte nichts. Kein Wunder, nichts, gar nichts. Nur Stille. Kevin wandte sich ab und verließ den Raum fast lautlos.
 


 

* * * * * * * * * * * * * * * *
 

Es ist nur ein Traum. Und dennoch sehe ich ihr Gesicht immer vor meinen Augen, wenn ich sie schließe und für einen Moment nachdenke. Wenn ich sie aber wieder aufschlage, dann sehe ich nur den leeren Raum vor mir, den kalten leeren Raum, der nur das wiederspiegelt, was in mir vorgeht. Ich denke an sie. Jeden Tag, sehr oft, stündlich. Im Prinzip gibt es kaum etwas, das mir im Moment mehr Kraft gibt, als der Gedanke, dass es sie gibt. Und dennoch ist sie mir so fern, scheint unerreichbar, als wäre sie am anderen Ende der Welt. Dabei liebe ich sie. Nur scheint sie mich zu hassen...
 

„Damals. Der Junge. Er hat gedacht, dass er alles schaffen würde. Er hat sich von seiner besten Freundin abgewandt, weil er sie hätte heiraten sollen. Seine Eltern wollten es so, wegen der Tradition. Aber er wollte ihr Leben nicht zerstören, da er wusste, wie leicht sie sich dem Willen ihrer Eltern fügte. Daher hat er sich von ihr abgewandt und vorgegeben, er hätte bereits jemanden. Aber letztendlich war das nicht die einzige Freundin, die er verloren hat. Sein bester Freund… Sie kannten sich seit der zweiten Klasse. Seit vier Jahren und standen sie sich sehr nahe, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkannt hat. Im Prinzip hatten beide ein Geheimnis voreinander. Der Freund war ein Werwolf, verschwand urplötzlich und ließ den Jungen mit seinen Sorgen alleine. Gerade dann, als seine komplette Welt einzustürzen drohte…“
 

Kevin blickte sie durch den Spiegel direkt an. Er stand nur etwa zwei Schritte von ihr entfernt, wagte es nicht, ihr näher zu kommen. Sie hatte gerade einen Kamm in der Hand und hatte ihr blonden Locken gekämmt, hielt aber inne und erwiderte den Blick. „Der Junge hat sich zurückgewiesen gefühlt und dachte, er wäre alleine. Deshalb hat er sich seinen Pflichten hingegeben und sich verschlossen. Er glaubte, dass er nicht verletzbar sein durfte. So zog er sich mit seiner Trauer zurück. Und tut es heute noch.“
 

„Der Junge hat Schlimmes erlebt, nicht?“
 

„Der Junge wollte nicht mehr leben. Er wollte aufgeben und seinem Bruder das Feld räumen. Er sah keinen Sinn mehr darin, jeden Morgen aufzustehen, um dann abends mit einem schmerzenden Gefühl ins Bett zu gehen.“
 

„Welches Geheimnis hatte der Junge vor seinem besten Freund?“
 

„Er hat ihm verschwiegen, dass er in Wahrheit einen Zwillingsbruder hatte, der seit zehn Jahren zuhause eingesperrt war und nicht ans Tageslicht durfte. Vielleicht aus Rache. Mit etwa zehn Jahren hatte sein Zwillingsbruder dem Jungen schmerzhafte Narben zugefügt. Narben, die bis heute zu sehen sind.“, er atmete leise aus, wandte sich um und knöpfte sein Hemd auf, und entblößte seinen Oberkörper. Auf dem Rücken waren zahlreiche kleine, weißliche Narben zu sehen und eine große, die sich sein Schulterblatt bis zum Nacken hochschlängelte. Dass sie tief war, sah man direkt, sie blitze viel auffälliger als alle anderen hervor. „Die Narben werden ihn immer daran erinnern, dass er im Prinzip ein Teil von zwei war und doch immer als einzelner angesehen wurde. Er lebte in zwei Welten. Der einen Welt, der Scheinwelt, da draußen, wenn er unter dem Jahr in Hogwarts war. Dann hat er allen vorgemacht, dass er nur eine Schwester hätte. Einen Bruder gab es hierbei nicht. Und dann gab es noch die Realität, die ihn zu erschlagen drohte, wenn er in den Ferien nachhause kam. Dann gab es ihn. Wenn auch nur innerhalb der vier Mauern…“
 

Kevin hielt inne. Sie hatte ihn umarmt und ihren Kopf sanft an seinen Rücken gedrückt. „Ich weiß nicht, ob der Junge es hört. Aber er soll wissen, dass er nicht alleine ist. Egal wie dunkel es auch sein mag, da ist immer ein Funke, ein kleines Licht. Irgendetwas, das ihm Trost zu spenden versucht. Er muss es nur zulassen. Denn da gibt es jemanden, dem er… sehr viel bedeutet.“, behutsam hob er seine Hand und legte sie auf ihre Hände, schloss die Augen und nickte.



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