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Zerbrechliches Glück

unsichtbare Scherben..
von

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Zärtliche, traurige Lügen

Glück, was bedeutet dieses Wort? Wann ist man eigentlich glücklich und warum kann es so schnell zerbrechen? Wozu hat Gott uns dieses Gefühl geschenkt, wenn es einfach so…mit einem einzigen Schlag, nur durch einen unglücklichen Wink des Schicksals, einfach so zerstört werden kann?
 

*
 

Ich wache auf, als ich ein Glas oder ähnliches zerdeppern höre. Erschrocken sitze ich senkrecht im Bett und schaue auf die andere Seite, die wieder leer ist. So wie auch das letzte Mal, als Bailey in der Küche aufgewacht war. Sofort springe ich auf und laufe zur Küche. Da sitzt Bailey auf dem Boden, sich die Hände über den Kopf haltend, die dünnen Arme und Beine fest an sich gepresst. Sein Gesichtsausdruck ist panisch, mit Angst erfüllt. Sein Atem geht schwer. Vor ihm ein in Scherben zerdeppertes Glas, welches auf den Boden gefallen ist. Sicher ist es ihm ausversehen heruntergefallen und nun hat er Angst bestraft zu werden. Er sieht aus wie benebelt. Als ich in die Küche eintrete, schaut er mich erschrocken an, dann zur Seite, um den Blickkontakt zu meiden. Plötzlich zittert er heftig. Sein ganzer Körper scheint vor Angst zu beben.
 

Es ist so schwer sich zusammenzureißen, wenn man ihn am liebsten umarmen will, um ihn zu trösten. Aber ich weiß, dass es falsch ist. Also hocke ich mich vorsichtig ein Stück nach unten und lächle ihn an.
 

„Hey, Bailey, hab keine Angst, das ist nur ein Glas. Ist nicht schlimm.“, Bailey schaut nur ängstlich zur Seite und meidet den Blickkontakt. „Bleib bitte kurz da, ich möchte nicht, dass du in die Scherben trittst.“, ich stehe wieder auf, um in meine Hausschuhe zu schlüpfen. Schließlich will ich auch nicht in die Scherben treten. Ich überlege Bailey als erstes aus der Küche herauszutragen, aber so wie er im Moment aussieht glaube ich kaum, dass er eine für ihn plötzliche Berührung von mir ertragen kann. Die Situation ist ziemlich verzwickt. Wie lange kann das noch so weitergehen? Ich schätze nicht mehr lange. Sicher wäre es das Beste ihn zu einem Psychologen zu bringen. Jemand, der sich mit der menschlichen Psyche auskennt und ihn besser helfen kann als ich. Ich sollte mit Vernunft handeln. Doch ist das immer der beste Weg?
 

Wann wird Bailey in der Lage sein aus diesem Alptraum aufzuwachen? … so etwas banales wie ein zerbrochenes Glas als eine einfache Nichtigkeit abtuen zu können, ohne Angst zu haben, das ihm jemand etwas Böses will? Ich weiß es nicht. Bailey ist noch lange nicht über den Berg. So etwas dauert eine ganze Zeit. Der Arzt sagte auch, dass, wenn er nicht dementsprechend behandelt wird, wird er mit Sicherheit sein ganzes Leben damit zu kämpfen haben. Seine Verletzungen zeugen davon, dass, das Alles schon eine ganze Weile so gehen musste. Doch auf Fragen, bekam er keine Antwort.
 

Als ich seinen Körper beim Arzt das erste Mal so völlig entblößt sah, war ich zutiefst geschockt. Es war noch sehr viel schlimmer, als ich zunächst vermutete. Das übertraf einfach alles. Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas gesehen, oder erlebt.
 

„Ich komme jetzt in die Küche und fege die Scherben auf.“, teile ich ihm mit, damit er sich nicht erschreckt, wenn ich plötzlich vor oder neben ihm Hocke. Sein Blick geht nach oben. Seine Augen wirken trübe. Seine, jetzt sehe ich es erst, blutig gebissenen Lippen bewegen sich, um etwas zu sagen. Erst bekommt er keinen Ton heraus, aber dann höre ich seine zitternde Stimme. „Nein…das mache ich…ich hab’s doch auch kaputt gemacht. Ich sammele die Scherben auf!“
 

Plötzlich bewegt sich sein Körper aus der zusammengekauerten Haltung. Nun kniet er. Seine zittrige Hand will nach einer Scherbe greifen und ehe ich mich versehe, sehe ich, wie er sein Gesicht schmerzhaft verzerrt und höre ein, „Au.“, „Bailey…schon gut, ich macht das.“, ganz langsam nehme ich ihm die Scherbe aus der Hand, riskiere ein leichtes Zucken seines Körpers und lege sie auf die Schaufel. Dann fege ich den Rest auf und werfe ihn in den Müll. Anschließend gehe ich an meinen Schrank und hole ein Pflaster hervor. „Bailey, bitte spüle deinen Finger etwas ab und tupf ihn dann vorsichtig trocken.“, ich gebe ihm ein frisches Tuch aus der Schublade. Bailey nickt nur und tut, was ich ihm sage. „U…und jetzt?“, fragt er leise. „Zeig mir bitte deinen verletzten Finger.“, ich versuche so ruhig wie möglich zu sein. Langsam streckt er mir den Finger entgegen. „Hm, zum Glück nur ein kleiner Schnitt. Ich mach dir ein Pflaster darauf. Ok?“, frage ich. Bailey nickt und lässt es geschehen. Trotzdem spüre ich, dass ihm selbst diese flüchtigen Berührungen gerade unangenehm sind.
 

Ich höre das Ticken meiner Uhr um im Wohn und Schlafzimmer. Draußen ist es noch dunkel. Es dürfte höchstens fünf Uhr morgens sein. Er wacht wirklich immer mitten in der Nacht auf. Ich frage mich wie das bei ihm zu Hause immer ist…
 

Deutschunterricht. So was Langweiliges. Wenn nicht Bailey ständig durch meine Gedanken kreisen würde, würde ich wohl einschlafen. Ich machte mir tierisch Sorgen um ihn. Nachdem er die Nacht noch bei mir geblieben war, bestand er darauf dringend nach Hause zu müssen. Er bat mich inständig darum ihn gehen zu lassen. Ich befürchte fast, dass er sonst einfach so verschwunden wäre. Doch was sollte ich tun, er war volljährig. Dennoch habe ich Angst, dass er aus Furcht vor der Bestrafung zu Hause, heim gelaufen ist. Das nagt an mir.
 

„Nathan, wissen sie, was ich gesagt habe?!“, höre ich den Lehrer sagen. Ich schaue auf und nicke. „Sie haben gesagt, dass wir in zwei Wochen einen Kurztest schreiben.“, gebe ich gelangweilt von mir. Der Lehrer schaut nur erstaunt und fährt mit dem Unterricht fort. Er redet davon, wie viel er von uns erwartet und das wir den Stoff später noch für die Abschlussprüfungen gebrauchen könnten und daher sehr gut aufpassen sollten. Diese Stunden gehen einfach nie vorbei. Das ist einfach nur ätzend. Insgesamt haben wir heute fünf Stunden, fünf lange Stunden. Ich ersehne mir nur das Ende des heutigen Schultages. Und da ist noch etwas worüber ich nachdenke.
 

Wie kann ich mich vergewissern, dass es Bailey gut geht, wenn er nicht mehr arbeitet? Er hat doch einen Attest und das bedeutet, dass er zu Hause bleiben soll. Wie kann er dem aber entfliehen, wenn er nicht arbeiten kann? Ich glaube, dass die Arbeit seine Zuflucht war, ein Weg um dem Terror und den Schmerzen von zu Hause zu entkommen. Das mürbt an mir. So komme ich doch nicht mehr an ihn heran. Das einzige was mir einfällt ist, das ich bei dem Blumenladen vorbeischauen könnte, um nach seiner Adresse zu fragen. Ich könnte Jack fragen mir zu helfen, falls die Blumenfrau sie nicht rausgeben möchte. Schließlich gibt nicht jeder Arbeitgeber einfach so eine Adresse preis. Wo kämen wir auch hin, wenn das so einfach wäre. Aber für eine gute Sache vielleicht? Ich will doch nur, dass er da rauskommt, dass er keine Angst mehr haben muss.
 

„Nathan, was ist denn los? Du bist in letzter Zeit so abwesend.“, teilt mir Meg mit. Ich habe mich in der großen Pause an der Straße mit ihr getroffen, weil ihr Schulgebäude gerade gegenüber ist. Ich zucke nur mit den Schultern und sie seufzt einmal tief. Sie lehnt sich zurück an die Mauer, an der wir stehen. „Jack weiß von allem, habe ich Recht?“, bei dieser Frage schaut sie zu mir hoch. Ich nicke. „Na kein Wunder, er ist ja auch dein bester Freund. Aber weißt du, wenn du mal reden willst, kannst du auch gerne zu mir kommen. Du weißt, du kannst mir alles sagen.“, ich nicke. “Ja das weiß ich Meg, danke.“, gebe ich lächelnd zurück. Meg nickt. „Und ich weiß, dass du es weißt, aber so wie ich dich kenne, wirst du es nicht in Anspruch nehmen, weil du mir keine Unannehmlichkeiten bereiten willst. Du bist einfach viel zu nett und zu rücksichtsvoll. Was auch immer du tust, pass auf, dass du dich selbst nicht zu Grunde richtest. Du weißt doch, alles Schöne kann so schnell vorbei sein.“, teilt sie mir wissend mit und bei ihrem letzten Satz schaue ich ihr kurz in die Augen. Ich weiß das und sie hat Recht. Ganz egal wie schön ein Moment auch ist, umso schnell kann er auch wieder zerstört werden. Es ist nur von kurzer Dauer. So ziemlich alles auf der Welt. Selbst das Leben. Gerade deshalb will ich nicht, dass dieser Mensch in diesem kurzen Leben, das wir alle ertragen müssen, noch mehr Leid erfahren muss. „Ja Meg, du hast ja Recht, aber es ist alles ok so weit. Bitte vertrau mir.“, erzähle ich ihr. Sie nickt mit einem Lächeln. „Das tue ich Nathan.“
 

Plötzlich höre ich ein Geräusch. Klackernde Pumps. Hundertprozentig sind es Pfennigabsätze. Ich kenne dieses Geräusch genau. Ich habe mir dieses Geräusch genau eingeprägt, weil ich die Person, zu der es gehört auf den Tod nicht ausstehen kann. Meine Ex. Selbst Meg steht mit ihr auf Kriegsfuß. Schon seit der Grundschule soweit ich mich erinnern kann. Sie konnten sich noch nie leiden. Mittlerweile weiß ich auch warum. Ich kann sie verstehen, aber das tut jetzt nichts zur Sache, was sie nun so plötzlich hier will, da sie auf eine andere Schule geht. Schon von weitem kann ich ihr aufdringliches Parfum und ihre Hochnäsigkeit riechen. Es ist einfach zum Kotzen! Meg rückt etwas näher an mich heran und flüstert mir zu.
 

„Was will die denn hier?“, fragt sie. „Wenn ich das wüsste, wäre ich schon längst nicht mehr hier.“, gebe ich ihr ruhig zur Antwort und ziehe eine Augenbraue nach oben. Sie nickt. „Sie ist einfach nur nervig. In letzter Zeit läuft sie dir wieder öfter nach oder?“, ich nicke, wärent dieses Weibsbild immer näher kommt. Gekonnt arrogant wirft sie ihr Haar hinter die Schulter. Das ist für üblich ihre billige Anmache für Typen, um sie in ihre Falle zu locken.
 

„Hey Nathan und…Meg.“, bei Megs Namen klingt sie ziemlich abfällig. Das gefällt mir gar nicht. Schließlich ist sie eine gute Freundin von mir. „Hallo, ich find es auch schön dich zu sehen.“, gibt Meg mehr als freundlich zur Antwort. „Was willst du?“, frage ich. Meine Ex wirft Meg nur einen abwertenden Blick zu und wendet sich dann wieder mir zu. „Was ist das denn für eine Frage? Ich habe dich eben gesehen und wollte nur mal hallo sagen. Das ist doch wohl kein Verbrechen.“, um ehrlich zu sein…doch! Das ist Folter! „Oh, „Hallo“, und jetzt mach ne Biege. Ich habe kein Interesse daran mich mit dir abzugeben, soweit du wissen solltest.“, doch meine Ex, wäre nicht mehr Ex, wenn sie einfach so klein bei geben würde. „Oh, dann interessiert es dich bestimmt auch nicht, was ich vor kurzem in der Nähe des Ostspielplatzes beobachtet habe.“, teilt sie mir fast geheimnisvoll mit. Ich verschränke dir Arme vor der Brust und mache ein desinteressiertes Gesicht. „Was soll denn dort so spannendes zu sehen gewesen sein?“, sie lächelt mich nur an. Meg schaut mich von der Seite an. „Hm, werde es dir sagen, für ein Date.“
 

Das war ja so was von klar. Was könnte sie so wichtiges gesehen haben? Am Ostspielplatz? Moment…“Nathan, lass dich von ihr nicht erpressen.“, flüstert mir Meg noch zu. Sie zieht ein wenig an meiner Hand. Fast wäre ich wieder von meinem Gedanken abgekommen. „Was ist nun?“, will meine Ex wissen. Ich schaue sie an. Ein Date wird wohl nicht so schlimm sein, und ich muss ja auch nicht ewig bleiben. „Ok, ein Date, nicht mehr!“, räume ich ihr klarmachend ein und bin dabei mehr als freundlich. Die Freundlichkeit ist natürlich nicht echt. Ich verachte sie aus tiefsten Herzen, das sollte sie doch wissen. Naja, wenn sie so dumm ist… und immerhin hat noch niemand so recht festgelegt, wie lange so ein Date zu dauern hat. Meg schaut erst ein wenig erschüttert, was meiner Ex natürlich gefällt, denn sie lässt ihr dummes, gefälliges Grinsen über sie hinweg schlittern. „Das sind ja plötzlich ganz andere Töne.“, erschallt es siegessicher aus ihrem Mund. „Was ist nun? Was hast du so Wichtiges gesehen?“, ich verschränke die Arme vor der Brust und wirke nach außen hin stabil und selbstbewusst. Doch innen in mir brodelt es. Ich habe da so einen unangenehmen Verdacht. Der Ostspielplatz ist genau in der Richtung, in die Bailey immer fährt. Von mir aus, ist das etwa eine knappe halbe Stunde und es könnte durchaus ziemlich weit hergeholt sein. Aber, was ist, wenn etwas an meinem Verdacht dran ist? Dieses nervige Weibsbild vor uns lächelt zufrieden und setzt an etwas zu sagen. „Ok, also, ich bin gestern dort mit dem Auto vorbeigefahren und sah diesen Jungen vom Blumenladen. Er hat sich mit einem Typen unterhalten. Der sah ziemlich mies aus, jedenfalls nicht nett. Der Typ musste so mitte zwanzig gewesen sein und schien total betrunken. Der Blumenjunge sah ziemlich eingeschüchtert aus.“, teilt sie und mit, als sei es nur eine Nichtigkeit, die man nur so aus dem Nähkästchen plaudert. „Und, was ist nun? Information, gehen Date. Freitagabend, zwanzig Uhr. An meinem Haus versteht sich.“, bestimmt sie, schlägt ihre Haare hinter die Schulter, gibt Meg noch einmal einen hochnäsigen Blick und mir ein zufriedenes Lächeln. Welch zweifelhafte Ehre. Ich höre nur noch das das nervige Stöckeln der Pfennigabsätze und wie sie mir noch etwas zuruft wie, „Und sei ja pünktlich!“, dazu sage ich nichts.
 

Wärend ich meiner Ex noch einen genervten Blick hinterher werfe und ihr am liebsten die Zunge rausgestreckt hätte, bemerke ich ein Ziehen an meinem Ärmel. „Nathan, wovon hat sie gesprochen, wen meint sie mit dem „Blumenjungen“?“, will Meg wissen. Ich schaue sie kurz an und seufze. Mein Blick senkt sich auf den Boden. „Meg, …ich…“, ich würde ihr so gern alles erzählen. Von Bailey, von meinen Gefühlen ihm gegenüber, von dieser verzwickten Lage, in der ich stecke, aber ich weiß nicht wie. Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl bei der Sache. Reicht es nicht, dass Jack schon alles weiß? Ich muss doch nicht Meg noch mit der Sache behelligen. Egal was ich auch sage, es wird ihr Sorgen bereiten. Das will doch verhindern. Was kann ich also tun? Anlügen will ich sie schließlich auch nicht. Schließlich gehört Ehrlichkeit zu einer wahren Freundschaft dazu. Ich brauche eine Weile, bis ich so recht überlegt habe, bis ich plötzlich Megs Hand an meinem Arm bemerke. Sie streicht mir kurz darüber und schaut mich lächelnd an. Dann schüttelt sie kurz den Kopf, „Schon gut, du wirst deine Gründe haben, wenn du es mir nicht sagen möchtest…oder kannst. Aber, wenn es so weit ist. Dann sag mir bitte Bescheid.“, erklärt sie mir mit einem halb ernsten und halb enttäuschten Gesicht. Ich kann ihr an der Nasenspitze ansehen, wie sehr sie das bedrückt. Trotzdem bin ich ihr dankbar und nicke dazu. „Das werde ich.“, verspreche ich.
 

Wie gern würde ich jetzt einfach losrennen und die Schule schwänzen. Ich will zu Bailey, ich muss ihn suchen, aber, das geht nicht. Ich muss noch bis zum Ende der Schule warten. Nur noch einen Block, wie soll ich den nur überstehen? Ich mache mir schreckliche Sorgen, aber wenn ich jetzt einfach losrenne und plötzlich die Schule schwänze werden meine Eltern sich irgendwann auch noch Sorgen machen. Aber auch das wird irgendwann vielleicht nicht mehr möglich sein. Das ist mir bewusst.
 

„Bitte verteilt die Zettel und füllt sie aus. Ich werde sie am Ende des Unterrichts austeilen. Damit kann ich überprüfen was ihr euch schon gemerkt habt und woran wir noch arbeiten müssen. Ich werde Die Zettel bis Freitag bearbeiten. Seid sorgfältig.“, erklärt der Lehrer. So was Langweiliges. Ich habe grad echt anderes im Kopf, als die doofe Schule. Wenn ich wenigstens im Kindergarten arbeiten könnte, dann würde die Zeit schneller rum gehen. Aber ich kann nichts tun. Wenn ich die Schule und meinen Abschluss als Erzieher nicht schaffe, kann ich später nicht in diesem Beruf arbeiten. Dabei macht er mich so viel Spaß. Die Theorie ist allerdings nicht halb so spannend wie die Praxis. Dennoch muss ich bedenken, dass, wenn ich heute nicht in der Schule gewesen wäre, dann hätte ich jetzt nicht diesen Anhaltspunkt, um Bailey vielleicht zu finden. Ihm wieder helfen zu können und ihm vielleicht wieder einen Teil seiner Angst nehmen zu können. Das wünsche ich mir, …so sehr. Selbst wenn man mir vorwerfen würde total verrückt zu sein, würde mich das nicht im Geringsten stören. Ich fliege durch meine Gedanken und vergesse dabei völlig, dass ich diesen Zettel ausfüllen sollte. Der Lehrer ermahnt mich deswegen auch. Fast erschrecke ich.
 

„Wo bist du heute nur mit deinen Gedanken?“, bei Bailey. Nur bei ihm. „Bitte sei wieder aufmerksamer.“, bittet er mich. Ich nicke nur stumm. Auch die kurzen Blicke meiner Mitschüler um mich herum kümmern mich nicht. Ich entscheide mich lediglich den Zettel vor mir auszufüllen, damit ich nicht irgendwann vielleicht noch so ein Gespräch mit dem Schulpsychologen führen muss, warum ich plötzlich nicht mehr so gut mit arbeite. Ich seufze in mich hinein. Die Fragen sind eigentlich gar nicht so schwer, sie langweilen mich gerade nur. Nur nicht zu viel nachdenken Nathan und arbeiten. Das lenkt ab, rede ich mir ein.
 

Als es endlich zum Ende des heutigen Schultages gongt, beeile ich meine Sachen zu packen und wegzukommen. Ich mache mich sofort auf den Weg zum Ostspielplatz. Ich hoffe nur zu sehr ihn dort vielleicht irgendwo zu finden. Zumindest hoffe ich das inständig. Im Bus bin ich ganz zappelig und kann es kaum erwarten. Bitte lieber Gott, bitte mach, dass ich ihn finden kann! Als der Bus hält springe ich heraus und sehe mich sofort um. Ich laufe in Richtung des Spielplatzes um nach ihm Ausschau zu halten. Leider kann ich ihn nirgendwo finden. Ich sehe mich selbst in der Gegend um, doch es bringt nichts. Vielleicht habe ich auch einfach nur einen falschen Zeitpunkt ausgesucht. Ich muss immer wieder daran denken, wie meine Ex ihn beschrieben hatte. Er wirkte eingeschüchtert! Er hatte Angst! Und da war ein Betrunkener. Verdammt! Und heute ist wieder einer dieser trügerischen Tage, an denen die Sonne strahlt, als sei alles in Ordnung. Nichts erinnert an eine betrübte Stimmung, oder Angst.
 

„Nathan, was meinst du? Sollen wir an diesem Kleinauftritt teilnehmen? Die veranstalten da eine kleine Feier und suchen noch Bands, die für Musik sorgen.“, schlägt Meg vor. Sie hält mir einen von diesen Flyern vor die Nase. Ein Auftritt hier in der Gegend. Das wäre sicher super für unsere Band. Letztes Mal war das Publikum auch begeistert. Meg und Suki hätten sicher riesigen Spaß daran, und Jack, der gerade den Himmel betrachtet, würde so oder so mitmachen, egal wo. Hauptsache wir machen Musik mit unserer Band. Auch mir würde es Freude bereiten. Vielleicht ist das auch eine Gelegenheit wieder weniger Trübsal zu blasen und mal wieder so richtig Spaß zu haben. Ja das wäre es sicher. Eine gute Abwechslung. „Okay, dann machen wir das. Wann ist das denn?“, beantworte ich ihre Frage.“, Suki hüpft dazu und beantwortet meine Frage. „Das wäre nächstes Wochenende. Bis dahin müssten wir noch einen weiteren Song haben. Jeder darf zwei bis drei Songs vortragen.“, „Das ist cool. Wir könnten ja den letzten Song zu Ende schreiben und dann noch den vom letzten Auftritt verwenden.“, überlege ich. Meg nickt. „Du meinst…“Black Rose“, Ja genau den.“, “Okay, wird gemacht.“, stimmt sie zu. Und schon holt sie auch schon die Noten, den Text und einen Stift und macht sich mit Suki gleich an die Arbeit. Zusammen haben sie schon einige unserer Songs so geschrieben. Es macht immer Spaß ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich praktisch um jede zweite Zeile prügeln und es zusammen austüfteln. Suki beherrscht neben bei noch das Keyboard und diverse andere Instrumente. Mit dem Keyboard probiert er immer Melodien aus. Meg bessert aus.
 

„Ne Suki, so passt das nicht, versuch bitte noch mal das hier.“, sie hält ihm ein das Blatt Papier vor die Nase. Suki schaut es sich an und tut brav, was sie will. „Ok, aber wie wäre es, wenn wir hier den Refrain einsetzen?“, frag er. Meg nickt. „Ja so könnte es passen.“.
 

Ich setze mich neben Jack auf die Terrasse und probiere ein wenig mit meiner Gitarre rum. Irgendwie muss ich mich doch ablenken. Nicht zu sehr an Bailey denken, der schon wieder durch meine Gedanken schweift. Steht’s ist er anwesend. Jack streckt sich der Länge nach und gibt ein leichtes Gähnen von sich. „Du denkst einfach viel zu viel nach.“, höre ich ihn plötzlich sagen. Bis eben war er noch stumm. „Hehe, du liest wirklich meine Gedanken. Das ist ja fast unheimlich.“, antworte ich.“, Jack nickt. „Eigentlich ist es nur meine Intuition. Ich kenne dich einfach gut, das ist alles.“, er ist immer so bescheiden. Manchmal denke ich, das er in seinem früheren Leben mal ein Heiliger oder so gewesen sein muss. Ich kenne keinen Menschen, der sich so gut in seine Mitmenschen hineinversetzten kann und ihnen ihre Gefühle so gut aufzeigen kann wie er. Er hat ein Händchen dafür genau das Richtige, im richtigen Moment zu sagen. Dafür zu sorgen, dass man sich in seiner Nähe wohlfühlt. „Meinst du? Ich glaube manchmal wirklich du bist ein Gedankenleser.“, „Vielleicht ist da was Wahres dran, wer weiß, wer weiß. Aber sag mal. Du machst mir nicht den Eindruck, dass es dir besonders gut geht. Irgendwas ist doch los. Es geht sicher wieder um Bailey oder?“, meint Jack. Ich nicke. „Du hast ihn seid neulich nicht mehr gesehen oder?“, ich nicke. „Genau und ich mache mir schreckliche Sorgen. Da er krankgeschrieben ist, kann ich ihn nicht erreichen. Er ist ja nicht im Laden, er hat kein Handy und seine Adresse kenne ich auch nicht. Er schweigt darüber.“, Jack scheint zu grübeln, denn er macht ein nachdenkliches Gesicht. „Hm…vielleicht hättest du von Anfang an hartnäckiger sein müssen. Sicher willst du ihm helfen und ihn nicht verunsichern, aber es ist doch zu seinem Wohl oder? Wenn du zumindest seine Adresse wüsstest, könntest du zu minderst mal nachsehen was los ist.“, „Und wie soll ich das machen? Selbst wenn ich die hätte…Da kennt mich doch niemand. Das käme denen vielleicht spanisch vor.“, Jack klopft mir auf die Schulter, „Na du könntest dir irgend einen blöden Vorwand ausdenken. Ansonsten könntest du zu Orten gehen, an denen ihr euch zusammen aufgehalten habt. Menschen wie Bailey kehren doch oft an solche Orte zurück. Hat letztes Mal doch geklappt oder?“, Jacks Worte stecken mir noch jetzt im Kopf. Das könnte sogar stimmen. Er hat ja Recht. Aber so viele Orte gibt es doch nicht. Da ist der Blumenladen. Die Schule. Die Bushaltestelle, und meine Wohnung. Das letzte Mal habe ich ihn vor meiner Wohnung gefunden. Aber bis jetzt ist er noch nicht wieder aufgetaucht und das bereitet mir sorgen. „Aber Nathan, du hast mir sicher noch nicht alles gesagt.“, es trifft mich jedes Mal wie ein Schlag ins Genick. Er hat eine verdammt gute Spürnase. „Ja, ich habe meine Ex getroffen und sie sagte, sie habe ihn in der Näher des Ostspielplatzes gesehen mit einem Typen, der ziemlich betrunken gewesen sein soll.“, erzähle ich. „Warst du schon mal da?“, „Klar ich bin dort hingefahren und habe ihn gesucht. Aber ich konnte ihn nicht finden. Ich werde ihn einfach weiter suchen, vielleicht finde ich ihn ja.“, teile ich ihn mit und Jack schüttelt den Kopf. „Was ist denn jetzt?“, will ich wissen. Jack lächelt erst, dann macht er ein ernstes Gesicht, „Nathan…“, gerade jetzt werden wir von Meg unterbrochen.
 

„Hey, Jungs kommt doch bitte mal rein und hört euch an, was wir so getüftelt haben.“, meint sie. Jack und ich stehen beide auf und folgen ihr in den Proberaum. Dort steht Suki bereits vor dem Keyboard und grinst uns vergnügt entgegen. „Also wärend ihr eine Pause eingelegt habt, habe wir zwei Hübschen gearbeitet.“, ich winke ab. „Ja schon gut, nun zeig mal her, was ihr so gemacht habt.“, grinse ich zurück. Jack lehnt sich irgendwo an eine Wand. Als alles still ist beginnt Suki und Meg singt dazu. Es hört sich wirklich gut an. Als nächstes wird alles noch auf die Instrumente abgestimmt, bis es passt. Das Endergebnis kann sich sehen, äh hören lassen.
 

„Das klingt doch gar nicht so schlecht.“, meine ich. Mag und Suki freuen sich und überfallen mich erst mal mit ihrer Freude in dem sie mich einmal ab knuddeln. „Hey, ihr erdrückt mich ja beinahe mit eurer Freude.“, ich lache. Das hat jetzt mal so richtig gut getan.
 

Schließlich machen wir Schluss und verabschieden uns von Meg und Suki. Ich bleibe heute noch bei Jack. Es ist klar, dass unser Gespräch von eben noch nicht beendet ist. Jack macht sich mit mir in die Küche und kocht uns erst mal einen Tee. Das verläuft schweigend, bis er sich zu mir an den Küchentisch setzt und das Gespräch wieder aufnimmt. „Also Nathan…“, er pustet an seinem Tee und fährt dann fort, „Hast du dir schon mal überlegt, dass er dich gar nicht finden kann, wenn du zu sehr nach ihm suchst?“, etwas erstaunt blicke ich auf. „Vielleicht ist er ja auf der Suche nach dir und kann dich gar nicht finden, weil du immer am Suchen bist. So könnte es doch sein, das ihr euch einfach verpasst. Denk mal nach. Letztes Mal hat er dich doch auch gefunden oder?“, ich nicke. Auch jetzt hat er wieder Recht. Es stimmt. Bailey hatte mich schon einmal gefunden. Im Grunde musste ich nur zu ihm gehen. Jack wusste genau, dass es so war. Er wusste auch, dass ich vermutlich noch weiterhin wie ein Verrückter nach ihm gesucht hätte, wenn er mich nicht aufgehalten hätte. Ich wäre dann sicher verzweifelt gewesen und würde vor Sorge umkommen. Auch darüber weiß Jack Bescheid. Vielleicht ist er wirklich kein Gedankenleser, sondern einfach nur mein bester Freund. Jedoch habe ich selbst nicht das Gefühl ihn auch nur annähernd so gut zu kennen, wie er mich. Aber Jack ist eben schon speziell. Er besitzt Eigenschaften von denen andere nur träumen können. Selbst ich.
 

*
 

Das Gespräch mit Jack ist mir noch lange im Kopf verblieben und klopft mir seit dem unaufhörlich an meine Schädeldecke. Es will mir etwas sagen. Doch was? Ich weiß es nicht. Ich grüble und komme einfach nicht weiter mit meinen Gedanken. Ich seufze so viel wie nie. Bis mir Freak den Hinweis gibt, den ich gebraucht habe.
 

Ich will gerade das Haus verlassen, da kommt, mir Freak entgegen. Er lächelt mir zu und hebt die Hand. „Hey Nathan, wie geht’s?“, fragt er. Ich nicke, „Danke ganz gut und selbst?“, frage ich zurück. „Auch, aber du ich hab vorhin so was total Abgefahrenes am kleinen Park gesehen.“, ich lege den Kopf schief und schaue ihn fragend an. Er scheint mir ein wenig aufgebracht zu sein und hat ein ganz erstauntes Gesicht. „Was war denn so abgefahren?“, er stemmt die Fäuste in die Seiten. „Da saß ein Junge auf der Bank. Er schien irgendwie total abwesend zu sein. Seine Augen starrten nur so in die Leere und sein Blick schien einfach jeden zu ignorieren, der ihn ansah. Jedenfalls verzog er keine Miene und als ein Kind zu ihm auf die Bank krabbelte. Doch als es ihn an der Schulter berührte hat er es vor Schreck von der Bank gestoßen und es ganz verstört angesehen, ebenso wie die Mutter, ihn gerade zurechtweisen wollte. Doch da rannte er einfach weg. Er musst ungefähr in deinem Alter gewesen sein, aber verhielt sich, als sei er total verstört.“, er fasste sich am Kopf und kratze sich hinter dem Ohr. Dann zuckte er mit den Schultern. Ich hingegen wurde hellhörig. Er verstörter Junge in meinem Alter? Das muss Bailey gewesen sein! Ich packe Freak an der Schulter und schaue ihm in die Augen. „Freak! Weißt du in welche Richtung er gelaufen ist? Könntest du mich dort hinbringen?“, er nickt nur überrascht über mein plötzliche Interesse. Ich kann einfach an nichts Anderes denken. Ich habe Angst um ihn!“, „Öh klar, aber wir müssen uns beeilen, weil meine Freundin zu Hause auf mich wartet.“, er ist ganz rot im Gesicht. Er ist wirklich total verknallt. Kein Wunder bei so einem süßen Mädchen. Bis ich so weit bin, wird es wohl noch eine Weile dauern. Vielleicht aber wird es auch nie so sein. Schließlich kann ich nicht vorhersehen was alles noch passieren wird. Wir beeilen uns, um zu Freaks Auto zu kommen und er fährt mich sofort dorthin. Das war praktisch wunderbar abgepasst. „Bitte warte kurz auf mich.“, „O…Okay, aber beeil dich!“, ruft er mir noch hinterher, als ich schleunigst das Auto verlasse und sofort losrenne. Ich schaue mich um und suche nach Bailey. Ich kann ihn nicht finden. Aber Freak meinte doch, dass er in diese Richtung gelaufen ist. Moment. Dort! Auf dem Spielplatz am Park sehe ich jemanden auf dem kleinen Klettergerüst, auf der Rampe sitzen. Zusammen gekauert und den Kopf auf die Knie. Ich trete langsam näher. Jetzt sehe ich erst das Zittern, das ihn umgibt. Es ist Bailey. Diese Haltung würde ich über alle wieder erkennen. „Bailey? Kannst du mich hören?“, frage ich ihn, als ich bereits vor ihm stehe. Ganz langsam hebt er den Kopf. Seine Augen sind trüb. Wieder sieht er mich wie hypnotisiert an. In seinem Gesicht, kann ich wieder blaue Flecke erkennen. Er hat einen dicken Schal um den Hals, vermutlich um weitere Verletzungen, oder trügerische Male zu verstecken.
 

Ich komme weiter auf ihn zu, ganz langsam. Er beginnt ganz langsam etwas nach hinten zu rutschen. „Hey, Bailey, hab keine Angst. Ich bin es, Nathan. Du kennst mich doch.“, ich bin verzweifelt, lasse es mir aber nicht anmerken, „ Komm mit mir, ich tu dir nicht weh.“, verspreche ich ihm und strecke ihm die Hand entgegen. Er scheint schon wieder total verstört. Es schmerzt ihn so zu sehen und vor allem, dass er mich manchmal nicht mal erkennt und einfach nur angsterfüllt in meine Augen starrt. Das tut er nur, wenn er Angst hat. Sonst weicht er jedem Blick aus. Vielleicht um zu meiden, das man seinen Schmerz und seine Angst sieht, und wenn ihn etwas schmerzt, starrt einen an, um zu vermeiden, das ihm noch mehr wehgetan werden kann, um auszuweichen. Beides dient dazu, dass ihm niemand zu nahe kommen kann, weil er niemandem vertrauen kann. „N…Nathan….“, es dauert eine Weile, bis er mich wiedererkennt und meinen Namen ausspricht. Ich lächle ihn an und nicke. „Ja, ich bin es, hab keine Angst.“, er nickt. Erst schaut er meine Hand skeptisch an, ehe er sich zögernd nimmt. Seine Erinnerung kehrt anscheinend zurück. Sobald er steht, bricht er in Tränen aus. „Nathan…“, er stolpert auf mich zu, direkt in meine Arme. „Du…tust mir nicht weh? Und….du bist auch nicht böse?“, ich schüttle den Kopf. „Keine Angst, ich verspreche es. Komm mit mir.“, er nickt, „Okay.“, flüstert er leise, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und nimmt meine Hand an, um mir zu Freaks Auto zu folgen. Auf dem Weg erkläre ich ihm, dass er keine Angst zu haben braucht, und ich die ganze Zeit an seiner Seite sein werde. Freak staunt nicht schlecht, als ich mit Bailey hinten ins Auto einsteige. „Da bist du ja, ich sagte doch, dass ich es eilig habe. Und wer ist der Junge da? Moment… Das ist doch der, den ich vorhin gesehen habe.“, „Ganz genau, deswegen habe ich dich doch gefragt, wo er hingelaufen ist.“, „Deswegen also…“, er schaut durch den Rückspiegel zu uns nach hinten. Sein Blick spricht Bände, doch er fragt nicht weiter. „Bitte behalt das hier für dich Freak.“, Freak nickt. Die Fahrt verläuft stillschweigend.
 

*
 

Die Sonne strahlt trügerisch durch das Fenster. Wieso ist dieser Tag mit Sonne und Wärme erfüllt, wenn er doch mehr das Gegenteil ist? Vielleicht, weil die Sonne uns Glück wünschen will und sich leise das Versprechen abringt, dass alles gut werden kann? Doch was bedeutet das?
 

Ich drehe mein Gesicht zu diesem geliebten Menschen, der unter Tränen an meiner Seite eingeschlafen ist. Er erlaubt mir neben sich zu liegen. Außer dass er meine Hand gestern noch nahm ertrug er scheinbar keine weiteren Berührungen. Er hat gezittert, als wir wieder in meiner Wohnung waren. Ich sehe nur immer wieder sein flehendes Gesicht, dass mich darum bittet, dass ich bei ihm bleibe, nicht von seiner Seite weiche. Er brauchte wieder seine Zeit um dieses dreckige Gefühl von seinem Körper abzuwaschen. Nun liegt er wieder hier in meinem Schlafanzug mit einer Decke über seinem schmalen Körper. An seinem Hals entdecke ich tatsächlich wieder verdächtige Male. Er ist voll davon. Doch das ist nichts, im Gegensatz zu den Psychischen und Physischen Schmerzen, die sich wie unsichtbare Scherben, durch seinen Körper ziehen.
 

„Hmm…“, ich muss eingeschlafen sein. Nun strecke ich mich ausgiebig. Plötzlich spüre ich etwas Warmes auf meinem Bauch. Ich schaue an mir runter und sehe einen schwarzen Haarschopf, wie er auf meinem Bauch liegt. Irgendwie muss ich lächeln. Es ist ein warmes, angenehmes Gefühl. Trotzdem unterstehe ich mich seinen Kopf zu streicheln. Das ist gar nicht so leicht. Ich würde ihn so gern berühren. Aber ich muss mich erst einmal damit zufrieden geben, was sich mir anbietet. Ihn wenigstens ein bisschen zu spüren. Nachher erschreckt er sich noch. Das muss ich vermeiden. Unbedingt! Doch dann…bewegt sich etwas. Bailey scheint aufzuwachen. Ob er wieder Angst bekommt? Ich hoffe es nicht!
 

Stück für Stück bewegt er sich nach oben zum Sitzen. Er reibt sich müde die Augen. Es ist das erste Mal, dass er bei mir übernachtet und nicht völlig verschreckt in der Küche aufwacht. Mit der Zeit schweift sein Blick immer mal wieder durch den Raum. Ob er erst mal die örtliche Orientierung sucht? Ich beobachte ihn mit einem halben Auge, versuche aber, dass er nicht merkt, dass ich wach bin. Ich will wissen, was er jetzt tut. Erst tut sich nichts. Dann bewegt sich die Matratze und der warme Körper scheint immer mehr aus meiner Nähe zu verschwinden, aber er verlässt nicht das Bett. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, das Bailey seine Beine anzieht und seine Arme wieder darum legt. Er starrt an irgendeine Wand. Mehr kann ich nicht erkennen. Dazu ist mein Blickwinkel zu klein. Also beschließe ich einfach mich bemerkbar zu machen. Ich gebe ein aufwachendes Geräusch von mir und drehe mich leicht zur Seite mit dem Rücken zu ihm. „Hmmm.“, ich gebe ein Gähnen von mir und strecke mich, ehe ich mich ohne Eile aufrichte und versuche mich ohne plötzliche Bewegungen in seine Richtung zu drehen. Als ich sein Gesicht erhasche lächle ich ihn an. „Hey, guten Morgen Bailey, wie geht’s dir?“, spreche ich ihn an. Er zuckt kurz zusammen, ehe er seinen Blick ein wenig in meine Richtung dreht, aber ohne direkten Augenkontakt. Sein Blick weicht ein wenig ab. Seine Finger krallen sich in die die Bettdecke. „Hey, du musst keine Angst haben.“, verspreche ich, doch er zittert weiter und staune nicht schlecht, als er sich plötzlich ein, „Danke...Nathan.“, abringt. „Danke, dass du… mir geholfen hast.“, er spricht in ganzen Sätzen und klingt nicht mehr ganz so verängstigt. Seine Augen wirken nun wesentlich klarer, als noch gestern. Er streicht sich über den Arm und beißt sich auf die Unterlippe. „Tut mir leid, wenn ich manchmal…so komisch bin.“, versucht er sich zu rechtfertigen, obwohl er doch nichts für seine Situation kann. Solche Psychischen Probleme werden doch nicht von ungefähr kommen. Der Arzt hatte das bestätigt.
 

Ich schüttle den Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist sicher nicht deine Schuld.“, nun schüttelt er den Kopf. „Das stimmt nicht.“. Ich kann sehen, wie er die Tränen unterdrückt. „Ich bin einfach nicht stark genug.“, sagt er. Ich will etwas sagen…ich will sagen, dass er falsch liegt, dass er stark ist. Aber sollte ich so etwas sagen, wenn es nur eine zärtliche, traurige Lüge ist?
 

Irgendwie drifte ich mit den Gedanken ab und merke erst gar nicht, wie Bailey mir immer näherkommt, bis er wieder seine Lippen auf die meinen legt. Jetzt ist es eigentlich an mir zurückzuschrecken. Doch tue ich es nicht… Wieso nur serviert er sich mir so auf dem Präsentierteller? Ist ihm nicht bewusst, dass selbst meine Zurückhaltung irgendwann mal ein Ende haben könnte? Wie kann ich mein Versprechen nur halten ihm nicht weh zu tun, wenn er so was macht? Meine Hände krallen sich in das Laken. Nun liegt er schon halb auf mir. Fast kann ich es nicht mehr unterdrücken, ihn einfach an mich zu reißen und ihn zu nehmen. Ich will ihn! Mit Haut und Haar. Aber ich bin doch kein wildes Raubtier! Ich will ihn beschützen, ihm ein guter Freund sein, nicht sein Lover. Selbst, wenn ich mich dafür selbst belügen muss. Er soll das Alles irgendwie überstehen. Aber scheinbar bin ich dazu nicht im Stande. Ich schüttle den Kopf und drücke ihn von mir weg. „Nicht Bailey!“, er fällt ein Stück zurück und schaut mich verwirrt an. Nun hockt zwischen meinen Beinen und senkt den Kopf. Seine Finger krallen sich in die Schlafanzughose. „Wieso nicht?“, seine Stimme zittert. „Bin ich dir zu wieder?“, will er wissen. Mit dieser Frage schaut er plötzlich auf. In seinen Augen kann ich diesen Glanz sehen, bald kleine Tränen, die seine Wangen herunter purzeln. Diese Frage erschüttert mich. Ich schüttle den Kopf. „Nein! Nein Bailey! Du bist mir alles andere als zu wieder!“, versuche ich ihm klar zu machen. „Wenn das wirklich so ist…“, seine Stimme stockt und zittert wieder. Seine Finger krallen sich jetzt auch in das Laken. Sogar noch mehr. Er hat Angst. Vermutlich vor seinen eigenen Worten. „… dann schlaf mit mir! Bitte!“
 

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Woaaa, es is wieder geschaft. Ich habe wieder ein Kapitel geschaft X____X

Ich hoffe nur, dass es euch gefällt. Da ich wieder viel um die Ohren habe, werden die Wartezeiten nicht wesenlich kürzer. Ich bitte hiermit um Verständniss >____< Ich bin stehts bemüht, so bald als möglich wieder was hochzuladen. Außerdem möchte ich mich hiermit bei allen fleißigen Lesern und Kommischreibern bedanken, die mir schon so lange treu sind und zudem immer so geduldig mit mir sind! Und natürlich bedanke ich mich auch bei jedem neuen Zuwachs, den ich an dieser Stelle begrüßen darf XD Hallo ich bin Middy und freue mich, dass auch ihr meine Geschichte(n) lest! :)
 

LG Middy<3



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yeliz
2011-07-18T15:04:44+00:00 18.07.2011 17:04
Hey.. ich hab's auch geschafft mich durchzuringen, ein wunderbares Kapitel zu lesen (;

Es erinnert mich irgendwie daran, wenn ein kleines Kind ein Glas zerbrochen hat und Angst hat das es Aerger bekommt, aber in diesem Fall ist es um einiges ernster. Eine psychologische Behandlung ist wohl eine gute Moeglichkeit ihn wieder aufzubauen, aber sofort.. sehe ich das eher als falschen Weg. Bailey wuerde sowas nur wenig helfen, wenn er doch ehh nicht viel reden wuerde, aber gut. Mal zum Ausschnitt selbst.. Es war ehrlich ein super Anfang. Zuerst diese Frage nach dem Glueck und dann diese Erwachen. Wirklich atemraubend.

Deutschunterricht.. Ja das kenne ich, ohne meinen Banknachbern wuerde ich wohl oefter mal einfach auf der Bank schlafen, nun den ich finde es trotzdem lobenswert, dass Nathan noch aufpassen kann, bei solchen Gedanken.
Meg ist eine gute Seele mit einem guten Blick fuers Objektive, wie ich sehe ? Ein schoener Moment ist kurz, obwohl er manchmal lange andauert, scheint er einem danach umso verschleierter, aber schwirrt im Kopf unaufhoerlich rum.

Oh man der Arme tut mir jetzt schon leid, ein Date mit einer Person, die uninteressant und eingebildet ist, macht wirklich keinen Spasz. Es war mies von ihr ihn zu erpressen.. Solch Dummheit wie sie sie hat, ist ja kaum zu ertragen. 'Kopf schuettel'

Oii ein Auftritt *__* Da waere ich gerne dabei ^>^ Hmm.. Ablenkung ist was feines und die beiden muessen wirklich niedlich aussehen, wenn sie neue Song's erstellen ;D !

Jack ist wie schon gesagt eine wirklich bemerkenswerte Person. Ich bin sehr interessiert an ihm, denn die Mensch die einem Helfen sind auch nicht ohne Leben. Du hast ein regelrechtes Interesse an ihm in mir entfacht und er ist wirklich ein guter, bester Freund.. Ein Heiliger in seinem frueheren Leben ^>^ guter Einfall.. hat die Situation schoen aufgelockert (; !

Ohh man, aber Freak ist echt ein netter Kumpel, ohne ihn haette Nathan Bailey gar nicht erst so schnell gefunden und erst ist auch nicht allzu plump mit dieser Situation umgegangen. 'Daumen hoch'

Zu Bailey, also ich bin mal wieder aufgewuehlt mit meinen Gefuehlen, da ich staendig versuche mich in seine Lage zu versetzen und ich bin wirklich erstaunt, dass er sich soetwas antut und noch am Leben ist, zum Glueck. Irgendeinen Grund muss es doch geben oder ..ach nein.. wieder zu viele Gedanken und mensch das ist ja unnormal wie du es immer wieder schaffst solche weitfuehrenden Gedankengaenge bei mir anzuregen. (; Lob dafuer !

Wow.. das Ende hat reingehaun.. ich war ja am Anfang nicht allzu ueberrascht ueber den Ablauf und auch den Kuss habe ich als benebelte Phase abgestempelt, aber sowas hab ich nicht erwartet.
Ich bin wirklich gespannt, was kommt und wenn ich mir mal Nathans Lage vorstelle.. wohouu ..du hast mir ordentlich Stoff zum Gruebeln gegeben..
Ich bin unheimlich gespannt auf das naechste Kapitel und entschuldige mich fuer diese laengere Kommentar, aber es war wirklich wunderschoen zu lesen und hat mir wie so oft Gaensehaut verpasst.

So mein Herz'chen muss sich erstmal beruhigen von der Spannung und dem ganzen Unerwarteten ! Danke'schoen fuer dieses tolle Geschichte.
Liebe Gruesze Traeumerin (;
Von:  Jeschi
2011-07-14T15:06:51+00:00 14.07.2011 17:06
Hey.
das war ja ein aufwühlendes Kapi. .__. Der Arme tut mir so Leid.
Ich hoffe, man kann ihm irwie helfen.

lg
Jeschi

PS: hetz dich nicht so~ wir können uns alle gedulden und freuen uns dann umso mehr über ein neues Kapi. ;3
Von:  Maldoran
2011-07-13T08:56:53+00:00 13.07.2011 10:56
Hallo liebe Night!

Wah, das hat wieder Gänsehaut bei mir ausgelöst! Er tut mir so unendlich leid, ich kann es gar nicht fassen, wie schlimm es ihm ergehen muss zu Hause. *seufz* Das hört nicht auf. Und ich weiß echt nicht, ob und wie man ihm da helfen kann? *seufz*
Da braucht es mehr als nur Geduld, fürchte ich.

Und hey- ich lese zwar gerne, aber Du sollst Dich deswegen nicht abhetzen! Das echte Leben geht einfach vor. *nick*

GLG
Vala
Von:  Regenverliebt
2011-07-13T00:43:46+00:00 13.07.2011 02:43
Danke für die Benachrichtigung. Das Kapitel ist super geworden. :) Wenn ich anfang zu lesen kann ich gar nicht mehr aufhören, so spannend. Ich freu mich schon auf das nächste. ^^
glg


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