Keine leichte Angelegenheit
Der nächste Morgen ist stürmisch und regnerisch. Das Wasser
des Regens peitscht nahezu an die Fensterscheiben, meines
Zimmers. Toll, die hatte ich ja auch erst geputzt! Ich strecke
mich in meinem Bett der Länge nach und wage einen Blick zu
den Gadienen, die einen Spalt in der Mitte bilden, durch den
ich hindurchschauen kann. Die Aussicht eines Morgens mit so
einem Mistwetter macht mir nicht gerade Lust auf das
Aufstehen. Vielmehr ist mir danach jetzt einfach liegen zu
bleiben und weiter zu schlafen.
Ich gähne einmal ausgibig. Son Wetter raubt mir immer jede
Energie. Dann bin ich fast den ganzen Tag müde. Das ist fast
so, wie der Deutschunterricht in der Schule. Der ist auch so
ermüdent. Da ist die Arbeit doch wesentlich spannender.
Aber was tut man nicht alles für seinen Traumberuf. Na klar,
büffeln natürlich. Dazu kann ich nur seufzen. Doch...
irgendwas habe ich doch vergessen! Etwas Wichtiges.
Mein Blick wandert einmal auf die andere Seite des Bettes,
die unerwartet leer ist. Eigendlich ja so wie immer, seid der
Trennung von meiner Ex, aber heute sollte es eigendlich
anders sein. Bailey!
Ich schrecke hoch und springe fast atletisch vom Bett, um
mich in jeder Ecke des Zimmers umzusehen. Doch er bleibt
verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Ein Blick in
die Ecke, wo er gestern gehockt hat, zeigt mir, das seine
Kleidung noch dort liegt. Also müsste er noch in der
Wohnung sein. Er wird doch nicht ohne seine Kleidung
gehen...oder doch? Vielleicht hat er ja fluchtartig die
Wohung verlassen, weil er plötzlich doch Angst bekommen
hat. Der Gedanke macht mich irgendwie traurig.
Ich beschließe in die Küche zu gehen und mir erstmal einen
Tee zu machen. Im Flur fällt mir auf, das seine Schuhe noch
dort stehen.
"Hm..."
Noch einmal sehe ich mich um. Nichts zu sehen. Erst als ich
einen Blick in die Küche werfe, sehe ich Bailey. Er liegt auf
dem Boden. Zusammengekauert und schlafend. So wie vor
einigen Tagen in der Schule. Dieser Anblick tut irgendwie
weh.
Ich weiß nicht genau, ob er tatsächlich Angst bekommen hat,
oder nicht. Das Einzige, was ich tun kann, ist Vermutungen
anzustellen. Eventuell ist das auch nur wieder so eine
Kurzschlussreaktion wie gestern abend? Als er versucht hat
mich zu küssen. Wie hypnotisiert. Vielleicht wurde ihm
auch dieses Verhalten so eingetrichtert. Das er in der Küche
zu schlafen hat. Wie kann ein Mensch einem anderen nur so
etwas antun? Ein genauer Blick sagt mir, das er friert. Seine
Fingernägel sind ganz blau angelaufen. Kein Wunder. Der
Fliesenboden ist ja auch nicht gerade warm und gemütlich.
Ganz vorsichtig hocke ich mich wieder zu ihm herunter,
bemühe mich nicht zu hecktisch zu sein.
"Bailey? Hey, Bailey. Wach auf. Du erkältest dich.", sage ich
vorsichtig mit einer sanften Stimme.
Bailey rühert sich langsam und öffnet seine Augen. Er reibt
sie sich müde. Kurz schaut er zu mir hoch und schreckt auf.
Er drückt sich an den Küchenschrank.
"Wa...was hab ich getan? Bitte...bestraf mich nicht!", fleht
er mit diesen angsterfüllten Augen. Ich beiße die Zähne
zusammen und unterstehe mich ihn in den Arm zu nehmen,
um ihn zu beruhigen. Ich befürchte, das er dadurch noch
mehr Angst bekommen könnte. Sicher realisiert er gerad
nicht wo er ist. Hat vergessen, das er sich gestern noch an
mich geklammert hat, weil er bei mir bleiben wollte. Mein
Herz hat geklopft wie selten.
"Hey, Bailey, hab keine Angst.",sage ich ruhig. "Es ist alles
okay. Du bist bist bei mir, bei Nathan."
"Nathan?", flüstert er, wärend er mich immer noch etwas
ängstlich ansieht. Ich nicke und lächle leicht. Er legt eine
Hand an seinen Kopf. Langsam scheint seine Erinnerung
wieder zurückzukehren.
"Nathan! Tut mir leid...ich, ich hab das völlig vergessen."
Seine Stimme klingt unsicher, nervös.
"Du musst dich nicht entschuldigen. Komm erstmal wieder
hoch. Der Boden ist kalt und es ist gerade fünf Uhr Morgens.",
erinnere ich ihn.
"Kommst du wieder mit ins Bett? Draußen stürmt es, da ist
es im Bett gemütlicher.", meine ich und strecke mich
einmal ausgibig der Länge nach, nach oben, wärend ich
aufstehe. Die Idee mit dem Tee verwerfe ich erstmal. Dann
mache ich mich wieder auf den Weg in mein Bett. Das
erwartet mich schon sehnsüchtig. Ich schaue mich nicht
noch einmal nach Bailey um. Ich will ihm nicht die
falsche Stimmung rüberbringen. Schon gar nicht will ich
den Eindruck erwecken, ihn mit mir ins Bett zerren zu
wollen. Dann fast er vielleicht nie mehr Vertrauen in mich.
Ich lege mich also ins Bett und warte einfach auf ihn.
Mein Rücken ist der Zimmertür zugewant und ich tue so
als wäre ich wieder eingedöst.
Plötzlich spüre ich, wie sich die Matratze senkt. Es raschelt
kurz. Wie er ins Zimmer gekommen ist, war kaum zu hören.
Er muss wahrlich ein Meister in der Schleichkunst sein.
Und...da....
Etwas Warmes von hinten. Ein warmer Körper drückt sich
sanft an mich. Ich spüre den Kopf, wie er sich leicht
zwischen meine Schulerblätter drückt, wie sich zwei Hände
in meinem Shirt festkrallen. Ich atme einmal tief ein und
wieder aus. In mir bewegt sich ein Glücksgefühl. Er scheint
mir ein wenig zu vertrauen, aber ich muss mich beherrschen,
darf mich jetzt nicht plötzlich und unerwartet umdrehen. An
meinem Rücken ist ein leichtes Zittern zu spüren. Ob er
Angst hat? Das möchte ich nicht! Das will ich doch
verhindern! Ja, aber wie? Mit Kindern ist das irgendwie
leichter, aber er, er ist eine gepeinigte Seele, wie mir scheint.
Trotzdem hat Bailey etwas von einem Kind an sich. Ein Kind
das Angst hat. Was er braucht, ist kein Lover, sondern
jemand, der ihn beschützt, der ihm Halt gibt. Wie lange steht
mein Herz das noch durch? Wie lange kann ich meine
Gefühle noch beherrschen? Tief in mir spüre ich, wie ich
mich mit jedem Tag mehr in ihn verliebe. Das kommt mir
Alles so falsch vor. Vielleicht gerade weil er mir vorkommt
wie ein Kind das Schutz braucht?
"Hast du Angst?", frage ich leise. Kein Wort. Stattdessen
spüre ich wie sich sein Kopf nur weiter an mich drückt und
seine Hände sich noch fester an mir festkrallen.
Ich sage nichts mehr. Er herrscht Stille zwischen uns.
*
"Nathan, kommst du gleich mit basteln?", fragt Karin, die
gerade die kleine Laura auf dem Arm hat.
Ich drehe mich zu ihr um und nicke lächelnt.
"Ja gleich, ich lese nur noch diese Geschichte zu ende.",
erzähle ich. Karin nickt dazu.
"Ja mach das. Worüber ist denn die Geschichte?", fragt sie
interessiert.
"Über einen Igel und einen Hasen. Es geht um eine Wette.",
meldet sich der kleine Malte zu Wort.
"So, das hört sich interessant an.", strahlt Karin.
"Ja, das ist sie auch.", ich richte meinen Blick wieder zu den
Kindern, die vor mir sitzen und gerade gebannt zugehört
haben. Was meint ihr, warum der Igel das Wettrennen
gewonnen hat?", will ich wissen.
"Hier...ich weiß es.", meldet sich Lisa. "Der Igel war einfach
schlauer, weil ...er seine Frau dabei hatte.", erzählt sie.
"Ja, die Beiden haben den Hasen reingelegt.", merkt ein
anderes Kind an. "Sie haben sich abgewechelt."
"Sehr gut."
"Das habt ihr wirklich gut durchschaut.", stelle ich fest.
Die Kinder freuen sich und knuddeln mich erstmal ab.
"Jaaa...", ich lächle dazu.
"Und, wollen wir jetzt noch was basteln?", frage ich.
"Au jaaa.", jubeln die Kinderchen. Wir stehen gemeinsam
auf und begeben uns zum Tisch, wo Karin schon einiges
buntes Papier ausgebreitet hat. Dazu, alles was man so
zum basteln und malen braucht.
"So, ich habe mir überlegt, das wir heute einen Hasen
basteln. Das passt doch sehr gut zu der Geschichte, die
ihr heute gehört hat."
"Oh, ja, Hasen sind toll.", freut sich Robi.
Malte schaut weniger begeistert auf den Tisch. Ich gehe
und hocke mich zu ihm.
"Was ist denn los Malte?", er schaut mich an. Er scheint
kurz zu überlegen.
"Ich möchte lieber einen Igel basteln.", erzählt er mir.
Ich lächle.
"Das ist doch kein Problem. Dann bastelst du einen Igel."
Maltes Augen beginnen zu leuchten und schon fängt er
an hastig, begeistert zu nicken.
Der Rest des Tages verläuft relativ schnell. Die Kinder
nehmen mir das ständige Denken an Bailey. Sie lenken
mich wirklich hervorragend ab. Ich kann es kaum
erwarten ihn heute Nachmittag wieder zusehen. Er hat
heute Nachmittag frei bekommen. Das freut mich
wirklich.
Außerdem...Es ist Dienstag. Ich habe heute also keine
Bandprobe und es ist die letzte Woche im Kindergarten.
Das macht mich ein bisschen traurig, aber Bailey nimmt
mir das ein wenig. Auch wenn es noch lange dauern
wird, bis wir sowas wie eine "normle" Freundschaft
führen können. Er war bis Sonntag morgen bei mir,
dann habe ich ihn zum Bus gebracht. Es war sein
Wunsch allein zu fahren. Ich hätte ihn sonst auch
gebracht. Ein bisschen Sorgen machte ich mir schon.
Darum war ich so erleichtert, als er am Montag wieder
auf der Arbeit war und scheinbar keine neuen
Verletzungen hatte.
"Unglaublich, das schon deine letzte Woche angebrochen
ist.", bemerkt Karin. "Die Kinder werden sehr traurig sein,
wenn du nicht mehr da bist."
"Ja, das ist wirklich schade,aber so ist das halt einfach.
Jetzt muss ich erstmal wieder die Schulbank drücken."
Ich seufze einmal tief und suche meine Sachen zusammen.
Karin kichert belustig.
"Das schaffst du schon. Streng dich an ja?"
"Jab, das werde ich. Ich freu mich schon, wenn ich endlich
richtig in dem Beruf arbeiten kann. Das heißt, wenn ich
eine Stelle kriege.", überlege ich.
"Ja, aber mal bloß nicht den Teufel an die Wand. Zu so
etwas gehört natürlich auch immer Glück."
"Jab, also, ich werde dann mal losgehen.", verabschiede ich
mich.Karin lächelt und verabschiedet sich auch.
Ich schwinge mich so schnell es geht auf mein Fahrrad.
Mein Weg führt mich zum Laden, in dem Bailey arbeitet.
Wir haben uns für heute dort verabredet. Ich beeile mich,
damit er auch ja nicht zu lange warten muss.
Im Eiltempo radel ich den Weg entlang. Durch eine Allee,
schmale Straßen, Schleichwege. Bald kann ich ihn auch
schon sehen. Es dauert eine Weile bis er vom Boden
aufschaut und mich mit seinem Blick kontaktiert. Nur
kurz, dann senkt er ihn wieder. Neben ihm steht ein
Mädchen. Das ist unaufhörlich dabei ihn voll zu quatschen,
was ihm offentsichtlich unangenehm ist. Manche Menschen
haben wirklich keinen Anstand. Ich beginne zu überlegen.
Kenne ich es? Was will es von ihm? Moment! Ich seh das
Mädchen zwar nur von hinten, aber diese Pfennigabsätze
kenne ich doch! Eindeutig, diese blöde Kuh! Als sie bemerkt,
das Bailey kurz aufgeschaut und an ihr vorbei gesehen hat,
schaut sie sich zu mir um. Sicher konnte sie es nicht fassen,
das Bailey nicht sie angschaut hat, sondern wen anders.
Erst ist sie überrascht, dann aber lächelt sie und winkt mir
zu. Sicher hat sie damit gerechnet, dass ich an ihr
vorbeifahre, aber nein! Falsch gedacht! Ich bremse und
mache kurz vor den Beiden halt.
"Oh Nathan, wie schön dich mal wieder zu sehen. Sicher
hast du eben gedacht, wie schön es doch wäre, mal wieder
mit mir auszugehen, nachdem du mein letztes Angebot ja
einfach ausgeschlagen hast."
Ein:Nicht wirklich!, verkneife ich mir einfach mal.
"Aber ich muss dich enttäuschen. Dieser junge Mann hier
ist nämlich mein neuer Freund, nicht wahr?", stellt sie
ihm die Frage, die für sie eigendlich schon beantwortet ist
und setzt diesen Schlafzimmerblick auf, der ihn davon
überzeugen und mich eifersüchtig machen soll. Dieses
blöde Weib!, rege ich mich innerlich auf. Mit der Hand
schlägt sie ihr langes Haar hinter die Schulter und lächelt
erneut. Dann klemmt sie sich, unverschämt wie sie meistens
ist, an Baileys Arm. Scheiße! Kann sich diese blöde Kuh nicht
einmal zurücknehmen?
Mein Blick fällt zu Bailey. Der schaut mich hilfesuchend
an. Ich sehe wie sich sein Mund bewegt, aber kein Ton
herraus kommt. Wäre meine Ex ein Kerl, wäre es sicher
noch schlimmer. Nicht mal ich kann ihn einfach so
berühren. Das geht nur, wenn er von sich aus auf mich zu
kommt, sonst bekommt er Angst. Die hat er jetzt sicher
auch. Ich verziehe die Mundwinkel. Ein kurzer Tritt und
mein Fahrrad steht auf seinem Ständer.
"Du irrst dich.", sage ich. "Er ist nicht dein neuer Freund."
Teile ich ihr mit, doch sie zieht nur die Augenbraue hoch.
Sie fühlt sich wohl immer noch ziemlich sicher. Das tut sie
meistens. Sie versucht immer überlegen zu wirken und
übersieht dabei, das sie einfach nur verbittert und einsam
ist, weil es kein Kerl wirklich lange mit ihr aushält. So sehe
ich das. Allein, dass sie mir immer noch hinterherrennt,
obwohl ich ihr jedes Mal einen Korb gebe, sie sogar beleidige,
ist einfach nur lächerlich.
"Woher willst du das wissen? "
"Na ganz einfach, weil er zufällig MEINE Verabredung ist.
Also hör auf in deine kleine Traumwelt hinein zu
interpretieren! Du hast sicher schon gemerkt, das er nicht
gerade begeistert aussieht von deinen
Annäherungsversuchen.", mein Blick kontaktiert ihn
wieder. Er schaut mich ebenfalls an und sieht ein wenig
erleichtert aus. Wenn diese ganzen Umstände gerade nicht
wären, hätte ich ihn einfach von ihr losgerissen, aber das
wäre falsch. Stattdessen strecke ich meine Hand nach ihm
aus.
"Lass uns gehen, ich hab dir heute doch Pfandkuchen
versprochen.", erinnere ich ihn sanft. Seine Anspannung
und seine Angst, die ihn unbeweglich macht, scheint sich
zu lösen. Es dauert kurz, ehe er sich von ihr losreist und
auf mich zugelaufen kommt. Zaghaft nimmt er meine
Hand.
"Ja.", sagt er leise und ist ein wenig rot. Dabei schaut er
wieder zu Boden. Hoffentlich hat meine Ex, das jetzt nicht
gesehen. Dann könnte sie Verdacht schöpfen und ihm das
Leben noch viel schwerer machen.
"Super. Dann mal los.", der Blick meiner Ex entgleist.
Meit Fuß, löst den Fahrradständer wieder. Zusammen
gehen wir an ihr vorbei.
"Möchtest du lieber Zucker oder Apfelmus?", frage ich,
ohne weiter auf das Weibsbild hinter uns zu achten. Das
ärgert meine Ex natürlich. Sie hasst es ignoriert zu werden.
"Hey! Was fällt euch ein!?", brüllt sie interher. Hinter
uns höre ich ihre Stöckelschuhe.
So ein nerviges Geräusch.
Sie rennt uns hinterher. Nicht das auch noch!
Wieso habe ich mich überhaupt mal auf sie Eingelassen?
Tja, wie heißt es noch so schön? Hinterher ist man immer
schlauer. Wieso aber nicht schon vorher, das würde vieles
erleichtern. Dann würde man sich auf solche Weiber gar
nicht erst einlassen. Das könnte einem wirklich sehr viel
Ärger ersparen und manchmal vielleicht auch eine Menge
Kummer.
Da war zum Beispiel mal ein Mädchen, das mir vor einiger
Zeit seine Liebe gestanden hat, nachdem wir schon
auseinander waren. Meine Ex hat das über mehrere Ecken
mitgekriegt und das Mädchen doch gleich als eine Schlampe
abgestempelt, die ihr ihren Freund abspinstig machen will.
Hallo? Wir waren getrennt! Manchmal denke ich wirklich,
das dieses Weib unter Realitätsverlust leidet. Sonst würde
sie sich sowas gar nicht erst einbilden.
Jedenfalls hat sie dem Mädchen das Leben zur Hölle gemacht.
Das ging solange, bis es sogar die Schule verlassen hat, weil
es dem Druck nicht mehr standhielt. Meine Versuche meiner
Ex klar zu machen, was sie da für einen Bockmist veranstaltet
blieben ohne Erfolg. All meine Versuche dem Mädchen zu
helfen waren also für die Katz. Das Mädchen tat mir ziemlich
Leid. Das wünsche ich keinem. Es hat den Kontakt völlig
abgebrochen. Vermutlich aus Angst vor meiner Ex.
Ich hoffe nur, das Bailey nicht das gleiche Schicksal erleiden
muss. Deswegen muss ich unbedingt versuchen das zu
verhindern. Ich weiß nicht, ob er dem Stand halten könnte.
Wer weiß, was sie sich noch so ausdenkt.
Ich bleibe stehen und drehe mich um.
"Was uns einfällt? Was fällt dir ein!? Einfach so einen fremden
Jungen zu belästigen. Du erlaubst dir die Dreistigkeit ihn dir
einfach als Freund anzudichten, und merkst nicht mal, das er
da gar keinen Bock drauf hat!", erkläre ich ihr. Jedoch
will sie es einfach nicht verstehen. Ich befürchte fast, das sie
es nie verstehen wird. Sie hat ihr Herz nicht am rechten Fleck,
stelle ich langsam fest.
"Und was mich angeht. Verpiss dich! Verschwinde aus meinem
Leben und hör auf mir nachzu laufen! Ich will dich nicht, ich
kann dich nicht leiden! Die Sache hast du dir selbst
zuzuschreiben! Such dir n' anderen Dummen. Ach ja, und lass
die Finger von ihm! Das Gespräch ist beendet!", beschließe ich
und deute Bailey an, das wir weitergehen können. Er nickt und
es geht los. Meine Ex bleibt sprachlos zurück. Sicher brodelt
sie jetzt vor sich hin.
"Tut mir leid.", höre ich Bailey leise sagen.
Mein Blick geht zu ihm.
"Wieso entschuldigst du dich?"
"Na, weil ich dir Ärger gemacht habe.", er schaut beschämt zu
Boden. Nein! Das musst du doch nicht, es ist doch meine Schuld.
"Red keinen Unsinn, sie hat sich doch total daneben benommen,
nicht du. Und das ich n' Problem mit ihr habe, dafür kannst du
auch nichts.", erkläre ich. Bailey schaut immer noch nicht auf.
"Nathan?"
"Hm?", seine Hand, die nun an ihm herunterhängt, zittert leicht.
Sie ballt sich zusammen. Als müsste er sich überwinden und sich
die richtigen Worte suchen.
"Danke, das du mir eben geholfen hast. Ich hatte Angst.", gibt er
schüchtern zu. Das zu sagen ist ihm unangenehm.
Ja, ich weiß das, ich weiß sehr genau dass er Angst hattest. Ich
konnte es deutlich sehen.
"Das ist doch selbstverständlich. Außerdem weiß ich sehr genau,
was für eine blöde Kuh sie sein kann. Aber selbst, wenn es wer
anders gewesen wäre, hätte ich dir geholfen."
Diese Worte lassen ihn aufschauen und scheinen ihn ein wenig
zum Lächeln zu bringen. Dieses Lächeln ist wunderschschön,
auchwenn es nur zaghaft ist. Meine Gefühle spielen in diesem
Moment verückt. Ich muss mich beherrschen, ihn nicht in den
Arm zu nehmen. Das geht nur, wenn er es von sich aus tut. Und
auch nur dann, wenn er dabei weiß, was er tut. Ich möchte nicht,
das er wie hypnotisiert ist und praktisch alles tut, was man von
ihm verlangt. Er soll aus freien Stücken handeln. Er soll glücklich
sein.
"Und? Hast du dich schon entschieden?", frage ich.
Seine Augen sehen mich fragend an. Er blinzelt.
"Für was entschieden?"
"Na, ob du lieber Apfelmus oder Zucker möchtest?"
Sein Blick wirkt nachdenlich.
"Hmm, Apfelmus!"
Ich lächle.
"Ok, aber lass mir was übrig ja?"
"Klar.", verspricht er.
Vor dem Haus schließe ich mein Fahrrad ab und öffne die Haustür.
"Herreinspaziert."
Ich lasse Bailey vor mir eintreten und dann die Tür hinter uns
zufallen. Für die Treppen brauchen wir nicht lange. Gerade, als
wir an der Wohnung meiner Eltern vorbei wollen, öffnet meine
Mutter die Tür.
"Nathan.", ruft sie. "Kommst du gerade von der Arbeit?", fragt sie.
"Ja, es war wieder sehr schön.", antworte ich.
Meine Mutter lächelt.
"Wie schön. Ich werde jetzt zur Arbeit fahren, wenn du was essen
möchtest, in der Küche steht was."
"Oh, das ist lieb, aber ich werde gleich Pfandkuchen machen für
mich und Bailey. Vielleicht esse ich ja später noch was davon.",
erkläre ich ihr.
"Bailey? Was für ein schöner Name. Wo ist sie denn?", fragt sie.
Ich muss leise kichern.
"Es ist keine sie. Bailey, komm mal bitte her.", rufe ich ihm zu. Er
ist bereits eine Treppe weiter. Er schaut über das
Treppengeländer und eilt dann zu uns.
"Ja..."
Als er vor meiner Mutter steht, wird er erstmal gründlich
gemustert. Erst schaut sie kritisch, dann aber lächelt sie zufrieden.
"Hübsch bist du ja.", teilt sie ihm sogleich mit und lässt ihn rot
werden.
"Mom! Du machst ihn verlegen. Also Bailey, wenn ich vorstellen
darf. Das ist meine Mutter. Mom, das ist Bailey. Ein Freund von
mir."
Schüchtern und etwas aufgeregt spielt Bailey mit seinen Fingern
und knetet sie.
"F...freut mich sie kennenzulernen.", sagt er höflich.
"Mich freut es auch.", dann schaut sie auf ihre Uhr und
erschrieckt. "Oh weh, ich muss los. Macht's gut ihr Beiden. Bis
später Nathan.", verabschiedet sie sich noch und stürmt dann an
uns vorbei. Wie ein Wirbelwind. So muss es jedenfalls für Bailey
ausgesehen haben, denn er schaut ihr etwas irritiert hinterher.
"Nett, deine Mom.", flüstert er und schaut schüchtern zu Boden.
Irgendwie habe ich das Gefühl, das er etwas aufblüht. Er redet
schon viel mehr. Aber nur nicht übermütig werden. Das heißt
noch gar nichts. Ganz ruhig Nathan, du musst dich in Gedult
üben.
"Ja, das ist sie. Aber wollen wir nicht langsam hoch gehen? Ich
krieg bereits Hunger und du?"
"Oh...ja, stimmt, ich auch."
"Gut, lass uns hoch gehen.", Bailey folgt mir.
In der Wohnung angekommen ziehen wir unsere Schuhe aus und
legen unsere Sachen ab.
"Ich geh dann mal die Pfandkuchen machen, du kannst es dir
gern solange im Wohnzimmer gemütlich machen.", schlage ich
vor. Bailey schüttelt aber den Kopf.
"Nein, ich will bei dir bleiben.", sagt er fast panisch, beruhigt sich
dann aber schnell wieder. "Kann ich...dir denn nicht helfen?",
will er wissen. Ich lächle und nicke.
"Ok, wenn du magst,kannst du den Tisch decken. Teller und
Besteck sind auf der Schrankseite.
"Ja."
Gesagt, getan. Wärend ich den Teig anrühre und die Pfanne
erhitze, deckt er den Tisch. Er scheint Spaß daran zu haben.
Dann ist er fertig und steht plötzlich neben mir. Überrascht
zucke ich kurz.
"Hm?", so nah. Fast kann ich ihn schon spüren.Das ist ein
angenehmes Gefühl.
Gebannt schaut er in die Pfanne. Seine Augen machen den
Anschein, als würden sie leuchten. Ein ungewohnter Anblick.
"Möchtest du auch einen machen?"
"Darf ich?", fragt er schüchtern, aber offen, als wäre es soetwas
verwerfliches einen Pfandkuchen zu braten. Er wirkt gerade
ein bisschen wie ein Kind, das zum ersten Mal etwas aufblüht.
Das ist süß. Da frage ich mich doch gleich, wie er wohl ist,
wenn er so richtig aufblüht. Wenn er ganz er selbst ist.
"Klar."
"Okay."
Ich rücke ein Stückchen zur Seite und mache den Weg frei für
Bailey, der nun die Kelle in die Hand nimmt und den Teig in
die Pfanne gießt. Erst ist er noch etwas unbeholfen und der
Teig nimmt eine komische Form an. Er schaut etwas traurig.
"Oh nein.", kommt es aus seinem Mund.
"Was ist denn?"
"Meiner ist ganz zerlaufen.", ich lächle.
"Das macht doch nichts. Übung macht den Meister. Versuchs
noch einmal.", schlage ich ihm vor und Bailey nickt.
Er versucht es noch mal und diesmal gelingt es. Darüber
scheint er sich zu freuen. Die Freude springt zwar noch nicht
über, aber es ist ein kleiner Fortschritt. Ich beruhigt, wenn er
zumindest ein bisschen unbeschwert sein kann.
Beim Essen ist er wieder etwas ernster. Dabei bemerkte ich,
dass er kein großer Esser zu sein scheint. Gerade mal zwei
Pfandkuchen isst er. Ich schaffe drei, dann bin ich aber
papsatt. Der Apfelmus, den wir uns geteilt haben, ist fast
leer. War nur ein kleines Glas.
"Hat es geschmeckt?", frage ich noch und Bailey nickt. Sein
Blick ist bald wieder gen Boden gerichtet. Mir ist aufgefallen,
das er mich weder wärend des Bratens, noch wärend des
Essens angesehen hat. Stehts schaut er irgendwie an mir
vorbei, als meide er es absichtlich, das sich unsere Blicke
berühren. Jedoch dränge ich ihn zu nichts. Schließlich
kennt er mich ja noch nicht so lange.
Zum Schluss räumen wir noch auf und säubern das Geschirr.
Ich wasche ab und er trocknet ab und stellt alles, manchmal
mit nachfragen, an seinen Platz.
"Weißt du schon was du jetzt machen möchtest?", möchte
ich wissen.
"Ich weiß nicht. Ich bin irgendwie müde, ich glaub, ich gehe
langsam nach Hause.", meint er. Ich nicke. Eigendlich will
ich nicht, dass er geht. Meine Angst, das ihm dort wieder
etwas geschiet sitzt tief. Ich hoffe nur, dass er weiter
unbersehrt bleibt. Die Stelle an seiner Wange sieht schon
besser aus und es kamen wohl keine neuen Wunden hinzu.
Wie sehr doch die Fragen an mir nargen. Wie sehr ich doch
wissen möchte, was da bei ihm zu Hause abgeht. Vielleicht
liege ich mit meiner Vermutung aber auch falsch und es
kommt gar nicht direkt von zu Hause.
"Ok, ich bring dich noch zur Bushaltestelle.", erkläre ich.
Bailey sagt nichts weiter dazu. Er ist jetzt wieder so still
und das beunruhigt mich. Ich hoffe nur inständig, das
meine Besorgnis unbegründet ist.
*
Mein letzter Tag im Kindergarten. Schon den ganzen Tag
beschleicht mich so ein komisches Gefühl. Ich bin müde und
angespannt.
Jack war bereits Mittwoch der Meinung, das ich irgendwie
anders bin als sonst. Damit hatte er wohl recht. Auch die
anderen Bandmitglieder waren sichtlich besorgt. Auch als
ich sagte, das ihre Besorgnis unbegründet sei, merkte ich,
das sie mir das nicht ganz abnahmen.
Besonders Jack hatte an diesem Tag so etwas ansich. Fast
so, als hatte er eine dunkle Vorahnung.
Er wirkt auf viele irgendwie unheimlich. Das liegt wohl
daran, das er sich gern auf Friedhöfen aufhält. Er sagt
dazu, das er die Stille so gern mag. Vielleicht verleit ihm
das ja einfach dieses gewisse Etwas, das ganz wunderbar
zu seinem äußeren Erscheinungsbild passt. Seine ganze Art
hat etwas Besonderes. Dazu kommt, dass Jack sich mit
seinen Vorahnungen noch fast nie geirrt hat. Das macht mir
ein bisschen Angst.
Das überträgt sich auch auf die Kinder. Denn wärend ich in
meine Gedanken versunken bin, zupft etwas an meinem
Hosenbein.
Etwas überrascht schaue ich nach unten. Die kleine Lisa
macht ein besorgtes Gesicht.
"Na-tan?", kommt es aus ihrem kleinen Mund.
"Hm? Ja, was ist denn los?", frage ich und hocke mich zu
ihr herunter. Dabei gelange ich langsam wieder in die
Realität zurück.
"Na-tan sieht traurig aus.", erklärt sie. Kinder kann man
eben nicht so leicht hinters Licht führen, wenn sie einmal
bemerkt haben, das was nicht stimmt.
"Oh, ich habe nur über etwas nachgedacht.", antworte ich
wahrheitsgemäß, wenn auch etwas versteckt. Meine
Stimmung, soll sich schließlich nicht auf sie übertragen.
Lisa ist ein Kind, das sich noch nicht mit den Problemen
der Erwachsenen befassen sollte. Kind sein zu dürfen, ist
nict überall selbstverständlich.
"Über was hast du denn nachgedacht?", möchte sie
neugierig wissen. Ich lächle.
"Ich habe darüber nachgedacht, was wir als Nächstes
machen.", erkläre ich ihr. "Das Wetter ist schön. Wir
könnten Karin ja mal fragen ob wir nach draußen gehen."
Ihr Gesicht wirkt nun wieder fröhlich und schwer
begeistert von dieser Idee.
"Au jaaaa, und, und, dann möchte ich schaukeln und
rutschen und dann klettern.", freut sie sich. Ihr fröhliches
Gesicht zu sehen erleichtert mich ein wenig.
"Karin, was hälst du davon, wenn wir mit den Kindern
raus gehen.", frage ich sie. Sie empfindet es als eine
großartige Idee. Sie wendet sich an die Kinder.
"Also, ihr habt Nathan gehört, wer möchte raus?", fragt
sie. Alle heben die Hände und freuen sich.
"Juchuu, Karin, spielen wir dann fangen und Pferdchen?",
fragt eines der Mädchen.
"Aber sicher, aber erstmal müssen wir uns die Schuhe
anziehen. Dann können alle draußen toben.", erklärt sie
sanft. Das Mädchen nickt begeistert und auch die anderen
Kinder verstehen, was zu tun ist. Sie gehen zusammen in
die Minigardrobe, wo sie ihre Jacken und Schuhe anziehen.
Einige sind noch etwas unbeholfen, also helfe ich beim
Anziehen. Die kleine Lisa lernt gerade wie man sich die
Schuhe zubindet.
"Na-tan, wie gehte das?", möchte sie wissen. Ich gehe zu
ihr rüber und hocke mich wieder auf den Boden.
"Das ist ganz einfach. Wir machen das mit dem
Hasenohrentrick.", erzähle ich.
"Hasenohrentrick?", gespannt legt sie den Kopf schief.
"Ja, schau zu. Das ist das eine Ohr und das ist das andere
Ohr."
"Die sehen wirklich aus wie Hasenohren.", kichert sie.
"Genau und die binden wir nun zusammen."
Ich mache ihr die einfach Schritte vor und sie macht sie
noch einmal nach. Wie schön es doch ist, den Kleinen
etwas beizubringen.
"Das eine Ohr,...und das andere Ohr...zusammenbinden."
Ein strahlen ziert ihr kindliches Gesicht.
"Geschafft, geschafft.", vor lauter Freunde springt sie auf
und umarmt mich erstmal ganz fest. Ich kicher.
"Nicht so fest Lisa, hihi..."
"Wie schön, du hast ihr das Schuhebinden beigebracht.",
höre ich Karin.
"Ja, das ist toll.", erwähnt Lisa noch mal.
Draußen stürmen die Kinder erstmal zum Kindergarten
eigenen Spielplatz. Einige begnügen sich auf der Rutsche,
Andere auf der Schaukel und wieder Andere am
Klettergerüst, oder spielen fangen. Alle haben einen jeden
Menge Spaß. Die frsiche Luft tut sicher allen hier gut.
Bewegung an der frischen Luft hält auf jedenfall fitt und
die Kinderchen sind nachher etwas ausgepowert und
halten brav ihr Mittagsschläfchen. Die Meisten zumindest.
"Nathan, Nathan, kommst du mich anschupsen?", fragt
eines der Kinder.
"Klar, dann mal los.", ich folge dem Kind zur Schaukel und
schupse es an.
"Jaa, noch mehr.", ruft es vergnügt.
Etwa eine Stunde später gehen alle wieder rein. Zeit für das
Mittagessen. Aber das ist heute scheinbar nicht alles, was
es gibt. Karin tut jetzt gerade irgendwie geheimnisvoll.
Sobald alle gegessen haben gibt es noch eine Überraschung.
"So Nathan, da ja heute dein letzter Tag ist, haben wir was
vorbereitet.", Karin lächelt, die Kinder sind schon ganz
aufgeregt.
"Was vorbereitet?", frage ich nach.
"Jab.", sie geht kurz um die Ecke und holt ein Gerfäß und
stellt es auf den Tisch.
"Mach es auf, Nathan.", sagt eines der Kinder. Ich nicke.
"Immer mit der Ruhe."
Gespannt decke ich die Glocke auf und zu sehen ist ein
Kuchen.
"Oh, der sieht ja lecker aus. Ganz aus Schockolade.",
staune ich. "Womit haben ich das denn verdient?"
"Na weil du immer so lieb warst.", erklärt Malte.
"Ja, wir haben dich eeeeecht lieb.", meint Meike
"Oh, wie lieb von euch."
Die Überraschung ist wirklich gelungen.
"Als Dankeschön für deine Hilfe. Du hast den Kindern
sehr viel Freude bereitet. Das finden auch die anderen
Erzieher. Wir würden uns alle sehr freuen, wenn du uns
mal wieder besuchst, Nathan."
"Aber klar. Ich komme euch gern mal wieder besuchen.",
verspreche ich. Die Augen der Kinder strahlen. Es dauert
nich lange und schon bin ich belagert von Kindern. Von
denen werde ich geknuddelt und gekuschelt. Sie wollen
gar nicht mehr von mir lassen. Immer wieder kriege ich
zu hören wie sehr sie mich vermissen werden und wie
lieb sie mich haben. Das ist so schön. Traumhaft.
"Ja, das glaube ich euch, aber was haltet ihr denn davon,
wenn wir jetzt erstmal den Kuchen essen. Der schmeckt
bestimmt allen."
"Jaaaa..."
Der kleine Haufen der Kinder entfernt sich von mir, um
sich dann ungeduldig um den Kuchen zu stellen.
"Schneit ihn an.", meint eines der Mädchen.
Ich nicke und tue wie mir gesagt. Alle bekommen ein
Stückchen Kuchen und essen ihn glücklich.
Ich kann nur sagen, das er wirklich schockoladig
schmeckt, echt lecker.
Die Zeit vergesse ich dabei völlig, und die vergeht viel zu
schnell. Wie immer eigendlich. Alles was Spaß macht
ist schneller vorbei, als man es sich wünscht.
Es dauert eine ganze Weile bis ich die ganze Rasselband
verabschiedet habe, denn die will mich definitiv nicht
gehen lassen. Von jedem werde ich noch einmal
geknuddelt und geherzt.
"Machs gut Na-tan.", höre ich die kleine Lisa sagen, die
sich an meinem Bein festgeklammert hat. Ich hebe sie
noch einmal mit einem Lächeln hoch und verabschiede
mich.
"Machst gut Lisa. Ich werde dich auch vermissen.",
bestätige. Sie nickt und umarmt mich.
Schließlich ist es soweit und ich schwinge mich wieder
auf mein Fahrrad. Diesmal zum letzten Mal.
Ab Montag beginnt die Schule wieder.
Heute ist wieder Bandprobe. Ich muss aber unbedingt
nochmal bei Bailey vorbeischauen, nur um zu sehen, ob
Alles in Ordnung ist. Mein ungutes Gefühl beschleicht
mich nämlich nach wie vor. Das lässt mir einfach keine
Ruhe.
Wärend ich auf meinem Fahrrad sitze, betrachte ich ein
wenig die Natur. Sie verrät nichts. Keine verräterische,
graue Wolke am Himmel, die auf etwas hinweisen könnte.
Kein unangenehmer, rauer Wind. Es ist nachwie vor ein
sonniger Tag, der sehr angenehm ist. Die Strahlen der
Sonne wärmen meine Haut. Eigenlich ein perfekter Tag.
Vor dem Mehrfamilienhaus treffe ich Freak, der gerade
aus dem Haus kommt.
"Oh, hey Nathan!", ruft er mir zu.
"Freak. Was machst du denn hier?"
Ich bin überrascht. Es ist selten, das ich ihn einfach so
antreffe.
"Ach ich wollte eigendlich zu dir, aber da ist mir
eingefallen, das du ja gar nicht zu Hause bist.", erzählt
er verlegen und grinst.
"Zu mir?", er nickt.
"Jab, wollte dich fragen, ob wir nicht mal wieder einen
Trinken gehen? Hast du heute nach der Bandprobe zeit?"
Ich überlege kurz.
"Muss ich schauen, wenn, kommt Jack vielleicht noch mit."
Freak legt den Kopf schief.
"Jack? Ist das der mit den lange Haaren?"
"Ja genau der ist das."
"Okay. Dann sag mir bescheit, ob oder nicht, meine
Nummer hast du ja. Also ich muss dann weiter, bis später
vielleicht.", verabschiedet er sich und geht in Richtung
Parkplatz.
Ich betrete das Haus und mache mich fertig für die Probe,
sobald ich in meiner Wohnung angekommen bin.
Als es soweit ist gehe ich wieder los. Ich beeile mich, damit
ich noch bei Bailey vorbeischauen kann. Ich muss mich
einfach vergewissern.
Dieses Gefühl lässt mich einfach nicht los. Bin ich denn
schon verrückt? Scheinbar.
Meine Schritte sind zügig. Ich sehe mich kaum um. Den Weg
kenne ich schließlich in und auswenig. Alleine wenn ich
daran denke, das ich Bailey gleich schon wiedersehen kann,
verleit mir Flügel. Ich denke an dieses Lächeln, das er mir
am Dienstag gezeigt hat. Das hat mich so glücklich gemacht.
Er wirkte wenigstens etwas unbeschwerter.
Doch all diese Gedanken an das vorran gegangene Glück
verschwimmen, als von Bailey keine Spur zu sehen ist.
Ich laufe sogar zum Laden hin und frage die Frau, ob
Bailey heute frei hätte. Sie schüttelt aber den Kopf und teilt
mir mit, das er schon den ganzen Tag nicht erschienen ist.
Sie erzählt mir in der Aufregung auch, das er schon öffters
einfach so weggeblieben ist. Er käme dann immer mit
irgendwelchen Verletzungen zur Arbeit, oder ist wieder
extrem still. Er scheint immer so fadenscheinige Ausreden
zu haben wie, er sei gegen einen Schrank gelaufen oder so.
Dann hatte ich also recht. Es ist wirklich so wie ich bereits
vermutet habe. Das macht mir Sorgen.
Verzwickt.
*
"Hey Nathan, was ist denn heute los mit dir. Du bist ja total
neben der Spur.", bemerkt Meg. Auch Suki schaut etwas
entgeistert. Jacks Gesichtsausdruck verrät jedoch nichts
von seinen Gedanken.
"Also wirklich. Heute bringst du einfach keinen richtigen
Ton raus. Du verspielst dich ja andauernt.Jack sag doch
auch mal was zu deinem besten Freund.", meint sie halb
besorgt, halb verärgert. Jack schaut erst, als sei er völlig
unbeteiligt, dann aber legt er eine Hand auf meine Schulter.
Mit seinem Gesicht deutet er auf draußen. Das soll wohl so
viel heißen wie; "Komm doch mal mit nach draußen."
Suki und Meg schauen ins mit einem Schulterzucken
hinterher.
Ich hingegen begleite Jack nach draußen, wo sein Gesicht
sich leicht entspannt, aber auch eine gewisse Ernsthaftkeit
darin erkennbar ist.
"Also, schieß los. Ist wieder was mit Bailey?", scheint er
meine Gedanken zu lesen.
Ich nicke dazu und trete kurz auf der Stelle.
"Er war...heute nicht auf der Arbeit."
"Das ist doch nicht alles."
"Nein, die Frau in dem Laden sagte, dass das öffters
passiert und er dann mit Verletzungen zur Arbeit erscheint.
Er soll wojk immer irgendwelche Ausreden gebrauchen.
Dieses Typische. Das er gegen nen Schrank gerannt ist und
so."
Jack seufzt einmal tief. Auch er hat sich offenbar soetwas
gedacht.
"Hm, dann war die Verletung neulich also auch kein Zufall.",
stellt er fest. Ich balle die Fäuste zusammen. Wer tut ihm
das nur an? Wie kann man nur so gefühllos sein?
"Nein, das denke ich auch nicht. Es kam mir schon die ganze
Zeit so komisch vor. Aber es ergibt Alles einen Sinn. Sein
seltsames Verhalten und diese Verletzungen. Er senkt immer
den Blick, schaut an einem vorbei und ist so ängstlich, wenn
man nur einen Schritt zu viel auf ihn zu macht. Die Nacht,
wo er übernachtet hat, habe ich ihn in der Küche gefunden.
Er lag auf dem Boden."
"Das ist wirklich nicht normal. Vielleicht solltest du ihn
suchen gehen. Weißt du wo er wohnt? Hast du eine
Handynummer oder sowas?"
"Nein, er hat kein Handy soweit ich weiß und seine Adresse
kenne ich nicht. So lange kennen wir uns ja auch noch nicht."
Jack überlegt kurz. So wie er aussieht wohl sehr genau bis
ihm eine Geistesblitz kommt.
"Nathan, schau doch mal bei dir zu Hause nach. Wenn du
ihn nicht finden kannst, vielleicht findet er ja den Weg zu
dir?", schägt er vor.
"Wie kommst du denn jetzt darauf? Wieso sollte er?", Jack
legt mir einen Finger auf die Lippen. Er sieht äußerst
geheimnisvoll aus. So als wüsste er ganz genau bescheit.
"Das ist doch das Naheliegenste...", flüstert er und irgendwas
in mir bewegt mich dazu einfach loszulaufen. Völlig Kopflos.
Ich renne einfach, immer schneller. Ich achte nicht auf
andere Menschen, renne ein Paar fast um, aber auch das
Geschimpfe und Gemecker ist mir egal. Nicht mal eine
Entschuldigung bringe ich über die Lippen, sondern
renne einfach weiter.
Die Hausrür ist diesmal ganz einfach aufzudrücken, ohne
Schlüssel. Wie auf der Flucht renne ich die Treppen herauf
und bleibe wie erstarrt stehen. Da liegt doch tatsächlich
Bailey vor meiner Wohnungstür. Zusammengekauert und
zitternt. Seine Kleinung ist völlig unsortiert und an einigen
Stellen gerissen. Es ist klar was passiert ist.
Geschockt gehe ich auf die Knie, versuche Worte zu finden,
für das, was ich gerade fühle.
"Bailey? Bailey...bist du wach? Ich bin es...Nathan...", sage
ich sanft und nicht hektisch. Es ist so schwer jetzt gerade
die Fassung zu bewahren.
Baileys Kopf bewegt sich vorsichtig in meine Richtung. Ganz
langsam. Jetzt sehe ich sein tränenübersähtes Gesicht. Die
Angst steht ihm ins Gesicht geschrieben. Seine Lippen beben.
Das verletzt mich. Dieser Anblick schmerzt. Sobald er sich
aufrichtet sehe ich das sein Oberkörper nicht nur voller
blauer Flecke ist, sondern auch noch an einigen Stellen
alte Narben aufweist.
Auf den ersten Blick wirkt er fast wieder wie hypnotisiert,
dann aber wird sein Blick wieder klarer. Das Gesicht
verzerrt sich. Vielleicht ist ihm gerade erst klar geworden
was genau geschehen ist.
Plötzlich wirft er sich an mich und krallt sich an mir fest,
er weint, bitterlich. Vorsichtig nehme ich ihn in den Arm.
Ich versuche ihn zu beruhigen.
Mit einer Hand krame ich in meiner Hosentasche herum
und finde meinen Schlüssel. Ich strecke mich etwas und
schließe die Tür auf. Dann wage ich einen weiteren Schritt
und hebe ihn hoch, um ihn in meine Wohnung zu tragen.
Mit dem Fuß drücke ich die Tür zu und trage ihn dann
zu meinem Bett, wo ich ihn absetze.
Dann hocke ich mich vor ihn, um zu ihm aufzuschauen.
Ich nehme vorsichtig seine Hand.
"Was ist passiert?", frage ich. Bailey aber schüttelt nur
den Kopf. Er ist immer noch zittrig.
"Soll ich einen Arzt rufen?",frage ich, doch Bailey schüttelt
wieder den Kopf.
"Nein...kein Arzt...bitte lass mich einfach hier bleiben.",
fleht er. Aber das geht doch nicht so einfach. Er ist verletzt
und wer weiß, wie ihn die Person, die ihm das angetan hat,
noch anderswo zugerichtet hat. Der jenige wird sicher nicht
zimperlich vorgegangen sein. Das macht mir Sorgen.
Ich atme einmal tief durch.
"Ich hab eine Idee. Ich rufe Jack an und er bringt uns zu
seinem Onkel ins Krankenhaus, der ist Arzt. Du lässt dich
einmal gründlich von ihm untersuchen und dann kannst
du wieder zu mir kommen. Wenn du willst bleibe ich auch
die ganze Zeit bei dir. Ich mache mir nur Sorgen. Was ist,
wenn du eine schwerwiegende Verletzung davongetragen
hast?", versuche ich ihm klar zu machen. Bailey, ist scheint
immer noch Angst zu haben, nickt dann aber.
"Okay..., kannst du aufstehen? Möchtest du dich waschen?"
Frage ich. Wenn er zumindest richtig aufstehen kann, ist
es unten vielleicht nicht so extrem.
"Ja...", flüstert er und steht auf. Er ist noch etwas wackellig,
aber es geht. Das ist sicher noch der Schock.
"Ich leg dir frische Kleidung raus, und ruf Jack dann an.",
teile ich ihm mit und tue wie gesagt. Ich lege ihm alles ins
Badezimmer. Handtücher, Kleidung.
Bailey ist sehr still und geht ins Badezimmer, ich höre bald
die Dusche. Ich nutze die Gelegenheit und rufe Jack an. Da
ich meine ganzen Sachen im Proberaum gelassen habe,
muss ich ihn vom Haustelefon anrufen.
"Hey Jack, ich bin's...ja ich habe ihn gefunden, aber er sieht
ziemlich demoliert aus. Er duscht gerade...aber ich mache
mir sorgen...Ja, könntest du uns ins Krankenhaus fahren,
zu deinem Onkel, er müsste sich Bailey unbedingt mal
ansehen, nur um sicher zu gehen. Ok...dann bis gleich,
achja. Bringst du mir meine Sachen mit? Danke."
Ich lege auf.
Wenig später kommt Bailey frisch geduscht aus dem
Badezimmer mit meiner Kleidung. Das sieht schon ein
wenig besser aus, wenn auch nicht viel.
Ich teile ihm mit, das Jack gleich vorbeikommt, um uns
ins Krankenhaus zu bringen. Bailey sagt nichts dazu.
Und auch wenn er davon nicht begeistert ist, muss ich
einfach sicher gehen.
*
"Also, dann wünsch ich euch noch eine gute Nacht. Er hol
dich gut Bailey.", meint Jack, der uns nach dem Arztbesuch
wieder vor dem Haus absetzt. Zum Glück hatte sein Onkel
gerade einen Termin frei, so ging alles fast reibungslos.
Zum Glück konnte der Arzt keine neueren schlimmeren
Verletzungen feststellen. Vielleicht ist er noch im richtigen
Moment davongerannt, denn an den Innenseiten seiner
Oberschenkel waren blaue Flecken zu finden.
Der Arzt sagte, das seine Panikattacken, diese Angst vor
jeder menschlichen Berührung, auf jeden Fall auf einen
solchen Missbrauch hinweisen. Auch die ganzen, alten
Verletzungen waren nicht ohne, aber gut verheilt. Die
häusliche Gewalt war keinesfalls vom Tisch. Auch das
Zittern und die anfänliche Unbeholfenheit seiner Schritte
könnten mit dem Schock zusammenhängen. Fast die ganze
Zeit habe ich neben Bailey gesessen und ihn ein wenig
beruhigt. Mehrmals musste ich ihm bestätigen, das ihm
der Arzt nichts Böses will. Anders war es gar nicht möglich.
Die übervorsichtigen Berührungen des Artztes waren ihm
unangenehm. Ich konnte es an seinem Gesicht sehen. Ich
bin nur erleichtet, das es nicht noch schlimmer ist, als ich
es erst vermutet habe. Trotzdem verschrieb der Arzt ihm
erstmal etwas Ruhe. Er sollte sich von dem Schock erstmal
erholen. Auch für seine Arbeit bekam er fürs Erste einen
Atest. Die psychische Belastung sein schon ziemlich extrem.
Kaum ein Mensch hat mich je so schockiert. Aber da war ich
auch nicht so sehr verliebt. Erst jetzt weiß ich, wie
schmerzhaft es sein kann, einen geliebten Menschen so
leiden zu sehen.
"Nathan...d...darf ich heute Nacht...wieder neben dir
schlafen?", fragt er unsicher, als er im Schlafzeug aus dem
Badezimmer kommt. Er ist ganz rot ihm Gesicht. Ich sitze
in meinem Schlafklamotten auf dem Sofa und schaue etwas
Fern und blicke etwas über die Schulter, als ich ihn höre.
Ich lächle.
"Aber sicher. Wenn es dir nicht unangenehm ist.", versichere
ich ihm.Bailey schüttelt den Kopf und kommt noch etwas
tapsig auf mich zugelaufen. Unbeholfen lässt er sich neben
mir nieder. Der Grund? Er ist gestolpert. Nun schaut er rot
angelaufen zu mir auf und schaut im nächsten Moment
wieder weg und rutscht etwas von mir weg.
Scheiße! Wieso ist er nur so süß? Hör auf so süß zu sein!
Bitte! Es ist so schwer die Finger bei mir zu behalten!
"Hey, du musst keine Angst haben. Ich bin dir nicht böse."
Wieder dieses verängstigte Nicken. Wird es bald eine Nacht
geben in der er nicht wie hypnotiesiert in der Küche aufwacht?
Wird es bald einen Moment geben in dem er mich unbeschwert
anlächeln kann und mir in die Arme fällt, mich endlich
ansehen kann? Nicht so bald oder? Bailey...wie gern würde
ich...
Geschockt über mich selbst schüttle ich den Kopf. Wie kann
ich nur an sowas denken, wärend Bailey, panische Angst hat?
Kann ich es überhaupt verantworten, ihn bei mir schlafen
zu lassen? Kann ich mich weiter zurückhalten, wenn er sich
an mich schmiegt? Das geht doch nicht! Er ist wie ein Kind!
"Nathan...was, ist los? Bist du wirklich nicht sauer?", fragt er
unsicher.
"Hm? Nein, keine Angst, ich bin wirklich nicht sauer...", es ist
nur...das du so süß bist und dich mir praktisch wie auf dem
Servierteller präsentierst.
"Dann...Tu es doch einfach...", murmelt er, irgendwie aus dem
zusammenhang gerissen. Zumindest, was unser äußeres
Gespräch angeht. Hat er etwa meine Gedanken gelesen? Oder
ist das schon so bei ihm veranlagt? Oder liege ich mit der
Annahme falsch, das er mir hier praktisch seinen Körper
anbietet?
Also...Bitte was?
Geschockt sehe ich ihn an. Weiß er gerade wovon er spricht?
"Was meinst du?", versuche ich so zu tun, als wüsste ich nicht
wovon er spricht. Das ist natürlich eine Lüge.
"Du...willst es doch tun, oder?", er beißt sich auf die Unterlippe.
In welchen Teufelskreis bin ich denn da reingeraten?
"Hm? Wie kommst du darauf?", frage ich.
Ich will dir doch keine Angst machen! Verdammt! Was bin ich
eigendlich für ein Idiot!? Das wüsste ich nur zu gerne.
Er schüttelt nur den Kopf und kauert sich zusammen. Seine
Beine hält er fest umschlungen.
"Hey, Bailey...ich muss dir gestehen, ich mag dich wirklich sehr,
aber ich könnte so nicht mit dir schlafen...du hast Angst und
die möchte ich dir gerne nehmen. Wie könnte ich das tun, wenn
ich jetzt einfach mit dir schlafen würde?", stelle ich ihm die
Frage.
"Du...magst mich?", murmelt er leise.
"Ja ich mag dich. Ich mag dich sehr."
Was bedeuten diese Worte für ihn? Sind sie nicht in diesem
Moment viel zu leichtfertig von mir gesagt worden? Bin ich
zu schnell? Bestimmt...wie war das noch? Bailey braucht einen
Menschen, der ihn einfach nur beschützt und keinen Liebhaber!
Ich bin so dumm.
"Ich...ich mag dich auch...", sagt er fast flüsternt. Wieso sagt er
sowas nur? Weiß er, was er damit bei mir auslöst? Was reden
ich da,ich war doch der Erste der das gesagt hat.
Irrtiert schaue ich auf. Das Alles, hat so etwas Verbotenes.
Die ganze Stimmung gerade, diese Situartion, das Alles...
Zwei Lippen legen sich plötzlich auf meine. Sie sind so weich...
ich will so gerne nachgeben und diesen Menschen einfach nach
unten drücken und mit meinen Küssen übersehen, fast verliere
ich die Beherrschung und lasse mich einfach gehen,aber...Bailey!
Etwas erschrocken von mir selbst drücke ich ihn weg.
"Tut mir leid...das geht nicht! Du würdest es vielleicht bereuen.",
erkläre ich und will aufstehen, aber Bailey hält mich am Shirt
fest. Sein Gesicht ist schmerzlich verzerrt. Es ist fast so, als
würde er gleich wieder anfangen zu weinen.
"Geh nicht weg! Lass mich nicht allein! Wenn es die einzige
Möglichkeit ist, dass du bei mir bleibst, dann schlafe ich auch
mit dir. Solange du es bist...ist es mir egal, wie weh es tut.",
versucht er mir verzweifelt mitzuteilen. Seine Augen sind voller
Tränen. Sie teilen mir seine Angst mit. Ich schüttle den Kopf.
"Bailey, ich bleibe bei dir, aber...du musst nicht mit mir schlafen,
nur damit ich bei dir bleibe."
Ganz vorsichtig wische ich ihm die Tränen weg. Ganz langsam,
ertaste ich seine Schulter. Nach und nach komme ich ihm näher.
Ich beuge mich zu ihm herunter und ziehe ihn langsam in meine
Arme. Nur ein leichter Druck. Er muss das Gefühl haben, jederzeit
flüchten zu können. Doch wiedererwarten, drückt er sich an mich.
Er krallt sich fest.
"Ich heb dich jetzt hoch.", kündige ich ihm an. Ich warte kurz ein
Nicken ab. Er ist grad nicht in der Lage aus eigener Kraft zu
stehen. Daher trage ich ihn ins Bett und decke ihn zu. Dann lege
ich mich dazu und er kuschelt sich, wenn auch noch etwas
zitternt an mich.
"Hälst du...mich fest? Und gehst du wirklich nicht weg?", fragt er.
Ich nicke. Ich lächle.
"Natürlich...ich bleibe bei dir."
Ich lege vorsichtig einen Arm um ihn. Ich bleibe solange wach,
bis ich das Gefühl habe,das er einigermaßen beruhigt
eingeschlafen ist.