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Nachtglitzer

AltairxAlena
von

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Kapitel 3: Regentropfen

Kapitel 3: Regentropfen
 


 

Die Nacht war die Schlimmste ihres Lebens gewesen. Nicht nur weil sie ständig das Quieken der Ratten hörte, die um sie herum schlichen, sondern auch weil es im Kerker trotz der Decke eiskalt gewesen war. Alena saß noch immer in derselben Position wie am Abend. Die Beine angewinkelt und den Kopf auf den verschränkten Armen abgelegt. Ihre geröteten Augen schmerzten, sie hatte eindeutig zu viel geweint und zu wenig geschlafen. Ob es wohl schon Morgen war? Der Kerker beherbergte leider kein Fenster, sodass sie nur erahnen konnte, wie viel Zeit vergangen war. Ihr Magen knurrte, was sie dazu veranlasste, den Kopf zu heben und auf die Schale vor ihr zu schauen. Sie hatte die Suppe gestern nicht gegessen. Sie hatte Angst, dass diese vergiftet sein könnte. Immerhin wäre das ein eleganter Weg gewesen, sie loszuwerden, auch wenn der Mann – Altair – ihr sagte, dass sie die Suppe essen könnte. Ihr Kopf fiel zurück auf ihre Arme. So schlecht hatte sie sich nie zuvor gefühlt und sie fragte sich abermals, warum man ihr das antat. Alena fuhr mit einem Schrei in die Höhe, als etwas Kaltes ihre Füße berührte. Mit klopfendem Herzen sah sie zu der Ratte, die erschrocken von ihrem Fuß geklettert war. Sie wollte nicht von Ratten gefressen werden. „Verschwinde“, zischte sie dem Tier zu, das noch immer an Ort und Stelle verweilte und sie aus dunklen Knopfaugen ansah.
 

Das Schließen einer Tür und leise, beinahe lautlose Schritte ließen Alena erstarren. Gebannt starrte sie in die Dunkelheit. Wer mochte wohl kommen? Was würde man von ihr wollen? Die Schritte nahmen an Klang zu und schon bald blieb eine in weiß gekleidete Gestalt vor ihrer Zelle stehen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass sie nicht sah, wer da gekommen war. Der Mann öffnete mit geschickten Handgriffen ihre Zelle und streckte auffordernd die Hand nach ihr aus, sodass sie ängstlich an die Wand hinter sich zurückwich. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Sollte das ihr Weg zum Scheiterhaufen werden? Der Mann war mit zwei großen Schritten bei ihr, packte sie am Oberarm und zog Alena ungeachtet ihres schmerzhaften Keuchens aus dem Kerker. Eilig überquerte er den Hof, dass es ihr schwer fiel mitzuhalten. Er führte sie durch eine Tür in einem großen Saal, der einige Regale und Bücher beinhaltete, eine Treppe hinauf, nach rechts, eine weitere kleine Treppe nach oben und blieb letzten Endes vor einem Schreibtisch stehen. Links und rechts befanden sich ebenfalls Regale mit Unmengen an Büchern. Durch ein großes Fenster fielen einige Sonnenstrahlen und erst jetzt nahm sie die schwarz gekleidete Gestalt an eben jenem Fenster war. Und auch die beiden in weiß gekleideten Männer, die etwas abseits standen, bemerkte sie jetzt erst. Al Mualim, wie die anderen ihn nannten, wandte sich vom Fenster ab. „Danke Faruk. Du kannst das Weib nun loslassen und deiner Arbeit nachgehen.“ Alena seufzte. Nun wusste sie auch, warum der Griff um ihren Oberarm härter als nötig gewesen war. Dieser Faruk konnte sie augenscheinlich nicht leiden. „Meister.“ Er deutete eine Verbeugung an und verschwand lautlos.

Alena traute sich kaum zu atmen. Ihre Wange schmerzte noch immer und sie hatte keine Lust, sich eine weitere Ohrfeige einzufangen. Stattdessen stand sie einfach nur da und blickte auf den Steinboden vor ihren Füßen, das Muster war mit einem mal wirklich interessant. „Du bist also Hasims Tochter.“ Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Erschrocken sah sie auf, bis sie bemerkte, wie sich seine Augenbrauen verärgert kräuselten. Hastig blickte sie wieder zu Boden. Woher kannte dieser Mann ihren Vater? Zögerlich nickte sie. Ja sie war seine Tochter, wenn sie beide von dem gleichen Mann redeten. „Sag mir, Weib, an wen dein Vater alles Informationen weitergegeben hat!“ Alenas Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen. „Antworte!“ Donnerte er und kam mit energischen Schritten auf sie zu. Grob packte er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Wen!“ Alena schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht.“ „Lüge mich nicht an!“ „Das tue ich nicht. Bitte, ich weiß wirklich ni….“ Die Ohrfeige ließ sie verstummen. „Du willst mir sagen, dass du nicht weißt, dass dein Vater ein Verräter ist!?“ „Mein Vater ist kein Verräter“, flüsterte sie. „Natürlich ist er das. Er war unser Informant. Jedoch beliebte es ihm, die Seite zu wechseln und stattdessen den Templern seinen Dienst zu erweisen“, erklärte Al Mualim nun ruhiger und musterte sie mit einem langen intensiven Blick. „Bleibst du dabei, nicht zu wissen, wovon ich rede?“ Der lauernde Unterton gefiel Alena gar nicht. Sie mochte nicht gebildet sein, aber sie merkte, wenn ihr Gegenüber etwas vorhatte. Sie nickte trotzdem. Sie wusste nicht, was man von ihr wollte. Al Mualim nickte, wandte sich wieder dem Fenster zu und blickte eine Weile hinaus. Irgendwann sah er dann wieder zu der zitternden Alena. „Komm her, Mädchen!“ Er deutete mit der Hand nach draußen. „Sieh hin.“ Alena trat zögerlich vor, immer in der Erwartung einer Ohrfeige und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich und mit Schrecken verfolgte sie das Geschehen im Hof. „Nein“, hauchte sie, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. „Nein!“, schrie sie nun und wandte sich Al Mualim zu. „Warum tut Ihr das?!“ Sie deutete nach draußen, ehe sie weinend in die Knie ging. „Das passiert mit Verrätern.“ Al Mualim wandte sich – von ihrem Ausbruch unberührt – dem Schreibtisch zu. „Bleibst du dabei, dass du nichts weißt?!“ „Ja.“ Er winkte die beiden anderen Männer näher, die bisher reglos abseits gestanden hatten. „Geht und bringt sie nach unten. Sie soll sie genau sehen.“ Die beiden verbeugten sich. „Wie Ihr wünscht, Meister.“
 

Alena wehrte sich, als jemand sie am Arm packte und die Treppe hinunter zerrte. „Lasst mich los!“, schluchzte sie und riss demonstrativ an ihrem Arm. „Halt still, sonst wird es schmerzhafter, Mädchen!“ Sie schüttelte den Kopf. Mittlerweile waren sie unten angekommen und was sie sah, ließ ihr ihre nächsten Worte im Hals stecken bleiben. Immer mehr Tränen kullerten ihren Wangen hinab, ehe sie lautlos auf ihr Gewand fielen. Alena konnte ihren Blick nicht abwenden, obgleich es ihr das Herz zerriss. Warum tat man ihnen das an? Warum nur geschah das alles? „Vater!“ Ein Ruck ging durch ihren bebenden Körper, ehe er sich in Bewegung setzte und sie mit schnellen Schritten zu den drei Personen rannte, die jeweils an einen Pfahl gebunden in der Hocke knieten. Blutige Striemen zogen sich über ihre Rücken. „Alena.“ Der ältere Mann hob den Kopf, ein trauriges Lächeln zierte seine Lippen, während seine Augen vor Schmerz vernebelt waren. „Vater.“ Alena ging vor ihm in die Hocke. „Warum tut man das mit euch?“ „Meine Alena…“ Hasim hustete stark, sodass kleine Blutstropfen von seinem Mundwinkel zu Boden fielen. „Alena.“ Die Angesprochene wandte den Kopf. „Farid. Sag mir, warum machen die das?“ „Was haben sie dir gesagt?“ Alena schüttelte den Kopf. „Sie behaupten, dass Vater ein Verräter ist“, flüsterte sie. Ihr Herz blieb einen Moment stehen, als ihr Bruder langsam nickte. „Sie lügen oder?“ Sie wollte das nicht wahrhaben. „Nein, meine Kleine.“ Alena sah zu ihrer Mutter. Von allen Dreien sah sie am Schlimmsten aus. „Nicht weinen, meine Alena.“ Alena schluchzte. „Wie kann ich euch helfen?“

„Das kannst du nicht, Mädchen!“ Erschrocken fuhr Alena in die Höhe und drehte sich aus derselben Bewegung heraus um. Wie lange stand er schon da? „Lasst sie gehen.“ Alenas Forderung zauberte ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Man wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Kopfschüttelnd trat er näher. „Das geht leider nicht, denn deine Familie möchte einfach nicht reden.“ „Weil wir nichts wissen!“, behauptete sie, wobei sie es vermied ihn anzusehen. „Weißt du…“, nachdenklich legte Al Mualim den Kopf schief, „..es mag sein, dass du wirklich nichts weißt, Mädchen. Aber dein Vater weiß sicher etwas. Und wenn er dich fortgeschickt hat, damit dir nichts passiert, liegt ihm wahrscheinlich mehr an dir als an dem Rest deiner Familie“, spekulierte der Meister, wobei er jede Reaktion Hasims beobachtete. Beobachtete, ob er eine verräterische Reaktion bemerkte. „Und wenn dies so sein sollte, dann sollten wir vielleicht dich anstatt der anderen als Druckmittel verwenden.“ Alena schluckte. Druckmittel? Kurz huschte ihr Blick zu ihrem Vater. „Druckmittel?“ Ihre Stimme zitterte. „Natürlich, Mädchen. Wenn ihm so viel an dir liegt, dann wird er sicherlich nicht sehen wollen, wozu wir alles im Stande sind mit dir zu tun. Er wird reden, um dich zu beschützen, oder er wird schweigen und mit ansehen wie du leidest. Wobei er irgendwann sterben wird, egal wie er sich entscheidet.“ Der plötzliche Regen, der einsetzte, verwischte Alenas Tränen, die nun wieder wie Sturzbäche aus ihr heraus strömten. „Ihr seid grausam.“ Al Mualim lachte auf. „Grausam? Du hast keine Ahnung von der Bedeutung dieses Wortes, Mädchen.“ Alena zuckte mit den Schultern. Warum auch sollte sie jetzt noch mit ihm diskutieren? Mit solchen Menschen konnte man einfach nicht reden und dennoch musste sie ihre Familie in Sicherheit wissen. Am besten mit ihr zusammen. „Ich bitte Euch, lasst sie gehen.“ Ihre dunklen Augen huschten zu den beiden Männern in Weiß, die sie, wie sie erst nun bemerkte, anscheinend ansahen. „Sei nicht lächerlich, Mädchen.“ Al Mualim wandte sich an die anderen beiden. „Bringt sie zurück in den Kerker, ich werde mir etwas Nettes überlegen!“ Alena zappelte und wehrte sich vehement, als sie wieder am Oberarm gepackt wurde. Nein, sie wollte ihre Familie nicht alleine lassen, wollte nicht in der dunklen Zelle sitzen, während ihre Familie im Regen knien musste. „Lasst mich!“ Mit mehr Kraft als die Männer anscheinend angenommen hatten, wehrte sie sich gegen die zwei nun eisernen Griffe. Alenas Geschrei hallte durch den Kerker, während die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. „Altair, holt ihr etwas zu essen!“ Der Angesprochene verschwand in der Dunkelheit, während Doran Alena in die Zelle schubste, sodass sie das Gleichgewicht verlor und fiel. „Ihr seid Monster“, schluchzte sie. „Nein, Kleine. Monster sind diejenigen, mit denen dein Vater sich nun verbündete.“ „Lüge!“, schrie sie, wobei immer mehr Tränen ihre Wangen hinab rollten. Alles Lügen die man ihr erzählte! Doran seufzte. „Nein Kleine. Sei froh, dass wir dich fanden, bevor es die Templer taten. – Altair wird dir etwas zu essen bringen.“ Damit wandte er sich ab und verschwand.

Alena krabbelte zur Wand, um sich an diese anzulehnen. Wieder eine Nacht, die sie hier verbringen müsste. Eine Nacht in der Kälte. Eine Nacht mit den Ratten. Eine Nacht alleine. Sie schluchzte. Wie schlimm konnte es noch werden? Was würde als nächstes auf sie zukommen? Noch mehr Ohrfeigen? Würde man ihre Familie foltern? Sie schüttelte den Kopf. Nein daran wollte sie nicht denken. Immerhin hatten sie alle damit nichts zu tun, oder? Warum sollten ihre Eltern und ihr Bruder etwas wissen, das ihr verschwiegen wurde? Das war absurd. Alena sah auf, als sie das Quietschen der Zellentür vernahm. Wie schaffte er es, sich so lautlos zu bewegen? Was war er? Altair hielt ihr Brot, Käse und eine Schale mit Wasser hin. „D-danke.“ Er nickte lediglich und wandte sich ab. „Warte!“ Altair blieb stehen, machte aber keine Anstalten, sich zu ihr umzudrehen. „Was ist?!“ Seine tiefe, raue Stimme ließ Alena eine Gänsehaut bekommen. Sie atmete tief durch. „Was passiert mit meiner Familie? Werdet Ihr ihnen weh tun?“ Dass er nicht antwortete, sondern einfach ohne ein Wort verschwand, beruhigte Alena nicht. Hieß dies nun ja oder nein?

Sie würde es herausfinden. Viel eher als ihr lieb war.



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