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Rewind And Reflect

[Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]
von

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Final Goes On


 

… You cried just now,

Like a sobbing child …
 

D R E I U N D Z W A N Z I G
 

Will war zu allem entschlossen. Und alles war derzeit Phoebe solange hinzuhalten, bis Cornelia mit Elyon kam. Die Wächterinnen hatten schnell verstanden, dass sie alleine keine Chance gegen Phoebe hatten. Sie war stark. Zu stark. Also blieb ihnen nichts weiter übrig, als auszuweichen und Ablenkungsmanöver zu starten.

"Denkt ihr etwa, ich wüsste nicht, was ihr vorhabt?", fragte Phoebe höhnisch. "Zeit zu schinden ist keine Lösung; es verzögert nur euer Ableben!"

"Ich wäre mir da nicht so sicher!", rief Irma wütend. "Odins Fluch, den er über Elyon gelegt hat, ist mit seinem Tod erloschen! Sie ist jeden Augenblick hier!"

"Pah! Selbst wenn Odin tot ist – das ist er seit einer Stunde und ich sehe hier keine Elyon. Ihr etwa? Ich an eurer Stelle würde mich nicht darauf verlassen, von ihr gerettet zu werden."

"Uns braucht niemand zu retten, verstanden?" Irma flog auf sie zu, doch Phoebe schleuderte sie mit einem Feuerball weg. "Verdammt! Seit wann kann sie Feuer kontrollieren? Ich dachte ihre Kraft wäre Strom!"

"Denkst du, meine Kräfte wären so einfach definiert wie die euren? Eine schlichte Aufteilung in Elemente? Nein, das, was meine Macht ausmacht, ist um ein Vielfaches komplizierter." Sie machte eine betonende Pause, in der sie die Augen schloss und sich ein amüsiertes Grinsen in ihrem Gesicht abzeichnete. "Als Phobos und ich geboren wurden, bekam jeder von uns die gegenteiligen Fähigkeiten des anderen. Phobos' Kraft basiert auf der Energie der Elemente, aber meine findet ihre Wurzeln in der Energie an sich. Es war die perfekte Idee der Natur. Ohne Manifestation in den Elementen ist die Energie in ihrer Reinform nutzlos, aber ohne Energie sind auch die Elemente nutzlos. Eine perfekt äquivalente Symbiose. Keiner kann seine Macht ohne den anderen ausleben. Aber es wurden Fehler in der Umsetzung gemacht. Die Natur hat nicht bedacht, dass Phobos durch die elementare Macht Benachteiligung erfuhr. Bereits am Tag unserer Geburt fand man heraus, dass ich in der Lage war, meine formlose Energie zu manifestieren. Phobos war also schwächer und unerheblich für mich. Das ist der wahre Grund, wieso man mich an den Rand der Welt verbannt hat. Ich bin um ein Vielfaches mächtiger, als es Phobos jemals hätte sein können!"

"Und wenn du mächtiger bist als der Papst, das ist mir schnurz!", rief Irma noch immer außer sich. "Wir haben mit Phobos kurzen Prozess gemacht und das werden wir mit dir auch machen! Wir brauchen Elyon nicht! Richtig, Mädels?"

"Genau!", sagten die anderen drei im Chor. Irma hatte durch ihre Ansprache den Kampfgeist wieder geweckt. Phoebe hatte Recht; sie konnten nicht darauf vertrauen, dass Elyon erwachen würde, wenn sie es bis jetzt nicht getan hatte. Sie wussten ja nicht, dass Odin noch sehr, sehr lebendig war…
 

"Du solltest dich durch deine Schreierei nicht so verausgaben!", rief Odin sichtlich amüsiert über Cornelias Ausbruch. "Am Ende brichst du noch zusammen, obwohl wir noch gar nicht gekämpft haben."

"Alle guten Dinge sind drei, nicht wahr? Ich habe schon zwei Mal gegen dich gekämpft, also wird das hier das große Finale!"

"Das werden wir sehen."

"Werden wir." Sie funkelten sich herausfordernd an, dann wandte sich Cornelia halb zu Eris und der einzigen überlebenden Wache. "Passt auf Elyon auf. Das hier wird nicht lange dauern."

"Du spuckst große Töne, kleine Fee."

Cornelia ballte die Hände zu Fäusten. "Ich. Bin. Keine. Fee! Zum allerletzen Mal! Merk dir das endlich!" Äußerlich aufgebracht stemmte sie die Arme in die Luft. Sie hatte eine Strategie. Solange sie wütend tat, konnten Odin und Collin nicht ahnen, wie es wirklich in ihr aussah: ruhig und überzeugt von einem Sieg. Hinter Cornelia tat sich eine Steinmauer auf, die von Wurzeln gestützt wurde. Sie schirmte Elyon und ihre Beschützer ab. "So, nun kann es los gehen. Bereit?"

"Schon seit Stunden!"

Sie zischte nur abfällig, dann streckte sie einen Arm nach vorne und einen zur Seite. Hinter Odin brachen plötzlich Pflanzenarme durch die Mauer. Sie schlangen sich um ihn und seinen Partner und ketteten sie fest. Cornelia grinste selbstgefällig, doch mit einer einzigen ruckartigen Bewegung befreiten sich ihre Gegner. Sie waren also auch körperlich stark. Aber sie würde nicht verlieren. Auf keinen Fall. Sie waren zu zweit, ja, das war vielleicht ein kleiner Nachteil für Cornelia, aber dafür hatte sie das Herz der Erde, die ihre eigene Kraft, die ja praktischerweise ebenfalls die der Erde war, hundertfach, wenn nicht gar tausendfach verstärkte! Sie hatten keine Chance, nun da Cornelia wusste, wie sie das Herz der Erde einsetzen musste!
 

Collin hatte den kurzen Moment ihrer überlegenen Überlegungen ausgenutzt und einen Energieball geformt, den er mit Schwung in Cornelias Richtung schleuderte. Sie wich mit einem lässigen Schritt nach links aus. "Du musst schon mehr auffahren, wenn du mich besiegen willst!"

"Kannst du haben!" Er schlug seine Handflächen gegeneinander. Zwischen ihnen begann etwas zu leuchten, das mit jeder Sekunde größer wurde. Es drückte seine Hände auseinander, bis eine sich drehende leuchtende Scheibe vor seinem Oberkörper bedrohlich summte. Cornelia machte sich bereit auszuweichen, doch als Collin die Scheibe von sich wegschleuderte, war sie verschwunden, ehe sie weiter kam als ein paar Zentimeter.

Hektisch sah sie sich um – wo war das Ding bloß? Es konnte sich nicht einfach aufgelöst haben! Während sie danach suchte, bemerkte sie nicht, dass Odin auf sie zulief. Sie sah es erst, als seine Faust gegen ihr Gesicht donnerte, sie von den Füßen riss und gegen die von ihr selbst hochgezogene Steinmauer warf.

"Verflucht", zischte sie. Ein Blutrinnsal lief aus ihrem Mundwinkel; sie hatte sich im Sturz stark auf die Lippe gebissen. Der Lichtdiskus war also nur eine Ablenkung gewesen! Darauf hätte sie auch gleich kommen können. Nun, sei's drum. Sie war noch lange nicht fertig. Gleichgültig spuckte sie das Blut aus, das sich in ihrem Mund gesammelt hatte.
 

"Ich gebe zu, einen so harten Kampf habe ich noch nie bestritten. Das macht es aber nur noch unterhaltsamer. Ihr habt einen Punk, nun bin ich am Zug!" Mit Feuer in den Augen raffte sie sich wieder auf. Ohne zu zögern ließ sie dornige Pflanzen aus allen Rissen sprießen. Sie wickelten sich um die Körper der Gegner, drangen mit ihren Stacheln schmerzhaft durch die Haut und zogen sich mit jeder Sekunde enger. Die Ranken waren fester, größer und stärker als jemals zuvor, das spürte Cornelia ganz deutlich. Wenn ihre Macht so groß war, wie sie sich das dachte, dann könnte sie doch auch … ob das wohl funktionieren würde?
 

Sie lächelte siegessicher. "Das war's!" Mit der einen Hand konzentrierte sie sich weiter auf das Pflanzengefängnis, mit der anderen zielte sie nach links. Zuerst geschah gar nichts. Odin wollte bereits loslachen, doch in dem Moment, als er den Mund öffnete, streifte etwas Scharfes von hinten seine Wange. Es hinterließ einen brennenden, blutigen Schnitt.

"Was war das?", fragte er verwirrt und sah sich hektisch um. Das Geschoss traf neben Cornelia auf die Steinmauer, wo es klirrend zerschellte. Die Splitter waren grau. Noch ehe er verstand, was vor sich ging, trafen ihn und Collin drei weitere dieser Dinger. Sie zerbarsten ebenso wie dasjenige vor ihnen an der Wand neben Cornelia, die beeindruckt von sich selber zu lachen begann.

"Oh, das ist gut!" Sie wurde wieder ernst. "Ich besitze das Herz der Erde und das ist dank meiner elementaren Fähigkeit eine Art Update für meine ursprünglichen Kräfte. Mit dem Herz habe ich die Beschaffenheit der organischen Materialien verändert! Klug, nicht wahr?"

"Ich verstehe nicht …" Die beiden waren immer noch gefangen. Es war vorbei.

"Anfangs dachte ich, das Herz der Erde würde meine Kräfte nur verstärken, aber dann wurde mir klar: Es erweitert sie! Ich kann nicht nur die Erde kontrollieren, sondern alles, was entfernt damit zu tun hat! Habt ihr bemerkt, dass ich bei meinem ersten Angriff nur mit einem Arm auf euch gezielt habe? Mit dem anderen habe ich meine Telekinesefähigkeiten dazu verwendet, die abgetragenen Steine zusammenzutragen. Ich wollte sie in einem günstigen Augenblick auf euch schleudern. Aber dann kam mir die Idee, sie zu formen. Wieso nur stumpfe Steine nach euch werfen, wenn ich mit dem Herz der Erde genauso gut viel effektivere Dinge machen kann? Also habe ich die Steine zu scharfen Wurfmessern gemacht. Die ersten waren kurz und schlecht gezielt, aber jetzt, hab ich den Dreh raus und mach ich kurzen Prozess mit euch!"

Sie hatte genug gesagt. Nun war die Zeit zum Handeln da. Ohne weiter zu überlegen, lenkte Cornelia lange Steinspeere auf Odin und Collin, die verzweifelt versuchten, sich zu befreien.
 

Schreie ertönten.
 

Blut spritzte.
 

Cornelia hatte die Augen geschlossen, um den grausamen Anblick sterbender Wesen zu vermeiden. Nun, da sie sie zögerlich wieder öffnete, sah sie das Ausmaß ihrer erbarmungslosen Attacke. Sie hatte wahrlich gut gezielt. Die fünf Speere steckten verteilt auf die zwei Gegner in ihren nunmehr leblosen Körpern, die schlaff in den Fängen der Dornenpflanzen baumelten. Zwei Speere hatten die beiden Herzen durchbohrt.

"Kein Zweifel", stellte sie zufrieden mit sich fest, "sie sind ein für allemal tot." Schnell ließ sie die Steinbarrikade hinter sich verschwinden; indes lösten sich auch die Körper auf und gingen zurück in den Spirit, aus dem sie erschaffen worden waren – vermutlich. Hinter ihr kamen eine zitternde Eris und ein blasser Hauptmann zum Vorschein. Ihr Interesse galt jedoch Elyon, die noch immer steif auf dem breiten Bett lag.
 

"Elyon", flüsterte Cornelia sanft. Sie kniete sich neben ihre Freundin und ergriff ihre starre Hand. "Wenn du jetzt nicht aufwachst, dann weiß ich nicht weiter. Bitte, komm schon. Wir brauchen dich."

Und da geschah es. Elyons Augenlid zuckte leicht; ihre Finger schlossen sich zaghaft um Cornelias Hand. "Co-Cornelia …", hauchte sie mit kaum hörbarer Stimme. Ein Stein fiel allen Anwesenden vom Herzen. "Was ist passiert?" Natürlich. Die altbekannte Frage. Cornelia brachte sie schnell auf den neuesten Stand; währenddessen kam Elyon wieder zu vollem Bewusstsein. Als ihre blonde Freundin geendet hatte, stand sie auf.

"Das wird sie mir büßen, dieses niederträchtige Weibsbild. Ich werde dem nun ein Ende setzen!"
 

Die Wächterinnen hatten es mit Phoebe schwerer als Cornelia es mit Odin und Collin gehabt hatte. Nun, da sie nicht mehr nur auswichen, sondern Erfolge in Form von Schaden erzielen mussten, merkten sie erst, wie schnell und resistent Phoebe war. Egal was sie auch versuchten, sie wich entweder aus oder ließ den Zauber einfach an sich abprallen. Sie hatten keine Chance und schon gar nicht zu viert!

"Cornelia lässt sich ja ewig Zeit, verdammt!", schrie Hay Lin, als sie gerade etwas auswich, das verdächtig nach reiner Energie aussah. "Sie soll sich beeilen! Alleine geht das nicht mehr lange gut!"

"Vielleicht ist Elyon noch nicht wach?", mutmaßte Will, als sie Strom durch ihre Handflächen leitete. "Dabei haben wir Odin fertig gemacht! Wenn Elyon bis jetzt nicht wach ist, sieht es schlecht für uns aus!"

"Positives Denken! Vielleicht ist Cornelia auch nur etwas länger bei Caleb aufgehalten worden! Hoffentlich vertragen sie sich wieder!"

"Hay Lin!", mahnte Will. "Wir sind hier mitten in einem Kampf um Leben und Tod, da ist es mir dezent egal, ob sich unser Blondschopf mit ihrem Prinzen wieder verträgt! Wenn wir sterben, nur weil sie einen Kuss zu viel ausgetauscht haben, dann lasse ich mich wiederbeleben, um ihr den dünnen Hals umzudrehen! Mist!" Beinahe hätte Phoebe sie mit einer Attacke getroffen.

"In einer solchen Situation noch zynisch zu sein ist wirklich äußerst unpassend", bemerkte Taranee.

"Ist mir egal!"
 

Phoebe lachte erneut boshaft. "Euch zuzuhören trägt wesentlich zu meiner Unterhaltung bei. Ein Wunder, dass ihr nicht schon früher euer Leben lassen musstet. Wie konnten ihr nur so lange als Wächterinnen überleben? Es bleibt mir ein Rätsel. Dann obliegt es eben mir, eurer Schmach ein Ende zu setzen! Sagt Lebewohl zu eurem Herzschlag!"

Siegesgewiss hob sie ihre Arme gen Himmel. Zwischen ihnen züngelten vom einen Augenblick auf den anderen tosende lilafarbene Blitze. Sie wurden größer, je näher Phoebe ihre Hände zueinander führte. Doch es blieb nicht bei den Blitzen. Hinzu kamen kurz auflodernde Flammen und seltsame nebelartige Wellen. Als sie die Handflächen aufeinander legte, die Arme immer noch erhoben, vermischten sich die Elemente zu einem einzigen großen, weißen Ball, aus dem Strahlen in die Richtung der Wächterinnen züngelten. "Das war's für euch!"
 

Die Wächterinnen kniffen die Augen zusammen, als der Lichtball auf die zugeflogen kam. Es war pure Energie, die sie gleich erfassten würde. Sie schlossen mit ihrem Leben ab – es war vorbei.
 

Dann ertönte ein Knall. Ein Luftstoß drang ihnen entgegen und fegte sie beinahe weg und als sie die Augen öffneten, lebten sie noch. Vor ihnen schwebte Elyon. Ihr Kleid wehte dramatisch im Wind, als sie den Ball mit einem Schutzschild abgefangen hatte. Sie war nicht einmal ins Schwitzen geraten.

"Ja, es ist vorbei. Schwester." Ihre Stimme war eisig kalt. "Du hast deine Chance vertan. Zu dem Zeitpunkt, als ich erwachte, war dein Untergang besiegelt."

Phoebe schien das zu wissen, denn ihr Gesicht wurde aschfahl. "N-Nein!", kreischte sie außer sich. "Ich werde nicht verlieren, nicht jetzt, da ich so kurz vor dem Sieg stehe!"

"Dein Sieg stand nie zur Debatte! Du hättest Meridian niemals einnehmen können. Selbst als ich mit Odins Fluch belegt war, habe ich mein Königreich mit meiner Energie beschützt. Und nun wirst du dafür bezahlen, was du meinem Land und seinen Bewohnern angetan hast!"

"Es ist aus, Phoebe", mischte sich Cornelia ein, die gerade angekommen war. Elyon war um Einiges schneller gewesen als sie.

"Dass du dich auch mal wieder her bequemst", rief Will freudig. Sie hatten alle neuen Mut für den finalen Schlag geschöpft.

"Tut mir leid, ich musste erst noch ein paar ungebetene Besucher erledigen!"

"Wen?"

"Erzähle ich euch, sobald wir die hier geschafft haben!"

Elyon nickte auf dieses subtile Kommando hin. "Lasst uns das zu Ende bringen, was gar nicht erst hätte beginnen dürfen!"
 

Sie konzentrierten sich. Phoebes Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie wusste, was ihr bevorstand. Aus den geweiteten Augen beobachtete sie starr vor Schreck wie Elyon ihre Energie in einer leuchtenden Kugel manifestierte. Die Wächterinnen fügten eine nach der anderen durch eine Handbewegung ihre Elemente hinzu, bis die Kugel sich zusammenzog und schließlich mit einem gewaltigen Dröhnen explodierte.

Kein Schrei, kein Laut, kein Geräusch. Es war in diesem Moment totenstill in ganz Meridian.
 

Die Ruhe, die sich über die Szene gelegt hatte, hielt beinahe eine Minute lang an. Es war ein epischer Moment voll von Erleichterung und Unbegreiflichkeit, von Verwirrung und Unfassbarkeit. Niemand vermochte zu sagen, wie er sich in der Sekunde fühlte, als Phoebes Körper durch Elyon und die Wächterinnen aufgelöst wurde. Das Dröhnen hatte für Irritation bei den tapfer kämpfenden Soldaten geführt, die sich erbittert auf den Beinen hielten. Doch als mit Phoebes Tod die von ihr erschaffenen Kreaturen ebenso auflösten und der klägliche Rest eigenständiger Lebewesen an Stärke verloren, die ihre Herrin ihnen eingeflößt hatte, und zu kümmerlichen Kreaturen schrumpften, begriff einer nach dem anderen langsam was geschehen war.

Die Erleichterung brauchte so lange in die Gemüter der Menschen, dass sie erst gar nicht richtig ausgelebt werden konnte. Keiner konnte so recht wahrhaben, dass der Alptraum vorbei sein sollte – endgültig vorbei sein sollte.
 

Die Wächterinnen waren erschöpft. Sie hatten all ihre Energie auf Elyons Angriff verwendet, sodass sie nun ihre Verwandlung nicht länger aufrecht erhalten konnten. Cornelia war die erste, die in sich zusammensackte und das Bewusstsein verlor. Für Elyon war es ein Leichtes, die ausgelaugten Körper ihrer Freundinnen sanft gen Boden schweben zu lassen, wo Matt und Caleb darauf warteten, ihre Liebsten nach diesem Horror in ihre Arme schließen zu können.

"Es ist wahrlich vorbei", sagte Caleb, als er Cornelias Körper aus der Luft in seine Arme nahm. "Cornelia, hörst du mich?"

"Lass mich schlafen", nuschelte sie in ihre Haare, die über ihr Gesicht gefallen waren. Caleb zeigte jedoch kein Erbarmen. Er stellte sie hin und legte stützend einen Arm um sie. "Ist ja gut." Sie lächelten sich erschöpft an. "Es ist nun wirklich vorüber. Wir haben es geschafft."

"Das kannst du laut sagen." Will war ebenso erschöpft, doch um eine Antwort war sie nie verlegen. Matt drückte ihr nur erleichtert einen Kuss auf die Wange.

Über ihren Köpfen ertönte Elyons stolze und überglückliche Stimme.
 

"Tapfere Kämpfer, Bewohner Meridians. Ihr habt für unser Land gekämpft, ihr habt es verteidigt und ihr habt es mit Erfolg getan! Phoebe ist nichts mehr als ein dunkler Fleck im Geschichtsbuch Meridians, den wir mit der Genugtuung betrachten können, ihn besiegt zu haben! Ich bin euch dankbar für eure Unterstützung und euren Mut! Meridian hat seinen Frieden wieder!"

Die Menschenmenge unter ihr begann unkontrolliert zu jubeln, bis sich aus dem undefinierbaren Rufen ein einzelner Ruf herausbildete: "Hoch lebe unsere Königin Elyon! Hoch lebe unsere Königin Elyon!"

Auch die Wächterinnen stimmten in die Jubelrufe ein. Ihnen war so leicht ums Herz wie schon lange nicht mehr. Vereint. Glücklich. Stolz. Zufrieden. Sie konnten gar nicht sagen, wie viel Glück sie empfanden und wie sehr sie sich wünschten, für immer in dieser gelösten Hochstimmung zu sein. In Cornelias Augenwinkeln bildeten sich die Freudentränen, die alle anderen schon längst hemmungslos weinten. Irma und Hay Lin lagen sich heulend in den Armen, Taranee schluchzte an Cornelias und Wills Hand leise vor sich hin und die Anführerin selbst weinte in Matts Schulter.

"Wir sollten nicht weinen in einem solchen Augenblick", sagte Caleb.

"Vergiss deinen Stolz doch einmal", meinte Cornelia lachend. "Weinen hat noch nie jemandem geschadet. Seit fünf Jahren weine ich jeden Tag und es ist das erste Mal, dass ich vor Freude weine!"

"Dann weine so viel es dir beliebt." Er schloss sie in seine Arme und drückte sie gegen seine Brust. Sie war glücklich, doch er musste die ganze Zeit an den nahen Abschied denken. Es dämpfte die Freude über den Sieg gewaltig. "Wir müssen Phoebe eigentlich dankbar sein."

"Wieso?"

"Sie hat uns wieder zusammengebracht."

Cornelia lachte erneut unter den Tränen. "Ja. Ja, das hat sie! Aber noch einmal möchte ich etwas derartiges nicht mehr erleben. Ich werde zu alt dafür."
 

Das Fest, das dem Sieg zu Ehren gegeben wurde, war das größte und schönste, das Meridian jemals erlebt hatte. Die ganze Stadt war zu einem großen Festessen geladen, auf dem sich lachende Gesichter um fröhlich scherzende Menschen tummelten. Wer keinen Platz bekam, aß zuhause mit der Familie und trat der munteren Feier später bei, als getanzt und getrunken wurde.

Hay Lin hatte mit Elyons Erlaubnis Eric nach Meridian geholt und Irma hatte beschlossen, Stephen ins kalte Wasser zu stoßen. Er hatte gefasst reagiert, wenngleich man ihm ansah, dass er mit der Situation überfordert zu sein schien. Er wich kaum von ihrer Seite und nur selten sah man ihn ihre Hand loslassen. Ganz glauben würde er es wohl vorerst nicht können, doch er hielt sich wacker zwischen all den seltsamen Gestalten.

Cornelia indes war halb auf Calebs Schulter eingeschlafen, der ihr ab und an zärtlich übers Haar fuhr. Niemand konnte es den jungen Frauen verübeln, dass sie die Tanzerei ausließen und lieber die Ruhe suchten.
 

Im Allgemeinen herrschte ein Frohsinn, den man in Meridian die letzten Wochen vermisst hatte. Alles wirkte plötzlich schöner, farbenfroher, lebenswerter und wunderbarer. Eine Knospe wurde als Zeichen des Lebens gesehen und ein Feuer als Symbol für den Kampfgeist der mutigen Soldaten. Natürlich waren einige von ihnen im Kampf gefallen und den Familien der Helden war nicht nach feiern zumute. Doch Opfer mussten gebracht werden und man hatte relativ wenige Verluste erleiden müssen. So war also die Stimmung von einer Freimütigkeit durchzogen, die einfach herrlich war.

Alsbald hatten sich um das Lagerfeuer Soldaten versammelt, die den neugierigen Zivilisten haarklein und übertrieben die Heldengeschichten ihrer ehrenvollen Taten schildern.
 

Als es dunkel wurde, waren die Wächterinnen wieder halbwegs bei Kräften. Sie lauschten einige Zeit lang den ausgeschmückten Vorträgen, die ihnen alle paar Minuten ein Schmunzeln abrangen. Dann erhob sich Elyon und ließ eine viertelstündige Lobesrede auf den Kampfgeist, den Mut und die Tapferkeit der Wächterinnen los. Sie rühmte ihren Einsatz, ihre Unerbittlichkeit und ihren starken Willen, nicht aufzugeben. Nur ihnen hätte man es zu verdanken, dass Meridian wieder ein friedliches Land sei, in dem seine Bewohner lachen konnten.

Der Lobgesang wurde den Mädchen jedoch zu peinlich, nachdem die Menschen unermüdlich 'Hoch leben die Wächterinnen' riefen und so beschlossen sie, die Aufgabe, die sie noch zu erledigen hatten, nicht länger aufzuschieben.

Zusammen erhoben sie sich vom Tisch der ausgelassenen Gesellschaft. "Cornelia, warte." Caleb hielt sie zurück.

"Mädels, geht schon mal vor." Sie zog ihn auf und entführte ihn in jenen Teil des Palastes, in dem sie vor Jahren ihre Beziehung gebrochen hatten. "Hier war es. Genau hier vor fünf Jahren."

"Cornelia, ich…"

"Nein. Schon gut. Lass mich ausreden." Sie wandte sich ihm zu und sah ihm mit einem Ausdruck absoluter Zuversicht in die Augen. "Vor fünf Jahren waren wir jung und dumm. Inzwischen haben wir gemerkt, dass wir ohne einander nichts sind. Ich kann nicht ohne dich leben, das habe ich verstanden. Und ich möchte es auch nicht. Wie steht es mit dir?"

"Wir müssen ohne den anderen leben."

"Das war nicht meine Frage."

Caleb seufzte niedergeschlagen. "Ich möchte nicht ohne dich leben. Nicht jetzt, da ich weiß, wie glücklich ich mit dir bin. Aber wie sollen wir das schaffen? Ihr werdet eure Kräfte verlieren und zwischen Meridian und der Erde nicht länger hin und her springen können. Wie soll es funktionieren?"

"Ich habe einen Plan. Aber du musst dir darüber im Klaren sein, dass es, wenn es wirklich so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, kein Zurück mehr gibt. Sollte mein Plan aufgehen, dann bestehe ich darauf, dass du bei mir bleibst."

"Welcher Plan?"

"Das wirst du schon noch sehen. Versichere mir vorerst nur, dass du es nicht bereuen wirst, mit mir zusammenzubleiben."

"Das werde ich nicht. Ich werde es nie bereuen."
 

Die Wächterinnen standen samt ihren männlichen Freunden in Kandrakar. Das Orakel erwartete sie bereits.

"Ich gratuliere zu diesem großen Sieg, Wächterinnen. Ihr habt Großes geleistet."

"Vielen Dank", sagte Will. "Wir fragen uns nun, was mit unseren Kräften passiert. Es gibt keine weitere Bedrohung. Werden sie wieder erlöschen? Müssen wir sie versiegeln?"

"Ja. Ja, das müsst ihr. Sie werden aufbewahrt für die nächste Generation."

"Das hieß es das letzte Mal auch schon", rief Irma. "Und dann mussten wir wieder ran! Noch einmal zieh ich diese gestreifte Strumpfhose nicht an!" Die anderen lachten über ihren Schwur. "Ich meine das ernst!"

"Daran zweifle ich nicht", meinte das Orakel ruhig. Auch ihn schien ihr Ausbruch amüsiert zu haben. "Die nächste Generation an Wächterinnen wird vermutlich bald erwählt werden."

"Bis dahin sollte Meridian sich also hüten, wieder in Gefahr zu geraten!"

"Irma!", schalten sie ihre Freundinnen. Will setzte fort: "Also sollen wir das Herz von Kandrakar wieder an einem sicheren Ort aufbewahren, sobald wir zurück in Heatherfield sind. Dann sollten wir uns besser von allen verabschieden. Können wir gehen?"

"Ja. Ich wünsche euch für eure Zukunft alles erdenklich Glückliche." Sie drehten sich um zum Gehen, nur Cornelia blieb stehen. "Du hast noch etwas zu sagen?"

"Ja, das habe ich", meinte sie zögerlich. "Es geht um die Portale."

"Was ist damit?"

Sie biss sich auf die Lippen. Nun hing alles davon ab, wie sie die Situation schildern würde. Zögerlich begann sie zu erklären. "Die Portale mussten damals geschlossen werden, um Phobos den Zugang zu Elyon zu verwehren. Aber nun, da alle Gefahren gebannt sind, frage ich mich, wieso wir die Portale nicht offen lassen können. Ich verstehe schon, dass es ein Risiko birgt, wenn wir sie immer geöffnet lassen, aber wenn wir das Herz von Kandrakar aktiviert lassen würden und die Portale nur dann öffnen, wenn wir sie brauchen … Meridian ist eine zweite Heimat geworden. Uns verbindet so viel mit diesem Land, dass ich es unfair finden würde, wenn wir für immer Abschied nehmen müssten."
 

Das Orakel folgte ihrem Blick zu dem jungen Mann, der hinter ihr stand und ihre Hand ergriffen hatte. Überlegend schloss er die Augen. "Das wäre möglich. Aber das Herz von Kandrakar wird bald an die neuen Wächterinnen übergehen. Was macht ihr dann? Ihr könnt es nicht behalten."

"Oh", sagte sie enttäuscht. Es musste doch eine Lösung geben. Vielleicht … "Und wenn wir ein anderes Artefakt mit dieser Fähigkeit ausstatten? Elyon kann es gewiss. Wenn Ihr es nicht erlaubt, werde ich Elyon einfach so fragen und sie wird es für mich tun! Es ist die einzige Möglichkeit, wie … wie ich glücklich bleiben kann." Eine Welle der Verzweiflung staute sich in ihr an, doch sie unterdrückte sie.

Die Sekunden, bis das Orakel antwortete, waren eine Qual. Sie hatte geblufft. Und das auch noch schlecht. Elyon würde derartiges nicht ohne der Zustimmung des Orakels tun. Und dann öffnete er den Mund. "Dir bedeutet dieser Mann sehr viel, nicht wahr?"

"Er bedeutet mir alles."

Er lächelte brüderlich. "Ich würde dir gerne helfen, aber ich kann es nicht. Portale zu kreieren ist nicht einfach nur eine banale Fähigkeit. Sie ist sehr komplex und schwierig zu kontrollieren. Man kann sie nicht einfach spalten und übertragen. Es ist eine uralte Macht. Nicht einmal Elyon kann das."

Cornelias Griff festigte sich um Calebs Hand. "Aber gibt es keine andere –"

"Nein." Das Orakel verschränkte streng die Arme. "Eigenmächtig zwischen den Welten zu pendeln, ist eine heikle Angelegenheit. Aber vielleicht könnt ihr eure Freundin Elyon dazu überreden, ab und an ihrer alten Heimat einen Besuch abzustatten."
 

"Natürlich. Sehr gerne sogar."

Elyon strahlte über ihr ganzes Gesicht. So einfach war es gewesen, sie dazu zu überreden.

"Du machst es also?", fragte Cornelia erleichtert.

"Wieso auch nicht? Ich sehe keinen Grund, wieso ich nicht manchmal Urlaub machen dürfte. Und selbst wenn ich viel zu tun habe, ein Portal kreieren ist keine Schwierigkeit für mich." Sie zwinkerte Caleb zu. "Aber reicht es euch, euch bloß einmal die Woche zu sehen?"

"Es ist besser als nichts", sagte er mit gesenktem Blick. "Und wer weiß schon, wohin es sich entwickelt?" Cornelia ließ sich bereitwillig enger an seine Seite ziehen und lächelte selig in sich hinein. Sie hatten so viele Schwierigkeiten überstanden, so viele Probleme gemeistert. Sie lebten in zwei verschiedenen Welten und das würde immer so bleiben, aber ihre Liebe hatte Jahre überdauert, ohne einander ein einziges Mal zu sehen. Für den Moment genügte es ihnen. Es musste ihnen genügen und wer wusste schon, was in ein paar Jahren war? Fürs erste hatten sie sich. Und das zählte. Sie hatten so lange eine Liebe gelebt. Eine Liebe, die nicht sein sollte.
 

Zumindest noch nicht damals.



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