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Rewind And Reflect

[Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]
von

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Final


 

… You cried just now …
 

Z W E I U N D Z W A N Z I G
 

"Sie hat uns getäuscht!", schrie Irma verärgert.

"Nein, ich habe nur meine Meinung geringfügig geändert", stellte Phoebe richtig. Ihr langes Haar, das ähnlich wie Elyons vorne zu zwei Zöpfen geflochten war, wehte im selben Takt im Wind wie auch ihre lange Robe, die in blassem Blau erschien. "Ich dachte mir: Wieso nur Meridian erobern, wenn ich die Erde auch noch haben kann? Der Plan war perfekt. Und wie leicht ihr in die Falle getappt seid, die ich sorgsam ausgelegt habe!"

"Davon träumst du", keifte Irma. "Wir haben Blights oder Odins oder wessen List auch immer durchschaut!"

"Was kümmert mich Odin? Er war doch nur eine Ablenkung. Egal was er tat, er tat es für sein Vergnügen. Es gehörte nicht zu dem, was ich mir für euch ausgedacht habe. Erst einmal musste ich euch irgendwie davon überzeugen, dass ich nicht am Herz von Kandrakar interessiert war und somit nicht für euch Wächterinnen eine Bedrohung darstellte, sondern für Meridian. Meridian war mir zu diesem Zeitpunkt in Wahrheit nicht wichtig. Das war es nie, um ehrlich zu sein. Was kümmert mich dieses Land, das mich verdrängt und beraubt hat? Um keine Macht der Welt würde ich über dieses niederträchtige Reich herrschen. Aber, dass alle das glaubten, war unerlässlich. Wie hätte ich sonst verbergen können, an was ich wirklich interessiert war?"

"Und an was warst du interessiert?", fragte Will mit verengten Augen. Sie fixierte Phoebe, um keine ihrer Bewegungen unbemerkt zu lassen. "Wenn nicht an dem Herz und an dem Königreich, an was dann?"

"Natürlich bin ich am Herz von Kandrakar interessiert! Ihr solltet nur nicht glauben, dass ich es bin. Eure erste Vermutung war ganz richtig. Odin sollte es mir beschaffen, darum schickte ich ihn und seine kleinen Freunde auf die Erde, wo sie es für mich holen sollten. Aber das funktionierte, wie ihr wisst, nicht so richtig. Stattdessen haben diese Versager ihre eigenen zwecklosen Spiele mit euch gespielt. Nachdem ihr also davon überzeugt ward, dass das Herz nicht mein Hauptziel ist, was eigentlich von alleine geschah, konnte ich mich an Ruhe daran machen, mir seine Macht zu Eigen zu machen."

"Was soll das bedeuten?" Unwillkürlich umschloss Will den Kristall beschützend.

Phoebe lachte amüsiert. Es echote laut im Wind wider. "Wann immer ihr die Macht des Herzens benutzt habt, habe ich einen Teil dieser Macht absorbiert. Hättet ihr gewusst, worauf ich abzielte, hättet ihr es gewiss nicht so sorglos benutzt, nicht wahr? Ihr wusstet, dass meine Kräfte an ihrem schwächsten Punkt sind, wenngleich sie auch existieren. Um sie zu regenerieren brauchte ich aber nicht das Herz von Kandrakar, nein. Ich brauchte nur seine Kraft. Und diese Kraft habe ich aus ihm herausgezogen, sobald sie durch eure Unbedachtheit freigesetzt wurde, ebenso wie ich dem Boden seinen Spirit raubte!"

Cornelia erschrak. "Also konntest du auch Elyons Macht absorbieren, als ich ihren Ring aktivierte?"

"Nein, denn einen solchen Ring gab es niemals!" Noch während Phoebe diese Worte aussprach, spürte Cornelia, wie der Ring an ihrem Finger verschwand. "Elyon wusste, wie gefährlich es war, solche Artefakte zu kreieren und auch ihre Berater rieten ihr damals davon ab. Was du getan hast, war nichts anderes als meine Fähigkeit, Portale zu kreieren. Es war alles Täuschung, vom Anfang bis zum Ende."

"Das heißt, Meridian ist in Sicherheit?", fragte Caleb hoffnungsvoll, aber skeptisch.

"Nicht ganz", meinte Phoebe geflissentlich lächelnd. "Das Herz von Kandrakar ist mein Hauptziel, aber wenn ich schon einen Krieg vorbereitet habe, wenn auch nur zur Täuschung, warum den Krieg nicht tatsächlich führen? Meridian wird sozusagen ein kleiner Bonus. Ich werde es einnehmen und dann vernichten! Inzwischen dürfte der Kampf in vollem Gange sein."

"Nein!", rief Cornelia entsetzt. Sie spürte, wie Calebs Hand die ihre fasste, aber das vermochte sie nicht zu beruhigen. "Wir müssen nach Meridian!"

"Aber erst", entschied Will angriffslustig, "machen wir diese Schreckschraube da vorne fertig! Wir sind immerhin sechs und sie ist eine. Das dürfte nicht schwer werden, nicht wahr?"
 

Ohne weitere Worte zu verlieren, stürmte sie auf Phoebe zu, die allerdings wenig beeindruckt schien. Mit einem flüchtigen Schritt zur Seite wich sie aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Nun war es an ihr, zurückzuschlagen: Sie formte einen Energieball, den sie wie zufällig auf Will fallen ließ. Als er ihre Haut erreichte, schrie sie laut auf. Der Ball war unglaublich heiß und scharf.

"Ihr dachtet im Ernst, es wäre so einfach? Warum glaubt ihr, hat man meinen Bruder und mich voneinander getrennt? Meine Macht ist der seinen um ein Vielfaches überlegen, nun, da ich sie wieder habe!" Mit einem diabolischen Gesichtsausdruck ließ sie eine Vielzahl von weiß leuchtenden Energiebällen vom Himmel fallen. "Ich werde mir auch noch den Rest von der Macht holen, die mir zusteht!"

"Dir steht gar nichts zu und schon gar nicht das Herz von Kandrakar!", fuhr Will sie wütend an. Sie schickte Strom durch ihre Hände und lenkte die Blitze auf ihre Gegnerin, aber diese wehrte den Angriff mühelos mit einer Wegwischgeste ab. Es schien, als wäre sie nicht einmal annähernd verwundbar.

"Wir sollten es zusammen versuchen!", schlug Cornelia vor. "Aber erst musst du ein Portal nach Meridian öffnen, Will!"

"Wieso?" Irma, Taranee und Hay Lin versuchten inzwischen Phoebe in Schach zu halten.

"Caleb." Cornelia wandte sich ihm zu und nahm seine Hände. "Du musst ihnen helfen. Versuch Elyon aufzuwecken oder sonst was, sie brauchen dich."

"Ich kann dich nicht alleine lassen."

"Du musst", beschwor sie ihn mit Nachdruck. Für Liebeserklärungen blieb keine Zeit mehr. "Ich komme nach, sobald wir hier fertig sind. Vertrau mir. Meridian braucht dich mehr als wir." Will hatte indes bereits das Portal unüberlegter Weise geöffnet. Die Auswirkungen bekamen die Kämpfenden sofort zu spüren; Phoebe gewann ein wenig an Macht und die Wächterinnen hatten mehr Mühe, ihre Attacken abzuwehren oder gar eigene zu starten.

"Bis später", sagte Caleb schließlich und hechtete durch das Portal. Will schloss es schnell wieder.

"Und nun zu dir, du alte Hexe!", rief sie. "Jetzt, wo alle möglichen Kollateralschäden minimiert sind, können wir so richtig anfangen!"

"Große Worte für eine kleine Fee!"

"Wir. Sind. Keine. Feen!", brüskierten sich alle Wächterinnen zugleich. Wie auf Kommando formierten sie sich vor Phoebe. Zugleich beschworen sie ihre Elemente herauf, ohne einen echten Plan zu haben. Sie hofften einfach, dass sie stark genug sein würden, um mit ihrer magischen Kraft zu siegen. Die Elemente vermischten sich vor ihnen zu einem wuchtigen leuchtender Brocken, den sie auf Phoebe schleuderte. Ein markerschütternder Schrei erschütterte die Umgebung, als das Ungetüm auf die Gegnerin traf.
 

"Sollte es echt schon vorbei sein?", fragte Taranee zweifelnd, nachdem es still geworden war. Phoebe lag zitternd mit verbrannter Haut auf dem Boden.

"Ich denke nicht. Schau!" Will deutete auf das Feld. Wo vor Kurzem noch eine Prinzessin gelegen hatte, wand sich nun eine leere Hülle, die sich im Nichts auflöste. "Sie hat uns abgelenkt! Sie hat uns einfach ferngehalten, während in Meridian der Krieg tobt …"

"Aber warum hat sie uns dann gesagt, dass sie Meridian auch angreift?", warf Taranee ein. "Das macht keinen Sinn. Wenn sie uns wirklich mit diesem Manöver ablenken wollte, dann hätte sie doch voraussehen müssen, dass wir sicherlich nach unserem Sieg über sie nicht sofort nach Meridian zurückkehren. Aber jetzt werden wir es tun und mitmischen. Was ergibt das für einen Sinn? Ich werd's dir sagen: keinen!"

"Denk logisch, Taranee", beharrte Will auf ihrer Theorie, "jetzt glauben wir, es wäre eine weitere Falle. Sie möchte uns nur verwirren. Mit den vielen Ebenen, die sie geschaffen hat, bezweckt sie nur, dass wir nicht mehr wissen, was wir glauben sollen und müssen. Egal was ihr Plan ist, wir müssen nach Meridian."

"Will hat recht", pflichtete Cornelia bei, die Arme verschränkt und die Augenbrauen sorgenvoll zusammengezogen. "Öffne das Portal."
 

"Wartet!"

"Ach du lieber Himmel", murmelte Will. Sie brauchte sich gar nicht umzudrehen, um die Stimme einer Person zuzuordnen – und es war gerade die Person, die sie als letztes brauchen konnte. "Matt! Wie kommst du hierher, wie hast du uns gefunden und was machst du hier, um Gottes Willen?"

Nach Luft ringend hielt er sich die Seite, als er endlich bei den Mädchen ankam. Nachdem er wieder einigermaßen atmen konnte, setzte er zu einer Erklärung an: "Ich wohne dort", er zeigte in Richtung Stadt, "das weißt du doch."

"Ja und?", unterbrach Will wirsch. "Geh nach Hause! Ich bitte dich!"

"Ich habe Cornelia vorbeifahren gesehen und sie sah panisch aus, also bin ich ihr hinterher, aber ich habe sie verloren. Du bist echt schnell! Dann habe ich euch gesucht und als ich ein paar Lichtblitze sah, bin ich hierher gelaufen. Das konntet nur ihr sein."

"Geh. Nach. Hause. Bitte", wiederholte Will eindringlicher. Sie ging auf Matt zu und lehnte ihre Stirn an die seine. Mit geschlossenen Augen flüsterte sie: "Ich flehe dich an, Matt, verschwinde, solange du es noch kannst. Das ist nicht dein Kampf."

"Aber es ist dein Kampf." Er zog sie in eine feste Umarmung und vergrub das Gesicht in ihrem kurzen Haar. "Und alles was ein Teil deines Lebens ist, wird auch zu einem Teil meines Lebens. Wir sind ein Team, schon vergessen? Ich könnte mir niemals verzeihen, wenn dir etwas passiert."

"Müssen wir das schon wieder durchkauen?" Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn flüchtig.

Hinter der Szenerie sahen sich die anderen Wächterinnen irritiert an. "Wann ist denn das passiert?", fragte Irma.

"Sieh nicht mich an", meinte Cornelia, "ich weiß von nichts!"

"Ist doch egal, das ist so romantisch!", schwärmte Hay Lin.

Taranee enthielt sich einer Aussage darüber. Sie hielt es eher für angemessen, die Anwesenden zur Eile zu treiben. "Egal für was ihr euch entscheidet, tut es schnell! In Meridian tobt ein Krieg und nur wir sind in der Lage, diesen zu beenden. Will, öffne das Portal."

Will tat, wie ihr geheißen. "Wir spiele Schere Stein Papier darum. Auf drei. Eins. Zwei. Drei."

Matt lächelte selig. "Papier schlägt Stein."

Sie verdrehte die Augen. "Okay, komm mit, aber ich warne dich", sagte sie eindringlich. "Wenn du stirbst, belebe ich dich wieder, um dich erneut umzubringen."

"Soll das witzig sein?" Doch statt zu antworten gingen sie nacheinander durch das Tor und als sie auf der anderen Seite waren, erwartete sie ein schreckliches Bild.
 

Feuer, Rauch, Blut und Tote waren nur wenige von vielen Grausamkeiten, die ihre Augen erfassten. Überall ertönte metallisches Klirren, als die Schwertschneiden der Soldaten aufeinander trafen. Auf einem Dornenthron über dem blutigen Geschehen sitzend, besah Phoebe mit sichtlich genüsslicher Genugtuung das Spektakel. Sie hatte das Kinn neckisch auf den Handballen gestützt und die Beine übereinander geschlagen.

"Ich mach sie fertig, diese Kuh!", kreischte Irma mit einem mordlustigen Glitzern in den Augen. "Bei Gott, ich schwöre, die ist so was von fällig!"

"Bewahr lieber einen kühlen Kopf, bevor du noch draufgehst", mahnte Cornelia streng. Sie war die einzige, die sich ihre Sorge nun nicht mehr anmerken ließ. Alles war wie weggewischt. Es zählte nur eines: der Sieg. Egal um welchen Preis. Egal mit welchen Mitteln.

"Cornelia, denkst du, du kannst dich konzentrieren, wenn du Caleb in Gefahr weißt?", fragte Will skeptisch. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Freundin zu so viel Gleichgültigkeit beziehungsweise Selbstbeherrschung fähig war. "Wenn nicht, dann gefährdest du uns alle und solltest lieber erst Caleb suchen und dich vergewissern, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht."

Cornelia zögerte.

"Das dachte ich mir", sagte Will nickend. "Du gehst mit Matt ins Getümmel, während wir uns Phoebe vorköpfen. Wir schaffen es aber nicht ohne dich." Als sie merkte, dass Cornelia aus schlechtem Gewissen nicht gehen konnte, korrigierte sie: "Vergiss den Plan wieder. Wir brauchen Elyon! Such sie und weck sie auf, egal wie!"

"Ich kann euch nicht alleine lassen!", wehrte sich Cornelia. Das konnte sie wirklich nicht. Natürlich erkannte sie die Chance, die ihr Will hab. So konnte sie erst Caleb suchen und brauchte sich keine Vorwürfe machen, ihre Freundinnen im Stich gelassen zu haben. Und dennoch…

"Jetzt hör mir mal zu, Fräulein!", schrie Will sichtlich verärgert. "Ich befehle dir, Elyon zu suchen, sie zu finden und sie aufzuwecken! Also geh jetzt, sonst werde ich wütend! Und Matt" – sie wandte sich mit mahnendem Blick an ihn – "wehe dir, du stirbst. Hörst du? Wehe dir!"

"Keine Sorge." Er gab ihr einen lebevollen Kuss auf die Stirn

"Danke", sagte Cornelia schlicht. Matt zwinkerte Will nur noch aufmuntern zu, dann lief er Cornelia nach, die aber schon nach kurzer Zeit abhob, um einen besseren Überblick zu haben.
 

In der kämpfenden Menge war der braune Mantel einfach unverwechselbar. Cornelia brauchte nicht lange, um ihn zu finden.

"Caleb!", rief sie, als ein Schwerthieb auf ihn niedersauste, den er wegen eines vorherigen Manövers nicht abblocken konnte. Blitzschnell landete sie vor ihm, riss die Arme zur Seite und ließ sie Wurzeln aus der Erde ragen, die wie ein Schutzschild vor ihn wucherten. In letzter Sekunde fingen sie den Schlag ab, bevor er auf Cornelias Körper traf. Er war so kräftig gewesen, dass die Klinge der Waffe in den Wurzeln stecken blieb. Cornelia erkannte ihre Chance und ließ die Pflanzen mitsamt dem Schwert wieder in der Erde verschwinden. "Alles in Ordnung?"

"Es war eine Falle!"

"Wissen wir."

"Du hast mir das Leben gerettet."

"Wieder einmal." Sie half ihm auf und wollte sich schon umdrehen, doch Caleb hielt sie fest. Im Schutz der kämpfenden Meute, in der jeder bereits einen Gegner hatte, konnten sie es sich für einen Augenblick leisten, das Grauen zu vergessen. "Was ist?"

"Cornelia … ich kann das echt nicht gut formulieren, aber ich habe das Gefühl, dass es jetzt sein muss."

"Nein", wehrte sie mit fahriger Stimme ab. "Das hört sich an, als würdest du zweifeln, danach noch am Leben zu sein."

"Das ist es nicht. Ich kann damit einfach nicht länger warten. Weißt du noch, als ich dir sagte, ich könne das nicht sagen, was ich so gern sagen wollte, weil ich mir nicht sicher bin, inwieweit ich möchte, dass du es weißt?"

"Bitte, was?", fragte sie verwirrt.

"In der Nacht, als wir – egal." Er umfasste ihre Hände und küsste ihren Handrücken. "Hör zu, das, was ich dir sagen wollte, dessen war ich mir sicher. Schon immer! Aber ich wollte es nicht sagen, weil ich Angst hatte, das zuzulassen, was uns beide zerstört! Es wird unweigerlich einen Abschied geben, nachdem diese Sache hier vorbei ist! Dabei wollte ich mir nur nicht eingestehen, dass das, was ich nicht gesagt habe, doch schon längst real ist! Verstehst du?"

"Nein!", rief Cornelia. Ihre Stimme ging in der Lautstärke des Krieges beinahe gänzlich unter. "Ich verstehe nicht! Du redest wirres Zeug!"

"Ich liebe dich!"
 

Und plötzlich war es ganz ruhig. Es war, als wären sie in ihrer eigenen Welt. Einer Welt, in der es kein Morgen gab, nicht einmal eine nächste Minute. Es gab nur sie und diesen Augenblick, der von einer Zärtlichkeit geprägt war, die Cornelia Tränen in die Augen trieb.

"Du blöder Idiot!", schrie sie, als sie sich wieder gefasst hatte. Wütend trommelte sie mit ihren Händen gegen seinen Brustkorb. Caleb zog sie in eine Umarmung, als er merkte, dass sie weinte. "Wieso?" Cornelias Stimme war rau; verzweifelt. "Wieso sagst du das jetzt? Wir hätten es beinahe geschafft, das alles heil zu überstehen! Du wärst deinen Weg gegangen und ich meinen. Alles, das wir durch unsere Abneigung gegeneinander aufgebaut haben, ist dahin!"

Er schüttelte den Kopf. "Es war bereits dahin, als wir uns das erste Mal wiedergesehen haben. Cornelia, Liebste." Entschlossen nahm er ihren Kopf in seine Hände, um sie dazu zu zwingen, ihn anzusehen. Cornelias wunderschöne blaue Augen waren vom Weinen gerötet. Ihre Unterlippe zitterte. "Wir finden eine Lösung. Ich verspreche es dir. Wir finden eine Lösung, hörst du?" Wie ein Mantra sagte er sich diese Worte und Cornelia wiederholte sie in Gedanken. Er glaubte daran, sie konnte es nicht. Doch nun war nicht die Zeit, um darüber zu diskutieren. Sie hatten schon zu viele kostbare Minuten verbraucht.

"Ich liebe dich auch", hauchte sie und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund. "Egal was du tust, versuch nicht zu sterben, okay?"

"Pass auf dich auf." Sie küssten sich erneut, ehe Cornelia wegflog, um das zu tun, was eigentlich ihr Auftrag war.
 

Eris war eine kluge Frau, doch sie hatte keinerlei Fähigkeiten, die in einem Kampf nützlich waren. Ihre Intelligenz nützte ihr wenig und angesichts ihrer schwächlichen Arme und der waffentechnisch Unerfahrenheit wäre sie bloß ein Hindernis im Krieg. Da sie also derzeit entbehrlich war, hatte sie sich selbst die Aufgabe auferlegt, Elyon zu bewachen und notfalls mit ihrem Leben zu schützen. Wie genau sie sich das vorgestellt hatte, wusste sie nicht.

"Königliche Hoheit …", flüsterte sie. Elyon war immer noch nicht aufgewacht. "Was kann ich bloß tun? Euer Reich zerfällt. Phoebe ist zu mächtig. Unsere Truppen haben keine Chance gegen sie, nicht einmal mit Unterstützung der Wächterinnen. Wenn Ihr doch nur wach wärt." Eris seufzte. Sie betete dafür, dass niemand sie hier finden würde. Wenn es zum Kampf kommen würde, hätte sie keine Chance. Zwei Stunden war sie nun schon hier, ohne jemanden außer Elyon zu Gesicht bekommen zu haben. Hoffentlich würde das so bleiben.
 

Aber sie hatte sich zu früh der Hoffnung hingegeben.

Plötzlich hörte Eris ein Poltern. Es kam von draußen. Schritte? Eindeutig! Es waren vier schwere Füße, die den Gang entlang rannten. Türen flogen auf, dann ein Scheppern. Sie hatten die Säule mit der teuren Vase umgestoßen. Und dann schlug jemand mit etwas Metallischem gegen die Holztür zum Gemach der Königin. Eris' Augen weiteten sich vor Schreck, als Holzsplitter durch die Luft flogen. Wo vor wenigen Augenblicken noch die Türe gewesen war, standen nun zwei groß gewachsene Ungeheuer mit Morgensternen im Rahmen.

"Hier ist sie! Wir haben sie gefunden!", schrie die raue Stimme des einen. Keine Sekunde später stand ein gutes Dutzend Krieger hinter den beiden. Sie trugen alle verschiedene Waffen, doch eines war ihnen allen gemein: Das hämische Grinsen, das die Vorfreude auf Mord symbolisierte. Sie würde kurzen Prozess mit Eris machen. Trotzdem war sie zu allem entschlossen!

Mit strengem Blick stand sie auf, griff zu dem Schwert, das ihr einer der Wachen dagelassen hatte, und stellte sich schützend vor Elyon. "Erst müsst ihr an mir vorbei!"

Das Größte der Ungetüme lachte amüsiert. "Dürfte kein Problem werden." Er holte mit seinem dreigliedrigen Morgenstern aus und machte einen großen Schritt auf sie zu. Das Geräusch des sausenden Metalls jagte Eris eine Gänsehaut über den ganzen Körper. So schnell würde also das Ende kommen. Das Ungeheuer ließ die Ketten noch ein wenig unheilvoll in der Luft wirbeln, dann zog er sie hoch und schlug zu.

Eris kniff die Augen zu. Das war's, dachte sie bei sich, als sie ein letztes Stoßgebet gen Himmel sandte.
 

Es geschah nichts. Statt dem erwarteten Schmerz hörte sie, wie Metall auf Metall traf. Nur langsam wagte sie es, ein Auge zu öffnen. Vor ihr stand eine Mauer an Palastwachen, die den Angriff abgefangen hatten.

"Eris, seid Ihr in Ordnung?", rief der eine. Sie nickte. "Habt ihr wirklich gedacht, die Königin bliebe nur von einer Aristokratin bewacht in ihren Gemächern, während sie kampfunfähig ist? Wie einfältig!"

"Hmpf, das wirst du bereuen!" Mehr Aufforderung bedurfte es nicht. Der Kampf um das Wohl der Königin begann und er war schon in der ersten Sekunde erbitterter, als alles, was die Wachen jemals getan hatten. Die Gegner waren stark und sie schalteten einen Gardisten nach dem anderen aus, als wären sie alle nur Fliegen. Es dauerte nicht lange, da war nur mehr der Hauptmann übrig. Er hatte keine Chance gegen sieben verbleibende Nachtgestalten – was auch immer sie genau waren. Dass er so schnell versagen würde, hätte er sich nicht erträumen lassen. Und wieder – der größte Gegner holte zum vernichtenden Schlag aus. Nun wusste der Hauptmann, wie sich Eris gefühlt hatte, als sie dem Tod ins Auge blickte. Doch er war weidmannhafter. Er würde die Augen nicht schließen. Er würde kämpfen, bis er nicht mehr konnte!
 

"Ha!", machte das Ungeheuer. "Wie töricht zu glauben, ihr Menschen hättet eine Chance gegen uns! Das war's für dich!" Er riss den Morgenstern in die Höhe, als wolle er ihn sogleich auf den Hauptmann niedersausen lassen. Doch er tat es nicht. Sekundenlang hielt er den Griff über seinem Kopf, ohne etwas zu tun. Hinter ihm schrien plötzlich seine Kameraden. Ihn selbst riss es von den Füßen. Mit einem Knall krachte er zu Boden, so fest, dass sich die Fliesen spalteten. Oder war das etwa…?

Der Hauptmann traute seinen Augen kaum. Im Türrahmen stand breitbeinig mit erhobenen Händen eine schöne blonde Frau. Ihre Haare wehten sanft, obgleich kein Wind wehte.
 

Cornelia hatte in letzter Sekunde eine Ranke wachsen lassen, um den Morgenstern zu halten. Mit einer flüchtigen Handbewegung ließ sie nun hunderte grüne Pflanzententakel durch die Fliesen brechen, bis der Boden einbrach und die Feinde einen Stock tiefer flogen. Mit einer ebenso flüchtigen Handbewegung ließ sie Steine und Trümmer auf sie niedersausen.

"Die machen keine Probleme mehr", sagte sie nüchtern. "Wie sieht es mit Elyon aus?" Aber sie brauchte keine Antwort abzuwarten. Ihre Freundin lag immer noch starr auf dem Bett. "Verdammt. Sie muss doch schon aufgewacht sein! Ich habe Odin doch erledigt!"

"Hast du nicht."

Cornelia fuhr herum. Hinter ihr standen an die Flurwand gelehnt Odin und Collin in ihrer vollen Größe. "Das ist nicht möglich! Ich habe gesehen, wie Phoebe dich getötet hat!"

"Phoebe hat nicht annähernd die Macht dazu, Collin auch nur zu verletzen!", sagte Odin seelenruhig. "Sie ist nichts weiter als meine Marionette. Die ganze Zeit über dachte sie, dass sie die Fäden in der Hand hat – wie selbstverliebt hat sie auf uns herab gestarrt, wo es doch eigentlich ich war, der sie gelenkt hat! Phoebe ist eine mächtige Ex-Prinzessin, die aber nicht allzu intelligent ist. Im Vergleich zu ihr sind meine Kräfte winzig, wohl wahr, aber genau das machte sie zu der perfekten Kandidatin für eine Manipulation. Natürlich ist sie nicht mehr annähernd so mächtig wie einst. Keine Macht der Welt könnte ihr das Maß an Macht geben, das sie einmal hatte. Nicht einmal das Herz von Kandrakar. Nicht einmal die Herzen aller Welten zusammen! Sie ist nun auf dem Gipfel ihrer Stärke, aber das ist kein Vergleich zu dem, was sie früher war. Und dennoch ist sie stärker als die Wächterinnen zusammen. Das sollte dir einen Vorgeschmack auf Elyons Kraft geben. Elyon ist die einzige, die es schaffen würde, Phoebe zu vernichten. Aber unsere liebste Königin ist verhindert, wie ich sehe. Was für ein Pech."

"Ich hab die Nase gestrichen voll!", kreischte Cornelia dazwischen. Sie stampfte mit einem Fuß am Boden und warf die Haare zurück. "Langsam reicht es mir echt. Ich blick nicht mehr durch! Phoebe, Blight, Odin, Collin – das ist doch nicht mehr lustig! Ich verlier' hier die Geduld! Entscheidet euch bitte mal, wer genau jetzt eigentlich unser Hauptfeind ist, denn dieses ganze unbeständige Bäumchen-wechsel-dich-Spiel hat schon beim ersten Mal seinen Witz verloren!" Keuchend rang sie um Fassung. Der Stress der letzten Tage hatte so lange an ihren Nerven gezehrt, bis sie gerissen waren. "Es ist genug." Cornelia schnappte völlig außer Atem nach Luft. Doch der Knoten war geplatzt. Sie spürte eine warme Energie durch ihren Körper strömen, als sie sich beruhigte. Plötzlich fühlte sie sich, als könne sie alles mit Leichtigkeit schaffen – nein, das konnte sie tatsächlich. Sie konnte nicht nur, sie würde. Und hätten Odin und Collin geahnt, was in Cornelia vorging, hätten sie sicherlich nicht den größten Fehler ihres Lebens begangen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2011-06-04T00:21:47+00:00 04.06.2011 02:21
Hammer Kapi^^


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