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Rewind And Reflect

[Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]
von

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Versus


 

… Now with the wind pushing our back,

we can move on together …
 

S E C H Z E H N
 

Was Cornelia zu tun gedachte, blieb fraglich, doch der Schlaf der Gerechten war ihr nicht vergönnt. Einerseits hätte sie nicht eher Ruhe gefunden, bis sie das sich Zugetragene mit Will geteilt hatte, andererseits wollte sie in ebendieser Ruhe darüber schlafen, um sich dessen klar zu werden, was eben passiert war. Die Entscheidung, die bei ihr gelegen hatte, bis sie im Zelt war, wurde ihr jedoch sofort abgenommen.
 

"Na, wie war's?", fragte Irma mit schelmischem Unterton. "Habt ihr ein wenig geschmust? Au! Das war mein Fuß!", stöhnte sie, da Cornelia in der Dunkelheit auf sie getreten war.

"Echt? Verdammt. Ich dachte, ich würde dein Gesicht erwischen", zischte diese boshaft.

"Los, erzähl schon! Wir wissen doch alle, dass du schon wieder in ihn verschossen bist." Sogar in der absoluten Schwärze der Nacht konnte Cornelia Hay Lins Grinsen sehen und sie wünschte, es ihr mit den Fingerkuppen nach unten ziehen zu können. Doch stattdessen trat sie auch ihr, wenngleich unbeabsichtigt, auf den Fuß. "Nach links! Au, das andere Links!"

"Von mir oder dir aus?"

"Von mir aus natürlich! Also jetzt rechts! Au, nein, das andere Rechts!"

"Aber das ist rechts! Ich stehe jetzt mit dem Rücken zu dir!"

"Dann links!"
 

Diese und ähnliche Szenen wurden in einem penetranten Flüsterton gesagt, sodass die noch wachen Gefährten in den anderen beiden Zelten ein lautes Lachen unterdrücken musste. Doch nachdem die Navigation von Hay Lin Früchte getragen hatte und die fünfte Frau im Viermannzelt untergebracht war, fanden die anderen Wächterinnen endlich Zeit, Cornelia weiter auszufragen; diesmal jedoch so leise, dass niemand anderer außer sie selbst die Unterhaltung hören konnte.

"Ich sage euch nichts darüber, okay?" Wie schön gelogen das war! Fünf Aufforderungen später, die ohne große Anstrengung vorgebracht worden waren, rückte sie schlussendlich doch mit der Sprache heraus. Sie erzählte haarklein die Details der Unterhaltung, zerrupfte jede Silbe, um sie zu analysieren und rang ihnen dann das Versprechen ab, niemanden etwas davon wissen zu lassen, nur um im Endeffekt viel aufgewühlter zu sein als vorhin. Sie waren inzwischen alle über das Alter heraus, in dem man Kichernd über derartige Gefühle im Dunkeln nebeneinander lag und den Nachnamen des Geliebten gepaart mit dem Vornamen der verliebten Freundin ausprobierten, zumal Caleb wohl keinen Nachnamen hatte und Cornelias Empfindungen wohl kaum auf einem Level waren, an dem sie solche Späße verkraften hätte können. So beschränkten sie sich darauf, ihr zuzuhören, aufrichtige Anteilnahme zu spenden und einen einzigen Vorschlag zu machen, der Nichtstun zum Inhalt hatte.

"Ich finde, das wäre das Beste", stimmte auch Irma dem Rat zu, der ursprünglich von Taranee gekommen war. "Du kannst bisweilen wenig tun. Wir haben außerdem andere Probleme, die Vorrang haben. Und noch mal außerdem, ich möchte dir nicht deine Welt zerstören, aber er wird wieder in Meridian bleiben, während du zurück zur Erde gehen wirst."

"Das weiß ich alles", murmelte Cornelia nachdenklich. "Ich gedenke auch nicht, wieder eine Liebesbeziehung mit ihm einzugehen. Zumal er dem ja eher abgeneigt scheint."

"Nach dem was du erzählt hast, scheint er dem ganz und gar nicht abgeneigt zu sein", korrigierte Will ernst. "Ich möchte dir wirklich nicht in dein Leben pfuschen, das weißt du, aber ich denke auch, du solltest das Ganze nicht zu sehr wieder hochkommen lassen. Wenn es sein muss, unterdrück es mit Gewalt. Am Ende verletzt es dich ohnehin wieder."

"Hm."

Und damit war das Gespräch beendet.
 

Der nächste Morgen brachte vor allem eines: Regen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie einem Unwetter unterliegen würden, jedoch hatten sie alle gehofft, dass es noch etwas auf sich warten ließe. Die Hoffnungen, so wie meistens, wurden jedoch bitterlich enttäuscht, und da die Zelte jeweils nur vier bis fünf Mann fassten, musste man sich wohl oder übel in den eigenen Unterschlüpfen aufhalten. Zu ihrer aller Glück misste aber kaum jemand die Gesellschaft der Unerreichbaren, denn die einzigen, die eng verbunden waren, waren Cornelia und Caleb, wobei eben diese beiden sehr froh waren, der Anwesenheit des jeweils anderen ohne erlogene Entschuldigung zu entgehen.

"Hätten wir die Eingänge ins Innere gelegt, dann hätten wir miteinander reden oder uns zumindest anschauen können", murrte Irma, doch niemand nahm sie ernst, denn sobald schlechtes Wetter war, stieß sie unentwegt Flüche aus, die sie nicht einmal selbst für voll nahm. Viel wichtiger war nämlich die Frage, wie sie an Essen kommen sollten. Der gesamte sorgfältig angelegte Vorrat befand sich in den anderen beiden Zelten, da sie Herren der Schöpfung sich bereit erklärt hatten, den zusätzlichen Ballast auf sich zu nehmen, um die zarten Schultern der Damen zu entlasten. Da hatten sie also den Salat. Sie hier, Essen wo anders. Das einzige, das in dem Damenzelt essbar war, waren ein halber Kilo Schokoriegeln und drei Eiskaffeebecher vom Erdensupermarkt, um die sich nun vier missgelaunte Frauen stritten, als wären sie Diamantketten.

Die Glücklichen, die den Schatz erbeuteten, waren Will, Hay Lin und Irma, die jedoch freundschaftlich mit der Verliererin, Cornelia, teilten, womit der vorherige Kampf als unnötig in die imaginären Geschichtsbücher einging.
 

"Es ist wirklich langweilig, nur zu sitzen und zu warten", murrte Irma erneut.

"Der arme Matt…" Will hatte ihre Bemerkung übergangen. "Nicht, dass ich ihm nicht ein hartes Los wünschen würde – das würde dem Sturkopf schon ganz gut tun –, aber gleich das?" ihr entkam ein Seufzer. "Könnt ihr euch das vorstellen? Matt zusammen mit Caleb, Aldarn und Drake in einem Zelt! Der Arme." Ihr Blick schweifte hinaus in den strömenden Regen, denn sie hatten die Eingangstüre des Zeltes über dessen Spitze geschlagen, um freie Sicht auf die vor ihnen liegende Umgebung zu haben. Alle anderen Zelte hatten dies auch getan, um ein ideales Radar zu gewährleisten, das Angreifer schon von Weitem erspähen konnte. "Wisst ihr was? Ich werde ihnen kurz einen Besuch abstatten und nachsehen, ob er noch lebt."

"Bring was zu Essen mit!", rief Irma ihr nach. Als Unterstreichung knurrte ihr Magen fürchterlich.

Nicht nur das Wetter zehrte an ihren Kräften, auch die Kälte, die unbequeme Schlafgelegenheit, die Sorge und die fehlende Erholung raubten den auf diesem Gebiet des Kampfes unerfahrenen Wächterinnen die Energie. Sie glaubten allesamt, nicht einen Schritt tun zu können, als plötzlich ein gellender Schrei durch den Regen schnitt. Er kam eindeutig von Will. In Sekundenschnelle waren alle in den Regen gestürmt. Und was sie sahen, gefiel ihnen ganz und gar nicht.
 

Schneller als erwartet hatten die erwarteten Feinde den Angriff gewagt und nun doch den Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Die Angegriffenen waren unvorbereitet, geschwächt, unformiert. Sie hatten keinen Kampfplan, keine Energie. Trotzdem waren sie voller Eifer, diese Sache hinter sich zu bringen. So standen also scheinbar übermächtige Gegner vor ihnen – Blight, Collin, Ophra, Mitchem, Armand und Jack.
 

"Letztes Mal stand es sechs gegen sechs", rief Will durch den strömenden Regen über die Lichtung, an deren Rand die Feinde urplötzlich aufgetaucht waren. "Aber dieses Mal steht es sechs gegen elf! Ihr habt keine Chance!"

"Das werden wir sehen", rief Collin erregt zurück. Dann stürmte er auch schon los, ohne auf ein Signal zu warten.

"Wächterinnen, seid vereint!", konterte Will ebenso erregt.

Schnell war eine Verteilung gefunden, in der gekämpft wurde, doch diese Paarungen blieben nicht lange bestehen. Blight schaffte es durch die Kraft der Erde, die in seinem Besitz nichts von ihrer Mächtigkeit eingebüßt hatte, die Kontrahenten immer wieder zu trennen, um sie anderen Gegnern zuzuweisen, die eher die Chance hatten, die Guten zu besiegen. Kampfesgebrüll, Schwerthiebe und akustische Untermalungen schallten binnen weniger Sekunden über das nunmehrige Schlachtfeld.
 

Cornelia kam sich beim Anblick des Kampfes schrecklich hilflos vor. Sie musste mit ansehen, wie Irma von Mitchem zu Boden geworfen wurde, wie Taranees Kräfte angesichts des Niederschlags ihren Dienst versagten, wie Will unüberlegter Weise einen Blitzschlag losließ, der auch Drake und Hay Lin traf, und sie musste mit ansehen – und das war vermutlich das Schlimmste –, wie sie alle ihr Bestes gaben, während sie selbst an den Rand des Geschehens verbannt worden war, um ohnmächtig Angst auszustehen. Beistand leisteten ihr nur Caleb und Matt, die sich entweder aus Sorge oder auf Wills Befehl hin schützend um sie gestellt hatten, um im Notfall agieren zu können.
 

"Ich brauche hier Hilfe!", schrie Taranee. Die Hilfe kam in Form von einer großen Wasserfaust, die Irma über Armand ergoss. "Danke! Pass auf!" Armand hatte sich wieder aufgerappelt, um zu einem seiner Meinung nach vernichtenden Schlag auszuholen. Wenn er auch keine speziellen Kräfte hatte, so hatte er zumindest eine unmenschliche Schnelligkeit, gepaart mit übernatürlicher Stärke. Unbemerkt von aller Augen hatte er einen Baum entwurzelt, den er nun mit voller Kraft auf Irma schleuderte. In letzter Sekunde konnte Will den Baum mit einem Blitzschlag zerbersten lassen und nahm dabei sogar in Kauf, Kollateralschäden zu verschulden. Der Stamm zerfetzte in tausende kleine Teile, die zusammen mit den immer dicker werdenden Regentropfen zum durchweichten Erdboden schnellten. Einige davon trafen Feinde, einige Verbündete, doch den Hauptschaden erlitt Armand. Er wurde von dem Blitz getroffen, als dieser, ebenso wie ein heißes Messer durch Butter glitt, den Baumstamm durchdrang. Der elektrische Schlag gepaart mit dem Regen durchfuhr seinen Körper. Zurück blieb ein nachhallender Schmerzensschrei, der einem leblosen, verbrannten Körper entwichen war.

Doch der Schrei erschütterte niemanden sonst, außer die gerade nicht Kämpfenden. Der Rest war zu konzentriert, als dass er die glückliche Wendung bemerkt hätte. Was jedoch sehr wohl bemerkt wurde, war, dass nun noch mehr Verbündete gegen die Angreifer kämpften und diese positive Tatsache wirkte sich rasant auf den Verlauf des Kampfes aus.

Es folgte jedoch eine allgemeine Veränderung im Kampfstil der Gegner, denn wenn sie vorhin darauf erpicht waren, alle voneinander zu trennen, so gingen sie nun allesamt auf Will los – auf die Trägerin des Herzens von Kandrakar. Es gereichte den Wächterinnen und ihren Helfern sehr zum Vorteil, was die Feinde wenig bis gar nicht bedacht hatten. Denn praktisch gesehen, wenn theoretisch auch dieselbe Rechnung, konnten neun gegen fünf mehr ausrichten als zwei oder einer gegen einen.

"Neue Strategie, Leute", informierte Will. "Wir brauchen Caleb hier und zwar dringend!" Der Gerufenen gab seinen Platz neben Cornelia sichtlich nur ungern auf, doch sie schien keinerlei Gefahr zu unterliegen, denn der Fokus des Kampfes lag rein auf dem Kristall um Wills Hals. "Caleb, konzentrier dich mit den Schwertkämpfern eher auf Ophra. Überlass den Rest uns anderen!"

Einverstanden zog er sein Schwert. "Drake, Aldarn, Lilith, ihr habt Will gehört! Los!" Auf diesen Befehl hin entbrannte auf der einen Seite des Feldes eine erbitterte Schlacht zwischen vier Schwertern, denn Ophra war, wie Will richtig erkannt hatte, die einzige der Feinde, die über keinerlei übermenschlicher Fähigkeiten verfügte, sondern nur eine bewundernswerte Fertigkeit mit dem Schwert bewies. Der Kampf zwischen den Waffen war zwar die harmlosere von beiden, dennoch war ihr Klang markerschütternder als alle übrigen. Das metallische Reißen, das schrille Kreischen, wenn zwei Klingen aufeinander trafen, war Zeugnis jener Härte, welche die parallel verlaufende Schlacht noch ein wenig übertraf.

"Wir kümmern uns um Mitchem, Collin und Jack, verstanden?", ereilte Wills neuer Befehl die übrig gebliebenen Kämpfer ihrer Fraktion. Doch das war leichter gesagt als getan. Wie sich nämlich herausstellte, verfügte Collin über mehr Kräfte, als sie gedacht hatten. Hay Lin war die erste, die das zu spüren bekam. Mit einem kleinen, aber sehr starken Orkan ging sie auf ihn los. Irma half ihr, indem sie den Regen zu einem Wassergefängnis formte, das ihrer Meinung nach ausbruchssicher war. Und dann geschah das Unvorhergesehen.
 

Collin schloss die Augen und als er sie wieder aufriss, zusammen mit seinen Händen, die gen Himmel schnellten, folgte eine Druckwelle, die sie alle zurückschleuderte. Die Welle wurde begleitet von Erdbrocken, die durch die Luft flogen, und von einem ohrenbetäubenden Knall – er hatte den Erdboden explodieren lassen! Die fliegenden Wächterinnen wurden gegen die Bäume hinter ihnen geschleudert, alle anderen riss es von den Füßen. Vollkommen überrascht brauchten sie alle ein wenig, um sich zu orientieren. Die Zeit der Verwirrung nutzte Collin indes, um sich zu regenerieren. Dann ging der Kampf ebenso rasant weiter, wie er vor der Unterbrechung gewesen war.
 

"Wir brauchen scheinbar schon wieder eine neue Strategie", schlug Will vor. Nachdenklich biss sie sich auf die Lippe, während sie, wie die anderen auch, versuchte, den kleineren Explosionen auszuweichen, die Collin nun kontinuierlich bewirkte. Die Lage, vorhin noch so vorteilhaft, erschien nun hoffnungsloser denn je. Durch seine Kraft wurden sie vom Kämpfen abgehalten. Während sie also alle geschwächt wurden, konnte er in aller Ruhe abwarten, bis er zufällig einen von ihnen traf, um somit die entscheidende Wende wieder herbeizuführen.

Es war zum Verzweifeln! Durch die ständigen Angriffe waren weder die Wächterinnen, noch die anderen dazu in der Lage, nachzudenken. Sie fanden keine Strategie, die diesen Kampf für sie siegreich ausgehen lassen konnte.

"Augen zu und durch, okay?", knurrte Will. Hay Lins Wind schlug ihr die klatschnassen Haare ins Gesicht.
 

"Wir müssen ihnen doch irgendwie helfen können!", hauchte Cornelia verzweifelt. Sie beobachtete die Szenerie mit vor Entsetzen geweiteten Augen. Neben ihr ballte Matt die Hände zu Fäusten. Durch seine zusammengepressten Zähne entwich ein bedrohliches Knurren. "Um Himmels Willen, wir müssen was tun!" Gerade, als sie Matt nach einem Plan fragen wollte, preschte dieser plötzlich los. Durch den aufkommenden Nebel, der wegen Taranees Feuerstöße entstanden war, konnte sie nur mehr verschwommen seine Gestalt sehen, die in Richtung der Explosionen lief.
 

Will bekam davon noch nichts mit, denn sonst hätte sie das Vorhaben schon im Keim erstickt, ohne Möglichkeit auf Gedeih. Doch sie war zu sehr mit Überleben beschäftigt, als dass sie auf ihre Umgebung achten konnte. An Cornelia und insbesondere Matt dachte sie in diesen Minuten gar nicht. Sie kämpfte mit der aufkommenden Erschöpfung, die sich langsam in ihrer Reaktion zeigte, welche negativ beeinflusst wurde. Das war auch der Grund für den fatalen Fehler, den sie beging.

Will war immer noch dazu gezwungen, hilflos auszuweichen, ebenso wie die anderen. Die rasch aufeinander folgenden Explosionen hatten inzwischen abgenommen; anstatt ihrer hatte Collin eine neue Fähigkeit offenbart: Druck. Er konnte gezielt eine Art Luftstoß aussenden, der sogar stärker war als Hay Lins. Der unsichtbare Angriff konnte nur durch die Veränderungen der Regentropfen eruiert werden, was das Unterfangen, ihm auszuweichen, sehr schwierig machte. Will war gut darin, aber bald schon ließ ihre Konzentration in diesem Katz-und-Maus-Spiel nach. Ihre Augen begannen zu brennen und unschärfer zu sehen. Um die hoffnungslose Lage also nun doch noch rumzureißen, erdachte sie einen fragwürdigen Plan.

Wächterinnen, hört ihr mich? Hört bitte nur zu, ohne mir etwas ausreden zu wollen – argh, verdammt! Sie wäre fast getroffen worden und war notdürftig im Schlamm gelandet, von dem sie sich schnell wieder abstieß, um dem nachfolgenden Angriff Jacks zu entgehen, der mit krallenähnlichen Händen auf sie losging. Die einzige Möglichkeit, den Kampf zu gewinnen, ist, Collin auszuschalten. Ich werde geradewegs auf ihn zufliegen, ohne Umwege. Er wird seine Angriffe auf mich lenken.

Du bist verrückt!, kreischte Hay Lin innerlich. Er wird dich töten!

Es ist ein Risiko, ich weiß, aber wenn er abgelenkt ist, dann könnt ihr ihn fertig machen.

Du möchtest nur die Heldin spielen, so wie immer, fauchte Irma. Ihre Gedanken hatten einen bitteren Unterton. Aber ich sage dir, ein heroisches Opfer bringt keinem etwas. Es muss eine andere Möglichkeit geben.
 

Doch Will hörte nicht mehr zu. Mit Tränen in den Augenwinkeln schnellte sie vor, um dem Kampf endlich eine Entscheidung zu bringen. Sie hielt tapfer die Augen geöffnet, obgleich sie ihrem Tod direkt in den Schlund flog. Nur noch wenige Meter, dann hatte sie Collin erwischt. Er hatte noch nichts getan, denn die Überraschung war zu groß gewesen. Jetzt aber, nachdem er sich geordnet hatte, holte er zum vernichtenden Schlag aus. Er formte mit den Fingern einen Kreis, blies hinein und so entstand die mächtigste Druckwelle, die er jemals geschaffen hatte. Sie erfasste Will, schleuderte sie meterweit nach hinten, so heftig gegen einen Baum, dass der durchweichte Stamm brach. Die Verletzte fand sich am Boden wieder, lebend, doch vor Schmerz gelähmt. In ihrem Mund schmeckte sie Blut vermischt mit nasser Erde, in ihren Ohren rauschte es. Plötzlich wurde das Rauschen von einem Knarren unterbrochen. Gelähmt vor Schmerz musste Will in ihrem Kopf schlussfolgern, dass der Baumstamm, gegen den sie gekracht war, so starke Schäden davongetragen hatte, dass er nun keinen Halt mehr fand. Während der Kampf auf der Lichtung weitertobte, fand sie sich schnell mit dem Schicksal ab, an einem umfallenden Baum den Tod zu finden. Der vage Schatten des Todbringers zeichnete sich über ihr ab, nun, da die Sonne ihren Weg durch die dicke Wolkenschicht fand, gerade rechtzeitig, um ihr das drohende Unheil vor Augen zu führen. Und dann war das Gewicht des schiefen Baumes zu stark, um von den dünnen Fasern noch gehalten zu werden. Das braune Ungetüm sauste auf sie herab. Vor ihr schrie jemand und dann krachte der Baum zu Boden.
 

Doch zwischen Baum und Boden befand sich keine Will.

Ihren Augen nicht trauend, selbige vor Angst weit aufgerissen, erblickte sie die morsche Rinde einen guten Meter vor ihr. Im selben Moment, als sie zu realisieren begann, was passiert war. Schlaksige, ihr wohl vertraute Arme hatten sich schützend um sie geschlossen und im letzten Augenblick zur Seite gerissen. Unter ihr lag Matt, der keuchend versuchte, die Schmerzen zu unterdrücken, welche die Rettungsaktion mit sich gebracht hatte.

"Matt!", kreischte Will verzweifelt. Sie sah Blut an seinem Schenkel herunter rinnen. "Oh, Matt! Beweg dich nicht, du bist verletzt!" Nicht nur Tränen des eigenen Schmerzes, den sie ignorierte, drängten sich aus ihren Augenwinkeln, auch die Sorge und Panik, Matt könnte ernsthaft verletzt worden sein, ließen sie die Beherrschung verlieren. Hektisch riss sie sein Hosenbein ab, um die Wunde anzusehen. Doch noch bevor sie einen Blick darauf werfen konnte, ergriff er ihre Hand.

"Mach dir keine Sorgen, das sind nur ein paar Kratzer", beruhigte Matt sie sanft lächelnd. Der erste Schmerz war bei ihm verschwunden, der Rest war gut auszuhalten. Im Gegensatz dazu versagten nun Will die Glieder. Vor Erschöpfung brach sie zusammen, sobald das Adrenalin aufgrund Matts Versicherung seines eigenen Wohlbefindens aus ihren Adern wich. Er fing sie auf, bevor sie zu Boden flog, obgleich es keinen Unterschied machte, denn Wills Körper war mit Verletzungen übersäht, ebenso wie ihre Kleidung dreckig und zerrissen war.
 

Während die beiden Verletzten am einen Rande des Geschehens sich aufgrund der Kampfunfähigkeit aus der Schlacht heraushalten mussten, wurde dieser nur wenige Meter vor ihnen erbittert weitergeführt.

Aldarn hatten zur selben Zeit das Bewusstsein verloren, als Will Collin angegriffen hatte, Drake war bereits Minuten vorhin durch Unachtsamkeit von Ophra ausgeschaltet worden. Die Lage war ernst, denn Ophra hatte es geschafft, in einem äußerst unfairen Kampf die Hälfte der Gegner beinahe spielend auszuschalten.

"Geh und hilf den Wächterinnen!", keuchte Lilith. Sie fing mit dem Langschwert einen heftigen Hieb ab, der Caleb beinahe einen Arm gekostet hätte. Mit zusammengepressten Zähnen knurrte sie: "Ich komm hier klar, aber sie brauchen dich dringend!" Caleb nickte, wenn auch widerspenstig, doch er vertraute auf Lilith. Er wusste, wie gut sie war und alleine den Kampf zu bestreiten war sicherlich effektiver, als sich durch die Unkoordiniertheit gegenseitig ständig den Treffer zu verwehren.

"Du hast Mut, Mädchen", rief Ophra, nachdem beide Kontrahentinnen einen Satz nach hinten gemacht hatten. "Mutig, aber töricht."

"Weißt du, wie oft ich den Satz schon gehört habe?", schrie Lilith lachend zurück. "Man hat mich nicht ohne Grund gebeten, dieser Allianz beizutreten. Alleine hast du keine Chance gegen mich!"

"Ich würde den Mund nicht zu voll nehmen!" Damit lief sie auf Lilith zu, die sich locker unter dem Schwertschlag hinweg duckte. Mit einer geschmeidigen Bewegung tauchte sie hinter ihrer Gegnerin auf, schlug zu und wurde abgewehrt. Ophra, in ihrer Siegesgewissheit durch die eindrucksvolle Präzision gedämpft, holte nun alles aus ihrer Performance heraus, was sie zu bieten hatte. Es entbrannte der heftigste Schwertkampf, den beide jemals geführt hatten; beide waren gut im Angriff und beinahe perfekt in der Abwehr. Die Auseinandersetzung folgte minutenlang demselben Schema: Ophra griff an, Lilith wich aus, griff danach an und wurde von Ophra abgeblockt. Nur ab und zu war die eine oder andere schneller, sodass bald einige leichte Schnittwunden die freien Hautstellen zierten, doch einen richtigen Treffer oder gar eine erkennbare Überlegenheit konnten die beiden nicht einmal annähernd für sich beanspruchen. Der Kampf wurde jedoch in einer solchen Schnelligkeit und mit solche einer Kräftigkeit ausgetragen, dass schon die kleinen Wunden mit der Zeit enorme Auswirkungen hatten. Bald verloren beide Seiten an Energie.
 

"Ich werde das jetzt beenden!", beschloss Ophra nach einigen Minuten. "Dieser Kampf hat schon viel zu lange gedauert. Ich gebe zu, du bist sehr gut, aber hier kann nur eine gewinnen!" Die letzten Reserven sammelnd stieß sie einen Kraftschrei aus, dem ein Angriff in ungeheurer Schnelligkeit folgte. Mit gesenktem Schwer rannte sie auf Lilith zu, deren Augen die Bewegungen der Gegnerin gar nicht richtig erfassen konnten. Kein Blinzeln später stand Ophra breitbeinig vor ihr, das Gesicht vor Anspannung zu einer Angst einflößenden Grimasse verzogen, und riss die Klingenwaffe hoch. Den Streich von unten zu starten hatte Lilith, so geschult sie im Kampf auch war, nicht von ihrer Gegnerin erwartet. Mit Mühe und Not konnte sie einen kraftlosen Rückwärtssalto machen, der jedoch nicht genügen Schwung beinhaltete, sodass sie nicht wie geplant auf den Füßen landete, sondern hart auf den Erdboden fiel. Lilith blieb kurz die Luft weg, ihr Körper war ebenso kurz reglos vor Schock, da hatte Ophra bereits den geplanten Finalschlag begonnen. Mit einem neuen Schrei hob sie das Schwert beidhändig und stieß es hinab auf ihre am Boden liegende Gegnerin.

Ein metallisches Schneiden folgte.
 

Das ganze Schlachtfeld war für einen Augenblick still.

Die Klinge des Schwertes durchstieß den Widerstand mühelos, dann dockte es an einem Stein an, der in der Erde eingebettet war, und wurde dadurch gestoppt.

Liliths Herz pochte so wild, dass es beinahe sichtbar war. Es war mehr ein Reflex oder ein glücklicher Zufall gewesen, dass sie sich rechtzeitig zur Seite gerollt hatte, denn bevor die Spitze des Schwertes nicht haarscharf über ihr war, hatte sie nicht gedacht, sich rechtzeitig bewegen zu können. Nun lag sie da, sich kaum dessen bewusst, was geschehen war.

Jetzt war sie im Vorteil. Ophra war mindestens ebenso geschockt wie Lilith, als ihre Waffe nur den Boden durchbohrt hatte. Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben, während sie all ihre Nerven über Bord warf. Unkontrolliert versuchte sie das Schwert mit kräftigen Rucken aus dem Boden zu ziehen, doch sie hatte so fest zugestoßen, dass es im Stein feststeckte, der unsichtbar in der Erde vergraben war. Das war nun Liliths Chance. Sie griff nach ihrem eigenen Schwert, das sie im Fall von sich geschleudert hatte, um nicht auf der Klinge zu landen, und startete ihrerseits den letzten Angriff.
 

Caleb war, wie ihm geheißen, zu der anderen Gruppe gestoßen, die inzwischen einen wesentlich günstigeren Ausgang des Kampfes versprach, als zu Anfang. Tristan versuchte Collin in Schach zu halten, dem es gelungen war, die Angriffe der restlichen Wächterinnen abzuwehren, als er kurz durch Wills direkten Verzweiflungsakt abgelenkt worden war. Taranee und Irma halfen ihm dabei, während Hay Lin damit beschäftigt war, Mitchem zu überleben, der es scheinbar explizit auf sie abgesehen hatte.

"Ich frage Sie ein letztes Mal", knurrte Hay Lin, als sie einen Teil des Regens durch kalten Wind in Eistropfen verwandelte, die nun in der Luft schwebten. "Warum hat Ihnen das Szechuan Huhn nicht geschmeckt?" Sie funkelte ihren ehemaligen Stammgast böse an.

"Zu viel Salz", höhnte dieser nur, ohne sie ernst zu nehmen. Wer konnte es ihm verdenken?

"Dann habe ich hier die Rechnung für ein halbes Jahr, in dem sie mit um fünf Prozent zu wenig Trinkgeld gegeben haben!" Mit einem Kraftschrei mobilisierte sie ihre Kräfte. Sie riss die Hände hoch, stieß sie danach nach vorne und das Eis folgte ihrem Willen. Es raste auf Mitchem zu wie Rasierklingen, zerschnitt seine Haut und verletzt wichtige Organe. Ein paar der Geschosse hatten den Körper durchbohrt, aus dem nun ein wenig Blut trat.
 

"Wir ziehen uns zurück!", befahl Blight plötzlich, der sich dezent im Hintergrund gehalten hatte, um keine Aufmerksamkeit auf die Phiole mit Cornelias Kräften zu lenken. Doch die massiven Verluste hatten ihn aus der Bahn geworfen.

"Nicht so schnell!", schrie Irma. Sie formierte sich zusammen mit den übrigen kampffähigen Wächterinnen, um auf Blight loszugehen. Ihre Flügel waren schneller als seine Konzentration, sodass er es nicht schaffte, sich rechtzeitig weg zu teleportieren. "Das ist dafür, dass einer Wächterin die Kräfte geraubt hast!" Sie schlug ihm kräftig mit dem Schwung aus dem Fluganlauf ins Gesicht. Blight taumelte mit blutender Nase zu Boden.

Hay Lin setzte nach: "Das ist dafür, dass wir wegen dir in Zelten schlafen müssen!" Sie riss ihm den Flakon samt der Metallkette vom Hals und hinterließ dabei tiefe Kratzer.

"Und das ist dafür, dass du einer der Gründe bist, wieso wir nicht in Frieden leben können!" Mit letzter Kraft ballte Taranee einen flackernden Feuerball in ihrer Handfläche zusammen. Es fehlten nur mehr wenige Zentimeter, ehe sie ihn für immer ausgeschaltet haben würde, doch es waren wenige Zentimeter zu viel. Im Angesicht des drohenden Todes sind Lebewesen zu enormen Taten fähig, nicht nur die, die auf der guten Seite stehen. So konnte auch Blight in bewundernswerter Schnelle so viel Kraft aufbringen, sich selbst und seine verbleibenden Teamkollegen lebend vom Schlachtfeld zu teleportieren.

Als er das tat, passierten mehrere Dinge zugleich: Lilith setzte ihren Schwerthieb ins Leere, Tristan wurde von Collins eigentlich vernichtenden Angriff nicht getroffen und Caleb, der sich diesem von hinten genähert hatte, sprang durch die transparent werdende Silhouette hindurch in den Schlamm.

Sie hatten gewonnen. Zumindest die eine Schlacht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2011-05-04T15:34:25+00:00 04.05.2011 17:34
Ich fürchte, diesmal fällt mein Kommentar vernichtend kurz aus... Mir gefällt der beschriebene Kampf sehr gut. Es gab viel Verwirrung, Personen, die mal hier, mal dort gebraucht wurden, Verzweiflung, Triumph, Verärgerung. Die Mischung war genau richtig, und auch das Ende ist gut gewählt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Hay Lins Kommentar zum Szechuan-Huhn. Damit hast du einmal mehr bewiesen, dass du dich auf mehr Dinge und Verhältnisse als eines konzentrieren kannst :)

«Fiole» wird «Phiole» geschrieben ;)
«Warum hat Ihnen das. Szechuan Huhn nicht geschmeckt?» - Wofür ist der Punkt in der Satzmitte gut?
«Im Angesicht des drohenden Todes sind Lebewesen zu enormen taten fähig [...]» - „Taten“ ist ein Nomen.
Zusätzlich, dabei kann ich mich aber auch irren; heißt es im Englischen nicht „something is worth fighting for“ oder „something is worth the fight“? Du müsstest etwas an Rule sixteen umstellen.

Schlussendlich ist nur noch zu sagen, dass ich mich bemühen werde, nächstes Mal wieder mehr zu schreiben.

Liebe Grüße
Von: abgemeldet
2011-04-28T18:53:24+00:00 28.04.2011 20:53
da gehts ja ordentlich weiter!

super kapitel, freu mich schon aufs nächste!
lg

Von:  fahnm
2011-04-28T00:01:16+00:00 28.04.2011 02:01
Klasse Kapi^^


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