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Glaube

...
von

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Wahrheit

Für einen kurzen Moment lag Stille über dem Turnierplatz, leichter Wind wehte und die angespannte Atmosphäre eines bevorstehenden Kampfes lag in der Luft. Die Drei Niemande schwiegen. Roxas blickte Axel entschlossen an, der Rotschopf sah mit undefinierbarem Gesichtsausdruck zurück, ließ sein Chakram in der linken Hand leicht hin und her baumeln. Naminé saß nach wie vor an der Hauswand und ihre Augen sahen vor allem Roxas an, sie wirkte verwirrt.

Dann setzte der Wind plötzlich aus und Roxas richtete sein Schlüsselschwert auf Axel.

„Eisra!“

Mit einem Klirren brachen drei große Eiskristalle aus der Spitze des Königsanhängers und schossen auf den Rotschopf zu. Jedoch schmolzen die Geschosse mitten im Flug, als Axel mit einer fast lässigen Bewegung eine Feuersäule aus dem Boden schießen ließ, die das Eis einfach verschluckte. Durch die Flamme hindurch flog etwas auf Roxas zu, der das ansausende Chakram mit dem Schlüsselschwert abblockte. Als die Waffen aufeinanderprallten durchzuckte Roxas wieder der Schmerz an der Seite, doch er konnte ihn noch ignorieren.

Axels geworfene Waffe flog zu ihm zurück, das Feuer verschwand und der Rotschopf stürzte auf den Blonden zu, ließ die Chakrams flammend in seinen Händen rotieren und schlug zu. Gerade noch rechtzeitig wich die ehemalige Nummer XIII mit einem Satz nach hinten aus, die Hitze der Waffe, die ihn um ein Haar verfehlt hatte, schlug ihm ins Gesicht, und wieder griff Axel an. Kaum ehe Roxas es sah, flog ihm wieder ein Chakram entgegen, während Axel schon mit dem Anderen hinterherkam. Der Blonde duckte sich unter dem Geschoss weg und schlug nach Axel, der den Hieb jedoch parierte. Beide standen einen Moment ganz nah beieinander und sahen sich an, aufgebrachte blaue Augen in unergründliche Grüne, dann erschien in Axels freier Hand das zuvor geworfene Chakram und er holte aus – und Roxas, der immer noch in die Augen seines Freundes starrte, zögerte einen kurzen Moment zu viel.

Mit einem schmerzvollen Stöhnen ging Roxas auf die Knie, Axel hatte genau seine ohnehin schon verletzte Stelle an der Seite getroffen. Schwer atmend kniete der Blonde nun vor dem Rotschopf, auf sein Schwert gestützt und presste seine freie Hand auf die Verletzung. Bestimmt war sie jetzt wieder aufgegangen, wenn er nicht schnell was unternahm, würde er verlieren... er würde...

„Was wird das denn?“, fragte Axel mit verwirrter Stimme von oben. „Du pfeifst nach so einem kleinen Treffer schon aus dem letzten Loch? Was ist los? Das kannst du doch besser.“

Roxas biss die Zähne zusammen und schwang mit ungewohnter Mühe, aber dennoch nicht gerade langsam, sein Schlüsselschwert nach Axels Beinen. Im wahrsten Sinne des Wortes auf dem falschen Fuß erwischt knickte der Rotschopf überrascht ein und bemerkte mit einem etwas verwirrten Blick, wie die Spitze des Königsanhängers plötzlich genau vor seiner Nase hing und sich kalte blaue Energie in dem Schwert sammelte.

„Eisra...!“, presste Roxas zwischen den Zähnen hervor, es gab ein erneutes Klirren und Axel wurde weggeschleudert, rutschte über den Boden und landete ein paar Meter weiter weg in einer der Bänke, die um den Platz herumstanden. Belämmert hockte er da und schüttelte den Kopf, stand dann nach kurzer Zeit wieder auf, eine Hand auf die Nase gepresst.

„Urgh, das war nicht übel. Ich dachte schon, du wärst am Ende.“, sagte er und sah zu Roxas, hob eine Augenbraue. „Hm...? Alter, du siehst irgendwie echt nicht gut aus...“

Roxas gab keine Antwort, er stützte sich nun wieder stehend auf sein Schlüsselschwert und atmete schwer, sein Gesicht war unnatürlich blass. Er spürte Schweiß auf seiner Stirn, sein Körper schmerzte stark und fühlte sich schwer an. Die Wunde war aufgegangen, Roxas spürte es deutlich. Als Niemand war sein Empfinden von Schmerzen zwar nicht so extrem, aber selbst für diese Verhältnisse kam es Roxas momentan so vor, als hätte er nie so eine schlimme Verletzung erlitten. Dieser verdammte weißhaarige Mistkerl von gestern... hätte er ihm bloß nicht Memoire zugeworfen, warum war er überhaupt so blöd gewesen? Welch Ironie, dass gerade die Waffe, die der Blonde selbst führte, ihn theoretisch ganz schnell vernichten könnte... und durch die Wunde vielleicht wirklich sein Ende bedeutete, wenn er weitermachte...

„Roxas, das wird nichts.“, meinte Axel kopfschüttelnd, als Roxas mit zittrigen Beinen wieder seine Kampfstellung einnahm, und ließ seine Chakrams sinken. „Ich weiß nicht, was du getrieben hast, aber so brauch ich eigentlich gar nicht weiter mit dir zu kämpfen.“

Roxas schwieg, für einen Moment keimte die leise in ihm Hoffnung auf, Axel würde nun einfach unverrichteter Dinge wieder abziehen. Auch dem Rotschopf schien der Gedanke gekommen zu sein, er sah kurz zu seinem Gegenüber, dann zu Naminé, die sich immer noch nicht gerührt hatte, und dann zur Seite.

„Geh einfach... geh einfach...“, flehte Roxas in Gedanken, sein Zögern bei dem Angriff von vorhin hatte ihm gezeigt, dass er nicht mit Axel kämpfen wollte, egal ob der ihn vorhin ausgelacht und provoziert hatte. „Bitte geh...!“

Dann stieß der Rotschopf einen tiefen Seufzer aus und sah Roxas leicht traurig, ja fast mitleidig an. „Sorry, es ist mein Job...“

Seine Chakrams drehten sich von Feuer umgeben in seinen Händen und flogen dann beide auf Roxas zu.

Roxas sah die Geschosse auf sich zukommen. Er rührte sich kein bisschen, etwas zerbrach gerade in ihm... es tat weh... seine ohnehin schon angeschlagene Freundschaft mit Axel zerbröckelte weiter in binnen dieses Moments, während die Chakrams auf den Blonden zuflogen. Es kam ihm vor, als würde jemand die Zeit verlangsamen, die Waffen flogen langsam, aber stetig weiter auf ihn zu... es tat weh... obwohl sie ihn noch gar nicht getroffen hatten... es tat weh... Roxas sah Axels Blick, er war wieder unergründlich... es tat weh... er schloss die Augen, bereit den Treffer einzustecken und zu verlieren...

Er hörte schnelle Schritte und dann spürte er, wie etwas gegen ihn stieß - Aber nicht von vorne, sondern von der Seite - und die brennenden Chakrams flogen ins Leere. Von den Füßen gerissen stürzte Roxas, ließ sein Schwert fallen, drehte sich fast automatisch leicht im Fallen, um nicht auf der Seite seiner Wunde zu landen, und kam hart mit dem Rücken auf dem Boden auf und ein Schmerzenslaut entwich ihm, als nun auch noch ein zusätzliches Gewicht auf ihn fiel, sich aber sofort wieder erhob. Benommen blinzelnd öffnete Roxas die Augen und erblickte lange blonde Haare, ein schönes, irgendwie vertrautes Gesicht und blaue Augen. War das nicht... das Mädchen...? Es kam ihm so bekannt vor... warum...?

Sein Blick trübte sich wieder und sein Bewusstsein schwirrte davon... er sah Schwärze... dann blaues Meer... eine Insel... am Strand stand ein Mädchen mit roten Haaren... er kannte sie... oder...?
 

Axel stand wie vom Donner gerührt da und starrte mit leicht geöffnetem Mund auf Naminé, die Roxas einfach zur Seite gerissen hatte, kurz bevor die Chakrams ihn getroffen hatten. Die Kleine hatte schnell reagiert, Axel hätte es ihr gar nicht zugetraut und erwartet schon gar nicht. Nun saß sie da neben Roxas am Boden, der offenbar gerade das Bewusstsein verloren hatte, und sah ihn an.

„Netter Auftritt.“, meinte Axel zu dem Mädchen, seine Fassung wiedergewinnend und den Gedanken an Roxas‘ Blick, mit dem er ihn angesehen hatte als die Chakrams auf ihn zuflogen, so gut es ging verdrängend. „Jedoch war das ziemlich unklug, Naminé. Anstatt ihm zu helfen hättest du in der Zeit auch einfach verschwinden können, also warum bist du nicht einfach davongeflogen wie ein Vögelchen und hättest dich wieder versteckt?“

Naminé hob den Kopf und sah Axel an. „Er wollte mir helfen, obwohl er mich nicht kannte.“, antwortete sie mit einem sehr schwachen Lächeln. „Genau wie er, obwohl er zuvor herausgefunden hatte, dass seine Erinnerungen an mich nur Lügen waren. Du weißt schon, wen ich meine.“

Kopfschüttelnd und mit geschlossenen Augen hob Axel die Arme. „Jaja, Sora ist ein echt selbstloser Kerl, das weiß ich auch. Vielleicht übt er ja auch Einfluss auf Roxas aus, aber das ist jetzt echt Banane. Fakt ist, Roxas ist kampfunfähig und du bist mir nicht gewachsen. Also nochmal: Entweder du kommst freiwillig oder-“

Als Axel die Augen öffnete, stockte er mitten im Satz. Oh, verdammt, das durfte doch jetzt nicht wahr sein! Ein dunkles Portal war neben Naminé erschienen und sie schleifte Roxas mit etwas Anstrengung unter den Armen gepackt hindurch. Seit wann konnte sie die Portale öffnen? Wann hatte sie das gelernt?

„Nein!“, rief Axel und stürzte auf das Portal zu, doch bevor er es erreichte verschwanden die beiden Niemande darin und es löste sich auf. Für einen Moment starrte die Nummer VIII auf die Stelle, wo die Beiden verschwunden waren. Dann...

„VERDAMMTER DRECK!“, schrie er und trat wütend gegen die nächstbeste Wand, was er sogleich bereute und nun zornig fluchend, seinen Fuß umklammert, ein paar Mal auf der Stelle hüpfte. „Diese miese kleine Hexe hat mich ausgetrickst! Am liebsten würd ich sie-“

Urplötzlich hielt er inne. Was zur Hölle tat er hier? Er war wütend? Warum führte er sich wie ein Mensch mit Gefühlen auf, obwohl er ein Niemand war?

„Hah, wenn etwas mit diesem Jungen zu tun hat komm ich mir echt menschlich vor...“, murmelte Axel und hielt sich kurz resigniert Lachend die Hand an die Stirn. Dann seufzte er erneut. „Ich habs versaut, Xemnas wird mich umbringen, wenn er erfährt, dass ich Beide fast hatte und dann doch wieder verloren habe. Dabei bin ich doch Profi... sogar so professionell, dass ich einen Freund bekämpfe...“, schloss er niedergeschlagen. „Das wird Roxas mir nicht verzeihen...“ Dann hob Axel den Kopf. „Aber ich würde es mir nicht verzeihen, dass er zu Sora zurückkehrt und dann für immer weg ist, ohne dass ich etwas dagegen tue. Egal ob er will oder nicht, ich lasse das nicht zu. Am besten, ich nehme die Suche wieder auf... aber auf so einen Glückstreffer wie gerade kann ich mich wohl nicht verlassen, es sei denn Roxas legt seinen Mantel wieder ab...“ Erneut seufzte er - ihm fiel gerade auf, dass er in letzter Zeit recht viel seufzte -, hob den Arm und schuf ein anderes dunkles Portal. Zwar wusste er nicht, wo er jetzt weitersuchen sollte, aber wenns schlimm kam, könnte er ja ein paar Dämmerlinge auf Erkundungstour schicken...
 

„Sag es mir, Axel, wer bin ich?!“

„...“

„Wo komme ich her?! Wo hab ich gelernt, mit dem Schlüsselschwert umzugehen?!“

„...“

„Und was hat dieser Sora mit mir zu tun?! Wer ist das überhaupt?! Du weißt es, sag es mir!“

„...“

„Ich habe Antworten auf diese Fragen verdient!“

„Glaubst du, es geht dir besser, wenn du die Antwort kennst? Ich nicht...“

„Das ist nicht dein Problem!“

„...“

„Sagst du es mir jetzt oder nicht? Axel, wer bin ich?“

„...Du musst mir vertrauen, Roxas“

„Das tue ich aber nicht...“

„Hey, jetzt warte mal-“

„Wenn ich hier keine Antworten bekomme, dann hole ich sie mir woanders. Irgendwo wird es jemanden geben, der es mir sagen kann. Und dieser Person werde ich dann auch vertrauen...“
 

„Warum tust du das, Riku?“

„Weil -ri dich offenbar nicht kümmert.“

„Du kannst den Herzlosen nicht trauen, sie werden dich vernichten!“

„Falsch, denn ich kontrolliere sie.“
 

„Du hast dich entschieden?“

„Warum mich das Schlüsselschwert auserkoren hat... ich muss es wissen.“

„Stell dich nicht gegen die Organisation! Kehrst du ihnen den Rücken ist das dein Untergang!“

„Mich würde keiner vermissen...“
 

„Ka- weißt du noch was du gesagt hast? Ich bin immer bei dir! Ich komm zu dir zurück, versprochen!“

„Das weiß ich, Sora!“
 

Sora....Sora....schon wieder... Sora? Leicht öffnete Roxas seine Augenlider, alles war verschwommen. Er sah Weiß... nur Weiß... er lag auf etwas weichem... da war jemand neben ihm... er spürte eine kühle Hand sanft auf seiner Stirn ruhen... sein Blick schärfte sich kurz... er kannte dieses Gesicht... das war... das war...

...

Wieder Schwärze...
 

„Du bist aber früh dran.“

„Nein, du bist nur zu spät.“

„Heh“

„Jetzt sind es schon 255...“

„Was?“

„Seit so vielen Tagen bin ich bei der Organisation. Wie die Zeit vergeht...“

„Du hast jeden Tag gezählt?“

„Ja, ich schreibe ja auch Tagebuch, an irgendwas muss man sich ja halten, nicht?“

„Uuuh, Tagebuch? Da muss ich mal reinschauen, hehe.“

„Von wegen!“

„Haha, nimm das doch nicht so ernst, Kleiner.“

„Und nenn mich nicht Kleiner!“

„Dann vielleicht Zombie?“

„Das war ich nur am Anfang...“

„Ach komm, du bist immer noch ein Zombie, hehe.“

„Na vielen Dank auch, haha.“

„Hey Roxas, weißt du warum der Sonnenuntergang rot ist? Licht besteht aus vielen Farben und von diesen Farben ist Rot die, die am weitesten reicht.“

„Als ob ich dich danach gefragt hätte, Besserwisser.“

„Tja, haha“
 

Diese Zeit... er wünschte sie sich so sehr zurück... aber Axel... Axel hatte sich gegen ihn gestellt... er würde vielleicht nie mehr... wieder... mit ihm.... Eis... essen...
 

„Woah! Mann, hast du mich erschreckt, Ka-“

„Sora, du Faultier, war doch klar, dass ich dich hier unten bei deinem Nickerchen finde.“
 

„Wie erwartet...“

Naminé stand mit geschlossenen Augen neben dem schlafenden und immer noch sehr blassen Roxas und sah in seine Erinnerungen, die Hand auf seiner Stirn.

„Seine Erinnerungen beginnen sich mit denen von Sora an Kairi zu vermischen. Er träumt sie gleichzeitig und zugleich abwechselnd... aber wieso ist Kairi in seinen Träumen so verschwommen...?“

Langsam hob Naminé ihre Hand von Roxas‘ Stirn und sah ihn an. Sie hatte ihn nicht ins Herrenhaus gebracht, sondern zu dem einzigen Ort, an dem sie sich sonst noch auskannte – Das Schloss des Entfallens. Sie befanden sich in einem der unzähligen Zimmer in einem der oberen Stockwerke, die Einrichtung bestand lediglich aus einem weißen Tisch, zwei weißen Stühlen und einem weißen Bett, auf dem der Blonde nun lag. Naminé wusste nicht genau, warum sie ihn nicht einfach zurück ins Herrenhaus gebracht hatte, zu Sora, damit sie endlich dessen Erinnerungen komplettieren konnte. Sie fühlte sich schuldig Roxas gegenüber, weil er wegen ihr von Axel so zugerichtet wurde. Er hätte ihr nicht helfen müssen, dennoch hatte er es getan. Und jetzt, wo sie einen Teil seiner Erinnerungen gesehen hatte, war es doch das mindeste, ihm alles zu erklären... was DiZ garantiert nicht zulassen würde. Ihr war klar, dass das den Plan zerstören konnte...

Riku war irgendwo verschollen, gescheitert, Roxas zu fangen, und sie, Naminé, half dem Niemand, der Soras andere Hälfte war, und wollte ihm alles erklären, was er wissen wollte. Sobald Roxas die Wahrheit kannte, würde er bestimmt nicht freiwillig mitkommen, selbst wenn er Sora spüren konnte. Naminé bezweifelte leicht, dass Roxas irgendwann einsehen würde, dass er zu Sora gehörte. Dazu kämpfte der Blonde viel zu sehr darum, eigenständig zu existieren.

Um Roxas‘ Verletzung machte Naminé sich nicht besonders Sorgen, er mag zwar angeschlagen sein, dennoch sollte er nach einem tiefen Schlaf zumindest wieder so fit sein, dass er aufstehen konnte. Sie wollte es nicht riskieren, ihm den Mantel auszuziehen, falls einer von der Organisation im Schloss auftauchen würde, wobei das jedoch ziemlich unwahrscheinlich war. Momentan blieb ihr nichts anderes übrig als zu warten. Und so setzte sie sich auf einen der Stühle an dem Tisch. Da sie nichts zum malen dabei hatte, verschlang sie ihre Finger ineinander und sah zu Roxas, der sich leicht im Schlaf regte...
 

Langsam kehrte sein Bewusstsein zurück und er stöhnte leise auf, als ein kurzer Schmerz ihn durchzuckte. Roxas öffnete die Augen, starrte gegen eine weiße Decke. War er... wieder im Schloss der Organisation?

„Nein...“ Mit einem Ruck setzte der Blonde sich auf und sah sich hektisch in dem Raum um. Nein, das war keines der Zimmer im Schloss, das niemals war. Die Wände hier waren komplett schneeweiß, er sah einen weißen Tisch, einen weißen Stuhl und noch einen Stuhl... und auf dem Stuhl saß jemand. Das blonde Mädchen, welches Axel gejagt hatte, lächelte ihn an.

„Du bist wach.“, sagte es freundlich.

„Wo bin ich? Was ist passiert?“, fragte Roxas benommen, sein Kopf dröhnte ein wenig.

„Du bist im Schloss des Entfallens. Ich hab dich hier hergebracht.“

Roxas starrte sie an. „Das Schloss des Entfallens? Aber das gehört doch der Organisation, gehörst du etwa zu ihnen?“

„Nein, beruhige dich. Die Organisation hat das Schloss schon vor einiger Zeit ausgeräumt, sie werden uns hier nicht finden, keine Sorge.“

Ein wenig skeptisch musterte Roxas das Mädchen und wieder kam dieses seltsame Gefühl der Vertrautheit in ihm hoch...

„Wer bist du und was will die Organisation von dir?“, fragte er dann.

„Mein Name ist Naminé. Und die Organisation möchte wohl wieder meine Fähigkeiten in ihre Gewalt bekommen, ich war schon einmal ihre Gefangene und musste für sie Dinge tun, hier in diesem Schloss. Vermutlich wollen sie mich, damit sie dich wieder unter ihre Kontrolle bringen können.“, antwortete die Blonde.

„Wie das?“, fragte die ehemalige Nummer XIII verwirrt. „Wie können sie durch dich dafür sorgen, dass ich mich ihnen wieder anschließe?“

Naminé lächelte jetzt nicht mehr, sie sah ernst aus. „Du hast viele Fragen, Roxas, nicht wahr?“

„Woher kennst du meinen Namen?“ Der Niemand starrte das Mädchen nun noch verwirrter an, ja fast schon misstrauisch. Wer war sie und was wollte sie überhaupt von ihm?

„Ich weiß, wer du bist, Roxas. Ich werde dir alles sagen, was du wissen möchtest. Über dich... und über Sora.“, sagte Naminé.

Roxas zögerte, eine plötzliche Erregung erfasste ihn. Sie... wusste etwas? Hatte sie die Antworten, die er suchte...? Auch sie kannte Sora? Oder wollte sie ihm vielleicht nur etwas weißmachen, was gar nicht stimmte...?

„Wer... bist du...?“, fragte Roxas sie wieder.

„Eine Hexe mit der Macht die Erinnerungen von Sora und derer, die mit ihm verbunden sind, zu manipulieren.“, antwortete Naminé leise.

„Eine Hexe?“

Das Mädchen lächelte leicht gequält. „Nun, so wurde ich von der Organisation bezeichnet.“

„Was meinst du damit, dass du Erinnerungen manipulieren kannst?“, fragte Roxas mit geweiteten Augen, von so einer Fähigkeit hatte er noch nie etwas gehört.

„Ich kann Erinnerungen verändern... die betreffende Person Dinge vergessen lassen, neue, falsche Erinnerungen entstehen lassen, Erinnerungen auseinanderreißen, was das Herz der Person kollabieren lassen würde. Die Organisation hat das ausgenutzt...“

„Inwiefern?“

„Vor knapp einem Jahr tauchte Sora hier im Schloss des Entfallens auf, wo die Hälfte der Organisation vor kurzer Zeit stationiert wurde. Ich wurde gezwungen, seine Erinnerungen zu verändern. Ich nahm seine Erinnerungen, die wie die Glieder einer Kette miteinander verbunden waren, Stück für Stück auseinander und ersetzte sie durch falsche Erinnerungen an mich. Aber jetzt setzte ich sie wieder zusammen, so wie sie waren.“

Roxas‘ Auge zuckte etwas aufgebracht. „Sora... kannst du mir erklären, wer das überhaupt ist? Ich höre den Namen in letzter Zeit irgendwie dauernd und ich frage mich, wieso ich eine Verbindung zu ihm habe, die ich nicht mal kenne.“

„Sora ist der Meister des Schlüsselschwertes, der Held des Lichts, der gegen die Herzlosen kämpft.“, sagte Naminé langsam und sah Roxas in die geweiteten Augen.

„Der Meister... des Schlüsselschwertes? Er hat auch ein Schlüsselschwert wie ich? Ist das die ‚Verbindung‘ zwischen ihm und mir?“

„Nein... Roxas, hör zu...“ Naminé stockte ein wenig, als müsse sie etwas aussprechen, was ihr schwer fiel. „Du kannst das Schlüsselschwert einsetzen, weil er es kann. Du... du bist sein Schatten... du bist sein Niemand...“

Da war sie... die Wahrheit, Roxas zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass dieses Mädchen die Wahrheit sagte, er sah es an ihren Augen. Er war unfähig, ein Wort herauszubringen, schaute Naminé einfach nur an.

„Hör zu...“, sagte sie wieder. „Einige Tage bevor Sora damals dieses Schloss hier erreichte richtete er das Schlüsselschwert gegen sich selbst um das Herz der Person, die ihm am wichtigsten war und deren Herz in ihm Zuflucht vor der Finsternis gesucht hatte, freizusetzen. Dabei gab er sein eigenes Herz ungeschützt der Finsternis preis und er stürzte in die Dunkelheit, wurde zu einem Herzlosen. Zu diesem Zeitpunkt wurdest du geboren, die leere Hülle, die er zurückgelassen hatte, sein Niemand. Aber Sora behielt seinen Willen auch als Herzloser und kehrte mit Hilfe der Person, die ihm am Wichtigsten war, zurück und war als Mensch wieder da. Deswegen hast du keine Erinnerungen an dein Leben als Jemand, weil Sora nicht in der Finsternis blieb. Verstehst du...?“

Roxas nickte langsam, sein Blick ging ins Leere. „Diese Person, die ihm am wichtigsten ist... ist dieses rothaarige Mädchen, nicht wahr...? Die, die so aussieht wie du und von der ich geträumt habe...“, sagte er langsam und mit einer monotonen Stimme, die ihm nicht zu gehören schien.

„Ja, Kairi heißt sie. Und hier haben wir auch das Problem. Sora schläft momentan um seine Erinnerungen wiederzubekommen, aber ich kann den Vorgang der Wiederherstellung eben dieser nicht mehr fortsetzen... wegen dir geht das jetzt nicht mehr...“, sagte Naminé leise und sah Roxas besorgt an, da dieser mittlerweile den Kopf gesenkt hatte und zu Boden starrte. Als er nicht reagierte, sprach sie weiter: „Ein paar von Soras Erinnerungen sind in dich eingedrungen... darunter auch seine Wichtigste, nämlich die an Kairi. Ohne diese Erinnerung wird er wohl niemals wieder aufwachen. Du... du musst sie ihm zurückgeben...“

Nun hob der Niemand den Blick, sah das Mädchen trübe an. „Was passiert dann mit mir...?“

„Normalerweise lösen sich Niemande irgendwann in Dunkelheit auf... aber ich denke du würdest einfach zu Sora zurückkehren, wieder Eins mit ihm sein...“

„Ich würde... verschwinden...?“ Roxas senkte den Blick auf seine Hände und glaubte schon fast, sie würden sich auflösen. „Ich wäre... einfach weg...?“

„Du wärst wieder in Soras Herzen, da, wo du ursprünglich herkamst...“

„Nein...“, flüsterte Roxas und ballte die Fäuste, stand auf und seine Stimme wurde lauter. „Nein! Ich kann nicht verschwinden! Ich muss eine Aufgabe erfüllen, ich muss Kingdom Hearts freilassen! Ich will mein Leben zurück und es nicht wegen diesem Sora aufgeben!“

„Welches Leben, Roxas? Welches Leben?“, fragte Naminé leise.

„Ich... ich...“ Er stockte. Warum? Warum wusste er die Antwort darauf nicht? Es war doch eine einfache Frage! Welches Leben? Sein Leben! ...Oder? Woraus bestand sein Leben bis jetzt überhaupt... aus der Organisation und aus den gemeinsamen Eisessen mit Axel... er konnte beides nicht mehr haben, Axel hatte sich gegen ihn gestellt. Etwas brannte in seinen Augen und eine Träne lief seine Wange hinab, er senkte zitternd den Kopf. Warum? Warum nur? Warum kam ihm die Aussicht, Kingdom Hearts freizulassen um sein Leben zurückzubekommen, alles so wie vorher werden zu lassen, jetzt plötzlich so unsinnig vor?

„Roxas...“, sagte Naminé leise, stand von ihrem Stuhl auf und ging zu ihm hinüber. „Komm mit mir zu Sora, lass ihn gegen die Organisation kämpfen und ihre Pläne vereiteln, es ist das Beste für alle...“

„Nein...“, sagte Roxas mit gebrochener Stimme. „Ich werde nicht... nein... ich will nicht... verschwinden...“ Er sah Naminé flehend an, eine Träne lief wieder über seine Wange. „Nimm diese Erinnerung an das Mädchen, das er mag, damit er aufwacht... aber ich werde nicht zu ihm zurückkehren... ich habe... eine Aufgabe...“

„Warum bist du so bessessen von diesem Vorhaben...? Hast du es jemandem versprochen...?“

„Ich... ich weiß nicht... aber ich muss... ich muss einfach... bitte, nimm diese Erinnerung... und lass mich gehen...“, flüsterte Roxas eindringlich und packte Naminés Hände. „Bitte, ich kann noch nicht verschwinden! Ich will nicht verschwinden!“

„Ich... ich kann die Erinnerung nicht einfach aus deinem Kopf ziehen und mitnehmen... du musst mitkommen...“, erwiderte Naminé und es bestürzte sie, Roxas so zu sehen, einen Niemand zu sehen, der Tränen vergießen konnte, obwohl sie selbst schon einmal geweint hatte, hier in diesem Schloss.

Sie hatte Recht gehabt, Soras Niemand kämpfte erbittert darum, eigenständig zu sein, er würde von sich aus nie zu ihm zurückkehren wollen, es sei denn, er hätte keine andere Wahl.

„Wenn ich mitkomme, verschwinde ich!“, entgegnete Roxas etwas lauter als beabsichtigt.

„Wenn du... wenn du bei deinem Vorhaben stirbst, dann ist diese Erinnerung für immer verloren und Sora würde dann wohl nie mehr aufwachen und wenn doch, würde sich keiner an ihn erinnern... Du musst nicht direkt zu ihm, es reicht, wenn du in seiner Nähe bist... ich kann dann versuchen, die Erinnerung an Kairi über dich an Sora zurückzugeben und sein Gedächtnis dann endlich komplett zusammensetzen... aber ich bin mir nicht sicher, ob es funktioniert...“

Roxas packte Naminés Hände ein wenig fester. „Bitte, du musst es so machen, du musst es hinbekommen. Versprich es mir!“

„Ich... ich verspreche es, ich werde Soras Erinnerung an Kairi zu ihm zurückbringen, ohne dass du dafür wieder Eins mit ihm werden musst...“, flüsterte das Mädchen. „Obwohl es das Beste wäre...“

Die ehemalige Nummer XIII überhörte ihre letzten Worte, er war zu erleichtert und fuhr sich über die Augen. Er würde nicht verschwinden... er konnte nicht verschwinden, er musste Kingdom Hearts freilassen... vielleicht würde dann ja doch wieder alles gut werden... vielleicht...

„Roxas... du zerdrückst meine Hände...“, stöhnte Naminé und Roxas ließ sie sofort los.

„Tut mir Leid...“

„Ist schon gut... wir sollten dann aber gehen.“

„Zu Sora...?“

„Zu dem Ort, wo Sora sich aufhält, aber nicht direkt zu ihm, wie abgemacht.“

Naminé streckte die Hand aus und ein dunkles Portal öffnete sich.

„Oh, und danke noch für vorhin.“, sagte Roxas plötzlich. „Du hast mich ja vor Axel gerettet.“

„Du hast mir ja schließlich auch geholfen.“, sagte Naminé mit leichtem Lächeln.

Beide traten in das Portal. Roxas wandte sich nochmals zu dem Mädchen um und sah ihr in die Augen

„Und danke... für die Wahrheit...“



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