Das Lachen des Teufels
"Glaubt es oder nicht, aber vor etwa zwanzig Jahren hat es hier in der Gegend noch unerklärliche Fälle gegeben, die vom Staat totgeschwiegen werden sollten. Angefangen hatte es nochmal zwanzig Jahre vorher, aber jedes Jahr wurden die Vorkommnisse schlimmer und unerklärlicher.
Zunächst, für die ersten paar Jahre, sah es so aus als wäre ein Entführer, vielleicht auch ein Mörder hier unterwegs und triebe sein Unwesen. Doch als nach sechs Jahren die erste Leiche gefunden wurde und die Hoffnung auf ein Minimum schrumpfte, dass die Vermissten noch am Leben sein könnten, fingen die ersten Spekulationen an. Seltsam war, dass der Leichnam hochgradig verbrannt war, doch nirgends in der Gegend war ein Brand gemeldet oder beobachtet worden. Und auch auf Nachfrage und verschiedene Nachforschungen hin wurde nichts gefunden, wo der Mann verbrannt worden sein konnte. Die zweite Tatsache, die die Ermittler stutzig werden ließ, war, dass keinerlei Spuren von Brandbeschleunigern an seinen Überresten gefunden werden konnte. Doch die Hitze, die geherrscht haben musste, war zu groß für ein normales Feuer. Und dann war da noch der Fundort. Natürlich ging man davon aus, dass der Mann nicht nach seinem Tod dort hingebracht worden war, da es auch da keinerlei Brandspuren gab. Und trotzdem: Die Spuren wiesen alle darauf hin, dass der Mann allein zu der Stelle gegangen war, an der man ihn gefunden hatte, dort gesessen hatte und dann verbrannt war - ohne jeglichen logischen Grund oder Auslöser! Nur, dass der Boden nicht so aussah, als wäre der Mann dort verbrannt worden. Er sah vielmehr aus, als wären die noch heißen Überreste dort einfach hingesetzt worden.
Die Polizei tappte absolut im Dunkeln. Keine Zeugen, keine zusammenhängenden Hinweise. Die Gerüchte im Ort wurden immer schlimmer.
Danach war eine Zeitlang Ruhe. Es schien, als hätte der rätselhafte Mörder aufgegeben oder wäre weitergezogen. Nach drei Jahren wurden die ersten Verschwundenen in einem Massengrab unweit der alten Turmruine gefunden, die nahe der alten Brücke nördlich von uns steht. Todesursache ungeklärt, hieß es. Zehn weitere Jahre später ging hier das tägliche Leben weiter, als wäre nie etwas geschehen. Doch inmitten dieser trügerischen Ruhe passierte das nächste Unglück.
Dadurch, dass die Menschen hier angefangen hatten, wieder normal weiterzuleben, traf es sie wahrscheinlich besonders hart. Mitten im Ort, auf dem Vorplatz der Kirche, brach ein Feuer riesigen Ausmaßes aus. Es war schnell, stark und kam plötzlich, weswegen die Anwohner keine Zeit mehr zu fliehen hatten. Alle verbrannten, bis auf einen kleinen Jungen, der mit schweren Brandverletzungen ins Krankenhaus kam. Er überlebte, aber er redete nicht mehr. Manche sagen, bei seinem Zustand wäre es vielleicht besser gewesen, wäre auch er verbrannt. Eine Gasexplosion, hieß es. Ein tragisches Unglück.
Was keiner erklären konnte, war, wie diese Gasexplosion hatte entstehen können, da doch keine Leitungen verletzt worden waren. Oder auch, warum der Innenraum der Kirche vom Feuer unangetastet schien und abgesehen von den von der Explosion eingedrückten Fenstern alles ganz geblieben war - bis auf die Heiligenfiguren, deren Gesichter bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Und auch dieses Mal waren weder Brandbeschleuniger noch andere Indizien gefunden worden, die für eine Kriminaltat sprachen."
Xander gähnte und streckte sich. "Angeblich jedenfalls. Die Gerüchte waren auf jeden Fall stark genug, um einige zum Wegziehen zu bewegen. So Dinge wie: 'Da war ein dunkler Schatten im Feuer, der sich dann auflöste als wäre er aus zu einer Statue geformte Asche'. Der Schatten muss den Zeugen zufolge eine ganz schön miese Lache gehabt haben."
Ich schauderte. "Was ist aus dem Jungen geworden?"
"Der? Der hat inzwischen seine Sprache wiedergefunden, aber seinen Verstand wohl nicht. Er ist, soweit ich weiß, immernoch in der gleichen Einrichtung untergebracht wie damals und alles, was er zu sagen weiß, ist: 'Der Teufel hat sich diesen Ort als sein Heim auserkoren. Ihr Lebenden, nehmt euch in Acht!' Wie schon gesagt, bei ganz klarem Verstand ist er noch nicht.
Aber wie dem auch immer sei, ich gehe schlafen. Morgen wollen wir doch noch an den See fahren und es ist spät- Macht nicht mehr zu lange!"
Wir nickten und wünschten ihm eine gute Nacht. Doch kaum war sein Zelt geschlossen, kam eine kalte Brise auf und brachte uns zum Schaudern.
Und dann, von weit weg, hörten wir durch das Pfeifen des Windes noch ein Geräusch, kalt und durch und durch böse:
Das Lachen des Teufels.
© Karopapier