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Die Tochter des Mondlichts

von

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Aufbruch

In seiner Magiewerkstatt richtete sich Fonkin auf, beäugte sein gerade fertig gewordenes Meisterwerk und schmunzelte.

„Erwache!“, befahl der Gnom dem Geschöpf, das vor ihm stand, nachdem er den letzten Zauber gesprochen hatte, der zu dessen Aktivierung nötig war und die Statue aus Stein, fing an sich zu regen. Fonkin hatte die letzten drei Monate an diesem Golem gearbeitet, die humanoide Form dessen Körpers aus einem riesigen Granitblock gemeißelt und ihm durch unzählige magische Rituale und Zauber Leben eingehaucht, damit er nun unermüdlich in den Minen von Tiefenbau helfen konnte. Sogar die Fähigkeit zu sprechen hatte er ihm gegeben, sodass der Golem falls es gebraucht würde Mitteilungen überbringen konnte.

Fonkin befahl, dass der Golem ihm folgen sollte und wollte gerade das große eicherne Tor, das auf die Hauptstraße der Unterstadt von Tiefenbau, an der seine Werkstatt und direkt daneben seine und T'aliras Wohnung befand, führte, als von außen jemand dagegen klopfte. Überrascht öffnete er einen der Torflügel und erkannte den Bittsteller als einen von Albur Weidenläufers, dem Bürgermeister von Tiefenbau, Boten. Ein kleinwüchsiger junger Halbling mit braunen kurzen Haaren und einem treuherzigen Charakter.

„Was gibt’s Lyle?“, fragte der Gnom. „Komm rein.“, sagte er dazu als er merkte, dass der Bote völlig außer Atem war. Er trat beiseite und lies seinen Gast an sich vorbei eintreten. Dann machte Fonkin eine winkende Geste und ein Glas mit Wasser flog ihm in die Hand, dass er dem Halbling anbot. Der wiederum nahm es dankend an, trank einen großen Schluck und wieder zu Atem gekommen, begann er mit seiner Mitteilung: „Der Baumeister schickt mich zu dir, weil er so schnell wie möglich mit dir etwas zu besprechen muss.“, sprudelte es aus ihm heraus.

„ Hat er Gesagt um was es geht?“, hakte Fonkin nach.

„Ne, hat er nicht. Aber er klang ziemlich besorgt.“

„Hmm, dann scheint's ja doch was wichtiges zu sein. Wenn er gleich nen Eilboten schickt. Gut, ich gehe gleich zu ihm! Bin übrigens eben mit meiner Arbeit an meinen neuesten Golem fertig geworden. Was sagst du?“, er wies auf die graue Gestalt des Golems, der reglos die ganze Zeit auf der selben Stelle gestanden hatte. Der Halbling, der diesen erst jetzt bemerkt hatte erschrak fast als er nun zu dem Konstrukt auf sah, das ihn um seine zweifache Körperlänge überragte.

„Ganz schön groß das Ding.“, brachte er erstaunt heraus.

„Ja, der ist vor allem für schwere Lasten geeignet. Mein Erster aus Stein die andern die schon aktiv sind waren bisher nur aus Lehm und somit nicht ganz so belastbar, wie der hier.“, erklärte der Gnom.

„Also gut, ich geh dann mal los und lass Albur nicht so lange warten.“ Er verließ gefolgt von Lyle seine Werkstatt, trat auf die belebte Hauptstraße und wandte sich Richtung Stadtmitte, wo der Bürgermeister oder Baumeister, wie er allgemein genannt wurde, wohnte.

Überall waren die Bewohner an der Arbeit, Zwerge, die an ihren Schmiedeessen und Ambossen Waffen, Rüstungen und allerlei anderes Werkzeug herstellten, Gnome, die Edelsteine schliffen und abschätzten, Halblinge, die Schubkarren voll von verschiedensten Erzen und Gütern von einem Ort zum anderen brachten, oder auf dem Weg zu den Bergbaustollen waren und nicht zu vergessen zahllose Kinder, die in all dem Treiben Fangen oder Verstecken spielten.

Doch auf einmal verstummten alle und hielten in der Arbeit inne als das laute Krachen von splitterndem Holz ertönte. Dann fielen die überraschten Blicke aller die in der Nähe waren staunend auf dem fast drei Meter großen Steingolem, der ohne zu zögern durch das geschlossene Holztor gegangen war und nun plötzlich mitten auf der Straße stand, denn Fonkin hatte vergessen ihm zu befehlen, er solle auf seine Rückkehr warten.

„Soll mich ein Esel in den Hintern beißen! Ich werde langsam wirklich alt, dass ist mir beim letzten Mal auch schon passiert und jetzt brauch ich dieses Jahr schon wieder ein neues Tor!“, fluchte er und betrachtete den Schaden. „Na ja ich werde mich später darum kümmern.“

Fonkin befahl dem Konstrukt, wieder in seine Werkstatt zu gegen und auf ihn zu warten, bis er zurück käme. Ohne Widerspruch kam der Golem den Anweisungen nach, während sich wieder alle abwandten, manche lachend, manche den Kopf schüttelnd, und wieder ihrer Beschäftigung nachgingen.

„Hey, Fonkin!“, rief ein kräftiger Goldzwerg von der anderen Straßenseite herüber. „Fals du Hilfe bei der Reparatur brauchst sag einfach bescheid.“

„Ah, Brottor!“ rief Fonkin zurück. „Wäre nett, wenn du und deine Jungs die Trümmer wegräumen könnten, ich muss nämlich dringend weiter. Und pass auf mein Haus auf, bis ich wieder da bin.“

„So gut wie erledigt.“, bekam er als Antwort. „Kommt Jungs packen wir's an!“ Brottor und drei jüngere Goldzwerge machten sich daran, die Straße wieder frei zu räumen, während sich eine Gruppe von Halblings und Gnomenkindern vor dem nun leeren Torbogen sammelte um noch mal einen Blick auf den Steinkoloss zu erhaschen.

„Dank dir Brottor!“, rief Fonkin dem Zwerg zu, wandte sich wieder der Stadtmitte zu und eilte die Straße entlang.
 

Der betagte Halbling saß an seinem Schreibtisch, die Stirn übersät von Sorgenfalten und las immer wieder den Bericht seiner Kundschafter durch, als jemand an seiner Tür klopfte.

„Jawohl!“, rief er und die Tür wurde einen Spalt geöffnet. Herein schaute der Kopf von seinem Laufburschen Lyle.

„Meister Fonkin wäre nun da Herr.“, berichtete dieser. „Soll ich ihn gleich reinschicken?“

„Ja tu das! Und sorg dafür, dass man uns nicht stört.“ Endlich mal eine gute Nachricht, dachte sich der Bürgermeister, denn obwohl er seinem Läufer mit Nachdruck gesagt hatte, dass es dringend wäre, mit dem Gnom zu reden, hatte er doch nicht erwartet, dass der viel beschäftigte Magier sofort seiner Einladung folgen würde.

„Jawohl Herr.“, gab der junge Halbling zurück und sein Kopf verschwand wieder. Gleich darauf kam Fonkin durch die Tür und schloss diese hinter sich.

„Ah Fonkin, wie gut dich so schnell sehen zu können. Ich hoffe doch Lyle hat dich nicht bei einer wichtigen Arbeit gestört.“, begrüßte ihn der Halbling stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um seinen Freund zu begrüßen.

„Äh, nein Albur. Ich hatte gerade meinen neuesten Golem vollendet, als Lyle an der Tür klopfte. Ein Prachtexemplar, der Golem mein ich. Ich habe mich mal wieder selbst übertroffen. Er ist besonders dafür geeignet, schwere Lasten zu tragen, man kann ihn natürlich auch ideal im Bergbau einsetzen, zumindest wenn die Stollen eine Mindesthöhe von drei Metern haben...“, erklärte der Gnom.

„Ja ja, ich weiß, ich weiß wie nützlich diese Dinger sind.“, unterbrach ihn der Halbling. „Ich habe dich rufen lassen, weil ich unbedingt mit dir wichtige Dinge besprechen muss und außerdem den ein oder anderen Rat von dir brauchen werde.“

„Äh natürlich. Was immer es ist ich steh dir zur Verfügung.“, erwiderte Fonkin verwirrt. Selten hatte er Albur so direkt und so schnell auf den Punkt kommend erlebt. Was etwas bedeuten mochte, denn schließlich kannten die Beiden sich schon seit Kindestagen und waren im Lauf der langen Jahre immer bessere Freunde geworden.

„Es geht um T'alira. Nicht nur, aber auch um sie.“, begann Albur nach kurzem Zögern und man sah ihm an, dass es ihm unwohl dabei war.

„T'alira, was ist mit ihr?“, entgegnete der Gnom. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.

„Nun ja wie soll ich es sagen... ich befürchte Tiefenbau ist nicht mehr sicher für sie, ja ich glaube sogar Tiefwasser ist mit ihr nicht mehr sicher.“, fuhr der Halbling fort und bestätigte somit die Vorahnung seines Freundes.

„Aber Tiefenbau war noch nie wegen meiner Kleinen in Gefahr! Alle Befürchtungen, sie könne sich irgendwann als genauso bösartig erweisen wie ihre Verwandten, haben sich nicht bestätigt, ja selbst die Tatsache, dass sie von Geburt an eine Werkatze ist und somit die Lykanthropie in ihrem Blut steckt, hat sie noch nie jemandem aus der Stadt Schaden zugefügt. Ja, sie ist sogar eine der besten Kämpfer von Tiefenbau und begleitet stets die Patrouillen, um die unteren Menen und die umliegenden Gebiete im Unterreich zu sichern. Also warum sollte irgendeine Gefahr von meinem Mädchen ausgehen?“ Dem Gnom war sein Herz in die Hose gerutscht und er sah den Bürgermeister flehend an, denn er müsste doch wissen, was ihm diese Dunkelelfe bedeutete.

Albur, der genau diese Reaktion erwartet hatte, ging auf seinen Freund zu, legte ihm den Arm um die Schultern, führte ihn zu einem Stuhl und ließ den Gnom sich hinsetzen. Dann fuhr er mit tröstender Stimme fort: „Ich weiß das T'alira keine Gefahr für die Einwohner dieser Stadt darstellt, und dass sie nur so gutherzig ist wie, nur irgendwer sein kann. Auch für mich ist sie wie eine Nichte und wären die Umstände anders, würde ich nie verlangen, dass sie uns verlassen soll. Doch heut Morgen sind unsere Spione aus der Drowstadt T'lindhet wieder zurückgekehrt und was sie zu berichten haben ist alles andere als beruhigend und bestätigt meine Befürchtungen.“

Der Gnom sah, nun wieder gefasst, mit gewecktem Interesse dem Halbling in die Augen, der sich seinerseits, seinem Freund gegenüber, auf einen Stuhl gesetzt hatte.

„Es heißt, eins der mächtigeren Adelshäuser sei dabei, die alleinige Herrschaft über die Stadt, an sich zu reißen. Sie haben sich bereits mehrere der schwächeren Häuser einverleibt, sodass keines der anderen Häuser mehr etwas gegen sie unternehmen kann, ohne Gefahr zu laufen sofort vernichtet zu werden. Dieses Haus lässt, so steht es in den Berichten unserer Spione, verstärkt Sklavenjäger durchs Unterreich streifen, um ihre Armee zu stärken. Das hat zur Folge, dass alle Nichtdrow die Umgebung von T'lindhet flüchten und sich woanders niederlassen, was wiederum zur folge hat, dass die Sklavenjägertrupps auch weit von ihrer Stadt auf Jagt gehen und Tiefenbau sehr nah, ja zu nah kommen könnten, denn der Name dieses aufstrebenden Hauses ist kein anderer als De'ban.“

De'ban! Das ließ Fonkin augenblicklich erstarren, dies war der Name, den er kurz nach dem er damals mit der kleinen T'alira von seiner Reise in den Wald von Amtar zurückgekehrt war, durch magische Ausspähung erfahren hatte. Es war der Name, den die Familie trug, von der T'alira abstammte und Albur war einer der wenigen, die dieses Wissen mit ihm teilten.

Der Halbling sah seinen Freund mit ernstem Blick an: „Verstehst du nun, was ich damit meinte, dass T'alira hier eine Gefahr für sich und uns alle darstellt?“

Der Gnom nickte langsam, den Schreck immer noch nicht überwunden. „Natürlich!“, dachte er sich, „Irgendwann würden diese Drow erfahren, dass in Tiefenbau eine einzelne Dunkelelfe lebte und wenn sie das erst einmal wüssten, dann wäre es nur noch eine frage der Zeit bis sie heraus fänden, wer diese ist. Das hätte zur Folge, dass ihre Familie Jagd auf sie machen würden, denn Drow waren ebenso wenig dafür bekannt, dass sie ihre Abtrünnigen einfach in Ruhe ließen, wie sie dafür berüchtigt waren, das hinterhältigste Volk auf ganz Toril zu sein.

„Dann verstehst du meine Bedenken und stimmst mir zu, dass es das beste für sie wäre, Tiefenbau zu verlassen, an die Oberfläche zu gehen und zu verreisen. Dort würde sie bestimmt weniger in Gefahr sein, denn wie du schon gesagt hast ist sie eine unserer besten Kämpferinnen.“

„J...ja... du hast recht.“, antwortete der Gnom krächzend den der Schock hatte ihm seine Kehle austrocknen lassen.

„Gut da wir das geregelt hätten,...“, fuhr Albur abermals mit dem Gespräch fort, stand auf und schenkte etwas aus einer Flasche in einen Becher, den er wiederum seinem Gast reichte, „...können wir zu dem zweiten Punkt kommen weswegen ich dich herholen ließ.“

Fonkin nahm den ihm dargebotenen Becher an und schüttete sich das Gebräu auf einmal in den Rachen.

„Ist es wegen den häufigen Goblin und Koboldüberfällen in den Minen der letzten Zeit?“, fragte er und spürte wie der starke Zwergenschnaps wieder Farbe zurück in sein Gesicht brachte. Ein Blick in die Augen des Halblings verrieten, dass er mit seiner Vermutung voll ins schwarze getroffen hatte.
 

T'alira atmete schwer. Ihr Gegner hatte sich wieder unsichtbar werden lassen und bereitete sich bestimmt gerade irgendwo zwischen den, von der Höhlendecke hängenden, Stalaktiten schwebend

auf seinen nächsten Angriff vor. Das musste sie abwarten, denn der Kampflärm, der aus den angrenzenden Tunnel und Kavernen machte eine Ortung ihres Widersachers durch Geräusche unmöglich. Nun gut sollte das Spiel halt so weitergehen. Doch nichts geschah!
 

Zusammen mit ihrer Patrouille war sie auf das Lager der Goblins und Kobolde getroffen und anfangs war es ihr noch ein Rätsel, wieso diese so unterschiedlichen Geschöpfe gemeinsame Sache machten, denn normalerweise würden sich diese beiden Völker mit der gleichen Etikette begegnen, die zwischen so ziemlich allen Unterreichbewohnern so an der Tagesordnung waren: Raub, Mord und Totschlag!

Dieses Rätsel hatte sich schnell gelöst, als aus den hinteren Höhlen des Lagers die Gestalt eines großen, grobschlächtigen Ogers auftauchte, was nur soviel bedeuten konnte, dass die Goblins und Kobolde nichts anders als untergebene und Sklaven waren, gut genug ihren Anführern das Leben zu erleichtern. Was nicht bedeutete, dass sie zu bemitleiden waren, denn wenn nicht die Oger sie unterdrücken würden, würde der stärkste unter ihnen sich zu ihrem Anführer ernennen und sie würden in dessen Namen rauben. Auf jeden Fall musste diese Bedrohung beiseite geschafft werden und so griff die Abteilung aus Halblingen, Gnomen und T'alira an.
 

Nur spärlicher Fackelschein drang in die Höhle, in der sie sich nun befand, doch reichte ihr das Licht vollkommen aus, um alles zu sehen. Ja, mit ihren Drowaugen konnte sie, wie die meisten Untereichvölker sogar in totaler Lichtlosigkeit sehen. Doch da sich ihr Gegner sich mittels Magie tarnte, hatte sie ihn immer noch nicht ausmachen können.

Zwei Oger und ein gutes Dutzend Goblins hatte sie seit der Entdeckung des Lagers ins Jenseits befördert, doch dieser Feind war stärker als alles gegen das sie bisher gekämpft hatte. Dieses Geschöpf besaß nicht nur Kampfgeschick, sondern auch noch magische Fähigkeiten.

Sie hatte die Höhle kaum betreten, da wurde sich auch schon von der Seite angegriffen und hätte sie nur eine Sekunde langsamer reagiert wäre sie auf Taillenhöhe, von dem riesigen Zweihänder des Ogers, zweigeteilt worden. Trotzdem klaffte jetzt dort, wo das Schwert sie getroffen hatte eine breite Schnittwunde und machte ihr zu schaffen. Das hatte sie dem Monster zwar sogleich heimgezahlt, indem sie ihm den rechten Arm abschlug, doch daraufhin verschwand ihr Gegner und als T'alira ihre Waffe abermals hatte niedersausen lassen durchfuhr die Klinge nichts als Luft. Nur sein Blut beflecktes Schwert lag noch auf dem felsigen Boden, sein Arm war auch verschwunden.
 

In den fast sechsunddreißig Jahren, die seit dem ihr Ziehvater sie gefunden hatte vergangen waren, war sie zu einer überaus schönen, jungen Frau herangewachsen und die Arbeit in der Stadt und den Mienen, zusammen mit den zahllosen Kämpfen und Trainingsstunden, hatten ihren schlanken Körper zäh und stark wie Stahlseile werden und sie eine menge Erfahrung sammeln lassen. Deshalb hatte T'alira sich nun zwischen zwei Stalagmiten zurückgezogen, um jederzeit anzugreifen zu können, wenn sich die Gelegenheit bot.

Dann schallte grausames Gelächter durch die Höhle und dort, wo sich der Eingang, durch den T'alira gekommen war, wurde ihr Widersacher sichtbar. Drei Meter ragte er gut zehn Schritte vor ihr auf, der schwache Lichtschein, der aus dem Tunnel hinter ihm herein fiel, gab seine breiten, muskulösen Umrisse im Zwielicht zu erkennen. Sein rechter Arm war allem Anschein nach wieder angewachsen und eins der zwei, aus seiner breiten Stirn ragenden, Hörner war abgebrochen, was sein bedrohliches Erscheinungsbild komplettierte.

„Du kämpfst wirklich gut kleine Drow.“, sagte der Ogermagus in einer Sprache die T'alira nicht kannte, doch machte das nichts, denn aus einem Grund, den sie selbst noch nicht kannte verstand sie alle Sprachen ohne, dass sie je davor gehört hatte.

„Ich mach dir einen Vorschlag. Ich verschone dich und du verbündest dich mit mir. Du bist doch eine echte Drow? Lass uns diese Halblinge und Gnome gemeinsam töten, denn zusammen könnten wir unglaublich reich werden.“, fuhr er fort und streckte ihr seine Hand entgegen.

T'alira richtete sich auf und trat aus ihrer schützenden Nische hervor, ihren Gegner nicht aus den Augen lassend und Zorn stieg in ihr auf.

„Warum sollte ich meine Freude töten wollen?“, schrie sie ihm entgegen und schleuderte mit aller Kraft ihre Waffe gegen ihrem Feind. Der Klingenring durchschnitt die Luft, streifte sein Ziel aber nur, da der Ogermagus, für seine Größe erstaunlich gewandt, sich gerade noch auf die Seite fallen lassen konnte. T'alira nutzte die Gunst des Augenblicks und richtet ihren Finger auf das Monster. Feenfeuer strömte aus der Spitze und schoss auf den, sich gerade wieder aufrichtenden, Ogermagus zu, blieb an ihm haften und ließ ihn im magentafarbenen Schein aufleuchten.

Der Riese lachte abermals, doch diesmal troff sein Gelächter nur so vor Spot.

„Seit wann haben dreckige Drow, wie du Freunde? Und deine billigen Tricks funktionieren bei mir auch nicht! Ich werde dich erschlagen, wie diese Drowpriesterin, die ich erst vor ein paar Monaten in Stücke hackte.“, höhnte er als er sich wieder zur vollen Größe aufrichtete und diesmal wieder mit seinem Schwert in der Hand. Er sprach einen kurzen Zauber und bannte damit das Feenfeuer, dann verschwand er abermals.

Das gab T'alira den Rest, wie sie dieses Ding nur hasste! Jetzt war der Spaß für sie vorbei, nun weckte sie das Tier in sich. Und sofort begann sie sich in ein Mischwesen aus Katze und Drow zu verwandeln. Ihre Kleidung spannte sich über den zusätzlichen Muskeln und riss stellenweise sogar auf, ihre Gesichtszüge wurden katzenhafter, ihr Haar färbte sich schwarz, aus ihrer sowieso schon dunklen Haut spross ein feines, pechschwarzes Fell und ihre Finger waren nun mit messerscharfen Krallen versehrt. Ihre magischen Stiefel veränderten sich ebenfalls und gaben ihre Füße, die sich nun in zwei mächtige Tatzen verwandelt hatten, frei. Dazu kam, dass sich alle ihre Sinne schärften, wodurch sie keine Schwierigkeiten mehr hatte ihren Gegner auszumachen, denn er konnte sich nur unsichtbar machen, nicht geruchlos und seinen Gestank würde sie jetzt meilenweit wittern können.

Da war er auch schon! Er kam direkt auf sie zugeflogen, vermutlich mit zum Schlag ausgeholtem Schwert. Schon hörte sie, wie die Klinge durch die Luft schwang und in letzter Sekunde sprang sie zur Seite, rollte sich ab, kam wieder auf die Beine, stieß sich abermals ab und landete mit einem großen Satz auf dem Rücken des Unsichtbaren. Das alles geschah so schnell, dass der Ogermagus schon die Krallen in sein Fleisch eindringen spüren, bevor er seinen eigenen Angriff zu ende bringen konnte. T'alira riss mit all ihren Krallen Fleischstücke aus ihrem Gegner, was zur Folge hatte, dass sich dessen Unsichtbarkeit auflöste.

Die Schmerzensschreie übertönten alles in den umliegenden Höhlen doch verebbten sie schlagartig als T'alira mit einem kräftigen Biss in den Nacken des Ogers dessen Rückenmark durchtrennte und das Geschöpf somit tötete.

Gurhll der Ogermagus hatte schon ein paar mal gegen Drows gekämpft und wusste daher, dass sie gegen die meiste Magie resistent waren, weswegen er in diesen Kämpfen immer zum Schwert gegriffen hatte. Und obwohl die Drow für ihre Kampfkunst weithin berühmt waren, hatte er bisher alle erledigt, die sich ihm in den Weg gestellt hatten. Doch mit dem, das diese Drow eine Werkatze war hätte er nie gerechnet und so wurde er leichtsinnig, als diese, scheinbar unbewaffnet, vor ihm stand. Ein Fehler, den er nie wiederholen würde, denn sein letzter Streich ging daneben.

Erst als der Körper ihres Gegners endgültig aufgehört hatte zu zucken, lockerte T'alira ihren Biss und ließ von dem Toten ab. Dann nahm sie wieder ihre normale Gestalt an. Ihre Hand glitt zu der Feldflasche aus Leder, die sie an ihrem Gürtel trug, und spülte sich den Mund aus. Mit dem restlichen Wasser wusch sie sich ihre schulterlangen, von Geburt an silbernen, Haare aus dem Gesicht, da sie dort, durch Blut und Schweiß, fest klebten. Die Wunde an ihrer Seite war zum Glück nicht all zu tief gewesen, sodass sie sich durch ihre Verwandlung geschlossen hatte und jetzt nur noch ein breiter Kratzer zu sehen war. Die Bluse, die sie angehabt hatte, hing nur noch in dreckigen, blutgetränkten Fetzen an ihr herab, sodass T'alira sie ganz auszog, wobei sie ihre wohl geformten Brüste entblößte. Dann warf sie die Bluse weg und schnitt sie mit ihrem Messer einen Streifen von dem Gewand ihres besiegten Gegners ab, der sich noch nicht mit Blut voll gesogen hatte. Dabei stellte sie zu ihrer Zufriedenheit fest, dass es sich dabei um reinste Seide handelte. Dann schlug T'alira den Streifen zweimal ein und band ihn sich um die Brust. Ihre Hose aus Pferdeleder hatte die Verwandlung zum Glück heil überstanden.

Sie wollte sich gerade auf den Weg machen, um ihren Mitstreitern zu Hilfe zu eilen, als ihr eine mit Kurzschwert und Schleuder bewaffnete Halblingin aus dem Tunnel entgegen kam. T'alira erkannte sie sofort als Chalice Appleton, die Anführerin der Späher von Tiefenbau und einst ihre Lehrerin in Heimlichkeit, Fallen und Schlösser knacken.

„T'alira, bist du ok?“, rief die kleine Frau ihr entgegen, als sie die Höhle betrat.

„Ja Chalice. Mir geht’s gut.“, gab die Dunkelelfe zur Antwort.

„Freut mich! Als diese verdammten Kreaturen den Todesschrei ihres Anführers hörten, verließ sie der Mut und sie flüchteten. Ich denke das haben wir dir zu verdanken. Ein paar von uns verfolgen sie noch, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht mehr sammeln und zurück...“, sie ließ den Satz unvollendet, denn ihr Blick fiel auf, die auf dem Bauch liegende Leiche, die jetzt direkt vor ihr lag und blieb an deren Hörner hängen.

„Ein Ogermagus?“, sie schluckte, „Und du hast ihn alleine... ?“, sie sah mit staunendem Blick zu ihrer Freundin auf.

T'alira nickte nur. Es lag ihr nicht vor Chalice zu prahlen und außerdem war sie zweimal nur knapp dem sicheren Tod entgangen.

„Alle Achtung! Dieses Ding hätte uns gewaltigen Ärger machen können und nicht viele wären mit solch einem Gegner fertig geworden.“, lobte die Halblingin ihre ehemalige Schülerin, was T'alira erröten ließ. Chalice kniete nieder und untersuchte den toten Riesen.

„Hilf mir mal dieses Ding umzudrehen, mal sehen, ob wir nicht eine Trophäe für deinen Sieg über ihn finden.“ sagte sie zu T'alira gewandt und zusammen drehten sie den schweren Körper auf den Rücken. An dem Gürtel des Ogers hing eine große Sammlung der verschiedensten Gegenstände, ihrer Vermutung nach alles Trophäen seiner besiegten Gegner, womit sie vollkommen recht hatten. So baumelten dort zum Beispiel einige Skalps, eine abgetrennte, einbalsamierte Hand und eine Kette mit den verschiedensten Zähnen. Was Beiden sofort ins Auge fiel, war das Lederband mit dem heiligen Symbol der Eilistraee, wie auch T'alira eines besaß, welches einst ihrer Mutter gehört hatte und das sie immer um den Hals trug. An dem Lederband war auch noch eine Art Schlüsselbund geknotet, nur dass an dem metallenen Ring keine Schlüssel sonder kleine Schwerter hingen.

Chalice löste diese beiden Sachen von dem Gürtel und reichte sie T'alira.

„Ich glaube, das sollte diesen Zweck erfüllen.“, fügte sie hinzu. „Wir werden die Leichen alle verbrennen und das Lager abreißen müssen, sonst dauert es nicht lange und es wimmelt hier wieder von Ungeziefer und andern Kreaturen.“, fuhr sie dann fort, „Du bist die Schnellste von uns, eile zur Stadt zurück, schick Verstärkung und sag sie sollen Lasttiere mitbringen. Dann lass dich von den Heilern versorgen, deine Seite schaut nämlich gar nicht Gut aus.“

T'alira sah Chalice pflichtbewusst an, nickte, steckte ihre Trophäe in eine ihrer Taschen und machte sich, nachdem sie ihre Waffe wieder aufgehoben hatte, auf den Weg.
 

Nachdem sie wieder die Stadt erreicht und ihren Bericht abgegeben hatte, war sie sogleich nach Hause geeilt um Fonkin zu von ihrem Abenteuer zu erzählen, hatte diesen aber nicht angetroffen. Also hatte sie sich dazu entschlossen, erst einmal ein Bad zu nehmen und auf den Gnom zu warten. Vorher stellte sie aber noch den Schirmständer, mit der Sammlung von Spazierstöcken ihres Ziehvaters, innen vor die Eingangstür, damit sie gleich mitbekam, wenn dieser nach Hause kam.
 

T'alira saß bis zum Hals im heißen Wasser des in den Boden eingelassenen Beckens und entspannte sich. Der Raum war kreisrund und die Wände, welche in einer Kuppel als Decke zusammen liefen, waren lückenlos mit den verschiedensten Kristallen und Edelsteinen besetzt. Ein riesiger Bergkristall hing genau in der Mitte des Raumes von der Decke, an dem das Wasser einer heißen Quelle hinabfloss und die Wanne darunter speiste. Diesem Kristall streckte sich von unten ein Zweiter entgegen, welcher zwar nicht ganz so groß, aber ebenso spitz war. Außerdem ging von diesem, der wie der obere Kristall ebenso, das Zentrum des Raumes und des Beckens bildete, als einzigste Lichtquelle im Raum, ein magischer Schein, wie der von Sternen aus und tauchte die Grotte in sanftes Licht, das sich in den zahllosen Mineralien an Wänden und Decke und vor allem in dem herabhängenden Kristallspeer in allen möglichen Farben brach. Eine halbrunde Kerbe in dem Beckenrand, der sich einen halben Meter über dem Boden des Raumes befand, verhinderte, dass das Wasser einfach über den Rand lief und die Grotte überschwemmte. Dort floss das überschüssige Wasser in eine Rille im Boden und verschwand durch ein Loch wieder im Erdreich.

Dieser Raum bildete neben ein paar anderen Grotten den Keller des Hauses, welches aus einem ausgehöhlten Stalagmiten von fünfzehn Metern Durchmesser und zwanzig Metern Höhe bestand. Es war der wohl am schönsten gestaltete Raum des ganzen Gebäudes und T'aliras Lieblingsort, den ihr Ziehvater einst mit Hilfe von Magie und handwerklichem Geschick geschaffen hatte.

Als sie sich gerade all das geschehene dieses Tages und vor allem den Kampf mit dem Ogermagus, noch mal durch den Kopf gehen ließ, schnappte ihre Falle zu. Das scheppern von auf den Boden krachendem Metall und Holz und ein dumpf aufschlagendes Geräusch begleitet von lautem Fluchen verrieten ihr, dass der Erwartete nun zurück war. Das holte auch sie wieder aus ihren Gedanken. Sofort sprang sie auf verließ die Grotte und eilte die gewendelte Treppe ins Erdgeschoss hinauf. Das sie noch vollkommen nackt war störte sie dabei nicht im mindesten.

Am oberen Ende der Treppe angekommen sah sie den Gnom, der sich gerade aus einem Haufen Spazierstöcke befreite und wieder auf rappelte, ohne ihr Tempo zu verringern, stürmte sie auf ihren Ziehvater zu, packte ihn unter den Armen, wirbelte ihn von Boden hoch hebend einmal um ihre eigene Achse und stellte ihn dann wieder vor sich auf seine Beine.

„Hallo Paps!“, begrüßte sie ihn aufgeregt. „Wo warst du denn? Und was ist mit dem Tor zur Werkstatt passiert?“

„Nicht so schnell meine Kleine, lass deinen alten Herrn doch erst mal reinkommen, bevor du mich mit Fragen löcherst.“, gab der Gnom, der sich noch nicht ganz von der ungewöhnlichen und überraschenden Begrüßung noch nicht erholt hatte, als Antwort und wurde ganz rot im Gesicht als er merkte, dass seine Tochter gar nichts an hatte. Doch als er zu ihr hoch sah, denn mit ihren Einmetersechzig überragte sie den Gnom um mehr als die Hälfte. Blieb sein Blick an dem Kratzer, den sie von ihrem Kampf davongetragen hatte, hängen, wobei eine Mischung von väterlicher Sorge und Neugierde auf sein Gesicht trat und die Schamesröte verdrängte.

„Was hast du denn da wieder angestellt?“, fragte er und betrachtete die Wunde genauer. „Das ist doch nichts ernstes oder?“

T'alira musste lachen, ein vergnügtes und klares Lachen und fügte dann hinzu: „Komm erst mal rein und ich hol mir was zum anziehen, dann können wir uns in Ruhe unsere Geschichten erzählen.“

„Das ist eine gute Idee. Ich bin heut wahrlich schon genug gestanden.“, stimmte er ihr zu und machte sich daran seine Spazierstöcke wieder aufzuräumen. Darauf hin wandte sich T'alira auch ab und machte sich auf den Weg in den ersten Stock.
 

Kaum eine viertel Stunde später befanden sich beide in der Bibliothek und schilderten sich gegenseitig ihren Tagesablauf. Während T'alira auf einem großflächigem mit smaragdgrünem Satin überzogen Sofa, den Kopf in den Händen auf die Ellbogen gestützt die Knie angewinkelt, auf dem Bauch lag, machte es sich Fonkin, mit einer langstieligen Pfeife im Mundwinkel, in einem eigens für ihn angefertigten nicht minder bequemen Ohrensessel, die ausgestreckten Beine auf einem Schemel liegend, gemütlich.

Der Gnom erzählte als erstes seine Erlebnisse, schilderte gekonnt wie der Golem durch das Tor der Werkstatt gebrochen war, wobei T'alira einen Lachanfall bekam, und wie er mit Albur den restlichen Tag beratschlagt hatte, wie man die Verteidigungsanlagen der Stadt ausbauen und verbessern konnte, doch erwähnte er nicht das Gespräch über T'alira, das er ganz zum Anfang mit dem Bürgermeister geführt hatte, da es ihn noch zu sehr betrübte und er noch nicht wusste, wie er es herüber bringen sollte. Dann erzählte die Dunkelelfe von ihrem Überfall auf das Lager des Ogermagus und ihrem Kampf mit diesem. Als sie beschrieb wie sie zweimal nur um Haaresbreite mit dem Leben davongekommen war, kam ihr Ziehvaters fast um vor Sorge, dann war er aber dann doch erleichtert, dass sie aus einem Kampf mit solch einem Gegner nur mit einem Kratzer hervor gegangen war. Als sie geendet hatte holte sie ihre Trophäe hervor und zeigte sie dem Gnom.

„Das haben wir an seinem Trophäengürtel gefunden. Es sieht genauso aus wie mein Amulett von meiner Mutter.“, sagte sie und reichte Fonkin das Kleinod, zusammen mit dem seltsamen Schlüsselbund. Dieser nahm es interessiert entgegen und musterte die Gegenstände aufmerksam, während T'alira ihn gespannt ansah.

„Tatsächlich. Das sieht genauso aus wie deins.“, sagte er nach einer Weile. „Also muss dieser Ogermagus eine Priesterin des selben Glaubens, dem auch deine Mutter angehört hat, getötet und ihr heiliges Symbol und die Sammlung von Miniaturschwertern an sich genommen haben. Doch was diese zu bedeuten, oder welchen Zweck diese haben kann ich nicht sagen. Sie sind zwar genau wie das Amulett aus reinem Silber, aber magisch sind sie nicht.“

„Meinst du diese Priesterin hat meine Mutter gekannt?“, fragte T'alira aufgeregt und mit einem hoffnungsvollen Glanz in ihren leuchtenden, magentaroten Augen. Oft hatte der Gnom ihr die Geschichte erzählt, wie er sie als Säugling im Wald gefunden hatte und all zu gern würde sie mehr über ihre Mutter, von der sie eben nur deren heiliges Symbol besaß, wissen.

„Möglich wärs.“, antwortete ihr der Gnom.

„Bestimmt gibt es noch mehr Drow, die dem selben Glauben folgen und vielleicht haben sie irgendwo einen Tempel. Wenn ich diesen finden würde, könnte ich bestimmt mehr über meine Mutter herausfinden.“ sprudelte es jetzt vor lauter Aufregung aus der Drow heraus.

„Und wo würdest du mit deiner Suche beginnen?“, fragte Fonkin skeptisch.

„Das ist doch logisch. Natürlich da wo du mich damals gefunden hast. Wenn in diesem Wald irgendwo ein Schrein von dieser Göttin ist, der diese Amulette geweiht sind, dann find ich bestimmt jemanden der mir mehr dazu sagen kann.“, erklärte sie optimistisch, woraufhin der Gnom eine Weile nachdenklich vor sich hin paffte. Er hatte das heilige Symbol, das er damals bei seiner Adoptivtochter gefunden hatte, magisch untersucht und dabei herausgefunden, dass es einst der Mutter von T'alira gehört hatte und das eine gute Aura es umgab. Diese Erkenntnis ließ ihn vermuten, dass es sich bei diesem Glauben nicht um die Verehrung einer Bösen Gottheit handelte, was ihm soeben nochmals bestätigt wurde, da auch dieses zweite Symbol von derselben positiven Aura umgeben war. Allerdings hatte er nie herausgefunden, wer diese Gottheit war oder wie diese hieß.

Schließlich sagte er: „Vielleicht hast du recht. Vielleicht findest du die Spuren deiner Mutter und jemanden der sie gekannt hat.“

„Wirklich? Du erlaubst mir mich auf die Suche zu machen?“, fragte sie, setzte sich auf und sah den Gnom gespannt an. Schon seit sie klein war hatte sie immer davon geträumt, sich, wie ihr Ziehvater einst, auf die Suche nach Abenteuern zu begeben und jetzt sollte es vielleicht soweit sein. Diese Vorstellung machte sie noch glücklicher, als sie an diesem Abend sowieso schon war.

Fonkin nickte, „Ja, ich denke du hast heute bewiesen, dass du auf dich aufpassen kannst.“

Das ließ die Dunkelelfe vor Freude fast platzen. Sie sprang auf und war mit einem großen Satz bei dem Gnom, den sie sogleich umarmte.

„Und wann darf ich aufbrechen?“, fragte sie, löste ihre Umarmung und sah ihm in die Augen.

„Das bleibt dir überlassen. Doch denke ich, dass du vielleicht nicht noch mehr Zeit verlieren solltest, wenn die ohnehin schon kalte Spur, der du folgen willst, nicht noch kälter werden soll.“, gab er ihr zu bedenken.

„Gut!“, sagte sie nach kurzer Überlegung, „Dann werd ich morgen Abend aufbrechen, so kann ich mich heut und morgen noch von allen verabschieden und alles vorbereiten.“ Sie wandte sich ab und ging in Richtung Tür, doch kurz davor hielt sie inne und drehte sich noch mal zu ihrem Ziehvater um. Er sah ihr nach und sie bemerkte, dass eine Spur von Kummer in seinem Blick lag.

„Du kommst doch klar ohne mich?“, fragte sie besorgt.

„Ich werd schon klar kommen.“, antwortete er und hüllte sich in eine Rauchwolke, damit seine Adoptivtochter nicht sehen konnte, wie ihm eine Träne über die Wange lief. „Und jetzt schau, dass du dein Zeug zusammenpackst, sonst bist du nächste Woche immer noch da.“, fügte er noch hinzu und schwieg dann.

Das ließ sich T'alira nicht zweimal sagen, öffnete die Tür und verschwand durch sie, die dahinter liegende Treppe hinunter eilend.
 

Als T'alira am nächsten Morgen aufwachte und ins Erdgeschoss ging, um etwas zu frühstücken, kam ihr, kaum, dass sie die Treppe hinter sich gelassen hatte, Fonkin, mit einem schwarzen Stofffetzen in der Hand, aus dem Raum, in dem er seine Sammlung magischer Gegenstände aufbewahrte, entgegengerannt.

„Ah, T'alira! Ich wollte dich gerade wecken.“, begrüßte er sie. „Schau mal was ich hier für dich hab.“, fuhr er in seiner üblich freudigen Geschäftigkeit fort und wedelte mit dem, rund dreißig Zentimeter Durchmesser großen, Tuch.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Das, meine Liebe, ist ein sogenanntes Tragbares Loch und sehr nützlich wenn man auf Reisen geht.“, erklärte er und fing an das Rund auseinander zu ziehen, welches, zum Erstaunen der Dunkelelfe, immer größer wurde. Dann, als die Spannweite seiner arme nicht mehr ausreichte um es noch weiter auszudehnen, hielt er es an die nächste Wand und ließ es los. Anstatt zu Boden zu sinken, wie es in dem Fall jeder gewöhnliche Stoff getan, hätte bildete es nun den Eingang zu einen, drei Meter tiefen, außerdimensionalen Raum.

„In diesem Raum kannst du alles mitnehmen was du Unterwegs brauchst. Proviant, Wasser und alles sonstige was du mitnehmen willst. Außerdem kannst du, wenn du in deiner Tiergestalt reist, deine Waffen und Klamotten darin aufbewahren. Natürlich hättest du auch meinen Alten Rucksack haben können, doch würde er dich beim verwandeln nur behindern und außerdem würde es mir nicht leicht fallen mich von ihm zu trennen.“erläuterte der Gnom.

„Das ist ja total toll!“, rief sie vor lauter Begeisterung aus und strahlte übers ganze Gesicht. Sie liebte es in ihrer Panthergestalt durch die Wälder und Ebenen der Oberfläche Fearuns zu streifen, wie sie es immer in den Vollmondnächten zu tun pflegte und die Aussicht, da sie kein großes Gepäck dabei hindern würde, jetzt so reisen zu können, erfreute sie sehr.

„Danke Paps!“, sagte sie und umarmte Fonkin dankbar.

„Ach was. Das ist doch das Mindeste was ich für dich tun kann.“, entgegnete er geschmeichelt, befreite sich aus der Umarmung und fügte hinzu: „Besser du machst dich jetzt auf, deinen Proviant zu besorgen und nimmt dieses Loch gleich mit, damit du die Sachen gleich rein räumen kannst und nicht extra herschleppen musst. Schließen tust du es indem du es nimmst und zusammenfaltest. Das kannst du übrigens auch von innen, dabei musst du allerdings aufpassen, weil dann die Luft nur zehn Minuten zum atmen reicht.“

T'alira nickte, nahm das Loch von der Wand, faltete es zu seiner ursprünglichen Größe zusammen und machte sich dann auf den Weg, die Vorräte zu besorgen.
 

Den restlichen Tag verbrachte T'alira damit, all das was zu besorgen, was sie gedachte mitzunehmen und sich von all jenen zu verabschieden die ihr näher standen, denn sie zog es vor im Stillen abzureisen und bat alle darum ihr verschwinden noch geheim zu halten, bis sie die Stadt verlassen hatte, was sie einige Überredungskunst abverlangte, denn jeder wollte ein Abschiedsfest für sie feiern. Doch dann wünschten ihr alle nur viel Glück für ihre Reise und überhäuften sie geradezu mit kleinen Geschenken, die hauptsächlich aus irgendwelchen, sich lang haltenden Lebensmitteln bestanden, sodass sie kaum noch selbst etwas einkaufen musste, aber auch der ein oder andere Glücksbringer war dabei, das alles Packte sie natürlich in ihr Tragbares Loch, ohne das sie jetzt schon nicht mehr gewusst hätte, wie sie mit allem zu Rande gekommen wäre. Die letzten Beiden von denen sie sich verabschiedeten wollte waren Albur und Chalice, welche sie zu ihrer Überraschung und Freude beide in dem Büro des Bürgermeisters auffand. So wie es schien waren die beider gerade mitten in einem Streit vertieft, welcher aber sofort endete, als T'alira ihren Kopf zur Tür hineinsteckte, und sich ein unangenehmes Schweigen im Raum breit machte. Das löste sich allerdings wieder auf, als Albur die Dunkelelfe herein bat.

T'alira schilderte den Beiden kurz, was sie vorhatte und das sie daher gekommen war, und sich von ihnen zu verabschieden, worüber die Halblinge nicht sehr überrascht schienen und Chalice dem Bürgermeister einen schwer zu deutenden Blick zuwarf. Doch dann wünschten sie sich alle viel Glück für die Zukunft, sagten freundschaftlich auf wiedersehen und als sich T'alira schließlich zum gehen wandte, überreichte Albur ihr noch ein Bündel, mit ein paar Heiltränken und einen kleinen Beutel, mit einigen Edelsteinen und etwa drei Dutzend Goldmünzen, als Abschiedsgeschenk.

Es war schon spät, als sie endlich wieder zu Hause eintraf, wo ihr Ziehvater schon auf sie wartete. Er hatte in ihrer Abwesenheit einige Truhen und zwei Fässer voll Wasser für sie bereit gestellt, in denen sie Ihre Vorräte geordneter aufbewahren konnte und ihre Kleidung zum wechseln, die sie mitnehmen wollte verstauen konnte. Und als schließlich alles in dem außerdimensionalen Raum eingeräumt war, verspeisten sie noch ein karges Mahl und machten sich dann zusammen auf in die Oberstadt zu gelangen.
 

Als T'alira und Fonkin das Stadttor erreichten, war die Sonne schon untergegangen und von ihrem Licht war nur noch ein schwindender Streifen am westlichen Himmel zu sehen. Das Tor stand noch halb offen und auf einem Stuhl im Wachhäuschen saß ein etwas rundlicher Halbling in Wachkleidung und döste vor sich hin. Sie erkannten ihn sofort als den, mittlerweile in die Jahre gekommenen Will, der damals Fonkin empfangen hatte, als dieser mit der kleinen T'alira von seinem Abenteuer zurückgekehrt war. Doch störten sie sich nicht an dem ihm, durchschritten das Tor und blieben ein Stück davor stehen, wo sie sich nun innig voneinander verabschiedeten.

Nach vielen gegenseitigen Umarmungen sagten sie sich schließlich Lebewohl, wünschten sich alles gute und T'alira versprach, eines Tages, wenn sie viele Abenteuer erlebt und etwas über ihre Mutter herausgefunden hatte, wieder zu kommen und ihm alles zu erzählen. Dann wandte sie sich ab und verschwand der Straße folgend in der Dunkelheit.

Fonkin blickte ihr noch lange nach, selbst als sie schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden war verharrte er noch auf der Stelle, wo sie ihn zurückgelassen hatte.

„Nun ist sie also fort.“, sprach ihn eine vertraute Stimme von der Seite an und Fonkin erkannte seinen Freund Albur, der ohne, dass es der Gnom bemerkt hatte neben ihn getreten war und ebenfalls in die Schwärze, der noch jungen Nacht, blickte.

„Ja.“, sagte Fonkin. „Nun ist sie fort und hier wird wieder alles anders werden.“

„Da hast du vermutlich recht. Ich muss sagen ich bin erstaunt wie schnell es ging, dass sie uns verließ, denn ich hatte frühestens nächste Woche damit gerechnet.“, fuhr der Halbling fort.

„Na ja, als sie erst einmal Feuer gefangen hatte, war sie gar nicht mehr zu halten und außerdem ging das eh alles von ihr aus. Ich hab, die schon rollende Kugel nur noch ein bisschen angestupst.“, erklärte der Gnom.

„Das ist schön zu hören, mir wär es sehr unangenehm gewesen, wenn wir sie dazu überreden hätten müssen, das sie uns verlässt. Und es freut mich auch, dass du es einigermaßen gelassen hin nahmst, als ich gestern mit dir darüber sprach. Chalice war nicht so verständnisvoll, als ich es ihr heute beizubringen versuchte. Doch zum Glück kam dann T'alira herein und hat sich von selbst verabschiedet. Ich glaube, Chalice wird sie sehr vermissen. Ja, ich glaube, wir alle werden T'alira sehr vermissen.“

„Ja, das werden wir.“, stimmte Fonkin dem Halbling zu. „Doch freut es mich, dass aus meinem Mädchen das geworden ist, was sie jetzt ist, und das sie jetzt ihren eigenen Weg geht. Ich hab es nie bereut, dass ich sie damals an mich genommen hab, und hoffe sie kommt gut zurecht da draußen.“

„Das hoff ich auch.“, sagte Albur und fügte hinzu: „Komm lass uns noch in den Gezimmerten Stollen gehen und ein paar Becher, auf ihr wohl trinken.“

Den Vorschlag nahm der Gnom an und zusammen gingen sie in das stets gut besuchte Wirtshaus, wo sie in dieser Nacht von allen Gästen am längsten blieben.
 

T'alira folgte der Straße und in ihr stieg die Neugier auf das, was sie auf ihrem Weg erwarten würde. Sie ging soweit, dass die Lichter der Stadt nur noch als kleinen Punkte zu sehen waren, dann hielt sie bei einem, von Moos überwuchertem, großen Findling, der am Straßenrand lag.

Sie wollte sich gerade ihrer Kleidung entledigen, um ihren Weg in Katzengestalt fortzusetzen, als eine kleine, in Schatten gehüllte Gestalt hinter dem Felsen hervortrat. Wobei T'alira ihre Freundin sofort erkannte.

„Chalice!“, sagte sie überrascht. „Was machst du denn hier?“

„Mich nochmal gebührend von dir verabschieden, was den sonst.“, entgegnete die Halblingin. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich einfach in aller Heimlichkeit davon gehen lasse, ohne das wir uns noch mal in aller ruhe auf wiedersehen gesagt haben. Am liebsten würd ich dich ja begleiten, aber als Kommandantin der Späher kann ich nicht einfach weggehen. Doch will ich dir noch das hier mitgeben, da ich denke, dass es dir sehr nützlich sein kann.“, sprach sie weiter und streifte dabei ein Lederarmband, an dem unzählige winzige Werkzeuge und Dietriche ,durch kleine Karabiner befestigt, baumelten, von ihrem linken Arm ab und reichte es der Drow.

„Wenn du eins dieser Werkzeuge abnimmst und das Befehlswort sagst, nehmen sie ihre normale Größe an, aber das weist du ja.“, fügte Chalice noch hinzu und T'alira nickte. Die Dunkelelfe hatte ihrer Freundin schon unzähligen Male dabei zugesehen, wie diese mithilfe dieses Armbands Schlösser geknackt und Fallen entschärft hatte. Chalice hatte sie sogar eigens darin unterrichtet solche Mechanismen aufzuspüren und auszuschalten. Das sie jetzt dieses Armband geschenkt bekam, ehrte T'alira sehr, da Chalice es immer wie ihren Augapfel behütet hatte. Außerdem hatte es den Vorteil, dass die Dunkelelfe, jetzt nicht mehr die unpraktische Tasche, mit ihrem eigenen Werkzeug, mit sich herumtragen musste.

„Danke!“, sagte T'alira gerührt und die Beiden umarmten einander, wobei die Dunkelelfen, wegen des Größenunterschieds, auf die Knie gehen musste. Dann wünschten auch sie sich viel Glück, sagten Lebewohl und trennten sich.

Als T'alira schließlich wieder allein war, verstaute sie alles was sie noch am Körper trug, mit Ausnahme des Amuletts ihrer Mutter, das sie nicht mal in Tiergestalt abnahm, in dem tragbaren Loch und faltete es auf die Größe zusammen, sodass sie es sich um den Hals binden konnte. Dann nahm sie ihre Panthergestalt an und verschwand, als schwarzer Schemen, in Richtung Westen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Langenlucky
2009-08-20T19:16:56+00:00 20.08.2009 21:16
Deine FF ist sehr schön geschrieben und der Charakter der Dunkelelfin gefällt mir sehr gut. Aber auch der Gnom ist klasse, ich hoffe du läßt in einem der später Kapitel noch einmal auftauchen.

Freue mich schon auf die Fortsetzung.


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